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Demonic Possession

von

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Unorganized Demons

A/N: Das hier spielt weit vor allem Geschehen der eigentlichen FF, es hilft allerdings, Daisuke zu verstehen.

Kapitelrating: R
 

~*~
 

„Hazuki, hör mal zu. Ich hab keine Lust darauf! Da muss ich alle drei Monate in so ’n beschissenes Schloss zu so drei anderen beschissenen Leuten und über den beschissenen Scheiß reden, den ich mache. Außerdem bin ich dann für euch Scheißer verantwortlich und muss für die Scheiße gerade stehen, die ihr macht. Nee, mal echt, das ist mir wirklich zu viel Arbeit!“ Daisuke verschränkte die Arme und lehnte sich beleidigt etwas nach hinten.

Hazuki hob eine Augenbraue. „Natürlich. Stattdessen wartest du lieber, bis ein neuer Anführer gewählt ist, damit du ihm das Leben schwer machen und dich über ihn beschweren kannst.“

„Klar! Das ist doch viel angenehmer!“

„Wenn man die letzten vierzig Jahre, die ich mit dir zusammen verbracht habe, in einem halben Satz zusammenfassen muss, dann wäre das folgender: ‚Wenn ICH Anführer wäre, würde ich ja....’. Bitte. Jetzt hast du die Gelegenheit dazu.“

„Als ob irgendwer wollen würde, dass ausgerechnet ICH...“ Daisuke brachte seinen Satz nicht zuende, da der andere plötzlich lächelte. „Was?“, fragte er skeptisch.

„Sieh dich doch mal um. Wie viele Dämonen kennst du, die dich absolut NICHT als Anführer sehen wollen?“

„Ziemlich viele.“

„Und wie viele WOLLEN dich als ihren Anführer? Mehr, nicht wahr?“

„Was für eine beschissene Scheiße...“, murmelte Daisuke kopfschüttelnd und ließ sich frustriert neben den anderen fallen. „Ich kann das nicht, Hazuki. Ich meine, guck dir an, was mein Vorgänger gemacht hat. Er war ein Mitbegründer dieser ganzen Scheiße, er hat diesen ganzen Mist hier mit möglich gemacht...“

„Und ist dann am stärksten davon abgewichen, das stimmt, das ist überhaupt nicht dein Ding, dich Regeln nicht anzupassen...“, bemerkte Hazuki amüsiert und legte einen Arm um Daisuke, zupfte an dessen Haaren herum.

„Das meine ich doch gar nicht! Pass auf. Und lass meine Haare in Ruhe! Wenn ich wirklich dieser beschissene Anführer wäre, dann müsste ich mich doch voll gestelzt ausdrücken und so formell rumrennen...“

„Du solltest dir etwas zum Anziehen besorgen, das stimmt schon“, grinste Hazuki.

„Kannst du mich nicht wenigstens ein Scheißbisschen ernst nehmen??“

„Nicht, wenn jedes zweite Wort, das du sagst, ‚Scheiße’ ist. Solche Leute kann ich nicht ernst nehmen.“

Daisuke stöhnte gequält auf und biss den anderen leicht in den Handrücken. „Du machst es mir aber echt nicht leicht.“

„Weißt du was? Ich glaube, du hast ganz einfach davor Angst, Verantwortung übernehmen zu müssen“, merkte Hazuki an und störte sich nicht daran, dass Daisuke anfing, an seinem Unterarm zu knabbern.

„Als ob“, nuschelte der andere Dämon zurück. „Ich kann sehr wohl Scheißverantwortung übernehmen. Aber eben nur für mich selbst. Und nicht auch noch für andere.“

„Es spricht ja schon für dich, dass du dir überhaupt Gedanken darüber machst“, lächelte Hazuki und schloss kurz die Augen, als Daisuke ihm einmal quer über die Wange leckte. „Also ICH weiß, wer morgen gewählt wird.“

„Warum lässt du dich eigentlich nicht wählen? Du bist intelligenter als ich, nicht so vulgär, hast viel mehr Ahnung und so.“

„Nein, ich denke nicht, dass ich ein guter Anführer wäre. Du wirst das schon hinkriegen, wenn’s drauf ankommt.“
 

~*~
 

„Wählt mich bloß nicht, ja?“, knurrte Daisuke einem vorbeilaufenden Dämon zu.

Der schenkte ihm ein spöttisches Grinsen. „Als ob ich ausgerechnet DICH wählen würde, du Spatzenhirn.“

„Echt mal!“, stimmte ihm ein anderer zu. „Du würdest bestimmt ein Gesetz erlassen, dass in jedem Satz mindestens einmal Scheiße vorkommen muss!“

„Nee, wenn du Anführer wärst, dann würde es Mord und Totschlag geben, das sag ich dir“, mischte sich ein dritter ein.

„Wenn ich schon einen Idioten auf dem Thron sitzen haben muss, dann wenigstens keinen UNFÄHIGEN Idioten!“, fügte ein vierter hinzu, was alle in seinem Umkreis lauthals lachen ließ.

Hazuki spitzte lediglich die Lippen.

„Siehst du, du hast Scheiße erzählt. Keiner will mich haben“, meinte Daisuke genervt.
 

Am nächsten Tag standen die Wahlergebnisse fest. 10% waren an verschiedene, weitestgehend unbekannte Dämonen gegangen, und 90% hatten für Daisuke gestimmt. Es war mehr als eindeutig.

Kaum dass die Ergebnisse vorgelesen wurden, entgleisten Daisuke sämtliche Gesichtszüge. Offen ungläubig starrte er in die Menge, die ihn mindestens genauso entsetzt zurück anstarrte.

„Wahlbetrug!“, rief einer.

„Schiebung!“, ein anderer.

„Das ist völlig unmöglich!“

„Das kann nicht sein!“

„Neuwahlen!!“

„Was um alles...“ Daisuke sah kurz zu Hazuki, ehe er mit einem Satz auf den Tisch sprang und um Ruhe bat. „Hey, ihr Scheißer. Das Scheißergebnis kann nicht stimmen.“ Zustimmender Lärm. „Okay, machen wir’s öffentlich. Jeder, der mich gewählt hat, hebt seine verdammte Hand.“

Fast alle Hände schossen in die Höhe. Höchstwahrscheinlich 90%.

„Was zur Hölle?!“, fragte Daisuke laut.

„Tja, sieht wohl so aus, als wollten wir dich doch als Anführer!“, meldete sich einer aus der ersten Reihe und grinste breit.

„Ja, scheinst nicht der schlechteste Kandidat zu sein“, nickte einer weiter hinten.

Und da dämmerte es ihm. „Ihr verdammt Scheißkerle!“, schrie er. „Ihr habt mich verarscht! Ihr habt mich verdammt noch mal... Das zahl ich euch heim!“

„Kannst du nicht, als Anführer – da musst du unsere Interessen vertreten!!“, rief jemand zurück. Sehr viele lachten.

„Ich röste euch!“, regte Daisuke sich weiter auf. „Oder liegt das etwa nicht in eurem Scheißinteressensbereich!?“ Er warf Hazuki einen Blick zu. Der andere Dämon schien sich köstlich zu amüsieren. „Ich brate euch auf kleiner Flamme!!“

„JAAA!“, grölte die Menge zurück.

„Ich ertränke euch in Menschenblut!“

„JAAAA!!“

„Ich reiße euch die Nieren raus, um damit zu jonglieren!“

„JAAAAAAAA!!!!“

„Ihr Aasgeier! Ihr verrotteten Maden! Ihr hinterhältigen Scheißsatansbraten!!!“

Von diesem Tag an war Daisuke der Anführer der Dämonen des Südens.
 

~*~
 

Jedes Mal, wenn ein Neu-Dämon sich seinen Artgenossen anschloss, konnte er zwischen vier Himmelsrichtungen wählen. Jede Himmelsrichtung unterstand einem Anführer, und jeder Anführer vertrat bestimmte Ideale und Interessen. Daher konnte man die jeweiligen Dämonenvölker auch ohne Probleme in bestimmte Raster einordnen. Die Dämonen des Westens beispielsweise waren allesamt sehr düster gekleidet und taten oft geheimnisvoll.

Die Dämonen des Südens hatten ein einziges Interesse: Genuss. Und zwar Genuss in jeglicher Art. Und es gab wohl nur wenige, die genau das so gut vertreten konnten wie Daisuke.

Das durfte auch Mana ziemlich schnell merken.
 

„Daisuke?“

„Hm?“, machte der Angesprochene schläfrig und hob den Kopf einige Millimeter von Hazukis Bauch. Der andere Dämon hatte eine Hand in seinen Haaren vergraben und kraulte ihm mit der anderen den Nacken, daher hielt er nicht ganz so viel davon, gerade jetzt gestört zu werden.

„Da will dich jemand sprechen“, fuhr der neu angekommene Dämon fort und sah hinter sich, in den Gang, aus dem er gerade gekommen war.

„Schick ihn wieder weg“, grummelte Daisuke und vergrub sein Gesicht wieder an Hazukis warmer Haut, strich weiter über den Unterarm des anderen.

„Ehm, ich glaube, das ist keine so gute Idee.“

„Ach ja? Und warum nicht?“, fragte der Anführer genervt in Hazukis Bauch, woraufhin dieser sich etwas anspannte.

„Es ist Mana.“

„Mana wer?“, wollte Daisuke stirnrunzelnd wissen und drehte seinen Kopf so hin, dass er zur geöffneten Tür blicken konnte.

„Das ist der Anführer der Anführer, du zurückgebliebenes Stück Brot“, flüsterte Hazuki ihm leise zu.

Daisuke starrte ihn einen Augenblick lang an. „Ja und?“

Hazuki verdrehte die Augen. „Wenn du dich mit ihm anlegst, hast du ein großes Problem.“

„Hm. Ich kann ihn mir ja wenigstens mal angucken. Lass ihn rein.“ Er winkte dem Dämon an der Tür unbestimmt zu und begann, an Hazukis Bauchnabel zu knabbern.

„Sollte ich mich nicht lieber vorher richtig anziehen?“, fragte dieser leise.

„Unsinn. Soll er ruhig sehen, was ihm noch fehlt – nämlich so jemand wie du.“

Hazuki musste lächeln. „Wer wäre denn ‚so jemand’ wie ich?“

„Ein Freund. Ein Berater. Eine Hilfe. Weißt du eigentlich, was ich ohne dich wäre? Ein Nichts. Ein kleines unbedeutendes Nichts. Und das meine ich ernst.“ Daisuke rollte sich auf den Rücken, griff nach einer von Hazukis Händen und verschränkte ihre Finger ineinander.

So lagen sie, als Mana den Raum betrat. Auf den ersten Blick wirkte er unheimlich respekteinflößend, vor allem durch seine hochtoupierten Haare und seine tiefschwarz umrandeten Augen und den langen Wimpern. Aber andererseits war das nichts, woran Daisuke nicht gewöhnt war. Und vor allem machte Manas Gesichtsausdruck das Ganze ohnehin zugrunde. Er starrte die beiden Gestalten einen Moment lang an, dann versuchte er sich an einem neutralen Tonfall. „Daisuke?“, fragte er vorsichtig.

„Genau der“, nickte der Angesprochene und zupfte Hazukis Hose etwas zurecht.

„Ich... bin Mana, du wirst mich kennen.“

„Jaaa, ich hab dich schon ein paar Mal gesehen, glaube ich. Jetzt, wo ich mir dich so ansehe... du bist auch noch nicht so lange im Geschäft, oder?“

„Nein, auch erst seit einem Jahr.“

„Whow. Hoffnungsträger Mana!“, meinte Daisuke theatralisch und merkte, wie Hazukis Bauch sich zusammenkrampfte, als er ein Kichern unterdrückte.

Mana wirkte nicht einmal halb so amüsiert. „Ja. Also.. ich wollte dich nur zu deinem neuen Amt beglückwünschen.“

„Hey, du bist der erste, der nicht Sachen sagt wie ‚mach kein Scheiß’!“, freute Daisuke sich.

„Das wollte ich gerade noch anfügen“, bemerkte Mana.

Daisuke starrte ihn einige Momente an, und als Hazuki seinen Gesichtsausdruck bemerkte, lachte er nun endlich wirklich los.

„Und eigentlich bin ich auch hergekommen, um meine Wünsche darüber auszudrücken, dass das Volk der Dämonen des Südens nun vielleicht ein klein wenig zivilisierter werden würde, aber ich fürchte, diese Hoffnungen waren – wie so viele andere auch – naiv“, fuhr Mana ruhig fort.

„Hey, so schlimm bin ich gar nicht!“, protestierte Daisuke vehement.

„Ach ja?“ Sein Gesprächspartner hob eine Augenbraue. „Beweis es.“ Und damit verließ er den Raum wieder.

Daisuke starrte ihm mit offenem Mund hinterher.

„Tja, ich fürchte, dass du dir soeben den ersten Feind geschaffen hast“, bemerkte Hazuki. „Und ich weiß, dass ich das eigentlich nicht lustig finden sollte, aber du hättest dich sehen sollen. Himmel, du solltest dich JETZT sehen!“
 

~*~
 

Ein Name. Egal, was er tat, es war immer ein Name, und immer derselbe. Nein, so viele konnten sich nicht irren. So viele konnten ihn nicht anlügen. So viele würden ihn nicht anlügen. Niemals. Das war ausgeschlossen.

Aber dass sie die Wahrheit sagten, war genauso ausgeschlossen. Vielleicht gab es ja noch jemanden mit dem Namen. Aber die Beschreibung passte. Und die Position auch. Und alles andere. Der Charakter. Die Vorgehensweisen.

Nein, so viele würden ihn nicht separat voneinander anlügen. Oder?
 

„Soll ich dir deine Zunge rausreißen, damit du nicht mehr weiter lügen kannst?“, fauchte Daisuke leise und grub den Absatz seines Stiefels in die Seite des Dämons, der vor ihm auf den Boden lag. Er erntete ein leises Wimmern.

„Ich... lüge nicht“, krächzte dieser und stöhnte unterdrückt auf, als Daisuke ihm zum wiederholten Mal in die Magengrube trat.

„DU MUSST LÜGEN!!!“ Der Anführer des Südens betrachtete seine Krallen für einen Moment, ehe er die bemitleidenswerte Gestalt vor sich auf den Rücken drehte und sich neben sie kniete. „Hör mir mal zu. Zwei Dinge kann ich noch weniger ausstehen als Verräter: Lügner und Kakerlaken. Und du fällst in alle drei Kategorien!!“

„Ich...“ Ein Röcheln. „Ich sage die... die Wahrheit! Er ist es!“

„NEIN!“ Daisuke grub seine Krallen so tief wie möglich in das Fleisch des anderen. Das ohrenbetäubende Schreien nahm er schon gar nicht mehr wahr, als er den Dämon langsam quer über der Brust aufschlitzte. „Das glaube ich nicht. Ihr habt Unrecht. Ihr habt alle Unrecht!!“

„Es stimmt!“, heulte die sich windende Gestalt und stöhnte, ächzte, wimmerte auch dann noch weiter, als Daisuke seine Hand längst wieder zurückgezogen hatte.

„Soll ich dir erzählen, was ich mit Lügnern mache, die weiterhin auf ihren Lügen beharren?“, flüsterte er leise und hielt das Kinn des anderen Dämons fest. „Soll ich es dir erzählen oder lieber zeigen? Ich glaube, ich lasse es dich selbst fühlen, dann ist es anschaulicher!“ Er zwang den Mund des anderen auf, griff hinein und riss ihm mit einem Ruck die Zunge heraus. Beinahe angewidert warf er sie zur Seite und beobachtete, wie der Dämon sich mit letzter Kraft auf den Bauch drehte und sich erbrach. Dabei spuckte er Blut und machte jämmerliche Laute, wie ein geprügelter Hund. Daisuke packte in seine Haare und riss sie so zurück, dass der Dämon Angst haben musste, dass sein Genick brach. „Erstick an deinen Lügen. Erstick dran, hörst du!?“, zischte er leise und schubste den anderen in dessen eigenes Erbrochene zurück, ehe er aufstand und sich abwandte.

Der Dämon, der ihm schweigend zugesehen hatte, rührte sich auch dann nicht, als sein Anführer an ihm vorbei stapfte.

„Kümmer dich um ihn. Entsorg ihn – er wäre eh verblutet“, knurrte Daisuke und suchte nach einer Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Das war ja abstoßend.
 

„Hazuki?“ Daisuke wich dem Blick des anderen aus. „Ich muss mit dir reden.“

„Ich weiß“, entgegnete dieser sanft. „Es ist mir nicht entgangen, was du die letzten Tage getrieben hast.“

Daisuke runzelte leicht die Stirn. „Du wusstest es und... trotzdem bist du hier geblieben?“

„Ich wollte herausfinden, ob du mich erledigen lässt oder ob du es schon selbst tust. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt – das hätte ich nicht von dir gedacht.“ Hazuki neigte den Kopf zur Seite.

Daisuke schwieg sehr lange, sah dabei zu Boden. „Warum, Hazuki?“, wollte er dann wissen.

„Weil ich natürlich deinen Posten selbst haben wollte. Und sei es nur aus dem Hintergrund heraus – du warst zu beliebt, als dass ich gegen dich eine Chance gehabt hätte.“

„Und stattdessen bist du in meiner Nähe geblieben, in der Hoffnung, mich manipulieren zu können.“

„Genau das.“ Hazuki nickte und lächelte gütig. „Scheint ja wohl doch etwas anderes als Fressen, Fluchen und Morden in dein Hirn zu passen. Überraschend.“

„Aber es hat nicht geklappt, wie du dir das vorgestellt hast“, fuhr Daisuke fort.

„Nein. Leider nicht. Du hattest deine eigenen Vorstellungen – ich habe dich unterschätzt. Du wolltest einfach nicht nach meiner Pfeife tanzen.“

„Und deshalb hast du mich verraten. Deshalb hast du der Gegenseite geholfen. Den Gesetzlosen.“

„Du hast’s erfasst.“

Daisuke starrte ihn eine Weile wieder nur schweigend an und wunderte sich darüber, dass der andere ohne Probleme seinen Blick erwidern konnte. „Ich muss dich töten, Hazuki. Das ist keine Schwierigkeit für mich, ich bin stärker als du, ich bin stärker als alle, aber.... ich kann das nicht.“

„Das ist etwas, was du wirst lernen müssen – ehemalige Freunde aufgeben.“ Hazuki lächelte wieder. „Darin wirst du immer schlecht bleiben, das sehe ich dir jetzt schon an.“

„Aber ich muss es können. Ich muss es lernen. Und an dir werde ich üben.“ Daisuke wog das Schwert in seiner Hand und wandte seinen Blick erneut ab. Ein Schlag, dachte er, Und dann ist es vorbei. Ein Schlag.
 

~*~
 

Für Daisuke war eine ganze Welt zusammengebrochen. Er hatte Jahrzehnte an Hazukis Seite verbracht, hatte seine Gesellschaft, seine Ratschläge und seine Zärtlichkeit genossen. Er hatte ihn geliebt. Er hatte ihn intensiver geliebt als er jemals wieder würde lieben können – intensiver geliebt als bei seiner ersten großen Liebe als Mensch. Intensiver als jede Liebe, die er miterlebt hatte oder deren Zeuge er geworden war.

Es war für ihn unmöglich gewesen, Hazuki NICHT zu lieben. Er war immer bei ihm gewesen, hatte ihm geholfen, hatte ihn gekrault und gestreichelt, wenn es ihm schlecht ging... Sie hatten sich niemals auch nur geküsst. Und sie hatten nie miteinander Sex gehabt. Aber Körperkontakt war bei ihnen mit der Zeit etwas vollkommen Normales geworden – sie hingen aneinander wie Kletten, sie ließen nicht mehr voneinander ab, sie konnten fast keine Zeit mehr ohne den anderen verbringen. Sie hatten aneinander geknabbert, herumgeleckt und –geknutscht, sich gegenseitig Trost, Wärme, Zuwendung, Hoffnung, Ablenkung und Zärtlichkeit gespendet. Sie gehörten einfach zusammen.

Und nun sollte ebenjener Hazuki ihn verraten haben?

Er hatte es nicht akzeptieren können, hatte nach Alternativen gesucht, aber er hatte von jedem Informanten dasselbe gehört, selbst unter den größten Schmerzen hatten sie alle denselben Namen, dasselbe Aussehen, dieselbe Wortwahl genannt. Es hätte eigentlich kein Zweifel bestehen dürfen. Aber Daisuke konnte, wollte es nicht akzeptieren.

Er war nichts ohne Hazuki. Er war nicht einmal richtig erwachsen. Er war ein Jugendlicher, noch immer auf der Suche nach Zuneigung, nach Nestwärme und Geborgenheit, nach jemandem, an den er sich anlehnen konnte. Nach jemandem, der ihm sagte, was er zu tun hatte. Er brauchte so jemanden so dringend wie die Luft zum Atmen.

Und nun sollte er ganz alleine sein?

Das war einfach unvorstellbar.

Natürlich, er hatte vor den anderen Anführern schon einige Interessen zum Ausdruck gebracht, aber das waren nicht einmal kleine Siege gewesen, er war einfach niedergemacht worden. Er konnte nicht präzise ausdrücken, was er meinte, er fand keine passenden Gegenargumente, er fand noch nicht einmal Argumente für das, was er selbst wollte! Er war unfähig, ganz und gar unfähig, so unfähig, dass er bereits überlegt hatte, Hazuki in die Sitzungen mitzunehmen, damit er einen Rückhalt hatte. Er fühlte sich nicht wohl im Rat, nein, ganz und gar nicht wohl. Viel zu wichtig waren die Gesprächsthemen, viel zu wichtig die Dämonen, mit denen er da saß, viel zu wichtig jedes Wort, das er von sich gab, viel zu wichtig die Entscheidungen.

Und nun sollte er seine Zeit alleine verbringen?

Die Nächte? Die Tage? Wie sollte er das schaffen? Wenn niemand neben ihm saß, ihm zuhörte, ihn unterhielt und ihm durch die Haare strich? Er vermisste diese Berührungen bereits jetzt mit einer Heftigkeit, von der ihm beinahe schlecht wurde.

Und nun sollte er ein Nichts sein.
 

Er hatte Hazukis Hand als Trophäe aufbewahrt, hatte sie seinen Dämonen hingeworfen und ihnen gesagt, dass es nun einen Verräter weniger gab. Und damit die Gesetzlosen aus ihm keinen Märtyrer machen konnte, habe er den Rest der Leiche verbrannt. Alle anderen waren zufrieden. Ja, alle anderen.

Aber Hazukis letzte Worte hallten dumpf in ihm nach. Vergiss mich, hatte er gesagt, Vergiss mich einfach.

Wie bitteschön sollte Daisuke jemanden vergessen, an den er ununterbrochen denken musste? Jedes Mal, wenn er Luft holte, roch er Hazukis ganz eigenen Geruch, wenn er die Augen schloss, sah er dessen Gesicht vor sich, wenn er schlief, träumte er von ihm. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag, jedes Wort, alles erinnerte ihn an Hazuki, Hazuki war überall, um ihn herum, in ihm selbst... Daisuke hatte seine Gesellschaft mit einer Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, die ihm erst rückblickend auffiel. Hazuki war immer da gewesen. Hazuki war immer für IHN dagewesen.

Aber dass auch das ein Trugschluss gewesen war, das hatte er in der letzten Minute schmerzhaft gemerkt. Er hatte nach einem Abschiedskuss verlangt, egoistisch, wie er war, er hatte Hazuki noch unbedingt einmal küssen wollen. Der Wunsch war ihm gewährt worden. Aber Daisuke würde niemals diesen Ausdruck der Abscheu in Hazukis Gesicht vergessen, sein Lebtag nicht. Hazuki war niemals seins gewesen, keine einzige Minute lang.
 

Eine Sehnsucht hatte ihn ergriffen, eine Sehnsucht nach etwas, das er nicht richtig definieren konnte.

Und er zweifelte an sich selbst. Er dachte ununterbrochen über seine Entscheidung nach. Hatte er das richtige getan? Nein, für eine Weile würde er sich wohl nicht mehr in einem Spiegel ansehen können.

Nicht, nachdem er Hazuki hatte laufen lassen.
 

Die nächste Zeit versuchte Daisuke, den schier unlöschbaren Durst in seiner Brust zu stillen. Er fraß einmal drei Menschen innerhalb von drei Stunden auf, zwischendurch musste er sich immer wieder übergeben, aber er fraß weiter. Und es half nichts.

Dann versuchte er es mit Alkohol. Er wollte herausfinden, weshalb Dämonen nichts trinken konnten – bereits der erste Schluck Wein ließ ihn zwei Tage am Stück schlafen. Und hinterher tat ihm alles so sehr weh, dass es auch nicht besser wurde.

Und auch Schmerzen brachten ihm keine Linderung. Er konnte sich verletzen, wie er wollte, es hatte einen kurzweilig befriedigenden Effekt, aber schon, wenn er sein eigenes Blut erblickte, ekelte er sich vor sich selbst. Nein, wenn er sich selbst verletzte, brachte es nichts.

Danach probierte er es mit Sex. Er war nie ein großer Befürworter von Dämoneninzest gewesen, aber nachdem er es einige Male ausprobiert hatte, musste er feststellen, dass der Trost länger andauerte als bei Schmerzen. Es half. Es half mehr als alles andere.

Und dann kam er auf die Idee, die beiden besten Alternativen miteinander zu kombinieren.
 

~*~
 

„Das heißt, ihr seid gegen stärkere Kontrollen, was Neu-Dämonen betrifft?“, wollte Mana wissen und blickte in die Runde.

„Ich würde es eher befürworten“, meldete Mako sich mit seiner unheimlich dunklen Stimme zu Wort. „Denn so würden uns die Ungesetzlichen nicht mehr dermaßen viele Schwierigkeiten bereiten.“

„Was für eine gequirlte Scheiße“, warf Daisuke gelassen ein und fuhr damit fort, seine Krallen zu feilen. „Wenn diese Pisser ohnehin Gesetzlose werden wollen, bringt es nichts, wenn wir sie vorher zwingen, zu einem von uns zu gehen. Sie werden ohnehin welche.“

„Ach“, warf Mana unterkühlt ein. „Da hast du Recht. Sie werden sich dir nämlich dann auf der Stelle unterordnen, weil sie bei dir unbemerkt abhauen und sich den Gesetzlosen anschließen können.“

„Willst du jetzt, dass ich jeden Schritt meiner Leute überwache?“, fragte Daisuke gereizt. „Das schlägt auf die Stimmung, du explodierter Föhn.“

„Ich bin willens, die Moral deiner Leute aufs Spiel zu setzen, wenn wir dadurch diese Pest eindämmen können“, gab Mana trocken zurück.

„Du übersiehst da eins – es sind MEINE Leute, die pro drei Monate-“

„Quartal“, warf Hakuei freundlich ein.

„-pro QUARTAL“, Daisuke warf dem anderen einen finsteren Blick zu, „die meisten Gesetzlosen abmurksen. Meinetwegen, bei mir laufen die meisten über, aber das gleicht sich aus. Wenn nicht sogar 60:40. Oder 65:45.“

„35“, mischte Hakuei sich wieder ein.

„Halt doch mal dein großes Maul!“, fuhr Daisuke ihn ungehalten an. „Willst du, dass dich jemand ständig unterbricht, während du redest?“

„Ich habe-“

„Soll ich dir mal zeigen, wie das ist!?“

„Nein, das-“

„Das ist nämlich ziemlich beschissen!“

„Das glaub-“

„Richtiggehend ärgerlich, um es so auszudrücken!“

„Hör doch-“

„Man will nämlich eigentlich was sagen...“

„Ich hab nur-“

„...und wird ständig unterbrochen.“

„Hallo! Ich-“

„Ätzend, oder? Mir würde das auch richtig auf den Sack gehen!“

„Halt die Klappe!!!“

Daisuke grinste breit. „Jaja, und jetzt regst DU dich wieder auf. Das ist mal wieder typisch. Weißt du, ich glaube, wir beiden passen richtig gut zusammen. Wir würden ein tolles Paar abgeben. Ich meine, stell dir doch nur mal vor, wie es mit uns beiden wäre...“ So wie letzte Nacht, dachte er und zog eine Augenbraue hoch.

Hakueis Augen verengten sich etwas. „Ich habe keine Intention, mich in irgendeiner Weise auf dich einzulassen“, entgegnete er kühl.

„Daisuke. Hakuei“, mahnte Mana die beiden streng. „Könnt ihr mal langsam-“

„Natürlich nicht. Und du würdest mir auch niemals Wunden wie diese hier zufügen, solche Biss- und Kratzwunden, natürlich nicht... aber wer weiß, vielleicht stehst du ja drauf. Vielleicht bist du ja so veranlagt...“ Er grinste wieder. Dir schien es zumindest nicht allzu viel ausgemacht zu haben, dachte er. Klar, wir gehen uns an die Kehle. Aber manchmal greifen wir halt etwas tiefer.

„Daisuke!!“, fuhr Mana ihn an.

Nein, ein Ersatz für Hazuki war er nicht. Ihn könnte niemand ersetzen, keiner auf der gesamten Erde. Nach einem Ersatz hatte Daisuke auch nicht gesucht.

Nur nach jemandem, der seinen Körper bluten ließ. Anstelle seines Herzens.
 

~*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ChiChii
2012-05-26T15:12:52+00:00 26.05.2012 17:12
Oh Gott, die ganze Geschichte ist so traurig!
Alle sterben nacheinander und das macht so traurig. Da stirbt Mana (Wie konntest du ihn nur sterben lassen? Q____Q) und dann Mako, bei dem das eh gerecht war, aber Hakuei? Und Daisuke? Die beiden sind so toll und du murkst sie ab! Q^Q
Und beim letzten Kapitel hätte ich heulen können! Daisuke war so glücklich und ohne Hazuki ein Nichts.
Aber trotzdem sit die Geschichte gut. Sie ist ungewöhnlich und gut geschrieben, vor allem kommen die Gefühle gut durch.
Aber wer war denn dann am Ende Herrscher?
Von: abgemeldet
2011-03-28T02:58:54+00:00 28.03.2011 04:58
Hakuei ♥__________________♥ <3<3<3
Er ist so toll...ich kann Daisuke voll und ganz verstehen. *nick*

Aber das mit Hazuki war traurig Q////Q
Wieso wird hier nur immer jeder von jedem verraten und verkauft?!
T^T Das is schrecklich...vorallem Daisuke tut mir total leid...da hatte er mal jemanden der für ihn da war und dann? Wurd er doch nur hinterrücks verraten...
*sfz*
Dabei war mir Hazuki zu Beginn des Kapitels noch total sympatisch...

Die FF war jedenfalls toll ♥
(Auch wenn sie noch brutaler war als die Letzte die ich von dir gelesen hab xD)
Irgendwann gewöhnt man sich fast an dieses gemetzel und die Blutbäder O.ö
Ich mach mich mal auf zur Nächsten =3
Auch wenn ich längst im Bett sein wollte xD
Von:  almightywarumono
2010-08-16T16:40:06+00:00 16.08.2010 18:40
ach ich liebe hakuei ... sagte ich das schon??...oh... xD

also das war ein sehr schönes ende ..
ich hab das garnicht gesehen erstmal dass da nochn epilog is..komisch.

naja auf jedenfall. Hazuki ist ein arschloch. xD
.
.
achja und 'der seinen körper bluten ließ. an stelle seines herzen'
also ich weiß nicht für mich kahm es eigentlich schon
so rüber als ob die beiden was füreinander übrig haben xD
sonst würden die sich doch nicht sone mühe machen
sich wie kindergartenkinder anzuhassen , oder? : o

ach es war insgesamt eine tolle FF ♥ weiter so !
Von:  Mado-chan
2009-05-17T18:50:51+00:00 17.05.2009 20:50
hachja...
+die ff grad nochmal gelesen hat+
;____; mir tut daisuke so leid...
und das is mal wieder eine wundertolle FF von dir.
Du hast es echt geschafft zu meiner lieblingsautorin zu werden.
Daisuke tut mir echt leid.
+schnief+
aber wunderbar geschrieben.
und... ich steh auf dieses kannibalismus zeug glaub cih ôo das is voll geil. Aber so inner geschichte mein ich xD ansonstn find ich das eklig..

lg
Mado
Von:  LintuAki
2009-02-06T21:00:41+00:00 06.02.2009 22:00
Huhu^^

Öööhm, ja, is ja mal was GANZ Anderes, als das was ich bisher so von dir gelesen hab!
Aber auf jedenfall supertoll!! Konnte mich in die 'kleinen' Dämonen so richtig reinversetzten, selbst Garas Wahnsinn hat man so richtig gespürt - an manchen Stellen sogar ZU deutlich (die ganzen Nadeln sin aber wirklich eklig, da muss ich Tattoo Recht geben!) xD

Ich weiß gar nich, was ich noch schreiben soll ohne das zu wiederholen, was Tattoo schon geschrieben hat xD

Ich mag die ganze Geschichte und v.a. auch das Ende. Das aht so was Abschleißendes aber gleichzeitig auch nich, kA, wie ich das jetz sagen soll... Hoffe mal, du verstehst was ich meine^^


Nuja denn, bis zum nächsten Mal,
gaaaanz liebe Grüße *knuddlz*
Aki


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