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In den Fängen eines Vampirs

Gefangene der Emotionen
von

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Hinter dem ruhigen Grau...

So, ich lade das Kapitel schon zum zweiten Mal hoch, da ich noch einige, kleine aber dafür wichtige Dinge überarbeitet habe …
 

Hallo meine Lieben! Ich bin wieder da, und ich habe Kapitel zwei im Gepäck! (Mit dem ich anfangs sehr, sehr gekämpft habe … Ich hoffe wahnsinnig, es ist gelungen! Wenn nicht, kritisiert bitte, damit ich weiss, was ich verbessern kann.)
 

Ich wünsche euch viel Spass beim Lesen und serviere dazu frische Brötchen und gepressten Orangensaft.
 

~ ~ ~ ~
 

Als Liliane wieder erwachte, drangen kaum noch Sonnenstrahlen durch die dicken Vorhänge. Sie blieb zuerst noch einige Sekunden so liegen und genoss die Wärme des Bettes, welche sie zu umgeben schien wie die träge Luft an einem feucht-heissen Sommerabend, dann erst wurde ihr bewusst, dass es inzwischen schon später Nachmittag sein musste. Sie setzte sich auf und starrte einen Moment lang verwirrt in das beinahe völlig abgedunkelte Zimmer hinein, bevor sie sich wieder an alles erinnerte. Alain.

Alain, mein persönlicher Adonis ...

Sie verdrängte diesen Gedanken. Er war nicht ihr Adonis.

Sie warf einen Blick auf die etwas zerwühlte Decke neben sich. Alain lag noch neben ihr.

Ich habe ihn wohl erschöpft. Der sarkastische Gedanke hatte etwas durchaus Reizvolles an sich ...

Auch sie legte sich nun langsam wieder hin – auf die Seite, damit sie ihn ansehen konnte. Und wieder fragte sie sich, weshalb jemand wie er eine so unscheinbare Person wie sie mit sich genommen hatte. Er hätte jede haben können, jede.

Du hast Minderwertigkeitskomplexe, flüsterte sie sich selbst zu, doch es half nichts ... Vielleicht hatte sie tatsächlich zu wenig Vertrauen in sich – aber irgendetwas sagte ihr, dass er keinesfalls ehrlich an ihr interessiert sein konnte.

Sie verdrängte diese düsteren Gedanken und konzentrierte sich stattdessen wieder auf sein Gesicht. Er sah völlig entspannt aus. Eine blonde Haarsträhne, die etwas heller als die anderen zu sein schien, hing ihm ins Gesicht. Sie zögerte kurz, dann konnte sie nicht widerstehen und streckte die Hand aus, um sie ihm sanft aus dem Gesicht zu streichen.

Als ihre kühlen Finger seine warme Haut berührte, öffnete Alain die Augen mit einem Ruck. Sein Ausdruck, als er sie musterte, war so aufmerksam und wach, dass sie zuerst vermutete, er sei schon länger wach gewesen, doch im nächsten Moment ärgerte sie sich über sich selbst. Sie wurde schon paranoid ...!

Sie spürte, wie ihr das Blut vor Verlegenheit in die Wangen schoss und ihr Gesicht heiss wurde.

Endlich verzog Alain seine Lippen zu einem Lächeln. Er sah sie noch immer fest an, und sie erwiderte den Blick, unfähig, sich irgendwie zu bewegen oder das Wort zu ergreifen. Wieder fürchtete sie, etwas Falsches sagen zu können. Schliesslich setzte Alain sich auf, und Liliane tat es ihm gleich, erleichtert, dass er ihr indirekt zeigte, was sie zu tun hatte.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte er beiläufig, während er bereits daran war, sich anzuziehen.

„Ja“, antwortete sie. Sie fragte nicht ‚Und du?’, denn was konnte sie auch anderes erwarten, als ein Ja seinerseits? Solche Fragen waren eigentlich unnötig; die Antwort war vorhersehbar.

Ihr Blick glitt noch einmal über seinen Oberkörper, über seine klar definierten Muskeln, bevor diese unter seinem Pullover verschwanden.

Wie schade ...

Liliane zog sich ebenfalls wieder an. Der grösste Teil der freudigen Erregung und der Sympathie zu Alain, die sie noch an diesem Morgen verspürte hatte, kaum hatte sie in seine grauen, wundervollen Augen gesehen, war verschwunden.

Ja, er war der personifizierte Adonis und ja, er war verdammt gut im Bett, aber nichts desto trotz freute Liliane sich darauf, bald wieder zu Hause zu sein. Sie dachte für sich, dass ihre Freundin Alice, die gesehen hatte, dass sie die Disko mit Alain verlassen hatte, sicherlich brennend interessiert sein würde – an jedem noch so kleinen Detail. Bei diesem Gedanken entwich ihr ein leises Seufzen.

„Wieso denn so nachdenklich?“, wurde sie von seiner sanften Stimme aus den Gedanken gerissen.

„Ach, ich…“

Ja, toll, brich den Satz unbeendet ab. Das macht einen sehr tollen Eindruck.

Liliane verdrängte diese innere, ungeliebte Stimme. „Ich habe mich nur gerade gefragt, wie ich zurück in die Stadt komme.“ Sie erwiderte sein Lächeln. „Könntest du mich vielleicht zu der nächsten U-Bahn-Station bringen?“
 

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, verblasste Alains Lächeln – wenn auch nur für einen Sekundenbruchteil.

„Später“, sagte er leise und fasste nach ihrer Hand.

Sie liess zwar zu, dass er ihre Linke ergriff, doch sie spürte selbst, wie ihr Lächeln ein wenig unsicher wurde. „Weisst du, Alain … Ich würde gerne gehen.“

Er lächelte nur weiterhin schweigend und führte sie in das grosse Wohnzimmer. Er setzte sich auf das Sofa und zog sie mit; ihr blieb nichts anderes übrig, als sich ebenfalls zu setzen.

Ihre Gedanken rasten. Wieso war er nicht auf ihren Wunsch – ihre Bitte – eingegangen? Sie sah ihm in die Augen, und das beinahe schon vertraute Grau beruhigte sie ein wenig. Sie reagierte über – sie sollte zumindest einmal abwarten, was Alain sagen wollte.

„Weisst du, Liliane…“, begann er und gebrauchte somit genau dieselben Worte wie sie zuvor, „… eigentlich habe ich mit ‚besser kennenlernen’ nicht gemeint, dass wir wieder miteinander schlafen. Nicht, dass es mir nicht gefallen hätte, aber ich weiss so gut wie nichts über dich …“ Seine Stimme war gleich geblieben: leise und verlockend.

Liliane lächelte automatisch; sie konnte nicht anders. Er wollte sie immer noch besser kennen lernen?! Dies überraschte sie, doch es war eine angenehme Art der Überraschung. Er schien es tatsächlich vollkommen ernst mit ihr zu meinen.

„Nun“, sagte sie langsam, „vielleicht kann ich noch eine Stunde bleiben …“

Eine Sekunde lang glaubte sie, Alains Augen in einer seltsamen Mischung aus Zufriedenheit und Gier aufblitzen zu sehen, doch bevor dieser Gedanke völlig ausreifen und den Samen der Furcht in ihrem Kopf säen konnte, war er auch schon verschwunden.
 

Drei Stunden später war es beinahe völlig dunkel.

Alain hatte von seinem Butler, dessen Name Liliane noch immer nicht kannte, ein Abendessen organisieren lassen, das um Einiges üppiger gewesen war als das, was sie gewohnt war. Beinahe hatte sie ein schlechtes Gewissen gehabt – sie wollte nicht wissen, was das Drei-Gänge-Menu gekostet hatte. Andererseits spielte es, wenn sie sich seine Villa ansah, sehr wahrscheinlich kaum eine Rolle.

Ihr war sehr wohl aufgefallen, dass Alain nur lustlos in seinem Essen herumgestochert und kaum etwas gegessen hatte, doch sie hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Sie war viel zu beschäftigt gewesen, ihm etwas über sich zu erzählen. Auf belanglose Fragen war sie eingegangen – sie hatte ihm bereitwillig erzählt, wo sie als Kind gewohnt hatte, wo sie zur Schule gegangen war und wo sie jetzt wohnte – doch sobald die Fragen ein wenig persönlicher geworden waren, hatte sie sie geflissentlich überhört oder ausweichend geantwortet. Zu ihrer grossen Überraschung nahm er das ohne ein Wort des Widerspruchs schon beinahe zufrieden lächelnd hin.
 

Als sie schliesslich zum ersten Mal an diesem Abend einen Blick auf ihre Uhr warf, musste sie erschrocken feststellen, dass es bereits nach acht Uhr war. Sie wand ihre Hand aus der seinen und sagte: „Alain, ich danke dir wirklich für diesen schönen Tag, aber ich sollte nun gehen. Es ist schon so spät …“

Alain schüttelte bestimmt den Kopf und nahm wieder ihre Hand; zog sie zurück aufs Sofa, als sie sich erheben wollte. Nun flammte doch Furcht in ihr auf … kaum mehr als ein zarter Funken, den Alain mit einem einzigen, richtig gewählten Wort hätte auslöschen können … doch das passierte nicht.

„Du kannst noch einmal bei mir schlafen“, hauchte er in ihr Ohr, bevor er erst ihren Mundwinkel küsste und sie dann zu sich zog und wieder sehr leidenschaftlich seine Lippen auf die ihren presste.

Das ist nicht gut ... Er wird dich nicht gehen lassen!, meldete sich die ungeliebte Stimme wieder zu Wort. Sie meinte jedes Wort todernst. Liliane versuchte, den Gedanken zu verdrängen – natürlich würde er sie gehen lassen ... er musste sie gehen lassen – doch etwas sagte ihr, dass das nicht stimmte. In ihrem Innersten wusste sie, dass es nicht so sein würde.

Sie wehrte sich; wehrte sich gegen ihre Erregung und auch gegen ihn, und schliesslich liess er sie los. „Was ist denn los, meine liebste Liliane?“, fragte er. Seine Stimme klang noch immer zuckersüss, doch der Ausdruck seiner Augen hatte sich verändert ...

„Bitte“, sagte sie, „ich möchte gerne gehen. Sag mir einfach, in welcher Richtung die Stadt liegt, okay?“ Das letzte Wort klang ein wenig schrill, ein wenig ängstlich, doch es war ihr egal. Sie war verängstigt.

Er machte ihr angst.

Mit seinen Fingern hatte er noch immer ihre rechte Hand umschlossen. Sie versuchte, sie ihm zu entziehen, doch sein Griff war zu fest. Ihr Verstand, ihre Vernunft, wehrte sich, den Gedanken zu akzeptieren, dass er sie nicht gehen lassen würde – das wäre schlicht nicht logisch gewesen!

„Alain, du bist mir wirklich sympathisch ... Ich... ich mag dich“, gestand sie nach einem kurzen Zögern. „Wenn du willst, können wir uns gerne in ein paar Tagen wieder treffen.“

Oder in ein paar Wochen ... Monaten ... Jahren ... oder nie mehr.

In diesem Moment, während sie auf seine Antwort wartete, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als zu Hause zu sein, in ihrer kleinen Wohnung, im noch kleineren Wohnzimmer. Der Fernseher würde laufen, auch wenn sie sich vermutlich nicht auf die Bilder und Töne konzentrieren, sondern in einem schönen Buch schmökern würde … Es wäre sicher. Sie wäre sicher. Die Wohnung bot Sicherheit. Schutz.

Liliane hatte gewusst, dass es keine gute Idee gewesen war, mit ihren Freundinnen zu gehen. Wieso hatte sie sich überreden lassen? Sie mochte keine Diskos ...! Sie spürte, wie langsam die Panik nach ihr griff. Sie konnte nichts dagegen tun.

Dann, endlich – es schien ihr, als sei eine Ewigkeit vergangen – antwortete Alain, und im ersten Moment beruhigte sie sich ... sie war sicher, dass er ihr sagen würde, dass er sie nach Hause bringen würde. Doch als sie ihm zuhörte, wurde ihr mit den verstreichenden Sekunden bewusst, dass es nicht das war, was er sagen wollte.

„Wenn du wirklich gehen willst, verstehe ich das, liebste Liliane ... auch wenn ich es äusserst schade finde. Erinnerst du dich an das leere Gästezimmer? Würdest du es nicht auch schön finden, es einzurichten, wie es dir beliebt? Du könntest länger hier bleiben ...“
 

Länger. Was meinte er mit ‚länger’?!

Die Panik wollte zurückkommen, doch Liliane drängte sie mit aller Macht zurück. Sie konnte sich keine Panik leisten.

„Nein, Alain ... Hör zu, ich... möchte bitte gehen. Jetzt.“ Als sie in Alains Augen sah, biss sie sich auf die Lippe und fügte noch einmal ganz leise hinzu: „Bitte ...“ Dieses leere Zimmer reizte sie plötzlich überhaupt nicht mehr.

Er seufzte. „Nein, meine Liliane. Ich fürchte, das wird nicht gehen.“

„Was ... meinst du damit?“

„Ich meine“, sagte er langsam und deutlich, „dass ich will, dass du hier bleibst. Bei mir. Verstehst du jetzt, was ich meine?“

Sie starrte ihn verständnislos an.

Ja, sie verstand seine Sätze. Sie hatte jede Silbe überdeutlich wahrgenommen. Der Sinn seiner Worte hatte sich ihr erschlossen. Aber sie verstand trotzdem nicht richtig ... Das konnte er nicht ernst meinen! Er konnte sie nicht einfach hier behalten.

Sie riss ihre Hand los und stand auf. Seine Fingernägel kratzen dabei über ihre Haut und hinterliessen rote, schmerzende Striche, doch in diesem Moment nahm sie das gar nicht richtig wahr.

Er erhob sich ebenfalls, und ein bösartiges Funkeln hatte sich in seine Augen geschlichen. Oder bildete sie sich das nur ein?

Er trat langsam auf sie zu, und jeden seiner Schritte erwiderte sie, indem sie zurückwich, ohne den Blick auch nur eine Sekunde lang von ihm abzuwenden. Sie schüttelte den Kopf. „Alain, das kann nicht dein Ernst sein!“

„Du hast keine Ahnung, wie ernst ich das meine.“ Seltsamerweise stand seine Stimme im völligen Gegensatz zu dem Ausdruck seiner Augen. Sie klang noch immer so sanft und umschmeichelte sie ... Sie liess sich davon nicht beirren. „Ich werde jetzt gehen!“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte aus dem Wohnzimmer. Ihre Jacke war noch oben, ebenso ihre Handtasche, aber sie kümmerte sich nicht darum. Sie wollte raus; weg aus diesem Haus, fort von Alain, und das war das Einzige, das wichtig war.

Sie wusste es.

Sie spürte es einfach.

Sie brauchte bestimmt zehn ganze Sekunden, bis sie die grosse Eingangshalle durchquert hatte, doch schliesslich war sie bei der Türe und konnte nach dem Türklinke greifen, und ein Gefühl von grosser Erleichterung durchflutete sie, als ihr bewusst wurde, dass Alain sie scheinbar nicht verfolgt hatte.

Er ist irre ... Er ist ein Irrer.

Sie drückte die Klinke herunter und riss an der Türe – doch sie liess sich nicht öffnen. Ein Ruck ging durch ihren gesamten Arm, als die Tür so unerwarteten Widerstand leistete. Sie missachtete den Schmerz und drückte gegen die Tür, obwohl sie sicher war, dass man ziehen musste. Natürlich passierte nichts.

Die Türe war verschlossen.
 

Liliane biss sich wieder auf die Lippen. Nicht panisch werden, flüsterte sie sich selbst zu, und dann das Mantra, welches ihr Psychiater ihr irgendwann in einer der sinn- und nutzlosen Sitzungen vorgegeben hatte: Ich schaffe das. Alles wird gut. Es gibt keinen Grund für meine Angst. Ich schaffe das.

Sie drehte sich um, sodass sie die Türklinke in ihrem Rücken spürte. Alain kam völlig gemächlichen Schrittes durch die Eingangshalle auf sie zugeschlendert.

Ihre Angst wurde übermächtig, trotz des Mantras. „Lass mich gehen! Jetzt!“, schrie sie.

Alain lächelte nur.

Noch immer völlig ruhig.

Aus einem der Nebenzimmer trat der Butler. Mit einem einzigen Blick hatte er die Szene erfasst, doch er machte keine Anstalten, Liliane zu helfen.

„Gibt es hier ein Problem?“, fragte er. Er hatte eine dunkle Stimme. Sie klang angenehm, aber paradoxerweise nicht ganz so beruhigend wie die von Alain.

„Ich... Er... Er will mich nicht gehen lassen! Ich bitte Sie, helfen Sie...“ Sie brach ab, als sie bemerkte, dass der Butler nicht sie ansah. Er hatte seinen Blick fest auf Alain geheftet. Der winkte lässig ab. „Nein, noch nicht. Aber bleib bitte gleich hier, Niclas.“

Niclas. Der Butler hiess also Niclas.

Niclas nickte.

„Nun, Liliane, du hast mich scheinbar falsch verstanden“, sagte Alain noch immer freundlich. „Du wirst hier bleiben. Bei mir. Und wenn du nicht freiwillig bleibst, werde ich dich dazu zwingen.“

„Was?!“ Liliane begann am ganzen Körper zu zittern. Das konnte er nicht machen; das ging nicht …!

Aber er meinte es ernst. Natürlich meinte er es vollkommen ernst.

Und ein anderer Teil von ihr rief ihr immer wieder vorwurfsvoll zu: Du wusstest es! Du hättest nicht ausgehen dürfen!

Natürlich … Selbstauferlegte Isolation, wie zur Selbstbestrafung ... Das wäre besser gewesen. Der Gedanke hatte etwas Sarkastisches, aber für sich dachte sie, dass es vermutlich stimmte.

Liliane begann langsam, sich an der Türe herunter gleiten zu lassen. Stehen konnte sie nicht mehr; ihre Beine waren zu schwach und zitterten zu sehr. Alain kam nun doch zu ihr, so nahe, dass er nur noch einen halben Meter vor ihr stand. Viel zu nahe.

Er wollte nach ihrem Arm greifen, und Liliane bezweifelte nicht einmal, dass er ihr tatsächlich nur hoch helfen wollte, doch sie schlug seine Hand zur Seite und machte sich so klein wie möglich. Sie zog die Beine an den Körper und senkte das Gesicht, sodass sie nichts mehr sah, nichts mehr wahrnahm – ausser ihrer eigenen Angst. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie oft sie früher schon so dagesessen war, mit dem Rücken zu einer Wand oder einer Türe ...
 

„Liliane.“

Sie reagierte nicht, doch es gelang ihr nicht, die Stimme auszublenden; dafür war sie ihr noch zu wenig vertraut.

„Liliane ...“ Sie spürte eine Hand in ihren Haaren und Finger, die beinahe schon sanft damit spielten. „Liliane, wir können das auf die eine oder andere Weise lösen ... Mir wäre es lieber, du würdest einfach tun, was ich sage. Dann werden wir uns gut verstehen, hörst du?“

Liliane hörte ihn; sie hörte Alains Worte, und sie nahm auch die leise Drohung darin wahr.

„Jetzt schau mich an, ja?“

Langsam, ganz langsam, zwang sie sich, den Kopf zu heben, geleitet von Alains starker Hand in ihren Haaren. Sie starrte in seine Augen, und hinter dem ruhigen Grau ... schien nun ein Sturm zu toben. Ein Sturm aus Drohungen und Macht ...

Sie senkte den Blick wieder zu Boden.

„Liliane!“ Alains Stimme war nun härter. „Du wirst dich mit der Situation arrangieren müssen. Ich glaube, dir ist nicht klar, wie ernst ich es meine. Du hast zwei Möglichkeiten, ja? Ich lasse dir sogar die Wahl, liebste Liliane. Entweder du gehst mit mir, und wir versuchen, über das Ganze vernünftig zu reden.“

Sie schüttelte heftig den Kopf, und Tränen traten in ihre Augen. Noch immer fühlte sie sich verwirrt. Ja, da war Angst, aber die Verwirrung war noch immer da. Er konnte sie nicht hierbehalten; nicht wirklich ... oder?

„Oder aber“, fuhr Alain fort, „du gehst mit Niclas in dein Zimmer und sagst ihm, wie du es einrichten willst. Was darf es sein, meine Kleine?“

Meine Kleine ...

Sie schluchzte heiser auf und senkte den Kopf wieder zu ihren Beinen hinab. „Lass mich in Ruhe, geh weg!“

Alain seufzte leise. Dann murmelte er etwas, das klang wie ‚Wenn du es anders nicht willst’. Er packte ihre Oberarme und riss sie hoch. Sie taumelte, musste sich auf ihn stützen, um nicht zu fallen.

Noch immer konnte sie den grauen Sturm in seinen Augen sehen, und er wiederholte seine Worte von vorhin; nun lauter.

„Liliane, wenn du es nicht anders willst ... Wir können es auch auf die andere Art und Weise machen, kein Problem. Dir wird schon noch klar werden, dass es mir ernst ist.“ Dann wandte er sich Niclas zu. „Bring sie in eines der Zimmer und schliess sie dort ein. Ich will ihr Zeit lassen um nachzudenken. Ich werde dann in einigen Stunden nach ihr sehen.“

Irrte sie sich – oder hatte sich dieses Funkeln... dieses gierige Funkeln – noch verstärkt?

Ob sie sich nun irrte oder nicht – diese Vorstellung intensivierte ihre Angst noch.
 

Alain lächelte ihr zu, und das Lächeln war überraschenderweise genau so liebevoll wie während all den Stunden vorher.

Niclas nickte. Er nahm Liliane am Arm, sanfter als Alain zuvor, und sagte leise: „Bitte Miss, kommen sie mit mir.“

Dann begann er, sie durch die Eingangshalle zu führen – wobei er während der meisten Zeit an ihr zog und zerrte, weil sie nicht mitging.

Es war nicht so, dass sie nicht wollte. Das auch, aber das andere Problem war ... dass sie es schlicht nicht konnte.
 

Das Zimmer, in welches sie geführt wurde, war in kühlen Blautönen gehalten. Das Himmelbett, welches in der Mitte des Raumes stand, sah bequem aus ... aber es reizte Liliane absolut nicht. Sie fühlte die Verzweiflung in sich brennen.

Alain ... Was wollte er von ihr?

Niclas schloss die Türe, als er das Zimmer wieder verlassen hatte. Liliane hörte, wie er den Schlüssel drehte und dann das leise Klicken des Schlosses.

Was wollte er?

Zitternd, mit unsicheren Beinen, die jeden Moment ihren Dienst zu versagen drohten, ging sie zum Fenster. Auch von diesem Zimmer aus sah sie in der Ferne wieder den Wald und dahinter das Sandsteingebirge. Beides versprach Freiheit. Mit zitternden Fingern griff sie nach der Fensterverriegelung. Sie versuchte, es zu öffnen – doch es bewegte sich keinen Millimeter. Als sie das Fenster genauer ansah, bemerkte sie, dass es sich nur mit einem passenden Schlüssel würde öffnen lassen.

Liliane brach weinend auf dem Boden zusammen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Enyxis
2013-06-21T20:52:49+00:00 21.06.2013 22:52
Ach du Schande O_________________O DAFUQ?! <-- Meine erste Reaktion zu Alain, als er so... naja ich will mal sagen "ausrastet"...
Die arme Lilliane... o__O Ich wär wahrscheinlich schon tot vor Angst und Panik DX

Hamma geschrieben!
Von:  Animegirl_07
2009-03-07T12:39:28+00:00 07.03.2009 13:39
Oh, mein Gott!!!! Ein Irrer läuft frei herum und hat soooooo ein schönes Haus?! O.o
irgendwie passt das XD
Man, das war ein wunderschönes Kapitel! Mir hat das sogar etwas besser gefallen als das erste, ich weiß aber nicht wieso. weil ich vielleicht die Art von Alain toll find ^^" Na ja, ich kann mir vorstellen, welche Panik Liliane beschlich, aber ich wäre doch i-wie an ihrer Stelle. Wäre bestimmt interessant geworden *grins*
Auf jeden Fall bin ich gespannt, wie es wohl weiter geht, da sie ja jetzt einesperrt ist und ich keine ahnung hab, was der eigentlich jetzt genau von ihr will! bin schon echt gespannt^^
und noch mal ein gaaaanz großes Bravo von mir^^
es ist echt toll geschrieben und eine schöne Idee
In mir ist die Spannung gestiegen, als ich das gelesen hab, ich glaub ich les gleich das 3. kapi^^

Liebe grüße
Ani_07
Von:  Crimson_Butterfly
2009-03-05T11:05:25+00:00 05.03.2009 12:05
So, nachdem ich nun mit meinen gesamten Kram erstmal Fertig bin und völlig verschnupft vor dem PC sitze (Meine Nase ist schon Wund vom vielen putzen-.-") habe ich es endlich geschafft, dein zweites Kapitel zu lesen. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie erinnert mich Alain, von seiner Art her, sehr an Drake Oo" Oder bin ich Paranoid? Hm ... gute Frage ...

Jedenfalls kann ich Liliane gut verstehen. Mir wäre das auch nicht geheuer und ich würde wohl genauso Panisch reagieren, wie sie. Die Verzweiflung und Angst des Mädchens ist sehr gut rübergekommen und lässt das gänze irgendwie gruselig erscheinen (Wieso muss ich gerade an das Spiel 'Atmosphäre' denken? Möp ...) Trotzdem würde ich gerne mit ihr tauschen^^°

Bravo ... wieder sehr schön
Von: abgemeldet
2009-02-09T17:31:00+00:00 09.02.2009 18:31
Sehr Emotional und ergreifend. Alain scheint ja doch nicht so der Adonis zu sein. Vielleicht hätte Liliane besser daran getan sich mit ihm zu arrangieren, aber dann wäre die Story wohl nur halb so inteeressant xD
So auch hier gilt: "Ich hab da noch was zu bemängeln..."

1. >ein Abendessen organisieren lassen, das um Einiges üppiger gewesen war als das, was sie sich gewohnt war<
-ich würde das "sich" entfernen, dann ergibt der satz für mich auch sinn.
2.>Seltsamerweise stand seine Stimme im völligen Gegensatz zu dem Ausdruck seiner Augen. Seine Stimme klang noch immer so sanft und umschmeichelte sie<
-Seine Stimme, seine Stimme kurz hintereinander, klingt unschön. Mach doch aus dem zweiten "seine stimme" einfach "sie" und schon lässt es sich besser lesen.
3.> werde ich dich zu meiner Gefangenen machen.<
Sehr direkt, Hochachtung! Hier würde ich lieber sagen "werde ich dich dazu zwingen" oder etwas in der Art. Das würde zu seiner Art besser passen, als salopp zu sagen "Ich sperr dich ein!" ^^
4.>Du hättest nichts ausgehen dürfen!< SCHREIBFEHLER! xD
und zuletzt
5.>Niclas schloss die Türe, als er das Zimmer wieder verlassen hörte.<
-Wie kann er das Zimmer verlassen hören? Da ist glaube ich etwas völlig falsch gelaufen ^^'

Ansonsten sehr schöne Schaueratmosphäre und Alain scheint ein seltsamer Character zu sein. Besitzergreifend auf jeden Fall, aber irgendwie... zu nett. Mal sehen, was er damit bezweckt Oo


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