Autsch
Bitte Lesen - könnte wichtig sein =)
Hi alle zusammen.
Nachdem hier alle so brav eure Kommentare geschrieben habt, und dann noch so hübsche und lange, hab ich mich schön brav vor die Tastatur gesetzt und n neues Kapitelchen geschrieben.
Nicht erschrecken. Ist etwas melodramatisch und düster. Ich hatte das Glück, echt verdammt mies drauf zu sein und deshalb ist es -glaub it/hoffe ich- auch besonders gelungen. Jedenfalls hatte ich gedacht, mir fällt nur Mist ein, aber es ist doch sehr viel Inhalt zusammengekommen *freu*
Warnung: Diese....Kreatur ist nicht beta-gelesen und enthält mit Sicherheit dutzende Flüchtigkeitsfehler. Wenn ihr sie findet, seht sie als Ostereier an. Wenn ihr wollt, könnt ihr mir die Passagen melden und mir helfen, es ein wenig anschaulicher zu Gestalten. Ich mag den Mist nich nichmal durchkauen, weil ich a eh nicht alles finde und b es mir gerade wieder besser geht und ich nicht nochmal so tief runtergezogen werden mag. Jedenfalls nicht mehr heute Nacht.
Genug Geschwafel. Viel spaß mit dem Deck =)
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Sibirien, Todesberg, Mitte Dezember
Er war sich nicht sicher, ob es ein dumpfer Schlag, ein Aufprall nach einem Sturz aus großer Höhe, ein Erdbeben oder bloß ein lautes Geräusch war. Was auch immer er gerade verspürt hatte, es schien ihn geweckt zu haben. Dabei konnte er sich gar nicht daran erinnern, geschlafen zu haben. Er dachte angestrengt nach, was soeben passiert sein könne.
Er entsann sich an eine gepflasterte Straße.
Wohin hatte sie geführt?
War es wichtig gewesen?
Ihm war heiß und schwindelig.
Langsam öffnete er seine Augen und versuchte den Kopf zu heben. Er lag auf dem Bauch. Auf irgendetwas.
Vor ihm bewegten sich mehrere Silhouetten. Kamen sie auf ihn zu? Es war unmöglich zu sagen. Sie waren zu verschwommen. Auch konnte er nicht mit Sicherheit sagen, ob er Stimmen vernahm, oder Musik, oder nur das heulen des Windes.
Wind.
War er nicht erst kürzlich in der Tundra gewesen?
Überall lag Schnee. Er konnte sich noch genauestens daran erinnern. Als sei es gestern gewesen. Oder doch nur ein seltsamer Traum. Er wusste es nicht.
Die Silhouetten wuchsen. Kamen sie näher? Waren es Menschen?
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Es war Nacht geworden. Wind und Schnee hatten nachgelassen. Vom lauten Heulen des Sturms war nicht mehr viel übrig.
Den ganzen Tag, ohne eine einzige Unterbrechung, war sie gelaufen. Ein paar Mal hatte sie noch versucht, Kai etwas Wasser zu verabreichen, doch er lief vielmehr Gefahr, daran zu ertrinken, als dass es irgendetwas genützt hätte.
Auf ihre Fragen antwortete er nicht mehr. Überhaupt reagierte er nicht mehr. Auf gar nichts.
Der Tod, so kam es ihr in den Sinn, hatte viele Gesichter. Ihr wurde mehr und mehr bewusst, was das eigentlich bedeutete. Immer wieder zählte sie sie auf. Rauf und runter. Vielleicht um festzustellen, ob neue hinzugekommen waren. Vielleicht, um bei Verstand zu bleiben. Vielleicht, um bei Bewusstsein zu bleiben.
Erfrieren, verdursten, ersticken, ertrinken, Fiebertod, septischer Schock, Organversagen, Entkräftung, Verhungern, Tod durch Sturz, durch eine Verletzung, sei es ein Knochenbruch, ein Messerstich, ein Schuss oder ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand. Tod durch Verbrennung, Folter, Stromschläge.
Unerbittlich setzte sie einen Fuß vor den anderen.
Wenn sie stehen blieb, holten die Gesichter sie ein. Sie beide. Ihn und sie.
Hätte sie nur die Wahl gehabt. Die Möglichkeit zu verhandeln. Jedem einzelnen Tod wäre sie in die Arme gelaufen, wenn nur er hätte weiterleben dürfen.
Ihr Körper schmerzte. Die Kehle war trocken und wund vom Röcheln nach Luft. Ihre Nase spürte sie schon nicht mehr. Genauso wenig ihre Beine. Sie konnte nicht sagen, ob sie taubgefrohren oder gar dabei waren, abzusterben. Vor einigen Stunden hatte sie gespürt, wie die Geschwüre und Blasen an Solen, Zehen und Fersen alle nach einander aufplatzten und ihren Inhalt, sei es Blut oder Wasser oder beides gewesen, ins Innere ihrer Stiefel flossen, die Haut weiter aufquollen ließen und den weiteren Wundrieb nur noch beschleunigten. Sie erinnerte sich an unbeschreibliche Schmerzen an ihren Füßen. Doch wirklich gespürt hatte sie ihn nicht.
Seit mehr als 48 Stunden hatte sie weder gegessen noch getrunken. Ihr Magen hatte nicht mehr aufhören wollen zu knurren, während das dröhnende Hämmern in ihrem Haupt, das bis in den Nacken und die Augenhöhlen ausstrahlte, immer stärker wurde.
Nun schwiegen sie beide.
Das Brennen in ihrem Innern hatte sie alle zum Stillschweigen gezwungen.
Es widerstrebte ihr, die Warnsignale ihres Körpers nicht ernst zu nehmen. Jedenfalls nicht in dieser Größenordnung.
Außer sie hatte keine Wahl.
Stets hatte sie versucht, normal zu sein und mit normalen Mitteln auszukommen. Sich nicht dessen zu bemächtigen, das allen anderen verwehrt blieb. Sie wollte dieses Privileg nicht. Hatte es nie gewollt. Doch sie musste es akzeptieren. Um seinetwillen.
Sie erinnerte sich an den, der es ihr vermacht hatte. Den, der davon besessen war, sie als Waffe einzusetzen. Den, der letztendlich daran scheiterte und sie letztendlich als missglücktes Experiment zu den Akten legte. ‚Wertlos‘
An ihre Eltern, die sie verkauft hatten. Verraten hatten. Sie ausgeliefert hatten. Als nichts als eine Investition gesehen hatten, und sie nicht mehr wollten, nachdem auch sie von ihrer Wertlosigkeit überzeugt waren.
Sie erinnerte sich an seine Eltern. Ihre Sanftmut. Ihre Gutmütigkeit. Die schwere Bürde, die sie ihr auferlegten. Das Versprechen. Das Versprechen, welches zugleich Leben und Tod bedeutete.
Tod ihres früheren Lebens. Tod ihrer Eigenständigkeit. Tod ihrer Hoffnungen, Ziele, Wünsche, Träume, Individualität. Ihr Tod.
Und doch bedeutete dieses Versprechen Leben. Sie würde am Leben bleiben. Sie würde um ihr Überleben kämpfen. Kämpfen wollen. Denn sie hatte eine Aufgabe. Sie hielt sie am Leben. Sie gab ihr einen Sinn. Sie nahm den Platz der Dinge ein, die sie verloren hatte – durch das, was sie in diese Situation brachte, durch ihre Eltern und letztlich durch das Versprechen selbst.
Leben bedeutete auch, damit zu leben. Mit dem Brennen in ihrem Innern. Mit ihrer Andersartigkeit. Mit ihrer Einsamkeit.
Was anders war, wurde schon immer ausgegrenzt oder bekämpft. Es machte den Menschen Angst. Sie machte ihnen Angst. Denn sie war es, die anders war. Die unheimlich war. Und selbst wenn sie anfangs keine Gefahr darstellte, sie lernte schnell, ihr Privileg zu nutzen und jene zu strafen, die sie straften – ohne Grund. Die sie misshandelten – ohne Grund. Die wegschauten – ohne Grund. Doch als sie sich wehrte, sahen sie hin. Und schlugen zurück.
Ihr Leben lang hatte sie es verflucht. Nie hatte sie ein wirkliches Leben ohne es kennen lernen dürfen. Und doch wusste sie, war sie überzeugt, dass es eines gab und dass es auch ihr zustünde. Der Gedanke an dieses üblicherweise ausgeblendete Wissen ließ sie jedes Mal erzürnen. Fachte das Brennen in ihrem Herzen an. Brachte ihre Augen zum Glühen.
Doch dies war es nicht, das sie am Leben hielt.
So sehr sie die Fantasie an ein solches normales, gleichwertiges Leben mochte, sie wusste genau: Nur in ihrer Fantasie konnte sie danach greifen. Streckte sie ihre Hand in der Realität aus, zersprang es wie unter Spannung stehendes Glas.
Dies war nicht für sie vorgesehen. Es war nicht ihr leben. Nicht ihr Schicksal. Es sollte niemals ihre Welt sein.
Was sie wirklich vorantrieb, war etwas völlig anderes.
Es war das Versprechen, jenes sie voranpeitschte. Stärker war als der Wind. Stärker war als die Schwerkraft. Als alle physischen Schmerzen. Als jegliche Form von Abneigung. Stärker als all die Gefühle, die Kai mit seiner Respektlosigkeit und mangelnden Anerkennung, mit seinen Intrigen und seiner Selbstsucht verletzt hatte. Stärker als jeglicher Hass und Zorn, den er dafür verdient hätte. Er konnte sie noch so oft verraten. Sie würde ihn bis ans Ende der Welt tragen. Auf den Stümpfen ihrer verfaulten Füße, wenn es sein musste.
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Er fühlte, wie er getragen wurde. Hatte man ihn aufgehoben?
Der Schmerz in seinem Rücken hatte nachgelassen. Ebenso das Brennen in seinem Innern. Nur sein Arm schmerzte.
Seine Umgebung veränderte sich. Immer deutlicher, so glaubte er, konnte er Stimmen um sich herum vernehmen. Vielleicht befand er sich in einem Gebäude. Es war plötzlich so hell geworden.
Immer unsanfter wurde er bewegt. Man zerrte und zog an ihm.
Plötzlich spürte er etwas in seinem Rücken. Eine Fläche. Hatte man ihn hingelegt? Etwas auf ihn gelegt? Lag er in einer Hängematte? Auf einem Floß? Einer Streckbank? Ständig verlagerte sich die Schwerkraft. Ein paarmal hatte er das Gefühl, herunterrutschen oder gar fallen zu müssen, doch er blieb haften.
Eine Hülle wurde von ihm abgezogen. Wurde er entkleidet? Welche Kleider trug er? Hatte er überhaupt welche bei sich?
Jemand fasste ihm ins Gesicht. Öffnete seinen Mund. Spreizte seine Lider. Blendete ihm. Dann steckte man ihm etwas ins Ohr.
Man stach ihn in den Arm. Hantierte lange an der Stelle herum.
Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, doch sein Körper rührte sich nicht.
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Immer stärker wurde das Brennen. Und immer schwerer war es zu kontrollieren.
Es schaltete den Schmerz aus. Es betäubte das Gefühl von Hunger und Kälte. Es schärfte ihre Sicht, ihre Konzentration.
Es sprengte die physischen Fesseln.
Es ermöglichte die unmöglichen hundert Prozent.
Mehr.
Es ermöglichte ihrem ausgelaugten Körper, Kai und den schweren Rucksack kilometerweit zu Tragen. Es ermöglichte ihr, selbst bei dieser Dunkelheit klar zu sehen. Es ermöglichte ihrem Körper, ohne Nahrung und Schlaf auszukommen. Doch es übernahm die Kontrolle.
Es hatte sie bereits übernommen.
Unterband sie es, fiel sie um.
Ihr Körper war nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft zu stehen geschweige denn weiterzulaufen. Vermutlich würde sie innerhalb weniger Minuten sterben.
Er war zu schwach.
Sie selbst wurde schwächer. Bald würde sie endgültig die Kontrolle verlieren. Unter allen Umständen musste sie vorher stehen bleiben.
Immer stärker wurde das Brennen. Sie konnte den Boden unter ihren Füßen nicht mehr spüren. Die Last auf ihren Schultern wurde schwerelos. Deutlich fühlte sie, wie ihre Muskeln arbeiteten. Wie eine feuersgleiche Hitze sie durchströmte. Wie sie pulsierten. Wie sie wuchsen. Wie sie den Overall dehnten und die ersten Nähte sprengten.
Immer schneller wurden ihre Schritte. Immer größer und weiter. Sie begann zu rennen. Zu sprinten. Zu rasen. Ihr Puls jagte. In den Synapsen ihres Gehirns tobten Stürme.
Der Geschmack von blankem Eisen verriet ihr, dass ihre Eckzähne sich durchs Zahnfleisch schnitten. Auch sie wuchsen. Ihre Fingernägel folgten ihrem Beispiel.
Es tat nicht weh.
Endlich.
Vor ihr tauchten die ersten Lichter auf. Im Dickicht eines kleinen Tannenhains vergraben befand sich eine kleine Siedlung. Sie hatte sie gefunden. Kai hatte sich nicht geirrt.
Licht brannte. Die Häuser waren bewohnt. Ob es hier so etwas wie eine Arztpraxis gab? Jedenfalls kein Krankenhaus. Aber vielleicht, nur vielleicht, konnten sie wenigstens Kai retten.
Sie begann langsamer zu laufen und holte tief Luft. Dann rief sie so laut sie konnte. Irgendetwas. Doch es war laut. Lauter als ein Mensch rufen konnte. So laut, dass Schnee von den Tannen regnete und in dicken pulvrigen Lawinen auf den Boden klatschte.
Sie verstummte.
Dann holte sie erneut Luft. Rief so laut, dass sich ihre Stimme überschlug. Als sie inne hielt, spuckte sie Blut.
Flammen schossen in ihrem Inneren empor. Ihr Körper brannte innerlich bis in die kleinste Zelle. Ihre Fingerkuppen, selbst ihre Haarspitzen, alles loderte. Das Feuer durchströmte sie, als hätte es das Blut und sämtliches Gewebe entfernt.
Es war so weit.
Jetzt musste sie aufhören.
Mit einem kläglichen kratzigen Schrei befehligte sie alle Kraft zum Stillstehen und zur Rückkehr in ihr Innerstes. Binnen Sekunden empfand sie nichts als einen einzigen fürchterlichen Schmerz. Kein Zentrum, kein Pulsieren, kein Stechen, kein Ziehen, keine Quelle, kein Ausstrahlen. Nur ein einziger unbeschreiblicher Schmerz, der sie ganz und gar ausstopfte. Er überlagerte den Hunger, die Kälte, die Erschöpfung, selbst ihre Sinne. Sie Verlor die Orientierung. Wie ein Sandsack kippte sie nach vorne und landete auf dem viel zu schweren Rucksack. Kais Gewicht drückte auf sie. Doch sie spürte auch jetzt nichts davon. Alles wurde von dem einzigen großen Schmerz verschluckt.
Als endlich eine Tür aufgestoßen wurde und eine oder mehrere Personen sie entdeckten, wusste sie: Kai war in Sicherheit. Sie verlor das Bewusstsein.