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Gedanken einer verlassenen Seele

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Gedanken einer verlassenen Seele

Genre: Wicked, nach dem Buch
 

Charaktere: G(a)linda (erwähnt werden Elphaba (Elphie), Nessarose, Doktor Dillamont, Ämmchen und Muhme Schnapp)
 

Ort/Zeit: Elphaba hat Galinda nach dem Besuch beim Zauberer verlassen. Sie muss alleine nach Glizz zurückkehren und den dort Verbliebenen erklären, wieso sie so plötzlich verschwunden sind, und wo Elphaba geblieben ist.
 

Gedanken einer verlassenen Seele
 

Regen fiel auf das gelbe Kopfsteinpflaster, während sich eine Kutsche langsam aber stetig in Richtung Glizz bewegte. Noch drei Tage, dann würden die Reisenden wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Vorbei wäre die tägliche Rast in einem möglichst billigen Gasthof, die Angst vor Überfällen, die in diesen Tagen allgegenwärtig war und bald wären auch die Gesichter der Mitglieder dieser kleinen Gruppe nur noch eine Erinnerung des Einzelnen.

Schaum tropfte vom Maul des PFERDES, während es sich abmühte, die vollgepackte Kutsche einen weiteren Hügel hinauf zu ziehen. Irgendwie schien es dem TIER als gäbe es nur noch Steigungen und kein Gefälle mehr.

Früher war das Ziehen von Kutschen eine Aufgabe von Pferden gewesen, nicht von PFERDEN.

Aber die Vergangenheit war vergangen und es konnte sich glücklich schätzen, dass der Kutscher insofern Mitleid mit ihm hatte, dass es seinen Hafer bei ihm verdienen durfte, solange es nur kein Wort von sich gab.
 

Die Peitsche knallte bedrohlich nahe an seinem linken Ohr und riss das PFERD aus seinen Gedanken von einer besseren Welt, in der es wieder als Architekt tätig sein konnte, so wie vor den Gesetzen des verhassten Zauberers. Mit einem Seufzen konzentierte es sich wieder auf die Mitglieder der Reisegruppe. Schon vor einigen Stunden hatten die letzten Gespräche geendet und vermutlich war auch das hübsche, blonde Mädchen, dass den ganzen Tag lang geweint hatte, inzwischen längst im Land der Träume. In einem Land ohne politische Unterdrückung vernunftbegabter TIERE und ohne den schrecklichen Schmerz den dieses Mädchen, diese Elphaba in ihr hervorgerufen hatte.

Nur zu gerne hätte das PFERD sie gefragt, was ihr zugestoßen war. Es hätte sie mit seinem warmen Maul angestupst, gewiehert und ihr gesagt, dass alles besser werden würde.

Aber derartiges Verhalten war ihm verboten.
 

Die Peitsche sauste ein weiteres Mal durch die Luft und das TIER beeilte sich das Denken möglichst schnell wieder aufzugeben.

Für das Denken wurde es nicht bezahlt.

Nicht mehr.
 

Im Inneren der Kutsche brannte eine kleine Öllampe.

Leise quietschend erinnerte sie die Reisenden an jeden Stein, jede Rille und jeden Huckel, den die Räder erbarmungslos in den Boden zu drücken versuchten. Das Schnarchen einer kleinen, dicken Frau unterbrach das rhythmische Quietschen und Klappern und hin und wieder wechselte ein anderer Reisender umständlich die Position auf dem durchgesessenen Sitzpolster.
 

Galinda konnte nicht schlafen. Seit ihrer Abreise hatte sie noch kein Auge zu getan. Weder in den stickigen, kleinen Gasthöfen in denen sie hin und wieder einkehrten, noch in der Kutsche, die täglich bis spät in die Nacht hinein fuhr um sie zurück nach Glizz zu bringen.

Zu tief saßen die Gefühle.

Zu tief saß Angst und Trauer.

Zu tief saß die Erinnerung.
 

Die Feder kratzte auf dem Papier und Glindas schöne, gleichmäßige Handschrift, mit den vielen, voluminösen Schnörkeln wirkte heute krakliger als sonst:
 

Mein herzallerliebstes Tagebuch!
 

Heute ist einer der schrecklichsten Tage meines Lebens. Das mag dich jetzt überraschen, schließlich bin ich schon fast wieder zurück in Glizz und weit fort von der Smaragdstadt, dem Zauberer und all den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage. Es sollte mir besser gehen, je mehr Abstand ich gewinne, doch das tut es nicht.
 

Hier sitze ich, alleine und verlassen, ohne eine Freundin in einer Kutsche, drei weitere Tagesreisen von meinem geliebten Glizz entfernt. Meine Augen sind von all den Tränen, die ich in den letzten Stunden geweint habe, ganz verquollen. Sie ist fort. Einfach fort.

Elphie ist fort.

Ich hätte sie nie alleine zurückgelassen, doch wie immer ließ sie mir keine Wahl.

Ich weiß noch nicht, wie ich es ihrer Muhme erklären soll. Sie ist so ein herzensguter Mensch und es wird ihr das Herz zerreißen zu erfahren, dass Elphaba uns verlassen hat.

Und was ist mit Nessarose?

Wie soll ich ihr je wieder in die Augen blicken?

Was soll ich ihr sagen?

Ich habe nicht einen Hut verloren, oder einen ihrer Handschuhe. Wobei, ich bezweifle, dass Nessarose Verwendung für Letztere haben wird. Immerhin ist es schwer nicht vorhandene Hände zu wärmen.

Mein Vergehen ist – denke ich – unentschuldbar.

Ich habe ihre Schwester verloren.

Verloren...
 

Jedes Mal wenn ich meine Augen schließe, kann ich Nessa vor mir sehen.

Sie ist so voller religiösem Eifer und voller Hass auf mich.

Wird sie mir je vergeben können, dass ich sie verloren habe?

Was werden die Anderen denken?

Werden sie mit den Fingern auf mich zeigen?

Freundin-Verliererin!

Wieso habe ich die Kutsche nicht gestoppt?

Ich hätte ihr nachrennen können.

Wieso konnte ich nur nicht?
 

Elphaba.

Was ist wenn ihr etwas zustößt?

Die Stadt ist so groß, so weit, so gefährlich.

Ein Mädchen sollte nicht alleine auf Reisen gehen...

Ich wollte es Muhme Schnapp nicht glauben, als sie es zu mir sagte.

Und nun?

Nun ist sie auch nur noch eine Stimme der Vergangenheit.

Ein weiteres Opfer meiner Unfähigkeit.

Ach, hätte ich doch nie so eine dumme Lüge erfunden. Nie hätte ich ihr diese Krankheit an den Hals wünschen dürfen. Sie starb wegen meiner Dummheit.

Und Doktor Dillamont?

Wer wird sein Andenken ehren, wenn Elphie uns verlässt?

Ob ich sie je wieder sehe?

Elphaba!

Oh, ich werde ihr die Augen auskratzen!

Das sie mich so verlassen hat!
 

Ach Elphie...

Bitte, bitte komm zu uns zurück.
 

Deine verzweifelte Glinda.
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Von:  WhirlwindVio
2011-01-26T14:28:17+00:00 26.01.2011 15:28
Ich kenne das Buch nicht, nur das Musical. Deshalb ist mir die Thematik zwar (relativ) vertraut, die Szene aber fremd. ^^
Macht aber nichts.

Die Gedanken des PFERDES haben mir sehr gut gefallen. Ich finde es sehr schön, dass du auf die Lebensumstände der TIERE nochmal eingegangen bist, anstatt nur den Weg und den Tagebucheintrag Glindas zu (be)schreiben.
Der Eintrag ist super. Passt stilistisch sehr gut zu der schillernden Frau.
'Freundin-Verliererin' xD. Herrlich.
Aber, da ich ja das Buch nicht kenne, drängt sich mir die Frage auf: Wer genau ist wegen ihrer Dummheit gestorben?!

Mir gefällt, btw, auch, dass Glinda in ihrem Gram keinen einzigen Gedanken an das Pferd verschwendet, das schließlich auch ein PFERD sein könnte. Sieht so aus, als hätte sich das Gesetz sehr schleichend durchgesetzt.
Von:  Dragoness
2009-07-20T13:27:04+00:00 20.07.2009 15:27
Wow...
Ich muss ehrlich zugeben, als ich das Buch gelesen habe, habe ich mir absolut keine Gedanken darüber gemacht, was Glinda in dieser Szene wohl dachte.
Du hast ihre Sicht großartig wiedergegeben! Fast schade, dass es so kurz ist. ;)

Sehr gut gelungen finde ich übrigens auch den Anfang, mit dem PFERD.

Gruß,
Dragoness


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