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Schall und Rauch

Which path will you choose?
von

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Elphaba & Frieda: http://wickedryu.deviantart.com/art/Snowy-Playtime-99546779

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Kapitel 43
 

Der kleine Trupp von Männern und einer Vogelscheuche war nun schon mehrere Stunden unterwegs gewesen. Die Morgensonne brannte den Männern auf der Haut und Londaro zog keuchend seine Handschuhe aus: „Ich glaube… ich habe mich zu warm angezogen!“

Fiyero grinste: „Wer hätte gedacht, dass marschieren so anstrengend ist?“

„Lach du nur, du wirst ja nicht müde! Für gerade mal neun Uhr ist die Sonne sehr warm! Aber der Schnee könnte noch zu einem großen Problem werden! Er liegt so hoch, dass wir an bestimmten Stellen nicht durchkommen werden… Das fürchte ich zumindest, denn er will offensichtlich nicht schmelzen!“

„Wo denn, zum Beispiel?“, fragte Fiyero neugierig und verlangsamte seinen Schritt, da Londaro außer Atem war. Die meiste Zeit hatten sie geschwiegen, da das Marschieren im teilweise kniehohen Schnee sehr anstrengend gewesen war. Doch nun gingen sie über ein weites Feld, auf welchem der Schnee nur knöchelhoch lag.

„Hinter diesem Feld liegt die Grenze zum Winkie-Land. Da liegen auch die beiden, großen Seen: einmal der Restsee und einmal der große Kallensee. Aber da die beiden Seen so eng beieinander liegen, gibt es nur einen schmalen Durchgang und der wird aller Wahrscheinlichkeit nach voller Schnee liegen!“

„Wieso schicken wir dann nicht einen Boten zurück zu Accursia und bitten Sie, einen Regenschauer herzuschicken? Dann würde der Schnee schmelzen?“

„Fiyero! Daran habe ich noch gar nicht gedacht! Natürlich! Warte kurz!“, keuchte Londaro und war schon verschwunden. Der Scheuch sah dem Mann nach, der nun zum Anfang des Trupps lief und einen jungen Burschen aus der zweiten Reihe an die Seite zog. Ohne Zögern marschierte der Trupp weiter und als Fiyero an Londaro vorbeiging, rannte der junge Bote in die Richtung zurück, aus welcher sie gekommen waren.

„Wenn es stimmt, was du sagst, dann braucht der Bursche mindestens zwei Stunden, bis er Accursia erreicht hat! Wir sind allein schon drei Stunden marschiert!“, meinte Fiyero, als Londaro sich wieder zu ihm gesellte.

„Ich habe ihm gesagt, er soll zu dem Bauernhof gehen, an welchem wir eben vorbeigekommen sind. Ich denke mal, dass sie dort zumindest ein Pferd haben! Denn eigentlich können wir uns keine Verspätung erlauben! Wir wollten sie ja in den frühen Morgenstunden überraschen, aber wenn wir uns um so viele Stunden verspäten, sind sie wahrscheinlich schon wach! Da Kiamo Ko auf dem höchsten Punkt im Lande liegt, könnten sie uns sehr leicht erspähen, wenn wir über die Felder von Vorko einmarschieren…“

„Londaro, darf ich einen Vorschlag machen?“

Der Sekretär blickte den Scheuch an und machte eine einladende Geste mit seinen Händen: „Bitte, nur zu!“

„Kiamo Ko lässt sich über zwei Wege erreichen: Der erste, den wir geplant hatten zu nehmen, ist der über Vorkos Felder. Es ist ein ebener Weg und auch nicht anstrengend, aber nur bei Nacht zu empfehlen.

Darum lautet mein Vorschlag im Falle einer ausschlaggebenden Verspätung: Lass uns den zweiten Weg nehmen. Vom Restsee gehen zwei große Flüsse ab, nämlich der Gillikin- und der Vinkusfluss. Wo der Gillikinfluss mündet, sagt der Name ja schon, aber der Vinkusfluss entspringt an zwei Stellen den großen Kallen. Und eine dieser Stellen liegt ganz in der Nähe von Kiamo Ko.

Im Umkehrschluss bedeutet dass, dass der Fluss im Restsee mündet und wir ihn nur entlanggehen brauchen. Er wird uns durch die großen Kallen im Schutz der Berge und des Waldes ganz in die Nähe von Kiamo Ko führen! Dazu muss ich wohl sagen, dass ein Marsch durch die Berge wahrscheinlich auch etwas von unserer Zeit stielt, die wir ohnehin nicht haben, aber wenn wir uns um mehr als zwei Stunden verspäten sollten, könnte es sein, dass die beiden uns in der Morgensonne kommen sehen. Diese Chance haben sie nicht, wenn wir uns im Wald aufhalten.“

„Fiyero… Alle Achtung! Ich hatte keine Ahnung, wo der Vinkusfluss seinen Ursprung hat! Wenn wir diese Route nehmen, dann macht eine kleine Verspätung auch nichts aus! Wir hatten ja geplant, den Gillikinfluss entlang zu gehen, denn der läuft einmal quer durch Vorko. Aber so wie es aussieht, werden wir uns mindestens um fünf Stunden verspäten!“

„Das würde bedeuten, wir wären erst gegen elf Uhr morgen früh auf Kiamo Ko?“

„Richtig. Der Engpass zwischen den beiden Seen müsste gleich vor unseren Augen auftauchen. Dahinter liegt die Brücke, die uns über den Gillikinfluss bringt. Durch den Schnee liegen wir jetzt schon eine Stunde hinter der geplanten Zeit. Ich hoffe, Auria regelt das mit dem Schnee für uns!“

„Kennst du dich also nicht in den großen Kallen aus?“, fragte Fiyero schlussfolgernd.

„Nein!“, grinste Londaro ihn an und fügte hinzu: „Weder ich noch irgendein anderer aus diesem Trupp! Damit ist ja wohl klar, wer uns dann führt!“

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig!“, lachte Fiyero achselzuckend.

„Lass uns mal nach vorne gehen und dem Oberbefehlshaber die Planumstellung mitteilen…“, meinte Londaro und zog Fiyero an seinem Stroharm hinter sich her.

Nach einer weiteren Stunde kamen die Männer an dem Engpass an und wie erwartet war dieser völlig zugeschneit. Fiyero versuchte in seinem Wagemut, einen Weg zu finden und löste dabei eine kleine Lawine aus, welche ihn sofort unter sich begrub. Die anderen Männer hatten in einem sicheren Abstand gewartet und eilten dann sofort zur Hilfe, als Londaro sich daran machte, den Scheuch wieder auszubuddeln.

„Gütiger Oz…“, flüsterte Fiyero, als sein Kopf schon wieder freigeschaufelt worden war, „Das ist glaube ich die erste Lawine in meinem Leben, die ich je gesehen habe. Wir müssen warten, bis der Durchgang begehbar ist, denn wenn wir am Vinkusfluss entlanggehen, laufen wir mitten in die Kallen hinein und ich kann euch versichern, dass dieses Gebirge auch ohne Schnee schon sehr gefährlich ist!“

Nach weiteren zehn Minuten hatten die Männer es geschafft und stiefelten gemeinsam mit Fiyero ein Stück zurück, sodass sie in sicherer Distanz zu der Schneebruchgefahr standen.

„Okay, Männer!“, brüllte der Befehlshaber und löste damit einen weiteren Schneefall aus. Dann sprach er etwas leiser weiter: „Wir lassen uns hier nieder! Legt die Thermodecken aus und zündet ein Feuer an! Verfrühte Mittagspause! Danach baut ihr sofort eure Zelte auf! Es sieht nach Regen aus!“

„Aber Sir!“, wendete sich einer der jungen Soldaten an den älteren Mann, „Der Himmel ist strahlend blau, Sir!“ Dabei machte er eine salutierende Handbewegung.

„Mein Junge, du musst noch viel lernen!“, meinte der alte Mann lachend, drehte sich um und machte sich daran, sein Allwetter-Zelt aufzubauen.

Nach ungefähr zwei Stunden sahen die Männer einen Reiter, der mit großer Geschwindigkeit auf den Trupp zuritt.

„Achtung, Männer!“, flüsterte der Kommandant so laut, wie er konnte, „Wir bekommen Besuch!“

Der Reiter jedoch hielt einige hundert Meter vor dem Trupp an, sprang vom Pferd und klatschte ihm sanft auf das Hinterteil. Das Pferd wieherte laut, drehte sich um und galoppierte davon.

Als der Mann dann zu Fuß näher kam, erkannte ihn der Kommandant: „Waffen runter, es ist Joel.“

Londaro erhob sich als Erster, als Joel nur noch einige Meter von ihnen entfernt war: „Joel, was ist geschehen?“

„Keine Sorge, ich habe die Botschaft überbracht! Zu meinem Erstaunen besaßen die Leute auf dem Bauernhof einen Eilaffen! Ich habe ihnen mein Dienstabzeichen gezeigt und sie haben mir den Affen, wenn auch widerwillig, zur Verfügung gestellt. Das war vor ungefähr einer halben Stunde. Jetzt ist es Mittag und der Affe müsste dann also gegen halb eins bei Madame Akaber eintreffen!“

„Das ist ja mal eine fabelhafte Neuigkeit!“, murmelte Londaro und bot Joel den Platz neben sich an. Die Männer hatten gerade erst ihre Zwischenmahlzeit beendet und es war noch etwas übrig geblieben, da Fiyero seine Portion nicht einmal angerührt hatte.

Als Joel davon berichtete, wie der Bauer ihm auch das Pferd zur Verfügung gestellt hatte, mit der Bitte, es danach wieder heimzuschicken, schwiegen die anderen Männer und hörten aufmerksam zu. Nur einer der jüngeren Soldaten starrte in den blauen Himmel hinauf und suchte ohne Erfolg nach den Wolken, von denen der Kommandant eben gesprochen hatte…
 

Nachdem Fiyero ihr Zimmer am früheren Morgen verlassen hatte, war Madame Akaber schmunzelnd in ihre Badewanne gestiegen. Diese ganze Geschichte entwickelte sich immer mehr zu ihrem Vorteil und das dank Fiyero. Nach einer halben Stunde schrubben, waschen und summen war Accursia wieder aus ihrer Wanne gestiegen und hatte sich angezogen. Sie schlüpfte in eine enge, schwarze Stoffhose, deren Bund bis über ihren Bauchnabel reichte. Durch ihre Zu- und wieder Abnahme war das Gewebe nicht mehr ganz so straff, doch diese Hose hielt alles an seinem Platz. Darüber zog sie eine bordeauxrote Bluse mit langen Ärmeln. Sie schlüpfte in die schwarzen Stiefeletten, sammelte Glindas Sachen ein, die Fiyero auf ihrem Schreibtisch abgestellt hatte und machte sich dann auf den Weg zum Frühstückssaal.

Die anderen Damen hatten noch eine gute Viertelstunde und Accursia stattete dem Koch einen Besuch ab. Der war gerade dabei, das Brot und die Brötchen zu backen, also ging sie zurück in den Saal. Der Tisch war zu Madame Akabers Zufriedenheit gedeckt worden und sie setzte sich in den dunklen Sessel, der am Kopfende des Tisches stand. Zwei der anderen Stühle standen rechts und die anderen beiden links von ihr. Madame Akaber musste schmunzeln… Sie hatte schon in jungen Jahren gefallen daran gefunden, wie die Hierarchie immer auf solchen Veranstaltungen sichtbar gewesen war.

Sie saß mit dem Rücken zum Fenster, sodass sie die Tür im Blick hatte. Es waren noch keine sieben Uhr gewesen, als es an der Tür geklopft hatte.

Zu Madame Akabers Vergnügen flogen erst die Vögel durch den Türspalt und erst dann trat Adlerauge in den Raum. Einer der Adler ließ sich auf Accursias Sessellehne nieder, legte den Kopf schief und starrte die ältere Frau an.

Sie tat es ihm nach, wobei ihr graues Haar zur Seite fiel, was den Vogel erschrocken wegfliegen ließ. Accursia lachte, als sie sich erhob und die Arme ausbreitete: „Guten Morgen, Adlena!“

„Guten Morgen, Accursia!“ Adlerauge drückte die Frau leicht. „Ich muss Fenster aufmachen. Vögel wollten mich noch bringen!“

„Mach nur, mach nur!“, winkte Accursia ab und nahm wieder Platz. Adlerauge öffnete das Fenster und ließ ihre Raben und Adler ins Freie fliegen.

„Setz dich doch, Kind!“, sagte Accursia und bot ihr den Platz links neben sich an.

„Danke!“, nickte Adlerauge und nahm ebenfalls Platz.

„Wir beide haben uns gestern Abend ja gar nicht mehr gesehen! Wie geht es dir? Bist du gut angekommen? Wie war deine Reise?“

„Es geht gut und ja, gut angekommen. Reise war auch angenehm!“, lächelte Adlerauge etwas unbeholfen.

„Ah, wie ich merke, warst du zu lange in Quadlingen!“, stellte Accursia sachlich fest.

„Ja, ich finde schrecklich, dass Menschen so sprechen dort. Es wird etwas dauern, aber dann ich werde wieder mich gewöhnt haben!“

Accursia lächelte sie nickend an. Adlerauge hieß in Wirklichkeit Adlena Adlerauge Uganus. Ihr Vater war ein berühmter Politiker aus Gillikin gewesen, der aufgrund einer heiklen Angelegenheit vor 37 Jahren auf einer Geschäftsreise in Quadlingen gewesen war. Dort hatte er Adlerauges Mutter kennengelernt und sich in sie verliebt. Da er dort für mehrere Jahre stationiert gewesen war, fingen die beiden eine heimliche Beziehung an. Heimlich deshalb, weil es nicht gerne gesehen wurde zu dieser Zeit, dass sich Gillikinesen eine quadlinger Dame zur Frau nahmen und drei Jahre später wurde Adlerauge geboren. Bei ihrer Geburt starb die Mutter und ihr Vater reiste mit ihr gemeinsam zurück nach Gillikin. Durch Fälschungen einiger Papiere gelang es ihm, Adlerauges wahren Geburtsort zu verschweigen und mit Madame Akabers Hilfe konnte sie auf die Shizzer Universität gehen. Natürlich nicht ohne Gegenpreis… Im letzten Jahr ihres Studiums war ihr geliebter Vater gestorben und Madame Akaber hatte sich um alles gekümmert, sodass sie mit einem Zusatzjahr noch ihren Abschluss schaffte. Erst danach erzählte sie Adlena von ihrem wahren Geburtsort und dass neben dem gillikinesischen Blut auch quadlinger Blut in ihren Adern floss.

Damals hatte sich Adlena hintergangen und betrogen gefühlt und als sie dann auch noch ihre richtige Geburtsurkunde im Schreibtisch ihres Vaters gefunden hatte, hatte sie beschlossen, wieder nach Quadlingen zurückzukehren. Accursia hatte ihr mitgeteilt, dass dort ihre letzten Verwandten lebten und Adlena hatte sich auf die Suche nach ihrer wahren Identität gemacht. Sie hatte ihren quadlinger Namen wieder angenommen und Accursia hatte jahrelang auf eine Nachricht von ihr gewartet. Vor ein paar Jahren erst hatte Adlerauge sie kontaktiert und seitdem war der Kontakt nicht mehr abgebrochen. Mit ihren 34 Jahren war Adlerauge nun in ganz Quadlingen als neues Staatsoberhaupt akzeptiert worden.

Die beiden Frauen sprachen gerade über diesen Regierungswechsel, als Stellaione pünktlich zur Tür herein stürmte, jedoch ohne vorher angeklopft zu haben.

Madame Akaber und Adleraugen erhoben sich und begrüßten sie lächelnd: „Guten Morgen Starlet!“, sagte Madame Akaber und drückte die Blondine fest. „Morgen Auria! Du siehst fabelhaft aus!“

„Stella.“, nickte Adlerauge lächelnd.

„Adlenaaa!“, war die quietschige Antwort und die etwas reserviertere Schwarzhaarige wurde stürmisch umarmt.

„Ja…“, lachte sie, „Es freut mich auch, dich zu sehen!“

Als Stella Adlerauge losließ und sich neben sie setzte, meinte sie: „Es ist schon lange her! Das letzte Mal haben wir uns wann gesehen? In der Schule?“

„Ja, glaube schon…“

„Und wie du dich verändert hast! Sieh dich an. Sehr extravaganter Stil, meine Liebe, das muss ich dir lassen. Dir stehen Federn sehr gut!“

„Danke!“, lächelte Adlena.

„Starlet, mein Kind. Wo steckt dein Mann?“

„Auria, gib es auf! Wir heiraten noch nicht! Nachher will er dann auch noch Kinder und ich sehe aus wie ein Ballon! Aber zurück zur Frage: Er steckt hoffentlich in einer Kutsche, denn er wollte so gegen acht hier sein… Also in einer Stunde. Er war auf Geschäftsreise und wurde auch durch den Schnee aufgehalten.“

„Oh, ja… Der Schnee…“, lächelte Madame Akaber und zwinkerte Stella zu.

Die drei Frauen unterhielten sich dann über Accursias Befreiung aus dem Gefängnis, zu welchem sich nur Stella, Penelope und Aylin getroffen hatten, da Adlena keine Möglichkeit gehabt hatte, zum Treffpunkt zu gelangen. Adlena war schon immer eine fleißige Schülerin gewesen und auch jetzt sog sie die Konversationen in sich hinein, um schnell wieder ihre alte Redegewandtheit aufzufrischen.

Es dauerte nicht lange, als eine junge Frauenstimme das Gespräch störte.

„Mutter!“, rief Aylin freudestrahlend und rannte auf Accursia zu. Hinter ihr schloss Penelope die Tür.

Accursia begrüßte beide Frauen lächelnd und bot Aylin den rechten Platz neben sich an. Penelope setzte sich neben Aylin und sie begannen mit dem Frühstück. Accursia fragte ihre Tochter danach, wie sie mit ihrer Pressearbeit vorangekommen war und hörte gespannt zu, als Aylin ihr alles erzählte.

„… und demnach weiß ganz Oz nun Bescheid über die offizielle ‚Krönung’, die heute Abend stattfindet.“ Bei dem Wort ‚Krönung’ wackelte Aylin mit ihren beide Zeigefingern auf und ab. „Auch die kleinsten Orte und die minderbemittelten Völker!“, fügte sie noch stolz hinzu.

„Genau so habe ich mir das vorgestellt!“, meinte Accursia. „Aber Liebes, ich muss dich um einen erneuten Gefallen bitten… Während deiner Abwesenheit hat sich einiges getan und es gibt eine kleine, aber feine Planänderung.“

„Die da wäre?“, fragte Penelope mit vollem Mund, wofür Stella sie mit einem strafenden Blick ansah. Penelope streckte ihr die Zunge heraus.

Madame Akaber berichtete den Frauen über ihren Plan, Glinda die Gute, sowie die böse Hexe des Westens zu einem Sappho-Pärchen zu machen. Bevor die Frauen überhaupt Fragen stellen konnten, zeigte Akaber ihnen die Beweise, welche Fiyero in Glindas Zimmer gefunden hatte. Aylin fiel das Brötchen aus der Hand und verblüfft griff sie nach dem braunen Stiefel.

„Nicht wahr sein kann!“, platzte es aus Adlerauge heraus, die in ihrem Schock vergessen hatte, unter welchen Leuten sie sich befand. Stellas linke Augenbraue schoss in die Höhe und sie musterte Adlena von der Seite.

„Stella?“, fragte Accursia und hielt ihr den Hexenhut hin. Sie selber behielt das Grimorium und blätterte die erste Seite auf. „Wer von euch versteht etwas von Noten und Musik?“, fragte sie in die Damenrunde.

Aylin und Penelope sahen sich grinsend an und sagten dann zeitgleich: „Musiktherapie!“, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen. Auch die anderen wussten, dass dies eine Anspielung auf den gemeinsamen Aufenthalt in der Appelstetter-Anstalt gewesen war und kicherten mit.

„Hier, bitte. Sagt mir doch mal, was das hier zu bedeuten hat!“, sagte Akaber, reichte den beiden Frauen das schwarze Lederbuch und deutete auf die Notenreihen.

Penelope hielt das Buch mit ihrer linken und Aylin die andere Seite mit ihrer rechten Hand. Nach einem kurzen Schweigen begannen beide Frauen, eine wunderschöne Melodie zu summen. Aylin summte weiter, als Penelope leise mit dem Text einsetzte.

Stellaiones Stirn legte sich in Falten und sie schaute skeptisch zu den beiden summenden und singenden Frauen hinüber. Als sie jedoch merkte, dass sie ihre Stirn zusammenzog, entspannte sie diese unverzüglich aus Angst, wirklich Falten zu bekommen.

„Jetzt verstehe ich die Worte erst…“, murmelte Madame Akaber nachdenklich.

„Das Lied wurde mit großer Zuneigung komponiert…“, flüsterte Penelope ergriffen.

Adlerauge zeigte sich unbeeindruckt. „Musik-Magie.“, meinte sie sachlich.

„Was?“, fragte Accursia neugierig.

„Musik-Magie. Solche Lieder machen erst einen Sinn, wenn sie mit der dazugehörigen Melodie erklingen. Ansonsten bleiben die Worte oder deren Botschaft schleierhaft bis unidentifizierbar.“

„Sowas!“, rief Madame Akaber aus, „Das wusste ich ja überhaupt nicht!“

„Mutter… Du warst musikalisch auch immer unbegabt und desinteressiert…“, kicherte Aylin und Madame Akaber stimmte ihr grinsend zu.

„Blätter mal bitte eine Seite zurück, Aylin und lies laut vor, was da steht.“

Aylin tat, was ihre Mutter forderte und las Elphabas Worte laut aus. Zum Erstaunen aller zog Accursia dann noch das Foto von Elphaba und Glinda aus dem Sommer 18. nach Oz aus ihrer Tasche, wofür sie einiges an Beifall erntete.

„Ich würde mal aus diesem ganzen Paradebeispiel schlussfolgern, dass der offizielle Regierungswechsel oder die Krönung, wie Aylin es vorhin so schön genannt hat, ganz ohne größere Aufstände ablaufen wird… Denn durch die nun mögliche Darstellung als Sappho werden auch einige von Glindas Anhängern das Interesse an einem Protest verlieren. Von daher dürfte uns der Missmut der Kleingruppen nur noch peripher interessieren…“, sagte Adlena in die Runde.

Stellas Augenbraue schoss wieder in die Höhe: „Paradebeispiel? Protest? Missmut? Peripher? Willkommen in deiner alten Welt, mein Mädchen!“

Adlena grinste sie an und Stella klopfte ihr anerkennend auf die Schulter.

„Sie war schon immer schnell im Lernen!“, nickte Akaber und erklärte den anderen Frauen dann, was sie nun vorhatte. Die Damenrunde war begeistert von dem hinterhältigen Plan und besonders Stella brachte noch weitere, gute Vorschläge mit ein. Als der Plan stand und auch die Feinheiten geklärt waren, wandte sich Accursia an ihre Tochter: „Aylin, was meinst du? Schaffst du das alles noch bis heute Mittag?“

„Mittag wird knapp, aber bis ein Uhr müsste ich das ohne Probleme hinkriegen! Ich weiß auch schon, an wen ich mich wende. Wir haben ja gerade mal kurz vor acht… Ich hätte also noch fünf Stunden. Reicht das auch?“

„Natürlich. Wenn du dich beeilst, bist du vielleicht zur Teepause wieder hier!“

„Das werde ich wohl schaffen! Aber wehe ihr übergeht meine Ansichten, bei eurer Regierungskonzeption!“

„Das würde uns nie und nimmer einfallen!“, grinste Penelope und zwinkerte der jüngeren Frau zu.

„Na klar, Nele.. Antisozialismus ist ein Fremdwort für dich!“, lachte Aylin und erhob sich. Penelope kniff ihr leicht in den Oberschenkel und die jüngere Frau sprang zur Seite.

„Ihr entschuldigt mich also jetzt. Ich nehme das hier alles mal mit…“, meinte Aylin und sammelte Glindas Sachen auf.

„Das wird eine Sensation!“, murmelte sie, als sie nach dem Foto griff, welches zwei junge Frauen unter einem Baum zeigte. „Bis heute Nachmittag!“, rief sie und war schon zur Tür heraus.

„Die Damen, es wird Zeit für unsere Konzeptionstagung!“, sagte Madame Akaber und auch sie erhob sich.

„Endlich beginnt der Spaß!“, sagte Adlerauge, als sie sich auch erhob. Stella blieb auf ihrem Stuhl sitzen und schüttelte den Kopf. Entgeistert sah sie ihre alte Freundin an: „Spaß! Deine Definition von Spaß hat sich anscheinend auch nach all den Jahren nicht geändert! Ich würde sagen: Auf geht es zum minder interessanten und staubtrockenen Teil!“

Penelope lachte: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“

Als die drei jüngeren Frauen vor Accursia aus dem Raum gingen, musste sie schmunzeln. Ja, ihre Mädchen waren alle etwas Besonderes und die eine ergänzte, was der anderen fehlte.
 

„Meredith? … Meredith? …. MERE…“ „Ja, verdammt! Ich habe dich gehört!”, schnauzte die Rothaarige den Mann an, der sie an diesen Stuhl gefesselt hatte.

„Also, was ist? Ja oder nein? Resi lebend oder tot?“, fragte Kwen mit einem abartigen Lächeln auf seinen Zügen.

„Du kennst die Antwort und hör auf, mich unnötig zu quälen!“, murmelte Meredith zerknirscht.

„Und du hör auf, mir etwas zu befehlen, ansonsten überlege ich mir das alles noch einmal!“, zischte Kwen. „Also wirst du tun, was man von dir verlangt?“

„Ja. Aber was werde ich denn sagen müssen?“

„Das wirst du noch früh genug erfahren!“

„Tze… du weißt es selber nicht!“, stellte Meredith verachtend fest. Ohne Vorwarnung gab Kwen ihr eine Ohrfeige. Ihre Wange brannte, doch sie lächelte abwertend. Die Rothaarige wusste, dass ihr Verhalten den Mann nur noch mehr provozierte, aber sie konnte sich einfach nicht zusammenreißen. Er war so ein Scheusal… Er schöpfte Macht daraus, Schwächere zu quälen und das fand sie einfach nur widerwärtig. Kwen hatte sie geohrfeigt, weil sie seine Macht infrage gestellt hatte… Das war ihr klar, also versuchte sie es erneut: „Kwen, egal was ich machen soll, ich werde tun, was ihr mir sagt, wenn ihr euch dafür um Reseda kümmert!“

„Das hört sich doch schon…“ Plötzlich wurden sie von einem lauten Klopfen an der Tür unterbrochen.

Bevor Kwen antworten konnte, stand der blonde Mann schon im Türrahmen und hielt die Klinke in seiner linken Hand.

„Ramón!“, riefen Kwen und Meredith einheitlich aus, er etwas überrascht und sie eher abfällig.

„Kwen du kannst gehen.“, sagte Ramón und hielt die Tür noch immer auf.

„Was? Aber ich…“

„Jetzt!“, sagte Ramón mit Nachdruck und Kwen erhob sich.

„Ramón, ich…“ Als Kwen Ramóns warnenden Blick sah, brach er mitten im Satz ab und ging schweigend zur Tür hinaus. Meredith wusste, dass er noch unmenschlicher sein würde, wenn sie das nächste Mal auf ihn traf, denn gerade hatte Ramón sämtliche Autorität, die Kwen gehabt hatte, untergraben.

Leise schloss Ramón die Tür und zu ihrem Erstaunen erlöste er Meredith von ihren Fesseln. Schmerzend rieb sie sich die Handgelenke, als er sich auf den Stuhl setzte, auf welchem eben noch Kwen gesessen hatte.

„Was soll das?“, fragte sie ohne Umschweife.

„Meredith, du weißt, dass das Leben deiner Frau auf dem Spiel steht, also hör mir jetzt genau zu.“, begann Ramón in ruhiger Tonlage. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Wenn du dich während dieses Gesprächs angemessen benimmst, werde ich dich zu Reseda bringen. Deal?“

„Deal.“, murmelte Mutter Meredith. Sie hatte ja keine andere Wahl…

„Wir wollen, dass du heute vor ganz Oz erklärst, dass du weißt, dass Glinda die Gute eine Sappho ist.“ Er machte eine dramatische Pause und wunderte sich, dass Meredith nicht überrascht schien.

„Lass mich raten…“, sagte sie stattdessen, „Das ist noch nicht alles?“

„Nein. Du sollst weiterhin zugeben, dass du eine Affäre mit ihr gehabt hast!“

„WAS?“, rief Meredith aufgebracht aus und sprang vom Stuhl auf. Ramón wich erschrocken zurück und sagte mit fester Stimme: „Setz dich hin.“

Sie gehorchte ihm und sagte dann: „Nein, Ramón. Das kann ich nicht! Dafür liebe ich Resi zu sehr!“

„Nenne mir ein Argument und einen neuen Vorschlag. Vielleicht überzeugst du mich.“

Meredith wunderte sich darüber, dass er im Gegensatz zu Kwen nur halb so brutal und dabei auch noch kompromissbereit schien.

Angestrengt dachte sie nach und murmelte nach einer kurzen Pause: „Wenn ich… eine Affäre mit Glinda gehabt hätte, dann hätte ich auch etwas für sie empfunden… Wieso sollte ich mich dann auf eure Seite stellen? Viel logischer wäre es doch, wenn ich sagen würde, Glinda hätte mir Avancen gemacht, aber ich wäre darauf nicht eingegangen! Und dann hätte ich mich auf eure Seite gestellt, weil… Ja, warum eigentlich?“

„Das erfährst du noch früh genug. Dein Argument ist logisch, aber ich denke, dann solltest du sagen, dass Glinda dich gezwungen hat, mit ihr ins Bett zu steigen!“

Meredith wäre diesem blonden Buckelprinzen am liebsten an den Hals gesprungen, doch sie hielt sich zurück. ‚Denk an Resi und denk logisch!’, mahnte sie sich innerlich.

„Ramón, Glinda die Gute heisst nicht ohne Grund so. Das sähe ihrem Charakter nicht ähnlich und die Menschen würden an euch zweifeln, wenn ihr so etwas behaupten würdet!“

„Nicht übertreiben, also. Gut. Dann bin ich mit deiner Version einverstanden. Du verstehst schließlich etwas von Volksregierung.“

„Ramón, worum geht es eigentlich hier?“, fragte Meredith und war ohne jegliche Hoffnung, dass Ramón ihr eine gescheite Antwort geben würde.

Zu ihrem Erstaunen sagte er: „Was soll’s. Du erfährst es heute Abend so oder so. Heute Abend wird der Regierungswechsel öffentlich bekannt gegeben. Aber bevor uns das Volk akzeptiert, müssen wir Glindas Bild schlecht machen und das soll, dank deiner Hilfe, uns auch heute Abend überzeugend gelingen.“

„Wo ist Glinda?“, fragte Meredith aus heiterem Himmel.

„Wie meinst du das?“, fragte Ramón und versuchte, seine Anspannung und Verwunderung zu verstecken, was ihm jedoch nicht gelang.

„Du hast mich schon richtig verstanden. Sie ist nicht hier, das weiß ich. Also, wo ist sie?“

Ramón sah die rothaarige Frau skeptisch an. Sie wusste mehr, als er angenommen hatte und heute Abend würde sie noch mehr erfahren. Wenn er sie nun verärgerte, könnte sie heute Abend eine große Katastrophe anrichten. Der blonde Mann konnte die Frau einfach nicht einschätzen.

„Wir wissen nicht, wo Glinda sich aufhält. Wir haben einen Anhaltspunkt, aber wenn sie dort nicht ist, wollen wir das Volk von Oz auf unserer Seite haben, bevor sie sich wieder an ihm bemächtigen kann!“, antwortete er wahrheitsgemäß.

„Ihr wollt durch falsche Propaganda also Glindas Bild in den Dreck ziehen, damit jeder sie für schlecht hält und ihr von Vorneherein kein Wort mehr glaubt?“, fragte Meredith erstaunt.

„Korrekt.“

„Ich weiß nicht, wer sich so etwas ausgedacht hat, aber ich muss zugeben, dieser jemand versteht etwas von Politik und Regierung!“, sagte sie anerkennend, obwohl sie die Vorstellung hasste, dass jemand Glindas Ruf schädigen würde. Aber sie gestand sich ein, dass sie alles für Resis Überleben tun würde, was nötig war.

Ramón ignorierte dieses Kompliment an seine Mutter: „Wir wollen, dass du heute Abend frei sprichst. Das klingt weitaus authentischer, als wenn du nur mit ‚ja’ oder ‚nein’ auf gewisse Fragen antwortest. Wir haben jetzt ungefähr elf Uhr. Und um 17 Uhr musst du mit allem fertig sein. Ich werde dich jetzt zu deiner Frau bringen. Dann werde ich euch gemeinsam auf ein Zimmer bringen, welches extra für dich und sie hergerichtet worden ist. Im Klartext bedeutet dass, sobald du über die Türschwelle trittst, wirst du nicht wieder herauskommen, bis jemand den Bann von dem Zimmer nimmt. Du brauchst es also erst gar nicht zu versuchen. Die Medikamente, die Resi braucht, stehen bereit, genauso wie ein Kleid für dich. Du kannst duschen und dich fertig machen. Um kurz vor fünf Uhr heute Nachmittag wird dich jemand abholen.“

Meredith blickte den blonden Mann verunsichert an. Sie sollte gemeinsam mit ihrer Frau auf einem Zimmer sein, in welchem sie sich frei bewegen konnte? Und das ganze sechs Stunden lang?

„Wo ist der Haken?“, fragte sie nach einer Weile.

„Reseda liegt dort hinter der Tür und wir müssen in den zweiten Stock. Ich werde sie nicht tragen.“

Hektisch drehte sich Meredith um und starrte die Tür an, auf welche Ramón gerade gedeutet hatte.

„Das ist alles?“, hauchte sie, ohne ihren Blick abzuwenden.

„Nicht ganz. Reseda wird heute Abend auch anwesend sein. Kwen wird sie begleiten, nur zur Sicherheit.“

Jetzt drehte sich Meredith um und starrte in die kühlen Augen: „Du meinst, zur Sicherheit, dass ich nichts falsches sage?“

„Wenn du es von der Perspektive aus betrachten möchtest… dann ja.“

„Aha. Und was passiert, nachdem ich das getan habe, was ihr verlangt habt? Bringt ihr mich dann um?“

„Bist du des Wahnsinns? Du und Reseda, ihr habt die größte Überlebenschance von allen, die noch dort unten sind. Aber dennoch werdet ihr alle mindestens noch drei Tage leben.“

„Super, da geht es mir gleich besser…“, murmelte Meredith ironisch.

„Hast du noch mehr Fragen, die die gemeinsame Zeit mit deiner Frau verkürzen oder aber ihr Leben?“, fragte Ramón ohne jegliche Regung auf seinem Gesicht.

„Nein.“, antwortete Meredith schnell und ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Ohne ein weiteres Wort führte Ramón die zitternde Frau zu jener Tür und öffnete sie. Sofort schoss Meredith in den dunklen Raum und nahm die noch immer fiebrige Resi in ihre Arme. Sie redete auf die schlafende Schönheit ein, küsste sie und trug sie dann in ihren Armen aus dem Zimmer heraus. Da Reseda schlief und sich nicht festhalten konnte, hatte Meredith es schwer, auf der Treppe nicht ihr Gleichgewicht zu verlieren, doch sie schaffte es. Ramón machte keine Anstalten, ihr zu helfen und schlenderte gemütlich vor ihr auf dem langen Flur. Er wusste, dass Meredith nichts Unüberlegtes tun würde. Dafür liebte sie die Frau in ihren Armen einfach zu sehr. Er hatte zwar keine Ahnung, wie Sapphos einander lieben konnten, aber erst heute Nacht hatte er wieder festgestellt, wie bedingungslos wahre Liebe sein kann.

„Hier ist es!“, meinte er und blieb vor einer dunklen Holztür stehen. Als Meredith ihn keuchend erreichte, öffnete er die Tür und ließ die Frau passieren.

„Und denk dran, 17 Uhr!“, rief er ihr nach und deutete dabei auf die Uhr, welche an der Raumwand hing. Dann schloss er die Tür und die beiden Frauen waren allein in dem doch sehr einfachen Zimmer. Es hatte nur ein großes Fenster und kein Licht. Das Mobiliar war gerade ausreichend: Ein abgenutztes Sofa, ein Bett und ein kleiner Beistelltisch, auf welchem die Medikamente standen. Rechts lag das kleine Badezimmer mit der Toilette und Dusche.

Meredith zögerte nicht lange und legte ihre Frau auf das anscheinend frisch bezogene Bett. Sie schälte die schwitzende Brünette vorsichtig aus dem schmutzigen Ballkleid heraus und deckte den nun halb nackten Körper sorgsam mit der schweren Bettdecke zu. Als sie einen Kuss vorsichtig auf den blassen Lippen platzierte, merkte sie nicht nur, wie ihre Frau glühte, sondern auch, wie spröde ihre Lippen waren.

Schnell rannte sie zu dem kleinen Beistelltisch, welcher neben dem Sofa stand. Dort lagen drei kleinere Verpackungen, zwei Rollen Verband, ein Löffel, ein Fieberthermometer und ein Zettel. Automatisch griff Meredith nach dem Zettel und musste erst einmal tief durchatmen, bevor sie ihre Hand kontrollieren konnte und das Zittern nachließ. Dann las sie die Anweisungen, welche auf dem Zettel standen:

„Frau Schiforsan,

Ihre Ehefrau hat hohes Fieber. Folgen Sie bitte genau diesen Anweisungen:

Sie muss im Sechsstundentakt eine Metamizol-Tablette nehmen (siehe Verpackung). Geben Sie ihr jetzt davon eine.

Danach nehmen Sie bitte zwei Löffel von der pulverisierten Weidenrinde (siehe Verpackung) und vermischen diese mit kaltem Wasser. Dazu mischen Sie noch etwas von dem Vitaminpräparat (siehe Verpackung). Lassen Sie dieses Ihre Frau trinken und dann schlafen. Wenn sie aufwacht, mischen Sie ihr das zweite Glas. Diesem Rhythmus folgen Sie, bis das Fläschchen leer ist.

Stellen Sie sicher, dass Ihre Frau kalte Wadenwickel bekommt und wechseln Sie diese so oft wie nötig.

Dies alles wird ihr Fieber senken.

Menko Strawls – landesweit anerkannter Heilkünstler“

Hektisch suchte Meredith die Verpackung, auf welcher ‚Metamizol’ stand, öffnete sie und drückte eine Tablette aus der Folie. Dann rannte sie ins Bad. Als sie dort ein Glas gefunden hatte, füllte sie es mit Wasser und eilte zum Bett ihrer Frau. Beides stellte sie auf dem kleinen Nachttisch ab und setzte Reseda auf.

„Resi? Resi, bitte wach auf…“, flehte sie. Ihre Frau stöhnte nur, was aber bedeutete, dass sie nicht ohnmächtig war. Schnell schob Meredith ihr die Tablette in den Mund und setzte das Glas Wasser an ihre Lippen. Reseda machte keine Anstalten, ihren Mund zu öffnen, also drückte Meredith auf die zarten Wangenknochen, sodass die Muskulatur nachgab und der Mund sich öffnete.

Vorsichtig schüttete die rothaarige Frau etwas Wasser hinein, drückte dann das Kinn wieder nach oben und streichelte dann etwas fester über Resis Hals, sodass die Tablette ihren Weg fand und nicht drohte, in die Luftröhre zu rutschen. Abermals öffnete Meredith ihrer Frau den Mund und schaute hinein. Beruhigt stellte sie fest, dass die Tablette verschwunden war und Resi sich nicht verschluckt hatte.

Das gleiche machte sie dann auch mit dem Weidenrinden-Vitamin-Gebräu und erst danach legte sie Reseda wieder hin. Diese schien von der ganzen Prozedur nichts mitzubekommen, also beeilte Meredith sich, die Wadenwickel zu machen. Ihr dunkelgrünes Ballkleid trug sie noch immer, jedoch hatte sie ihre hochhackigen Schuhe schon im Verlies ausgezogen.

Sie schlug die Decke an Resedas Füßen zurück und umwickelte jede ihrer Waden mit den nun nass-kühlen Bandagen. Darunter legte sie ein Handtuch und deckte ihre Frau dann wieder zu.

Erneut eilte sie zum Beistelltisch, griff sich das Thermometer und steckte es Reseda unter den Arm. Sie wartete einige Minuten, bevor sie es wieder herauszog. Während der Wartezeit setzte sie sich neben Resi, streichelte über ihre nass geschwitzten Haare und küsste ihre glühende Stirn.

„Resi, mein Engel…“, flüsterte sie, „Es wird alles gut. Ich bin bei dir. Ich weiß, dass du mich hörst. Ich liebe dich… Ich liebe dich und ich bin bei dir, alles wird gut.“ Dann küsste sie noch einmal die spröden Lippen und zog das Fieberthermometer heraus.

„Gütiger Oz… 40,1 Grad…“, rief sie leise aus und sah besorgt auf das blasse Gesicht. „Wir schaffen das… Wir schaffen das! Du wirst wieder gesund!“, murmelte Meredith nun zitternd und gestand sich ein, dass sie sich gerade selber Mut gemacht hatte.

Etwas zittrig ging sie zurück ins Badezimmer, suchte einen Lappen und machte diesen nass. Dann wusch sie ihrer Frau den Schweiß ab, so gut es ihr gelang. Resi schien tief und fest zu schlafen.

Meredith beschloss, es wäre besser, Resis Schlaf nicht mehr zu stören, also sah sie sich noch einmal im Zimmer um. Gegenüber an der Wand hing ein weiterer, weißer Zettel. Leise tappste sie mit ihren nackten Füßen über den Holzboden.

„Freie Auswahl – 17 Uhr“, stand auf dem Zettel und Meredith erkannte, dass er an dem Türgriff eines Kleiderschranks hing, welcher in der Wand eingebaut worden war.

„Freie Auswahl?“, murmelte sie fragend, als sie den Schrank leise öffnete. Verblüfft betrachtete sie drei ihrer schönsten Abendkleider. Darunter standen die passenden Schuhe und links in den kleineren Fächern lag frische Unterwäsche, eine bequeme Hose und ein weites T-Shirt, ein Paar Socken und ihre Hausschuhe.

Meredith packte sich die bequemeren Sachen unter den Arm, zog ihre Pantoffeln an und ging hinüber ins Badezimmer. Leise schloss sie die Tür und drehte am Knopf der Dusche. Das Wasser sprudelte sofort hervor und Meredith schloss die Duschentür. Dann zog sie sich aus, legte das Handtuch, welches an der Wand für sie bereit hing, auf den Fußboden und stieg unter das warme Wasser.

Nach einer halben Stunde war sie geduscht, gekämmt und frisch angezogen. Sie fühlte sich wie ein neuer Mensch und endlich war die ganze Schminke aus ihrem Gesicht verschwunden. Seufzend ließ sie sich auf das Sofa fallen und wunderte sich, warum es in diesem Raum nicht kalt war. Als sie eben aus dem Fenster gesehen hatte, hatte doch überall Schnee gelegen? Erst da entdeckte sie den kleinen Heizer, der ganz hinten und etwas versteckt in der Ecke stand.

Das Gerät an der Wand zeigte gerade mal zwölf Uhr an, also langte sie nach den Medikamenten und begann, deren Beipackzettel durchzulesen.

„Die naturheilkundlich verwendete Weidenrinde enthält Salicin, das im Körper zu Salicylsäure verstoffwechselt wird und ähnlich wie Acetylsalicylsäure wirkt…“, las sie leise. Gelangweilt, weil sie doch nichts verstand, seufzte sie kurz auf. Sie hatte weiterlesen wollen, doch in dem Moment seufzte Resi und ihr Seufzen ging in ein schwaches Husten über.

Unachtsam ließ Meredith den Beipackzettel fallen und war sofort neben ihrer Frau: „Resi? Wie geht es dir?“ Sie war erleichtert, dass Reseda die Augen geöffnet hatte.

„Scheiße…“, krächzte sie und versuchte zu lächeln.

„Oh Resi, ich hatte solche Angst um dich…“

„Küss mich…“

Ohne ein weiteres Wort beugte sich die rothaarige Frau nach vorne und küsste die kranke Brünette mit all ihrer Liebe und Leidenschaft, die sie hatte.

Als sie sich voneinander lösten, erklärte Meredith ihrer Frau, was für Medikamente sie nehmen musste, wann und warum. Also mischte sie erneut den Weidenrinden-Vitamin-Trank und Resi kippte ihn ohne ein Klagen hinunter. Jedoch schnitt sie eine Grimasse, was Meredith lächeln ließ. Ihre Frau war schon wieder mehr sie selbst…

„Bah! Das schmeckt ja scheußlich!“

„Kann schon sein…“, lächelte Meredith, „Aber es soll dein Fieber senken… Apropos Fieber, das können wir noch mal messen!“ Sie machte es wie zuvor und wartete geduldig einige Minuten ab.

„Oz sei Dank… nur noch 39,8 Grad!“

„Was? Wie viel hatte ich denn eben?“, fragte Reseda entsetzt, die als bekannte Biotechnologin etwas mehr von der Funktion des Körpers verstand, als ihre politisch-orientierte Frau.

„40,1…“, sagte Meredith und sah ihre Frau abwartend an.

„Fibris septica…“, murmelte diese leise.

„Fibri-was?“

„Die Bezeichnung für plötzlich hohes Fieber… Das erklärt meinen starken Schüttelfrost… Und es wird wohl noch drei Tage dauern, bis ich wieder völlig auf den Beinen bin…“

‚Oh nein…’, dachte Meredith in Gedanken an den heutigen Abend.

„Liebes, ich mache dir jetzt noch einmal neue Wadenwickel und danach schläfst du noch etwas, ja?“

„Ja, Mama…“, grinste Reseda und schloss jedoch sofort die Augen.

„Oh und ich hole dir eine frische Unterhose!“

„Unter normalen Umständen würde ich darauf jetzt etwas erwidern, aber ich bin einfach zu kaputt!“, grinste Resi frech.

Nachdem Reseda mit ihren neuen Wadenwickeln und in frischer Unterhose wieder eingeschlafen war, schlenderte Meredith wieder zum Sofa. Dabei trat sie auf das unachtsam fallen gelassene Papier und hob es auf.

„Hm?“, machte Meredith leise, als sie sah, dass auf der sonst leeren Rückseite des Beipackzettels etwas geschrieben stand. Ihr Herz begann schneller zu klopfen, als sie sich auf das Sofa setzte und die Zeilen las:

„Meredith,

ich weiß, dass ihr in der Klemme steckt. Menko ist ein Freund von mir und hat sich dazu bereiterklärt, mir zu helfen.

Meine Zeit und das Blatt hier sind begrenzt und ganz Oz hat noch keinen wirklichen Plan davon, was kommen wird.

Ich weiß jedoch, dass sie dich benutzen wollen und hoffe, dass du den Zettel findest!

Hilfe ist unterwegs! Es wird noch etwas dauern, aber haltet durch, meine beiden!

Ich werde auch heute Abend dort sein, aber sei vorsichtig!

Halte durch, ich beeile mich!

Margo“

Verwirrt, erstaunt, aber auch erleichtert las Meredith den Zettel noch einmal.

„Margo…“, flüsterte sie leise… „Margo Blair.“
 

„Ramón!“, rief Kwen, als er sah, wie der blonde Mann den Flur hinuntereilte.

„Ah, Kwen, dich habe ich gesucht!“

„Gleichfalls. Was sollte das da bitte eben?“, fragte der offensichtlich verärgerte Mann und machte eine Geste in Richtung Keller.

„Anweisung von oben. Mer muss in guter Verfassung sein, heute Abend. Und wenn Reseda stirbt, stirbt mit ihr auch unser Druckmittel. Der Arzt meinte, ihre Erkrankung wäre nicht normal.“

„Was heißt, ‚nicht normal’?“, fragte Kwen schnippisch.

„Ihr Krankheitsverlauf sei nicht nachvollziehbar. Das Fieber wäre zu schnell zu hoch gestiegen. Er meinte, es wäre teils wegen den unmenschlichen Umständen, aber auch teils psychosomatisch. Er sagte, es wäre wahrscheinlich, dass die Medikamente alleine nichts bringen würden. Sie brauchte die Nähe ihrer Frau und da Meredith sowieso bis heute Abend wieder fit sein muss, kam eines zum Anderen.“

„Aha. Meinte er das also, der Arzt…“

„Kwen, dieser Arzt stand jahrelang im Dienste des Palastes und mit ein paar Drohungen und Edelsteinen war er von jetzt auf gleich parteiisch!“

„Du hast mich vor ihr bloßgestellt!“, schoss es plötzlich aus dem ehemaligen Sekretär heraus.

„Ich bitte dich! Dir scheint das hier alles etwas zu Kopf zu steigen! Ich glaube, ich lasse dich in einen anderen Dienst versetzen.“

„Nein, nein! Schon gut. Ich habe mich wieder gefangen…“

„Gut, dann kannst du mir das jetzt beweisen. Auch für unsere anderen Gäste wurde angeordnet, dass sie ein gebanntes Zimmer bekommen. Elanora und Gideon bekommen das am Ende des Flures, Orez und Elaine dieses hier.“, erklärte Ramón und deutete dabei auf die Tür hinter sich.

„Wozu soll das gut sein?“, fragte Kwen misstrauisch.

„Wir brauchen alle von ihnen spätestens in drei Tagen und halb tot können wir sie nicht mehr gebrauchen. Sie haben lange genug gelitten.“

„Und wer bitte hat die Zimmer mit dem Bann belegt? Deine Mutter kann so etwas doch gar nicht.“

„Domingus. Er ist durch den Schnee etwas verspätet heute Morgen angekommen.“

„Wer?“

„Domingus Wigluv. Der Freund von Stellaione Arlet.“

„Sagt mir nichts…“

„Er ist auch kein großer Zauberer, aber er kann einiges! Und Stella hat gut daran getan, ihn einzuladen.“

„Wenn er doch aber mit Stella zusammen ist, warum sind sie dann nicht beide schon gestern Abend angekommen?“

„Was weiß ich… Vielleicht musste er noch etwas erledigen. Aber das tut nichts zur Sache. Sieh zu, dass du unsere Gäste in ihre Zimmer steckst. Sie sind alle vorbereitet und pass auf, dass du nicht über die Türschwelle trittst!“

„Schon klar, ganz blöd bin ich auch nicht!“, maulte Kwen und ging die Treppe hinunter.

„Wer weiß…“, murmelte Ramón und machte sich auf den Weg, Penelope in ihrer Mittagspause einen Besuch abzustatten.
 

Elphaba flog im Schutz der Baumwipfel so nah an Vorko heran, wie es ihr nur möglich war. Dann landete sie auf einer kleinen Lichtung und versteckte ihren Besen hinter einem großen Busch. Während des Fluges hatte sie viel nachgedacht und mit sich selber gesprochen. Als ihr dabei jedoch eine dicke Fliege in den Mund geflogen war, hatte sie ihre Gedanken auf später verschoben.

Bei dem Gedanken an das dicke, schwarze Etwas in ihrem Mund spuckte die Hexe abermals aus, bevor sie sich auf den Weg in das Dorf machte.

„So, wo war ich stehen geblieben, bevor du mich gestört hast, Fliegenbein?“, fragte sie in den Wald hinein, der nach 200 Metern am Torbogen von Vorko endete.

„Achja, Glinda. Natürlich, wo sonst?“, seufzte sie. „Ich hatte also schon festgestellt, dass ich vergessen habe, Glinda nach der ‚außergewöhnlichen Freundschaft’ zu fragen… Ich habe das Gefühl, ich wüsste, was sie mir damit sagen wollte… Aber nachdem ich sie damals in der Kutsche habe gehen lassen, habe ich mir geschworen, nie mehr wieder über Glinda in dieser Art und Weise nachzudenken und auch jetzt scheint es nicht der richtige Zeitpunkt zu sein… Sie hat im Moment größere Sorgen und ich muss ihr da jetzt durchhelfen und die ganze Angelegenheit nicht noch komplizierter machen… Und was bitte würde ich mir herausnehmen, wenn ich darüber noch fachsimpeln würde?!

Nein, nein…“, Elphaba schüttelte den Kopf und merkte gar nicht, dass sie gerade durch den Dorfbogen ging, „Es ist schon richtig so. Ich habe es mir damals geschworen und ich halte mich daran. Ich wähle diesen Weg! Ich werde nicht einmal mehr darüber nachdenken! Das würde eh zu nichts führen… Ich halte mich an den Satz, an den ich mich schon mein ganzes Leben gehalten habe… Ich weiß nicht, was Liebe ist… Ich weiß nicht, was Liebe ist!“

Elphaba wusste, dass sie sich selber anlog, aber nachdem sie diesen Satz mehrere Male gemurmelt hatte, war sie wieder selber davon überzeugt.

„Liebe ist, wenn man küsst! Und meine Mama sagt, dass es ganz egal ist, wen, solange man sich dabei gut fühlt.“, unterbrach eine Kinderstimme ihr andauerndes Gemurmel und Elphaba fuhr erschrocken zusammen. Im gleichen Augenblick erklang die Turmglocke zwölf Mal hintereinander.

„Oz im Ballon, hast du mich aber erschreckt!“, sagte sie keuchend zu dem Kind.

Es war ein Mädchen mit hellrosa Haaren und violetten Augen. Sie trug ein hellblaues Winterkleid und hatte braune Stiefel an den Füßen. Ihre Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden, an denen sie nun schuldbewusst herumspielte.

„Entschuldigung, Tante… Das wollte ich nicht.“

Reflexartig kniete sich Elphaba hin: „Ach, quatsch!“, winkte sie ab, „Ich erschrecke mich leicht, vor allem, wenn ich so viel nachdenke!“

Das Mädchen kicherte: „Das sagt meine Lehrerin auch immer!“

Elphaba lächelte das Mädchen an und hatte plötzlich eine Idee, als sie sich suchend in dem kleinen Ort umsah: „Sag mal, Kleine, hast du vielleicht eine Ahnung, wo ich hier etwas zum Anziehen kaufen kann?“

„Meine Mama hat ein Geschäft, da kann man alles kaufen.“

„Alles?“

„Jaaa!“, rief das Mädchen stolz und ihre Wangen glühten rot, „Da gibt es Kleider, Schminke, Mützen und Süßigkeiten!“

Elphaba musste lachen, als das Kind das Wort ‚Süßigkeiten’ ganz lang zog. „Kannst du mir denn vielleicht verraten, wo deine Mama ihr Geschäft hat?“

„Na klar! Komm mit!“, sagte das Mädchen freudestrahlend und Griff ohne zu zögern nach Elphabas Hand. Diese erschrak kurz und ließ sich dann jedoch von dem jungen Mädchen durch die schneebedeckten Straßen von Vorko ziehen.

„Oh, warte mal kurz…“, sagte Elphaba, als sie in einem der doch recht vielen Schaufenster einen Bücherladen erkannte. Das Mädchen verlangsamte ihren Schritt, ließ die warme Hand los und musterte die fremde Frau von der Seite.

„Kann ich da mal kurz rein?“, fragte Elphaba und deutete auf die Tür des Ladens, denn sie hatte ein besonderes Buch im Schaufenster entdeckt.

„Na klar, ich warte hier solange.“

„Danke!“, lächelte die Hexe und war schon verschwunden.
 

„Guten Tag!“, begrüßte ein alter Herr mit wettergefärbter Haut die junge Dame.

„Guten Tag!“, nickte Elphaba und sah sich suchend in dem alten Laden um.

„Kann ich Ihnen vielleicht helfen? Suchen Sie etwas bestimmtes?“, fragte der alte Mann freundlich und kam hinter der Ladentheke hervor.

„Ja, ich habe gerade das Buch im Schaufenster gesehen und würde es gerne kaufen.“

„Sie meinen, das neue Buch von Margo Blair? Deena und der Rosengarten?“

„Ja, genau.“, nickte Elphaba.

„Ah, ich seh schon!“, nickte der alte Mann und Elphaba hatte den Eindruck, als wüsste er mehr als sie. Trotzdem folgte sie ihm und er drückte ihr einen dicken Roman in die Hand.

„Darf es sonst noch etwas sein?“

„Nein, danke. Das war’s!“, lächelte Elphaba, drehte das Buch um und las sich schnell den Buchrücken durch.

„Oh!“, sagte sie etwas lauter als sie wollte und da sie die einzige Kundin in dem Laden war, fragte der ältere Herr sofort: „Gibt es ein Problem?“

„Nein, nein!“, winkte Elphaba schnell ab. Sie ging langsam und noch immer lesend auf die Ladentheke zu. „Hier steht, dass es in dem Buch um eine Abhandlung von Sapphismus und Uranismus in Bezug auf die konservative Gesellschaft geht.“, sagte sie etwas verblüfft.

„Ja und?“, fragte der Mann, der die Gedankengänge der jungen Frau nicht verstand.

Elphaba schien ganz in Gedanken verloren: „Ich meine ja… also, der Titel… ach, hier steht etwas darüber: ‚Lesen Sie, wie Deena die wundervollen Rosen pflückt, obwohl sie sich jedes Mal an den großen Dornen sticht! Ein einzigartiges Leseerlebnis und für alle Liberalisten genau das Richtige – smaragdische Morgenpost’“, zitierte sie murmelnd.

„Also wollen Sie das Buch nun kaufen oder nicht?“, fragte der Mann hinter der Theke und schien etwas angenervt.

„Ja, bitte.“ Als sie auf ihr Rückgeld wartete, sah sie durch das Schaufenster, wie ihre junge Freundin einen großen Schneeball formte.
 

„Da bin ich wieder!“, sagte Elphaba munter, als sie mit dem Buch in ihrer Tasche wieder auf die Straße trat. Erfreut sah das Mädchen auf, dessen Schneeball nun eher schon eine Schneekugel war.

„Hast du Lust, mit mir einen Schneemann zu bauen, Tante?“, fragte das Mädchen hoffnungsvoll. Elphaba ließ ihren Blick in Richtung Kiamo Ko schweifen und seufzte. Dann schenkte sie dem Mädchen ein kleines Zwinkern: „Aber nur einen Mini-Schneemann!“

„Juchuu!“, jubelte das Mädchen und zeigte der Hexe, wie man eine Schneekugel rollte.

„Wie heisst du eigentlich?“, fragte Elphaba, als sie ihre Schneekugel auf der anderen platzierte. Es war schon so lange her, dass sie auf fremde Menschen getroffen war, sodass sie beinahe schon vergessen hatte, wie man diese Leute kennen lernte.

„Frieda und du?“

„Ich, ahm…“, stotterte Elphaba und fragte sich, warum sie diese Frage so überraschte.

„Tante?“, fragte das Mädchen lachend und Elphaba lachte mit: „Nein! Mein Name ist Deena.“

„Oh, das ist aber ein schöner Name! Den kann ich, glaub’ ich, auch schon schreiben! Da ist ein d drin, genau wie bei mir und ein a und ein e. Oder?“

„Ja, richtig. Aber da sind zwei e’s drin und noch ein n…“, meinte Elphaba und sah die Kleine erwartungsvoll an.

„Wie schreibt man ein n?“

„Schau mal, so…“ Bei diesen Worten hockte sich Elphaba in den Schnee und schrieb ‚Deena’ hinein.

„Hä? Das kann ich gar nicht lesen!“, protestierte Frieda. „Ist das Schreibschrift?“

„Oh, ja, natürlich. Entschuldige!“, lachte Elphaba, wischte das Wort weg und schrieb es erneut. Diesmal jedoch in Druckschrift.

„Probier du es mal!“, ermutigte Elphaba das Kind und Frieda schrieb, wenn auch etwas unleserlich, ‚Deena’ in den Schnee.

„Super!“, klatschte Elphaba und Frieda sprang fröhlich umher.

„Guck mal, ich bin schon sechs und das ist so viel!“, erklärte Frieda der Hexe und hielt ihr sechs Finger vor die Nase, da Elphaba noch immer im Schnee hockte.

„Und wie alt bist du?“

„Oh, dafür reichen meine Finger nicht aus! Ich bin 26!“

„Wie viel ist das?“, fragte Frieda neugierig.

„Zeig’ mir mal alle deine Finger!“, grinste Elphaba und streckte selber ihre zehn Finger aus.

„So und dazu kommen dann noch mal deine sechs Jahre. So alt bin ich!“

„Boah, das ist aber schon alt!“, sagte Frieda erstaunt und schaute verblüfft auf die zwanzig Finger.

„Und ich werde auch nicht mehr jünger, darum müssen wir schnell unseren Mini-Mann hier fertig bauen!“, lachte Elphaba und erhob sich. Dann setzte sie die letzte und die kleinste Kugel von allen auf die anderen beiden.

Frieda hielt zwei Steine in der Hand und sah verzweifelt nach oben: „Da komme ich ja gar nicht dran. Das ist kein Mini-Mann!“

Elphaba lachte und hob das Kind hoch, sodass es die zwei Steine anstelle der Augen in das Schneegesicht drücken konnte. Dann malte Frieda ihm noch einen Mund und eine Nase.

„Fertig ist er, der Mini-Mann!“, lachte sie, als Elphaba sie wieder auf dem Boden absetzte.

Als die Turmglocken erneut erklungen, sah Elphaba auf.

„Oh, schon halb eins! Jetzt muss ich aber wirklich los! Kannst du mir noch schnell den Weg zeigen?“

„Na klar!“, nickte Frieda, nahm Elphaba wieder an die Hand und zog sie davon.

Ohne Vorwarnung verdunkelte sich der wolkenfreie Himmel und beide weiblichen Geschöpfe blickten verwirrt in die Höhe. Als Elphaba die Schreie der Eilaffen hörte, fragte sie verblüfft: „Was geht denn da vor?“

„Ach, das passiert jetzt schon seit drei Tagen. Die kommen immer her, werfen irgendwas ab für die großen Leute und fliegen dann wieder weg…“

„Achso…“, sagte Elphaba nur und grübelte darüber nach, was das zu bedeuten hatte.

Als sie durch die Straßen von Vorko eilten, erzählte Frieda ihr, wo sie zur Schule ging, wie ihre Lehrerin hieß und das sie, ‚Deena’ sogar noch schöner war, als ihre Lehrerin, obwohl Friedas Mama ja immer sagte, dass Fräulein Delox die schönste Frau wäre, die sie je gesehen hätte.

„Und da wohnen wir!“, erklärte Frieda ihr, als sie stehen blieben. „Und hier unten ist Mamas Geschäft!“

Die dunklen Augen musterten das kleine Haus und wie der Buchladen hätte man es gar nicht als Geschäft erkannt, wenn nicht zwei große Schaufenster anstelle von normalen Fenstern angebracht worden wären.

„Komm rein!“, drängelte Frieda und noch bevor Elphaba den Namen des Geschäftes hatte lesen können, stand sie schon vor der Ladentheke.

„Mama?“, rief Frieda laut, „Mamaaaaaa…“

„Frieda! Ich habe dir doch gesagt, du sollst während meiner Mittagspause hintenrum…“, erklang die kräftige Stimme von Friedas Mutter, doch als sie um die Ecke kam und Elphaba erblickte, hielt sie plötzlich inne: „Oh, entschuldigen Sie, ich habe nicht gewu…“

„Mama, das hier ist Tante Deena! Wir haben einen Mini-Schneemann gebaut!“, unterbrach Frieda freudestrahlend ihre Mutter.

Nun wusste Elphaba, woher das Mädchen ihre Haar- und Augenfarbe hatte:„Verzeihen Sie, ich wusste nicht, dass Sie Mittagspause haben, ansonsten hätte ich gewartet! Ich werde sofort wieder gehen und…“

Friedas Mutter hatte Elphaba von oben bis unten gemustert, das war der Hexe nicht entgangen und sie fühlte sich etwas unwohl.

„Nein, nein!“, wehrte die etwas ältere Frau ab, „Jetzt, wo Sie schon einmal da sind, bleiben Sie doch bitte. Wir trinken noch gemeinsam einen Tee und dann schauen wir mal, was Sie suchen…“

„Nein, das ist wirklich nicht nötig. Ich kann auch..“

„Oooh, bitte Deena, bitte, bitte, bitte! Ich zeige dir auch mein Lieblingsschulbuch und du darfst auch was Süßes von mir haben!“, bettelte Frieda und zog an Elphabas Hand.

„Sie haben es gehört! Wer kann bei Tee, Schulbüchern und Süßigkeiten schon nein sagen?“, lachte Friedas Mutter und machte eine einladende Handbewegung zum hinteren Teil des Raumes.

„Ich glaube, ich wurde gerade überstimmt…“, grinste Elphaba und ließ sich von Frieda durch die Tür in die Küche führen. Diese war nicht besonders groß: Links befanden sich Herd, Ablage und Kühlschrank, gegenüber von Elphaba war ein weiteres Fenster und an der rechten Wand stand ein runder Küchentisch, mit zwei Teetassen darauf und einer blonden Frau daran. Sie schien konzentriert zu lesen und drückte sich mit einem Zeigefinger die schwarze Brille auf der Nase zurecht.

„Lexie…“, begann Friedas Mutter, doch die Frau am Tisch hob ohne aufzusehen ihre Hand und murmelte: „Nicht jetzt, Nilly… Die Neuigkeitenblätter sind unglaublich…“

„Gut, dann stelle ich mich erstmal vor!“, lächelte nun die ältere Frau Elphaba an und bot ihr die Hand dar. „Mein Name ist Gunilla Hukalo!“ Elphaba nahm lächelnd die Hand an und schüttelte sie: „Ich heiße El…“, schnell räusperte sie sich und setzte erneut an: „Deena… Elrik! Danke für Ihre Gastfreundschaft, Frau Hukalo!“

„Deena? Was für ein außergewöhnlicher Name… Aber ich bitte Sie, nennen Sie mich Nilla! Und ohne Frau! Wer in meine Küche eingeladen wird, der darf auch gerne persönlich werden!“, lachte Gunilla.

Die Frau am Tisch hatte inzwischen aufgeblickt und musterte Elphaba interessiert: „Und sieh mal einer an, was Unglaubliches hier gerade reingeschneit ist!“, grinste sie und schloss damit bei ihrem letzten Satz an. Anmutig nahm sie ihre schwarze Lesebrille von der Nase und klappte sie zusammen. Dann stand sie auf und ihr langes, blondes Haar fiel glänzend über die schmalen Schultern. Als sie auf Elphaba zukam und ihr in die dunklen Augen blickte, staunte die Hexe nicht schlecht. Die blonde Frau hatte dunkelblaue Augen. Sie erinnerten an den See der heiligen Aelphaba und der wohlgeformte Körper steckte in einem knielangen, weißen Rock und einer schwarz-weiß karierten Bluse, über welcher die Frau in Hüfthöhe einen knallroten Gürtel trug.

„Hallo, ich bin Lexana Delox!“ Mit diesen Worten reichte sie Elphie graziös ihre rechte Hand, an welcher drei goldene Armbänder klimperten.

„Wie gesagt…“, lächelte Elphaba, „Ich bin Deena Elrik!“

„Freut mich sehr, Deena…“, murmelte Lexana und sah Elphaba tief in die braunen Augen. Die Hexe hielt dem Blick stand, obwohl sie nicht so recht wusste, was das alles zu bedeuten hatte.

Gunilla räusperte sich und die blonde Frau löste ihren Blick.

„Tee?“

„Nein, danke Nilly. Ich habe noch!“

„Ja, sehr gerne!“, sagte Elphaba, als sie sich gemeinsam mit den anderen beiden Frauen an den Tisch setzte. „Wo ist Frieda?“, fragte sie verwirrt, als sie merkte, dass das Mädchen sie die ganze Zeit verschont hatte.

„Ich nehme an, sie holt, was sie dir versprochen hat!“, grinste Nilla und goss Elphaba eine Kamillentee ein.

„Sooo… Deena…“, begann Lexana von Neuem und faltete das Neuigkeitenblatt wieder zusammen, welches sie eben noch so interessiert gelesen hatte. „Ich kenne dich gar nicht. Bist du neu hier in der Gegend?“

„Ich bin… mehr oder minder auf der Durchreise und brauche nur etwas Neues zum Anziehen. Und du? Bist du nicht Friedas Lehrerin? Oder habe ich mich eben verhört?“, fragte Elphaba und wollte von sich ablenken.

„Ja richtig. Hat Frieda dir das erzählt?“

„Natürlich, wer sonst?“

„Ich müsste auch noch einige hübsche Sachen in deiner Größe dahaben!“, mischte sich Nilla ein und musterte Elphabas Körper erneut.

Diese war so viel Aufmerksamkeit auf einmal nicht gewohnt und errötete leicht.

„Tante Deeenaaaa!“, erklang es plötzlich von weiter oben und die Damen konnten die eiligen Schritte des Mädchens auf der Treppe hören.

„Tante Deena!“ Frieda kam atemlos angelaufen und wedelte mit einem Buch vor ihrer Nase herum. „Guck mal, ich habe es gefunden! Das hier ist mein Lieblingsbuch! Guuuck! Es heißt: Gr..ün i..ist bö…se u-und pink i-ist gut!“ Stolz las Frieda den Titel des Buches und fuhr mit ihrem Finger über jeden einzelnen Buchstaben.

Elphaba musste grinsen: ‚Dass jetzt schon die jungen Kinder so einen Blödsinn verkauft bekommen!’, dachte sie bei sich.

„Du kannst ja schon richtig lesen!“, bewunderte sie dann Friedas Leserei, obwohl sie genau wusste, dass das Kind den Titel wahrscheinlich nur auswendig kannte.

„Kann ich dein Buch auch mal lesen?“, fragte Frieda aufgeregt und stellte sich abwartend neben Elphabas Tasche, die um ihre Stuhllehne baumelte.

„Sie scheinen… Du scheinst Frieda aber sehr beeindruckt zu haben!“, hörte Elphie Lexanas Stimme, doch Frieda bettelte im gleichen Moment: „Bitte… Bitteeee!“

„Ja, natürlich. Einen Moment!“, lachte Elphaba, öffnete ihre Tasche und händigte Frieda das dicke Buch aus. Das war auch der Grund warum sie nicht mitbekam, wie Nilla murmelte: „Anscheinend nicht nur Frieda!“, wofür sie einen bösen Blick aus den dunkelblauen Augen erntete.

Als Elphaba sich wieder umdrehte, lächelten beide Frauen sie an.

„Da steht ja Deena!“, rief Frieda erfreut aus und zeigte auf das erste Wort des Titels. Erschrocken fuhr Elphaba zusammen. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht!

„Ja, genau! Die Frau, um die es in dem Buch geht, die heißt genau so wie ich!“, lächelte Elphaba Frieda an und die beiden anderen Damen wechselten neugierige Blicke. Sie kannten das Buch, auch wenn sie noch nicht den kompletten Titel gehört hatten…

„Und was steht da? Ist das ein n?“, fragte Frieda und deutete auf das ‚und’ im Titel.

„Ja, genau.“, nickte Elphie.

„Ääähm… Deena und deeer… Das Wort da ist viel zu lang! Was steht da?“ Nun tippte das Mädchen verärgert mit ihrem Zeigefinger auf das letzte Wort.

„Rosengarten steht da. Deena und der Rosengarten.“

„Oh! Ich habe auch was zu Rosen! Soll ich dir das mal zeigen?“, fragte Frieda aufgeregt und wartete Elphabas Antwort gar nicht erst ab. Sofort war sie schon wieder die Treppe hinaufgestürmt.

„Interessantes Buch…“, meinte Nilla, „Darf ich mal?“

„Hier, bitte sehr.“, sagte Elphaba und reichte der Dame das Buch.

„Deena und der Rosengarten… geschrieben von Margo Blair…“, zitierte Nilla nun den Text auf dem Einband, „Klasse Schriftstellerin!“

„Sie… ach, du kennst sie?“, fragte Elphaba interessiert.

„Ja, ich habe alle ihre Bücher!“, nickte Nilla.

„Oh, fantastisch! Ich auch. Also… das heißt, wenn das hier ihr neustes Werk ist!“, grinste Elphaba.

„Das ist ihr neustes Werk!“, antwortete Lexana kopfnickend, „Aber sagt mal, habt ihr beiden heute schon einen Blick in die Neuigkeitenblätter geworfen, die eben exklusiv per Eilaffe geliefert worden sind?“

Sowohl Elphaba als auch Nilla schüttelten den Kopf.

„Dann informiere ich euch jetzt mal darüber, dass es in Zukunft gefährlich sein könnte, öffentlich die Bücher von Margo Blair zu kaufen…“

„Lexie, was redest du da?“, fragte Nilla aufgebracht und verlangte mit einer eindeutigen Handbewegung nach den Blättern, welche Lexana ihr zuschob.

Der Ausdruck der älteren Frau wechselte von verblüfft zu entgeistert, als sie den Bericht auf der ersten Seite las und manche Stellen leise mit murmelte: „Glinda die Gute – eine Sappho…. Schockierend aber wahr… jahrelange Beziehung mit der Hexe des Westens… lebendig… zusammen geflohen, um sich zu lieben… gemeinsamer Rachefeldzug gegen das Land und die Bürger von Oz…“

Wütend warf sie die Blätter auf den Boden: „Was ist das wieder für ein Scheiß?“, ärgerte sie sich.

„Oh Oz, Deena! Ist dir nicht gut? Du bist so blass um die Nase!“, rief Lexana aus und griff über den Tisch nach Elphabas Hand.

„Ich… Ich…“, stammelte diese nur und konnte nicht glauben, was sie da gerade gehört hatte.

„Kindchen!“, rief nun auch Nilla aus und hielt Elphaba davon ab, vom Stuhl zu rutschen, „Trink mal was!“

Elphaba tat wie ihr geheißen und nippte an ihrem Tee. Es dauerte einige Sekunden, doch dann hatte sie sich wieder gefangen.

„Kann ich den Artikel mal lesen?“, fragte sie nach einer Weile.

Wortlos hob Nilla das fallen gelassene Neuigkeiten Blatt auf und reichte es der Hexe.

„Lies mal bitte laut! Ich bin ja nicht bis zum Ende gekommen!“ Für diesen Satz erntete Lexie diesmal einen boshaften Blick von Nilla.

„Achtung, Volk von Oz – Sondermeldung!“, begann Elphaba laut, „Glinda die Gute – Eine Sappho.

Es ist schockierend, aber wahr. Die ganze Zeit über hat Glinda die Gute das Volk von Oz an der Nase herumgeführt. Hinter unserem Rücken führte sie eine jahrelange Beziehung mit der bösen Hexe des Westens. Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Hexe in Wirklichkeit nicht tot, sondern sehr lebendig ist. Ein Augenzeuge berichtete, die beiden seien vor kurzem zusammen geflohen und nun wissen wir, warum: Um sich zu lieben.

Aufgrund der landesweiten Abneigung gegen die Hexe scheint es logisch, dass Glinda die Gute und die böse Hexe des Westens nun einen gemeinsamen Rachefeldzug gegen das Land und die Bürger von Oz planen.

Heute Abend wird Accursia Akaber, die ihren lebensbedrohlichen Unfall überlebt hat, vor ganz Oz berichten, wie sie Glinda und die Hexe erwischt hat und dabei abermals fast ums Leben gekommen wäre. Nachdem ihre Gefängnisstrafe aufgrund von Glindas Betrug fallen gelassen wurde, war sie so gütig und erklärte sich bereit, dem Volk von Oz in dieser schwierigen Zeit eine Stütze zu sein.

Auch Mutter Meredith wird heute öffentlich erklären, dass es stimmt, dass Glinda die Gute eine Sappho ist und sie wird von Glindas Untreue berichten.

Geschätzte Leser, dies ist ein Aufruf an Ihre Vernunft: Seien Sie vorsichtig! In jeder Sappho könnte die Verbündete der Hexe stecken!

Aber seien Sie unbesorgt, heute Abend wird sich alles ändern!

A. Heidenbrunn“

„Was das wieder für ein Bockmist ist!“, ärgerte sich Nilla.

„Aylin…“, hauchte Elphaba fassungslos und starrte ungläubig auf das abgedruckte Foto von ihr und Glinda vom Sommer 18 nach Oz, „Was… Was steht in den anderen beiden Neuigkeitenblättern drin?“

„Der selbe Müll!“, antwortete Lexie gereizt, „Und das wirft unsere gesamten Pläne durcheinander. Margo muss sich schnell etwas einfallen lassen.“

„Lexie!“, zischte Nilla warnend und Elphaba hatte plötzlich das Gefühl, mitten in Etwas hineingeraten zu sein.

Plötzlich polterte es ganz laut und die drei Damen hörten Friedas Geschrei, als sie die Treppe hinunterfiel. „Mamaaaa…“, weinte sie ganz laut.

„Oh Oz, Friedi! Kümmere du dich um Deena, ich sehe nach Frieda!“, sagte Nilla schnell, als sie aufstand und aus der Küche lief.

„Ich… Ich muss sofort gehen!“, stotterte Elphaba und sprang auf. Lexana stand sofort neben ihr und griff ihre Hand.

„Deena, wir gehen alle in die Smaragdstadt, wenn es an der Zeit ist. Jetzt ist es noch nicht soweit.“

„Ich habe nie gesagt, dass ich in die Smaragdstadt will!“, antwortete Elphaba und sah der Frau fragend in die blauen Augen, ihre Augenbrauen zuckten kurz.

Lexana war sich die ganze Zeit über sicher gewesen, dass auch Deena eine Sappho war, doch nun schien sie nicht mehr ganz so sicher zu sein: „Ich… naja, du sagtest, du seist auf der Durchreise und da nahm ich einfach mal an, du willst dorthin.“

„Einfach mal angenommen, ja?“, fragte Elphaba nun skeptisch.

„Schöne Frauen gehen immer dorthin oder kommen von da.“, sagte Lexana und ihre Stimme war gerade mal etwas lauter als ein Flüstern.

Elphaba löste sich aus ihrem Griff und starrte sie verwirrt an: „Ich gehe jetzt besser!“, sagte sie und drehte sich entschlossen um. Sie konnte es nicht fassen: Hatte diese Frau gerade versucht, sie zu umwerben? Elphaba kannte sich in diesem Bereich nicht besonders gut aus, aber dennoch war sie nicht blind durch ihre Studienzeit gelaufen.

„Deena, bist du dir sicher, dass du die Sachen, die du kaufen wolltest, wirklich nicht brauchst?“, rief Lexana ihr nach.
 

Nach dem Frühstück hatte Madame Akaber die offiziellen Gewänder der ‚Mächtigen Fünf’ verteilt und die Damen hatten noch eine halbe Stunde Freizeit bekommen. Dann erst begann ihre Tagung zur Aufstellung eines bodenständigen Konzeptes. Die ersten Stunden liefen sehr gut: Sie diskutierten das Rechtssystem, ihren Machtzirkel und ein paar grundlegende Regeln. Der erste Teil ihres Konzeptes stand schon, wenn auch noch auf wackligen Beinen, als Ramón Penelope zur Mittagspause um halb eins abholte.

Madame Akaber nutzte die Zeit, um ihre Post durchzugehen.

Plötzlich flog etwas mit einem lauten Knall gegen ihr Fenster und fiel dann zu Boden. Erschrocken fuhr Accursia zusammen und lehnte sich aus dem Fenster hinaus. Unten auf dem Hof lag ein keuchender Eilaffe.

„Diese dämlichen Viecher!“, murrte sie und stiefelte die Treppe hinab.

Schnell eilte sie zu dem Affen, nahm ihm den Brief aus der Hand und scheuchte ihn davon. Mit lautem Schnattern kreiste er noch zwei Mal um ihren Kopf und flog dann weg.

Accursia rannte beinahe in den Palast zurück, da es doch noch sehr kalt draußen und ihr Schneezauber mächtiger gewesen war, als sich angenommen hatte.

Als sie wieder in ihrem wohlig warmen Zimmer saß, öffnete sie das Telegramm und las:

„Haben Problem mit Durchgang STOP Schnee versperrt Weg STOP Wir bitten um Wetterzauber STOP Großer Regen lässt Schnee schmelzen STOP Danke ENDE“

„Na wundervoll!“, seufzte Accursia, doch als sie die Uhrzeiten verglich, bemerkte sie, dass der Affe erst vor ungefähr einer Stunde losgeschickt worden war.

Schnell richtete sie sich auf, öffnete das Fenster und konzentrierte sich. Mit ihren grauen Augen starrte sie fest in den Himmel und murmelte immer und immer wieder einen bestimmten Satz. Als sie sah, wie sich die Wolken verdunkelten und die ersten Blitze in weiter Ferne vom Himmel preschten, schloss sie zufrieden wieder das Fenster und machte sich auf den Weg, die Tagung wieder weiterzuführen.

Langsam streifte sie sich ihr Gewand wieder über, welches auf der linken Brust das Emblem der Mächtigen Fünf trug.

Durch ihren Zauber hatte sie sich um ein paar Minuten verspätet und als sie die Tür zum Kongresssaal öffnete, sah sie, wie die anderen drei Frauen schon geduldig warteten.

„Gebt mir Fünf!“, rief Madame Akaber ihnen zu und das Echo kam aus den drei Mündern folgsam zurück: „Gebt mir Fünf!“
 

Augenblicklich blieb Elphaba im Türrahmen stehen. ‚Ohne diese Dinge kann ich mit Glinda niemals in die Smaragdstadt gehen… Und gerade nach dieser Meldung müssen wir unbedingt wissen, was dort vor sich geht…’, dachte sie verzweifelt.

„Nein, ehrlich gesagt, brauche ich diese Sachen sehr dringend.“, sagte Elphie, als sie sich umdrehte und Lexana ansah.

„Ich helfe dir. Sag mir, was du brauchst und ich suche dir deine Sachen! Ich beeile mich auch!“, sagte die blonde Frau und rauschte an der Hexe vorbei in den Laden. Elphaba eilte hinter ihr her, obwohl sie viel lieber so schnell es ging zu Glinda geflogen wäre, um ihr diese Neuigkeiten mitzuteilen.

‚Wenigstens lebt Meredith noch…’, dachte sie bei sich und wäre beinahe in Lexana hineingerannt.

„Uff… Entschuldige!“

„Immer wieder gern!“, grinste Lexie und fragte dann schnell: „Also, was brauchst du?“

„Ich brauche etwas für mich zum Anziehen und etwas für .. meine Freundin, aber keine dunklen Farben!“, sagte Elphaba ebenso schnell und Lexie sah sie mit großen Augen an, sagte jedoch nichts.

„Alles klar, dann komm mal mit!“ Bei diesen Worten ergriff sie erneut Elphabas Hand und zog sie hinter sich her.

In sekundenschnelle hielt Lexie ihr verschiedene Kleidungsstücke an den Körper und murmelte dabei immer nur: „Ja… neee… hmm… vielleicht…“ Die Anziehsachen wechselten so schnell, dass Elphaba gar nicht erkannte, was sie da nun in den Arm gedrückt bekommen hatte.

„Fertig!“, rief Lexie aus und schob Elphaba in eine Umkleidekabine, „Na los, zieh dich um! Worauf wartest du?“

Elphaba sah, wie die Blondine sie anzwinkerte und zog elegant den Vorhang zu.

„Ich hatte eh nicht erwartet, dass du mich einlädst!“, hörte Elphaba nun die Lehrerin kichern, die nicht viel älter sein konnte, als sie selber. „Was ist deine Freundin für ein Typ?“, fragte sie unvermittelt und Elphaba blieb mit ihrem Kopf in dem dünnen, weißen Pullover stecken, die Lexie ihr ausgesucht hatte.

„Sie ist eine Frau!“, rief Elphaba durch den Pullover, in welchem sie feststeckte.

„Kommst du klar da drinnen?“

„Jaja!“

„Ich meinte eben, was für ein Typ Mensch sie ist. Trägt sie bunte oder einfarbige Sachen? Brünett oder blond?“

„Wofür musst du das wissen?“, keuchte Elphaba, als sie sich endlich durch das Kopfloch des Oberteils gezwängt hatte.

„Damit ich besser einschätzen kann, welche Kleidung ihr steht!“, antwortete Lexie geduldig, die langsam den Eindruck bekam, die Frau in der Kabine wäre etwas paranoid.

„Sie ist blond, schlank, etwas kleiner als ich, hat strahlend-blaue Augen, trägt gerne farbenfrohe Sachen – auch gerne mit Muster, vor allem Röcke. Aber sie will mal etwas anderes ausprobieren.“

„Welche Größe hat sie denn… Also Kleidergröße?“, fügte die Lehrerin schnell noch hinzu.

„Oh! Ich habe einen Zettel mit ihrer Größe darauf in meiner Handtasche, aber die hängt noch in der Küche. Könntest du sie mir mal bitte bringen?“

„Ja, klar, warte.

„Lexana?“

„Ja?“

„Könnte ich vielleicht eines der Neuigkeitenblätter haben?“

„Ich bringe dir eines mit!“

„Danke.“

Während Lexie wieder in die Küche eilte, zog Elphaba sich den grünen Rock an. Als sie in den Spiegel guckte, schrie sie erschrocken auf.

„Was ist passiert?“, hörte sie Lexies Stimme, die schnell näher kam.

Panisch suchte die grüne Frau nach ihrer Kette, die sie beim Umziehen verloren haben musste.

„Nichts! Nichts!“, versicherte sie etwas zu hektisch, als sie die Kette gefunden und wieder um ihren Hals gelegt hatte.

In letzter Sekunde sah sie, wie sich ihre Hautfarbe wieder änderte, als Lexie den Vorhang aufriss. Verwundert sah sie, wie die hübsche Schwarzhaarige auf dem Boden hockte und in den Spiegel blickte.

Elphabas Herzschlag pochte ihr in den eigenen Ohren.

„Deena? Alles in Ordnung?“, fragte Lexie verwirrt.

„Ja, ich ziehe mir nur die Schuhe an!“, grinste diese und hielt den rechten Sandalen hoch, welchen Lexie ihr ausgesucht hatte.

„Okaaay… Hier ist jedenfalls deine Tasche und das Blatt.“

„Danke!“, sagte Elphaba, zog sich auch den zweiten Schuh an und nahm ihre Tasche in Empfang. Aus dieser fischte sie dann den kleinen Zettel, welchen Glinda ihr geschrieben hatte und wollte ihn Lexie überreichen. Doch diese starrte Elphaba nur mit offenem Mund an.

„Lexana?“ Elphaba wedelte mit dem weißen Zettel vor der erröteten Nase herum.

„Deena, du siehst umwerfend aus! Aber…“

„Aber was?“

„Da fehlt noch was! Bin gleich wieder da!“, rief sie freudig und rannte, noch immer die Neuigkeitenblätter in ihrer Hand haltend, um die Ecke.

Elphaba drehte sich zum Spiegel um, der links von ihr stand und musterte sich selber diesmal von oben bis unten. Beim Anblick des grünen Rocks musste sie schmunzeln.

„Tada!“, singsangte Lexie, als sie wieder um die Ecke gerannt kam und hielt Elphaba eine kleine, elfenbeinfarbene Weste hin, ohne Ärmel. „Zieh das mal über den Pulli!“

Als die Hexe endlich fertig angezogen war, seufzte Lexie: „Perfekt.“ Sie stand hinter Elphaba, griff ohne Vorwarnung in die schwarzen Haare und löste den Knoten. Die rabenschwarze Seide fiel herab und Elphaba bekam Gänsehaut, als Lexie ihr die Haare von der Schulter schob.

„Bist du sicher, dass der Rock so grün sein muss?“

„Das ist kein grün! Das ist petrol! Aber ja, ich bin mir sicher, dass er diese Farbe haben muss! Wieso, magst du denn kein grün?“

„Nach 26 Jahren gewöhnt man sich an alles!“, lächelte Elphaba und nahm dabei Lexana das Neuigkeitenblatt aus der Hand.

„Was?“

„Ach, schon gut!“

„Wie dem auch sei, ich finde, dass du umwerfend aussiehst!“

„Wenn du das sagst, dann nehme ich das hier alles. Ach und hier ist der Zettel mit G… genauen Größen meiner Freundin!“

„Alles klar. Ich mache mich mal auf die Suche.“

„Ich werde mich in der Zwischenzeit wieder umziehen!“

„Ist gut! Passen die Schuhe denn? Ich meine, es sind zwar Sandalen, aber der Schnee wird nicht ewig halten! Das ist ja sehr selten der Fall!“

„Wie angegossen!“, antwortete Elphaba, als sie zurück in die Kabine ging. ‚Die Weste gefällt mir wirklich gut…’, dachte sie, als sie das Kleidungsstück von ihren Armen streifte und dann den Zettel in ihre Tasche steckte.

„Deena?“, hörte Elphaba nach kurzer Zeit schon wieder Lexies Stimme.

„Ja?“

„Sehe ich das hier richtig, dass deine Freundin auch neue Unterwäsche haben möchte?“

„Wie gesagt, sie möchte alles neu.“

„Dann sollte sie vielleicht mal ihre Haarfarbe verändern!“ In Lexies Tonlage schwang etwas Ironie mit, was Elphaba aber nicht bemerkte.

„So was geht?“

„Na klar. Auch ganz ohne Magie. Wir haben hier mehrere Farben zur Auswahl. Aber die halten nur ungefähr für neun Haarwäschen. Die, die länger halten, sind schwer zu kriegen. Soll ich dir eine davon geben?“

„Ich bin mir nicht sicher… Aber ja, wieso nicht! Das muss ja nicht gleich heißen, dass sie sie benutzt.“

„Wie wäre es mit brünett?“

‚Glinda und braune Haare…’, dachte Elphaba schmunzelnd. „Ja, bitte!“, sagte sie dann und blieb kurz darauf wieder in ihrem Pullover stecken.

„Himmel, Ballon und Oz!“, fluchte sie lautstark, was Lexie, die zwar um die Ecke stand und die Sachen für Deenas Freundin schon ausgesucht hatte, dennoch nicht entging. Schnell eilte sie zu der attraktiven Dame in der Umkleide, in der Hoffnung, sie könnte ihr behilflich sein…

„Alles klar da drinnen?“

Elphaba kam weder vor- noch rückwärts. Sie hatte darauf achten wollen, die Kette nicht ein weiteres Mal zu verlieren, doch da sie so enge Kleidung nicht gewohnt war, steckte sie nun wirklich fest.

„Ahm… Ich habe ein kleines Problem!“, gab sie zerknirscht zu. Ihr war nicht Wohl bei dem Gedanken, dass Lexana sie so sehen würde.

„Soll ich dir helfen?“

„Es geht nicht anders.“

Vorsichtig und mit einem leichten Kribbeln in den Fingern schob Lexana den Vorhang zur Seite. Die dünne Frau stand dort in schwarzer Unterhose und steckte offensichtlich in ihrem Pullover fest.

„Wie hast du denn das geschafft?“, kicherte sie nun und sog das Bild dieser umwerfend aufreizenden Beine in sich auf.

„Ich gehe nicht so oft einkaufen!“, gestand Elphaba und musste wohl oder übel auch kichern.

„Dreh dich mal um!“, sagte Lexie und Elphaba drehte sich mit dem Rücken zu ihr.

Als sie fühlte, wie Lexanas Hände sich an ihre Hüfte schmiegten und zärtlich den weißen Pullover in die Höhe schoben, spannte sich ihr gesamter Körper an.

Lexie fühlte die selten-weiche Haut unter ihren Fingerspitzen und am liebsten hätte sie den Pullover auch über die kleinen, aber durchaus ansprechenden Brüste der Frau geschoben.

„Ist das eigentlich deine Freundin oder… deine Freundin?“, hörte Elphaba die Stimme ganz nah an ihrem Ohr und sie bekam erneut Gänsehaut.

Elphie wusste, auf was Lexana hinaus wollte und ohne vorher darüber nachzudenken, antwortete sie: „Sie ist meine Frau!“ Das Wort ‚meine’ betonte Elphaba dabei noch einmal mit Nachdruck und bemerkte erleichtert, wie sich Lexies Griff lockerte.

„Oh, das ist aber schön…“, murmelte die Blondine, riss sich zusammen, griff nach Elphabas Hand, die irgendwo zwischen Pullover und Hals steckte und gab ihr den unteren Teil des Pullovers zu fassen, sodass Elphaba sich eigenständig ausziehen konnte.

Erleichtert, dass Lexie sie losgelassen und sie sich endlich aus diesem Ding befreit hatte, seufzte sie.

Lexana erhaschte noch schnell einen Blick auf die schlanke Frau in schwarzer Unterwäsche und mit diesem tollen Hintern, bevor sie den Vorhang wieder zuzog. Dann machte sie sich auf die Suche nach einer Haartönung.

Es dauerte keine zehn Minuten mehr, bis Elphaba wieder angezogen an der Ladentheke stand und Lexana dabei zusah, wie diese die ganzen Sachen in einer großen Tüte verstaute.

„Passt das alles in deine Tasche?“, fragte sie und lugte mit prüfendem Blick über die Ladentheke.

„Das passt schon!“, versicherte Elphaba ihr.

„Wenn du meinst. Ich mache dir eben die Rechnung fertig. Ich bin da ja nicht so geübt drin, wie Gunilla, also kann es ein bisschen dauern.“

„Kein Problem…“, nickte Elphaba und spielte gedankenabwesend an dem Schmuckständer, der links neben der Kasse stand.

Nach einer Weile unterbrach Lexies Stimme ihre Starrheit: „Oh, Deena. Willst du das nicht noch für deine Frau mitnehmen? Sie mag doch bestimmt gerne pink!“

„Wie – was?“, fragte Elphaba verwirrt.

„Die Kette, die du da in deinen Händen hast!“

Verwirrt blickte Elphaba auf ihre Hand und sah eine silberne Kette, mit einem grünen Herzchen, in welches ein pinkes Herzchen eingeharkt war.

„Nein, ich glaube…“

„Deena, ich bitte dich! Sie ist deine Frau und du trägst deinen Ehering nicht! Das mindeste, was du da für sie mitnehmen kannst, ist ein Schmuckstück!“

Verblüfft blickte Elphaba in die dunkelblauen Augen: „Ja, das wird mir vielleicht eine Freude bereiten!“

Als Lexie wissend grinste und Elphaba realisierte, was sie da gerade gesagt hatte, berichtigte sie sich schnell: „Ihr, meine ich! Ihr wird es…“

Doch Lexie winkte lachend ab: „Schon klar, Botschaft verstanden! Die Unterwäsche, die ich für sie ausgesucht habe, wird dir auch einiges an Freude bereiten!“

Elphabas Gesicht glich einer Tomate, was Lexie noch mehr kichern ließ.

„Tante Deena…“, schnüffte Frieda plötzlich, als sie in den Laden hineingehumpelt kam. Automatisch ging Elphaba in die Hocke, um auf einer Augenhöhe mit dem Kind zu sein.

„Hallo Frieda, da bist du ja wieder. Schön, dass ich dir noch ‚Auf Wiedersehen’ sagen kann. Wie geht es deinem Knie?“

Als Elphaba das Knie der Kleinen sanft tätschelte, hellte sich Friedas Miene auf und sie erzählte ‚Tante Deena’ von dem unglaublichen Sturz von der Treppe.

„Deena, deine Rechnung ist fertig.“, meinte Lexie leise und schob ihr einen Zettel zu.

„Warte mal kurz, Frieda!“, sagte Elphaba, richtete sich auf und wollte gerade die Rechnung bezahlen, als ein ohrenbetäubender Donnerknall alle anderen Geräusche ausblendete.

Erschrocken fiel Elphaba das Geld aus der Hand, welches Frieda sofort wieder aufsammelte.

„Glinda!“, hauchte sie panisch und drehte sich wieder zu Frieda um.

„Frieda, ich muss nun wirklich ganz schnell nach Hause. Meine Freundin hat immer ganz viel Angst, wenn es so laut gewittert.“

„Ich mag aber nicht, dass du gehst!“, protestierte das Mädchen und ihre violetten Augen füllten sich mit Tränen. „Ich wollte dir doch noch etwas Süßes geben und dir das Buch mit den Rosen zeigen!“, weinte sie.

Elphaba drückte Frieda kurz und flüsterte ihr dann etwas ins Ohr: „Ich verspreche dir, ich komme noch einmal her und dann bringe ich dir etwas Süßes mit. Aber jetzt muss ich wirklich gehen.“

„Zu deiner Freundin?“, schluchzte Frieda leise.

„Ja, genau. Meine neue, kleine Freundin lasse ich hier bei ihrer Mama, aber nun muss ich zu meiner großen Freundin, die schon auf mich wartet!“

Bei diesen Worten lächelte Frieda Elphaba an und drückte sie einmal fest.

Mit dem zweiten Donnerschlag erhob Elphaba sich und bedankte sich bei Nilla und Lexie für ihre Gastfreundschaft. Auch ihnen musste sie versprechen, noch einmal vorbei zu schauen und als sie schon den Türgriff in der Hand hatte, hörte sie Friedas Stimme.

„Tante, warte!“ Das Mädchen lief auf sie zu und hielt einen großen Regenschirm in den kleinen Händen.

„Damit du nicht nass wirst!“, sagte sie und hob den Schirm so hoch, wie sie nur konnte.

Fragend sah Elphaba zu Nilla und Lexie hinüber und deutete auf den Regenschirm.

„Schon gut!“, rief Nilla ihr durch das nächste Donnergrollen zu. „Den musst du nur irgendwann zurückbringen! Jetzt hast du einen Grund, noch mal herzukommen!“ Elphaba lachte, rief den beiden ein ‚Danke sehr’ zu und stand schon auf der Straße. Schnell klappte sie den Schirm auf und lief die Straße entlang, auf der eben noch zentimeterhoch der Schnee gelegen hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-10-31T09:44:35+00:00 31.10.2008 10:44
Also ich muss sagen, ich finde diese Fanfic einfach wunderbar. Würde mich freuen, wenn du schon bald die nächsten Kapitel hier reinstellst. Würde gerne erfahren wies weitergeht.

Mit freundlichen Grüßen
Nanoprophet


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