Zum Inhalt der Seite

The Hellman

The new Messiah
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nocturne des Hasses

Okay, vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen die Beschwörung während einer Feierlichkeit im Park zu machen. Vielleicht hätte sie besser warten sollen, bis weniger Menschen hier waren. Sie tötete zwar gerne Menschen, aber nur solange diese nicht sahen, was sie gerade einem Artgenossen antat. Solange keiner sie als Mörderin wahrnahm...

Es gab zwar keine Grenzen, paranormales zu vertuschen, doch es gab Grenzen Morde zu verschleiern. Ab einer gewissen Zahl griffen die Verschleierungsbeschwörungen nicht mehr und die eigentliche Handlung eines paranormalen Wesen wurde von einem nicht paranormalen als solche erkannt. Entweder durch eine verräterische Illusion, oder die Anzeichen wurden nicht mehr versteckt.

In ihrem Fall passierte sowohl erst- als auch zweitgenanntes.

Und das war prinzipiell nie gut.

Mit halb amüsierten, halb blamierten, aber irgendwie auch verzweifelten Grinsen schaute Plainacher auf die wenigen Menschen, die überlebt hatten. Die meisten waren so schwer verwundet oder bewusstlos, dass sie sich keine Gedanken machten, wovon sie gerade Zeuge geworden waren. Doch ein junges Mädchen hatte nur einen Armbruch erlitten und schaute Plainacher mit Tränen in den Augen an.

Sie sah die Dämonin mit einem Maschinengewehr in der Hand. In ihren Augen hatte die rothaarige Irre im Amoklauf alle im Park anwesenden angeschossen und die meisten ermordet. Sie hatte wild um sich geschossen, keine Rücksicht genommen, und nichts hatte sie aufhalten können.

Das Mädchen fragte sich, ob jemals so viele Menschen auf einmal bei einem Amoklauf umgekommen waren. Es mussten hundert sein.

Wahrscheinlich nicht, denn dies war die erste Untat eines paranormalen Wesens, das als Amoklauf wahrgenommen worden war.

Plainacher verzog das Gesicht: „Es tut mir leid.“ Sie entschuldigte sich nicht für die Morde. Sie entschuldigte sich bei der Hölle, da sie unachtsam gewesen war. Als ob sich Beenie bei einem Menschen entschuldigen würde.

Das Mädchen nahm es aber als eine an sie gerichtete Entschuldigung wahr, die sie aber nicht glücklich stimmte. Schließlich waren gerade ihre Mutter, ihr Bruder und ihr Freund gestorben.

Zum Glück sah sie nicht, wofür all die Opfer gebracht worden war.

Plainacher hielt keine Maschinenpistole in der Hand, sondern eine Eisenkette, die als Leine diente. Gebändigt wurde damit ein drei Meter großes Wesen, halb Mensch, halb Rind. Der Kopf war der eines Stieres, der Oberkörper jener eines muskulösen Mannes, der Steroide schluckte. Beine und Unterleib waren wiederum die eines Stieres, doch länger und muskulöser, das Fell war schwarz. Sein Schwanz, so lang wie sein Körper, peitschte hysterisch hin und her um den Rest der Anwesenden zu erlegen. Seine Augen standen buchstäblich in Flammen. Aus seiner Wirbelsäule ragten Hörner. Aus seinen Nasenlöchern stieß er Rauch aus. Manchmal spie er Feuer. Mindest genau so viele Tattoos wie seine Herrin zierten seinen Körper und ließen ihn wie einen Cyborg wirken.

Schließlich erwischte sein Schwanz das Mädchen, das zuerst mit einem Knochenbruch davongekommen war.

„War das wirklich notwendig, Taurus?“ Bereuen konnte man in ihrer Stimmlage nicht finden – eher Ironie.

Der Minotaurus schnaufte. Sie seufzte: „Na gut.“ Verstanden hatte sie ihn nicht, tat sie nie, doch sie simulierte dies gerne.

Das Loch in der Erde, durch das Taurus aus der Hölle geklettert war, schloss sich langsam wieder.

Dämonen seiner Klasse, sprich Sklaven, konnten nur auf die Erde, wenn sie von Menschen beschworen wurden, deswegen hatte Plainacher einen alten Knacker dazu überreden müssen, eine Beschwörungsformel auszusprechen. Er hatte seine Arbeit vorzüglich erledigt.

War der Mann noch am Leben? Selbst wenn, mit neunzig Jahren machte man es eh nicht mehr lange.

Taurus Erscheinen war von einem Erdbeben, einem Brand und durch die Luft zischenden Geschossen begleitet worden – diese Naturgewalten waren für den Tod der vielen Menschen verantwortlich gewesen. Doch in ihren Augen trug die Schuld die rothaarige Irre mit dem Maschinengewehr mit unendlicher Munition.

Da das Tor zur Hölle nun geschlossen war, konnte sie verschwinden. Während des Amoklaufes war noch keine Exekutivorgan dieser Sphäre war aufgetaucht, weder ein „menschliches“, noch ein paranormales, wie die APEHA. Das wunderte Plainacher. Zwar hatte keiner der Anwesenden die Chance gehabt, die Polizei zu rufen, doch die starken paranormalen Wesen der APEHA hätten ihre Tarnung durchschauen und erscheinen müssen.

Aber egal. So war es besser für sie.

Doch sicherheitshalber musste sie nun auf der Stelle fliehen.

Plainacher hüpfte auf den Rücken des Minotaurus. Sich an seinen Hörnern zu stechen passierte ihr schon lange nicht mehr. „Los!“, befahl sie ihm.

Mit einem Satz sprang Taurus aus dem Park.

Und die beiden machten sich auf den Weg, den Messias zu suchen.
 

Während Joshua alleine vor dem Fernseher saß und wahllos durch die Programme zappte, ließ ihn der Hund nicht aus den Augen. Und fletschte die Zähne. Zwar kann man von einem Köter nicht verlangen, dass er sich nach zwei Tagen an einen neuen Mitbewohner gewöhnte, aber musste er ihn gleich so anknurren? Ob paranormal oder nicht, das Vieh musste doch spüren, dass er keine bösen Absichten hatte.

Hoffentlich kam Angela bald aus dem Bad zurück. Joshua hatte tatsächlich Angst vor diesem Vieh. Immer wirkte er, als würde er ihn gleich ins Bein beißen. Und weil seine Schwester so an diesem Labrador hing, konnte er sich nicht verteidigen.

„Willst du ein Leckerli?“, traute er sich schließlich zu fragen.

Der Köter bellte. War das ein Ja, ein Nein oder ein „Verpiss dich“?

Vielleicht war der Hund freundlicher zu ihm, wenn Joshua ihm ungefragt etwas gab. Er ging in die Küche, machte dabei aber einen großen Bogen um den Labrador. Auf leisen Pfoten folgte dieser Joshua.

Da er kein Hundefutter fand, entschied er sich für eine Wurstscheibe. Er warf sie dem Hund hin. Doch er nahm sie nicht an. Er fletschte die Zähne und knurrte.

Dieses Vieh machte ihm wirklich Angst...

„Hör zu, ich werde noch längere Zeit hier bleiben. Entweder du gewöhnst dich an mich, oder wir werden eine sehr harte Zeiten erleben, was wir beide nicht wollen, oder? Ich mag dich, ich verspreche dir, immer nett zu dir zu sein.“ Symbolisch hielt er dem Hund die Hand hin. „Wollen wir Freunde werden?“

Der Köter schnappte nach seinen Finger. Erschrocken zog Joshua die Hand zurück. Dann wohl nicht... Warum redete er überhaupt mit einem Hund? Als ob Tiere ihn verstehen könnten.

„Ach, hier seid ihr.“ Angela erschien in der Küche. Auf einmal verschwand die garstige Miene des Hundes und hechelnd stürzte er sich auf Angela und genoss amüsiert ihr Streicheln. Joshua bildete sich jedoch ein, dass das Vieh ihn noch immer beäugte.

„Dieses Vieh wollte mich beißen“, murmelte Joshua

Darauf kicherte Angela nur. „Red keinen Schwachsinn. Clover könnte keiner Fliege etwas antun. Wahrscheinlich wollte er nur lieb sein.“

Joshua schnaufte. Er hatte zwar nie viel mit Hunden zu tun gehabt, aber er kannte den Unterschied zwischen In-Die-Finger-Beißen und Hand-Abschlecken.

Angela schaute auf die Uhr. „Shit“, murmelte sie und stürzte zum Fernseher, wobei sie zweimal fast über herumliegende Kleiderstücke stolperte und fast am Teppich ausrutschte. Bei jedem Beinahe-Fall bellte der Labrador besorgt. Sie landete aber sicher auf dem Sofa und schaltete den Nachrichtenkanal ein.

Sie gab gerne zu, dass sie, seitdem sie blind war, tollpatschig geworden war.

Joshua setzte sich neben sie, auch wenn er dem Hund so sehr nahe war.

„Was ist passiert?“

„Drei Skandale heute“, erklärte sie. „Eine Politsache, der Finanzminister hat angeblich aus der Staatskasse geklaut. Dann ist heute eine siebenjährige in einer Schule vergewaltigt und ermordet worden. Und als letztes, beim jährlichen Parkfest ist heut so ne Irre Amokgelaufen, hat alle Anwesenden so schnell umgebracht, dass sie nicht Mal die Polizei rufen konnten, die Leichen wurden erst drei Stunden später gefunden.“

„Krass.“ Beim letzten Fall bekam Joshua Magenschmerzen.

Der Bericht über den Finanzminister, der angeblich fünfzig Prozent der Steuern in die eigene Tasche gesteckt hatte, begann zwar schon, aber Joshua fragte trotzdem: „Wieso bist du so geil auf solche Schreckensmeldungen?“

Angela verzog das Gesicht. „Ich bin blind. Ich kann nicht lesen und kann keine Filme sehen, weil mir ohne was zu sehen die Hälfte der Handlung entgeht. Bei Nachrichten muss man nur zuhören.“

„Und was ist mit Hörbüchern und Musik?“

Sie wollte ihn eigentlich auf den Kopf schlagen, doch erwischte seine Schulter: „Still. Ich will das hören.“ Sie ergänzte aber: „Bringst du mir bitte eine Packung Chips?“

Als Joshua zurückkam berichtete man schon über den Kindermörder und der Labrador hatte seinen Platz am Sofa gestohlen. Also beschloss er zu stehen.

„Grausig!“, schauderte Angela nach Ende des Beitrags.

„Sie haben gerade die Toilette gezeigt, wo das Mädchen ermordet wurde. Unzensiert.“

„Zum Glück bin ich blind.“ Eigentlich hätte sie es gerne gesehen.

„Aber der Sender hatte nie viele Hemmungen alle Details zu zeigen.“ Er erinnerte sich, dass er dank diesem Nachrichtenkanal von Rachels Tod erfahren hatte. „Und jetzt zeigen sie das Massaker im Park.“

Die Aufnahme war widerlich. Die Leichen waren zwar weggeschafft worden, aber Blut und andere Exkremente waren noch deutlich zu sehen. Sowie einzelne Gliedmaßen, Knochen, und Organe. Dass man sich traute, so etwas um acht Uhr an einem Samstag im Fernsehen zu zeigen, war verantwortungslos, aber Joshua hatte andere Probleme als den Jugendschutz. Er wusste genau, wer für dieses Massaker verantwortlich war.

Diese wahnsinnige Dämonin mit den roten Haaren.

War das die Art, wie sie versuchte seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken? Wenn ja, auf diesem Wege schürte sie seinen Hass auf sie nur mehr. Mit solchen Mitteln wurde er überhaupt dazu verleitet die komplette Hölle zu hassen.

Der Typ, der die hundertsieben (!) Opfer gefunden hatte, wurde nun interviewt. Es war kein Mensch. Er gab sich keine Mühe zu verbergen, dass es sich um einen Alb handelte. Und es war der Alb, der Joshua vor ein paar Tagen aufgrund seines Aufenthaltes in dieser Sphäre befragt hatte. Wie hieß er noch mal? Jonathan? Und wo war seine komische Frau? Die Adresse der beiden hatte er jedenfalls noch.

„Der Typ klingt extrem hektisch und schockiert.“

Hat er bei seiner ersten Begegnung auch, hätte Joshua fast gesagt.

Verdammt, hatte dieser Alb nicht gesagt, dass er und die stumme Magierin zu einer Organisation gehörten, die es sich verschrieben hat für Ordnung in dieser Sphäre zu sorgen? Wo waren die, wenn eine geistesgestörte Dämonin einen Massenmord beging?

Vielleicht war das ein Grund, warum er diese Heldennummer abzog – es sorgte ja keiner für Ordnung in dieser Sphäre, wenn er es nicht tat.

„Ich gehe spazieren“, sagte er und stand.

Angela schob sich eine handvoll Chips in den Mund und sagte mit vollem Mund: „Die Straßen sind um diese Uhrzeit aber gefährlich.“

Als ob er das nicht wüsste. „Ist mir egal.“ Er redete mit ihr, wie damals. Und das nach zwei Tagen. Aber irgendwie gefiel ihm das. Es tat gut wieder zu jemanden zynisch sein können, ohne dass man gleich eine Rüge davontrug.

„Na gut, aber sag nicht, ich hab dich nicht gewarnt, wenn eine Heroinnadel in deinem Unterarm landet.“

„Versprochen!“ Aber das, was er vorhatte, war tausendmal gefährlicher als eine Heroin in den Venen.

Er musste diese verdammte Dämonin finden.
 

Doch das war leichter gesagt als getan.

„Plainacher!“, schrie er aus voller Kehle. „Sabine Plainacher! Ich weiß genau, dass du für dieses Massaker verantwortlich bist!“ Hoffentlich hörten ihn nur paranormale Wesen. „Komm raus, wo auch immer du dich gerade versteckst!“

Er irrte schon einige Zeit auf der Straße herum. Als er auf die Straße hinausgegangen war, war gerade Sonnenuntergang gewesen. Inzwischen war es stockdunkel.

Auch wenn er fast täglich um diese Uhrzeiten sich auf der Straße befand, fragte er sich, ob Angela sich nicht wunderte, wo er sich herumtrieb, und ihn noch darauf angesprochen hatte. Eventuell wollte sie nur diskret sein. Falls sie sich aber doch einmal in seine Angelegenheit einmischen würde, würde er nicht wissen, was er sagen soll.

„Plainacher!“, schrie er.

Er brüllte den Namen nur in Seitengassen. Gelegentlich weckte er mit seinem plötzlichen Auftauchen Penner auf, oder störte Nutten. Plainacher war sicher nicht anders, als alle anderen Dämonen, die Seitengassen liebten. Zwar konnte er diese Affinität nicht nachvollziehen, aber auch ihn trieb es immer in die abgelegensten und dunkelsten Orte. Vielleicht war das ein dämonischer Instinkt, den man nicht logisch erklären konnte.

„Plainacher! Komm raus wo immer du bist!“ Sein Hals schmerzte schon. Er musste andere Lockrufe verwenden. Indem er nur ihren Namen schrie, würde sie nicht kommen. „Teufel noch Mal, du hast mich! Wenn du mit diesem Massaker bezwecken wolltest, dass ich tue, was du willst, dann hast du dein Ziel erreicht! Ich tue was immer du willst! Aber verdammt noch mal, hör auf dich zu verstecken.“

Und auf einmal hörte er Schritte hinter sich. Er grinste. Er hätte nie gedacht, dass sie so schnell reagieren würde. Anscheinend war das wirklich der Satz gewesen, den sie hören wollte.

„Ich habe das vollkommen ernst gemeint.“ Er sagte das, noch bevor er sich umgedreht hatte. „Wahrscheinlich bist du mit meinen Beweggründen nicht zufrieden, doch ich werde einen Menschen töten, wenn du aufhörst Amok zu rennen und...“

Er stockte. Jemand war hinter ihm Und er hatte nicht Sabine Plainacher angelockt.

„Du...?“, stottert er.

„Ja.“ Sagte Liam Warrick und richtete den Lauf einer Flinte auf Joshua. Er war kaum fünf Meter entfernt.

Verdammt, wie hatte er sich nur so irren können...

„Ich hab es gewusst“, murmelte Warrick und streichelte den Abzug. „Ich wusste, dass du für diesen Massenmord verantwortlich bist.“

„Bitte?“, erschrak sich Joshua und reflexartig hob er die Hände. Dämlich, jetzt kam er weder an Discordia, noch an Eris heran. „Sag mal, hast du mir nicht zugehört? Ich habe die ganze Zeit den Namen ‚Plainacher’ gesagt. ‚Plainacher’ ist dafür verantwortlich. Sie hat dieses Massaker wegen mir angerichtet, nicht ich selbst.“

„Das läuft auf dasselbe hinaus.“ Joshua schlug sich auf die Stirn. So ein Trottel. „Hände wieder in die Höhe, sonst drück ich ab.“

Joshua parierte. „Und wie konntest du eigentlich meine Stimme hören? Nur paranormale Wesen konnten sie...“ Liam hielt eine eigenartige, kleine Apparatur in die Höhe. „Alles klar...“

„Der Radar empfängt jeden versteckten Laut, den Abschaum, wie du, von sich gibt und übersetzt ihn.“

„Das heißt, du wusstest von Anfang an, dass ich nichts damit zu tun hatte, und schiebst mir das Massaker einfach so in die Schuhe?“

„Schweig!“

Joshua verdrehte die Augen. Mensch hin oder her, um den war es wirklich nicht schade. Wenn sich eine Gelegenheit bat, würde er den Glatzkopf umbringen. Dann war Plainacher zufrieden, dann war Erik der Rote zufrieden, dann war Lillith zufrieden und alle konnten nach Hause gehen.

Er dachte an Angela.

Das Wiedersehen war ein Grund diesen Idioten weiterleben zu lassen, damit er nicht zurück in die Hölle musste.

Und dann hatte er eine Idee. Eine schmerzhafte Idee, aber eine Möglichkeit die Plainacher los zu werden, ohne sich ihrem Willen zu beugen, und eine Gelegenheit kurze Zeit später auch seine Prüfungsaufgabe zu erfüllen.

Warrick wollte abdrücken, doch Joshua schrie: „Ich habe ein Angebot für dich.“

„Vergiss es. Ich verhandle nicht mit Müll.“

„Nein, nein, nein, hör’s dir mal an, bevor du urteilst.“ Voreiliger Wichser, dachte Joshua und musste sich zusammenreißen, seine Gedanken nicht auszusprechen. „Ich hasse diese Plainacher auch. Und ich wäre verdammt froh, wenn sie weg vom Fenster wäre. Tun wir uns zusammen und erledigen sie. Zu zweit haben wir bessere Chancen, als alleine.“

„ICH ARBEITE NICHT MIT MÜLL ZUSAMMEN!“

Nach diesem Schrei schoss er. Joshua sprang noch rechtzeitig in die Höhe, die Patrone zog nur knapp an seinem Fuß vorbei.

So schnell wie er in die Höhe gesprungen war, so schnell landete Joshua plötzlich vor Warrick, sodass dieser erschrak.

„Das ist voreilig. Ich kenne deine Erfahrungen zwar nicht, aber ich bezweifle, dass du schon einmal mit einem Dämon von ihrem Kaliber zu tun hattest. Ich habe...“

„Schweig!“ Warrick wollte wieder abdrücken, doch zuckte zurück, als Joshua den Lauf verbog.

„Hör mir mal zu, du Sturkopf.“ Er hätte lieber Arschloch gesagt, aber Verhandlungspartner beleidigte man besser nicht derartig. „Ich mag dich auch nicht, aber wir haben die gleichen Ziele.“ Er riss Warrick die Flinte aus der Hand. „Wir beide wollen verhindern, dass diese Plainacher weitere Massaker anrichtet. Aber dieses Weib kann ein Mann von unserem Können und unserer Stärke nicht aufhalten. Sie ist eine erfahrene Kriegerin und vollkommen wahnsinnig. Und zwar so richtig, ich will nicht wissen, wie viele Tassen der schon aus dem Schrank gefallen sind. Sie hält verdammt viel aus und kennt keine Skrupel. Alleine kann sie keiner von uns aufhalten. Aber zusammen haben wir eine Chance.“ Pause. Er prüfte Warricks Gesichtsausdruck, doch Begeisterung fand er nicht. Er fragte dennoch: „Wärst du dabei?“

Als Antwort bekam er einen Faustschlag aufs Kinn.

Joshua fiel zu Boden und hielt sich die blutende Unterlippe.

„Denkst du wirklich ich würde dir vertrauen, du niedere Kreatur!“ Joshua hatte keine Ahnung, woher der Kerl die Waffe her hatte, doch er hielt ihm plötzlich eine Maschinepistole an die Stirn. Dieses Ding sah bei weitem robuster aus, als die Flinte.

Wenigstens kam Joshua an seine Pistole heran, die er plötzlich als mickrig empfand.

„Ihr paranormalen Widerlinge lügt wie am laufenden Band. Niemals werde ich euch glauben und schon gar nicht mit euch zusammenarbeiten. Bei der nächsten besten Gelegenheit fällt ihr den Menschen doch in den Rücken.“

Da konnte Joshua nicht widersprechen, hätte er auch nicht anders gemacht.

Noch bevor Warrick abdrücken konnte, boxte Joshua ihm ihn den Bauch. Seine Faust stieß gegen irgendetwas Hartes. Er selbst hatte Schmerzen, als Warrick sich kurz vor Schmerzen krümmte. Er konnte dennoch die Gelegenheit beim Schopf packen. Er schnappte sich seinen Arm, sprang auf, riss den Glatzkopf mit sich, schmiss ihn gegen die Wand.

Teufel, war dieser Mensch schwer. Sein Körper war geschützt von irgendeinem Metall. Oder er trug so viele Waffen bei sich. Joshua jedenfalls bekam Schulterschmerzen.

Und ehe er sich zusammenreißen konnte, spürte er einen ziehenden Schmerz in seinem rechten Unterschenkel. Er wagte einen Blick. Warrick hatte soeben durch sein Bein geschossen.

Verdammt, wie konnte sich der Mensch nur so schnell von diesem Wurf erholen, geschweige denn so flott reagieren?

Joshua sank zusammen, hielt sich aber auf den Beinen. Er durfte nicht zu Boden gehen, dann war er ein leichtes Opfer für diesen Widerling.

Noch im Fall riss er sich zusammen, drehte sich um und ein Feuerschwall raste auf Warrick zu. Umfasste ihn. Sollte ihn verbrennen. Doch das geschah nicht. Als die Flammen verschwanden, stand Warrick unversehrt mit der Maschinenpistole in der Hand grinsend vor ihm.

„Scheiße“, murmelte Joshua.

Waren alle Prüfungen so schwer? Wie sollte er einen Kerl umbringen, der einen derartigen Schutz verfügte. War das überhaupt ein Mensch?

Mit einem lauten Lachen begann Joshua das Maschinengewehr zu betätigen. Etwas Besseres als wieder in die Luft zu springen, konnte Joshua nicht. Und zu seinem Entsetzen konnte er diesmal nicht mit ein paar gezielten Hüpfern fliehen. Nicht mit diesem verletzten Bein, denn Sprungkraft und Schnelligkeit waren beschnitten.

Damit er eine Chance hatte, musste Warrick von diesem Maschinengewehr wegbringen.

Ein Windstoß reichte zum Glück und das Ding flog aus seiner Hand. Warrick begann zu fluchen und überlegte kurz, ob er eine andere Waffe wählen oder das Maschinengewehr aufheben sollte.

Joshua hingegen überlegte nicht lange und humpelte los. Manchmal sprang er, so waren seine Schritte größer, doch der Luftzug brannte in der Wunde. Selten hielt er die Schmerzen aus. Und er war zu langsam, um Warrick auf Dauer zu entkommen.

Auf den besuchten Straßen wagte der Typ zum Glück nicht ihn zu beschießen. Die Leute sahen die beiden nur rennen. Doch Joshuas Verletzung sahen sie nicht. Auch, dass er humpelte, bemerkten sie nicht. Man regte sich nur über das stürmische Verhalten der beiden auf. Das ist kein Spielplatz! Und seid ihr nicht zu alt um fangen zu spielen?!

Er durfte die Hauptstraße nicht verlassen.

Doch sollte er rennen, bis Liam Warrick müde wurde? Eher erschlaffte er. Lange konnte er nicht mehr.

Gerade sprang er bei seinem Zuhause vorbei. Angelas Zuhause. Dorthin konnte er nicht fliehen. Dieser Trottel war sicher irre genug, auch seine Schwester für paranormal zu halten und würde sie erschießen.

Angela durfte nicht sterben. Ihr konnte er die Hölle nicht antun.

Hölle? Egal...

Wohin nur?

Ein Geschäft. Ein Club, irgendetwas, am besten wo eine Menschenmenge war, wo er untertauchen konnte, wo Warrick weiterhin zu unsicher blieb, um ihn zu ermorden, vielleicht zu unsicher blieb, ihn überhaupt zu verletzen.

Kurz bevor er vor Schmerzen und Erschöpfung zusammenbrach, fand Joshua ein Lokal, das zwar von außen absolut Ekel erregend war, doch laute Musik und Menschen, die davor herumgammelten, versprachen eine Menschenmasse.

Und die bekam er dann auch.
 

Plainacher hatte sehr wohl den Messias ihren Namen schreien hören. Und das hatte genervt. Am liebsten wäre sie zu ihm hingerannt und hätte ihm die Zunge aus dem Maul gerissen, damit er endlich die Klappe hielt.

Doch sie konnte nicht.

Erstens, weil es ihr verboten war, den Messias (gröber) zu verletzen, zweitens, wollte sie sich dem werten Herrn nicht zeigen, solange sie keine vernünftige Erklärung hatte, warum sie dieses Massaker im Park angerichtet hatte. Die Rechtfertigung musste gut sein. Sie hatte schon den ersten Eindruck verhauen, also musste der zweite gut sein, wenn sie ihn endlich auf den richtigen Weg führen wollte.

Zusammen mit Taurus saß Plainacher auf dem Dach eines Wolkenkratzers, weit entfernt von Joshua Nazara. Dennoch hörte sie die Rufe. Und nicht nur diese bereiteten ihr ein schlechtes Gefühl im Magen.

Wieso war kein verfeindetes paranormales Wesen gekommen um sie aufzuhalten, als sie Taurus gerufen hatte? Und wieso versuchte nun keiner sie zu stellen? Auch wenn sie Magier, Alben, Werwölfe, Vampire und all die anderen paranormalen Arschlöcher dieser Sphäre hasste, so musste sie ihnen zugestehen, dass es irgendwo Wesen so stark sein musste, dass es die Beschwörung spürte.

Irgendetwas stimmte hier nicht.

In dieser Sphäre musste es eine Art Verschwörung geben, von der die Hölle nichts zu wissen scheint, wahrscheinlich ausgehend von dieser Institution namens APEHA , die als „Polizei des Paranormalen“ agierte. Weswegen sollten diese komischen Leute sonst so ein Geheimnis um ihre Einrichtung machen?

Sie konnte aber nicht mehr weiter spekulieren. Mit einem stechenden Schmerz zog sich ihr Magen zusammen. Sie wollte kotzen.

Seit wann konnte ihr übel werden?

Das Fordern nach ihr, wurde nun zu einem Geschrei des Messias.

Plainacher verdrehte die Augen. Dank ihres Instinktes und Intuition wusste sie, der Typ steckte in Schwierigkeiten. Wahrscheinlich hatte Erik der Rote veranlasst, dass ihr Körper reagierte, wenn dem Messias etwas zustieß. Wohl oder übel war der Hintergedanke ihres Mentors gewesen, sie als Bodyguard einzusetzen, und nicht nur als Stimme der Vernunft.

Dank seiner Klassifizierung hatte er wahrlich eine Sonderstellung. Jedem anderen Prüfling war so ein Luxus verwehrt. Wenn der Kandidat starb, war es sein Problem. Doch wenn sie den Messias verlor, schoss die Hölle sich selbst ins Bein.

Sie musste ihm helfen. Also kletterte Plainacher auf Taurus’ Rücken. Dass sie keine Rechtfertigung hatte, war nun egal. Sie machten sich auf den Weg.
 

Joshua konnte aufgrund dieses Anblicks einige Sekunden lang nur starren.

Schon wieder ein Relikt aus seiner Vergangenheit... verdammt, das war einer dieser Goth-Clubs, in denen er mit Rachel viele Abende verplempert hatte, wo er sich mit Paul (oh Gott, den hatte vollkommen vergessen!) bekifft hatte, wo er gesoffen hatte, anstelle zu lernen.

Der Laden war renoviert worden, die Graffitis an den Wänden waren übermalt worden, der Steinboden durch Laminat ersetzt und das Holzmobiliar durch extravagante Samtsofas und Tischen und Sesseln aus Ebenholz ersetzt worden, die Bar war nun ein glänzend schwarzes, modernes Einrichtungsstück. Und die Gläser schienen nun gewaschen zu werden.

Doch obwohl sie der Stil sich von heruntergekommen zu etepetete geändert hatte, am Publikum hatte sich nichts verändert.

„Der Eintritt kostet drei Dollar!“ Joshua zuckte zusammen und starrte auf die Handfläche, die ihm eine blasse junge Frau unter die Nase hielt. „Heut spielt Nocturn’s Children. Kostet drei Dollar.“

Joshua wollte auf keinen Fall zurück hinaus zu diesem Wahnsinnigen, also drückte er der Zicke einen großen Teil seines letzen Geldes in die Hand. Sie verpasste ihn einen Stempel und er humpelte in den Bühnensaal.

Laut seiner Erinnerung hatte es früher dort nur eine Tanzfläche gegeben. Nun standen vor einer Bühne einige Tische und Stühle, die aber vielleicht nur für diesen Abend aufgestellt worden waren. Etwas mehr als die Hälfte war besetzt. Anscheinend keine bekannte Band. Da er auch nicht vermutete, dass mehr Leute kommen würden, nahm er Platz. Sein blutender Unterschenkel danke ihm.

Eine Kellnerin mit tiefem Ausschnitt tauchte auf. Joshua fragte, was unter zwei Dollar kostete. Die Antwort war Mineralwasser. Also bestellte er es, und fragte nebenbei noch, wann die Band denn auftreten würde.

„Eigentlich sollten sie schon spielen, aber der Sänger hat einen Nervenzusammenbruch.“

Joshua konnte darauf nur kichern. Noch nicht ansatzweise berühmt und schon hatte der Typ Starallüren...

Während er die Einschusswunde untersuchte und fieberhaft nachdachte, welchen Trick ihn Erik der Rote gezeigt hatte, um solche Wunden zu heilen, fiel sein Blick auf den Eingang.

Liam Warrick war ihm gefolgt.

Verdammt, er konnte doch unmöglich gesehen haben, wie Joshua in diesem Club verschwunden war... Ach so, dieser komische Radar.

Seine Waffen hatte er abgelegt. Klar, damit wäre er kaum hier hineingekommen, auch wenn der Türsteher dieselbe Person wie das Mädchen, dass von Joshua das Eintrittsgeld kassiert hatte, zu sein schien.

Mit erhobenem Kopf sah sich der muskulöse Riese um. Joshua hatte sich zum Glück einen Platz in der dunkelsten Ecke ausgesucht. Doch sicherheitshalber zog er noch die Kapuze des Pullis tiefer ins Gesicht. Leise betete, dass er dem Typ irgendwie entkommen könnte.

Die Bühne wurde beleuchtet. Ein junger Mann mit braunen Haaren mit schwarzen Cowboyköstum setzte sich hinter das Schlagzeug. Er trommelte eine Minute lang irgendein unrhythmisches Gewirr, als der Bassist, ein vollkommen in schwarz gekleideter Typ mit langen schwarzen Haar, auftauchte. Zusammen spielten sie. Eine Minute später folgte der Gitarrist. Blond mit nacktem Oberkörper.

Joshua legte den Kopf schief. Viel hatte sich in den fünf Jahren seiner Abwesenheit in dieser Subkultur nicht verändert. Er konnte es nicht fassen, dass er sich auch einmal so peinlich angezogen hatte. Seinen Schottenrock vermisste er dennoch.

Minutenlang musste er diese Kakophonie, die man nicht als absichtlich oder verursacht durch Mangelnde Beherrschung der Instrumente einstufen konnte, ertragen. Er beäugte Liam Warrick. Wie ein Tiger schritt er durch den Saal, hielt Ausschau nach dem Dämon, von dem er glaubte, dass er für das Massaker verantwortlich war. Dass ein Mädchen ihm kichernd zuwinkte, bemerkte er nicht.

Die Musik endete, es folgte ein Höflichkeitsapplaus, dem sich Joshua nicht anschloss. Er versank regelrecht unter den Tisch und die Schmerzen in seinem Bein wurden immer stärker, je näher Liam Warrick ihm kam. Früher hatte er über solche Trottel gelacht, die sich für etwas Besseres hielten. Jetzt jagten sie ihm Angst ein.

Doch von einer schrillen, verdammt weibisch klingenden Männerstimme wurde er aus seiner Gedankenwelt gerissen.

Der Sänger, der keine bessere Idee gehabt hatte, als sich als Harlekin zu verkleiden, schrie in das Mikrophon, als hätte er die Augen von Erik dem Roten gesehen. Joshua konnte nicht anders, als zu dem Knilch hinzusehen. Der kleine rothaarige Junge, etwa achtzehn Jahre sprang auf der Bühne auf und ab, machte theatralische Gesten und veräußerte sich dabei so sehr, dass ihm kaum Luft zum singen blieb. Doch auch wenn er Luft bekommen hätte, hätte die Musik nicht besser geklungen. Seine Stimme war zwar recht passabel, aber dieser melodiöse Gesang passte einfach nicht zum dem Krach, für den die Instrumentalisten verantwortlich waren.

Anscheinend hatte der Glaube, etwas Innovatives zu verschaffen, das Verständnis von Schön und Hässlich verzerrt.

Die Texte waren auch nicht besser.

„I want to bleed sorrow/ that they see, what they have done to me/ that they see how deep they cut with words/ Words are swords, I want to bleed sorrow.“

Klar...

Es war jedoch ein Fehler sich auf die Musik zu konzentrieren. Während er Musik und Text analysierte, setzte sich plötzlich Liam Warrick auf den Stuhl ihm gegenüber.

Joshua fiel vor Schreck fast vom Sessel. Auch wenn der Witzbold unbewaffnet war, bezweifelte er, dass er ihm überlegen war.

Das Lied war zu Ende, Liam Warrick begann mit dem Höflichkeitsapplaus und Joshua schloss sich ihm an.

„Ich hab’s dir schon gesagt, ich war das nicht“, murmelte er Warrick zu.

„Im Prinzip ist mir das relativ egal.“ Pause. „Die Erde muss vom paranormalen Abschaum wie dir befreit werden.“

Wieder begann ein Lied, doch das hielt Joshua nicht davon ab mit seinem Gegenüber zu sprechen: „Hör mal, ich halte das für einen guten Zeitpunkt einfach mal miteinander zureden. Du bist unbewaffnet und ich würde niemals meine Fähigkeiten an einem so besuchten Ort einsetzen.“ Eigentlich wollte er sagen: „Ich würde nie einen Menschen töten“, doch die Wahrheit war, dass er nichts lieber täte als Liam Warrick zu ermorden. Er konnte nur leider nicht, aus dem eben tatsächlich genannten Grund.

„Ich bin nicht unbewaffnet.“

Joshua schluckte. „Wie bitte?“

„Ich bin nicht unbewaffnet. In meiner Hosentasche befindet sich eine kleine Spritze mit einem Mittel, das deine paranormalen Fähigkeiten außer Kraft setzt und dir vieles deiner Muskelkraft nimmt.“

Joshua begann laut zu keuchen. Mit diesem und anderen „Medikamenten“ waren rebellische Sklaven und Arbeiter in der Hölle behandelt worden. Verdammt, wo hatte dieser Trottel diese Substanz nur her?

„Und gerade bohre ich die Nadel in deinen Oberschenkel.“
 

Nocturn schmiss das Mikrophon auf den Boden und trat es von der Bühne. Der Auftritt war um, eine halbe Stunde hatte man ihnen eingeräumt, fünf Songs hatten sie gespielt. Ob der rothaarige Frontmann das Mirkophon aus Zorn weggeschmissen hatte, oder ob es eine weitere peinliche Bühneneskapade gewesen war, konnten die Bandmitglieder nicht bestimmen.

Doch Wut brannte in ihn, da man nicht gerade behaupten konnte, dass das „Odium“ gerammelt voll von Menschen war. Und das, obwohl Samstag war. Andere Leute als Freunde und Verwandte konnte er im Publikum nicht finden. Und selbst die hatten ihm und der Band nicht mehr als Höflichkeitsapplaus spendiert.

Dabei hatte er sich so hineingesteigert, hatte mit seinen Bewegungen, die knapp an Autoaggression vorbei glitten, doch gezeigt, wie sehr ihm seine Musik aus der Seele sprach, wie sehr er sich durch seine Texte geöffnet hatte. Doch keinem schien das aufzufallen und zu gefallen. Und solche Menschen nannte er Freunde und Familie...

Er hasste die Menschen, die ihn nicht verstanden, er hasste sich selbst dafür, dass er geglaubt hatte, man würde sich durch diesen Auftritt in ihn hineinversetzen können.

Wozu war nun die Nervosität gut gewesen, die ihn dazu veranlasst hatte, mit einer halben Stunde Verspätung aufzutreten?

Noch nicht einmal die Bühne hatte er verlassen und das Publikum vertiefte sich in Gespräche, anstelle baff von der Emotionalität der Musik zu sein, oder gingen zur Bar, so wie es sogar seine Freundin tat. In der letzten Reihe, sah er zwei Typen, einen afroamerikanischen Hünen mit engen Klamotten, und einen schmächtigen Jungen, der eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte und augenscheinlich verletzt war, aufspringen, der Verletzte humpelte hinaus, während er Hüne ihm nachging und die Fäuste ballte. Toll, anscheinend hatte seine Musik zu einer Schlägerei geführt.

Ohne ein Abschiedswort verließ Nocturn die Bühne. Vincent, der Bassist, Francis, der Gitarrist, und Valentin, der Drummer, folgten ihn, fluchten auf ihn.

Selbst auf seine Bandmitglieder konnte man sich nicht mehr verlassen.
 

Als Joshua die Türschwelle passierte, packte Liam Warrick seinen Hals und drückte die dortigen Schlagadern zusammen. Joshua wollte nicht schreien, kam aber nicht darum herum zu wimmern. Die Türsteherin/Kassiererin bemerkte natürlich nichts, selbst Joshua war ihr zu unsympathisch, als dass sie ihm geholfen hätte.

In Joshua wuchs eine so große Verzweiflung, dass er nicht mehr klar denken konnte. Er konnte zwar nun keine paranormalen Fähigkeiten mehr einsetzen, doch er war nicht waffenlos, wie Warrick, er hatte seine Knarre und sein Schwert, die ihm zur Flucht verhelfen konnten. Doch er vergaß die beiden. Er akzeptierte Warrick als überlegen, akzeptierte sogar, dass er gescheitert war, dass er sterben würde. Doch Angst hatte er trotzdem.

Wie einen Müllsack schmiss Warrick ihn auf den Boden. Erst trat er ihn in den Bauch, dann stieg er mit seinen Spingerstiefel auf die Schusswunde, die er ihm zuvor zugefügt hatte. Joshua konnte sie nun einen Schrei nicht verkneifen.

„Du bist erledigt, Gewürm“, murmelte Warrick und drückte den Absatz seines Stiefels auf Joshuas Brustbein. Er bückte sich, am Bund seiner Jeans suchte er die Waffen, die der Höllenbewohner mit sich führte. Doch er fand nur ein kleines Taschenmesser.

„Ist das ein Schwert?“, knurrte Warrick. Er wusste es nicht, aber die Spitze befand sich wenige Zentimeter über Joshuas Augen.

Joshua schnappte nach Luft. Blut in Mund und Nase und der Druck durch Warricks Stiefel verhinderten leichte atmen. Er hustete ein „Ja“, aus sich heraus. Wusste dieser Mensch mit Stroh im Kopf, dass Waffen aus der Hölle sich nicht gegen die Eigentümer richten.

Anscheinend, denn Liam Warrick stach nicht, wie erahnt, zu, sondern steckte Discordia in eine Schwertscheide an seinem Hosenbund. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich es nehme. Es fühlt sich gut in meiner Hand an. Dort, wohin ich dich nun schicke, wirst du so etwas eh nicht mehr brauchen.“

Joshua ekelte es an, dass ein Kerl, den er so verabscheute, ein Schwert, das nur er als perfekt empfinden konnte, als angenehm wahrnahm und am liebsten hätte er geschrieen, dass er doch schon längst gestorben war und der nächste Schritt die absolute Auslöschung seiner Existenz war, doch was aus seinem Mund kam, war nicht mehr als ein Husten.

Liam Warrick hatte beschlossen, den Höllenbewohner nur mit Hilfe seiner Körpers zu ermorden. Er hob den Fuß, den er auf seine Brust gedrückt hatte, wollte das hässliche Narbengesicht des Dämons, den er bewegungsunfähig geprügelt hatte, zertreten.

Ein heftiger Schlag an den Hinterkopf verhinderte jedoch sein Vorhaben. Ihm wurde schwindelig. Und dann packte ihn auch noch irgendetwas am Hemdkragen, zog ihn in die Höhe und schmiss ihn gegen die herumstehenden Mülltonnen.

Plainacher schaute verwirrt auf den schwer verletzten Joshua. „Was zum... Hallo, selbst du kannst nicht so ein...“ Hätte sie nicht zu Ende gesprochen und wäre sie nicht in die Luft gesprungen, hätte sie eine Kugel getroffen.

„Was soll das, Arschloch!“, schrie sie ihn an und zuckte zusammen, als sie die Flinte sah, mit der Warrick auf sie zielte. Woher hatte dieser MENSCH ein Modell aus der Hölle?

„Bist du gekommen, um diesem Schwächling zu helfen, Abschaum?“

Plainacher war sprachlos. Abschaum? Ein MENSCH nannte sie Abschaum? Noch dazu so ein Ich-halte-mich-für-besser-als-paranormale-Wesen-wünsche-mir-aber-einer-von-ihnen-zu-sein-MENSCH! Wie gerne hätte sie ihm den Hals umgedreht, doch leider war dieser Warrick die Prüfungsaufgabe des Joshua Nazara und wenn sie dieses wissend ihn dennoch ermordete, drohte eine Degradierung.

Aber wenigsten konnte sie ihn verletzen.

Warrick schoss auf sie und mit einem Sprung in die Höhe, wich sie der Patrone aus. Schnell riss sie ein Piercing aus ihrem Ohr und das Metall als Nadel geformt, warf sie es auf Warrick. Parallel zu ihrer Landung, berührte die Spitze sein Auge. Doch die Nadel prallte ab.

Ein Ganzkörperschutzschild?

„Woher hast du diesen Scheiß?“, schrie Plainacher.

„Geht dich nichts an, Widerling.“

Wieder schoss er und wieder war der Kugel leicht auszuweichen. Wenn er weiter lose ohne Taktik agierte, konnte man ihn ermüden und warten, bis er keine Munition mehr hatte. Doch Plainacher hasste es, dass sie dieses Arschloch nicht umbringen konnte, nicht einmal verletzten konnte.

Woher hatte dieser MENSCH einen derartigen Schutzschild?

Sie schnippte zweimal. Kaum eine Sekunde später hielt Taurus Liam Warrick an der Schulter, der keine Ahnung hatte was an seiner Schulter schmerzte, und warum er nicht mehr von der Stelle kam.

„Woher hast du die Scheißwaffen!“, schrie Plainacher.

Liam wehrte sie nicht mehr. Er kicherte: „Ich antworte paranormalem Abschaum nicht.“ Er spürte keine Schmerzen, als Taurus seine Krallen in Warricks Schultern bohrte.

Plainacher knurrte: „Weißt du, dass mein Haustier deinen Schutzschild brechen kann, Arschgesicht? Das bist du genau so ein hilfloser kleiner Wurm, wie all das andere menschliche Gewürm.“

„Nein, das wusste ich nicht. Weil es nicht wahr ist.“

Verdammt... „Ich dachte, du sprichst nicht mit der paranormalen Übermacht, du Scheiße fressender Müllsack.“

Warrick kicherte. „Apropos Müllsack. Dein Freund stirbt gerade.“

Plainacher zuckte zusammen.

Joshua hatte das Bewusstsein verloren, lag in einer Lache aus seinem eigenen Blut.

Wie gerne hätte sie Warrick noch weiter ausgequetscht, doch es war wichtiger den Messias zu retten. Ihre Heilfähigkeiten waren zwar nie sonderlich gut ausgebildet, doch seinen Tod würde sie verhindern können.

Sie legte ihre Hand auf seine Brust, ihr Fingerspitzen wurden heiß und langsam floss ein Teil ihrer eignen Kraft in seinen Körper. Plainachers Muskeln spannten sich an, ihr eigener Magen begann zu schmerzen.

Der Patient krümmte sich und stöhnte. Seine blutenden Wunden schlossen sich – gar verschwand eine Narbe in seinem Gesicht. Doch dass er geheilt war, konnte man nicht behaupten. Er hustete, bekam noch immer schwer Luft, sein Blickfeld war verschwommen und sein Herz schlug nur langsam.

Plainacher seufzte. Besser konnte sie es nicht.

Sie nahm seinen Arm, legte ihn um ihre Schulter und hielt Joshua an der Hüfte fest. Sie ging los. Da er größer war als er, schleifte sie ihn hinter sich her. „Du bist munter und kannst gehen, also gib auch deinen Beitrag dazu, Schlappschwanz“, knurrte sie. Und Joshua gehorchte tatsächlich.

„Halt ihn noch eine Zeit lang fest“, befahl sie Taurus.

Liam Warrick knurrte: „Ich werde euch finden und dann umbringen.“ Taurus verriss daraufhin seinen Arm, worauf er stöhnte. Der Sklavendämon schnaufte.

„Ich bring ihn nach Hause“, antwortete Plainacher, in dem Glauben, ihr Haustier habe gefragt, wohin sie gehen.

Die beiden verschwanden im Dunkeln.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück