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Chalk 'n Cheese

Wenn man das Unerkannte entdeckt
von

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Vorladung

Merry Christmas für euch alle *_*

Als Weihnachtsgeschenk gibt's schon vorläufig das nächste Kapitel ^^

Sonntag kommt dann wie gewohnt das nächste ;D
 

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„Hm“, machte Emily.

Eine Weile beobachteten sie schweigend den ruhigen See und die Enten, die sich langsam ebenfalls zur Nachtruhe begaben und im hohen Schilf verstummten.

Die Wasseroberfläche wurde wieder glatt und der Halbmond spiegelte sich nun deutlich leuchtend darin.

Christopher hockte sich neben sie.

„Ist dir nicht kalt?“, fragte er sie leise und Sorge schwang in seiner Stimme mit. Er rieb mit der rechten Hand über ihren Rücken.

Sie starrte gedankenverloren über den See.

„Was glaubst du, wie viele deiner Art da draußen leben?“, entgegnete sie tonlos.

Christopher zog eine Augenbraue hoch und setzte sich schließlich neben sie ins Gras, das langsam feucht wurde von der Kälte.

„Gute Frage. Mehr, als du denkst, nehme ich an. Da die meisten schon seit Anbeginn der Zeit existieren und sich weiter verbreitet haben, könnten es wirklich eine ganze Menge sein.“

„Wie vermehren sie sich? Wie wir Menschen …?“ Die Frage war ihr etwas peinlich, doch sie wollte es unbedingt wissen.

Christopher zögerte. „Sie … eigentlich wie ihr, aber … auch, wenn Menschen zu Ihnen werden.“

„Aber du kannst mich nicht in einen Vampir verwandeln, stimmt’s?“ Sie blickte nur mit ihren Augen zu ihm, um nicht allzu interessiert zu wirken und ihn wieder wütend zu machen.

„Nur Reinblüter können einen Menschen in einen Vampir verwandeln. Ich kann Menschen nur töten, wenn ich sie beiße, aber nicht verwandeln.“ Er sah sie jetzt mit seinem Oberkörper zu ihr gedreht an.

„Aber nicht mich“, sagte Emily leise und schloss die Augen.

„Nein“, antwortete er matt und sah ebenfalls wieder gen See. „Woran auch immer das liegen mag. Aber ich bin eigentlich recht froh darüber.“

„Eigentlich?“, schmunzelte sie.

„Ja, also … wenn ich mir vorstelle, dass du nach Robins Biss in der Schule hättest tot sein können und ich dich niemals weiter kennenlernen gedurft hätte, wäre ich wahrscheinlich bald über die Barrikaden gegangen.“

„Was?“ Emily raffte sich entsetzt auf.

„Du weißt nicht, wie schwierig es ist. Kannst mit niemanden in engeren Kontakt treten weil ich ihn dann vermutlich bald getötet hätte und Robin allein genügt mir doch nicht. Ich fühle ja auch immer noch wie ein Mensch und habe auch meine … Bedürfnisse. Wie lieben.“

Er beugte sich leicht zu ihr und lächelte sie leicht an. Emily wurde schlagartig rot.

„Ah – ach so. Ja, das ist natürlich wahr. Sonst wär das Leben ja nicht lebenswert.“

Er nickte und legte seinen Kopf auf ihre Schulter.

„Wenn ich dir allerdings lästig werde, brauchst du es nur zu sagen. Dann bin ich sofort weg.“

Emily wurde steif und ihr Mund begann zu zittern.

„Nein. Niemals.“

„Ich kann aber nervig sein, wetten?“

Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Wenn, dann bin ich nervig und du gehst freiwillig“, entgegnete sie traurig. Christopher hob seinen Kopf etwas an und legte seine Stirn auf ihre.

„Niemals“, schmunzelte er und hatte seine Augen geschlossen.

Sie spürte seinen sanften, gleichmäßigen Atem an ihrem Mund und ihre Hände schlangen sich wie Magneten um seinen Nacken. Sie musste ihn einfach bei sich haben. Er durfte nicht weggehen.

„Mh … du bist so schön warm.“

Er sank an ihr Schulterbein hinab und hauchte sie dort unwillkürlich fordernd an.

Emily drückte ihn noch fester an sich und spürte seine Arme ebenfalls um sich herum schließen. Er war nicht so warm wie sie, soweit sie das durch ihre Jacke spüren konnte. Aber es war ihr egal.

Christopher glitt mit seiner Zungenspitze sanft über ihre Sehne am Hals und bewegte sie langsam auf und ab und gab ihr einen leichten Kuss auf die Schlüsselbeinmulde.

Emily wusste, dass er ihr Blut brauchte. Wie lange war es jetzt her, seit er das letzte Mal getrunken hatte? Seit sie herausgefunden hatte, dass er ein Vampir war. Und das war jetzt gut eine Woche her.

Sie reckte ihren Hals etwas, doch er wehrte direkt ab.

„Nicht, Emily“, sagte er schwach und kämpfte gegen sich selbst.

„Wenn du es nicht sofort machst, muss ich dich dazu zwingen. Und das tut mir dann weh im Gegensatz zu dir“, presste sie entnervt hervor und drückte ihn näher gegen sich.

„Aber … Emi-“ Doch schon hatte er seine Zähne in ihren Hals gebohrt und trank fordernd ihr Blut.

„Geht doch“, flüsterte Emily und schloss die Augen.

Ein paar Tropfen entglitten seinem Durst und rannen ihren Hals hinunter. Das warme Blut interessierte Emily jedoch nicht im Geringsten. Sie waren sich nie näher gekommen, als es jetzt der Fall war und sie genoss seine Nähe in vollen Zügen, trotz dass ihr allmählich schwindelig wurde.

Aber auch wenn er sie gänzlich leer saugen würde, wäre sie gerne für ihn gestorben.

Christopher merkte, dass ihr Griff lockerer wurde und stützte sie mit seinen Armen ab, bis er schließlich von ihr abließ. Emily sank langsam an seine Brust.

„Alles OK?“, fragte sie völlig selbstlos, aber mit gebrochener Stimme.

„Es tut mir leid, Emily!“ Er drückte sie fest an sich.

„Ich lebe … doch noch, aber …“ Sie machte eine Pause. Ihre Stimme war sehr leise und schwach. „Ich … will …“ Doch weiter kam sie nicht und Christopher hörte schließlich nur noch ihren ruhigen Atem. Sie war so geschwächt, dass sie sofort eingeschlafen war.

Er hielt sie im Arm, stand auf und war daraufhin sofort in der Nacht verschwunden.
 

Am nächsten Morgen wurde Emily vom wärmenden Sonnenlicht geweckt. Ihr fiel die letzte Nacht mit einem Schlag wieder ein und sie drehte sich im Bett herum. Ihre Augen hatte sie geschlossen und sie versuchte sich daran zu erinnern, was passiert war, nachdem Christopher ihr Blut getrunken hatte.

Ihr entwich unkontrolliert wie im Traum ein „Chris“ und sie erschrak leicht, als ihr eigener Name als Antwort kam, aber real klingender als im Traum.

Sie öffnete die Augen und sah in Chris Gesicht. Er lag auf der Decke neben ihr im Bett uns sah sie liebevoll an. Doch sie brachte keinen Ton heraus, sondern wurde rot.

„Bin ich froh, dass du aufgewacht bist. Ich dachte echt, ich hätte dich bis auf den letzten Tropfen Blut ausgesaugt.“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter und strich sanft hin und her.

Emily robbte an seine Brust und sog seinen Geruch ein.

„Nein, es war nicht schlimm“, nuschelte sie.

„Hm“, machte er und schloss seine Augen.

Sie schlug die Augen auf. „Was ist mit meinen Eltern!?“

Er grinste. „Sie sind nicht Zuhause. Beide weg.“

Sie raffte sich ein wenig auf und schaute zur Tür. „Aber heute ist doch Schule … sie würden mich nie zu spät kommen lassen!?“

Christopher grinste weiter. „Ich hab einen Zettel an die Tür gehängt. Hab geschrieben, dass du dich nicht gut fühlst und du heute Zuhause bleiben würdest.“

Sie sah ihn neckend an und warf sich auf ihn. „Ich glaub ’s wohl! Erst verführst du mich in der Nacht, dir mein Blut zu geben und dann das!“

Sie rollten auf ihrem Bett eng umschlungen hin und her, bis Emily auf ihm lag und er sie stoppte.

„Selber Schuld, wenn du so lecker bist.“

„Pah. Ausrede.“ Ob er wirklich nur an ihrem Blut interessiert war und ihre Person selbst deswegen erduldete?

Emily legte ihren Kopf auf seine Brust und versuchte, wieder ruhig zu atmen.

„Was ist eigentlich, wenn dieser Vampir von gestern wieder auftaucht und mich beißt?“, fragte sie plötzlich aus dem Zusammenhang heraus und merkte, wie Christophers Atem ungleichmäßig wurde.

„Ich töte ihn, ganz einfach“, antwortete er kalt.

„Aber wenn er mich zum Vampir machen könnte?“

„Er war kein Reinblut.“ Er schüttelte seinen Kopf. „Das würde ich merken. Sie haben eine so starke Aura, dass ich sie in ein paar Kilometern schon spüren könnte. Der Rest sind alles nur Schmarotzer, die sich einfach durchfressen und leere Versprechungen machen, WENN sie denn mal auf einen Menschen treffen, der freiwillig zu einem Vampir werden will.“

Emily grinste. „OK.“

„So“, sagte Christopher und setzte sich auf. „Ich muss dann langsam los.“

„Los? Aber draußen … scheint die Sonne!“, sagte Emily entsetzt.

„Ich bin voll aufgeladen, keine Sorge. Da ertrag ich’s ein paar Stunden in der Sonne.“ Er stand auf und streckte sich.

„Aber du gehst doch zur Schule, oder?“, fragte sie skeptisch.

„Nein. Heute ist eine Vorladung zu einem Fest. Für Vampire. Sie müssen feststellen, wer alles ‚neu‘ dabei ist und wen sie in ihre Gesellschaft aufnehmen und wen lieber nicht.“

„Was?“ Sie sah ihn verständnislos an, doch er lächelte sie beruhigend an.

„Es passiert nichts, keine Sorge. Nur vorsorglich, damit keiner durch ’s Raster fällt und entkommen kann.“

„D-durch ‘s Raster fallen …? Bewachen sie euch beide?“ Ihre Stimme wurde ängstlich.

„So in etwa, ja. Nicht rund um die Uhr, aber wer nicht zur Vorladung erscheint, wird überprüft und meist … naja, jedenfalls ist es wichtig.“

Emily wurde noch unruhiger. Er verschwieg ihr doch etwas!?

„Was passiert meist?“

„Keine Sorge. Sie werden aufgespürt und … bestraft. Also, ich muss dann-“ Er war aufgestanden und wollte gerade zum Fenster gehen, als Emily ihn am Hemdzipfel gepackt hatte.

„Pass auf dich auf.“ Ihre Wangen wurden wieder etwas rot und sie sah ihn flehend an.

„Mach ich.“ Er legte ihr kurz seine Hand auf den Kopf und war dann zum Fenster raus verschwunden.
 

Weg war er … es erschien ihr wie eine Ewigkeit, dass sie jemals ohne ihn gelebt hatte. Es kam ihr vor, als wären sie schon ewig so zusammen gewesen. Eine unerklärliche Verbundenheit fesselte sie an ihn und er an sie. Doch jetzt war sie allein und wusste nicht recht, was sie mit der Zeit anfangen sollte. Zu zweit war es so einfach, die Stunden wie im Flug vergehen zu lassen.

Sie entschied, erst einmal duschen zu gehen und sich auf die wichtigeren, menschlichen Dinge zu konzentrieren. Schule war wichtig, ihre Eltern lagen ihr am Herzen. Und Anna und Tom nicht zu vergessen, ihre menschlichen Freunde. Sie wollte doch ihr Leben nicht einem einzigen Wesen widmen, wollte unabhängig bleiben!

Mit einem siegessicheren Lächeln zog sie sich schließlich frische Kleidung an und machte sich an die Hausaufgaben und lernte für die bevorstehenden Prüfungen mit vollem Elan.

Sie räumte ihr Zimmer ordentlich auf und machte die Wohnung ebenfalls sauber. So eifrig war sie lange nicht gewesen. Zuletzt wohl irgendwann auf der Mittelschule, als sie mal verliebt gewesen war und voller Tatendrang.

Ein erhebendes Gefühl, dennoch wurde ihr trotzallem bewusst, dass es ohne ihn nicht ging. Wieso, war ihr nicht klar, aber gäbe es ihn nicht, würde sie weiter ihr trostloses Dasein fristen und ein normales Leben führen wie jeder andere auch.

Unvorstellbar!

Jede Minute ohne ihn schmerzte beinahe und fraß ein Loch in ihr Herz. Ob normale Liebe auch so einnehmend war und so bedingungslos? War sie so schmerzlich und so unbedingt wie diese Liebe? Gab es einen Unterschied zwischen Vampirliebe und der zwischen Menschen? Oder war es gerade so unglaublich, weil es gerade diese beiden unterschiedlich-gleichen Gefühle waren?

Emily stockte und sie versuchte, die Gedanken an ihn zu verdrängen.

Durfte er wirklich ihr ganzes Bewusstsein einnehmen? Konnte sie denn keine Sekunde ohne sein Bild vor den Augen verbringen? War sie etwa besessen?

...

Und wenn schon. Im Moment wollte sie nichts lieber, als ihren Gefühlen und Gedanken freien Lauf zu lassen und sich ihm ganz hinzugeben. Auch wenn sie eines Tages bitter dafür bezahlen müsste. Entweder mit ihrem Leben oder ihrer Seele …

Emily schreckte auf, als sie gerade den Spiegel in ihrem Zimmer putzte und sie einen Schlüssel an der Wohnungstür hörte. Es war ihre Mutter. Emily erkannte ihren schnellen Gang, der in die Küche eilte und dann durch den Flur auf Emilys Zimmer zu.

Sie öffnete leise die Tür und spähte nichtsahnend hinein.

„Hallo Mama“, begrüßte Emily sie freudig und strahlte sie an.

Ihre Mutter öffnete verblüfft die Türe weiter. „Dir geht’s wieder besser, Emily?“ Sie kam auf ihre Tochter zu.

„Mhm. Ich dachte, ich werde krank, als ich heute Morgen aufgestanden bin … hatte Kopfweh und mir war schwindelig. Aber ich hab bis eben geschlafen und jetzt geht es wieder.“

Ihre Mutter lächelte verwirrt. „Na dann. Ich mach gleich Essen, ja?“

„Super.“
 

„Ach, wir haben übrigens Post bekommen. Dein Vater und ich sind heute ganz kurzfristig eingeladen worden“, fragte Emilys Mutter sie, als beide das Essen vorbereiteten.

„Von wem denn?“

„Arbeitskollegen. Kannst gerne mitkommen, da sind bestimmt auch Jungs in deinem Alter.“

„Mama!“, wehrte Emily ab. „Verkuppel mich bloß nicht mit wem von denen. Die Jungs von heute sind alle dämlich. Das wird nie was.“ Sie starrte beleidigt auf die Kartoffel, die sie halb geschält in der Hand hielt.

„Aber mit der Einstellung bekommst du nie jemanden. Du musst ihnen auch eine Chance geben, sich dir zu öffnen. Die meisten tun ja nur so cool, wenn sie im Rudel unterwegs sind. Aber kaum bist du mal mit einem allein, kann er ganz anders sein. Das ist mit jeder Generation das gleiche, glaub mir.“

Emily antwortete darauf nichts, sondern fragte sich, wann sie Christopher sich jemals so benehmen hat sehen … Doch sie hatte ihn nie mit Jungs in seinem Alter gesehen bis jetzt. Entweder, er war allein oder mit ihr unterwegs.

Vielleicht hatte ihre Mutter ja recht. Aber sie sollte ja keinen Verdacht schöpfen.

„Sehe ich anders, aber gut … Trotzdem will ich nicht“, betonte sie noch einmal.

„Ist ja gut. Aber du kommst mit?“

„Vielleicht. Wo ist das denn? Und was für eine Feier?“, fragte sie mit absichtlichem Desinteresse.

„In einem Hotel in der Innenstadt. Das oberste Stockwerk mit einer angesagten Bar, die er gemietet hat, also schon etwas nobler. Hast du passende Sachen dafür?“

„Denke schon.“

„Aber du musst mir versprechen, Emily … das du in unserer Nähe bleibst. Ich weiß nicht, wie voll es dort sein wird. Und manche Kollegen sind mir noch nie ganz geheuer gewesen und du bist ein junges, hübsches Ding.“

Emily zog die Augenbrauen hoch. „Glaubst du, die schleppen mich ab!? Als ob ich so doof wär, Mama. Ich kann mich gut wehren.“

„Hm, ist gut.“
 

„Robin? Bist du fertig?“ Christopher stand im Anzug vor dem Spiegel in seinem Zimmer und seufzte.

„Hrm …“, knurrte Robin und trat ein paar Sekunden später an Christophers Türrahmen.

Er sah gar nicht glücklich aus in so einem feinen Anzug, doch es stand ihm ungemein und er wirkte sehr elegant.

„Ich hab keinen Bock zu diesem Schaulaufen zu gehen. Sollen die doch Hausbesuche machen“, motzte er laut herum.

„Aber es integriert uns auch weiter in die Gesellschaft ein. Denk doch mal daran“, erinnerte Christopher ihn tadelnd und rückte seine Krawatte zurecht.

„Pah … Ich will gar nicht mehr von denen wissen.“

„Rob …“

Christophers Bruder war selten so angespannt und nervös.

„Sie waren es doch, die uns in diese Welt hineingezogen haben. Sie sind Schuld daran, dass ich dauernd Durst habe und Menschen töten muss und völlig austicke, wenn ich Blut rieche.“

Christopher nickte gedankenverloren.

„Warum sollen wir denen auch noch zeigen, dass es uns gut geht unter ihnen!? Sollen sie doch wissen, dass wir am liebsten sterben wollen würden!“ Er brüllte beinahe vor Wut und atmete schwer.

„Robin, beherrsch dich bitte. Ich verstehe ja, was du meinst. Voll und ganz“, versuchte Christopher ihn zu besänftigen und kam nun auf Robin zu.

„Als ob … du hast doch deine kleine Freundin, die du aussaugen kannst. Auf dir lastet nicht die Schuld, nächtlich Menschen umzubringen und dich immer weiter von deinem menschlichen Ich zu entfernen, bis du eines Tages nur noch ein instinktgesteuertes Monster bist.“

Er sah Robin scharf an. „Ich mache das trotzallem nicht aus Vergnügen. Auch wenn sie sagt, es tue ihr nicht weh. Sie … vergiss es. Du darfst sie nicht anrühren.“

Robin zog eine Augenbraue hoch. „Glaubst du, sie könnte …?“

„Nein, das nicht.“

„Legenden können wahr werden.“

„Sie ist nur ein Mensch, glaub mir.“

„Aber was ist mit ihren Tricks?“ Robin wurde langsam wütend.

„Tricks?“ Christopher kniff die Augen zusammen.

„Na klar. Hast du es nie bemerkt? Ihre Haut hat geglüht, gebrannt …“

„Nein, bestimmt nicht. Lass uns gehen, sonst werden sie ungehalten. Lass uns einfach gute Miene zum bösen Spiel machen.“
 

„Wooow“, machte Emily, als sie vor dem pompösen Hotel aus dem Taxi stieg und ihren Eltern ins selbige folgte. Es war wirklich ein Nobelhotel und zur jetzigen späten Stunde sah sie nur noch gut gekleidete Menschen in der Lobby umhergehen, die anscheinend das Nachtleben genießen wollten.

Sie selbst hatte ein schlichtes langes hell rosa Kleid an, das korsettartig ihren Oberkörper umhüllte und kurz über ihren Knöcheln endete. Das Kleid hatte sie sich für genau solche Anlässe besorgt und wurde schon auf ihrem Mittelschul-Abschluss getragen.

Emily stieg mit ihren Eltern und weiteren Gästen in den Fahrstuhl und es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie in der 50. Etage angelangt waren. Die Türen öffneten sich und in der Bar, die sie betraten, herrschte eine angenehme Atmosphäre. Emily schien vor lauter Erstaunen nicht die leichten Kopfverbeugungen der Gäste zu sehen. Es gab nur schummriges Licht und relativ ausgelassene Gesprächsrunden.

Alle Altersklassen waren hier vermischt und Emily staunte nicht schlecht, dass so viele junge Leute mit den älteren Semestern plauderten, als wären sie Großväter und Enkel.

„Bleib bei uns, Emily“, erinnerte sie ihre Mutter und zog sie an der Hand hinter sich her durch den fast schon ausgefüllten Raum, der ziemlich groß war. Emily nickte und gehorchte brav.
 

„Hallo, meine Lieben!“, begrüßte sie ein älterer Herr freundlich.

Emily lächelte nur und hörte nicht weiter den Gesprächen zu, die ihre Eltern mit ihm führten. Ihr fiel nicht auf, dass sie beinahe mit ihm flüsterten und ihre Gesichter für eine Sekunde lang ernst ausgesehen hatten.

Sie schrak wie aus Trance auf, als sie laut auflachten.

„Wirklich gut, mein Lieber“, prahlte ihr Vater und schlug dem älteren Herrn anerkennend auf die Schulter.

Emily wurde schnell langweilig und sie vergaß, dass sie bei ihren Eltern bleiben sollte. Gedankenverloren ging sie durch die Menge, die ihr Platz zu machen schien, was sie aber nicht bemerkte, und blieb an den Panoramafenstern stehen, die ihr einen atemberaubenden Blick auf die nächtliche Skyline von London boten. Erstaunt suchte sie bekannte Gebäude und versuchte auszumachen, wo genau ihr Haus sein musste. Und das von Christopher …

Wie es ihm wohl gerade erging? Hoffentlich gab es keinen Streit wegen Robin. Sie wusste ja nicht, wie penibel diese Vampirgesellschaft sein musste, wenn sie sogar ihre Artgenossen überwachen ließ.

Seufzend ging sie an den Fenstern weiter entlang und hatte den Raum einmal umrundet, als Unruhe sie aufblicken ließ. Sie hörte ihre Mutter ihren Namen rufen und die Menschen vor ihr bildeten schließlich eine kleine Gasse. Emily blickte ihre Mutter erstaunt an, die kopfschüttelnd auf sie zukam.

„Was hab ich dir gesagt?“ Sie blickte Emily fest in die Augen.

„Ich bin doch da. Aber was soll ich die ganze Zeit -“ Sie bemerkte, dass alle die beiden anstarrten und verstummte.
 

„Na, wen haben wir denn da?“

Emily erstarrte. Diese Stimme … Ihre Mutter drehte sich verwirrt um und gab den Blick frei - auf Robin und Christopher.

„Was machst du bei solch einer Veranstaltung, Ms Brucker?“, hakte Robin weiter misstrauisch und amüsiert zugleich nach.

Emily wurde steif. ‚Solch eine Veranstaltung‘? Wieso? Was machten die beiden hier?
 

„Komm, Emily.“

„Aber …“

„Höre!“ Diesen Ton war Emily von ihrer Mom nicht gewöhnt. Sie ging artig hinter ihr her.

Doch als sie an Robin vorbei war, sah sie Chris‘ entsetztes Gesicht und blieb stehen.

„Chris“, begann sie und berührte sanft seinen Arm.

Was bedeutete dieser Blick? Es war Verzweiflung, Unverständnis … alles in einem.

Plötzlich wurde Emily vehement am Arm gepackt.

„Junges Fräulein, hör auf deine Mutter“, ermahnte sie ihr Vater und zog sie bestimmt mit sich.

„Chris? Chris! Dad, lass mich los!“, rief sie verzweifelt und wand sich mit einem Ruck erfolgreich aus dem Griff.

„Emily Brucker!“, donnerte ihr Vater, doch blieb stehen.

Emily war aber schon zu Christopher zurückgekehrt und nahm seine Hand in ihre Hände.

„Emily.“ Seine Stimme war fest, trotz des erschreckten Gesichtsausdrucks. „Tu, was deine Eltern dir sagen. Geh.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-12-27T08:25:32+00:00 27.12.2008 09:25
das kapitel war ja absolute klasse....*hin und her hops*... kann garnicht aufs nächste warten...



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