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Unter Wasser

"Gib mir die Hand, ich muss dich spüren, fast wär ich nicht mehr aufgewacht..."
von

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Kapitel 4 - Fumilia

Fumilia
 


 


 

„Das gibt’s doch nicht…“

Damit hatte sie echt nicht gerechnet. Vor ihr stand doch allen ernstes das gesamte Farin Urlaub Racing Team (minus Chef).

Anette. Welche Rike auf die Schulter getippt hatte, grinste sie wieder mal so strahlend an. „Na komm her, du Feuerball.“, damit breitete sie die Arme aus und umarmte Rike, ohne dass diese groß was zu machen brauchte. Henrike war einfach noch zu überrascht gewesen, ließ es aber gerne mit sich machen.

Alle waren se da:

Rachel, Cindia, Nessie, Vanessa, Simone, Anette (wie eben schon erwähnt), Rob, Hardy, Fischi, Quitte…

Und eine unverkennbare Celina Bostic stand neben dem Trupp und grinste, dass man davon blind werden konnte. Die Wahrheit war; Celina hatte hauptsächlich hinter der Aktion „Das FURT soll im-Koma-liegenden Chef besuchen gehen“ gestanden. Henrike lächelte ihr milde zu.

Fast ungläubig warf sie noch einmal den blick in die Runde. Cindia hatte sich natürlich wieder einen Haarknoten gemacht, war ja fast ihr Markenzeichen. Ihr Blick war mitfühlend und, wie immer, äußerst ruhig.

Nessie grinste breit. Sie und Rike hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander, waren eigentlich schon richtige Freunde. Die Satantochter hatte wieder eine frisch gefärbte Haarmähne, in blutrot versteht sich.

Rachel… Henrike hatte erst überhaupt nicht gewusst, was sie von der doch teilweise recht harten Frau halten sollte. Jedoch hatte sie festgestellt, dass Rachel eindeutig weniger kalt war, als sie oft wirkte. Und die Schlagzeug-Malträtirerin hatte immer eine Menge schlagfertiger und entwaffnender Sätze parat. Außerdem war sie absolut keine Spaßbremse, was Henrike wirklich schnell von ihr lernte.

Vanessa war, wie immer und jeder Zeit, am schicksten gekleidet. Ihre Locken waren wieder braun, vor kurzem hatte sie noch blond ausprobiert. Wo man schon bei Haare war… Anette hatte wieder ein paar rote Strähnen drin, was ihr auch wunderbar stand.

Simone stand am nächsten bei Celina und lächelte Rike warm und mütterlich an. Die Big Mama der Truppe, immer ein offnes Ohr parat oder eine dicke Umarmung.

Rob sah mit seiner Sonnenbrille fast wie ein waschechter Gangster aus. Hatte wieder sein Lächeln aufgesetzt, welches bei ihm sogar fast noch schneller als bei Jan dreckig werden konnte. Die beiden hatten ja auch nen sehr ähnlichen Humor.

Quitte kannte sie bisher am wenigsten. Er war ebenfalls sehr ruhig und blieb meistens eher für sich. Neben ihm stand Fischi. Auch ihn kannte sie noch nicht so sehr, hatte sich aber schon ein paar mal mit ihm unterhalten. Fischi war ein total lieber Kerl.

Und zum Schluss… the one and only: Hardy!

Und er stand unter der recht dunkel gekleideten Truppe als einziger in einem Hawaiihemd da.

Das brachte Henrike augenblicklich zum grinsen. Hardy war auch super lieb, Rike mochte ihn sehr.

„Hey…“, so versuchte so gut es ging, sich noch die Verpenntheit aus den Augen zu wischen.

Die Harre konnte sie eh vergessen, die waren fürs erste nicht mehr zu retten.

„Alle auf einen Schlag hier….“, es rührte sie, dass alle hier waren, um Jan zu besuchen. Immerhin wohnten ja nicht alle FURT Mitglieder in Berlin, einige hatten somit eine längere Reise hinter sich.

Henrike freute sich, aber trotzdem: Es überrumpelte sie.

Jetzt war sie hier so lang allein mit ihm gewesen und jetzt kam mit einem Mal die ganze Legion auf sie zu.

Aber allein all die Leute nun wieder zu sehen.

DAS weckte Erinnerungen….
 

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„Was meinst du? Was werden sie von mir denken?“

„Kannst du endlich mal das Stalking auf mein Gehirn unterlassen?!“

„Jaja…“, Rike drehte sich schmollend weg und räumte die Butter zurück in den Kühlschrank. Sie hatten gerade gefrühstückt und Henrike war recht aufgeregt an diesem Morgen. Denn es war mal wieder so weit!

Jans Zweitband, das gefürchtete Farin Urlaub Racing Team, würde sich wieder auf eien Tournee vorbereiten. Und dafür würden heute die ersten drei Mitglieder antanzen, nämlich die, der Kernband. Genau genommen: Nessie an der Gitarre, Cindia am Bass und Rachel am Schlagzeug.

Sie hatte Jan schon länger mit Fragen um die drei Damen gelöchert. Hatte mehrere Gründe. Immerhin hatte sie diese auch schon in Aktion erlebt und somit gesehen, wie großartig sie in ihrem Element waren. Dann war sie sehr aufgeregt, eben diese Frauen nun kennen zu lernen und… was sie von ihr denken würden.

Schließlich… war sie bestimmt nicht die erste Freundin von Jan, welche sie zu Gesicht bekamen.
 

„Kann ich euch eigentlich bei den Proben zugucken oder wollt ihr da eher, für euch sein?“, erkundigte sie sich, als Jan gerade den Tisch abwischte.

Dieser hielt kurz inne und überlegte.

„Hmm… lass uns erstmal allein Proben. Aber… vielleicht könnten wir dich noch gebrauchen.“

Henrike drehte sich rasch zu ihm um und stellte die Hasenohren weit auf.
 

„Sag mal warum rennst du eigentlich mit diesen ollen Hasenohren rum?“, meinte Jan mit hoch gezogener Augenbraue und mopste ihr den Haarreif, mit den Hasenohren, vom Kopf.

„Hey!“, sie hopste auf und ab, doch Jan streckte seinen Arm nach oben und sie kam einfach nicht mehr heran. Warum musste der Depp auf fast zwei Meter groß sein….

„Jaaaaaaa hüpf´s mir mein Bunny.“, grinste er dreckig mit seinem 3 Meter Grinsen. Augenblicklich hörte sie auf und boxte ihm in den Bauch. Nicht dolle, aber es reichte, dass er zusammen zuckte und sein Arm einknickte.

Jedoch schaffte er es wieder, sich ihrer Hand zu entwinden und die Trophäe namens Hasenohren für sich zu behalten.

„Ich hab die in deinem Schlafzimmerschrank gefunden. Hab ich da etwa nen Fetisch entdeckt?“ Sie zog verschmitzt grinsend die Augenbrauen in die Höhe.

„Öm…“

„Was, echt???“, sie musste sofort herzlich lachen.

„Na jaaaaa…. Nich ganz, aber nen kleinen Hasenfimmel hab ich schon.“

Damit setzte er ihr die Ohren wieder auf und zog sie dicht an sich.

„Steht dir…“, damit glitt er ihr mit der Zunge über ihre Lippen. Sie schloss lächelnd die Augen und genoss es.

„Aber jetzt ganz ehrlich Jan; stehst du auf so was?“

Sie stellte ihm diese Frage, als würde sie über das normalste der Welt reden. Sex war ja auch völlig natürlich, sie hatte nie Probleme damit gehabt, darüber komplett offen und ungeschont zu reden. Und wenn ihr Liebster halt eine gewisse Vorliebe hatte, dann wollte sie das auch wissen. Selbst wenn es was Heftigeres wäre, dann eigentlich erst recht!

Jan dachte kurz nach, ehe er antwortete.

„Hmm, Fetisch kann man es wohl nicht ganz nennen. Aber mir gefällt der Anblick…“

Sie lehnte sich mehr, so dass er ein wenig auf dem Tisch saß. Ihre Lippen legten sich an seine Wange und sie sprach in sein Ohr, während sie sich an ihn schmiegte:

„Würdest du dann etwa auch auf einen Puschelschwanz bestehen?“

„Ne… Zieh lieber das rosa Hasenkostüm an!“

Damit meinte er das Kostüm, welches er beim „Die Ärzte statt Böller“ Konzert getragen hatte. Ihr Kopf schwang zurück und sie glotzte ihn an.

„Davon wirste echt rattich???“

Jan brach in Gelächter aus. „Na gut… dann ziehst du aber dabei das Hahn Kostüm von Dirk an. Dann machen wa ne Kuscheltier Orgie!!!“

Jan konnte nicht mehr und Rike schaffte es auch nicht, das prustende Lachen, was in den Wangen presste zu unterdrücken.
 

Mitten im Gelächter läutete es plötzlich an der Tür.

„Oh, ich mach auf!“

Henrike war grad so euphorisch, dass sie ohne nach zu denken sofort zur Tür hüpfte. Schneller als sie war nur the King of Sabbering: Elvis!

Der Hund stand schon parat und bellte die Tür nieder, dass sie garantiert einen saftigen Tinitus bekam. Henrike zog den pelzigen Herrn des Hauses beiseite und öffnete die Tür.

Dass ihr Ansturm auf die Besucher nicht das idealste war, fiel ihr erst auf, als sie die drei Damen verdutzt anstarrten.

Henrike lief ein bisschen rot an, versuchte aber locker zu bleiben.

„Hi.“, sagte sie daher etwas schüchtern.

„Hi.“ „Hey.“ „Servus.“ Kam es zurück.

In diesem Moment wurde Rike am Kragen zurückgezogen.

„Beifuss!“, kommandierte Jan lässig und schob sie ein wenig zur Seite.

„Keine Angst. Die sieht zwar so aus, sie beißt aber nicht. Kommt rein!“

Damit betraten die drei Damen die Bude und Henrike lächelte ihnen schüchtern zu. Sie gingen gleich in die Richtung, in der Jans Proberaum lag, um ihre Instrumente dort abzulegen.

„Uuuuuuups…“, meinte Henrike und schielte zu Jan, der sie schief anlächelte.

„Mach dir keinen Kopf. Ich gebe den Mädels mal ihre Zimmer.“

Er wuschelte ihr noch kurz durch ihren rot/orangen Haarschopf und ging dem Frauentrupp nach.
 

„Wer isn der Pumunkel?“, sagte Rachel ein wenig belustigt, als Jan die drei durchs Haus führte.

„Mein Privat Groupie.“, erwiderte dieser darauf und öffnete der Schlagzeugerin die Tür.

„Ich dachts mir…“, antwortete Rachel, als sie an ihre Gemächer schlenderte.

„Hmm?!“, Jan sah sie äußerst kritisch an.

„War nicht ernst gemeint!“, stellte sie schnell klar.

Cindia runzelte die Stirn, Jan entging diese Geste nicht.

„Sie ist echt ganz schön jung. Könnte locker deine Tochter sein. Moment… Ist sie das etwa?!“

„Nein.“, meinte Jan knapp. Auch wenn Cindia es nicht böse gemeint hatte. Langsam wurden diese Annahmen allein wegen des Altersunterschiedes doch allmählich nervig.

„Aber…“, Cindias Tonfall war nun sehr beschwichtigend, sie hatte ihn ja nicht verärgern wollen. „Was ist denn mit…“

„Aus. Sie hat mich verlassen.“, Jan kam der Bassistin zuvor, ehe sie noch seiner letzten Freundin fragen konnte.

„Ist ne lange Geschichte…“, sein Ton wurde müde. Die ganze Story mit ihr war sehr zermürbend gewesen. Erst, seit Rike bei ihm war, hatte er es geschafft, sich wieder zu erholen.

„Ok.“, Cindia verstand und lächelte ihn verständnisvoll an. Jan erwiderte es und zeigte auf ihr Zimmer.

Allein Nessie blieb ungewöhnlich ruhig. Sie grübelte…
 

Ungefähr eine Stunde später traf Rike wieder in der Villa FU ein. Sie war mit Elvis, Jans altem Hund, spazieren gegangen. Dieser war für sein Alter doch noch recht fit, wenn man bedachte, dass der gute schon fast ein Uropa war, was Hundejahre betraf.

`Wie sein Herrchen eben!`, dachte sie sich frech und musste grinsen.

„Hach ja, ich leb in einem Seniorenheim…“

Sie hatte Elvis echt lieb und der alte rüde schien auch sie sehr zu mögen.

Auch, wenn er diesen damals, als er noch ein Welpen war, für eine andere Frau gekauft hatte.

„BIN WIEDER DAAAAAHAAAAAAA!“

Keine Antwort. Sie hörte deutlich die Musik dröhnen. Alles klar, sie waren fleißig beim Tinitus verursachen.

Elvis trottete zu seinem Korb fläzte sich mit einem Seufzer hin. Rike schlürfte in die Küche. Sie konnte sich ja ein wenig nützlich machen.
 

„Okay… Rachel? Kannst du ab dem Refrain mehr Tempo drauf tun?“

„Jawoll Sir!“, meinte sie knapp.

„Sach mal Chef, kann ich ab der zweiten Strophe etwa… so spielen…?“, Nessie spielte es vor und Jan hörte aufmerksam zu.

Als Nessie grad eine Pause machte, klopfte es an der Tür. Gleich darauf steckte ein oranger Haarschopf in dem Türspalt.

„Hey… Habt ihr Durst?“

Jan guckte in die Runde. Zwei von dreien nickten.

Rike lächelte, stieß die Tür etwas weiter auf und stellte an der nächsten guten Fläche das Schneidebrett ab, welches sie kurzerhand zum Tablett befördert hatte.

„Frisch gepresster Orangensaft, Selta und Cola, harter Stoff, NICHT die Diätversion. Weiß nicht, ob für jeden das Richtige da ist, aber dann hab ich wenigstens probiert, mich einzuschleimen.“

„Ist trotzdem nett, danke.“, sagte Cindia und ihr zu.

„Seit wann hast du denn Cola parat, wenn man se will, Chef?“, fraget Nessie grinsend.

„Seit sich dieses orange untote etwas bei mir eingenistet hat.“, sprach er völlig ruhig und stieß Henrike mit seiner Hüfte an, während er an seinem Glas Orangensaft schlürfte.

Diese klatschte ihm einfach ihre Hand an die Arschbacken.

„Hey! Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, oder was?“

„Ach, du gehst arbeiten?“

Jan gelang es bei dem leisen Lachen der anderen nicht wirklich, die beleidigte Leberwurst zu spielen.

Tatsächlich zwinkerte Rachel ihr über das Schlagzeug hinweg zu und Rike errötete sofort wieder. Als jeder sich bedient hatte, wollte Rike den Rest weg bringen.

„Rike! Warte ma.“

Fragend blickte sie Jan an.

„Ihr habt euch noch gar nicht vorgestellt, oder? Böse Mädchen… Also: Leute, das ist die Henrike, fast alle sagen Rike zu ihr. Hamburgerin und Sängerin. Und… meine Freundin.“

Henrike ließ innerlich ein riesiges JUCHU los.

Sie liebte diesen Satz einfach und sie genoss es jedes Mal, wenn Jan sie so vorstellte.

„Rike, das ist Nessie, Satanstochter die Erste… Rike genießt diesen Ruf auch (sagte er kurz an die verdutzt schauende Nessie gewandt). Cindia, Bassgöttin und Rachel, unser weiblicher Schwarzenegger.“

„Sag doch gleich russische Hammerwerferin.“

Henrike schaffte es nicht, sich das Lachen auf Rachels Kommentar zu verkneifen.

„Worauf ich eigentlich hinaus wollte: Rike, würdest du das Backing übernehmen?“, sprach er feierlich.

Rikes Augen weiteten sich erstaunt.

„Darf ich echt?“

Mehr als diese kleine dämliche Frage brachte sie nicht heraus.

„Nein, du sollst nur als Staubfänger da stehn…“

„Auch gut!“, erwiderte sie ihm gut gelaunt dazwischen und Jan musste mitten im Satz lachen.

„Ja ja, Abmarsch!“, scheuchte er und sie hüpfte vergnügt auf ihren Posten, hinter dem Mikro.

„Ach Mensch… Jetzt hab ichs!!!“

Nessie deutet auf Rike und schien eindeutig eine Erleuchtung zu haben.

„Wir haben uns schon öfter nach einem FURT Konzert unterhalten. Diese Haare… klar doch!!!“

Die Gitaristen grinste triumphierend. „Schon damals hast du exakt so gehoppelt…“

Der Verdutzten entwich ein leichtes Lachen. Damit hätte sie jetzt überhaupt nicht gerechnet. Das Nessie sie echt wieder erkannte… War ja auch schon ein bisschen her.

„Wo… Wow…. Du kennst mich echt noch?... Wow…“, mehr kriegte die rothaarige Intelligenzbestie in der Sekunde nicht aus sich raus. Immerhin, sie hatte ja auch Nessie sehr bewundert, von daher war das wirklich eine große Freude für sie.

„Aber… genau, deswegen hab ich mich eben auch so gewundert… also, nichts gegen dich, aber wie bist du denn an unseren Cheffe ran gekommen?“

Henrike grinste, doch dann bemerkte sie Rachels Blick. Verwundert suchte sie nicht allzu auffällig auch Cindias blick zu erhaschen. Und mit einem Mal wurde ihr bewusst, was wohl der erste Eindruck, der drei Damen von ihr gewesen war.

Willenloses Groupie ohne Hirn, das sich von allem nageln lässt was Namen hat.

Höchstwahrscheinlich würde es keine von ihnen zugeben, obwohl Nessie es indirekt getan hatte. Henrike wunderte diese Schlussfolgerung nicht, Jan war immerhin Rockstar und zig Mädchen würden sich auf der Stelle von ihm durch vögeln lassen. Und Henrike war ja um einiges jünger als Jan. Aber… konnte denn nicht einmal jemand annehmen, dass sie einfach nur ein stinknormales Paar wären?

Der Gedanke, an das Groupie kratzte sie nicht allzu sehr, aber dennoch war sie mit einem mal sehr genervt.

„Nein, ich hab mich nicht zu ihm hoch gevögelt, falls ihr das dachtet, obwohl es mir bei ihm nicht viel ausgemacht hätte.“

In exakt der Sekunde wo sie es aussprach, klatschte sie sich schon imaginär eins an die Stirn.

`FUCK!!! Henrike, nicht jetzt schon die Giftschlange raus holn! `

Jan stand grad mit dem Rücken zu ihr, da er einen Verstärker zu Recht stellen wollte. Er zeigte keine auffällige Reaktion

„Erwischt…“

Wie? Nessie lächelte sie entschuldigend an. Der Blick der anderen Damen war ähnlich. „Das war echt mein erster Gedanke. Wenn so nen alter Sack so ein junges Mädel hat…“

„Ey!“ Jan drehte sich empört um. „Weiberverschwörung oder was?“

„JAAAAAAA!!!“, brüllten Nessie und Rike gleichzeitig.

„Und es kommen noch die restlichen FURT Frauen um uns zu unterstützen.“, merkte Cindia an.

„Na toll…“, Jan drehte sich anscheinend zum gehen um, blieb dann, aber stehen und lachte mit.
 

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Wäre auch ein wenig schwierig geworden.

Ein Großteil des Teams war nur kurz geblieben. Das Zimmer war einfach nicht geschaffen für so viele Leute und die eine Schwester wollte schon beim Anblick der vielen Leute Amoklaufen. Letztendlich einigte man sich drauf, dass die Truppe in Etappen kommen würde.

Es war ok so, jeder hatte für ein paar Tage eine Unterkunft oder musste sich um ein paar andere Sachen kümmern.

Kurz konnten sie alle das Dornröschen alias Farin U. betrachten. Dann hatte die Schwester sich mehrere auf ein Mal gekrallt und scheuchte sie raus.

Spätestens Morgen, würde Rike sie wieder sehen. Rachel versprach allerdings, am späteren Nachmittag noch einmal vorbei zu schauen.

Insgeheim war Henrike auch froh über die Aktion der Schwester. Es war doch ein wenig zu viel für sie…
 

Simone, Anette und natürlich Celina waren noch bei ihr.

Und die Mädels schafften es wirklich ganz gut sie abzulenken.

Unter anderem mit vielen Erinnerungen und so einigen lustigen Ereignissen, die Rike mit dem FURT erlebt hatte.

Zum Beispiel die Krümel und Krümeline Flirts. Jan in der Rolle von Krümel, Henrike machte die Krümeline. Mit den kleinen Figuren in der Hand hatten sich die beiden, eigentlich erwachsenen Menschen, mit schrillen Stimmen angegurrt. Bis sie bemerkten, dass sie nicht nur beobachtet, sondern auch von Nessie gefilmt wurden.

Diese drohte dann, den Film zu veröffentlichen, dass sich Jan und Henrike aber geradezu auf sie warfen, missglückte dieses diabolische Vorhaben.

Oder wo Rike versucht hatte zu kochen. Es war ihr sogar ganz gut gelungen, nur leider hatte Elvis sich dann drüber her gemacht, als sie einmal weg guckte.

Oder als Cindia dem armen Elvis mal auf den Schwanz getreten war…

Rike und Nessie waren eh auf einer Wellenlänge und heckten ständig etwas aus.
 

„Hach ja…“, seufzte die Hamburgerin.

Sei saß natürlich wieder auf ihrem Stammplatz, direkt an Jans Seite. Anette neben ihr, auf einem weiteren Stuhl, Simone hockte an dem kleinen Tisch und Celina ging immer im Raum ein wenig umher.

„Gut das wir hier sind, nich Henny?“, grinste Celina und Rike lächelte, so gut sie konnte.

Gerade bat Rike Celina doch ein wenig Wasser zu holen (für die little Sonneblume of death), als Anette wieder anfing zu reden.

„Aber was mich ja erstaunt, ihr scheint... oder schient ja eine sehr gute Beziehung zu führen. Und ich glaube, nicht viele haben sich bei euch gedacht, dass das lange hält.“

„Denkste ich?“, meinte Rike sarkastisch und lächelte müde. Anette grinste darauf.

„Siehst echt fertig aus Süße.“

Celina brachte das Wasser und kümmerte sich um das kleine illegale Pflänzchen.

Henrike gab darauf keine Antwort. Das wusste sie selber ganz gut, war keine neue Information für sie. Anette und Simone warfen sich kurz Blicke zu.

Simone stand auf und ging ebenfalls zum Fenster. So hatte Anette Rike für sich. Die nutzte das allerdings anders, als Simone es sich gedacht hatte.

´Na gut. Dann mal was ganz Neues! ´, dachte sich Anette und stellte eine Frage, welche ihr schon länger im Kopf herum schwirrte.
 

„Habt ihr eigentlich schon mal über Kinder nachgedacht?“

„Öhm…“

Henrikes Atmungssystem versagte augenblicklich.

„Wie… kommst du nun auf… darauf?“

Irritiert blickte sie Anette an. Diese zuckte mit den Schultern.

„Ihr seit ja nun schon ein Weilchen zusammen. Und er ist nicht mehr der jüngste. Noch nicht einmal nachgedacht über das Thema?“

Rike wandte ihre Augen schnell von Anette ab. Anette würde es sofort merken, wenn man etwas vor ihr verschweigen wollte.

Jedoch schien die ältere Frau schon Verdacht geschöpft zu haben. Zumindest hatte Henrike stark das Gefühl, ihren prüfenden Blick auf sich zu spüren.

„Nein. Nicht groß jedenfalls.“, sagte sie vorsichtshalber, um Fragereien zu vermeiden. Sie wollte Anette nicht anlügen, doch das Thema… einmal hatte sie grad keine Lust darüber zu reden und zum einen… war sie sich nicht sicher, ob sie es ihr erzählen wollte.

„Na gut…“

Oh oh.

Es klang nicht unbedingt danach, dass Anette ihr das abkaufte. Aber sie schien es zu respektieren, dass Rike nicht reden wollte.

Celina und Simone kamen wieder näher, anscheinend hatten sie von eben nichts mitbekommen.

„Was anderes. Mädchen, du siehst aus, als würdest du inner Gruft pennen.“, sagte die gute Celli auf den Punkt gebracht.

„Tu ich ja auch.“, meinte sie trocken mit dem Kopf auf Jans Bauch.

„Jaaaaaaaa, ich weiß. Ich werde allmählich zum Zyniker.“, sagte sie schief lächelnd.

„Wir machen uns Sorgen um dich.“

Celina rückte einen Stuhl an das Bett und ließ sich neben Rike nieder.

„Du bist fast nur noch hier im Krankenhaus.“

„Ach echt?“, entgegnete sie bitter.

Celina ließ sich davon nicht abschrecken.

„Du musst dir auch mal eine Auszeit gönnen. Es ist nicht schwach, wenn du mal ein wenig Abstand von dem Ganzen hier nimmst.“

„Vielleicht. Aber ich weiß genau, dass krieg ich nicht hin! Ich hätte sofort das Gefühl, ich würde ihn im Stich lassen.“, ihr Ton war seltsam an zu hören, da er eine ungewohnte Härte enthielt.

„Einer kann ja hier bleiben und Wachposten spielen. Solang gehst du mit den anderen raus.“

„WAS IST AN NEIN SO UNVERSTÄNDLICH???“

Celina und die anderen zuckten heftig zurück. So einen giftigen und zugleich wütenden Ton waren sie echt nicht von Rike gewohnt.

Henrike starrte geradeaus, auf Jans Bauch. Ihr Ton sprach für einen völlig anderen Gesichtsausdruck, doch als die anderen ihren Blick suchten, fanden sie nur unendliche Müdigkeit.

Vielleicht war es doch ein bisschen zu viel für sie, nun für so viele Leute gleichzeitig da zu sein. Anette beobachtete Rikes Unterlippe, welche sich verdächtig zwischen ihre zähne zurückzog. Wahrscheinlich hatte das Mädchen ständig ihre Trauer herunter geschluckt.

Ihre rötlichen Lippen zitterten. Jeder in diesem Raum verkniff sich gerade den Ton. Sie wollten Henrike nicht weiter bedrängen…
 

„……ich fühl mich so schuldig…“, hauchte sie erstickt.

„Ach Schatz…“, Simone kam auf sie zu und legte einen Arm um ihre Schulter. Sie war echt so mütterlich, Henrike spürte sofort den Trost, den sie ihr übermitteln wollte.

Doch er erreichte nicht ganz seine Wirkung…

Das… das nützte doch alles nichts!

„Du hast keine schuld an dem ganzen. Du hast nichts machen kön…“

„NEIN!!! Er liegt… weil… er liegt wegen MIR hier…“

Sie war sich sicher, dass man sie nun schockiert beglotzte. Entweder hielt man sie sicherlich für übergeschnappt oder man wollte dies nicht wahr haben. Aber es war die Wahrheit!

Celina suchte ihren Blick, doch Rike wich immer wieder aus. Schließlich faste Anette sie an den Schultern und sah ihr streng aber doch sanft in die Augen.

„Süße. Ich weiß nicht, ob du dir bewusst bist, was du da sagst. Ich glaube aber kaum, dass du doch einen Fehler in der Matrix plötzlich an dem Lenker des LKWs gesessen hast.“

Henrike schüttelte den Kopf herum. Ihr war der Griff unangenehm, aber diesen bitteren Kloß trug sie nun schon ewig in ihrem Hals mit sich rum.

Und jetzt passierte es. Ihre Augen fingen endgültig an zu brennen.

Na schön, von ihr aus.

Wenn sie jetzt gleich eh vor den anderen ausbrach, konnte sie es ihnen nun auch genauso gut sagen.

„Nein.. aber er…“

Anette ließ sie wieder los.

Nun spürte sie ihre Hand auf ihrem Knie, Celinas Hand auf ihrem Arm und Simones Hände auf ihren Schultern. Sie wurde gestützt.
 

„Er hat sich vor mich geworfen…“
 

Augenblick schienen sämtliche Geräusche mitten in der Luft tot umzukippen und auf den Boden zu klatschen.

Den anderen blieb das atmen für Sekunden weg. Als sie sich scheinbar wieder gefangen hatten, kam Rike ihnen zuvor.

„Er…er hat das Motorrad umgerissen. Und… und zw… zwar so, dass… der LKW ihn ganz erwischt hat und mich fast gar nicht… Es… wäre viel leichter gewesen, es in die andere Richtung zu ziehen, aber dann… wäre ich in der Schusslinie gewesen und… er hat seien Arme um mich geschlungen... so dass… er echt alles…. Dieser Arsch…“

Sie fast sich schnell an die Nase um die hervor quellenden Tränen weg zu wischen. Es war ihr erst eine Zeit nach dem Unfall wieder eingefallen, aber seitdem hatte sie quasi einen riesigen Schleimklumben auf der Seele gehabt.

Er hatte sich vor sie geschmissen. Er hätte sein Leben dabei verlieren können. Es war ihm egal gewesen in diesem Moment. In einem Moment, in dem sich fast jeder Mensch entweder als mieses oder als Feiges Schwein entpuppt.

Und jetzt lag er so zugerichtet schon so lange hier in diesem scheiß Bett.

Weil er sie beschützt hatte.

Henrike schämte sich so und sie hasste sich. Warum hatte sie ihm nicht besser helfen können, warum hatte sie nicht schneller reagieren können, warum hätte sie sich nicht auf ihn schmeißen können???

Doch alles was sie tun konnte, war ihn beim schlafen anzuglotzen.

„DAS IST NICHT FAIR!!!“

Damit schlug sie ihm auf den Bauch. Die anderen konnten sie nicht mehr daran hindern. Doch es war egal, es passierte eh nichts weiter. Sein Körper zuckte ein wenig zusammen aber er selbst blieb reglos.

„Süße…“, drei Frauen auf einmal schlossen sie in die Arme.

Henrike versuchte krampfhaft ihre Wut zu bändigen und nicht an ihnen aus zu lassen. Doch… tatsächlich würde sie ruhiger, je länger sie die körperliche Nähe spürte.

Celinas Augen hatten etwas Fassungsloses. So ähnlich musste der blick der beiden anderen Frauen wohl auch sein.

Kein Wunder!

Wie viele Menschen taten SOETWAS schon????
 

Plötzlich wurde die kuschelige Stimmung jedoch rüde unterbrochen.

Die Tür ging auf und jemand betrat den Raum. Simone war die erste, die sich aus dem Gruppenklammergriff löste.

„Hallo. Wer sind Sie?“, hörte Rike die ältere Frau sprechen.

Währenddessen wischten Celina und Anette ihr doch allen ernstes beide die Tränen weg. Als Henrike sie kritisch beäugte, zogen beide eine liebvollen Schmollmund.

Und zum ersten Mal seit langem musste Rike wieder aufrichtig und ehrlich lächeln. Was den zwei Frauen eine erneute, aber kürzere Knuddelattacke einbrachte.

„Rike? Ich glaub, er ist wegen dir hier.“

Simone tippte ihr sanft auf die Schulter. Sie war also gezwungen sich nun umzudrehen. Nachdem die junge Frau noch einmal tief Luft geholt hatte, tat sie das auch.

Und vor ihr stand ein man mit kurzem braun blonden Haar, einem Bart um den Mund und einen Blumenstrauß in den Händen. Sie schätzte ihn auf Anfang 30 ein.

Er war ihr völlig unbekannt, aber sie konnte dennoch eine tiefe Betroffenheit in seinem Blick ausmachen.

Etwas stimmte nicht.

Henrike kam nicht drauf… aber kam ihr der Mann nicht irgendwie bekannt vor?

„Hallo? Wer sind Sie?“, fragte sie daher.

Der Mann wirkte völlig verunsichert, noch mehr, als sie zu sprechen begann. Das war Henrike auch allmählich. Woher kannte sie diesen Mann nur…

„Ich…“, sein blick ging immer wieder zu Boden.

Allmählich warfen auch die anderen Frauen Rike verwirrte Blicke zu.

Er war dunkel gekleidet…

„Ich... bin hier weil… schläft er schon lange?“
 

Plötzlich durchschoss es sie.

Henrike stand mit einem mal vollkommen aufrecht da, beinahe hätte sie den Stuhl dabei noch umgeworfen.

Der Mann erschrak, doch das berührte sie nicht.

Auch die Frauen schauten sie erschrocken an.

„Celina. Anette. Simone. Geht bitte raus. Fragt nicht, bitte geht einfach.“

Anette setzte schon zu einer Frage an, doch Simone stoppte.

„Na gut Süße. Ruf uns, wenn du uns brauchst, wir warten draußen.“, sprach Celina noch und streichelte kurz über Rikes Schulter. Die Frauen hatten in dem Moment kapiert wie ernst es war, als sie Henrikes todernsten und scharfen Blick bemerkt hatten.

Sie beachtete die Frauen nicht weiter. Ihr blick war nur auf den Mann gerichtet, der immer mehr zusammen schrumpfte.
 

Kaum waren die anderen draußen, musste Henrike extrem mit sich ringen. Sie hatte nur einen Gedanken im Kopf:

Dieser Mann hatte im LKW gesessen.

ER war derjenige, der Jan über den Haufen gefahren hatte.

Wegen IHM lag ihr Jan jetzt hier und wachte einfach nicht auf!!!
 

Sie hasste ihn, augenblicklich.
 

„Was wollen Sie hier?“

Sie bebte, doch ihre Stimme verriet sie nicht. Diese war gerade kalt und hart.

Der Mann schien innerlich an Schuldgefühlen zu krepieren, doch das gönnte sie ihm! Er sollte gefälligst leiden.

„Ich wollte mich entschuldigen…“, hauchte er mit tiefer Reue, doch sie schnaubte nur

„Sie haben sogar Blumen mit, Sie Arschloch.“

Der Mann betrachtete den Strauß. Anscheinend hatte er lange überlegt, ob er einen holen sollte.

Henrike wollte nicht.

Sie wollte keine Blumen, sie wollte keine Entschuldigung, sie wollte niemandem vergeben, sie wollte nicht heulen: SIE WOLLTE VERDAMMT NOCHMAL IHREN JAN WIEDER!!!

Doch all das brachte gar nichts!!!

Sie fühlte sie eine Wut und Enttäuschung in sich brennen, dass sie glaubte, ihn auf der Stelle erwürgen zu können.

Er sollte verschwinden.

Sofort!

„Raus.“, saget sie und nun blieb auch das Beben aus ihrer Stimme nicht mehr fern. Der Mann sah sie entsetzt an. Etwas in Henrike wollte nicht länger so kaltherzig sein, doch der Zorn in ihr war einfach zu stark.

„Aber…“

Ok, es reichte. Wenn er nicht auf der Stelle verwandt, würde sie ihn lynchen!

„RAUS!!!“

Damit riss sie die Tür auf und stieß ihn aufs heftigste hinaus. Danach schmetterte sie die Tür wieder ins Schloss, verriegelte diese und blieb an das Holz gelehnt stehen.

Das Knallen hallte in dem weißen Raum wieder, bis es von dem monotonem Piepen unterbrochen wurde

Der Mann war sie erschrocken gewesen, dass er sich nicht einmal wehren konnte. Und er war fast so groß wie Jan.

Jan…

Zu spät…

Sie sackte zusammen und die Tränen brachen aus ihr heraus.

Sie konnte nicht mehr…

Wie lang musste sie den noch warten? Und würde es sich überhaupt lohnen oder sah sie ihn am Ende sogar gar nicht wieder?

Henrike unbedingt stark sein wollen, doch nun war fast der zweite Monat um… Jan war ihr einfach so ungeheuer wichtig.

Doch jetzt war es eh egal. ES musste raus, also ließ sie die Tränen einfach fließen. Und es tat gut… Auch ihre Schluchzer hielt sie nicht zurück sondern entließ alles in den Stoff ihres Pullovers. Nach ein paar Minuten hatte sie sich ein wenig beruhigt.

Ihre geröteten Augen flogen zu Jan. Was er wohl in diese Situation machen würde…

Bestimmt nicht heulen. Er war ja ein Kerl, die konnten sich da viel besser beherrschen als die werten Damen.

Da hörte sie Rachels Stimme. Sie war also doch noch zurückgekommen. Sie klang ziemlich scharf und sehr gnadenlos. Henrike dämmerte es, dass ihre Freundinnen wohl ahnten was los war und sich nun um den Mann „kümmerten“.

Henrike schwieg.

Der Kerl war sicher ganz schön fertig… Erst brüllte sie ihn zusammen und dann eine Horde anderer Weiber. Plötzlich vernahm sie ein Klopfen an der Tür.

„Bitte! Lassen Sie mich wieder rein! Bitte! Es tut mir so leid!!!“

Und Henrike glaubte es ihm augenblicklich. Sie hatte das, was in seinen Augen gestanden hatte nicht ignorieren können. Es hätte ihn niemand zwingen können, sich freiwillig ins Löwenmaul zu begeben.

Er war ehrlich und bereute alles zutiefst.

Und ehe Rike sich versah stand sie und öffnete schnell die Tür.

Der Mann stand direkt an der Tür. Erst jetzt fiel ihr auf, wie lange er schon gefleht hatte und wie lang sie es versucht hatte zu ignorieren.

Er schwieg sofort und senkte die Hände, welche er eigentlich wieder gegen das Holz schlagen wollte.

Als sie ihm in die Augen blickte, erklärte sie sich auf der Stelle für bescheuert. Konnte sie ihm echt vergeben oder heuchelte sie sich selber etwas vor?

„Rike? Sag ein Wort und ich schlag ihm alle Knochen aus!“, bot Rachel ihr an.

Der Mann schaute schon panisch zu der Schlagzeugerin, doch Henrike schüttelte den Kopf. Rachel offenbarte gerade ihre große Stärke: Für ihre Freunde, schmiss sie sich ins Feuer!

Celina, Anette und Simone standen ebenfalls kampfbereit da.

Henrike war ihnen sehr dankbar, dass sie sich so sehr für sie einsetzten, doch das musste sie jetzt alleine schaffen.

Sie trat einen Schritt zur Seite und ließ den Mann eintreten.

„Danke dass ihr mich beschützen wolltet. Aber das muss ich jetzt allein durch ziehn.“, sie lächelte ihnen deutlich zu und ließ wieder keinen Protest zu.

Sie ignorierte auch den Umstand, dass sie mit hochroten Augen vor ihnen stand.

Henrike trat zurück und schloss die Tür erneut.
 

Der Mann blickte sie an.

Ihr fiel grad auf, dass sie ja gar nicht wusste wie er hieß. War auch egal.

Sie schlürfte an ihm vorbei und setzte sich zurück zu Jan. Sein Puls schlug regelmäßig und ruhig. Als hätte er absolut gar nichts von dem Weltkrieg mit bekommen.

Ihre Hand ging hoch und streichelte ihm über das Gesicht.

„Ich habe meinen Job verloren.“

Sie hörte ihm zu, schenkte ihm aber keine Reaktion auf seine Worte.

„Ich… ich war an dem Tag schon über 12 Stunden unterwegs… ich so müde und…“

„Das brauchst du mir nicht erzählen. Es interessiert mich ehrlich gesagt nicht.“

Sie schien völlig ruhig, auch wenn sie ihre geröteten Backen noch glühen fühlte.

Sie hörte es rascheln. Der Blumenstrauß war zu Boden gefallen. Und der Mann auf die Knie, wie sie durch einen Seitenblick bemerkte.

„Ich weiß, dass Sie mich nun hassen und auch völlig zu recht! Wegen mir liegt er ja hier. Fast allen Personen vom Unfallort geht es wieder gut… aber... es waren so viele verletzt… und wenn …wenn Ihr Freund nie wieder aufwacht… verdammt…“

Er weinte.

„Es tut mir so unendlich leid…“

Sie betrachtete ihn. Er hatte eine flache Hand über die Augen gelegt und schluchzte.

Einerseits empfand sie immer noch puren Zorn, wenn sie daran dachte, wer er war. Aber zum anderen…

„Ich hasse Sie nicht.“

Der Mann drosselte seien Schluchzer. Seien Hand ging langsam runter. Er schien nicht glauben zu können, was sie sagte.

Aber sie meinte es auch so.

Sie glaubte ihm. Zum einen dass und zum anderen… Was würde es bringen, wenn sie sich nun entschließen würde ihn auf immer und ewig zu hassen?

Niemandem würde es dadurch besser ergehn.

Er hatte selber schon genug gelitten, unter anderem hatte er sich ja selber damit bestraft, seinen Opfern unter die Augen zu treten.

Es war genug.
 

„Ich hasse das, was Sie verursacht haben. Nicht Sie.“
 

Sagte sie leise, mit heiserer Stimme. Der Mann sah sie lange an, als wäre sie eine Erscheinung. Dann begann er wieder zu weinen. Diesmal aus Erlösung.

Sie ließ ihn weinen. Und fragte sich, woher plötzlich diese Ruhe in ihr kam.

„Wenn… wenn ich irgendetwas für sie tun kann…“

Er rappelte sich hoch und ging auf sie zu. Er sah sie aus großen, reuigen und bedauernden Augen an.

„Gehen Sie jetzt bitte. Ich bin sehr müde.“

Der Mann schaute sie sehr lange an, dann nickte er.

„Aber eines bitte noch…“

Rike sah ihn fragend und halb verpennt an. Sie wollte nur noch schlafen.

Er griff in seine Tasche und holte ein kleines silbernes Kettchen heraus.

„Sie… Sie sind wahrscheinlich nicht gläubig (Rikes imaginärer Kommentar: Nö.).. aber… ich möchte ihnen das hier… dennoch schenken… es gehörte meiner Großmutter…“

Henrike starrte auf das kleine Kreuz. So etwas wertvolles, wollte er ihr allen ernstes schenken?

„Das kann ich nicht annehmen!“

„Ich bestehe da drauf!!“, er legte die zarte Kette auf Jans Bauch.

„Sie spinn…“, Henrike lächelte ihm schief zu: „Aber wenn es ihnen so wichtig ist.“
 

Der Mann ging und Henrike bat die Frauen, sie allein zu lassen. Zumindest für ein paar Stunden.

In denen machte Henrike das übliche:

Ihren Kopf auf seinen Bauch oder die Brust legen und schlummern.

Und mit ihm reden, wenn sie allein war.

„Du wirst noch zum Penner Freundchen, wenn du so weiter machst. Weißt du eigentlich, was für tolle Menschen du in deinem Racing Team hast? Wenn du mal keinen bock hast mir zu zuhören könntest du mich praktisch ihnen überlassen, dafür hat man ja seine Sklaven…“

Jan schwieg und sein Herz piepte vor sich hin.
 

„… Jan? Bin ich eine starke Frau?

Ich will es unbedingt sein. Für mich und damit ich auf dich warten kann und um dich das nächste mal zu beschützen, wenn ein LKW auf dich zu rast.

Jan…

…Ich habs dir schon tausend Mal gesagt…

… Du fehlst mir…….“



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