I am made out of stone
Die Reise durch Monstanien war lang und beschwerlich. Das eherne Ziel vom Retten zweier Welten durch das Schließen der Weltenrisse war natürlich alles andere als einfach zu verwirklichen, aber im Sinne der gesunden Gruppendynamik war Patch als Anführer vollkommen davon überzeugt, dass sie es gemeinsam schaffen würden alles und jeden zu retten.
Concrete Temper kam bei dem Gedanken die Galle hoch... Immer wenn er in Patchs strahlendes Erbsenzählergesicht sehen musste und das zuversichtlich angetackerte Grinsen unter den rosa Blushs erblickte, verspürte er den brennenden Wunsch ihn zu erwürgen. Und wenn dieser verfluchte Geist nicht da gewesen wäre, er würde es bei allen Göttern gleich beider Welten schwören, die Puppe hätte er schon längst auseinandergenommen!
Im Moment bereitete die Gruppe von 7 Mitgliedern das Nachtlager vor (nur Temper saß faul in der Gegend rum). Die Hexe Maggy entzündete unter lauten Anfeuerungschören bestehend aus Crystal van Roseford und Human Patch das Lagerfeuer, Felio schleppte bereits die ersten erbeuteten Fellviecher an, während Hope und Toxica die Decken ausrollten. Der ideale Zeitpunkt sich von der Gruppen abzuseilen. Temper warf noch schnell einen Blick in die Runde und nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand beachtete, nahm er die Beine in die Hand.
Erst als das dämliche Johlen seiner gleichaltrigen Zwangskameraden nicht mehr zu hören war und nachdem er dann noch mal gefühlte 3 Kilometer zwischen sich und die Anderen gebracht hatte, verlangsamte der oft verschriene Miesepeter sein Tempo. Im Prinzip hatte er nichts gegen die Anderen... außer seinem Schwert und einer ungesunden Portion an Abneigung!
Besonders dieser versnobte Geist, der sich für was Besseres hielt und die/der/das??! Puppe mit dem unbeirrbaren Optimismus pissten ihn derbst an.
Seinen leicht depressiv angehauchten inneren Monolog runterleiernd schlenderte Temper weiter durch die zerklüftete Landschaft. Er ignorierte geflissentlich die abstrakt verbogenen kahlen dürren Zweige der abgestorben wirkenden Bäume, deren Rindenaufwerfungen Gesichter vermuten ließen. Alles an diesem Ort schien abartig lebendig. Dabei war bis vor Kurzem doch noch alles verdammt noch mal in Ordnung gewesen!
Temper lebte 16 Jahre lang als Auftragskiller in Russland auf dem Planeten Erde. Seine besondere körperliche Konstitution kam ihm bei seinem nicht gänzlich freiwillig erwählten Beruf fast nur zu Gute. Als Halbgolem machten einem Vorteilhafterweise weder Kugeln noch Messer besonders viel aus und sollte ein Gegner tatsächlich mal in seinen Nahkampfbereich eingedrungen sein und ihm eine verpasst haben, tja, der hatte dann halt ein paar Finger gebrochen. Alles nur Bestens...
Und nun war er hier. An diesem dämlichen Ort. Mit diesen unerhört nervigen dämlichen Leuten! Es war zum Kotzen!! Gut, das Kämpfen war klasse, hier gab es ein paar interessante Gegner und Geschöpfe, an denen er sich ein wenig Austoben konnte. Aber die Anderen waren ihm meistens in einem ordentlichen Kampf eh nur ein Klotz am Bein.
Und für die Geschichte und Traditionen der Golem interessierte er sich nen Scheiß. Mochten die Anderen doch vollkommen aus dem Häuschen sein, endlich etwas über ihre merkwürdigen Abstammungen erfahren zu können, Concrete Temper fand es vollkommen hysterisch und überflüssig. Brachte ja eh nicht wirklich was. Bis auf den selbstgebrannten Schnaps der Golem, der Temper ziemlich übel erwischt hatte. Aber die Geschichte verdrängte er aktiv und nachhaltig!
Wäre er nicht zu cool zum Weinen gewesen, hätte er es vermutlich tatsächlich in Erwägung gezogen, die ein oder andere Träne des Selbstmitleides zu verdrücken. Aber schlussendlich saß Temper hier fest und konnte nichts machen, als sich an das vorgegebene Szenario zu halten. Zähne zusammenbeißen und durch.
Temper blieb stehen und warf nun endlich mal einen aufmerksamen Blick in die Runde. Die Landschaft um ihn herum hatte sich nicht großartig verändert, aber im Prinzip kam ihm hier in Monstanien alles ziemlich ähnlich vor.
» Dieses winzige Detail liegt aber eher an Tempers beschränkter Aufmerksamkeit der Kleinigkeiten der Natur gegenüber, weniger an Monstanien selbst. Aber wenn man selbst zur Hälfte aus Stein besteht, sehen Steine halt alle ziemlich ähnlich aus. Und in Monstanien liegen ne Menge Steine rum. Genug der Randkommentare und zurück zum Moosschädel. «
Einzig und allein der für Normalsterbliche Würgreize auslösende Geruch von Schwefel erregte nachhaltig Tempers Aufmerksamkeit. Ihm war durchaus bewusst, dass seine menschliche Hälfte in ihm verzweifelt versuchte sich die Finger bis zum Anschlag in die Nasenlöcher zu bohren, aber der Golem in ihm folgte der Spur des verfaulten Eier-Dunstes.
„Was zum...?!“
Mit einem lauten und wenig eleganten „FLATSCH!“ plumpste der ansonsten möglichst coole Concrete Temper kopfüber in eine leicht schwefelig-gelbe heiße Quelle. Im ersten Moment war er dermaßen überrascht, dass er einen ganzen Schwall der ungesunden Brühe schluckte, dann erst schaltete sich sein Hirn wieder ein und er tauchte spuckend und fluchend auf. Zu seinem Glück war die natürliche Quelle nicht sonderlich tief und so starrte er missmutig auf das Wasser, welches ihm unbeschwert um die Hüften schwappte.
„Scheiße!“ Aufgebracht langte er in die stinkende Flüssigkeit, ignorierte den Schwall der ihn ins Gesicht traf und hievte sich schwerfällig über den Rand des Beckens. Den Instinkt ignorierend sich wie ein Hund zu schütteln (seine Coolness unterschied ihn schließlich immens von dem ewig auf und ab hüpfenden flohzerfressenen Werwolf), schlurfte er kleine Pfützen hinterlassend von der Wasseransammlung weg. Nun erst sah er sich genauer um und entdeckte, dass er sich in einer Art natürlichem und überaus stinkenden Badeparadies befand.
Ihm wurde schlecht.
» Die aufsteigende Übelkeit an sich hat bei Temper in diesem Moment weniger mit den allgegenwärtigen Schwefeldünsten zu tun, sondern eher damit, dass er als Halbgolem Wasser hasst und im Prinzip nur einen auf supercool machen will. Dass er dabei nur pseudo rüberkommt und dass er sich ziemlich pussy anstellt, hat sich bisher noch keiner getraut ihm mitzuteilen.
Der Schwefelgeruch wirkt auf Golem eher verlockend, genau wie alle anderen Gerüche von Gasen. Da die Gehirne von Golem meist eh etwas langsamer arbeiten als bei Normalsterblichen, hat Schwefel einen zusätzlich betörenden Effekt auf Tempers Artgenossen, welcher das rationale Denken noch zusätzlich einschränkt.
Auf gut Deutsch: Temper ist dumm und stinkender Schwefel macht ihn noch dümmer! «
Soweit seine unterschiedlich farbigen Augen auch blickten, überall erspähte er unregelmäßig geformte Becken voll von heißem schwefelgetränkten Wasser. Das Gebiet war von einem dichtstehenden abgestorben wirkenden Wald eingezäunt und die kahlen Äste schrieen förmlich nach den Diensten eines Kleiderständers.
Widerwillig kam Temper der indirekten Aufforderung nach. Verstimmt vor sich hin grummelnd stieg er aus seinen triefenden Schuhen und drehte sie um. Kleine Bäche flossen aus den Lederstiefeln. Nacheinander entledigte sich der Junge aller Klamotten, wrang sie gründlich aus, zog sie wieder möglichst glatt und hängte sie über die weit ausladenden knorrigen Äste des nächsten Baumes.
Er spürte den Schwefelgeruch ganz deutlich an sich und konnte sich ein kleines gehässiges Grinsen nicht verkneifen. Wenigstens würde er heute seine absolute Ruhe haben. Der Werwolf würde mit Sicherheit einen riesigen Bogen um ihn machen und die Anderen hoffentlich auch.
Temper stand unentschlossen da und rang mit sich selbst. Einerseits waren seine Klamotten durchnässt und er verspürte nicht die geringste Lust zum Lager zurückzukehren, bevor nicht seine Sachen wieder trocken und somit 10 Kilo leichter waren. Andererseits stand er nackt in der Pampa. Einzig mögliche Option war ein Bad (dieses Mal auf freiwilliger Basis) in einer der heißen Quellen.
Nackt dumm rumstehen oder Wasser... Dies war definitiv eine der schwierigsten Entscheidungen, die Temper bisher in seinen 16 Lebensjahren zu fällen hatte. Daher dauerte der gesamte Denkprozess auch ungefähr geschlagene 5 Minuten und nahm seine gesamte Konzentration in Beschlag.
So kam es, dass der Halbgolem nicht die Ankunft eines weiteren Wesens wahrnahm, weder den leisen Entzückungslaut noch das danach folgende melodische Summen hörte.
Nachdem sein Hintern langsam Gänsehaut bekam, überwog die Anziehungskraft der Wärme des Wasser nun doch die davor bestehende Phobie und tief in seinem eher wortkargen Selbstmitleid versunken trat Temper aus der Ansammlung der nackten Bäume hervor auf das nächste Becken zu.
Welches besetzt war.
Ein kurzer Blick in die überraschten gelben Augen seiner Gogonengefährtin und schon spürte Temper, wie sein Körper sich nach und nach versteifte.
Das Letzte was er wahrnahm, war der verzweifelte Ausdruck auf dem ausnahmsweise unbebrillten Gesicht Toxicas, danach erreichte die Versteinerung sein Hirn und knockte ihn gründlich aus.
