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Close the Door

von

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Kapitel 22

Close the Door
 

Kapitel 22:
 

Ich saß auf der Fensterbank und sah gedankenverloren nach draußen.

Eine Stunde war vergangen, seit wir die Villa wieder betreten hatten.

Seit dem saß ich hier, starrte in den immer dunkler werdenden Himmel und dachte nach. Die Tatsache, dass die wenigen Menschen, mit denen ich so etwas wie eine Freundschaft aufgebaut hatte, sich heute von mir losgesagt hatten, beschäftigte mich sehr.

Tief in meinem Inneren wusste ich ganz genau, das dieser Tag hatte kommen müssen.

Denn der Umstand, dass ich meinen Freunden nie die Wahrheit gesagt hatte, über meine häusliche Situation, und dass ich sie immer wieder belogen hatte, nur um ihren Fragen auszuweichen, war Grund genug für diese Reaktion.

Trotzdem…es traf mich härter als gedacht.

Denn nun stand ich wirklich so gut wie allein da. Die einzigen Menschen, denen ich jetzt noch etwas bedeutete waren Duke, der sich im Moment allerdings geschäftlich in Amerika aufhielt, und die Bewohner dieses Hauses.

Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, jetzt, da ich nicht mehr bei meinem Vater wohnte, würde es endlich bergauf gehen.

Doch scheinbar gab es für mich wirklich kein „bergauf“.

Für mich gab es nur bergab.

Und diese Erkenntnis stürzte mich in ein tiefes Loch.

Die Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit, die von mir Besitz ergriffen, hemmten mich und beraubten mich jeglicher Handlungskompetenz. Ich wusste, ich strudelte direkt in eine meiner depressiven Phasen. Und wünschte mir sehnlich, sie würde schnell vorbei gehen.
 

Was wohl als nächstes auf der Liste stand? Fragte ich mich, als ich meinen Kopf langsam nach hinten an die angenehm kühle Wand lehnte.

Diese Aneinanderreihung negativer Situationen wollte scheinbar nie enden.

Wie lange soll das noch so weiter gehen?

Irgendjemand da oben schien mich zu hassen, wie die Pest.

Anders konnte ich das, was mir nun seit Jahren widerfuhr nicht erklären…

Wahrscheinlich habe ich es einfach nicht anders verdient…
 

Als es an der Tür klopfte, sah ich nicht auf.

Er trat nach kurzem Zögern ein und schloss die Tür leise hinter sich.

Seine Schritte näherten sich mir, das Bett knarrte leise, als er sich auf dessen Kante niederließ.

Ich war ihm dankbar dafür, dass er hier her gekommen war.
 

„…Joseph?“, sprach er mich leise an.

Ich reagierte erst nach einigen Sekunden und wandte meinen Kopf kurz in seine Richtung.

Er sah besorgt aus.

Wegen mir…das wusste ich…doch war es gerechtfertigt?

Mein Leben wie es jetzt war, hatte ich mir doch selbst ausgesucht…

Denn hätte ich ernsthaft etwas ändern wollen, hätte ich es jederzeit tun können.

Doch ich hatte nichts getan.

Gar nichts…
 

Ich schloss für einen Moment die Augen und lehnte den Kopf erneut zurück an die Wand.

„Weißt du…ich habe es nicht anders verdient…“, sagte ich leise und sah ihn erneut an.

Verwirrt zog er die Augenbrauen leicht zusammen.

„Wie kommst du darauf?“

„…Ich bin selbst Schuld.“, antwortete ich und lächelte ihn traurig an.

Der Schmerz in meinen Augen war ihm nicht entgangen.

„Wenn ich ehrlich zu ihnen gewesen wäre…all die Jahre…dann hätten sie keinen Grund gehabt an meinem fehlenden Vertrauen zu appellieren. Sie haben Recht.

Ich habe ihnen nie Vertraut.

Ich habe nie irgendjemandem vertraut…“

„Du hattest deine Gründe.“, erwiderte er.

„Ja, die hatte ich. Doch was waren das schon für Gründe? Ich kann mir nicht mal selbst erklären, warum ich jedes Mal lieber gelogen habe, statt die Wahrheit preis zu geben. All die Jahre…

Weißt du, Seto…ich habe kein Recht mich zu beschweren…ich habe mir mein Leben selbst ausgesucht. Keiner hat mich gezwungen so zu handeln…“

Seto stand auf, trat langsam auf mich zu und schüttelte mit dem Kopf.

„Du kannst nichts dafür.“, sagte er leise.

„Doch, Seto! Ich hätte all die Jahre ein anderes Leben führen können, wenn ich mich jemandem anvertraut hätte. Stattdessen habe ich mich kampflos ergeben…“

„Du kannst nichts dafür.“, wiederholte er.

Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln.

„Hör auf damit, Seto…ich war doch der einzige, der etwas an der Situation hätte ändern können.“

Er schüttelte erneut mit dem Kopf.

„Nein Joseph. Du bist nicht Schuld…“

Ich schluchzte und vergrub mein Gesicht zwischen den angezogenen Knien.

„Ich hätte nur etwas sagen müssen…“

„Joseph…“

Er legte mir sanft eine Hand auf die Schulter und zog mich langsam an seine Brust.

Ich lehnte mich Halt suchend an ihn und krallte die Rechte in sein weißes Hemd.

„Ich wollte das alles doch gar nicht…“, versuchte ich eine Entschuldigung.

Er strich mir beruhigend über den Rücken.

„Ich weiß, Joseph….ich weiß…“

Ein erneutes Schluchzen ließ mich erzittern und ich verstärkte den Griff meiner rechten Hand.

„Ich habe immer gehofft, er würde sich ändern…“

„Ja…du kannst nichts dafür…“, flüsterte er erneut.

Er umschlang mich mit beiden Armen und hielt mich fest.

Es fiel mir unheimlich schwer seinen Worten zu glauben.

Doch eigentlich wusste ich tief in meinem Inneren, dass er Recht hatte und meine Selbstvorwürfe nicht notwendig waren.

Es dauerte lange, bis ich mich endlich beruhigte.

Meine Atmung normalisierte sich, die Tränen versiegten. Trotzdem lehnte ich immer noch an seiner Brust, jetzt mehr vor Erschöpfung als vor Trauer.

Er löste seinen linken Arm, legte ihn mir unter die Knie, hob mich hoch und trug mich zum Bett.

Sanft setzte er mich auf der Bettkante ab und griff dann nach der Decke um sie beiseite zu schieben.

„Leg dich hin, Joseph. Ruh dich aus.“, sagte er und lächelte mich liebevoll an.

Ich nickte leicht und ließ ich zur Seite sinken und schloss für einen Moment die Augen.

Als er Anstalten machte, den Raum zu verlassen, setzte ich mich jedoch schnell wieder auf und sah ihn entsetzt an.

„Keine Sorge. Ich komme gleich wieder. Ich sage nur Roland bescheid.“, erklärte er beruhigend, als er meinen Blick bemerkte.

Ich nickte beruhigt und legte mich hin.
 

Kurze Zeit später kam er zurück ins trat zu mir ans Bett.

„Bleibst du heute Nacht bei mir?“, fragte ich ihn flüsternd.

„Ja.“, erwiderte er mit einem warmen Lächeln und legte sich dann neben mich.

Vorsichtig zog er mich erneut in eine feste Umarmung.

Ich schloss die Augen, legte meinen Kopf auf seine Schulter und genoss die Wärme, die er Ausstrahlte.

Seto zog die Decke über uns beiden zu Recht und löschte dann das Licht der Nachttischlampe.

Nach wenigen Minuten war ich erschöpft, aber beruhigt eingeschlafen.
 

**
 

Seto lag noch lange wach und betrachtete im fahlen Licht des Mondscheins das erschöpfte und blasse Gesicht des jungen Mannes, der sich eng an ihn gekuschelt neben ihm befand.

Seufzend strich er mit den Fingerspitzen seiner linken Hand leicht über das Ohr des Schlafenden.

Er war wütend.

Wütend auf diejenigen, die diese schönen, braunen Augen erneut zum Weinen gebracht hatten. Wütend auf diejenigen, die diesen zerbrechlichen, schmächtigen Jungen neben ihm erneut tief verletzt hatten.

Er hatte das alles nicht verdient…doch mit jeder weiteren Verletzung, jedem weiteren kleinen Riss in dem Herzen des Achtzehnjährigen stieg die Wahrscheinlichkeit, dass er nicht mehr die Kraft oder den Mut dazu hatte, aufzustehen und sich dem Ganzen entgegenzustellen.

Seto seufzte erneut leise.

Er würde das nicht länger zulassen.

Keiner hatte das Recht, demjenigen, den er liebte, so viel Leid zuzufügen.

In Zukunft würde er einfach noch mehr auf den schlafenden jungen Mann neben ihm acht geben.
 

**
 

„Du schmeißt mich raus???“, fragte sie entsetzt und stand mit einem Ruck auf. Der Stuhl fiel krachend nach hinten zu Boden und ich erinnerte mich daran, dass dieselbe Szene erst vor kurzem in umgekehrter Rollenverteilung stattgefunden hatte.

Seto sah sie ausdruckslos an.

„Ich biete dir an auf meine Kosten in einem Hotel zu nächtigen, solange du nicht auf eigenen Beinen stehen kannst. Daran ist meiner Meinung nach nichts auszusetzen.“

„Nein, Seto! Du wirfst mich aus deiner Villa und ich weiß genau warum.“

Mit einem Ruck drehte sie den Kopf zu mir um und fixierte mich aus zusammengekniffenen Augen.

Mir lief es eiskalt den Rücken herunter bei diesem Blick.

„Es ist wegen IHM! Er ist dir wichtiger als deine eigene Familie!“

Seto schüttelte unwirsch mit dem Kopf.

„Mach dich nicht lächerlich, Maya.“, erwiderte er mit weiterhin ruhig gehaltener Stimme.

„Lächerlich?? Ich mache mich nicht Lächerlich, ich stelle Tatsachen fest! Du ziehst ihn mir vor! Wie konntest du dich nur von diesem Bettler um den kleinen Finger wickeln lassen?!“

„Maya, ich bitte dich…“

„Er ist doch nur eine kleine, widerliche Made, die du irgendwo auf der Straße gefunden und aus irgendeinem emotionalen Antrieb heraus aufgesammelt hast! Wie kannst du das nur zulassen?“

Ich zuckte zusammen und stand ebenfalls auf.

Doch bevor ich mich abwenden und den Raum schnellstmöglich verlassen konnte, legte mir Roland die Hand auf den Arm und zog mich zurück auf meinen Stuhl.

Fragend sah ich ihn an, doch er schüttelte nur stumm mit dem Kopf und deutete mit einem Nicken in Setos Richtung.

Meine Augen wanderten zu Seto.
 

Er schien kurz vor einer Explosion zu stehen. Ich sah wie die Wut in ihm brodelte und er schien dem Drang zu widerstehen seine Cousine in Grund und Boden zu schreien. Es war ein ungewohntes Bild. Er zeigte selbst jetzt, da er versuchte seine Gefühle zu unterdrücken, eine für mich noch so ungewohnte Seite.
 

Und wieder war klar erkennbar, das Seto Kaiba erst Zuhause er selbst war. Die Fassade, die er in der Öffentlichkeit präsentierte fiel hier fast komplett von ihm ab. Ich nahm an, es lag daran, dass sein Zuhause sein Refugium war. Es war der einzige Ort, an dem er von der Publicity geschützt war. An dem er tun und lassen konnte was er wollte.
 

Trotzdem spürte ich, wie sehr er sich in diesem Moment nach seiner Maske sehnte, wie sehr er im Moment der gefühlskalte Geschäftmann sein wollte.
 

Seto atmete einmal tief durch und wandte sich dann an seine Cousine: „Hör zu, Maya. Ich rate dir bei aller Freundschaft, nimm deine Sachen, lass dir von Roland das Geld geben und verlass sofort mein Haus! Bevor ich mich vergesse und etwas tue was ich später bereue!“

Er hatte ruhig gesprochen, doch seine Stimme war eiskalt und es schwang ein lauernder Unterton in ihr.

Maya sah ihn entsetzt an.

Sie verstand sofort wie ernst ihm diese Worte waren.

Ungläubig starrte sie ihn an. Wandte dann den Blick kurz zu mir und wieder zu ihm zurück.

„Ich…kann nicht glauben dass dir das ernst ist.“

„Oh Maya…du willst nicht wissen, WIE ernst mir meine Worte wirklich sind.“

Leicht schüttelte sie den Kopf.

Dann drehte sie sich um und trat mit energischen Schritten zur Tür. Bevor sie den Raum verließ wandte sie sich einen Moment um und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

„Das ist nur deine Schuld. Das werde ich dir nie verzeihen. Und vergessen werde ich es erst recht nicht!“

Dann verschwand sie.
 

Stille legte sich über die zurückgebliebenen.

Keiner wagte etwas zu sagen.

Ich schluckte.

Ihre Worte klangen nicht gerade sehr verlockend.

Seto ließ sich langsam zurück auf seinen Platz sinken und atmete tief durch.

Roland stand auf und verließ den Raum.

Wahrscheinlich gab er Maya das Geld und bestellte ihr ein Taxi…
 

Ich rührte mich nicht.

Das war alles ein bisschen viel auf einmal. Erst kündigt man dir die Freundschaft, dann wirst du bedroht…toll wie du dein Leben auf die Reihe kriegst….sagte ich innerlich zu mir selbst.
 

Mokuba war es, der sich schließlich zu seinem Bruder wandte und ihn bewundernd anlächelte.

„Danke großer Bruder. Endlich sind wir die Furie los.“

Seto nickte leicht.

Schien sich noch nicht von seinem Beinahausbruch erholt zu haben.

Ich hatte den Eindruck sein Beinahausbruch war ihm sehr unangenehm.

Also erhob ich mich leise und verließ mit wenigen Schritten den Raum.

Ich wollte die beiden Brüder allein lassen und Seto die Chance geben sich zu beruhigen.
 

Auf dem Weg nach oben in mein Zimmer begegnete mir Roland.

Er legte mir kurz die Hand auf die Schulter.

„Alles okay, Joseph?“

Ich nickte unsicher.

Wusste nicht, was ich von dieser ganzen Sache halten sollte.

Schließlich hatte Maya schon recht…wenn ich nichts zu Seto gesagt hätte, dann wäre sie noch hier. Ich hatte ihn ja mehr oder weniger dazu gedrängt sie rauszuschmeißen.

Und es tat mir Leid.

Auch wenn ich sie nicht mochte hatte ich ein schlechtes Gewissen.

Roland lächelte mich aufmunternd an.

„Keine Sorge, in einer viertel Stunde ist sie verschwunden. Ich habe ihr ein Taxi gerufen. Und gib nichts auf das was sie gesagt hat. Seto weiß sehr wohl was er tut.“
 

Ach ja? Tat er das?

Und warum konnte er es mir dann nicht erklären?

Ich erwiderte das Lächeln so beruhigend wie möglich, damit Roland sich nicht weiter um mich sorgte.

Dann wandte ich mich ab, um in mein Zimmer zu gehen.

Dort ließ ich mich ins Bett fallen und seufzte leise auf.

Langsam wurde es wirklich Zeit mit Seto ein klärendes Gespräch zu führen.

Doch dazu würde ich mich wohl niemals bereit fühlen…
 

Und der Gedanke es noch einen Moment aufzuschieben war verlockend. Eine Situation in der ich wieder einmal emotional gesehen durchdrehen würde, kam bestimmt schnell genug.

Also konnte ich das Gespräch auch bis dorthin verschieben.
 

Seufzend setzte ich mich wieder auf, griff nach meinem Rucksack und holte die anstehenden Hausarbeiten heraus.

In Ruhe widmete ich mich dem Lernen. Für Morgen stand der Nachschreibetermin für eine der beiden versäumten Klausuren fest und ich wollte davor noch einmal alle wichtigen Mathematischen Formeln durchgehen. Schließlich bot sich für mich hier die Chance die verpatzte Note wieder auszugleichen.
 

Nach zwei Stunden schob ich meine Schulsachen zurück in den Rucksack, ließ meinen Kopf ins Kissen sinken und schloss die Augen.

Ich war müde und fühlte mich ziemlich kaputt.

Anscheinend war ich noch nicht so hundertprozentig auf der Höhe.
 

Seto klopfte an der Tür und trat unaufgefordert ein. Als er den schlafenden Körper auf dem Bett unter einem Berg von Decken entdeckte lächelte er leicht und lehnte sich leise seufzend gegen den Türrahmen.

Er hatte gehofft Joseph wach anzutreffen. Er hatte endlich reden wollen, doch scheinbar bot sich auch an diesem Abend keine Gelegenheit dazu.

Kommt davon wenn du so feige bist, dachte er missmutig, über sich selbst.

Hätte er schon vor ein, oder zwei Stunden seinen Mut zusammen genommen um zu seinem Freund zu gehen, wäre dieser mit Sicherheit noch wach gewesen.

Also Morgen auf ein Neues…nahm er sich vor und verließ leise das Zimmer.



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