Zum Inhalt der Seite

The Elusive Ryders

It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. (Jane Austen)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prologue

Herzogtum Albany, Cambridgeshire, Dezember 1818
 

Ein Tag, der in die Familienannalen eingehen würde: Sheldon Ryder, der sechste Duke of St. Albans hatte soeben in der Familienkirche des Herzogtums die ehrenwerte Lady Germaine Brewster zu seiner Frau gemacht. Besser bekannt war Sheldon unter seinem Beinamen „Hellraiser“, der mit Mitte Dreißig der gefragteste Junggeselle in den Reihen der „Elusive Ryders“ gewesen war. Schwer zu fassen, jedenfalls für den Teil der Damenwelt, die Heiratsabsichten hegten. Immerhin war er das Oberhaupt einer der mächtigsten Familien des Landes und zudem unermeßlich reich.

Die zwei Brüder (Sheldon & Ridley) und vier Cousins (Sinclair, Hughie, Russell & Ainsley), die ungefähr im selben Alter waren, bildeten seit Kindertagen ein unzertrennliches Gespann und eine uneinnehmbare Festung. Nun hatten sie ihren Anführer verloren und sein Fall schien ein neues Zeitalter einzuläuten, denn er war immer der Wegweiser der Bande gewesen, er hatte allein wegen seiner außerordentlichen Stellung und seines Alters immer alles zuerst gemacht und in der Regel waren ihm all die anderen Ryders gefolgt.
 

In der feinen Gesellschaft würden die „Elusive Ryders“ nun mit Argusaugen beobachtet werden. Und man würde die Herren mit weiblicher Aufmerksamkeit verfolgen, die den Herren zwar jederzeit willkommen war, aber sicher nicht wenn diese bedeutete, in den bisher so erfolgreich vermiedenen Ehehafen einzuschippern.

Zwischen ihnen liefen schon Wetten, wer der Erste sein würde, der Hellraiser in die sprichwörtliche Hölle folgen würde. Die aussichtsreichsten Kandidaten waren Ridley Ryder (Riddle), Sheldons drei Jahre jüngerer Halbbruder, sowie Sinclair Ryder (Spirit), dessen ältester Cousin und bester Freund. Diese Wette wurde von Sheldon selbst verwaltet, von der anderen teilten ihm seine Freunde nichts mit, da sie nicht wollten, daß die neue Duchess Wind davon bekam. Es ging dabei darum, wann man den nächsten Erben von St. Albans erwarten durfte. Eigentlich eine unerhörte Wette, aber von Konventionen hatten sich die Ryders noch nie abhalten lassen, das zu tun, was ihnen Spaß machte.
 

Germaine war eine bezaubernde Lady, aber sie würde ihnen diese Frechheit garantiert nicht ungestraft durchgehen lassen, wenn sie davon erfuhr. Die „Elusive Ryders“, einschließlich Hellraiser, hatten einen Heidenrespekt vor der patenten, jungen Dame, auch wenn man nach außen hin den Eindruck bekommen konnte, daß der Duke ein übler Tyrann war.

Die Ryders waren von jeher als furchtlose Kämpfer und respekteinflößende Großgrundbesitzer bekannt gewesen, die es verstanden, ihren Einfluß, ihre Macht und ihr Vermögen über Jahrhunderte hinweg stetig zu vermehren. Sie bildeten immer eine geschlossene Einheit und genossen hohes Ansehen bei Hofe und in der feinen Gesellschaft. Dies galt auch für ihre Frauen, weshalb es der Traum jeder Debütantin war, einen dieser ehescheuen Männer für sich einzufangen. Denn man sagte ihnen auch nach, daß die Ryder-Ehen zu den glücklichsten Verbindungen gehörten, die man als junge Dame der Gesellschaft anstreben konnte, mal abgesehen von den gehobenen gesellschaftlichen Stellung, die man dadurch erhielt.

Aber dazu musste man das Interesse dieser Männer erst nachhaltig wecken. Und was noch viel schwieriger war, sich in die Herzen dieser Männer stehlen, die sie so gegen die Eroberung durch das weibliche Geschlecht schützten.

Dies hier ist die Geschichte jenen Ryders, der den Fußstapfen des großen Hellraisers folgen sollte…
 

Fortsetzung folgt...
 

Anmerkung des Autors:

In der Regency-Ära wurden bekannten Mitgliedern der feinen Gesellschaft oft Beinamen gegeben, wenn sie eine herausragende Stellung einnahmen oder besonders bedeutsam waren.
 

Die begehrten Junggesellen der Familie Ryder erhielten den Beinamen "elusive" (zu Deutsch: schwer zu fassen), weil sie den heiratswütigen jungen Damen bisher stets entkommen konnten. Hier eine kleine Übersetzungshilfe, falls es mit den Spitznamen der einzelnen Herren Probleme geben sollte:
 

Hellraiser - Sheldon (Teufelskerl)

Riddle - Ridley (Rätsel, jüngerer Bruder von Sheldon))

Spirit - Sinclair (Temperament)

Deuce - Hughie (die Zwei beim Würfeln, jüngerer Bruder von Sinclair)

Storm - Russell (Wirbelsturm)

Blaze - Ainsley (Blesse, jüngerer Bruder von Russell)

Meet Thy Fate

Herzogtum Albany, Cambridgeshire, Februar 1819
 

„Tante Alberta… Ich würde gern einen Spaziergang machen. Habe ich Ihre Erlaubnis, Madam?“, fragte Miss Amy Graham beinahe wie beiläufig, während sie ihren Blick nicht von dem Stickrahmen anhob, an dem sie mit ihrer jüngeren Cousine Melody arbeitete.

Die Damen saßen seit Beendigung des Frühstücks im Morgenzimmer beisammen und Amy wurde die Stille in dem Raum immer unerträglicher. Sie mußte beständig die Stiche von Melody auflösen, weil die junge Frau wenig Geduld für so feine Näharbeiten aufbrachte, egal wie oft man sie ermahnte, kleinere Stiche zu setzen.

Sie war nun schon seit über einem Monat hier in Pelham Hall zu Besuch, aber wenigstens hatte sie die Weihnachtsfeiertage bei ihrer Familie verbringen dürfen, bevor ihre Stiefmutter Lady Alicia sie sozusagen aufs Land verbannt hatte.

Lady Alberta Pelham war nicht ihre leibliche Tante, aber ihr Vater Viscount Barrington war mit deren jüngeren Schwester Alicia verheiratet. Wenn ihre Stiefmutter sie nicht um sich haben wollte, wurde Amy einfach zu Lady Pelham aufs Land geschickt, die immer eine Verwendung für eine unbezahlte Gesellschafterin fand, die ihr gekonnt die häuslichen Pflichten abnahm. Amy mochte einen Makel in ihrem Stammbaum aufweisen, aber sie war zu einer jungen Dame erzogen worden, die später einem herrschaftlichen Haushalt vorstehen sollte, wenn es nach den Plänen ihres Vaters ging.

Amy dagegen schwebte ein ganz anderes Leben vor, weil sie schon lange den Glauben an die Institution der Ehe verloren hatte…
 

Es war zwar kalt, aber glücklicherweise lag kein Schnee, so daß Amy ihre Tante Alberta davon überzeugen konnte, einen Spaziergang außerhalb des heimischen Grundstückes machen zu. dürfen. Über einen kleinen Pfad, der von einem Seitenportal von Pelham Hall aus zu erreichen war, suchte Amy Zuflucht im angrenzenden Wald. Dort hatte sie bei einem ihrer letzten Aufenthalte hier eine kleine Holzfällerhütte entdeckt, die zu dieser Jahreszeit leer stand, weil die Arbeiten im Winter natürlich ruhten.

An diesem verlassenen Ort konnte sie in Ruhe ein Buch lesen oder vor sich hin träumen, wenn ihre Tante zu anstrengend wurde. Bei der Kälte würde sie auch ein Feuer im Kamin anzünden können. Amy hatte das letzte Mal genug trockenes Holz gesammelt, so daß es bestimmt für einige Stunden brennen würde. In ihrem kleinen Täschchen, das sie um ihr Handgelenk trug, hatte sie Zündhölzer bei sich. Sie war keine hundert Meter von der Hütte entfernt, als sie einen Schuß hörte und nach einigen Augenblicken fielen fast gleichzeitig zwei weitere Schüsse, die in dem stillen Wald widerhallten und in ihren Ohren dröhnten.
 

Amy fuhr erschrocken zusammen, weil gerade keine Saison für die Jagd war, und huschte ins Unterholz, um sich an die Hütte heranzuschleichen. Ihr Buch ängstlich an die Brust gepreßt duckte sie sich hinter einen dichten Brombeerbusch und sah wie zwei Männer und eine Frau sich über einen am Boden liegenden Mann beugten. Sie war aber zu weit entfernt, um die Worte zu verstehen, die sie miteinander wechselten.

Augenblicke später hörte man das Aufschlagen von Pferdehufen, dann kamen vier Reiter auf die kleine Lichtung herangaloppiert. Jeder der Männer war groß gewachsen, breitschultrig und wirkte sehr dominant. Amy wußte nun, wer da vor ihr stand. Es mußten die berüchtigten Männer des Ryder Clans sein, von denen ihr Lady Pelham erzählt hatte. Tante Alberta hätte jeden einzelnen von ihnen nur zu gerne an der Seite ihrer Tochter Melody gesehen. Allerdings trugen sie ihren Spitznamen nicht umsonst. Bis auf das Familienoberhaupt, Sheldon Ryder, dem sechsten Duke of St. Albans, hatte bisher keiner der Herren irgendwelche Heiratsabsichten gezeigt.
 

Die Männer beratschlagten über den auf dem Boden liegenden Körper hinweg etwas, dann nahmen zwei den inzwischen Verstorbenen bei den Armen und schleiften ihn in die Hütte. Die anderen entledigten sich ihrer Oberbekleidung und bald schlugen sechs halbnackte Männer die Holzhütte kurz und klein, während die junge Frau draußen auf einem Schaukelstuhl sitzend zusah. Amy wagte nicht, sich zu bewegen, was würden die Männer mit ihr machen, wenn sie wüßten, daß sie ihnen zusah?

Sie hatte nie noch zuvor Männer gesehen, die so wild und gefährlich aussahen, obwohl sie doch angesehene Mitglieder der Gesellschaft waren. Alle sechs blickten grimmig und entschlossen, ihre Aufgabe zu Ende zu bringen. Sie fühle sich an die Abenteuergeschichten erinnert, die ihr kleiner Halbbruder so gerne las. Amy wollte sich nicht einmischen, aber sie konnte doch nicht zulassen, daß ein Mensch einfach umgebracht wurde. Genau genommen war sie vollkommen machtlos.

Würde ihr überhaupt jemand glauben, wenn sie die Ryders einer solchen Tat beschuldigte? Inzwischen hatten die Männer die Hütte angezündet und die Flammen loderten auf und leckten gierig an dem trockenen Holz. Amy atmete tief durch, sie mußte sofort unbemerkt von hier fortkommen und wieder nach Hause zu ihrem Vater fahren, egal was ihre Tante dazu sagte. So leise wie möglich schlich sie davon, um schon am Abend ihre Rückreise zu verkünden, obwohl Lady Pelham sie nur ungern ziehen ließ, da sie Melody so gut beschäftigte.
 

~~~

September 1819

Amy war froh, daß die Londoner Saison zu Ende war und sich die Familie endlich aufs Land begab, wo die Jagdsaison begangen werden würde. Ihre Stiefmutter, Lady Alicia Graham, hatte versucht, sie mit jeden Mann, der auch nur das geringste Interesse an ihr gezeigt hatte, zu verkuppeln. Dabei war es der Dame völlig egal gewesen, daß einige der Herren gut und gerne ihr Großvater hätten sein können.

Lady Alicia wollte sie anscheinend sehr gerne loswerden, obwohl Amy alles tat, um sich mit ihr anzufreunden. Seit fast fünf Jahren nun führte Amy ihr nun den Haushalt und kümmerte sich um ihre Kinder. Sie tat das gerne, sie liebte Kinder über alles und betete ihre drei Halbgeschwister förmlich an. Peter, der Erstgeborene war inzwischen elf und war nun wieder zurück am renommierten Winchester College, von dem er nur in den Ferienzeiten nach Hause kam, die kleineren Geschwister Christian, er war sieben, und Annabelle, die gerade vier geworden war, blieben vorerst bei ihren Nannies in der Stadt. Amy hatte sie nur ungern zurückgelassen, aber ihre Stiefmutter wollte, daß sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete, den Haushalt ihres Vaters für die geladenen Gäste vorzubereiten.
 

Lady Alicia sonnte sich derweil in der Aufmerksamkeit der Londoner Gesellschaft und genoß die Besuche der zahlreichen Gentlemen, die um ihre Gunst warben. Amy selbst mußte nur noch eine Saison überstehen, dann hatte ihr Vater ihr fest versprochen, daß sie von ihm eine Apanage erhalten würde, mit der sie sich ihren Traum endlich erfüllen konnte. Sie wollte sich in ihr Heimatdorf zurückziehen und dort eine Schule für Bauernkinder und andere von der Gesellschaft Benachteiligte gründen, um ihnen Bildung zu vermitteln oder wenigstens Grundkenntnisse, damit sie einmal ein besseres Leben führen konnten.

Das waren nicht unbedingt die Pläne einer feinen Dame, aber sie lagen in ihrer Kindheit und ihrer frühen Erziehung begründet. Das Schicksal hatte sie in Kreise gehoben, denen sie sich noch nie zugehörig gefühlt hatte.
 

Als Amy zwölf geworden war, hatte ihr Vater unerwarteterweise den Titel des Viscount geerbt, weil es einige überraschende Todesfälle in der Erblinie der Grahams gegeben hatte. Bis dahin war er nur der jüngere Sohn gewesen, der in Oxford als Aushilfspfarrer arbeitete. Dort hatte er auch Amys Mutter kennen und lieben gelernt. Die Verbindung wurde jedoch von der Familie nicht anerkannt, da Amys Mutter in ihren Augen von zweifelhafter Herkunft war und zudem noch sehr kränkelte. Solange er nur der arme Geistliche war, kümmerte sich die ehrenwerten Grahams nicht um ihre kleine Familie, die zwar nicht gerade mit weltlichen Gütern gesegnet gewesen war, dafür aber umso glücklicher in ihrer Freiheit, sich nicht den Diktaten der Gesellschaft unterwerfen zu müssen.
 

Man zwang ihren Vater, den Tod seiner ersten Frau bekannt zu geben, bevor sie nach sieben Monaten wirklich verstarb. Amy blieb bei ihr, während der neue Viscount Barrington an der Saison teilnahm, die ihm seine Verwandten aufdiktiert hatten. Ihr Vater tat dies nur, weil er nur auf diese Weise genug Geld aufbringen konnte, um die letzten Monate seiner Frau lebenswert zu machen. Die Behandlungskosten hatten die Familienfinanzen schon vor Monaten erschöpft gehabt, so daß ihm keine andere Wahl blieb, als das Geld seiner Familie im Gegenzug zu seinem Eingehen auf ihre Anforderungen einzugehen. Ein schäbiger Kompromiss, der seither schrecklich auf seinem Gewissen lastete und den ihm seine verstorbene Frau jedoch niemals vorgeworfen hatte.
 

Ihr Vater heiratete nur kurz nach der Beerdigung eine Debütantin reinen Blutes, die ihm gesunde Erben gebären würde, um das Fortbestehen der Familie zu sichern. Die junge Lady Alicia wollte sich nicht um die Stieftochter kümmern, deshalb wurde Amy nach der Hochzeit auf verschiedene Internate auf dem Festland geschickt. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres kehrte sie aus der feinen Pariser Schule nach Hause zurück. Ihr Vater war ihr inzwischen völlig fremd geworden, da sie ihn während der Schulzeit höchstens vier Mal zu Gesicht bekommen hatte.

Sein schlechtes Gewissen veranlaßte ihn, Amy in die Gesellschaft einzuführen. Sie vermisste die traute Zweisamkeit mit ihm, die langen Gespräche über Themen, die ihnen beiden am Herzen lagen. Nach außen hin schien Curtis Graham, Viscount Barrington, der perfekte Gentleman, der völlig in der Rolle aufging, die ihm seine gesellschaftliche Stellung aufdiktierte.
 

Amy indessen hatte während ihrer Saisons die Erfahrung gemacht, daß Männer in ihr nicht die unwiderstehliche Sirene sahen, sondern eher eine Freundin, der sie sich anvertrauten oder mit der sie sich unterhalten konnten, ohne sich zu verstellen. Ihre häufigsten Verehrer waren erfahrene Lebemänner, die keine ernsthafte Bindung eingehen wollten sondern eine geistreiche Unterhaltung suchten.

Amy war durch die Jahre in der Schweiz und in Paris viel weltgewandter als andere junge Frauen ihres Alters, die nur eine Erziehung im englischen Zuhause erfahren hatten.

Oft genug mußte sie auch die abgelegten Verehrer ihrer Stiefmutter trösten, die über die Stieftochter an sie heranzukommen versuchten. Einige waren in ihrem Alter gewesen und hatten sich tatsächlich an ihrer Schulter ausgeweint. Sie hatte Dinge erfahren, die sie schockierten und die sie niemandem anvertrauen durfte, schon gar nicht ihrem Vater. Ein Skandal würde nur ihren Geschwistern schaden, deren Zukunft Amy bestimmt nicht ruinieren wollte, nur um sich an Lady Alicia zu rächen. Die Kinder konnten schließlich am allerwenigsten dafür, daß ihre Mutter das Sakrament der Ehe mit Füßen trat. Amy versuchte sogar, sie ein wenig zu verstehen. Lady Alicia war mit siebzehn mit einem doppelt so alten Mann verheiratet worden, dessen Interessen den ihren völlig widersprachen. An ihrer Stelle hätte Amy vielleicht auch versucht, aus dieser Verbindung auszubrechen… Allerdings zeigte Lady Alicia keinerlei Verständnis für sie, wenn es darum ging, sie an den Nächstbesten zu verheiraten.

Amy konnte nicht anders, als die Tage zu zählen, bis sie ihren 25. Geburtstag feiern würde, der der Beginn eines neuen freien Lebens für sie bedeuten würde.
 

Fortsetzung folgt...

Hunting Season

~ ~ ~

Amy war nach Barrington Manor, dem Landsitz der Familie in der Grafschaft Kent, vorausgefahren, um alles für die erwarteten Gäste vorzubereiten. Viele Bekannte und Freunde aus der Stadt wurden erwartet, wenn Viscount Barrington zur Jagd lud. Seine Frau kümmerte sich jedoch nur darum, daß genug ihrer Verehrer anwesend waren, die ihr die Zeit vertreiben sollten, weil sie weder in der Ehe noch in der Mutterschaft Erfüllung fand.

Alles andere bereitete Amy mit der Haushälterin, dem Butler und natürlich einem Heer von eifrigen Dienstboten vor. Sie erwartete die Hausgäste erst im Laufe des nächsten Tages, deshalb saß Amy im kleinen Damenzimmer und las auf der Chaiselonge ausgestreckt ein Buch, als durch einen Lakai ein Besucher angekündigt wurde.
 

„Der Ehrenwerte Timothy Northam!”, meldete der sonst so abgeklärte Mann mit etwas irritierter Stimme. Daraufhin stürmte ein junger Mann kaum älter als Amy an dem Lakaien vorbei.
 

„Wo ist Lady Alicia!? Ich muß sie dringend sprechen!“

Sein hübsches Gesicht war gerötet und sein blondes Haar zerzaust. Amy erhob sich und gab dem Lakaien ein Zeichen, sich zurückzuziehen, weil sie nicht wollte, daß die von ihr befürchtete Szene von jemandem beobachtet wurde.
 

„My Lord Northam, wenn Sie von meiner Stiefmutter Lady Alicia sprechen, dann muß ich Sie enttäuschen! Sie wird nicht vor Morgen aus London erwartet! Das Beste wird sein, wenn Sie nach Hause reiten!“, erklärte ihm Amy mit ruhiger Stimme und hatte Mitleid mit dem armen Jungen, der kaum älter als sie selbst sein konnte.

Lord Northam wurde blaß.
 

„Sie hat mich verlassen! Wieso hat sie das getan, sie ist so grausam! Ich liebe sie doch!“, platzte es ungestüm aus ihm heraus und Amy seufzte und ging auf ihn zu, um ihn sanft in einen Sessel zu drücken.

„Sir! Sie können keine verheiratete Frau lieben! Sie hat einen Ehemann und Kinder, wie stellen Sie sich ein Leben mit ihr vor?“

Der junge Mann hörte gar nicht richtig zu. Er vergrub das Gesicht in seinen Händen und stöhnte und wand sich, als hätte er schreckliche Schmerzen.
 

„Bitte, Lord Northam! Fassen Sie sich, besuchen Sie Ihre Familie und gewinnen Sie etwas Abstand!“, riet ihm Amy, die nicht glauben konnte, daß der junge Mann seine Worte ernst meinte. Es war nur eine kurzzeitige Verblendung, wie sie sie leider schon sehr oft bei Lady Alicias unschuldigen Opfern erlebt hatte.
 

Der unglücklich Verliebte sprang jedoch auf und stieß sie weg, so daß Amy ein paar Schritte zurück taumelte.

„Nein! Ich werde mich umbringen. Hier! Damit sie sieht, was sie angerichtet hat!“

Er zog eine Duellpistole aus seinem Jackett, die er sich dann an die Schläfe hielt. Amy fluchte innerlich, der Junge mußte von Sinnen sein! Sie sprang auf ihn zu und rang mit ihm um die Pistole...
 

~ ~ ~

Spirit Ryder hatte sich über die Einladung von Viscount Barrington zur Jagd gefreut, bis ihm eingefallen war, daß er mit Lady Alicia vor Jahren ein kleines Techtelmechtel gehabt hatte. Aber sie hatte ja eine kleine Armee von Verehrern, weshalb sollte sie noch an ihn denken?

Er hatte die berechnende Blondine schon lange aus seinen Gedanken verbannt. Er hatte es eigentlich sofort bereut, sich mit ihr eingelassen zu haben, aber sie waren beide erwachsen gewesen, und es war durchaus üblich, daß verheiratete sich Damen sich Liebhaber nahmen, wenn sie dabei diskret vorgingen.

Barringtons Fuchsjagden waren berühmt, wieso sollte er also nicht an diesem Spaß teilnehmen und somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Er konnte dem ungesunden Einfluß, den sein Cousin Hellraiser mit seiner neu erworbenen Familie auf ihn ausübte, entgehen. In letzter Zeit hatte er tatsächlich mit dem Gedanken geliebäugelt, eine eigene Familie zu gründen. Er, Spirit Ryder, Liebling der Damenwelt und berüchtigter Rake. Undenkbar!

Er konnte sich keine Frau vorstellen, die der neuen Duchess, der bezaubernden Germaine, das Wasser reichen konnte. Wenn er an die Debütantinnen dachte, die ihn auf Londoner Veranstaltungen angeschmachtet hatten, dann glitt ein kalter Schauer über seinen Rücken. Einem dieser kichernden und hirnlosen Hühnern jeden Morgen beim Frühstück gegenüber sitzen zu müssen, würde ihm auf ewig den Appetit verleiden. Es war besser, sich auf andere Gedanken zu bringen und der Jagd nach Wild zu fröhnen und das Thema Frauen gänzlich aus seinen Gedanken zu streichen.
 

Da er zu Pferde unterwegs war, traf er früher als sein Diener in Barrington Manor ein, der mit dem Gepäck in der Kutsche nachkommen würde. Ein Stallknecht nahm ihm sein erschöpftes Pferd ab, dann schritt er mit der ihm eigenen Selbstsicherheit die Stufen zum Hauptportal hinauf, wo der Butler ihn ehrerbietig begrüßte.

„Die Herrschaften weilen noch in London und treffen erst morgen im Laufe des Tages ein! Aber Miss Amy ist zuhause und wird sie empfangen, Sir!“ , wurde er aufgeklärt.
 

Spirit übergab dem Butler seine Reitgerte und Handschuhe, als er einen Schuß hörte, der in einem der hinteren Zimmer abgegeben worden war. Er zuckte etwas zusammen, weil er mit einem Unfall beim Reinigen einer Jagdwaffe rechnete. Allerdings war der Hausherr nicht anwesend und die Tochter des Hauses würde wohl kaum die Waffen ihres Vaters reinigen!
 

„Was zum Teufel ist hier los?“ Spirit sah den Butler fordernd an. Dieser war bleich geworden.

„Bitte, Mylord! Ein junger Gentleman ist bei Miss Amy im Morgenzimmer, er wird doch nicht...?“

Spirit ließ sich den Weg zeigen und riß die Tür zum besagten Zimmer auf. Auf dem Boden lag ein junger Mann, über den sich eine Frau mit aufgelösten Haaren beugte, deren genaues Alter er zuerst nicht bestimmen konnte.
 

„Was ist passiert?“ Spirit stürmte auf die beiden zu und kniete sich mit dem leblosen Körper zwischen ihnen gegenüber der jungen Frau auf den Boden. Ein sehr blasses Gesicht mit vor Schreck geweiteten dunkelbraunen Augen wandte sich ihm zu. Auch wenn das der völlig falsche Rahmen für solche Gedanken war, fiel ihm auf, daß sie anders war als die anderen jungen Damen des Ton war. Definitv keine englische Rose aber durchaus eine exotische Blüte, die seine Aufmerksamkeit erregen könnte.
 

„Er wollte sich – er wollte sich erschießen! Ich glaube, er hat nur einen Streifschuß an der Schulter! Ich wollte ihm die Pistole abnehmen, dabei löste sich der Schuß!“, stammelte sie und sah ihm dabei so eindringlich in die Augen, als suchte sie Hilfe.
 

Spirits Lippen verzogen sich grimmig. „Ich werde nach der Wunde sehen!“

Er zog dem bewußtlosen Jungen das Jackett und die Weste aus, das Hemd riß er einfach auf. Das Mädchen hatte recht gehabt, es war nur ein harmloser Streifschuß, jetzt konnte er an dem Atem des Jungen auch die Alkoholfahne riechen.

„Er ist nur ohnmächtig, weil er angetrunken ist! Am besten waschen Sie die Wunde und lassen ihn seinen Rausch ausschlafen!“, riet er ihr mit strengem Tonfall an.
 

Amy seufzte erleichtert: „Ich bin so froh, daß ihm nichts zugestoßen ist!“ Sie lächelte den fremden Gentleman erlöst an.
 

Spirit schüttelte ungläubig den Kopf: „Hat man Ihnen nicht beigebracht, daß man liebestolle junge Männer nicht allein empfängt?!“

Seine grauen Augen schossen Blitze. Amy hielt seinem Blick stand, antwortete jedoch nicht. Es störte sie nicht, wenn der Gentleman annahm, dass der junge Mann ihr Verehrer war. Ihr war nur in soweit an ihrem Ruf in der Gesellschaft gelegen, als daß sie ihre Geschwister und ihren Vater nicht in Misskredit bringen wollte.
 

„Worth! Würden Sie den jungen Mann in eines der Gästezimmer bringen und versorgen! Sobald er aufwacht, muß er jedoch das Haus verlassen!“, bat sie den Butler, auf dessen Diskretion sie sich verlassen konnte.

Auf wackeligen Beinen erhob sie sich und schritt dann zur nächsten Sitzgelegenheit, wo sie kraftlos hineinsank. Spirit wartete, bis die Bediensteten den Verletzten hinausgebracht hatten und verlangte dann eine Karaffe Brandy. Er schenkte sich und dem Mädchen je ein Glas ein.
 

„Hier! Trinken Sie das!“ Der Fremde drückte Amy ein kühles Glas in die Hand, von dem sie gleich einen tiefen Schluck nahm.

Der Inhalt floß brennend durch ihre Kehle und machte sie husten. Dann jedoch setzte die beruhigende Kraft des Getränks ein und sie konnte wieder klarer denken. Sie hatte das Gesicht des Fremden genau vor sich, weil er vor ihr kniete. Scharfe Gesichtszüge, große klare graue Augen, die von dunklen Brauen überschattet wurden und schmale Lippen, die jedoch sinnlich geschwungen waren. Er sah aus wie jemand, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Aber das war sie auch, weil sie seit Jahren die Freiheit genoß, in Haushaltsdingen zu entscheiden und ihr Wort bei den Bediensteten ihres Vaters mehr wog als der von Lady Alicia.

„Es tut mir leid, daß Sie so rüde empfangen wurden! Ich hatte nicht mit Gästen vor Morgen gerechnet, auch Lord Northam hat mich überrascht! Bitte erzählen Sie niemandem, was passiert ist!“ Sie sah ihn flehentlich an.
 

„Ich glaube aber, daß Ihr Vater wissen sollte, daß der junge Herr Sie kompromittiert hat!“, widersprach er sofort und sein Gesichtsausdruck wurde gleich düsterer. Er mochte ein Frauenheld sein, aber er hielt sich an die gesellschaftlichen Spielregeln. Dieses Kind war einfach zu leichtsinnig in seinen Augen! Was würde als nächstes passieren, wenn ihr niemand Einhalt gebot? Provozierte sie solche Szenen am Ende mit voller Absicht?
 

Amy ließ das leere Glas vor Schreck fallen und schüttelte vehement den Kopf.

„Nein! Er hat sich nur sehr dumm verhalten, das ist alles! Sie würden meinen Vater nur unnötig aufregen!“

Dann lächelte sie ihn plötzlich an: „Sonst muß ich Papa auch erzählen, daß Sie mich ebenfalls kompromittiert haben! Und das werden Sie doch nicht wollen!“
 

Die Blässe ihres Gesichtes betonte nun die rot schimmernden Lippen, die ein schelmisches Lächeln umspielte. Spirit kniff seine Augen zusammen und grinste dann ebenfalls, nur daß es bei ihm animalisch aussah, weil ihm plötzlich tatsächlich ein paar unanständige Gedanken durch den Kopf gingen. Er streckte seinen Arm aus und strich dem Mädchen mit den Fingerspitzen über die samtige Haut ihrer Wange.

„Wenn Sie mich so herausfordern, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn ich mir Freiheiten herausnehme!“

Seine Stimme war ein tiefes Flüstern und sein Gesicht kam dabei dem ihrem immer näher.
 

Amy stockte der Atem, kein Mann hatte sie jemals so angesehen wie dieser beeindruckende Fremde. Dann riß sie sich jedoch zusammen und entzog sich seiner warmen, starken Hand, die immer noch auf ihrer nun brennenden Wange lag.

„Bitte, nicht! Es tut mir leid, wenn ich einen falschen Eindruck erweckt habe!“, flüsterte sie mit ersticker Stimme und erhob sich, um behände an dem Mann vorbei zu schlüpfen, dessen Nähe ihr auf einmal zu viel geworden war.
 

Mit großen Augen sah sie zu, wie sich der Fremde ebenfalls erhob und sie ansah, als sei nichts geschehen. Sie hatte die Anziehungskraft des Mannes unterschätzt, als sie ihn mit ihren Worten herausforderte. Ein solcher Mann war ihr bisher nicht während der Saison in London begegnet, wo sie sich außerdem niemals zu einem solch schamlosen Verhalten hätte hinreißen lassen. Es mußte wohl an dem Schock liegen, den sie wegen Lord Northams Tat erlitten hatte.

„Entschuldigen Sie bitte, ich vergaß völlig, mich Ihnen vorzustellen! Ich bin Amy Graham, die älteste Tochter von Viscount Barrington! Ich freue mich, Sie im Hause meines Vaters begrüßen zu dürfen!“
 

Spirit verbeugte sich galant und lächelte sie charmant an: „Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Graham! Ich bin Spirit Ryder, Ihr Vater hat mich zur Jagd eingeladen und mir wohl das falsche Datum genannt, sonst wäre ich nicht so früh hereingeplatzt!“

Er sah Miss Graham regelrecht erstarren, als er seinen Namen nannte. Er kannte diese Reaktion von vielen besorgten Müttern und alten Jungfern, die ihn ob seines Rufes verachteten oder gar fürchteten. Aber eine solche Abscheu hatte er noch nie in den Augen eines jungen Mädchens gesehen und Miss Graham war höchstens Anfang zwanzig.
 

Amy räusperte sich: „Ich wußte nicht, daß Sie kommen, Papa hat vergessen, mich darüber in Kenntnis zu setzen!! Aber es sind genug Zimmer vorbereitet! Ich werde der Haushälterin Bescheid geben, wenn Sie hier solange warten würden, Mr. Ryder?“

Nach einem angedeuteten Knicks ergriff Amy die Flucht vor diesem Teufel in Menschengestalt. Jetzt wo sie sich genau erinnerte, erkannte sie in Spirit Ryder einen der Männer, die direkt an dem Mord beteiligt gewesen waren. Sie mußte sich zusammenreißen, ihr Vater hatte den Mann eingeladen, weil er nicht wissen konnte, daß er ein Mörder war. Sie mußte ihm eben aus dem Weg gehen! Sobald die Gäste eintrafen würde das auch nicht schwer sein, da danach sehr viel zu tun sein würde. Trotzdem machte sie sich Sorgen, obwohl er ja nicht ahnen konnte, daß sie diesen Vorfall vor einigen Monaten beobachtet hatte.
 


 

Fortsetzung folgt...

The Ladytrap

~ ~ ~

Seit vier Tagen war die Jagdgesellschaft nun anwesend und Amy hatte Mr. Ryder bisher nur beim Dinner getroffen und da sie die Sitzordnung selbst festgelegt hatte, saß sie weit genug von ihm weg, daß sie seine direkte Nähe nicht ertragen mußte. Er hatte sie ein paar Mal prüfend angeschaut, doch Amy senkte immer den Blick und behielt eine gleichgültige Miene bei, auch wenn es ihr schwer fiel. Am liebsten hätte sie ihn mit seiner Tat konfrontiert, denn sie wußte nun auch seit der letzten Saison, wer der Tote aus dem Wald gewesen war.

Es war das beliebteste Ondit gewesen, darüber zu spekulieren, wohin Chester Ryder im letzten Februar spurlos verschwunden war. Chester war der älteste Cousin des Duke of St. Alban gewesen und der älteste Sohn von dessen Onkel Archibald aus seiner ersten Ehe.

Sie fragte sich, ob die Ryders auch Schuld an dem Tod dessen jüngeren Halbbruders Bentley trugen, den man kurz vor Chesters Tod zu Grabe getragen hatte. Angeblich war er von einem Wegelagerer überfallen und erschossen worden, das hatte jedenfalls die offizielle Untersuchung ergeben, die aber von dem Duke of St. Albans durchgeführt worden war, weil er ja der Magistrat dieses Bezirkes war. So konnte die Familie Ryder natürlich Einfluß auf die Ergebnisse nehmen. Niemand würde es wagen, dem Duke zu widersprechen, weil sich jeder mit ihm gut stellen wollte.
 

Die Alpträume, die sie über die brennende Hütte hatte, halfen auch nicht sie zu beruhigen. Wäre sie nicht so mit der Hausgesellschaft und ihren düsteren Gedanken beschäftigt gewesen, dann hätte sie bemerkt, wie ihre Stiefmutter Spirit Ryder geradezu mit ihrer Aufmerksamkeit verfolgte. Lady Alicia hatte jedoch keinen Erfolg, Spirit sagte ihr rundheraus, daß er nur zur Fuchsjagd hier sei und nicht im Geringsten an ihr interessiert wäre. Damit zog er sich den Zorn der Lady zu, die nun darauf sann, sich an ihm zu rächen. Ein Plan reifte in ihrem hübschen Köpfchen, der dazu beitragen sollte, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
 

Am nächsten Abend veranlaßte Lady Alicia ihre Zofe Néné, Amy ein heiße Schokolade aufs Zimmer zu bringen, nachdem sie sich zurückgezogen hatte.

„Madame schickt Ihnen eine Schokolade, weil Ihr Papa meinte, daß Sie so erschöpft aussehen, Miss Graham!“

Die Zofe ihrer Stiefmutter knickste so ehrerbietig, daß sich Amy wunderte, denn sonst rümpfte die Frau oft die Nase über sie, weil sie nicht deren Schönheitsideal entsprach. Sie mochte die dünkelhafte Frau nicht, die ihrer Stiefmutter beinahe schon demütig ergeben war und sie in all ihren Eskapaden unterstützte.
 

„Merci beaucoup, Néné! Danken Sie bitte auch Lady Alicia in meinem Namen! Gute Nacht!“, bedankte sich Amy dennoch, weil sie nur noch ihre Ruhe haben wollte.

Sie schloß ihre Zimmertür und brachte die Porzellantasse zu ihrem Nachttisch. Bevor sie die Tasse abstellte, nahm sie einen Schluck und verzog dann gleich angewidert das Gesicht. Die Schokolade schmeckte bitter und war lauwarm. Den Rest des Getränkes schüttete sie einfach aus dem Fenster, falls die Zofe zurückkehren sollte, um die Tasse zu holen. Alicia war immer für eine Demütigung gut, aber sie nahm es sich nicht zu Herzen sondern legte sich schlafen. Im Gegensatz zu den letzten vier Nächten, schlief sie jedoch sofort ein und drehte sich nicht unruhig von einer auf die andere Seite.
 

In einem wirren Traum gefangen, in dem sie sechs halbnackte Männer verfolgten, merkte Amy nicht sofort, daß jemand ihr Zimmer betreten hatte.

„Sie schläft! Prüfe nach, ob sie wirklich betäubt ist!“, flüsterte jemand leise.

Amy erkannte die Stimme ihrer Stiefmutter und fühlte dann wie sie an der Schulter gepackt und unsanft gerüttelt wurde. Sie beschloß herauszufinden, was Alicia vorhatte und stellte sich schlafend, obwohl sie große Angst hatte. Sie wollten ihr doch nicht wirklich wehtun, oder?
 

„Ja, Mylady! Sie rührt sich nicht! Wenn Ihr das Mädchen um die Schultern nehmt, dann packe ich sie an den Füßen! Wir müssen ganz leise sein!“, ordnete Néné schon etwas weniger laut an.

Amy wurde also unsanft gepackt und aus dem Bett gehievt, dann trug man sie durch den Korridor. Auf derselben Etage am Ende des Ganges wurde sie in ein dunkles Zimmer gebracht und dort auf das unbenutzte Bett gelegt.
 

„Dieses Nachthemd verhüllt ja alle Formen! Néné, reiß es ihr am Kragen auf, sonst glaubt niemand, daß der Halunke über sie hergefallen ist!“

Amy spürte, wie ihr Kragen gefaßt wurde und ein Ratschen verriet, daß der alte Flanellstoff nachgab. Sie mußte sich zwingen ruhig liegen zu bleiben, als sie mit entblößter Brust vor den beiden Frauen lag.
 

Sie hörte ihre Stiefmutter ein häßlich klingendes Lachen ausstoßen: „Mein Gott! Spirit wird sich schwarz ärgern, so eine unscheinbare Person heiraten zu müssen! Er hätte mich nicht abweisen dürfen, das wird ihm eine Lehre sein! Und ich werde endlich meine Ruhe vor dieser langweiligen Miss haben, die sich ständig in meine Angelegenheiten mischt! Komm Néné, ich warte in meinem Boudoir, daß der liebe Spirit sich zur Ruhe begibt! Du paßt auf an der Treppe auf!“
 

Die beiden Frauen verließen das Zimmer und ließen eine geschockte Amy zurück. Gott sei Dank hatte sie die Schokolade nicht ausgetrunken!

Die Zofe hatte wahrscheinlich ein Schlafmittel untergerührt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß sie Laudanum gar nicht vertrug, das ihre Stiefmutter sehr regelmäßig zu sich nahm, wenn sie unter ihrer angeblichen Migräne litt. Sie selbst hatte das Schmerzmittel ein einziges Mal genommen, als sie sich beim Spielen mit den Kindern den Fuß vertreten hatte. Ihr war die ganze Nacht lang schlecht gewesen. Lady Alicia hätte die Güte besitzen können, sich daran zu erinnern, aber sie interessierte sich ja nur für sich selbst.

Die Dame wollte Spirit Ryder eine Heiratsfalle stellen und ihn dafür bestrafen, daß er ihre Avancen nicht beachtet hatte.

Mit wild pochendem Herzen schlüpfte sie aus dem Bett und raffte ihr Nachthemd über der nackten Brust zusammen, die ihre Stiefmutter nicht als genügend zu empfinden schien. Amy war eigentlich ziemlich erleichtert, daß sie nicht wie eine Gallionsfigur aussah. Wenn Lady Alicia ihre üppigen Formen mit tiefen Ausschnitten zur Schau stellte, dann schämte sie sich meist für das Verhalten ihrer Stiefmutter, die ja schließlich eine verheiratete Frau war, die nicht so sehr mit ihren Reizen kokettieren sollte. Es war ja nicht so, daß Lady Alicia bei einem harmlosen Flirt beließ.
 

Amy mußte so schnell wie möglich auf ihr Zimmer zurückkehren, doch von draußen erklangen sich nähernde Schritte. Spirit Ryder wollte sich wohl zurückziehen! Gehetzt blickte sich Amy in dem vom Mondlicht kaum erhellten Zimmer um und beschloß sich im Schrank zu verstecken. Zitternd vor Angst kauerte sie auf dem nackten Holzboden und betete, daß ihre Stiefmutter erst einmal allein erscheinen würde.

Kaum hatte Spirit sein Zimmer betreten und den Kerzenständer abgestellt, wurde seine Zimmertür aufgerissen und Lady Alicia stürmte wie eine wütende Furie in sein Gemach.
 

„Wo ist sie?“ Alicia sah ihn triumphierend an, daß er bald hilflos in ihrer Falle zappeln würde.
 

Spirit dagegen lehnte sich locker an den Kaminsims und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mylady! Dürfte ich fragen, wen Sie in meinem Zimmer zu finden erwarten?“ Er hielt das Auftreten der anstrengenden Lady für eine Masche, die in einem sehr verführerischen Deshabillé gekleidet war, als wollte sie ihm vorführen, was er haben konnte, wenn er auf ihre nervtötenden Spielchen einging, an dem er überhaupt kein Interesse hatte. Sie stieß ihn nur noch viel mehr ab, weil es beinahe schon mitleiderregend war, daß sie so hinter ihm her war.
 

„Ich suche meine Stieftochter, der sie schon die ganze Zeit schöne Augen machen!“, warf sie ihm völlig unberechtigt vor und trat einige Schritte beiseite, weil seine athletischen Schultern ihr jeglichen Blick in den Raum verwehrten. Lady Alicia sah sich um und entdeckte nur ein leeres Bett, von Amy keine Spur.
 

„Es tut mir leid, wehrte Lady Alicia, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich habe Miss Graham seit dem Dinner nicht mehr gesehen! Bitte entfernen Sie sich aus meinem Gemach, bevor es zu einem Skandal kommt! Ihr Gatte sähe Sie bestimmt nicht gerne in so einem Aufzug durch die Korridore geistern!“ Er grinste sie süffisant an und führte die Lady am Ellenbogen zur Tür. Ein Skandal würde ihn nicht weiter abschrecken, er wollte nur nicht den Hausherrn vor den Kopf stoßen, der wohl am besten wusste, mit was für einer Frau er verheiratet war.

„Gute Nacht, meine Liebe!“, wünschte er ihr mit einem falschen Lächeln, dann schubste er sie hinaus und verschloß dann die Tür hinter ihr.
 

Lady Alicia schäumte vor Wut und ließ diese an ihrer Zofe aus, da sie annahm, ihre Stieftochter müsse aufgewacht und in ihr Zimmer zurückgekehrt sein. Sie gab sich nicht die Mühe, nach dem Mädchen zu sehen, weil ihr das Schicksal von Amy nicht gleichgültiger sein könnte… Es ärgerte sie nur maßlos, das ihr Plan nicht aufgegangen war. Sie wollte endlich wieder die Herrin in ihrem eigenen Heim sein.
 

Spirit fluchte erst einmal ausgiebig, als er seine Tür verschlossen hatte und beschloß, seinen Kammerdiener nicht mehr zu entlassen, bevor er sich endgültig zurückgezogen hatte, wenn er zu Gast in fremden Häusern weilte. Diese Frau war komplett verrückt, hier im Haus ihres Ehemannes eine solche Szene heraufzubeschwören. Er entledigte sich seines Abendjacketts und lockerte sein Halstuch. Er wollte gerade seine Hosen ausziehen, als ihm eine Bewegung an der Schranktür auffiel. Mit zwei großen Schritten war er dort und riß die Tür auf. Amy stieß einen Schreckensschrei aus und starrte Mr. Ryder verängstigt an.
 

„Kommen Sie sofort da raus!“ Spirit stemmte seine Hände in die Hüften und sah aus wie ein Racheengel, der bedrohlich über ihr schwebte. Zögernd kroch das Mädchen aus dem Schrank und stellte sich vor ihn, wobei sie krampfhaft ihr Nachthemd über der Brust zusammenraffte. Mit den aufgelösten Haaren und barfüßig sah sie aus wie ein kleines Kind, das sich verlaufen hatte.

„Was zum Teufel machen Sie in meinem Zimmer, Miss Graham?!“, wollte er mit strenger Miene wissen.
 

Amy wich einen kleinen Schritt zurück, straffte dann jedoch die Schultern.

„Meine Stiefmutter hat versucht, Sie in eine kompromittierende Situation zu zwingen! Ich wurde von ihr betäubt und in Ihr Bett gelegt, damit sie mich in flagranti hier entdecken konnte! Sie sind zu schnell zurückgekommen, bevor ich das Zimmer unbemerkt verlassen konnte, deshalb habe ich mich im Schrank versteckt, es tut mir leid!“ Die Stimme des Mädchens war immer leiser geworden und nun ließ sie den Kopf hängen.
 

Spirits Wut verrauchte augenblicklich, er umfaßte ihre Schultern und führte sie zum Sessel vor dem Kamin, in den er sie sanft drückte.

„Es ist wie verhext, seit ich hier bin, scheint das Schicksal zu wollen, daß ich Sie heirate!“ Er wollte sie mit dem kleinen Scherz aufheitern, da er die Tränen in ihren Augen gesehen hatte, doch sie starrte ihn geradezu entsetzt an.

„Nein, nein! Sie – es ist nicht notwendig! Sie können nichts dafür und ich werde schweigen, glauben Sie mir! Ich will Sie nicht in eine Heirat zwingen! So etwas muß schrecklich für alle Beteiligten sein!“
 

Spirit setzte sich ihr gegenüber und sah sie überrascht an. „Ich dachte, den Damen der Gesellschaft sei jedes Mittel recht, um sich einen Ehemann einzufangen!“ Er stützte seine Ellenbogen auf die Knie ab und beugte sich vor, um Amy besser in die Augen sehen zu können.
 

„Stellen Sie sich vor, meine Tante hätte Erfolg gehabt! Sie wären an eine für Sie völlig reizlose Frau gebunden, die Sie nicht kennen und der Sie niemals auch nur einen Hauch Respekt entgegenbringen könnten, weil Sie von ihr hinterlistig getäuscht wurden! Mit der Zeit würden Sie diese Frau verachten oder gar hassen, ich könnte niemals unter solchen Voraussetzungen heiraten! Niemals!“, betonte Amy und meinte jedes Wort todernst. Es ging dabei gar nicht darum, daß sie es mit einem Ryder zu tun hatte.
 

Spirit zog eine Augenbraue hoch und betrachtete Miss Graham mit neuen Augen. Hinter ihrer Zerbrechlichkeit war eine starke Persönlichkeit verborgen gewesen, die Mut, Integrität und Intelligenz verriet. Sein Cousin Hellraiser hatte unter ähnlichen Umständen seine jetzige Frau kennen gelernt und die Hochzeit niemals bereut.

„Miss Graham! Ich muß Ihnen widersprechen, auch wenn ich im Augenblick nicht zu heiraten gedenke, daß ich nicht der Meinung bin, Sie seien reizlos! Ich finde eher Damen wie ihre Stiefmutter absolut reizlos!“
 

Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und verdammte Ihr Wissen über seinen wahren Charakter. Spirit Ryder hätte ihr Freund werden können, wenn er auch dem Ruf nach ein Rake war, so war er doch zu ihr immer liebenswürdig und zuvorkommend gewesen. Sie sehnte sich so nach der Gesellschaft eines Menschen, dem sie sich anvertrauen konnte, daß sie fast bereit war, ihm seine Tat nachzusehen.
 

Ihr Blick war in die Ferne geschweift und ihr Gesichtsausdruck schien verzweifelt, deshalb kniete er sich vor sie und nahm ihre kalte Hand in seine.

„Etwas bedrückt Sie doch, Miss Graham! Wollen Sie sich mir nicht anvertrauen?“, fragte er mit sanfter Stimme, ohne sie bedrängen zu wollen.
 

Amy sah gebannt in seine strahlenden Augen und schluckte dann.

„Ich kann nicht! Ich werde darüber hinwegkommen! Es betrifft nicht mich direkt, mehr kann ich nicht sagen...“, wehrte sie seine Hilfe ab, obwohl es ihr schwer fiel, ihm zu widerstehen.

Spirit drückte ihre Hand fester. „Geht es darum, daß die abgelegten Liebhaber ihrer Stiefmutter, sich bei Ihnen ausweinen? Ich habe kurz mit Northam gesprochen, bevor er abgereist ist. Bedrückt Sie das so, weil Ihr Vater hintergangen wird und Sie nichts dagegen tun können?“
 

Amy nickte stumm, weil sie ihrer Stimme nicht traute, zumindest war das ein Teil der Wahrheit. Spirit strich ihr die einige Haarsträhnen aus dem blassen Gesicht und sah sie mitfühlend an.

„Es tut mir leid, daß sie so grausam ist! Und daß Sie darunter leiden müssen! Sie sollten so etwas nicht erdulden müssen, dafür sind Sie viel zu jung und verletzlich! Und wie schwer muß es erst sein, da Sie mit niemandem darüber sprechen können!“
 

Spirit Ryder schien genau zu verstehen, was in ihr vorging, wieso konnte er so einfühlsam sein? Mörder konnten doch keine feineren Gefühle besitzen! Das schien Amy einfach unmöglich.

Ihre Tränen flossen einfach über die Wangen und sie versuchte, sich zu beherrschen. Doch Spirit nahm sie in seine Arme und drückte sie an seine breite Brust, da schien ihr ganzer Körper nachzugeben und sie weinte bittere Tränen an seiner starken Schulter, die er ihr so großzügig zur Verfügung stellte.

Spirit erschrak über die Heftigkeit seiner Gefühle, als die junge Frau sich an ihn klammerte. Ihr Schmerz schien sein Schmerz zu werden, er wollte sie unbedingt trösten und deshalb wählte er die Form, die er am besten beherrschte, ohne Worte... Er küßte sie auf die bebenden Lippen, die süß und salzig zugleich schmeckten. Ihr Schluchzen verebbte und sie hörte auf zu zittern. Spirits Lippen verstärkten ihren Druck leicht und spürten dann ihr Nachgeben. Er hauchte ihr immer weiter zärtliche Küsse auf die Lippen und flüsterte ihr tröstende Worte zu, bis sie nachgiebig in seine Armen lag und nur noch seine Nähe zählte.
 

„Es wird alles gut werden, und wenn ich selbst dafür sorgen muß!“ Er lächelte sie an und hielt ihr Gesicht mit beiden Händen umfaßt. Zum ersten Mal sah er etwas Farbe auf ihren blassen Wangen und ein Leuchten in ihren dunklen Augen, das jedoch fast augenblicklich erlosch, sobald sie wieder klar denken konnte.
 

„Sie waren sehr nett zu mir, Mr. Ryder! Ich danke Ihnen, aber ich muß jetzt zurück auf mein Zimmer!“ Aus einem Impuls heraus küßte sie die Innenfläche seiner Hand, die auf ihrer Wange ruhte, und entzog sich dann seiner Umarmung, weil sie ihrer Schwäche nicht länger nachgeben durfte, auch wenn es ihr schwer fiel, sich seiner Nähe zu entziehen.
 

Spirit war irritiert, er hatte gespürt wie Miss Graham sich ihm geöffnet hatte, aber irgendetwas schien ihr Angst zu bereiten, was direkt mit seiner Person in Zusammenhang zu stehen schien. An der Schulter hielt er sie zurück, bevor sie einfach so aus dem Zimmer stürmen konnte.

„Warten Sie! Ich gebe Ihnen meinen Morgenmantel, Sie sind ja halbnackt und der helle Stoff könnte in den dunklen Gängen jemandem auffallen!“ Er holte den Mantel aus dem Ankleidezimmer und half Miss Graham ihn überzuziehen.

Er reichte bis auf den Boden und der dunkelblaue Brokat verhüllte ihre Gestalt vollkommen, so daß sie nun mehr als züchtig angekleidet war. Und trotzdem war ihr beinahe zerbrechlicher Anblick wie eine Offenbarung für ihn. Beinahe hätte er ihr gesagt, wie sehr es ihm gefallen würde, wenn sie immer so gekleidet in seiner Nähe weilen könnte. Das wäre allerdings ein wenig zu direkt gewesen. Er durfte nicht vergessen, daß sie sehr sensibel schien und völlig anders war, als die Damen, die er bisher in der Gesellschaft kennen gelernt hatte.
 

„Ich werde Morgen im Laufe des Tages abreisen, ich halte das für klüger! Ich will nicht, daß Lady Alicia Sie noch einmal in eine solche Situation bringt!“ Er richtete dabei den Kragen des Mantels und ließ dann seine kräftigen Hände auf ihren schmalen Schultern ruhen.
 

Amy sah betroffen zu ihm auf, weil sie ihn trotz aller Widrigkeiten vermissen würde. Er war schließlich die einzige Person, mit der sie offen sprechen konnte. Beinahe offen.

„Ja, das ist wohl das Beste! Es tut mir sehr leid, daß...- mein Mädchen wird Ihnen den Mantel Morgen früh vorbeibringen. Vielen Dank für alles!“

Sie zwang sich, ihn freundlich anzulächeln, doch Spirit bemerkte den traurigen Ausdruck in ihren Augen durchaus.

„Ich hoffe, daß wir uns bald unter günstigeren Umständen treffen werden!“, verabschiedete er sie so unverbindlich wie möglich, um es ihr leichter zu machen.

Spirit geleitet sie zur Tür und überprüfte dann, ob der Korridor auch frei von Dienstboten war.

„So, jetzt können Sie gehen! Gute Nacht, Miss Graham!“, wünschte er ihr mit samtig klingender Stimme, deren Klang Amy immer wieder faszinierte. Warm und weich und tröstend.

Sie hätte beinahe aufgeseufzt und sah ihn noch einmal lange an, bevor sie wortlos aus dem Zimmer schlüpfte, um den Gang entlang zu huschen, um sich in die Sicherheit ihrer Gemächer zurück zu ziehen.
 


 

Fortsetzung folgt...
 

Anmerkung des Autors:

Ondit = Gerücht

Die damalige feine Gesellschaft Englands benutzte oft Wörter der Französischen Sprache, um sich von der ungebildeten Schicht abzugrenzen.
 

Ladytrap = Wortspiel, Mantrap bedeutet auf Englisch Falle und da diese von einer Lady gelegt wird, habe ich es einfach umgedichtet!

Withstanding Spirit

~ ~ ~

Amy sah Spirit am nächsten Tag nicht mehr, was sie traurig stimmte aber gleichzeitig auch mit Erleichterung erfüllte, weil sie nicht wusste, wie sie mit der Sympathie, die sie für ihn empfand, umgehen sollte. Ihre Stiefmutter erwähnte die gestrige Nacht mit keinem Wort, sie beachtete Amy überhaupt nicht weiter, da sie schon mit der Eroberung eines neuen Verehrers beschäftigt war. Dieses Mal war Amy mehr als dankbar dafür, weil sie keinen unschönen Streit vom Zaun brechen wollte. Die Lady hätte sowieso nur alles abgestritten.

Die Jagdgesellschaft war ein großer Erfolg und beanspruchte Amy dermaßen, daß sie den Gedanken an Spirit bald verdrängen konnte. Das Schicksal stellte sich jedoch erneut gegen sie. Nach den Weihnachtsfeierlichkeiten verlangte Lady Pelham, ihre Tante, über einen Brief, daß Amy sofort nach Pelham Hall reisen sollte, um sich um ihre Cousine Melody zu kümmern, die nächstes Jahr in London debütieren sollte und noch einigen Feinschliff benötigte. Ihr Vater hielt das für eine gute Idee, da er Amy für eine fähige junge Dame hielt, obwohl sie nach mehreren Saisons immer noch unverheiratet war. Das lag auch an ihm, weil er schon mehreren Anwärtern Körbe in Amys Namen erteilt hatte, weil er sie nicht als gut genug für seine Tochter befunden hatte. Davon ahnte seine älteste Tochter natürlich nichts und auch nicht, daß er zögerte, sich ihrer mäßigenden Gesellschaft zu entziehen. Ohne sie wäre sein Haus leer und gänzlich ohne Wärme…
 

Also wurde Amy mit ihrem Mädchen Becky in eine Kutsche gesetzt und nach Southhamptonshire geschickt, den Ort, den sie eigentlich um jeden Preis der Welt hatte vermeiden wollen. Nach einer angenehmen Tagesreise, durch eine bequeme Übernachtung unterbrochen, erreichten sie das Dorf Albany Village. Eigentlich hätten sie in der Gaststube Halt gemacht, doch ein heftiges Unwetter schien aufzuziehen, und Amy beschloß, so schnell wie möglich zu ihrer Tante zu fahren. John, der Kutscher, kannte die Strecke gut, deshalb wählte er den versteckten Waldweg, der zu Pelham Hall führte. Er trieb die Pferde erbarmungslos an, da er schon das Donnergrollen über sich hören konnte. Ein heftiger Blitz zerriß plötzlich den Himmel und schien genau auf sie herabzufallen. John hörte es krachen und sah einen jungen Baum über den Weg fallen. Er konnte nicht mehr bremsen und die Pferde setzten über das Hindernis, die Kutschenräder jedoch blockierten und die Achse brach. Der Kutscher wurde vom Bock geschleudert und die Insassen kräftig durchgerüttelt. Die beiden Frauen in der Kutsche schrieen laut auf, Amy und Becky wurden von den Sitzen gerissen und zu Boden geschleudert, wobei Amy sich die Stirn stieß und fast das Bewußtsein verlor.
 

„Lieber Himmel, Miss Amy, geht es Ihnen gut?“

Becky, die sich den Knöchel verrenkt hatte, beugte sich über sie.

„Ja, schon gut, Becky! Es ist nur eine Schramme und blutet etwas! Ist mit Dir alles in Ordnung?“, fragte Amy besorgt und stützte sich mit beiden Händen auf dem Boden ab, um nicht die Balance zu verlieren, weil ihr ziemlich schwindelte.

Becky erhob sich und sank stöhnend auf den Sitz. „Ja, nur mein Knöchel schmerzt etwas! Wir sollten John beauftragen zum Herrenhaus zu reiten, um Hilfe zu holen!“
 

Amy befahl dem Mädchen sitzen zu bleiben und stieg aus der Kutsche. Sie fand ihren Kutscher bewußtlos auf dem Waldweg vor, sein Fuß war unnatürlich verrenkt, daran erkannte sie, daß er sich wohl den Knöchel gebrochen haben mußte. Amy versuchte, den Mann aufzuwecken, doch er stöhnte nur und blieb bewusstlos im kalten Regen liegen.

„Verdammt! Ich muß ihn in die Kutsche schaffen, sonst kriegt er zu allem Übel noch eine Lungenentzündung!“, murmelte Amy und fluchte undamenhaft, wie es sonst nicht ihre Art war.
 

Sie drehte den für sie sehr schweren Mann mühsam auf den Rücken und packte ihn unter den Schultern und schleifte ihn mit großer Anstrengung zur Kutsche.

„Becky! Du mußt mir John abnehmen, dann schiebe ich von unten!“, bat sie ihr Mädchen.

Nach mehreren Anläufen, die mit schwerem Schnaufen und angestrengten Lauten der beiden jungen Frauen untermalt wurden, lag John schließlich auf dem Kutschenboden. „Ich werde auf die Hauptstraße reiten, das ist näher als das Herrenhaus! Ich hoffe, daß ich dort einen Bauern finde, der uns helfen kann!“

Amy hatte Mühe, eines der verängstigten Pferde loszubinden und als es wieder blitzte rissen sich die Pferde los und liefen davon. Amy mußte also laufen, auf halber Strecke setzte dann der Regen ein und Amy war bald bis auf die Haut durchnäßt. Die dünne Pelisse, die sie trug, hielt nicht viel Wasser ab. Sie hoffte inständig, daß sie jemanden auf der Hauptstraße fand.
 

~

Hellraiser fluchte, als der Regen einsetzte, er hatte gehofft, daß er Albany Place trockenen Zustands erreichen würde. Und das alles nur weil Sultan, sein kapriziöser Hengst, von keinem anderem außer ihm selbst zu bändigen war. An dem Wald, der sich teilweise in sein Besitztum hineinerstreckte, trat plötzlich eine Gestalt aus dem Waldweg, als sie ihn bemerkte, winkte sie heftig. Hellraiser zügelte Sultan und das Tier kam sich aufbäumend vor einer jungen Frau zum Stehen, die völlig durchnäßt und außer Atem war.
 

„Gott sei Dank! Ich brauche Hilfe, ich hatte einen Kutschunfall und mein Kutscher ist schwer verletzt!“, brachte Amy keuchend hervor und ignorierte das riesige schwarze Pferd einfach, obwohl es sie unter anderen Umständen in Angst versetzt hätte.

„Steigen Sie auf! Ich bringe Sie zu mir nach Hause, von dort aus kann ich dann Hilfe organisieren!“

Hellraiser beugte sich zu ihr und streckte die Arme aus. Amy wurde von dem Fremden hochgehoben als wöge sie nicht mehr als ein Kind.

„Halten Sie sich gut fest! Sultan mag keine Gewitter und könnte austreten!“
 

Amy tat wie geheißen und dann schossen sie durch den Regen, so daß sie nicht mehr viel ihrer Umgebung sah, weil die schweren Tropfen ihr die Sicht nahmen. An den Stallungen wurde Hellraiser schon erwartet und er stieg ab, um dann das Mädchen herunterzuheben.

„Jackson! Bereiten sie eine Kutsche vor, die junge Dame hatte einen Unfall mit ihrem Wagen und wir müssen einen Verletzten bergen!“

Amy schüttelte den Kopf: „Nein, zwei! Mein Mädchen Becky auch, sie hat sich den Fuß vertreten und kann nicht laufen! Sie sind im Waldweg keine hundert Yards von der Abzweigung entfernt!“
 

Hellraiser überließ dem getreuen Jackson die Koordination der Rettungsaktion und bat die Fremde ihm ins Haus zu folgen. Da sie mit ihrem nassen Rock kaum mit ihm Schritt halten konnte, weil er an ihren Beinen klebte, hob er sie einfach auf seine Arme und stürmte ins Haus, um sie endlich aus der Kälte zu bekommen, weil sie sonst auch noch erkranken würde. In der imposanten Eingangshalle der Familienresidenz setzte er sie ab, nachdem sie an einem verblüfften Butler vorbeigegangen waren, der sich jedoch schnell wieder fing, weil er in dem Haushalt des Dukes eigentlich immer mit einer Überraschung rechnen mußte. Sanft wurde sie auf die Füße gestellt.
 

„So, ich werde meine Haushälterin sofort veranlassen ein Bad für Sie einzulassen Und Ihre Wunde zu versorgen!“

Amy lächelte ihren Retter dankbar an: „Sie sind sehr freundlich! Ich bin übrigens Miss Amy Graham und wollte meine Tante Lady Pelham besuchen!“

Hellraisers Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln, das war das zweite Mal innerhalb zweier Jahre, daß ihm ein Mitglied des Pelham-Haushaltes im Regen begegnete. Obwohl er ebenso durchnäßt war wie sie, machte der Herr einen überwältigenden Eindruck mit seinen schwarzen Haaren und den leuchtenden grünen Augen.

Er machte einen eleganten Kratzfuß vor ihr und stellte sich mit seiner tiefen Stimme vor: „ Hellraiser Ryder, Duke of St. Ives zu Ihren Diensten, Madam!”
 

Amy starrte den Duke einen Moment fassungslos an und versuchte dann, ihren Schrecken zu verbergen. Glücklicherweise eilte in diesem Moment die Haushälterin auf sie zu und sie konnte dem Duke entfliehen. Mrs. Hull war die Güte in Person und führte sie in ein prächtig ausgestattetes Gästezimmer, wo ein heißes Bad für sie bereitet wurde. Nach dem Bad brachte ihr ein Mädchen ein warmes Nachthemd und einen Morgenrock und man nötigte sie, sich ins für sie vorgewärmte Bett zu legen.
 

„Sie waren total durchnäßt, seine Gnaden möchte nicht, daß sie sich erkälten! Ich bringe Ihnen auch bald heißen Tee und eine Kleinigkeit zu essen!“, verkündete Mrs. Hull und verschwand mit geschäftigen Schritten nach draußen.

Erschöpft lehnte Amy sich in die weichen Kissen. Hellraiser Ryder war der zweite Mann neben Spirit gewesen, der Chester Ryder erschossen haben mußte, in der ganzen Hast hatte sie nicht genau auf ihn geachtet, aber nun stand die Szene an der Waldhütte genau vor ihren Augen. Sie durfte nur nicht die Nerven verlieren, sie würde einfach Morgen zu ihrer Tante übersiedeln und die Familie Ryder nicht wieder sehen. Es war einfach Pech, daß sie ausgerechnet dem Duke im Regen begegnet war…
 

„Guten Abend, sind Sie noch wach, Miss Graham?“ Eine junge, wunderhübsche Brünette trat in ihr Zimmer, nachdem sie angeklopft hatte. Die Frau war sehr groß gewachsen und überaus modisch gekleidet, woraus Amy schloß, daß sie die Dame des Hauses war, denn sie paßte perfekt zu dem imposanten Duke, der einer der größten Männer war, denen sie jemals begegnet war.

„Ja, treten Sie doch näher, Mylady!“, erwiderte Amy mit einem unsicheren Lächeln.

Die Duchess setzte sich zu ihr aufs Bett und lächelte sie freundlich an: „Bitte seien Sie nicht so förmlich, ich heiße Germaine! Mein Mann hat mir gerade von Ihrem Abenteuer erzählt, ich hoffe, er hat Sie nicht zu sehr erschreckt. Das Biest, das er zu reiten pflegt, kann ein wahrer Teufel sein!“

Amy lächelte ebenfalls: „Ich habe gar nicht auf das Tier geachtet, ich war so darauf konzentriert Hilfe zu holen, daß ich alles andere gar nicht richtig wahrgenommen habe! Wissen Sie, ob es meinen Leuten gut geht?“

Germaine nickte bestätigend: „Ja, Ihr Mädchen wird bald wieder auftreten können, nur Ihr Kutscher ist etwas schwerer verletzt, aber auch er wird wieder gesund! Außer dem Kratzer an der Stirn geht es Ihnen aber gut?“
 

Germaine sah das blasse Gesicht des Mädchens prüfend an, in dem die roten Lippen besonders hervorstachen. Ihren kühlen, hellgrünen Augen entgingen selten die Gefühlsregungen von jungen Damen, da sie vor ihrer Heirat als Gouvernante für die gehobene Gesellschaft gearbeitet hatte, um deren Töchter auf die Saison vorzubereiten. Genau genommen war ihre letzte Arbeitsstelle bei Lady Pelham gewesen, wodurch sie in eine kleine Familientragödie der Ryders verwickelt worden war und bei dieser Gelegenheit ihren jetzigen Ehemann kennen gelernt hatte.
 

„Ja, ich bin nur ein wenig erschöpft! Ich kann bestimmt noch heute zu meiner Tante fahren, wenn Sie mir eine Kutsche leihen! Ich möchte Ihrem Haushalt nicht unnötig zur Last fallen!“ Amy sah die Duchess hoffnungsvoll an, weil sie so schnell wie möglich hier weg wollte.

„Unsinn! Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause! Sie sollten nicht vor Morgen aufbrechen, es ist schon viel zu spät und das Wetter immer noch ungemütlich! Wir senden einen Diener mit der Nachricht zu Lady Pelham, daß Sie später eintreffen! Ah, da kommt Ihr Tee, ruhen Sie sich aus! Sie haben ziemlich viel erlebt und das wird Sie noch kraftloser machen, als Sie sich jetzt schon fühlen! Ich sehe später noch mal nach Ihnen!“ Damit schritt die Duchess anmutigen Schrittes davon und ließ Amy ziemlich niedergebeugt zurück.
 

~

„Du hattest vollkommen Recht, geliebter Gatte, auch wenn es mir widerstrebt, das zuzugeben! Miss Graham möchte uns unbedingt verlassen! Keine ledige Dame der Gesellschaft würde sich die Gelegenheit entgehen lassen, ein paar Tage hier zu verbringen, wo die fünf begehrtesten Junggesellen der Londoner Gesellschaft ein- und ausgehen!“ Germaine schmiegte sich an Hellraisers breite Brust und küßte ihn kurz auf die Lippen, als er sie in ihrem Boudoir aufsuchte, wo sie sich zum Diner umziehen wollte.

„Sobald sie meinen Namen gehört hatte, erstarrte sie zu Eis! Vorher zeigte sie nicht die geringste Angst und ihr Verhalten nach dem Unfall zeigt ja deutlich, daß sie keine Frau ist, die schnell die Nerven verliert! Ich habe Ihren Namen aber noch nie gehört. Meinst Du, daß einer meiner Cousins für ihre Angst verantwortlich ist?“, fragte der Duke, der seine Brut ja nur zu gut kannte. Er hatte schließlich bis vor seiner Heirat dazu gehört.

Hellraiser umfing seine Frau fest und drückte sein Gesicht in ihr duftendes Haar, was sie ein wenig ablenkte.

„Hm? Wir können die vier Teufel, die hier sind, befragen, wenn wir uns zum Tee begeben! Aber vorher...“ Germaine ließ den Satz unvollendet und bot ihrem Mann die Lippen zum Kuß.
 

~

Als die Eheleute sich zum Aperitif in den Salon begeben wollten, fing Spirit Hellraiser an der Tür ab.

„Stimmt es, daß Miss Amy Graham hier unter Deinem Dach weilt?“, fragte er in einem sehr fordernden Tonfall.

Hellraiser zog eine Augenbraue hoch und grinste Germaine an: „Ich glaube, wir haben den Übeltäter entdeckt! Wir wollten gerade herausfinden, welcher meiner Cousins das arme Mädchen so echauffiert hat, daß sie am liebsten die Flucht vor uns ergreifen möchte!“

Spirit machte ein ertapptes Gesicht. „Touché, mein Lieber! Ich erkläre euch gleich alles, aber zuerst möchte ich sie sehen!“

Germaine sah ihn nun auch verwundert an, immerhin war es keine Alltäglichkeit, wenn ein Herr eine junge Dame in ihrem Schlafzimmer aufsuchte.

„Aber bleib nicht zu lange! Sonst tappst Du noch in die schreckliche Heiratsfalle! Webster kann Dich zu ihr führen! Vergiß aber nicht, daß ich hier unten vor Neugier platze!“ Damit war Spirit entlassen und hatte zugleich die hoheitliche Erlaubnis bekommen, der jungen Dame unter ihrem Dach den Hof zu machen. Anders war sein Anliegen nicht auszulegen, wenn man sich mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten auskannte…
 

~

Nachdem sie Tee getrunken und etwas gegessen hatte, fiel Amy in einen leichten Schlummer. Sie meinte die Tür zu hören, doch ließ die Augen geschlossen, weil sie dachte, es sei nur das Mädchen, das das Tablett abräumen wollte. Doch als sie spürte, wie jemand sich auf das Bett setzte, schlug sie die Augen auf.

Es war Spirit, er war hier! Ihr Herz klopfte vor Freude und ihr Gesicht erstrahlte. Sie richtete sich auf und streckte die Hand aus, die sie auf seinen Arm legte. Sie drückte ihn kurz und zog ihre Hand wieder zurück.
 

„Verzeihen Sie, Mr. Ryder! Ich dachte, daß ich wohl träume!“ Sie lächelte ihn schüchtern an. Seine grauen Augen leuchteten auf, als er ihre Freude, ihn wieder zu sehen, bemerkte.

„Ich besuche meinen Cousin und seine Frau! Ich freue mich, daß uns das Schicksal so bald wieder Gelegenheit gibt, uns wieder zu sehen!“

Spirit musterte sie besorgt. „Haben Sie Schmerzen, geht es Ihnen gut? Ich habe von dem Unfall gehört!“

Amy strich sich abwesend über die Schramme auf ihrer Stirn. „Es ist nicht schlimm, nur eine kleine Beule! Morgen bin ich wieder auf dem Damm, ganz sicher!“

Er nahm ihre kalten Finger in seine warme Hand und drückte sie fest.

„Sie waren sehr mutig, Miss Graham! Und ich freue mich sehr, daß ich jetzt meine Bekanntschaft mit Ihnen weiter vertiefen kann!“ Spirit bemerkte sofort den besorgten Ausdruck, der sich in ihre Augen schlich.
 

„Ich glaube nicht, daß es ratsam wäre, wenn mein Name mit dem Ihren in Verbindung gebracht wird, Mr. Ryder. Meine Tante, Lady Pelham, und meine Stiefmutter stehen in regem brieflichen Kontakt und ich möchte nicht, daß Lady Alicia einen Grund findet, mir zu zürnen!“

Zufrieden, weil die Ausrede auch der Wahrheit entsprach, lehnte sich Amy erleichtert in die Kissen zurück.
 

Spirit kniff die Augen zusammen und fuhr sich durch seine dunkelbraunen Locken, er war frustriert, weil er sich zu dem Mädchen hingezogen fühlte und sie sich so vehement gegen ihn sträubte, wofür es keinerlei nachvollziehbare Begründung gab. So schlimm konnte sein Ruf doch gar nicht sein und außerdem wusste sie als junge, unbedarfte Dame noch nicht einmal die Hälfte dessen, was er in seinem Leben schon angerichtet hatte.

„Mir sind die beiden vollkommen egal, wichtig ist, ob Sie mich besser kennenlernen möchten, Miss Graham!“
 

Amy schüttelte nur den Kopf, weil sie Angst hatte, ihre Stimme würde versagen. Sein Blick schien sie zu durchdringen, sie konnte ihre Augen nicht von seinem markanten Gesicht abwenden, das nun von Ärger umwölkt schien. Ihr Herz begann zu rasen und ihr stockte der Atem, ihr ganzer Körper schien sie verraten zu wollen, weil er so intensiv auf seine Nähe reagierte.
 

„Nein? Ich sollte Ihnen etwas als Grundlage zur besseren Beurteilung ihrer Entscheidung geben!“ Mit diesen Worten nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und drückte seine Lippen auf ihren Mund, damit unterdrückte er ihren leisen Aufschrei und stahl ihr den Atem.

Im ersten Moment waren seine Lippen fordernd und beängstigend, doch da er wußte, daß sie unerfahren war, wurde er zärtlicher. Ihre Anspannung ließ allmählich nach, da strich er mit seiner Zungenspitze über ihre Lippen, die sich ihm wie die Blütenblätter einer zarten Knospe öffneten. Er konnte nicht widerstehen und erkundete ihren süßen Mund mit seiner Zunge, ihre schüchterne Antwort fühlte sich wunderbar an. Spirit beendete den Kuß dennoch, weil er sie nicht erschrecken wollte. Nach einem letzten kleinen Kuß auf ihre Lippen zog er seinen Kopf zurück und wartete nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, daß sie die Augen wieder öffnete. Sie waren dunkel und verschleiert, verrieten emotionalen Aufruhr und Hingabe.

„Du kannst mir nicht entkommen! Dein Kuß hat Dich verraten, gib es zu, Amy!“
 

Seine Hände immer noch um ihr Gesicht konnte sie nicht seinem Blick ausweichen, sie fühlte sich wehrlos und ausgeliefert. Wut schoß mit einem Mal in ihr hoch, weil er ihre Schwäche ausnutzen wollte. Ihre sonst blassen Wangen glühten plötzlich und sie wand sich aus seiner Umklammerung.

„Sie sind niederträchtig! Wären Sie ein Gentleman, hätten Sie meine Entscheidung akzeptiert! Ist es ihr Instinkt als Rake, der Sie dazu zwingt, auch die unwilligen Frauen zu verführen? Gut, Sie haben gewonnen! Ich würde Ihnen sicher verfallen, wenn Sie es darauf anlegten, aber das ist bei einer alten Jungfer wie mir wahrlich nicht besonders schwer zu bewerkstelligen! Ich möchte, daß Sie gehen, sofort!“, verlangte Amy so energisch sie konnte.
 

Spirit hätte nie gedacht, daß die ruhige beherrschte Miss Graham so leidenschaftlich werden könnte, sie sah absolut hinreißend aus, wenn sie wütend war. Er sah jedoch ein, daß ein Streit in diesem Augenblick zwecklos war, deshalb erhob er sich. Außerdem hatte ihn ihr Vorwurf ziemlich vor den Kopf gestoßen. Er drängte sich Frauen niemals gegen ihren Willen auf, im Gegenteil. Sie waren seit frühester Jungend hinter ihm her gewesen, worüber er sich natürlich niemals beschwert hatte.

„Ganz wie Sie wünschen, Miss Graham! Ich hoffe aber, daß Sie mir Morgen verraten, warum Sie mich gerade derart beleidigt haben! Ihr Diener, Madam!“

Er verbeugte sich kurz und ließ Amy dann allein. Ihre Wut verrauchte sehr schnell und dann vergrub sie das Gesicht in den Kissen und weinte sich den Kummer von der Seele.
 

~

Das Unwetter erlaubte keine Ausritte zu Pferde, deshalb hatten sich Hellraiser und seine Cousins nach dem Abendessen zum Spielen im so genannten Herrenzimmer eingefunden. Er hatte Spirit zu einem Schachspiel überredet, weil er sich so ungestört mit ihm unterhalten konnte, während die anderen sich bei einer Partie Piqué amüsierten.

„Du siehst so finster aus, was ist zwischen dir und Miss Graham vorgefallen?“ Hellraiser setzte einen Läufer und musterte Spirit dabei genau.
 

Der verzog unwillig den Mund. „Germaine wird wohl keine Ruhe geben, bis Du Bericht erstatten kannst! Du erinnerst Dich doch sicher, daß ich bei Lord Graham zur Jagd geladen war, ich kam einen Tag zu früh an und fand Miss Graham in einer prekären Situation vor...“ Spirit erzählte ihm, was damals geschehen war und ließ auch nicht aus, daß er das Mädchen geküßt hatte, um sie zu trösten, nachdem sie knapp der Ehefalle der bösen Stiefmutter entkommen waren.

„Ich hatte mir vorgenommen, bis zur Saison zu warten, damit ich mich ihr unverfänglich nähern konnte! Ich wußte nicht, daß Lady Pelham ihre Tante ist und sie hierher kommen würde! Du hast Recht, wenn Du vermutest, daß ich an ihrer Antipathie den Ryders gegenüber verantwortlich bin! Aber das stimmt nur teilweise, weil sie mir schon vor dem Vorfall in meinem Schlafzimmer aus dem Weg gegangen ist! Ich weiß nicht, was sie über die Ryders zu wissen glaubt, daß sie so gegen uns eingenommen macht! Ich hätte doch gleich mit ihrem Vater sprechen sollen, nachdem Lady Alicia uns diese Falle gestellt hat! Eine Verlobung wäre das Beste gewesen!“
 

Spirit sah gerade auf das Spielfeld, deshalb entging ihm Hellraisers erstaunter Blick. Aber was wunderte er sich; er hatte nach ein paar Stunden in Germaines Gesellschaft gewußt, daß sie die perfekte Frau für ihn war und es keine Sekunde bereut, sie für sich erobert zu haben.

„Hm, bist Du Dir sicher, daß Miss Graham nicht etwas zu sanft für Dich sein könnte? Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sie sehr sensibel ist und womöglich mit Deinem doch zu Weilen aufbrausenden Temperament nicht gut zurechtkommt“, warf Hellraiser noch einen begründeten Einwand ein, ohne seinem Cousin zu nahe treten zu wollen.
 

Spirit blickte vom Spiel auf und zog gleichzeitig seine Augenbrauen hoch, dabei umspielte ein amüsiertes Lächeln seine Lippen.

„Hellraiser, ich versichere Dir, daß sie selbst mit Dir fertig werden könnte! Schließlich lebt sie seit Jahren mit dieser Schlange, Lady Alicia, zusammen und hat sich bisher nicht unterkriegen lassen! Germaine soll sie so oft wie möglich einladen, damit auch ihr sie besser kennenlernen könnt!“

Hellraiser grinste seinen Cousin zufrieden an und versprach ihm, daß Miss Graham ein gern gesehener Gast in seinem Hause werden würde.
 

Fortsetzung folgt...
 

Anmerkung des Autors:

withstand = widerstehen

Rake = Wüstling, Frauenheld, vgl. Roué und Rogue

Family Secrets & Unforseen Propositions

(Januar 1820)
 

~ ~ ~

Amy war am nächsten Morgen sehr früh auf, nachdem sie eine sehr unruhige Nacht verbracht hatte. Sie konnte die Begegnung mit Spirit nicht vergessen, ging sie in Gedanken immer wieder durch, wobei ihr das eigene Verhalten von Mal zu Mal deplazierter vorkam. Warum wusste sie nur um das schreckliche Geheimnis der Ryders?

Sie stand auf und kleidete sich an, nachdem sie aus ihrem Gepäck, das ungeöffnet vor einem großen Kleiderschrank stand, nach passenden Kleidungstücken durchsucht hatte. Da ihr Reisekleid von einem Mädchen am Vortag zum Säubern mitgenommen worden war, entschied sie sich, ein dunkelrotes Wollkleid anzuziehen, das warm genug war, um später eine Kutschfahrt zu machen. Ein Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims verriet ihr, daß es erst kurz vor sieben war. Sie wollte niemand von der Dienerschaft unnötige Arbeit machen, deshalb beschloß sie mit dem Frühstück zu warten, das wohl erst in einer Stunde bereitgehalten werden würde. Sie weilte schließlich in einem hochherrschaftlichen Haushalt, indem es üblich war, sich eher nach den Londoner Gepflogenheiten zu richten, auch wenn der Hausherr selbst den Ruf hatte, jemand zu sein, der seine Pflichten sehr ernst nahm und seinen Besitz verwaltete, indem er selbst mit anpackte.
 

Sie würde wohl selbst mit ihrer Frisur kämpfen müssen, denn sonst half ihr Becky dabei, die aber bestimmt noch erschöpft von ihrer Verletzung schlief. Es würde ihr nicht im Traum einfallen, nicht auf sie Rücksicht zu nehmen, wie es in der Gesellschaft üblich war. Dienstboten waren nur Menschen zweiter Klasse, die keinen Anspruch auf Schwächen hatten.

Ihre taillenlangen, gewellten Haare waren nicht leicht zu bändigen, deshalb steckte sie sie einfach mit zwei Kämmen aus Perlmutt über ihren Ohren zurück, nachdem sie sie durchgekämmt hatte. Als sie sich im Spiegel betrachtete, fiel ihr der Kratzer auf ihrer Stirn auf und sie mußte wieder an Spirit denken, der sie gestern so verletzt angesehen hatte, nachdem sie ihn ihre völlig unangebrachte Wut hatte spüren lassen. Eine junge Dame sollte niemals dermaßen die Contenance verlieren, so jedenfalls hatte man versucht, ihr das im Mädchenpensionat einzubläuen.

Ihr schlechtes Gewissen regte sich, immerhin hatte Spirit ihr zweimal beigestanden und sie hatte sich nicht gegen seinen Kuß gewehrt, wie es sich eigentlich für eine wohlerzogene junge Dame gehörte. Sie holte seinen Morgenrock aus ihrem Koffer, der in Seidenpapier gewickelt war. Er war das letzte Mal sehr früh abgereist, so daß ihr Mädchen das Kleidungsstück nicht hatte zurückgeben können, seitdem hatte sie sich oft zum Schlafen in den Mantel gehüllt, der immer noch nach Spirit duftete, oder zumindest bildete sie sich das ein...
 

Aber nun bot er ein guter Vorwand, um mit Spirit zu sprechen und sich bei ihm zu entschuldigen. Kurz entschlossen verließ sie ihr Zimmer und traf auf dem Korridor ein junges Dienstmädchen, das gerade einen Stapel gefalteter Wäsche vor sich her trug. Sie fragte nach Spirits Zimmer, das Mädchen erklärte ihr bereitwillig, daß es sich auf dem anderen Flügel befand, und schien sich nichts dabei zu denken. Wie auch? Sie war allerhöchstens vierzehn und dazu erzogen worden, das Gebaren der feinen Herrschaften niemals zu hinterfragen. Die Haushälterin, Mrs. Hull, hätte die Situation wohl anders gehandhabt.

Auf ihrem Weg zu Spirit traf sie niemanden mehr, was ihr die Sache sehr erleichterte. Seine Suite befand sich am Ende des schummrigen Korridors, da es draußen wohl noch regnerisch und grau war und das Fenster am Ende des Ganges durch die bunten Glasscheiben nicht viel Licht hereinließ.
 

Amy holte tief Luft und klopfte dann an. Nach ein paar Augenblicken hörte sie, wie sich der Tür Schritte näherten, dann stand sie einem verschlafenen Spirit gegenüber. Er trug nur Pantalons und nach den unverschlossenen Knöpfen zu urteilen, hatte er sie gerade erst übergestreift, seine sonst perfekt frisierten Haare fielen ihm ungebändigt in die Stirn und sein markantes Kinn war unrasiert. Amy starrte ihn fasziniert an, sie hatte nicht damit gerechnet, daß sein Anblick sie so aus der Fassung bringen würde.
 

„Miss Graham! Was machen Sie hier?“, flüsterte Spirit, nicht ohne einen irritierten Unterton verbergen zu können, weil er bestimmt nicht mit ihr gerechnet hatte, nachdem sie ihn gestern praktisch aus ihrem Zimmer geworfen hatte.

Er packte sie geschwind am Handgelenk und zog sie in sein Schlafzimmer, das nur von einem schwachen Kaminfeuer erleuchtet wurde, bevor sie noch jemand dabei beobachtete, wie er sich in einem völligen unpassenden Aufzug mit ihr unterhielt. Amy wurde rot und streckte die Arme mit dem Bündel aus.
 

„Ich wollte Ihnen das hier zurückgeben, bevor ich wegfahre! Das letzte Mal waren Sie schon weg, bevor ich Ihnen den Mantel wiedergeben konnte!“, erklärte sie ihm ein wenig atemlos, wohl darauf bedacht, ihm dabei stur in die Augen zu blicken.
 

Spirit strich sich die vom Schlaf zerzausten Haare mit einer verzweifelten Geste zurück. Miss Graham war ihm ein absolutes Rätsel oder viel mehr eine Person, die ihm mit Leichtigkeit an den Rand des Wahnsinns treiben könnte. Das war ihm mit einer Frau noch nie passiert, daß sie ihm dermaßen unter die Haut ging, ohne sich Mühe dabei zu geben, was seine eigene Reaktion auf sie nur schwerer zu ertragen machte. Er nahm den eingewickelten Morgenmantel entgegen und warf ihn achtlos auf einen nahe stehenden Sessel, weil er dessen Existenz schon längst vergessen hatte. Er hatte Dutzende davon.

„Befinden wir uns erneut in einer delikaten Situation, nur weil Sie mir den Morgenmantel wiederbringen wollten?“, fragte er ein wenig abweisend.
 

Das Rot ihrer Wangen vertiefte sich. „Ich habe nicht nachgedacht, es tut mir leid! Ich wollte meine Worte von gestern zurücknehmen! Ich war nur so durcheinander und manchmal sage ich im Zorn Dinge, die ich später bereue!“, versuchte sie sich an einer Erklärung, die in ihren eigenen Ohren ziemlich armselig klang.
 

Sie ging langsam in Richtung Tür, Spirit jedoch hielt sie am Arm zurück.

„Nicht so schnell, meine Liebe! Wenn wir schon Gelegenheit haben, miteinander zu sprechen, dann sollten wir sie nutzen! …Warum hast Du Angst vor mir?“, fragte er nun schon mit einem Hauch Samt in seiner Stimme, wobei er plötzlich alle Konvention fallen ließ und sie nicht länger siezte. Sie hatte sich schließlich selbst in diese kompromittierende Situation gebracht und ihn somit praktisch dazu aufgefordert, sich Freiheiten heraus zu nehmen.

Er zog sie näher an sich heran, so daß seine nackte Brust fast ihr gesamtes Gesichtsfeld einnahm, weil sie seinem Blick ausgewichen war. Allerdings trug dieser Anblick nichts dazu bei, sich zu beruhigen. Ihr Herz pochte wild, als sie die dunklen krausen Haare darauf registrierte und wie sie dann immer dünner zulaufend in seiner Hose verschwanden. Schnell blickte sie wieder zu ihm auf, doch sein durchdringender Blick war auch nicht sehr ermutigend.

„Ich, ich habe keine Angst!“ Amy versuchte ihre Stimme normal klingen zu lassen, doch er konnte ihre Lider flattern sehen.
 

Spirit lächelte wölfisch: „So? Dann kann dies hier Dich ja auch nicht schrecken!“

Er beugte sich zu ihr herunter und küßte sie leidenschaftlich, wobei er sie fest in die Arme nahm und an seine Brust drückte, ohne Rücksicht auf ihre Unerfahrenheit zu nehmen. Er wollte ihr eine Lektion erteilen, die sie in Zukunft hoffentlich vorsichtiger werden lassen würde. Sie hatte ihn provoziert. Vielleicht sogar in voller Absicht?
 

Amy umschlang unwillkürlich seine Taille mit beiden Armen und strich über seine nackte Haut, seine fordernden Lippen nahmen ihr den Atem und benebelten ihren Verstand. Sie erwiderte seine Küsse jedoch mit all der Leidenschaft, die er in ihr zu erwecken schien. Sie war einfach nicht darauf vorbereitet gewesen, daß sie so auf solche Aufdringlichkeiten reagieren könnte. So etwas tat eine Dame der Gesellschaft nicht, das geziemte sich nicht, ganz und gar nicht. Und doch wehrte sie sich nicht gegen seine Küsse.

Spirit selbst mußte sich mit aller Macht zusammenreißen, Amy nicht auf das bereits zerwühlte Bett zu werfen und ihr alles über die körperliche Liebe beizubringen, was er in seiner Laufbahn als berüchtigter Roué gelernt hatte…

Ihren tastenden Händen auf seinem nackten Rücken und ihrer rückhaltlose Antwort auf seinen Kuß konnte er kaum widerstehen. Er zwang sich jedoch, ihr Gesicht sanft zu umfassen und den Kuß zu beenden. Amy sah atemlos zu ihm auf, ließ ihn jedoch nicht los, langsam beruhigten sich auch Spirits Atemzüge und er konnte wieder klarer denken. Er durfte sich nicht so hinreißen lassen, immerhin war er der Erfahrenere von ihnen beiden. Wenn er das in Gedanken oft genug wiederholte, dann würde er sich vielleicht selbst glauben…
 

„Also hast Du keine Angst vor mir! Wovor dann?“, wollte er wissen und maß sie mit forderndem Blick.

Amy riß die Augen auf und versuchte sich aus seinem Griff zu winden, doch er ließ nicht locker. Sie löste ihre Umarmung auf, um sich mit den Handflächen gegen ihn zu stemmen, doch ihre Hände zuckten zurück, als hätte sie sich verbrannt, als sie erneut seine nackte Haut berührten.
 

„Das ist absolut unwichtig! Wir werden uns doch nicht wieder sehen! Wir verkehren nicht in denselben Kreisen!“ Sie blickte trotzig zu ihm auf, wobei ihre dunklen Augen aufblitzten und sie ihre roten Lippen fest zusammenpresste, als wollte sie so verhindern, sich zu verraten.
 

Spirit unterdrückte einen Fluch und kam Amys Gesicht so nahe, daß sich ihre Münder beinahe berührten.

„Für mich ist es aber wichtig! Sag es mir! Sofort!“ Seine grauen Augen schienen sie bezwingen zu wollen, ebenso wie seine fordernden Lippen, die den ihren so nahe waren, daß sie in Erwartung eines erneuten Kusses prickelten, obwohl sie sich für diese Schwäche schämte.

Diesmal riß sie sich von ihm los und ergriff die Flucht. Sie hatte die Tür aufgerissen, bevor sie Spirit erreichen konnte und war hinausgestürmt, ohne auf den Weg zu achten. Sie prallte unerwartet gegen ein hartes Hindernis und ihr blieb die Luft weg, als sie zwei starke Arme umfassten, bevor sie nach hinten taumeln konnte.
 

„Hoppla, nicht so hastig, Miss Graham!“ Kein geringerer als Hellraiser, der Duke of St. Ives, hatte sie aufgefangen, mußte Amy zu ihrem Schrecken feststellen.

„Ich war gerade auf der Suche nach Ihnen, wie übrigens der gesamte Haushalt! Ich wollte Spirit gerade bitten, mir bei der Suche zu helfen!“ Hellraiser schenkte Spirits Aufmachung einen Blick mit leicht erhobener Augenbraue. Das hier könnte man durchaus als eine mißlige Lage für seinen Cousin interpretieren.
 

Spirit fluchte nun laut und deutlich und bat Hellraiser hereinzukommen, der Amy noch nicht losgelassen hatte. Sie wurde mit sanfter Gewalt in Spirits Zimmer zurückgeführt und Hellraiser versperrte ihr den Fluchtweg, indem er sich mit seinem breiten Kreuz an die geschlossene Tür lehnte. Spirit hatte sich inzwischen einen Morgenmantel übergeworfen und sah ziemlich wütend aus. Genauso wie Amy, die mitten im Zimmer stand und beide Männer abwechselnd mit misstrauischen Blicken bedachte.
 

„Darf ich mir die Frage erlauben, was hier los ist?“ Hellraiser klang nicht vorwurfsvoll eher neugierig, was Spirit beruhigte, da er die Situation aufreibend genug fand.

Auch wenn Hellraiser ihr Anführer gewesen war und immer den ersten Schritt getan hatte, dem die anderen gefolgt waren, so hatte der Duke eindeutig Prinzipien und feste Moralvorstellungen, wenn es um unschuldige, junge Damen ging. Die Ryders mochten berüchtigte Lebemänner sein, aber sie hielten sich an willige Damen, deren Leben sie nicht mit einer Affäre zerstören würden. Sie verkehrten mit Damen der Halbwelt, Tänzerinnen oder Theaterschauspielerinnen oder auch verheirateten Damen, die ein Abenteuer suchten, aber niemals mit Debütantinnen. Das waren eben die gesellschaftlichen Regeln, mit denen sie leben mußten.
 

„Miss Graham wollte mir gerade mitteilen, warum sie bei der bloßen Erwähnung des Namens Ryder erstarrt!“, erklärte Spirit und lächelte nonchalant in Amys Richtung.
 

Diese schnappte empört nach Luft und schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wahr! Ich wollte Ihnen nur Ihren Morgenmantel zurückgeben!“ Nachdem sie die Worte geäußert hatte, wurde ihr klar, wie sich das wohl anhören mußte. Sie sah, daß Hellraiser eine Augenbraue hob und Spirit spöttisch anlächelte.
 

Spirit verstand seinen Cousin wie immer sofort, auch ohne Worte.

„Ja, Miss Graham hat Recht! Ich habe sie wiederholt kompromittiert, und das unter Deinem unbescholtenem Dach!“ Er ging auf Amy zu und nahm ihre Hand in seine, ohne sich die geringste Regung ihres Gesichtes entgehen zu lassen.

„Bitte erlauben Sie mir Miss Graham, Ihre Ehre wiederherzustellen und Sie zu meiner Frau zu machen!“ Er küßte zärtlich ihre Handinnenfläche und behielt ihr Gesicht weiterhin im Auge, dessen erschrockenen Ausdruck sie kaum zu verbergen mochte.
 

Amy wurde leichenblaß, sie konnte nur den Kopf schütteln. Sie konnte nicht fassen, was sie eben gehört hatte. Es mußte sich um einen Scherz handeln.

„Spricht etwas dagegen, daß wir heiraten?“ Er flüsterte die Worte mit täuschend sanfter Stimme, doch sein Blick war stahlhart. Ihre Hand zitterte in seiner, doch er ließ nicht locker, diesmal konnte sie nicht fliehen.

Amy fühlte sich an die Szene erinnert, die sie vor etwa einem Jahr beobachtet hatte. Die beiden Männer kamen ihr auf einmal bedrohlich vor. Sie würden sie nicht eher ziehen lassen, bis sie eine zufriedenstellende Erklärung von ihr bekommen hatten. Hatte sie noch eine andere Wahl?
 

„Ich werde niemals die Frau eines Mörders!“ Sie sprach die Worte leise aus und sah Spirit Ryder dabei sehr eindringlich in die Augen, um seine Reaktion auf ihren Vorwurf genau studieren zu können.
 

Spirit schüttelte ungläubig den Kopf: „Wie kommen Sie darauf, ich sei ein Mörder?“

Natürlich wirkte seine Verblüffung echt, denn er wußte ja nicht, daß er beobachtet worden war. Sie wähnten sich in Sicherheit und sie war wahnsinnig, sich ihnen einfach so auszuliefern. Was würden sie mit ihr tun, wenn sie schon vor Mord nicht zurückschreckten?
 

„Ich verbrachte den letzten Winter bei meiner Tante und so oft das Wetter es zuließ spazierte ich durch den Wald, der an ihr Grundstück grenzt, dort stand auch eine kleine Hütte, in die ich mich manchmal zurückzog! Letzten Februar wollte ich es genauso machen, mußte jedoch mit ansehen, wie Sie und Ihr Cousin sich über einen Mann beugten, der gerade angeschossen worden war! Ich wagte nicht, mich zu rühren, deshalb sah ich auch, wie die Hütte mit dem Toten darin in Flammen aufging! So, jetzt wissen Sie alles! Ich werde niemandem ein Wort verraten, das können Sie mir glauben, aber ich möchte jetzt zu meiner Tante fahren!“, verlangte Amy tapfer, obwohl ihre Angst vor den Konsequenzen ihres Geständnisses immer größer wurde.
 

Sie sah von Spirit zu Hellraiser, die beide sehr betroffene Gesichter machten.

Der Duke fand als erster seine Sprache wieder: „Miss Graham! Glaubten Sie wirklich die ganze Zeit über, daß ich und meine Cousins kaltblütige Mörder sind?“ Er verschränkte die Arme vor seiner enormen Brust und sah sie abwartend an. Spirit ließ ihre Hand los und wartete auf ihre Antwort.
 

„Ich war nicht sicher, der Tote muß Chester Ryder gewesen sein, ihr Cousin, der unter mysteriösen Umständen verschwunden ist! Was hätten Sie beide an meiner Stelle gedacht? Nachdem ich Sie kennen gelernt habe, kann ich es kaum glauben, aber ich kenne die Hintergründe nicht...“ Sie brach hilflos ab, weil sie insgeheim hoffte, es gäbe irgendeine Erklärung oder Entschuldigung für dieses Verhalten. Spirit war der erste Mensch, mit dem sie beinahe offen hatte reden können, der sich für ihre Probleme zu interessieren schien, das wollte sie nicht verlieren.
 

„Hellraiser, wenn Du erlaubst würde ich gerne unter vier Augen mit Miss Graham sprechen!“, bat Spirit nach einigen Augenblicken betroffenen Schweigens.
 

Hellraiser nickte und zog sich zurück, diesen Kampf mußte sein Cousin alleine ausfechten. Spirit bat Amy, sich in einen Sessel zu setzen und zog die Vorhänge auf, damit das Sonnenlicht den Raum erhellen konnte. Er selbst setzte sich ihr gegenüber auf einen anderen Sessel beim Kamin und schlug lässig die Beine übereinander.

In kurzen Worten schilderte er ihr, was damals geschehen war, als Chester versuchte hatte Hellraiser und seine Nachkommen auszulöschen, um selbst an den herzoglichen Titel zu gelangen. Es gab in jeder Familie ein schwarzes Schaf, allerdings hätten die Ryders niemals mit einem solchen Verrat gerechnet, selbst wenn die Cousins den pompösen Chester niemals in ihren erlauchten Kreis aufgenommen hatten, was dieser dünkelhafte Mann auch gar nicht gewollt hatte.

Chester war ein Außenseiter gewesen, das älteste Kind seines Onkels Archibald aus erster Ehe. Einer Ehe, die unter Zwang geschlossen worden war, weil es dieser Dame als erster und einziger Frau gelungen war, einen Ryder in die Ehefalle zu locken. Sie war im Kindbett verstorben, bevor die Ehe vollkommen zugrunde ging und sein Onkel hatte ein paar Jahre später noch einmal aus Liebe geheiratet. Chester hatte sich immer übergangen gefühlt, obwohl sich sein Vater mit ihm die größte Mühe gab. Sie vermuteten, daß er wohl schließlich dem Wahnsinn anheim gefallen wäre, unter dem viele männliche Nachkommen seiner Linie gelitten hatten. Eine Tatsache, die seine Mutter natürlich geflissentlich verschwiegen hatte.

Spirit bereute seine Tat nicht, er würde Chester auch heute noch ohne jegliche Gewissensbisse erschießen, wenn er erneut die Lichtung erreichte, bevor der Verrückte Germaine und ihr ungeborenes Kind tötete. Allerdings teilte er sich diesen Verdienst mit Hellraiser. Sie würden wohl nie wissen, welche der beiden Kugeln schließlich den Tod verursacht hatte, und es war auch vollkommen gleichgültig. Es gehörte der Vergangenheit an und wäre dort geblieben, wenn sie nicht einen unliebsamen Zeugen dabei gehabt hätten. Sie hätten damals wohl der Umgebung mehr Aufmerksamkeit schenken müssen.
 

„…Chester brachte sogar seinen eigenen Bruder um, weil der ihm auf die Schliche gekommen war, wir hatten keine Wahl als ihn zu töten, sonst hätte er Germaine und ihrem ungeborenen Kind etwas angetan! Es war Notwehr, aber dafür gibt es keine Beweise außer dem Wort meiner Cousins und das Germaines!“, schloß Spirit seine knappe Beschreibung der damaligen Ereignisse, die er nur ungern gegeben hatte. Das war eigentlich nichts für die Ohren einer jungen Dame. Es war schon schlimm genug gewesen, daß sie Germaine nicht aus der Sache hatten heraus halten können.
 

Amy schluckte, als er seinen Bericht beendet hatte. Was sollte sie dazu sagen, es war eine furchtbare Geschichte und sie hatte das Ganze bei Spirit und seinem Cousin wieder heraufbeschworen. Es stand ihr ganz und gar nicht zu, die Familie Ryder anzuzweifeln. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß eine Lady wie Germaine ein solches Lügenmärchen erfinden würde. Amy mochte sich nicht vorstellen, wie sich die Dame in diesen Momenten gefühlt haben mußte, als man das Leben des Kindes unter ihrem Herzen bedrohte. Der eigene Cousin? Aus Machtgier? Amy fuhr es kalt den Rücken herunter.

„Danke für Ihr Vertrauen, ich werde niemals ein Wort darüber verlieren! Es tut mir leid, ich hätte gar nicht dort sein dürfen!“

Amy erhob sich von dem Sessel, weil sie unbedingt gehen mußte, bevor sie dem Drang nachgab, ihn zu trösten. Sie glaubte jedes Wort seines Berichtes und mochte sich kaum vorstellen, wie viel es die Männer gekostet haben mußte, dieses Geheimnis vor den anderen Familienmitgliedern (und der Gesellschaft) zu bewahren.
 

Sie wollte schon abdrehen, Spirits Frage hielt sie jedoch zurück.

„Warum warst Du eigentlich im tiefsten Winter so oft in diesem Wald?“ Spirit sah sie prüfend an, denn er hegte einen bestimmten Verdacht, der ihn ziemlich wütend machte. Amy wurde rot, was seinen Verdacht zu bestätigen schien.
 

„Meine Tante und ich verstehen uns nicht besonders gut, deshalb ging ich, so oft ich konnte, spazieren! Die Hütte bot mir Schutz vor Kälte und ich konnte dort Feuer machen und in Ruhe lesen! Ich werde meine kleine Zuflucht vermissen!“ Sie lächelte bedauernd, obwohl ihr Verlust wohl als nichtig zu bezeichnen war.
 

„Wenn Du Deine Tante nicht magst, warum bist Du dann wieder hier?“, wollte Spirit wissen, dem es nicht gefiel, wie willkürlich ihre Familie über sie verfügte. Niemand schien sich um sie zu kümmern, das wäre in seiner Familie undenkbar. Er selbst hatte zwar nur einen Bruder, aber seine Cousinen führten ein behütetes und vor allen Dingen erfülltes Leben.
 

Amy senkte den Blick, weil sie sich seine Gedankengänge vorstellen konnte, aber sie wollte sein Mitleid nicht. Ihr Leben war gar nicht so schrecklich, wenn sie bedachte, was andere Mädchen und Frauen erdulden mußten.

„Meine Stiefmutter will mich aus dem Haus haben, deshalb! Es ist besser, als zu einer Heirat gezwungen zu werden! Es wird nicht so schlimm werden!“
 

Spirit stand plötzlich vor ihr und hob ihr Gesicht zu sich an. „Du hast mir noch keine Antwort auf meinen Antrag gegeben!“

Amy riß die Augen auf und starrte ihn erstaunt zu ihm auf, weil sie davon überzeugt war, daß er seinen Antrag nur ausgesprochen hatte, um sie endlich zum Reden zu bringen.
 

Aber wenn er es aus ihrem eigenen Mund hören mußte, dann bitte: „Sie haben mich doch nicht kompromittiert! Sie müssen mich nicht heiraten!“

Sie lächelte ihn an: „Ich werde niemals heiraten! Ich nehme nur an der Saison teil, weil Papa darauf besteht! Mit Vollendung meines 25. Lebensjahres wird er mir eine Apanage aussetzen und dann gründe ich eine Schule in dem Dorf, in dem ich geboren wurde!“

Sie sah wie Spirits Stirn sich umwölkte und ihr Lächeln erlosch genau wie die Flammen im Kamin, die keine Nahrung mehr fanden. Warum reagierte er auf ihre Pläne, als würden sie ihm nicht gefallen? Er müsste doch froh sein, daß er immer noch ein freier Mann war.
 

„Natürlich wirst Du heiraten! Ich meine meinen Antrag sehr ernst! Ich sprach schon mit Hellraiser darüber, daß ich schon viel früher Deinen Vater um Deine Hand hätte bitten sollen!“
 

Amy sah ihn verwundert an, daß er ihren Vater ins Spiel brachte, der sie nach seinen eigenen Erfahrungen wohl niemals in eine Ehe zwingen würde, und sprach dann einfach aus, was ihr gerade durch den Kopf ging:. „Spirit, ich bin kein armes Mädchen, das durch eine noble Geste wie einen Heiratsantrag gerettet werden muß! Es ist sehr freundlich von Dir, daß Du mir diesen Ausweg bietest, aber Du mußt Dich nicht für mich opfern! Ich sagte Dir doch schon einmal, daß eine erzwungene Heirat nicht glücklich machen kann! Es ist wirklich sehr nobel und freundlich von…“
 

Spirit umfaßte ihre Schultern und zog sie heftig an sich, um sie stürmisch zu küssen und vor allen Dingen zum Schweigen zu bringen. Ihre Worte hatten ihn wütend gemacht. War sie von Sinnen, ihn abzuweisen? Nach allem, was zwischen ihnen passiert war? Man hatte ihn noch niemals auf diese Weise abgefertigt, daß er ungewohnte Unsicherheit in sich aufsteigen spürte, die er sonst an sich nicht kannte.

Überrumpelt von seinem Ansturm erwiderte sie seinen Kuß und umschlang seinen Hals, um sich ihm besser entgegen recken zu können. Seine Hände wühlten sich in ihr loses Haar und sie konnte seine Bartstoppeln auf ihren Wangen fühlen. Heftig nach Atem ringend sahen sie sich nach dem Kuß tief in die Augen. Bezwingend auf seiner Seite, abwehrend auf ihrer.
 

„Heirate mich!“ Flüsterte er ihr ins Ohr und küßte sie zärtlich auf den Hals, um dann einen tiefen Atemzug zu nehmen, da ihre Haut sich erwärmt hatte und eine beinah betörenden Duft verströmte.
 

Amy erstarrte in seinen Armen und versuchte ihr heftig schlagendes Herz zu beruhigen.

„Bitte nicht, Spirit! Wir passen nicht zusammen! Du wirst eine anmutigere Frau finden, die Du dann heiraten kannst! Ich bin nicht die Richtige für… niemanden!“

Ihr traten plötzlich Tränen in die Augen, weil die Vorstellung, daß Spirit eine andere heiraten würde, sie sehr schmerzte. Aber sie mußte vernünftig bleiben und auch an die Zukunft denken. Spirit würde es bald bereuen, an eine unscheinbare, alte Jungfer gebunden zu sein. Sie hatte die Worte ihrer Stiefmutter nicht vergessen, und auch wenn sie in Boshaftigkeit geäußert worden waren, war Amy davon überzeugt, daß ein Körnchen Wahrheit darin steckte. Sie war bestimmt nicht die Art Frau, die ein Gentleman von Stand zu heiraten gedachte. Spirit Ryder fühlte sich nur durch Konventionen dazu verpflichtet, es lag an ihr, die Nerven zu bewahren und das Beste für sie beide im Auge zu behalten.
 

„Ich will aber Dich! Und ich gebe nicht so schnell auf, Amy!“ Sein brennender Blick bohrte sich in ihre dunklen Augen, die seinen nicht standhalten konnten. Sie wollte ihm so gerne glauben, aber die Selbstzweifel waren stärker. Spirit Ryder konnte es einfach nicht ernst meinen. Er wollte wahrscheinlich nur ein nein nicht gelten lassen, aber sie konnte sich ein ja nicht leisten.
 

„Ich gehe jetzt besser auf mein Zimmer zurück! Ich reise gleich nach dem Frühstück zu meiner Tante weiter, deshalb sage ich Dir jetzt Lebewohl! Wir sehen uns bestimmt nicht mehr wieder! Die nächste Saison werde ich nicht mehr in London verbringen!“

Sie entzog sich seinen Armen und verließ fluchtartig sein Zimmer, ohne von ihm aufgehalten zu werden, weil er einen Augenblick zu lange in absoluter Fassungslosigkeit auf die Tür gestarrt hatte, die hinter ihr ins Schloß gefallen war.
 

Spirit blieb aufgebracht zurück, er hatte gedacht, daß mit der Aufklärung von Chesters Tod alles in Ordnung wäre, aber Amys Ablehnung hatte ihn vollkommen verwirrt. Er brauchte jetzt Germaines kundigen Rat, weil er sonst die Pelham Residenz stürmen würde, um Amy nach alter Tradition einfach zu entführen. Der Gedanke an Gretna Green war im Moment geradezu verführerisch. Allerdings würde das dem Duke wohl kaum passen, der gerne in Frieden mit seinen nächsten Nachbarn lebte.

Aber was sollte er sonst tun, um diese störrische Person endlich davon zu überzeugen, daß er ernste Absichten hatte? Niemals hätte er mit einem Korb gerechnet, wenn er seinen ersten (und einzigen, wenn es nach ihm ging) Heiratsantrag ausgesprochen hatte. Mit einem missmutigen Laut ließ sich Spirit in den Sessel fallen und starrte düster vor sich auf den kostbaren Teppich zu seinen Füßen.

Wir werden ja sehen, ob es ein endgültiges Lebewohl war!, dachte Spirit grimmig und in seinen Augen glomm ein besitzergreifender Funke auf.
 


 

Fortsetzung folgt…

Plaisirs d' Amour

~ ~ ~
 

Noch am selben Morgen hatte Amy sich von den St. Ives verabschiedet und war zu ihrer Tante gefahren, die hellauf davon begeistert war, daß sie im herzoglichen Haushalt übernachtet hatte. Natürlich nur im Hinblick auf ihre Tochter Melody, die jetzt im heiratsfähigen Alter war und für die ein Mann aus dem Ryder-Clan die ideale Verbindung darstellen würde, wie für jede andere junge Dame aus der feinen Gesellschaft.

Was wäre es ein Triumph für ihre hinreißende Tochter, wenn sie noch vor Einführung eine solch blendende Verbindung einging?

Auf diese und ähnliche Träumereien zu antworten, unterließ Amy unter allen Umständen. Sie kannte ja bisher nur den Herzog und dessen ältesten Cousin persönlich, aber wenn die anderen Ryders ihnen auch nur einen Hauch ähnlich waren, dann konnte sie sich nicht vorstellen, daß die zarte und verwöhnte Melody an ihrer Seite ihr Glück finden würde. Ihre Cousine war der Meinung, Amy hätte ein unglaubliches Abenteuer erlebt und war in Ehrfurcht erstarrt, als sie hörte, daß der Herzog sie auf seinen berüchtigten Hengst gesetzt hatte.

Nach der dritten Wiederholung der Geschehnisse hatte sich Amy schlichtweg geweigert, ein weiteres Wort über ihr so genanntes Abenteuer zu verlieren. Sie fand es nicht weiter erwähnenswert und schon gar nicht so aufregend wie Melody. Oder viel zu aufregend, weil sie eigentlich nicht mehr an den Antrag und noch viel weniger an Spirit denken wollte.
 

Ihre Tante ging sogar soweit, einen Dankesbrief zu schreiben und lud die werte Duchess zum Tee ein, damit sie sich gebührend für die herzogliche Fürsorge bedanken konnte. Germaine traf eine Woche später auch tatsächlich zum Tee ein, obwohl sie die Pelhams eigentlich verabscheute, was man ihr nicht verübeln konnte, weil sie vor ihrer Ehe einige Zeit unter ihrem Dach gewohnt hatte. Genau wie Amy hatte Germaine andere Pläne bezüglich ihrer Zukunft gehabt, bevor sie Hellraiser begegnet war…

Sie wurde natürlich im besten Salon empfangen und Melody war auf das gründlichste frisiert und angekleidet worden, damit sie einen guten Eindruck machen konnte. Neben der sündhaft teuren Robe, die ihre Cousine trug, war sich Amy ein wenig schäbig vorgekommen, da sie nur ein einfaches Morgenkleid trug, das Becky für sie genäht hatte. Es war aus leichtem, dunkelgrünem Musselin und besaß als einzige Verzierung cremefarbene Spitze an den Manschetten und am kleinen runden Ausschnitt. Ihre Tante hatte ihr gar nicht mitgeteilt, daß sie die Duchess an diesem Nachmittag zum Tee erwartete, sie war den Vormittag bis kurz vor Erreichen der Teezeit damit beschäftigt gewesen, mit der Haushälterin ihrer Tante, die Leinenbestände des Haushaltes zu überprüfen. Nun wusste sie warum, man hatte sie aus dem Weg haben wollen, um sie dann vor vollendete Tatsachen zu stellen. Als wäre sie eine Bedrohung für ihre Cousine, der sie nur das Beste wünschte. Wenn es Melody glücklich machen sollte, sich einen Ryder für die Ehe einzufangen, dann würde sie ihr bestimmt nicht im Weg stehen.

Und nun mußte sie in den Salon eilen, ohne sich für den hohen Besuch umziehen zu können, obwohl sie gar nicht darauf erpicht war, die Bekanntschaft mit der Dame zu vertiefen. Lady Alberta brauchte sich in diesem Punkt gar keine Sorgen zu machen. Sie wäre am liebsten davon gelaufen, aber das verbot ihre gute Erziehung. Es war schon schlimm genug, daß sie mit ihrem nicht hergerichteten Äußeren einen respektlosen Eindruck vermittelte.
 

Amy begrüßte die Duchess mit einem eleganten Hofknicks, wie es ihrem Rang gebührte, und bedankte sich in kurzen Worten für die Hilfe ihres Haushaltes. Danach wurde der hohe Gast mit Aufmerksamkeiten von der Hausherrin und deren Tochter geradezu überschüttet. Amy setzte sich so weit wie möglich weg und konzentrierte sich auf die Stickerei, die auf ihrem Schoß lag. Sie hatte Anweisung, sich ja günstig auf die Neigungen der Duchess auszuwirken, damit ihre Cousine einen Fuß bei der Familie Ryder fassen konnte. Sie sollte sich aber im Hintergrund halten und nur darauf achten, daß Melody ins rechte Licht gerückt wurde. Sie hätte sich eigentlich denken können, daß ihre Tante gleich Pläne schmieden würde, in diesem Punkt war sie ihrer jüngeren Schwester sehr ähnlich, auch wenn sie dabei nie ganz so weit ging wie ihre Stiefmutter. Amy hatte der Dame im Geiste immer einen Mangel an Fantasie zugeschrieben, allerdings war das wohl nun auch ihre Rettung. Lady Alberta würde niemals so weit gehen und niederträchtige Pläne schmieden, die ihre Zukunft bedrohten.
 

Plötzlich richtete ihre Tante das Wort an sie und sie fuhr aus ihren Gedanken hoch, die sie hatte wandern lassen: „Amy, Kind! Hast Du gehört? Ihre Gnaden lädt Dich und Melody auf einen kleinen musikalischen Abend en famille in zwei Wochen ein! Ist das nicht reizend?“

Amy sah zerstreut auf und fing den warnenden Blick ihrer Verwandten ein. Auf ihrer Zungenspitze hatte schon eine ablehnende Antwort gelegen. Sie schämte sich, daß die Machenschaften ihrer Tante absolut durchschaubar waren und von der Duchess bestimmt als beleidigend aufgefasst werden würden. Sie wollte in keinem Fall den Eindruck erwecken, sie würde sich die Gunst der Ryders auf irgendeine Art und Weise erschleichen wollen.
 

„Oh, vielen Dank, Mylady! Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen! Melody liebt Musik!“ Sie lächelte Germaine so aufrichtig wie möglich an.

Sollte sie an diesem Abend eine Migräne vortäuschen? Nein, ihre Tante würde sie auch noch dorthin schicken, wenn sie im Sterben läge. Melody sollte neben ihrer unscheinbaren Verwandten noch heller erstrahlen. Nach einer weiteren äußerst verkrampften halben Stunde, ergriff die Duchess die Flucht, um sich dann bei ihrem Mann über die Pelhams zu beschweren.
 

„Spirit ist mir dafür etwas schuldig! Diese Frau ist ein snobistischer Drachen, das arme Mädchen kam ja kaum zu Wort! Und dann hatte sie nicht einmal Gelegenheit sich umzuziehen. Mein Besuch traf sie vollkommen überraschend!“ Germaine schnaubte verächtlich, um ihrem Unmut ein wenig Luft zu machen.

Hellraiser nahm sie mitfühlend lachend in die Arme. „Spirit wird Dir bestimmt sehr dankbar sein! Er ist schon ganz ungeduldig, seine Auserwählt wieder zu sehen! Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal einen Kuppler spielen werde!“

Germaine schmiegte sich an seine breite Brust und ließ sich von seinen Küssen besänftigen. Beinahe bereute sie es, Spirit davon abgeraten zu haben, seinen kühnen Entführungsplänen abzuschwören. Dann lächelte sie selbstzufrieden, weil ihre eigene Idee eigentlich viel wagemutiger war, selbst wenn dadurch keine Konventionen verletzt werden würden…
 


 

~ ~ ~
 

(Februar 1820)
 

Glücklicherweise besaß Amy auch eine elegante Abendgarderobe, die sie mit ihrem Mädchen Becky zusammengestellt und selbst entworfen hatte. Ihre Stiefmutter ließ sich natürlich immer bei der teuersten Schneiderin in London ausstatten, bei Amy wurde immer stets mit dem Argument gespart, daß ihr mäßiges Aussehen höhere Ausgaben nicht rechtfertigte. Natürlich, ohne das ihrem Vater mitzuteilen. Lady Alicia benutzte einfach das übrig gebliebene Geld für eigene Ausgaben. Wenn es darum ging, ihre selbstsüchtigen Wünsche zu erfüllen, wurde die Dame äußerst erfinderisch, was das Führen ihres Haushaltsbuches betraf.

Amy wollte nur in Frieden leben, so daß sie sich niemals darüber beschwert hatte. Im Gegenteil, es nutzte ihr sogar, weil sie dadurch einen guten Anlass gefunden hatte, ihrem Mädchen die Gelegenheit zum Üben zu verschaffen. Becky hegte nämlich schon lange den Traum, sich als Schneiderin selbständig zu machen und Amy unterstützte sie dabei, so weit es in ihrer Macht stand.
 

Amy trug am heutigen Abend eine altrosa Taftrobe, deren kurze Puffärmel und Überwurf aus silbergrauem Tüll gefertigt waren. Becky hatte ihre schweres Haar zu einem Chignon im Nacken zusammengefasst und eine einzelne gelockte Strähne auf ihrer Schulter drapiert. Als einzigen Schmuck trug sie eine Rosenknospe im Haarknoten, die einen Ton dunkler als ihr Kleid war. Melody trug einer so jungen Debütantin entsprechend ein pastellfarbenes Kleid aus himmelblauer Seide, das ihre blonde Schönheit und ihre Unschuld betonte.

Die Duchess begrüßte beide sehr warmherzig und stellte sie den Zwillingen Avena und Amara Ryder vor, die heute Abend ebenfalls ein Stück auf der Harfe vortragen würden. Da sie ungefähr im selben Alter wie Melody waren und bereits eine Saison in London verbracht hatten, ließ Amy die Mädchen allein und wanderte durch den Salon, der zu einem kleinen Konzertsaal umgewandelt worden war. Soweit sie sehen konnte, waren fast nur junge Mädchen und Männer anwesend, keine erfahrenen Lebemänner und nur wenige nicht sehr aufmerksame Anstandsdamen. Amy seufzte erleichtert, ein Mann wie Spirit würde niemals an einer solchen Veranstaltung teilnehmen, sie hatte auch den Duke of St. Ives bisher nicht gesehen. Solche musikalische Soiréen waren einfach dazu gedacht, daß die jungen Leute ein wenig gesellschaftlichen Feinschliff erhielten, bevor man sie an den großen Salons in London teilnehmen ließ. Hier war es nicht so schlimm, wenn man sich ein wenig linkisch unterhielt und dabei etwas Unbedachtes fallen ließ. Die Stimmung war gelöst und man sah, daß die jungen Leute erleichtert waren, sich hier nicht sonderlich in Acht nehmen zu müssen. Der Ernst des gesellschaftlichen Lebens würde für sie noch früh genug beginnen. Amy kam sich auf einmal sehr alt und abgebrüht vor, weil ihr eigenes Debüt schon so lange her war und sie die Konsequenzen von möglichen Fehltritten nicht mehr schrecken konnten. Das waren alles Oberflächlichkeiten, um die sie sich später keine Sorgen mehr machen mußte.
 

„Miss Graham! Ihre Cousine Melody erzählte mir bei meinem letzten Besuch in Pelham Hall, daß Sie eine sehr hübsche Altstimme besitzen! Die Duettpartnerin eines meiner Vortragenden ist ausgefallen, würden Sie wohl so freundlich sein und rettend einspringen?“ Die Duchess lächelte fragend und bittend zugleich und bedachte die junge Dame mit einem Blick, den ihre Familie sogleich als den „Unbezwingbaren“ betitelt hätte, vor dem sogar der herzogliche Satansbraten Respekt hatte, auch wenn er das wohl niemals öffentlich zugegeben hätte.
 

Amy zögerte, sie wollte nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, wenn ihre Tante ihr Verhalten missverstehen könnte. Aber sie konnte nicht auf Melody verweisen, die zwar recht annehmbar das Pianoforte spielte, aber in keinem Fall eine Stimme besaß, die für einen Vortrag im herzoglichen Palast ausreichen würde.

„Ich habe schon lange nicht mehr geübt, es käme auf die Stücke an, Mylady!“, antwortete sie deshalb zurückhaltend.
 

Lady Germaine umfaßte sanft aber bestimmt ihre Schultern und führte sie von der versammelten Gesellschaft weg.

„Ach, meine liebe Miss Graham, ich bin sicher, daß Sie diese Herausforderung mit der Ihnen eigenen Anmut meistern werden! Sie werden erst zum Schluß auftreten und haben mindestens noch eine dreiviertel Stunde Zeit zum Üben! Es sind nur zwei Balladen, nichts allzu Anspruchsvolles! Gehen Sie einfach ins Musikzimmer, dort können Sie ungestört üben! Vielen Dank!“, wischte die Duchess ihre Bedenken einfach beiseite.
 

Amy war überrumpelt und wehrte sich nicht, als sie sanft ins Musikzimmer geschoben wurde, das ziemlich abseits gelegen war. Zuerst sah sie ihren Duettpartner nicht, aber dann erblickte sie einen breiten Rücken am Klavier, der in teures Tuch gehüllt war.

„Guten Abend! Ihre Gnaden bat mich für Ihre Duettpartnerin einzuspringen, ich bin Miss Graham!“

Sie trat weiter ins Zimmer hinein. Da drehte sich der Fremde um, der absolut kein Fremder war.
 

„Guten Abend, Amy! Setz Dich zu mir, dann können wir die Stücke einstudieren!“, wurde sie von ihm begrüßt, als hätte er sie erwartet.
 

Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie Spirit erkannte. „SIE?! Ich dachte, Gentlemen verabscheuen musikalische Soireen!“, entfuhr es ihr überrascht, wobei sie alle guten Manieren vergaß. Wie so oft, wenn sie es mit diesem Herrn zu tun hatte.
 

Spirit grinste frech: „Nicht, wenn ich mit Dir zwei Stücke vortragen darf!“

Amys Wangen färbten sich dunkelrot, als sie zu ihm trat und die Noten zu den zwei Balladen studierte, die sie vortragen sollten. Es waren zwei Liebeslieder, eines davon auf Französisch! Und sie konnte nicht einmal behaupten, der Sprache nicht mächtig zu sein, weil sie viel zu lange Zeit im Mädchenpensionat in Paris verbracht hatte. Zudem hatte ihre Mutter ihr die Sprache schon als Kleinkind nahe gebracht genau wie die Liebe zur Musik.
 

„Sie hatten nie eine andere Duettpartnerin! Das war eine gemeine Falle! Ich werde nicht mit Ihnen singen!“ Sie blitzte ihn aufgebracht an und ballte die Hände unwillkürlich zu Fäusten. Sie hätte nur zu gern gewusst, wie man diese einsetzte, um ihm einen ordentlichen Schlag ins Gesicht zu geben.
 

„Nein? Dann erklären Sie das aber den Gästen, die gerade über diese Überraschung unterrichtet werden!“, gab Spirit seelenruhig zur Antwort und warf ihr einen herausfordernden Seitenblick zu, ohne sich allzu lange auf ihrem Gesicht zu verweilen, das wieder diesen Ausdruck angenommen hatte, der ihn meist dazu veranlasste, etwas Dummes zu tun. Er wandte den Blick von ihr ab, weil er sich unbedingt an den Plan halten wollte, den er gemeinsam mit Germaine ersonnen hatte.

Amy holte tief Luft, um sich zu beruhigen und setzte sich dann neben ihn auf die Klavierbank, obwohl sie ihm dadurch beinahe unerträglich nah kam. Beinahe so wie in ihren Träumen und sie verspürte den Drang, die Hand auszustrecken, um sich zu vergewissern, daß er wirklich ein Mensch aus Fleisch und Blut war. Und dann wünschte sie sich, er wäre nur ein Trugbild, das sich einfach in Luft auflösen würde.
 

Warum tat er das? Warum quälte er sie?

Amy riß sich zusammen, wies mit der rechten Hand demonstrativ auf die Tasten und forderte Spirit damit auf zu spielen. Sie mußte zuerst singen und nach der zweiten Zeile übernahm dann die männliche Stimme.

Spirit überraschte sie mit einem ausdrucksstarken Bariton. Jedenfalls harmonierten sie stimmlich miteinander, was Amy sehr erleichterte, denn sie hatte nicht vor, sich zu blamieren. Sein rechter Oberarm streifte während des Spiels wie beiläufig ihren bloßen Arm, wo der lange Abendhandschuh etwas nackte Haut blitzen ließ, während seine warme Stimme von unsterblicher Liebe sang. Amy lief ein Schauer über den Rücken und sie mußte sich sehr auf die Noten konzentrieren, um nicht falsch zu singen. Nach drei Durchgängen war Spirit zufrieden mit ihrer Darbietung und wandte sich ihr zu.
 

„Du bist sehr talentiert! Wir passen wunderbar zusammen… als Duettpartner!“ Fügte er hinzu, als er sah, daß Amy protestieren wollte. Er streckte eine Hand aus und nahm die lose Haarsträhne über ihrer Schulter spielerisch auf. Schwer und dunkel. Im Schein der Kerzen hatten ihre Haare einen warmen braungoldenen Schimmer. Er mußte sich wirklich zurückhalten, um sich nicht zu ihr rüber zu beugen und den Duft ihres Haares tief in sich aufzunehmen, der ihn auf dieser kurzen Distanz in der Nase kitzelte.
 

„Du siehst heute Abend einfach hinreißend aus!“ Er legte die Locke vorsichtig ab und strich ihr dabei zärtlich und sehr vorsichtig mit den Fingerspitzen über die nackte Haut, als könnte ein wenig zu viel Druck Schaden anrichten. Er wollte sie schließlich nicht noch mehr verschrecken. Sie war wie ein scheues Reh und doch wieder nicht, weil sie weiter einen Weg suchte, ihm zu widerstehen. Es war vielleicht nicht besonders fair, seine Erfahrung gegen sie auszuspielen, aber er war davon überzeugt, daß es nicht einfach sein würde, sie von ihren eigentlichen Plänen abzuhalten, die nicht gut für sie sein konnten. Er konnte nichts gegen den unbändigen Wunsch tun, sie vor jedem Unglück beschützen zu wollen. Und wie könnte er das besser vollbringen, als wenn er sie zur Frau nahm?
 

Amy starrte gebannt in seine Augen, war nicht fähig, ihm auszuweichen und in ihrem Kopf verloren sich die Worte auf dem Weg zu ihrer Zunge, die ihr kaum gehorchen wollte.

„Sagen Sie so etwas nicht! Es ändert nichts an meiner Einstellung, nur weil wir gemeinsam ein Duett vortragen! Ich werde niemals heiraten!“, schloß sie mit einem bekräftigenden Kopfnicken und hob stolz das Kinn, um ihm die innere Schwäche nicht bemerken zu lassen.

Das mußte es sein, dieser Mann war die Prüfung, die ihr vom Schicksal auferlegt worden war. Wenn sie standhaft blieb, dann würden die nächsten Schritte ein Kinderspiel sein. Spirit blieb vollkommen ruhig, obwohl Amy mit heftigem Widerspruch gerechnet hatte (oder hatte sie sich diesen gar gewünscht?), sein Lächeln wurde allerhöchstens breiter als zuvor.
 

„Gut! Ich werde schweigen, bis nach dem Auftritt! Wollen wir noch einmal üben?“, schlug er in einem freundschaftlichen Ton vor, als wäre es eine Alltäglichkeit, hier mit ihm zu sitzen und zu musizieren.

Amy nickte wortlos und konzentrierte sich auf die Musik. Sie zwang sich, die Bedeutung der Worte einfach auszublenden, die ihr etwas vorgaukelten, das nicht sein durfte. Warum fühlte sie sich nur so mit ihm verbunden? Sie kannte ihn doch kaum, sie wollte ihn auch nicht näher kennen. Es lag einfach nur daran, daß sie männliche Gesellschaft nicht gewohnt war. Jedenfalls versuchte sie, sich das einzureden.
 

Kurze Zeit später wurden sie von Avena aufgefordert in den provisorischen Konzertsaal zu kommen. Mit klopfenden Herzen betrat sie an Spirits Arm den bis zum letzten Platz gefüllten Salon der Duchess. Sie und ihr Mann saßen in der ersten Reihe und lächelten ihnen wohlwollend entgegen. Der Anblick ließ Amy stutzen, es kam ihr merkwürdig vor, daß plötzlich so viele Herren anwesend waren, die sie zuvor nicht bemerkt hatte.

Sie konnte ja nicht ahnen, daß Hellraiser und seine Cousins im Spielzimmer verweilt waren, bis zu diesem besonderen Auftritt gerufen wurde. Ihnen ging es ja nicht darum, den musikalischen Vortrag zu genießen, obwohl die Herren der Familie Ryder über eine fundierte musikalische Ausbildung verfügten.

Spirit stellte sich mit Amy neben das Pianoforte, an dem eine musikbegabte Verwandte auf das Zeichen zu ihrem Einsatz wartete. Zuerst sangen sie das französische Stück und ernteten tosenden Applaus, den Amy erleichtert entgegennahm. Sie mochte die gefühlvolle Melodie des Liedes und die Worte waren nicht so bedrohlich für ihre innere Ruhe. Spirit sang schließlich darüber, wie ihn die untreue Sylvie verlassen hatte und wie der Schmerz über diesen Verlust nun sein ganzes Leben lang andauern würde. Das war absolut harmlos, die Zuschauer wurden einfach nur gut unterhalten.

Amy hoffte sehr, daß das nächste Stück ihr genauso leichtfertig über die Lippen kommen würde, obwohl es ein viel ernsthafteres Lied war und zudem die englischen Worte von jedem hier verstanden werden würden.
 

Plaisir d'amour ne dure qu'un moment, chagrin d'amour dure toute la vie.

J'ai tout quitté pour l'ingrate Sylvie. Elle me quitte et prend un autre amant.

Plaisir d'amour ne dure qu'un moment, chagrin d'amour dure toute la vie.
 

Tant que cette eau coulera doucement vers ce ruisseau qui borde la prairie.

Je t'aimerai, me répétait Sylvie, l'eau coule encore, elle a changé pourtant.

Plaisir d'amour ne dure qu'un moment, chagrin d'amour dure toute la vie. *
 

*Jean-Pierre Claris de Florian, ca spätes 18. Jahrhundert
 

Die ersten Takte spielten auf und Spirit wandte sich ihr zu, so daß sie den Fehler beging, zu ihm aufzusehen, während er die erste Zeile sang. Es schien, als würde die Welt still stehen und sie wären die beiden einzigen Menschen in diesem Raum. Alle anderen waren in atemloses bis andächtiges Schweigen verfallen. Natürlich nur die anwesenden Damen, die Herren Ryder trugen ziemlich selbstgefällige bis mitleidige Mienen zur Schau, während sie ihrem Cousin oder Bruder lauschten, der tatsächlich seinen wahnwitzigen Plan wahr gemacht hatte. Sie hatten natürlich eine Wette laufen, wie die junge Dame darauf reagieren würde. Selbstverständlich wusste Spirit nichts davon, obwohl er selbst bezüglich Germaine und Hellraiser keine Zurückhaltung in Bezug auf delikate Wetten gezeigt hatte.
 

Amy hatte ihre Zuschauer vergessen und sang nur noch für Spirit, der sie mit seinem bezwingenden Blick gefangen hielt. Bei der letzten gemeinsamen Zeile nahm er ihre rechte Hand in seine und streifte ihr einen Ring über den Ringfinger, während der letzte Akkord verklang, dann zog er sie passend zu den eben gesungenen Worten in die Arme und küßte sie vor den Augen aller Gäste zärtlich auf den Mund. Amy hatte keine Chance zu reagieren, denn seine gefühlvolle Stimme hatte sie paralysiert und seine Lippen jeglichen Protest erstickt. Nicht in ihren wildesten Träumen hätte sie damit gerechnet, daß er so etwas vor den Augen seiner Familie tun könnte.
 

If music be the food of love, sing on till I am fill'd with joy;

for then my list'ning soul you move with pleasures that can never cloy,

your eyes, your mien, your tongue declare that you are music ev'rywhere.
 

Pleasures invade both eye and ear, so fierce the transports are, they wound,

and all my senses feasted are, tho' yet the treat is only sound.

Sure I must perish by our charms, unless you save me in your arms. *
 

*Henry Purcell, ca. 1690
 

Die Zuschauer klatschten frenetisch Beifall und riefen: „Ein Hoch auf das Paar!“ Lakaien trugen Champagner herein und bald gratulierte jeder dem frisch verlobten Paar. Allen voran die Duchess und der Duke, die sie jeweils herzlich umarmten und in der Familie willkommen hießen. Melody war außer sich vor Freude und freute sich mit ihr, bis Amy von dem aufgeregten Geschnatter Kopfschmerzen zu bekommen drohte. Irgendwie schien sie die einzige in dem Salon zu sein, die keine Freude ob dieser „entzückenden“ Geste empfinden konnte. Die Damen waren einfach hingerissen von dem wild romantischen Antrag, doch Amy kam sich vor, als wäre sie die Hauptdarstellerin eines wirklich schlechten Bühnenstückes.

Nach einer kleinen Ewigkeit strömten die Gäste endlich in den Speisesaal, wo Erfrischungen serviert wurden. Amy blieb völlig benommen mit Spirit im Konzertsaal zurück. Sie konnte nicht fassen, daß dies wirklich geschehen war, sie hatte kaum ein Wort der Erwiderung auf die überschwenglichen Glückwünsche gefunden.
 

„Verzeih mir, daß ich Dich so überrumpeln mußte, aber Du ließest mir keine andere Wahl!“, begann Spirit mit zögernden Worten, weil ihn der gehetzte Ausdruck in ihren Augen und die Blässe auf ihren Wangen langsam mit Sorge erfüllten.

Amy starrte den kostbaren Rubin an ihrem Finger an und sah dann ungläubig zu Spirit auf.

„Du bist völlig von Sinnen! Du kannst mich doch nicht in eine Ehe zwingen!“, keuchte Amy protestierend und wusste nicht, was sie jetzt tun sollte.
 

Spirit umfaßte ihre Schultern und schüttelte sie leicht, weil er nicht fassen konnte, daß sie ihm diesen Vorwurf machte. Es gab keinen anderen Ausweg für sie beide, wenn man bedachte, unter welchen Umständen sie sich immer wieder begegnet waren, doch das war ja nicht der Grund, warum er zu dieser drastischen Maßnahme gegriffen hatte.

„Du willst mich doch auch, gib es zu, ich habe Deinen Blick vorhin gesehen, wieso sträubst Du dich so gegen mich?“
 

Amy sah ihn mit von Tränen brennenden Augen an, die unaufhaltsam in ihr aufstiegen. „Du weißt es also nicht, was nur beweist, daß Du mich überhaupt nicht kennst! Du willst eine wildfremde Frau heiraten, warum?“
 

Spirit umfaßte ihr Gesicht mit seinen Händen, damit sie ihm nicht ausweichen konnte. „Du bist die Richtige, das fühle ich tief in meinem Herzen! Wir haben Zeit, uns während der Verlobungszeit kennen zu lernen! Du wolltest mir keine Gelegenheit geben, Dir auf eine andere Weise näher zu kommen! Sonst hättest Du nur versucht, mir zu entkommen, oder nicht?“

Er sah die Antwort in ihren Augen und an ihrem blassen Gesicht, dessen gequälter Ausdruck ihm in der Seele wehtat. Er bot ihr den Schutz seines Namens an, eine glückliche Zukunft an seiner Seite. Warum machte sie das unglücklich?
 

„Ich… wie soll ich das nur meinem Vater erklären?“, hauchte Amy fassungslos.

Spirit lächelte hoffnungsvoll, daß dies ihre einzige Sorge sein könnte, die er gerne zerstreuen würde: „Ich war schon vor Tagen bei ihm und habe offiziell um Deine Hand angehalten! Er war sehr glücklich darüber, daß er Dich nun gut versorgt weiß! Er vertraute mir an, daß ihn Deine Pläne mit Sorge erfüllt haben und daß er sehr erleichtert ist, daß Du heiraten wirst!“
 

Amy war, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr Vater würde ihr niemals wieder eine Apanage aussetzten, wenn sie eine solch blendende Verbindung ablehnte. Nicht wenn er schon seine Zustimmung gegeben hatte und ihn das Wort eines Gentleman daran band.

„Das war sehr vorschnell von Dir! Ich kann die Verlobung jetzt nicht mehr ohne großes Aufsehen auflösen und das wirst Du auch wollen, wenn Du mich richtig kennst!“ Sie entwand sich seinen Händen und starrte ihn erbost an.
 

Spirit sah sie nun noch verwirrter an, was hatte er falsch gemacht? Er hatte alle Regeln der Etikette befolgt, als er zuerst mit ihrem Vater sprach, ohne ihn dabei wissen zu lassen, welche Pläne seine Frau geschmiedet hatte. Er wollte Amy ja nicht heiraten, weil er sie kompromittiert hatte, er wollte sie um ihretwillen, das mußte ihr doch klar sein. Noch deutlicher konnte sich ein Gentleman fast nicht erklären, ohne die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten.

„Mein Vater und ich sind vor Jahren übereingekommen, daß ich niemals heiraten werde! Ich verstehe nicht, warum er seine Meinung geändert hat! Du kannst mich nicht heiraten, Spirit, Deine Familie würde Dir das niemals verzeihen!“
 

Spirit trat auf sie zu, doch sie wich vor ihm zurück, weil sie in seiner unmittelbaren Nähe nur schwankend werden würde.

„Erkläre mir bitte, was meine Familie gegen unsere Verbindung einwenden könnte!“ Spirit nahm ihre Hand erneut in seine und hielt sie fest.
 

„Papa hätte es Dir erzählen müssen! Er weiß, daß ich es nicht verschweigen werde! Meine Mutter Marguerite verkaufte ihren Körper in Londons Straßen, bevor Vikar Baxter sie an Kindes statt annahm. Sie war das Kind eines englischen Peers und eines französischen Dienstmädchens! Willst Du wirklich die Tochter einer… Frau ohne Moral heiraten?“ Amy warf den Kopf zurück und sah ihn mit wütend funkelnden Augen an.

Sie erwartete nach dieser Eröffnung, ihn sogleich, angewidert zurück zucken zu sehen. Sie schämte sich nicht für die Vergangenheit ihrer Mutter, der nicht viele Möglichkeiten offen gestanden waren, wenn sie nicht elendig im Armenviertel verhungern wollte. Wenn der Vikar sie damals nicht von der Straße in sein Heim geholt hätte, wäre sie wohl viel früher gestorben.
 

Spirit sah sie konsterniert an, er verstand nicht ganz, worauf sie hinaus wollte. „Willst Du mir damit sagen, daß Dein Vater gar nicht Dein Vater ist?“

Es läge schließlich im Bereich des Möglichen, daß Amys Mutter das Kind eines anderen ausgetragen hatte. Sogar in Gedanken widerstrebte es ihm, diesen Mann als Freier zu bezeichnen. Er fühlte sich tatsächlich abgestoßen, aber nicht weil der „Bastard“ eines Peers sich hatte verkaufen müssen, er verabscheute die Herren der Gesellschaft, die keine Verantwortung für die Früchte übernahmen, die ihre Affären trugen. Es stand außer Frage, diese Kinder als legitime Nachkommen anzuerkennen, aber man konnte sie wenigstens finanziell versorgen, wenn man schon so weit ging, sich an den eigenen Dienstboten zu vergreifen, was ihm selbst niemals eingefallen wäre. Diese Menschen traten in seinen Dienst und standen somit unter seinem Schutz, solange sie unter seinem Dach lebten. Wenigstens verstand er nun Amys zögerliche Reaktion besser, selbst wenn sie jeglicher Grundlage entbehrte.
 

Amy schüttelte den Kopf. „Nein, meine Eltern waren wirklich verheiratet, Großvater hat die Trauung selbst vollzogen, damals war Papa nur der jüngere Sohn und wollte selbst Pfarrer werden! Als Mitglied der Familie Ryder kannst Du jedoch keine alte Jungfer heiraten, die einen so beträchtlichen Makel in ihrem Stammbaum aufweist!“
 

Spirit schnalzte ungehalten mit der Zunge: „Hör endlich auf, Dich als alte Jungfer zu betiteln! Du bist jung genug, meine Frau zu werden! Und was Deine Mutter angeht, so ist mir das einerlei, schließlich heirate ich Dich und von Dir weiß ich, daß Deine Erfahrung mit Männern sich auf mich beschränkt!“ Er streckte die Hand aus und strich ihr zärtlich über die sich rötende Wange.

Das hätte er vielleicht etwas anders ausdrücken sollen, aber ihn kümmerte es wirklich nicht, da er nicht der Herzog war, mußte er nicht auf den Stammbaum seiner zukünftigen Frau achten. Und selbst wenn… Spirit war schon immer ein Freigeist gewesen, der gerne gegen Konventionen anging. Amys Vergangenheit war also wahrlich kein triftiger Grund, ihre Verbindung nicht einzugehen.
 

Amy zog den Kopf zurück und zog die Augenbrauen zusammen, sie wurde langsam richtig böse. Wie konnte er nur so stur sein?

„Spirit Ryder, Du bist der dickköpfigste Mann, der mir je begegnet ist! Meine Antwort lautet NEIN! Ich möchte nicht heiraten, Vater weiß das sehr genau und wenn Dich sonst nichts abschreckt, dann vielleicht meine strikte Weigerung!“ Sie blitzte ihn aufgebracht an, weil er sie in diese ausweglose Situation gebracht hatte, aus der es kein Entkommen zu geben schien.
 

Spirit kniff seine grauen Augen zusammen und riß sie einfach in seine Arme, wo er sie an seine breite Brust drückte und sie küßte, bis sie beide keinen Atem mehr hatten.

„Du gehörst zu mir, mein Schatz! Ich gebe Dich nicht frei, also gewöhne Dich daran, meine Verlobte zu sein!“, sagte er in einem sehr bestimmenden Tonfall, der nicht unbedingt wie eine Liebeserklärung klang, aber ihre Streitsucht schürte nur sein eigenes hitziges Wesen, das erobern und besitzen wollte.
 

Amy beabsichtigte, etwas zu erwidern, aber seine Lippen waren wieder auf ihrem Mund und forderten ihre volle Aufmerksamkeit, weil er sich diesmal keine Zurückhaltung auferlegte und seine Liebkosungen so leidenschaftlich waren, daß Amy sie ihm nur mit gleicher Münze heimzahlen konnte. Ihr wurde unerträglich heiß, als sie spürte, wie seine Hände ihre Taille umspannten und sie eng an seinen Körper gepresst wurde. Der dünne Stoff der Abendrobe bot keinerlei Schutz vor der Hitze, die dieser Mann ausstrahlte. Ihre Knie wurden weich, als er ihren Namen an ihren Lippen mit dieser samtig dunklen Stimme wie eine Beschwörung immer wieder und wieder sagte, so daß er immer wieder ihre Lippen dabei streifte.

Spirit selbst mußte sich zwingen, die Hände von ihr zu nehmen und krallte sie indessen in die Abdeckung des Pianofortes hinter sich, um zu verhindern, daß er ihr Kleid zerdrückte oder gar einriß. Es war schier unmöglich, einen klaren Kopf zu behalten, wenn sie ihn auf diese hingebungsvolle Art und Weise ansah, so daß er in ihrem Blick zu versinken drohte.
 

Sie küßten sich beinahe hemmungslos, bis sie ein Räuspern vernahmen, das Hellraiser ausgestoßen hatte, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen.

„Spirit, Amy! Kommt ihr? Unsere Gäste erwarten Euch!“, sprach der Duke mit unergründlichem Blick und ohne jeglichen Vorwurf. Allerdings dachte er bei sich, daß die Hochzeit wohl am besten sehr schnell stattfinden sollte.
 

Nur ungern gab Spirit seine widerspenstige Verlobte frei, die ihn immer noch kämpferisch anblickte, obwohl ihr der Atem für eine weitere Erwiderung fehlte. Ihre Lippen waren leicht aufgeworfen und so einladend, daß Spirit sich ungemütlich räusperte, weil er drauf und dran war, seinen Cousin zum Teufel zu wünschen, um noch länger mit Amy allein sein zu können. Was kümmerten ihn die anderen Gäste? Er war in Gedanken schon in den Flitterwochen.

Paris, Venedig oder doch lieber sein Landsitz in Kent? Spirit wollte Amy die Welt zu Füßen legen.

„Geh doch schon vor, meine Liebe, Hellraiser und ich schließen uns gleich an!“, brachte Spirit schließlich mit großer Selbstbeherrschung hervor.
 

Ohne ein weiteres Wort verließ Amy mit entrüstet raschelndem Rock den Raum, nicht ohne dem Duke auch einen bösen Blick zuzuwerfen, der sich scheinbar ebenfalls gegen sie verschworen hatte.

Dieser grinste seinen Cousin amüsiert an: „Nanu? Was hast Du mit Miss Graham angestellt? Ich habe sie wohl falsch eingeschätzt! Sie kochte ja förmlich!“
 

Spirit verzog den Mund und zog sein Krawattentuch zurecht, an das Amy sich geklammert hatte, während sie sich so heftig küssten.

„Sie will mich nicht heiraten! Das ist! Sie nannte mich dickköpfig und nannte mir Ausflüchte, um die Verbindung zu verhindern! Als ob ein kleiner Skandal unsere Familie abschrecken könnte!“, schnaubte Spirit höhnisch und erläuterte ihm Amys Herkunft in knappen Worten, die von unterdrückten Gefühlen etwas kratzig klangen.
 

Hellraiser lachte Spirit hämisch aus, weil der sich vor Jahren genauso über ihn lustig gemacht hatte: „Das wird eine turbulente Verlobungszeit für Dich werden! Ich gebe Dir einen kleinen Rat: Sorge so schnell wie möglich dafür, daß Deine Auserwählte keine Gelegenheit mehr hat, Deiner Ehefalle zu entkommen! Sie sieht so aus, als ob ihr schon Fluchtpläne durch den Kopf gehen! Ich kenne mich damit aus! Germaine hatte genau denselben Ausdruck in ihren Augen, wenn ich sie freundlichst darauf hinwies, daß ich sie zu meiner Duchess auserwählt hatte!“
 

Spirit Mund verzog sich zu einer entschlossenen Linie. „Daran dachte ich auch schon! Sorg doch bitte dafür, daß die beiden Damen heute Nacht Deine Gäste sind! Alles andere wird sich finden!“

Einträchtig begaben sich Hellraiser und Spirit zu der kleinen Feierlichkeit und stellten Amy allen anwesenden Familienmitgliedern vor, die sie überaus herzlich in ihrer Mitte willkommen hießen.
 


 

Fortsetzung folgt…
 


 

Anmerkung des Autors:

En famille, franz. - Das bedeutet im intimen Rahmen, der auch gute Freunde und Bekannte einschließen kann.
 

Chignon, franz. – Lockerer Haarknoten
 

Die Melodie des französischen Liedes „Plaisirs D’ Amour“ dürfte den meisten in der Interpretation von Elvis Presley geläufig sein: I can’t help falling in Love with you.

Es ist aber tatsächlich ein Stück aus dem 18. Jahrhundert, das bis heute unvergessen geblieben ist.

Wer sich eine traditionellere Version anhören möchte, um sich die Szene zwischen Amy und Spirit besser vorstellen zu können, findet hier die Interpretation von Yulia Townsend: http://www.youtube.com/watch?v=urt_3Osefyg&feature=related
 

Hier die Übersetzung des englischen Liedes „If Music be the Food of Love“:
 

Wenn Musik die Speise der Liebe ist, sing, bis ich mit Glücksgefühlen ausgefüllt bin

Denn Du berührst meine lauschende Seele mit Freuden, die mir niemals widerstreben werden.

Deine Augen, deine Miene, deine Zunge verkünden, daß Du allgegenwärtige Musik bist.
 

Freude erfüllt Augen wie Ohren, so leidenschaftlich ist der Ansturm, er umschlingt meine Sinne,

so daß ich darin schwelge, obgleich der Genuss bisher nur die Musik ist.

Bestimmt werde ich in diesem Zauber vergehen, wenn Du mich nicht in deinen Armen errettest.

The Spirit ist willing and the Flesh is weak

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

At the Crossroads

Februar 1820
 

Amy würde etwa zwei Tage brauchen, um den Landsitz ihres Vaters zu erreichen, weil sie nur in den günstigen Postkutschen reisen konnte. Der fehlende Luxus war ihr jedoch gleichgültig, weil sie sowieso nichts mehr außer dem Schmerz über die Trennung von Spirit spüren konnte. Sie hatte keinen Hunger, konnte nicht schlafen und ihr Inneres schien vor Kummer zerbersten zu wollen. Es war genau das passiert, was sie die ganze Zeit über befürchtet hatte. Sie war zum Spielball ihrer Gefühle für einen Mann geworden, den sie kaum kannte und der eine große Gefahr für ihren Seelenfrieden darstellte. Und für ihre Zukunft.

Sie rückte noch ein Stückchen enger in die Ecke der überfüllten Kutsche, als sie die unangenehme Nähe des Fahrgastes, der den Platz neben ihr inne hatte, ihr wieder allzu deutlich bewusst wurde. Trotz des dicken Reisemantels und des warmen Reisekleides kroch eine unangenehme Gänsehaut über ihre Arme. Der Mann in mittleren Jahren und dem scharfen Raubvogelgesicht war ihr bisher kaum aufgefallen, die anderen Mitreisenden ebenfalls nicht, weil sie einfach zu sehr in ihrem Kummer gefangen war, doch mit einem Mal verspürte sie den Wunsch, nicht ohne Begleitung gereist zu sein. Sie verzog unangenehm berührt das Gesicht und wandte es so weit wie möglich ab, als der aufdringliche Mann einen Rüttler der Kutsche nutzte, um sich tiefer zu ihr runterzubeugen, bis sie seinen nach billigem Bier riechenden Atem auf ihrer Wange spürte.
 

„Sir! Bitte! Könnten Sie ein wenig mehr Abstand halten?“, bat sie mit leiser Stimme, die leider nicht so selbstsicher klang, wie sie es gerne gehabt hätte.

Der Druck seines Körpers wurde stärker und Amy wurde regelrecht an die Wand der Kutsche gepresst, so daß sie keine Bewegungsfreiheit mehr hatte. Zu ihrem Schrecken spürte sie, wie seine Hand über ihren Rücken glitt, als wollte er ihre Taille umfassen.

Bevor sie weiteren Protest einlegen konnte, sprang der Mann mit einem lauten Aufschrei auf und sprang wie ein Verrückter auf und ab, wobei er sich den Knöchel seines linken Fußes hielt, während er mit der freien Hand versuchte, irgendwie am Dach der Kutsche Halt zu finden. Die anderen Mitreisenden gaben ihm ungnädige Stöße mit den Händen, als er sich anschickte, sich auf ihnen abzustützen, weil der Wagen gerade ziemlich schaukelte.
 

„Dieser elende Köter hat mich gebissen! Diese verdammte Töle!“, kreischte er so schrill, daß er sich eher wie ein ungehaltenes Marktweib denn ein Mann anhörte.

Amy war nun völlig verwirrt, bis ihr zu Bewußtsein drang, daß ein kleiner schwarzer Mops kläffend zwischen den Beinen des inzwischen wimmernden Mannes herum sprang. Die Situation war mit einem Mal so absurd, daß sie sich ein Auflachen verbeißen mußte, obwohl in ihren Augen Tränen schimmerten. Sie neigte sonst nicht zu großen Empfindlichkeiten, aber im Augenblick reichte die geringste Aufregung, um ihr Gemüt schwermütig werden zu lassen.
 

„Also wirklich! Ein erbärmlicher Hund, wie Sie einer sind, sollte höhergestellte Kreaturen Gottes nicht dermaßen beleidigen!“, echauffierte sich die Besitzerin des niedlichen Mopses, die ihre stattliche Gestalt mühevoll aus dem Sitz erhob, um sich dann mit einem leisen Schnauben neben Amy auf die Bank gleiten zu lassen.

„Yurochka, komm zu deiner Mami! Ja, Du bist ein ganz Braver!“

Der Mops sprang hechelnd auf den Schoß seiner Herrin und setzte sich auf sein kleines Hinterteil, wobei er seine Zunge aus dem Mund hängen ließ und so erwartungsvoll zu Amy aufsah, daß sie nicht anders konnte, als ihn liebevoll zu tätscheln. Immerhin war er der Retter ihrer Ehre und seinen braunen Kulleraugen konnte man kaum widerstehen.
 

„Vielen Dank… Ich danke Ihnen von Herzen!“, wisperte Amy leise, während der unangenehm aufdringliche Mitreisende sich auf den frei gewordenen Platz setzte und dem Hund wütende Blicke sandte. Von ihr durfte er kein Mitleid erwarten, sein Benehmen war wirklich inakzeptabel gewesen.

Die ältere Dame, deren schwarzer Umhang und dunkler Reisehut aus abgewetztem Filz mit der müde hängenden Feder wohl schon bessere Tage gesehen hatten, schnalzte nur mit der Zunge und bedachte sie mit einem mitleidigen Seitenblick.

„Nicht doch! Alleinreisende Mädchen müssen doch zueinander halten!“, meinte sie mit einem leichten russischen Akzent, der sie die R’s besonders deutlich aussprechen ließ, ihr aber auch einen sehr einnehmenden Charme verlieh.

Amy fiel überrascht in ihr mädchenhaftes Kichern ein, obwohl sie noch niemals eine so außergewöhnliche Dame getroffen hatte. Sie mußte aus gutem Hause stammen, da ihre Aussprache bis auf den leichten Akzent absolut perfekt war. Zudem waren ihre Sachen von ausgezeichneter Qualität, auch wenn sie schon sehr abgetragen aussahen.

Sie hatten aneinander gerade mit Namen vorgestellt, als die Kutsche an einem Gasthof vorfuhr, wo der Fahrer noch einmal die ermüdeten Pferde auswechseln würde. Amy überschlug in Gedanken schnell die Summe an Bargeld, die sie in ihrem Täschchen mit sich führte.
 

„Würden Sie mir die Ehre erweisen und mir Gesellschaft in einem Privatsalon leisten, Madame Petrova?“, bat sie dann ihre Retterin, bevor der Kutscher ihnen die Türen öffnete. So kurz vor ihrem Zuhause konnte sie riskieren, das letzte Geld auszugeben, weil sie unbedingt vermeiden wollte, sich mit dem immer noch wütend aussehenden Mann in einem öffentlichen Schankraum aufzuhalten, wo getrunken wurde und so viel Lärm herrschte, daß niemand auf eine allein reisende Dame acht geben würde. Amy traute dem Mann durchaus zu, sich an ihrer Retterin rächen zu wollen.

„Das ist sehr gütig von Ihnen, mein Kind! Und sehr umsichtig!“, flüsterte sie verschwörerisch, wobei sie dem Rücken des humpelnden Mannes einen bedeutungsvollen Blick schenkte. Der kleine Mops auf ihrem Schoß stieß dabei ein drohendes Knurren aus, als wäre er nur zu bereit, sich erneut auf den Kerl zu stürzen, der sich solche Freiheiten gegenüber einer Dame herausgenommen hatte.
 

Zehn Minuten später saßen sie in einem kleinen Salon am Kaminfeuer und wärmten sich auf, während sie auf den Tee warteten, den Amy bestellt hatte. Yurochka hopste zufrieden umher, bis er es sich auf dem Läufer vor dem Kamin bequem machte, um sich dort zu einem kleinen Fellbündel zusammen zu rollen, wo er dann leise zu schnarchen begann. Zufrieden beobachtete die ältere Dame, wie Amy mit geübter Hand den Tee einschenkte, um ihr dann Zucker und Sahne zu reichen, nachdem ein Mädchen mit rosigen Wangen, wahrscheinlich eine Tochter des Gastwirtes, ihn ein wenig unbeholfen serviert hatte.
 

„Sie sind eine sehr geübte Gastgeberin, mein Kind! Oh, ja, Danke sehr! Ich gebe zu, Gurkensandwiches habe ich am liebsten!“

Die Dame nahm den gerichteten Teller erfreut lächelnd entgegen, den Amy von der kleinen Etagere beladen hatte, auf dem allerlei belegte Brote gestapelt waren. Sie selbst verspürte keinen großen Hunger, doch sie zwang sich, unter dem scharfen Blick ihres Gastes eine Kleinigkeit zu sich nehmen. Es hatte ja keinen Sinn, wenn sie jede Nahrung verweigerte. Sie würde sonst nur krank werden, was sie sich im Augenblick kaum erlauben durfte.
 

„In Ihrem Alter sollten Sie eigentlich schon einem herrschaftlichen Haus vorstehen und nicht allein auf Reisen sein! Sie sind doch wohl kaum eine solche Abenteurerin wie ich, meine Liebe? In meinem hohen Alter kann ich gut auf schützende Begleitung verzichten!“

Amy wurde blutrot, als die Dame ihr auf so unverblümte Art und Weise klar machte, daß sie ein großes Wagnis eingegangen war, indem sie allein in einer Postkutsche gereist war. Madame Petrova sah sie nur mütterlich besorgt an, so daß sie nicht gegen diese sehr persönliche Frage aufbegehrte. Hätte sie in ihrem Zuhause jemanden, der sich um sie sorgte, dann wäre sie wohl kaum in dieser prekären Lage. Sie wagte sich nicht vorzustellen, welche Szenen es geben würde, wenn sie zu ihrem Vater gefahren wäre. Von ihm erwartete sie keine bösen Worte aber leider auch kein Verständnis für ihre Entscheidung. Er war wohl der Überzeugung gewesen, daß er ihr mit der Zustimmung zu dieser Verbindung einen großen Gefallen tat.
 

„Es war wirklich sehr unbedacht von mir… Die Reise war eine sehr überstürzte Entscheidung. Und ich wäre gerne eine Abenteurerin, wenn ich auf diese Weise so frei leben könnte, wie ich es mir wünsche!“, wagte sich Amy ein wenig aus ihrem Schneckenhaus heraus, da die Madame ihr fremd genug war, daß sie sich nicht hinter der Etikette verstecken mußte. Manchmal war es leichter, sich völlig fremden Personen zu öffnen, die ihre Meinung mit weit weniger Vorurteilen ihre Person betreffend vorbringen konnten, als Menschen, die ihr nahe standen.

Nach der Auflösung der Verlobung und dem Verstoßenwerden aus ihrem Zuhause konnte sie der guten Gesellschaft wohl den Rücken kehren. Eigenartigerweise verspürte sie bei diesem Gedanken keinerlei Erleichterung. Ihre Stellung war auch ein Schutz gegen die Widrigkeiten des Lebens gewesen, selbst wenn sie sich insgeheim wünschte, ein anderes zu führen.
 

Madame Petrova schnalzte leicht mit der Zunge, was wohl eine ihrer Marotten war und schüttelte bekümmert den Kopf, so daß die müde Feder auf ihrem Hütchen ein wenig munterer wurde und hin und her wippte.

„Sehen Sie mich an, mein Kind! Ist das das Leben, das Sie anstreben? Abhängig von den milden Gaben unwilliger Verwandter? Eine Ausgestoßene der guten Gesellschaft, der Sie doch eindeutig angehören? Freiheit kann ein sehr teures Gut sein! Und wir Frauen können uns diesen Luxus in dieser Welt kaum leisten!“
 

Amys Miene wurde mitfühlend. Solche Schicksale waren ihr nicht fremd, Lady Alicia würde sie nur zu gern in derselben Position wissen. Sie wußte nur zu gut, daß ihre Möglichkeiten als allein stehende Frau mehr als eingeschränkt waren.

Wie sollte sie etwas bewegen, wenn niemand auf ihr Wort Wert legen würde? Ihr großes Vorbild, Elizabeth Montagu, ein sogeannter Blaustrumpf*, war selbst mit dem Enkel eines Earls verheiratet gewesen, der ihr finanzielle Freiheit gewährte und sie in ihren Überzeugungen weitestgehend unterstützte. Allerdings hatte die Dame in ihren Briefen an Vertraute offen eingestanden, daß die Ehe nicht aus Liebe sondern aus gesellschaftlicher Notwendigkeit geschlossen worden war.

Angesichts Spirits Antrag hatte sie sich außer Stande gesehen, ihrem Vorbild zu folgen. Elizabeth Montagu hielt die Ehe für eine gesellschaftlich überholte Konvention und glaubte nicht daran, jemals einen Mann lieben zu können. Amy war ebenfalls davon überzeugt gewesen, daß sie ihr Leben allein verbringen würde, bis sie Spirit Ryder getroffen hatte. Sie bezweifelte allerdings stark, daß er ihren Vorstellungen gegenüber aufgeschlossen sein würde. Die Ryders waren eine unglaublich mächtige Familie und strebten sicherlich konventionelle Verbindungen mit Frauen an, die gesellschaftlich ihre Pflichten erfüllten…
 

„Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, Madame Petrova! Ehrlich gesagt, strebe ich ein Utopia* an. Es wäre doch nicht recht von mir, wenn ich einen Mann heiraten würde, dem ich durch mein unkonventionelles Verhalten nur Schande bereiten würde, oder nicht? Ich kann mein Naturell doch nicht einfach verleugnen, nur um gesellschaftlich abgesichert zu sein? Er würde mich eines Tages dafür hassen!“, erwiderte Amy mit niedergedrückter Stimme.
 

„Sie lieben ihn sehr… nicht wahr?“, hakte ihr Gegenüber verständnisvoll nach und lächelte sie aufmunternd an, als sie den traurig schimmernden Blick zu ihr anhob.

„Ja… Das tue ich!“, bestätigte Amy, nachdem sie einen tiefen Atemzug genommen hatte. Es gab keinen Grund, es vor der Dame zu verleugnen. Und sie sollte auch damit aufhören, vor sich selbst nicht ehrlich zu sein. Sie hatte sich von der ersten Minute an zu ihm hingezogen gefühlt. In ihrer Unsicherheit hatte sie es zugelassen, ihm einen vollkommen falschen Eindruck zu vermitteln. Sie hatte kokettiert, immer wieder seine Nähe gesucht, um ihm dann wieder vor den Kopf zu stoßen, anstatt aufrichtig zu ihm zu sein…

Amy spürte eine innere Ruhe in sich einkehren und dankte Madame Petrova für ihre weisen Worte. Diese Begegnung würde noch lange in ihr nachwirken und sie versprach, die Dame in ihrem ländlichen Zuhause zu besuchen, sobald es ihr möglich war. Für konkretere Pläne war es viel zu früh, da sie nicht wußte, wie ihr Leben in den nächsten Wochen oder Monaten verlaufen würde.
 

Barrington Manor, Grafschaft Kent

Die Bediensteten hießen sie willkommen, obwohl Lady Alicia brieflich mitgeteilt hatte, daß Amy nicht mehr in ihrem Elternhaus erwünscht war. Die Haushälterin, die Amy seit Kindertagen kannte, versorgte sie persönlich. Sie könne bleiben, solange der Rest der Familie in London weilte, danach würde man sicher eine andere Lösung finden. Amy war erleichtert, wenigstens vorerst einen sicheren Unterschlupf gefunden zu haben. Sie machte sich Sorgen, ob die Nacht mit Spirit womöglich Folgen gehabt hatte. Und Becky war immer noch nicht eingetroffen, sie hoffte, daß die Ryders sie nicht zurückgehalten hatten, obwohl man ihr Mädchen wohl kaum für ihr Verhalten zur Rechenschaft ziehen konnte.
 

Am dritten Tag nach ihrer Ankunft fuhr eine Kutsche vor, aus der Spirit und Becky stiegen. Das Personal wurde in helle Aufregung versetzt, nachdem Becky ihnen mitteilte, daß Mr. Spirit Ryder Miss Amys Verlobter war und sie abholen komme. Sie führten den Gentleman ohne Ankündigung zu Amy, die sich im kleinen Damenzimmer aufhielt und versuchte, sich mit einem Buch abzulenken. Sie saß auf einem Sofa vor dem Kamin und starrte blind in die Flammen, ein Buch lag seit einer Stunde unbeachtet auf ihrem Schoß. Sie konnte sich irgendwie nicht aufraffen, etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anzufangen. Ihr fehlte jeglicher Antrieb und ihre Gedanken wanderten immer wieder zum Mann ihres Herzens und zu der überstürzten Entscheidung, die sie getroffen hatte. Zudem hatte sie nicht einmal der Hausherrin einen erklärenden Brief hinterlassen, dabei hatten Germaine und ihr Mann sie mit offenen Armen in ihrem Heim empfangen, als sie den Kutschunfall gehabt hatte. Amy seufzte bekümmert und schämte sich für ihr gedankenloses Verhalten.
 

Spirits Herz zog sich zusammen, als er ihr blasses Gesicht bemerkte und die dunklen Schatten unter ihren Augen. Er hätte beinahe den großen Fehler begangen, ihr aus falschem Stolz nicht nachreisen zu wollen. Er hatte in bester Absicht gehandelt und ihr dennoch Kummer bereitet. Spirit schämte sich in Grund und Boden und doch mußte er es wohl mit eigenen Augen sehen, bevor er es glauben konnte. Nicht nur seine unwillige Verlobte war in Liebesdingen unsicher, nur hätte er das von sich selbst niemals gedacht, bei all der Erfahrung, über die er verfügte. Aber er hatte niemals so tief für eine Frau empfungen, wie er es für Amy tat.

„Amy?“ flüsterte Spirit, während er sich ihr langsam näherte, weil er sie nicht unnötig erschrecken wollte. Er fühlte sich seltsam aufgewühlt und unsicher, da er vermeiden wollte, für sie alles nur noch schlimmer zu machen.
 

Amy wandte sich ihm zu und starrte ihn ungläubig an. Spirit kam ihr vor wie eine Erscheinung, die sie sich nur einbildete, weil sie ihn so sehr vermisst hatte. Ihr Herz machte einen Satz und schlug dann schneller und schneller, je länger sie ihn ansah.

„Du?!“ Sie erhob sich und blickte ihm ängstlich entgegen. All ihre Entschlossenheit wich in seiner unmittelbaren Nähe. Sie fand keine Worte und ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander.

„Hast Du geglaubt, daß ich dich einfach so gehen lasse?“ Er ergriff ihre Hände und zog sie in seine Arme. Amy vergrub das Gesicht in seiner Brust und begann zu zittern, weil seine Nähe sie aus der Fassung brachte.

Sie hatte niemals damit gerechnet, je wieder von ihm zu hören, nachdem sie ihm im übertragenen Sinn beinahe den Ring vor die Füße geworfen hatte.

„Spirit, bitte! Ich kann nicht mehr! Ich bin dir nicht gewachsen! Bitte laß mich gehen!“ Sie versuchte mit aller Macht die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Wieder hatte sie die Unsicherheit und Angst mit aller Macht überkommen, ihm nicht zu genügen.
 

Spirit hielt sie weiterhin fest an sich gedrückt und schmiegte sein Gesicht in ihr lose herabfallendes Haar, so daß er ihr die nächsten Worte ins Ohr flüstern konnte.

„Ich kann dich nicht gehen lassen! Ich habe dich so sehr vermißt, ich war außer mir vor Sorge um dich!“ Seine Stimme war rau vor Gefühl und Amys Knie wurden weich, doch sie riß sich zusammen und strich ihm nur tastend über die dunklen Haare, als wollte sie sich vergewissern, daß alles an ihm echt war. Der erdige Duft seines Eau de Cologne stieg ihr in die Nase und erinnerte sie an intime Momente, was ihre Entschlossenheit zusätzlich schwächte.

„Spirit bitte! Ich brauche Abstand, ich kann nicht mehr klar denken, seit ich bei meiner Tante angekommen bin und dich wieder gesehen habe! Versteh mich bitte!“, bat sie ihn, weil sie wirklich nicht fähig war, im Strudel der Gefühle eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Es hatte so leicht geklungen, wie sie in ihrem Kopf Pläne geschmiedet hatte, aber ihm dabei in die Augen sehen zu müssen, war etwas völlig anderes.
 

Spirit umfaßte ihr blasses Gesicht und dann küßte er sie so zärtlich, wie niemals zuvor. Voller Gefühl und beinahe so, als bräuchte er diesen Kuß zum Überleben wie die Luft zum Atmen.

Amy wurde schwindelig von seinen Küssen und sie sehnte sich viel zu sehr nach seiner Nähe, um ihn abzuweisen. Sie wollte seine Frau sein! Mehr denn je. Ein Leben ohne ihn würde vollkommen leer und ohne Bedeutung sein, aber was tat sie ihm an, wenn sie ihm nachgab? Sie wollte ihn vor sich selbst retten, weil sie fürchtete, seine Erwartungen nicht erfüllen zu können, obwohl er niemals Ansprüche an sie gestellt hatte. Das Karussell ihrer wirren Gedanken schien sich immer schneller zu drehen.
 

„Liebes! Ich bin hier, weil ich dir einen Vorschlag unterbreiten möchte! Bitte hör mich an und denk gut darüber nach!“ Spirit zog sie wieder an seine Brust und streichelte beruhigend über ihren Rücken, wobei sie in seinen Armen zu spüren wohl ihn am meisten beruhigte.

„Meine Eltern verbringen die Saison in London und laden dich ein, bei ihnen zu wohnen, so können wir uns jeden Tag sehen und Du kannst meine Familie kennen lernen. Amara und Avena werden auch da sein und freuen sich mit dir auf Bälle zu gehen, da sie immer froh sind, unserer ach so strengen Bewachung zu entkommen. Die Verlobung ist noch nicht offiziell bekannt gegeben worden, obwohl wir uns auf Lady Pelhams Diskretion nicht verlassen dürfen. Die Beau Monde wird ein wenig tuscheln, aber wenn Du mich nach zwei Monaten immer noch nicht heiraten möchtest, kannst Du mich zum Teufel jagen! Bitte sag ja!“, sagte er in einem so eindringlich flehenden Ton, daß ihr heißkalte Schauer über den Rücken jagten.
 

Amy löste sich aus seiner Umarmung und sah ihn ungläubig an. Der Ausdruck seiner Augen war beschwörend, als würde sein Seelenheil von ihrer Antwort abhängen, was sie einfach nicht glauben konnte. Spirit war es gewohnt, daß jeder Mensch sich seinem Willen beugte und hier stand dieser überwältigende Mann ihr gegenüber und bat sie, ihn besser kennen zu lernen. Ohne jeglichen Druck. Als Gast seiner Eltern. Die Antwort auf seine Bitte kam mit Leichtigkeit über ihre Lippen.

„Ich nehme die Einladung gerne an, aber nur unter der Bedingung, daß Du mir die Schuld gibst, wenn ich deinem Antrag schlussendlich doch nicht zustimmen sollte!“ Amy konnte gar nicht anders, als diese Gelegenheit beim Schopf zu packen. Sie würde es sonst für immer bereuen, nicht den Mut für diesen Schritt aufgebracht zu haben. Auch er sollte die Gelegenheit bekommen, sie besser kennen zu lernen. Am Ende könnt er es sein, der sich die Sache schließlich anders überlegte…
 

Spirit jubilierte innerlich, sie hatte seinem Vorschlag zugestimmt, bevor sie erfahren hatte, was er ihr jetzt sagen wollte: „Du sollst wissen, daß ich dich über alles liebe und deshalb allem zustimmen werde, was dich glücklich macht, mein Liebling!“

Amy war noch nie in ihrem Leben ohnmächtig geworden und deshalb verstand sie nicht, daß ihr auf einmal ganz leicht im Kopf wurde und sie nur noch Spirits leuchtend graue Augen sah, bevor ihr die Knie nachgaben und sie kraftlos gen Boden sank.
 

Spirit fing sie erschrocken auf, bevor sie auf dem Boden aufkam und trug sie zum Sofa, wo er sie behutsam ablegte. Er nahm sein Taschentuch und benetzte es mit dem Wasser aus einer Karaffe, die auf einem kleinen Tisch bereitstand. Mit dem Tuch tupfte er Amys Stirn ab, bis sie wieder zu sich kam. Er hoffte wirklich, daß die ganze Aufregung um ihre Flucht für den kleinen Schwächeanfall verantwortlich war, weil er sie bestimmt nicht mehr in eine ausweglose Lage bringen wollte, die man nicht vermeiden konnte, wenn diese eine gemeinsame Nacht Früchte getragen haben sollte. Das Thema war allerdings so delikat, daß er nicht wagte, Amy danach zu fragen. Sie sollte nicht den Eindruck haben, er würde sie nur wollen, weil sie sein Kind unter dem Herzen trug. Er hoffte auf Germaines weiblichen Beistand, wenn sie in der Stadt weilten, obwohl seine Erziehung ihm einfach verbat, mit Damen solche Dinge zu besprechen. Es widersprach jeglicher Etikette und man sprach außerhalb des Ehebettes niemals darüber. Aber für Amy würde er diesen Drahtseilakt schon meistern.
 

Amy blinzelte ihn an und richtete sich dann auf, ohne ihn aus den weit aufgerissenen Augen zu lassen.

„Spirit, ich... hast Du wirklich eben gesagt, daß...“, stammelte sie immer noch fassungslos.

Spirit lächelte sie liebevoll an und küßte ihre Fingerspitzen, nachdem er ihre Hand in seine genommen hatte.

„Ich liebe dich! Ich meine das ernst! Es gibt keinen anderen Grund für mich, eine Frau zu heiraten! Ich will nur, daß Du das weißt, bevor wir zu meinen Eltern fahren!“
 

Auf Amys Gesicht erblühte ein zuerst scheues dann strahlendes Lächeln und ihre Augen fingen an zu glänzen, sie schien von Innen heraus zu leuchten, als hätte jemand ein Licht in ihr angezündet. Spirit fühlte sich auf einmal beschwingt und dankte im Stillen Germaine für ihre Strafpredigt, die ihm den nötigen Schubs in die richtige Richtung gegeben hatte. Er schimpfte sich in Gedanken einen Idioten, weil er der Meinung gewesen war, mit diesem Eingeständnis seinen Stolz zu verlieren und dabei gewann er einen unermesslich wertvollen Schatz.
 

„Wie schnell kannst Du reisefertig sein?“, fragte er und zeigte wieder die altbekannte Ungeduld, die er wohl lernen sollte zu bezähmen.

Amy lachte befreit auf, zum ersten Mal seit langem. „Sofort, wenn Du möchtest!“

Dann wurde ihr Lachen erstickt, weil ihr (heimlicher) Verlobter sie heiß und innig küsste, um seine Begeisterung ob ihres schnellen Entschlusses zu bekunden. Es war die letzte Gelegenheit, ihr ohne Anstandsdame nah zu sein. Die nächsten Wochen würden die Hölle werden, weil er zu seinem Wort stehen würde, sie in keinem Fall zu bedrängen.
 

Spirit nahm sie beim Wort und eine Stunde später waren sie mit Becky unterwegs nach London. Diesmal allerdings mit allem möglichen Komfort und ohne von Mitreisenden belästigt zu werden, da sie ja in seiner privaten Kutsche reisten. Während Spirit seine Pferde in einer der Stationen auswechselte, nutzte Amy ein paar ruhige Minuten in einem ruhigen Salon, um Madame Petrova einen Dankesbrief zu schreiben. Sie würde sich niemals wirklich für deren Zuspruch bedanken können, aber sie konnte es versuchen. Noch vor wenigen Stunden war sie der Meinung gewesen, an einem Scheideweg zu stehen, wo jegliche Wahl einer Richtung sie in ihr Unglück führen würde. Nun gab es einen Hoffnungsschimmer am Horizont, der hell in allen Regenbogenfarben erstrahlte.
 


 

Fortsetzung folgt…
 


 

*Anmerkung des Autors:
 

At the crossroads = engl., fig. Am Scheideweg stehen
 

Elizabeth Montagu = Lady des britischen Empire, die um 1750 ihren Salon für „schöngeistige Partys“ eröffnete und Gäste (beiden Geschlechtes) zu literarischen Themenabenden und Diskussionen lud. (Vorreiterin der Sufragetten und der Frauenbewegung).
 

Blaustrumpf = …war im 19. Jahrhundert eine abwertende Bezeichnung für bestimmte gebildete aber als unweiblich geltende Frauen. Man zählte sie zu den ersten Angehörigen einer Frauenbewegung, analog zur „Emanze“ der 1970er Jahre. (siehe Elizabeth Montagu).
 

Utopia = Utopia ist der Titel eines in lateinischer Sprache geschriebenen Romans, den Thomas Morus 1516 verfasst hat und in dem er eine "ideale" Gesellschaft darstellt. In satirischer Weise will er seiner eigenen Zeit den Spiegel vorhalten. Der Buchtitel prägte den Begriff „Utopie“.

The Monster in her Closet

März 1820
 

Spirits Eltern waren wunderbar zu Amy gewesen, seine Mutter behandelte sie als wäre sie ihre eigene Tochter, die sich die Lady immer gewünscht hatte. Sie fuhren gemeinsam zu den gefragtesten Schneiderinnen oder suchten sich gemeinsam Lektüre in der Leihbibliothek aus, da sie festgestellt hatten, einige Lieblingsautoren teilten. Es machte ihr großen Spaß an ruhigen Abenden mit der Dame des Hauses am warmen Feuer zu sitzen und die gelesenen Kapitel zu besprechen.

Spirit führte sie indessen in die Oper und zeigte ihr London bei Spazierfahrten in seinem schneidigen Curricle, der von vier perfekten Braunen gezogen wurde. Ihre Sorgen, bei solch gehäuft gesellschaftlicher Präsenz in der Öffentlichkeit sehr wahrscheinlich als vermeintliches Paar das Ziel von Spekulationen zu werden, die ihm ihrer Meinung nach nicht recht sein konnten, zerstreute er nonchalant, indem er auf ihre Ehre als Lady verwies, was natürlich völlig widersinnig war.

„Du weißt ganz genau, was Du zu tun hast, um meinen Ruf zu retten, bevor ich endgültig kompromittiert bin! Ein Cynster, der ernste Absichten hegt? Das wird das beliebteste Ondit in den Salons sein! Ich kann mich nirgends mehr blicken lassen!“

Amy war minutenlang sprachlos gewesen, daß er bereit schien, sich diesen Unterstellungen auszusetzen und sie zudem mit einem Schulterzucken abzutun. Irgendwie brachte er es fertig, daß man ihm am Ende den Schwarzen Peter zuschieben würde, sollte sie es sich anders überlegen und seinen Antrag endgültig ablehnen. Je länger sie jedoch unter dem Dach der Cynsters am Berkeley Square weilte, desto schwerer fiel es ihr, von ihrer Seite aus Gründe dafür zu finden. Der Kombination von Spirits Aufmerksamkeiten und der Freundlichkeit seiner Familie konnte sie kaum widerstehen. Zu lange hatte sie sich so einen engen Familienbund gewünscht. Aber ihn inmitten der feinen Gesellschaft zu finden war etwas, womit sie niemals gerechnet hätte.
 

Germaine, die inzwischen mit Hellraiser und ihrem kleinen Sohn ebenfalls in London eingetroffen war, gab einen ihrer berühmten „Bals Surpris“, bei denen nur Familienmitglieder und engste Freunde eingeladen wurden. Niemand sprach sie auf die Verlobung an, sie war einfach ein Gast bei Gregory und Hillary Ryder, dem Spirit besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ. Sie hatte niemals damit gerechnet, mit so viel Akzeptanz und Wärme behandelt zu werden, als gehörte sie zu dem verschworenen Kreis der Familie. Die Ryders bildeten eine gesellschaftliche Bastion, die jedoch im privaten Rahmen schnell ihre Abwehr fallen ließ. Sie kannten den Wert von gesellschaftlichen Regeln, ließen sich jedoch davon nicht einnehmen. Kein Wunder hatte sie die Familie völlig falsch eingeschätzt, man öffnete sich nur Vertrauten und Freunden, und sie war zuvor eine Außenstehende gewesen, die sich immer am Rande der Gesellschaft bewegt hatte, weil sie von ihr als Ganzes eine sehr schlechte Meinung gehabt hatte. Nun könnte sie in diesem Kreis ein Zuhause finden, wenn sie nur all ihre Zweifel überwinden könnte. Das Glück schien zum Greifen nah, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte.

Eine Kleinigkeit trübte jedoch Amys aufsteigende Glücksgefühle: In den zwei Wochen, die sie jetzt schon in London weilte, hatte Spirit sie kein einziges Mal mehr in den Arm genommen oder gar versucht, sie zu küssen. Er nahm nur gelegentlich ihre Hand in seine, wenn keiner hinsah, ansonsten war er ein Musterbeispiel an Tugendhaftigkeit. Amy mußte sich jedes Mal bezähmen, Spirit nicht um den Hals zu fallen oder gar selbst die Initiative zu intimeren Zärtlichkeiten zu ergreifen, wenn er in ihrer Nähe weilte. Sie mied auch seinen forschenden Blick, aus Angst, er könne ihr diese stetig zunehmende Schwäche ansehen.

Dabei hatte sie daran gezweifelt, daß ein Mann wie er sich so lange zurückhalten könnte. Ein leiser Zweifel nagte an ihr, daß ihre Stiefmutter Recht behalten haben könnte und er nun dabei war, das Interesse an ihr zu verlieren. Amy mußte sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, daß sie selbst sich von ihm diese Zeit des Nachdenkens gewünscht hatte. Aber gleichzeitig wünschte sie sich, man würde ihm irgendwie ansehen, ob ihm das auch schwer fiel. So schwer wie ihr…
 

Glücklicherweise begann die Saison nun offiziell, so daß fast jeden Abend Bälle und Empfänge stattfanden, was Amy als Ablenkung sehr gelegen kam. Sie hatte bereits an fünf Saisons teilgenommen, so daß sie viele flüchtige Bekannte hatte, darunter auch viele Rakes, die immer noch ledig waren und in ihrem Ruf dem der Ryders in nichts nachstanden.

Das größte Ereignis war natürlich der Eröffnungsball des Almack’s, zu dem fast alle Damen des Ryder-Clans erschienen und natürlich Hellraiser, Spirit, Deuce, Storm und Blaze, da es galt, Amara und Avena und nun natürlich auch Amy vor unwillkommenen Verehrern und ihren Avancen zu beschützen. Für Amy war es eine neue Erfahrung von so vielen Menschen umgeben zu sein, die sich um sie sorgten. Die ältere Generation der Herren verbrachte einen ruhigen Abend in ihren Clubs.

Hillary Ryder hatte Amy für diesen Auftritt zu einer gewagten Kreation aus Chiffon und Seide überredet, die in einem Gelb gehalten war, das wie Altgold schimmerte. Das Kleid ließ die Schultern frei und schien Amy ungewohnt freizügig, doch mit dem goldenen Kollier mit den Bernsteinen, das ihr Hillary ausgeliehen hatte, wirkte es einfach nur traumhaft. Voller Stolz schritt sie hinter Avena und Amara in den Ballsaal und bald war ihre Tanzkarte voll. Natürlich hatte sie den Walzer, den sie schon lange tanzen durfte, für Spirit reserviert. Sie verspürte nicht das geringsten Bedürfnis, diesen schon als intim anmutenden Tanz in den Armen eines anderen Mannes zu verbringen. Es war die einzige Gelegenheit, Spirit wirklich nahe zu kommen.
 

Im Lauf des Abends wechselten sich die Cousins damit ab mit den jungen Damen ihrer Familie zu tanzen. Bei einem gesitteten Kotillon durften Spirit und Deuce endlich einmal aussetzen und konnten sich über die Verehrer von Amara und Avena austauschen.

„Sieh an! Unser Freund Alvanley tanzt mit Amy und scheint sich prächtig zu unterhalten! Er tanzt sonst nie mit Debütantinnen!“ Lord Alvanley war einer dieser berüchtigten Lebemänner, die gut mit den Ryders befreundet waren. Er war ein enger Freund des berühmten Beau Brummell und gehörte zum Kreis des Prinzregenten, der den Club „Watier’s“ gegründet hatte, wo gleichgesinnte Herren sich ihrem Rang angemessen zurückziehen konnten. Die Herren Ryder würden allerdings niemals so weit gehen, das Dandytum dermaßen auf die Spitze zu treiben wie dieser erlauchte Kreis, dem Mode und Auftreten über alles ging.

Spirit verzog das Gesicht, weil er zusehen mußte, wie Amy gekonnt mit dem anspruchsvollen Rake flirtete. Es schien ihm zumindest so, als würde sie in den Armen des Lebemannes etwas zu sehr auftauen. Ausgerechnet! Die Affären dieses Lords waren Legende, auch wenn man sich in seinem Club schon den Spaß erlaubt hatte, ihm zu unterstellen, daß Alvanley Verabredungen mit seinem Schneider Techtelmechtel mit feinen Damen der Gesellschaft jederzeit den Vorzug geben würde.

„Es war nicht nur Alvanley! Die gesamte Brut scheint Amy zu kennen und flirtet ungeniert mit ihr! Und ich kann nichts dagegen tun!“, knurrte Spirit ungehalten, dessen graue Augen dunkler zu werden schienen, als würde darin ein Gewitter aufziehen.

Deuce verbiß sich ein Grinsen, weil er den Grund für Spirits Frustration kannte und gut nachvollziehen konnte. Die Auserwählte seines Bruders war nicht wie die anderen Debütantinnen. Man konnte sich vernünftig mit ihr unterhalten, ohne daß sie in Gekicher ausbrach oder ständig Komplimente über ihr Aussehen zu hören erwartete. Sie war eine aufmerksame Zuhörerin und man fühlte sich in ihrer Gesellschaft wohl. In ihr steckte durchaus das Zeug zu Grande Dame und Hughie fand, daß sein großer Bruder es weit schlimmer hätte treffen können. Das war ein großes Zugeständnis an diese Verbindung, da er selbst sich mit den verbleibenden vier Elusive Ryders immer noch für uneinnehmbar hielt.

„Schau jetzt tanzt sie mit Lord Northam, der ist ungefährlich und absolut harmlos!“ Deuce wollte seien Bruder beruhigen, der ihn ja gebeten hatte, ein Auge auf ihn zu haben, damit er nichts Überstürztes tat, worum ihn ja die Dame seines Herzens gebeten hatte. Eine schlimme Zwickmühle, wie Hughie fand.

Spirit bemerkte jedoch, daß der junge Lord ernst auf Amy einredete und sie ihm dann auf die Terrasse folgte. „Verdammt!“ Murmelte er und ging den beiden nach.
 

…„Sie waren mein rettender Engel, Miss Graham! Ich werde im Juni heiraten und das habe ich nur Ihnen zu verdanken!“, äußerte Northam draußen gerade in einem Ton, der tiefste Dankbarkeit und Verehrung ausdrückte.

Der junge Lord nahm ihre Hand und küßte sie innig. Amy lächelte ihn an und drückte seine Hand herzlich. „Das freut mich sehr für Sie, Lord Northam! Sie müssen mich gelegentlich ihrer zukünftigen Frau vorstellen!“ Sie dachte sich überhaupt nichts dabei, mit dem jungen Mann diese private Unterhaltung zu führen. Er hatte schließlich sehr nett darum gebeten und schien endgültig von seiner Verblendung befreit zu sein. Die von Lady Amelia und die seiner ungestümen Jugend. In den vergangenen Monaten war er wohl endgültig erwachsen geworden.

Northam lächelte sie erfreut an und küßte sie dann spontan auf die Wange. „Danke, Miss Graham! Ich werde Sie auf jeden Fall zu meiner Hochzeit einladen!“

Er verbeugte sich galant und ging dann zurück in den Ballsaal. Amy lächelte verträumt und lehnte sich an die Brüstung der Terrasse. Sie wollte ein wenig draußen bleiben, um der Stickigkeit in dem Ballsaal zu entkommen. Sie war es einfach nicht gewohnt, den ganzen Abend durchzutanzen und die Erfrischungen im Almack’s waren wie immer sehr karg gehalten, da man hier Wert auf andere Dinge legte. Wie beispielsweise auf den Stammbaum von Debütantinnen oder auf ihr Aussehen und ihr Vermögen.
 

„Wenn ich noch einmal mit ansehen muß wie so ein dahergelaufener Windhund dich küßt, garantiere ich für nichts!“ Spirit preßte diese Worte regelrecht hervor und baute sich vor Amy auf. Sie sah erschrocken zu ihm auf, weil sie zuerst gar nicht verstand, wovon er da sprach.

„Spirit, Du hast mich erschreckt! Das war doch nur Lord Northam, er hat sich bei mir bedankt, er...“ Seine warmen Lippen auf ihrem Mund stoppten ihre Worte, und als er sie mit heftiger Leidenschaft küßte, war ihr alles andere auf einmal egal.

Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und ließ all die angestaute Sehnsucht in den Kuß einfließen. Es war ein Glück, daß sie sich allein auf der Terrasse befanden, weil alle anderen Gäste drinnen tanzten. Amy atmete heftig, als er sie freigab und er hätte ihr am liebsten dieses Kleid vom Leib gerissen, das ihn schon den ganzen Abend reizte wie das rote Tuch einen wild gewordenen Stier. Er hätte seine Mutter erwürgen können, als sie ihm mit einem sehr wissenden Lächeln auf den Lippen erzählte, daß sie Amy zu dieser Robe geraten hatte. Der Anblick ihrer sanft gerundeten bloßen Schultern hatte ausgereicht, seine Sehnsucht auf sie ins Unermeßliche zu steigern.

„Bitte verzeih mir, Liebling!“ Er küßte sie auf die empfindliche Halsbeuge und ließ kurz seine Zunge über die warme Haut gleiten, um sie zu schmecken. Viel mehr durfte er nicht wagen, wenn er einen klaren Kopf behalten wollte.

„Ich kann mich nicht länger beherrschen! Du fehlst mir so!“, gestand er ihr ein, wobei seine Stimme rau vor unterdrückten Gefühlen klang. Er küßte sie wieder mit diesem verzehrenden Hunger, der Amy Schauer über Schauer durch den Körper jagte.

Trotz ihrer Atemlosigkeit konnte sie nicht anders, als Spirit glücklich anzustrahlen. „Du kannst dich nicht mehr länger beherrschen? Und ich dachte schon, daß Du kein Interesse mehr an mir hast!“ Sie mußte atemlos kichern, als er sie eng an sich preßte und so sein Interesse an ihr mehr als deutlich machte.

„Verstößt es gegen unsere Abmachung, wenn ich dich bitte, mich heute Nacht in meinem Zimmer aufzusuchen?“ fragte sie unvermittelt und knabberte dabei an seinen Lippen, deren Weichheit sie immer wieder überraschte. Sie hatte die Worte einfach unbedacht geäußert, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern. Seine Nähe kroch ihr unter die Haut und benebelte ihre Sinne, so daß sie selbst genauso wenig Selbstbeherrschung aufbringen konnte, wie er ihr das eben eingestanden hatte.
 

Spirit schloß verzweifelt die Augen, wie sollte er diesem Angebot widerstehen? Er nahm Amy bei den Oberarmen und hielt sie auf Abstand von seinem sich nach ihr verzehrendem Körper.

„Genau deswegen bin ich dir doch aus dem Weg gegangen, Liebes! Ich habe dir versprochen, daß Du dich frei entscheiden darfst, wenn die zwei Monate vergangen sind! Wenn Du jedoch von mir ein Kind erwarten solltest, dann wirst Du gezwungen sein, mich heiraten!“ Es war nicht besonders zuvorkommend, so deutliche Worte zu sprechen, aber sie waren wohl nötig. Ihre Entscheidung sollte nicht aus einer Laune heraus getroffen werden, da er ihr diese Erfahrung ja in der Absicht, sie zu beeinflussen, aufgedrängt hatte. Nun war es an ihm, einen Schritt zurück zu tun und in dem selbst entzündeten Feuer auf kleiner Flamme zu schmoren.

Amy sah ihn mit großen Augen an und seufzte dann leise, weil sie einsah, daß er Recht hatte.

„Es ist nicht nur meinetwegen, daß ich auf diese Bedenkzeit bestehe, Spirit! Wir kennen uns noch so wenig und ich muß dir noch einiges über mich erzählen... am liebsten würde ich alle Bedenken über Bord werfen und darauf bestehen, daß Du zu mir kommst, aber das wäre nicht anständig dir gegenüber!“

Spirit umfaßte ihr Gesicht mit seinen Händen und küßte sie innig, wobei ihn ein sehr warmes Gefühl für sie überkam, das die aufwallende Leidenschaft im Zaum zu halten vermochte.

„Verstehe ich dich richtig, Du möchtest mich vor dir beschützen?“ fragte er verwundert, als sie weich und nachgiebig in seinen Armen lag.
 

Amy schmiegte ihre Wange vertrauensvoll an seine starke Brust und schloß die Augen.

„Ich bin... Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll! Würdest Du mich Morgen begleiten? Ich habe eine Verabredung, die ich unbedingt einhalten möchte. Ich bin jedoch bei deinen Eltern zu Besuch und wenn Du sagst, daß es nicht möglich ist, weil ich sie damit ins Gerede bringen könnte, dann verschiebe ich diesen Besuch!“

Spirit hatte Amy selten so unsicher erlebt, er fragte nach dem Grund ihrer Verabredung.

„Ich besuche Freunde in einem Waisenhaus im Armenviertel, wann immer ich in London weile!“, verkündete Amy und hielt kurz die Luft an, weil seine Reaktion ihr sehr wichtig war.

Spirit tippte ihr Gesicht am Kinn zu sich empor und lächelte sie liebevoll an: „Das ist dein ganzes schreckliches Geheimnis? Ich werde dich gerne begleiten! Aber jetzt müssen wir zurück in den Ballsaal, sonst schickt Mutter uns noch ihre Spürhunde hinterher! Und dann sitzt Du endgültig in meiner Falle!“

Er küßte sie noch einmal zärtlich auf den Mund und führte sie dann zurück zu seiner Familie, wo er sicher sein konnte, daß sie nicht erneut auf den Gedanken kam, mit wildfremden jungen Männern auf der Terrasse zu flanieren. Der Grünschnabel hätte auch dein Dankschreiben schicken können, das wäre seiner Meinung nach vollkommen ausreichend gewesen.
 


 

~~~

Spirit hatte sie wie versprochen am nächsten Tag abgeholt und so weit mitgedacht, daß er eine unauffällige Droschke gemietet hatte. Amy selbst trug ein einfaches dunkelblaues Kleid und einen Hut, dessen dunkelgrauer Schleier ihr halbes Gesicht verbarg. In zwei Körben hatte sie Süßigkeiten und Kuchen einpacken lassen, die von Hillarys Köchin zubereitet worden waren. Auf der Fahrt zum St. Joseph Waisenhaus hatte Spirit von Amy erfahren, daß sie das Heim finanziell unterstützte und auch immer wieder verwaiste Kinder dort zur Pflege unterbrachte. Was ihm gar nicht gefiel war, daß ihre Familie sie bisher unbeaufsichtigt in dem Viertel umherwandern hatte lassen. Man hätte sie leicht überfallen oder entführen können. Oder Schlimmeres, er durfte nicht daran denken, wie nachlässig ihre Familie mit ihr umgegangen war, sonst wäre er wohl auf direktem Wege zu ihrem Vater gefahren, um ihm ein oder zwei Wahrheiten ins Gesicht zu sagen.

St. Joseph war ein altes Gebäude in einer heruntergekommenen Straße, in der Händler ihre Ware und einige schäbig gekleidete Frauenzimmer ihren Körper auf der Straße feilboten, die man nur noch als mitleiderregend bezeichnen konnte. Sie befanden sich nicht nur in einem unfeinen Stadtteil Londons, hier herrschte wahre Armut und Spirit wollte sich der Magen umdrehen, daß seine zukünftige Braut solches Elend miterlebt hatte. Gleichzeitig empfand er jedoch einen gewissen Stolz darüber, daß sie ihre Wurzeln nicht vergessen hatte, obwohl ihr mit der Wiederverheiratung ihres Vaters alle Wege offen standen. Sie hätte ihr Leben einfach genießen und den Freuden frönen können, denen sich andere Debütantinnen auch hingaben. Viele andere Frauen an ihrer Stelle hätten es wohl auch so gehandhabt. Aber nicht seine Amy!
 

Amy befahl dem Kutscher in zwei Stunden wieder zu kommen und versprach ihm dafür ein großzügiges Trinkgeld. Sie führte Spirit die abgetretenen Stufen zum Eingang hinauf, wo auf ihr Klopfen eine Klappe in der Tür geöffnet wurde. In dem Spalt im verwitterten Holz erschien das hässlichste Gesicht, das Spirit jemals gesehen hatte. Es war groß und rund, eines der Augen hing herunter, als wäre es im teigigen Gesicht geschmolzen, und es wurde von einer knolligen Nase dominiert, die scheinbar mehrere Brüche hinter sich hatte. Zu allem Übel hatte diese Kreatur (Spirit war sich im ersten Moment unschlüssig, wie er seinen Gegenüber anders benennen sollte) auch noch widerspenstige rote Haare, die in alle Richtungen abzustehen schienen.

„Miss Amy!“ rief es erfreut und die Tür wurde mit einem in den Ohren unangenehmen Quietschen geöffnet.

Spirit, der wie alle Ryders ziemlich groß gewachsen war, sah sich plötzlich einem Riesen gegenüber, der auch noch den Körperbau eines Bullen besaß. Da er die Körbe hielt, konnte er nicht verhindern, daß Amy von dem garstigen Riesen umarmt und vom Boden gehoben wurde, als wäre sie so leicht wie eine Stoffpuppe.
 

Amy lachte jedoch und bat den Riesen freundlich, sie herunterzulassen, nachdem sie ihm einen Begrüßungskuss auf die Wange gegeben hatte.

„Darf ich dir einen guten Freund von mir vorstellen, Spirit? Das ist Monster, wie er gerne genannt werden möchte. Und das ist Mr. Spirit Ryder, er hat mich heute zu meinem Besuch begleitet!“, stellte Amy die Männer in einem munteren Plauderton einander vor, als wäre dies ein alltäglicher Höflichkeitsbesuch.

Der Riese durchbohrte Spirit mit einem abschätzenden Blick aus wässrig blauen Augen und streckte dann die riesenhafte Hand aus.

„Willkommen im St. Joseph Waisenhaus, Mr. Ryder!“ Spirits Hand wurde von einer riesigen schwieligen Pranke umfaßt, deren Griff dem sprichwörtlichen Schraubstock glich.

„Monster, hör auf mit dem Unsinn! Mr. Ryder ist ein guter Freund, Du kannst ihm vertrauen!“, wies Amy ihren „Bekannten“ zurecht und Spirit wurde sehr zu seiner Erleichterung aus dem Griff entlassen.
 

Sie begaben sich nun endlich ins Haus, wo sie im beengten Speisesaal von einer lärmenden Horde von Kindern in allen Altersklassen begrüßt wurden. Spirit wurde von den älteren Knaben belagert, die ihn nach seinen Pferden ausfragten und ob er denn schon an berühmten Rennen teilgenommen hätte. Er ließ Amy jedoch nie aus den wachsamen Augen, die für jedes der Kinder ein aufmunterndes Wort oder eine Liebkosung bereithielt. Sie half dann auch in der Küche bei der Zubereitung des Tees und deckte mit den älteren Kindern den Tisch, die an der Arbeit im Haus beteiligt wurden.

Sie war dafür gemacht, selbst eine große Familie zu haben, sie schien vor Liebe überzufließen und jeder im Zimmer wurde damit beschenkt. Spirit empfand zum ersten Mal den Wunsch, selbst Vater zu werden und niemand anderer als Amy sollte die Mutter seiner Kinder werden. Wie alle Ryders ereilte ihn der Ruf der Familie, der ihn ewig an diese warmherzige Frau binden würde. Allerdings fand er an dieser Vorstellung nichts Erschreckendes, wie noch kurz nach Sheldons Vermählung, als er sich wild entschlossen gezeigt hatte, diesem Schicksal zu entgehen.
 

Was ihn jedoch am meisten wunderte war, daß die Kinder keine Angst vor Monster hatten, ihn wie jeden anderen Bewohner auch behandelten. Am Teetisch saß Spirit zufällig neben ihm, so daß er den Riesen in ein Gespräch verwickeln konnte. Er erfuhr, daß er erst neunzehn Jahre alt war und seit sechs Jahren im Waisenhaus lebte. Seine Miss Amy hatte ihn vor seinen eigenen grausamen Brüdern gerettet, als sie verhindert hatte, daß sie auf der Straße auf ihn einprügelten.

„Ich war damals noch sehr dumm… konnte nicht richtig sprechen! Aber Miss Amy hat mir alles beigebracht, ich kann jetzt auch lesen und schreiben… nicht so gut wie sie, aber leichte Bücher schaffe ich!“

Monster strahlte über das ganze Gesicht, was bei ihm eher wie eine Fratze wirkte und einem Angst machen konnte, wenn man sein gutmütiges Wesen nicht kannte.

„Sie hat nie Angst vor mir gehabt… oder mich ausgelacht! Ohne sie wäre ich bestimmt schon lange tot! Sie ist eine kleine Schwester für mich… Wer ihr wehtut, soll sich vor mir hüten!“ Dabei sah er Spirit direkt in die Augen und sein Gesicht verzog sich zu einer bedrohlichen Grimasse, die ihn wohl unter anderen Umständen bis in seine Alpträume verfolgt hätte.

Spirit erwiderte den Blick in aller Seelenruhe, mit Beschützerinstinkten war er groß geworden. Er respektierte diese starke Regung bei anderen und besonders im Hinblick auf Amy.

„Ich bin froh, daß Du hier auf sie aufpaßt, Monster! Das ist eine gefährliche Gegend und jemand wie Amy kann ein leichtes Opfer für Verbrechen sein! Sie ist sehr wichtig für mich!“

Monster grinste auf einmal von einem Ohr zum anderen, was ihm nicht unbedingt zu einer charmanten Ausstrahlung verhalf. „Sie haben keine Angst vor mir, das ist gut… Nicht viele feine Gentlemen hätten sich das gefallen lassen! Sie müssen etwas Besonderes sein, Mr. Ryder! Passen Sie gut auf Miss Amy auf, sie braucht auch jemanden, der sich um sie kümmert… Ihre Familie tut das nicht richtig!“

Spirit lächelte zurück und war sehr Erstaunt über die Einsicht dieses sanften Riesen. Sie stimmten in ihren Überzeugungen völlig überein.

„Ich verspreche dir hoch und heilig, daß ich sie immer beschützen werde! Und sollte ich je Hilfe dabei brauche, rufe ich dich!“

Mit einem weniger schmerzhaften Händeschütteln wurde dieses Bündnis besiegelt und mit Tee begossen. Spirit konnte nicht sagen, daß ihm der Ausflug bisher nicht gefiel. Amy steckte voller angenehmer Überraschungen, mit denen sie ihn keineswegs abschrecken konnte.
 

Später in der Droschke fiel Amy Spirit um den Hals und küßte ihn überschwänglich. „Ich danke dir! Du warst wunderbar zu den Kindern! Und Du hast Monster beeindruckt, was noch viel schwerer ist!“ Sie strahlte ihn an.

Spirit mußte lachen: „Du hast mich getestet! Das war nicht sehr nett von dir! Was hätte Monster mit mir gemacht, wenn ich ihm nicht gefallen hätte?“ Spirit zog sie auf seinen Schoß und drückte sie fest an sich, da sie sich endlich allein in der Abgeschiedenheit der verdunkelten Kutsche befanden.
 

„Du magst ihn, oder?“ Amy hielt den Atem an, denn sie wollte ihn um etwas bitten.

„Er ist beeindruckend! Sein Äußeres ist abschreckend, er gewinnt aber mit näherer Bekanntschaft, er scheint dir sehr zugetan zu sein!“, antwortete Spirit bedächtig, da er spürte, daß ihr die Frage wichtig war.

Amy seufzte erleichtert: „Er war mein erstes Findelkind! Durch ihn bin ich auf die Idee gekommen, das Waisenhaus zu gründen! Sein Aussehen wurde von seinem Vater und seinen Brüdern mit verursacht. Sie schlugen und quälten ihn, weil er etwas langsamer war als andere. Damals war er dreizehn und schon so groß und breit wie Du jetzt, aber im Inneren war er noch ein kleines Kind! Ich war zum ersten Mal in der Stadt, gerade aus dem Internat zurück und da sich niemand um mich kümmerte, ließ ich mir von Becky die Schattenseiten von London zeigen. Auf einem unserer Streifzüge mußte ich dann mit ansehen, wie man den Jungen verprügelte. Ich habe ihn freigekauft und von da an für ihn und dann weitere Kinder gesorgt, wann immer ich Zeit dafür hatte. Ich habe ihm versprochen, ihn mit aufs Land zu nehmen, wenn ich mich mit 25 endlich dahin zurückziehe! Ich wollte, daß Du weißt, wenn Du mich tatsächlich heiraten möchtest, daß ich beträchtliches Gepäck mitbringe!“
 

„Wir finden einen Platz für ihn und auch für andere, wenn das nötig sein sollte! Ich liebe dich, mein kleiner Engel und möchte, daß Du glücklich bist!“ Spirit mußte nicht lange überlegen. Er meinte jedes Wort, wie er es gesagt hatte. In ihrer Familie sorgten sich alle Frauen um die Benachteiligten der Gesellschaft, wobei ihnen ihre Ehemänner oder Väter zur Seite standen. Die Ryders hatten sich von jeher dazu berufen gefühlt, ihren Reichtum mit anderen zu teilen.

Amy lächelte ihn höchst erfreut an und legte eine Hand auf seine Wange. „Ich bin glücklich! Sogar sehr! Bitte komm heute Nacht zu mir!“ Sie sah keinen weiteren Grund mehr, ihre Gefühle für ihn zu unterdrücken oder noch darauf zu warten, bis die ausgemachte Frist ablief. Mit ihrer Bitte gab sie ihm ein deutliches Zeichen.
 

„Ich tue alles, was Du willst, mein Liebling! Aber bist Du dir auch völlig sicher?“ Spirit sah ihr forschend in die Augen, immerhin konnte er nicht garantieren, daß er sich soweit zurückhalten konnte, daß er sich nicht zu ihr legen und sie erneut zu der seinen machen würde.

Amy nickte jedoch entschlossen: „Ich bin mir absolut sicher, denn sonst komme ich in dein Zimmer!“ Sie sah ihn herausfordernd an, was Spirit mit einem wölfischen Grinsen quittierte: „Reiz mich nicht zu sehr, Du weißt gar nicht, was Du damit auslöst!“

Amy zuckte mit den Schultern, als wüsste sie wirklich, welche Wirkung ihr Verhalten auf ihn hatte. Süße, unschuldige Amy. Sie würde ihn bis zur Hochzeit wohl wahnsinnig machen, aber dann würde er wenigstens nicht mitbekommen, wie die verbliebenen Ryders ihn mit Spott und Hohn bedachten, weil er so bereitwillig Hellraisers Fußstapfen folgte.

„Ich habe es satt, vernünftig zu sein und zu warten! Ich will endlich bei dir sein!“ Sie verschloß seinen Mund mit einem fordernden Kuß und ihre Hand stahl sich unter das Revers seines Jacketts, um ihn über den feinen Stoff seines Hemdes zu liebkosen, so daß ihm darunter ziemlich warm wurde.

Spirit war absolut perplex, er hatte nicht damit gerechnet, daß unter Amys stiller Fassade so ein Feuerwerk an Leidenschaft brodelte. Sie war voller Überraschungen, seine kleine Verlobte, was sie nicht mehr lange bleiben würde, wenn es nach ihm ging. Je schneller sie vor einen Priester traten desto besser für sein Seelenheil…
 


 

Anmerkung des Autors:
 

Monster in her closet - Anspielung auf den Ausdruck „skeleton in the closet“, der bedeutet, daß man eine Leiche im Keller hat.
 

Lord Alvanley – William Arden (1789-1849) Mitglied der feinen Gesellschaft und Mitbegründer des Dandyclubs „Watier’s“.

Epilogue

Herzogtum Cambridgeshire, Albany Place

Mai 1820
 

Die Familienkapelle des Herzogs of St. Albans war bis auf den letzten Platz ausgefüllt. Die Türen standen offen und eine warme Frühlingsbrise wehte herein, die sich mit dem Duft der Blumen mischte, mit denen die Kapelle festlich geschmückt worden war. Maiglöckchen und weiße Rosen, die von der Dowager Duchess gezüchtet wurden, seitdem sie als junge Braut in ihr neues Heim gezogen war, und weiße Seidenbänder, die sanft in der Brise flatterten.

Die strahlende Braut war am Arm ihres Vaters an den Altar spaziert, wo der Bräutigam ihren Einzug mit fassungslosem Erstaunen in seinen brennenden Blicken verfolgt hatte. Spirit hatte nur Augen für seine Amy gehabt, nachdem er sein Versprechen, sich zurückzuhalten, eingehalten hatte und er sie zwar jeden Tag gesehen hatte, jedoch immer nur in Begleitung einer weiteren Person, um nicht doch noch schwach zu werden. Die Hochzeitsvorbereitungen hatten ihn glücklicherweise von frivolen Einfällen abgelenkt, da es nicht nur darum ging, das Fest vorzubereiten.
 

Spirit hatte dafür gesorgt, daß Amys Stiefmutter nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen konnte, die sie mit ihrer sauertöpfischen Miene nur verdorben hätte. Es hatte ihn nur ein wenig Geld und Überredungskunst gekostet, die Dame mit einer Reise nach Paris zu ködern, so daß der Rest der Familie ganz entspannt an der Hochzeit teilnehmen konnte. Immerhin liebte Amy ihre kleinen Geschwister und wollte weiterhin ein Teil ihres Lebens sein. Lord Graham schien in letzter Zeit aus seiner Lethargie erwacht, so daß der Kontakt wohl bestehen bleiben würde. An seiner Ehe mit der selbstsüchtigen Lady war nun nichts mehr zu ändern, man mußte sich eben arrangieren, da eine Scheidung nicht in Frage kam. Mit zunehmendem Alter würde Lady Alicia ihre Anziehungskraft auf hirnlose, junge Männer schnell verlieren und sich anderen Vergnügungen zuwenden müssen. Von Spirit durfte sie allerdings kein Mitleid erwarten. Er würde nie vergessen, wie übel sie Amy über Jahre mitgespielt hatte.
 

Die Trauungszeremonie war sehr feierlich gewesen und kurz genug, um die Gäste (und vor allen Dingen den Bräutigam) nicht zu ermüden oder ungeduldig werden zu lassen. Das Paar stieg unter dem Jubel der zusehenden Menge eben in die elegante Schwarze Kutsche, die von vier herausgeputzten Schimmeln gezogen wurde, die der Herzog dem Paar zur Verfügung gestellte hatte. Auch das Hochzeitsfrühstück wurde in Albany Palace abgehalten werden. Der herzogliche Haushalt hatte keine Kosten und Mühen gescheut, da Hellraiser und Spirit sich so eng wie Brüder standen. Und auch die Dame des Hauses war ob der Wahl ihres Schwagers sehr glücklich, da sie nun eine Freundin und Vertraute gewonnen hatte, die ihr in Familienangelenheiten immer zur Seite stehen würde.
 

„Glücklich, Mrs. Cynster?“, flüsterte Spirit in das Ohr seiner Frau, nachdem er einem alten Brauch zu Folge einige Goldmünzen in die Menge geworfen hatte, wo sich die lachenden wohl genährten Kinder von Sheldons Pächtern begeistert auf den Schatz stürzten.

Amy zupfte lachend an ihrem Schleier herum, an dem sich die Reiskörner festgesetzt hatten, sie Familienmitglieder auf sie hatten herabregnen lassen.

„Mehr als glücklich!“, flüsterte sie und sah verliebt zu ihm auf, da sie gerade an das schönste Hochzeitsgeschenk denken mußte, das er ihr vor ein paar Tagen überreicht hatte.

Die Besitzurkunde über ein Stück Land, die auf ihren Namen lautete. Spirit hatte es mit ihrer Mitgift finanziert, die ihm ja laut Gesetz nun gehörte. Für sie einen Platz zu finden, wo sie ihren lang gehegten Traum doch noch erfüllen konnte, war für Amy mehr als alles andere der Beweis dafür, daß sie in Spirit den perfekten Mann gefunden hatte. Sie würde zwar nicht selbst an dieser Schule lehren, doch dort würden Kinder, junge Männer und Frauen einen Zufluchtsort finden, wo sie ihre Zukunft gestalten konnten.

Und nun fuhr sie mit ihrem frisch angetrauten Ehemann durch einen sonnigen Tag in ihre eigene strahlende Zukunft.
 

. . .

„Nun sind nur noch wir vier übrig! Die beiden mächtigsten Eichen liegen gefällt am Boden! Es ist beinahe ein abstoßender Anblick, wie sich mein großer Bruder aufführt!“, scherzte Hughie vor der Kirche, wobei er Melody Pelham keck zublinzelte, die eben am Arm ihres Vaters aus der Kapelle geschritten kam.

Die junge Dame wurde rot bis in die Haarspitzen, doch ihre kornblumenblauen Augen leuchteten hoffnungsvoll auf, was Hughie beinahe mit einem spöttischen Lächeln quittiert hätte. Mehr als eine harmlose Flirterei würde zwischen ihnen niemals passieren. Sie war Amys (wenn auch entfernte) Cousine und zudem eine lebende Heiratsfalle. Darüber hinaus ein Mädchen, das er nicht ernst nehmen konnte. Es fehlte ihr der nötige Esprit, mit einem Ryder fertig zu werden. Viel eher erteilte er ihr ein paar Lektionen, die ihr in der kommenden Saison von Nutzen sein konnten. Wenn sie sich nicht mehr über seine Avancen aufregte, würde sie nicht so leicht auf den Leim von heiratsschwindelnden Salonlöwen hereinfallen, die sehr erpicht auf unerfahrene Debütantinnen und ihre Geldbörsen waren.

War er nicht ein unglaublicher Menschenfreund? Nun wurde sein Lächeln doch zynisch und die junge Dame wedelte bei seinem Anblick heftig mit ihrem Fächer, um ihren geröteten Wangen Kühlung zu verschaffen.
 

Die noch unverheirateten Cousins standen auf der Treppe vor der Kapelle beisammen und blickten der davon fahrenden offenen Kutsche hinterher, wo Spirit gerade die Gunst der Stunde nutzte und seiner Frau einige innige Küsse stahl, ohne sich von den Zuschauern davon abhalten zu lassen.

Riddle, Hellraisers jüngerer Bruder, schnaubte zustimmend: „Ihr habt gut reden, ihr Jungspunde! Ihr seid ja auch nicht die nächsten! Ich sehe schon, wie es in dem Köpfchen meiner Mutter rumort, in dem sie passende junge Damen gegeneinander abwägt! Ich sollte mich wohl am besten auf eine ausgedehnte Reise begeben, bis das Ehepaar sich dazu bequemt, die Damen mit erfreulichen Nachrichten von Nachwuchs von weiteren Heiratsplänen abzulenken!“
 

Hughie bleckte seine perfekt weißen Zähne in einem breiten Grinsen: „Das kann schneller passieren, als Du denkst, Riddle! Oder warum sonst sollte Spirit es so eilig gehabt haben, die zauberhaufte Amy vor den Altar zu zerren? Immerhin haben die beiden doch bei meinen Eltern gewohnt. Und ihr wisst ja, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg…“

Blaze, der jüngste von ihnen, zuckte etwas zusammen und sah sich vorsichtig um, ob nicht doch eine der Ryder Damen mit ihren scharfen Ohren in ihrer Nähe stand, bevor er eine erneute Wette vorschlug, die besser niemandem außer ihnen vier zu Ohren kommen sollte. Riddle und Hughie setzten darauf, daß man zu Weihnachten Nachwuchs erwarten durfte. Blaze und sein Bruder Storm hielten dagegen, weil sie trotz des Ryder-Blutes in ihren Adern noch an die Rechtschaffenheit der jungen Dame glaubten, die ihnen beim näheren Kennenlernen einfach nicht als so leicht verführbar erschienen war. In aller Diskretion wurde die Wette abgeschlossen, damit sie ja auch nicht dabei erwischt wurden, wie sie die Ehre einer der ihren anzweifelten, obwohl Spirit ja der erste gewesen war, der gegen Hellraiser gewettet und Recht behalten hatte…
 

Die Jüngeren gewannen auch nur, weil Spirit sich aller sirenenhafter Lockungen seiner Verlobten zum Trotz geschworen hatte, daß auf Amy nicht der kleinste Schatten eines Zweifels legen sollte. Der Nachwuchs in ihrem Zuhause ließ bis zum Februar des nächsten Jahres auf sich warten, wo Spirit seinem Bruder die Ohren lang zog, nachdem er die Glückwünsche in seinem Spielzimmer entgegen genommen hatte, wo die ganze Bande auf ihn gewartet hatte, um ihm in dieser aufregenden Zeit beizustehen.

Danach war der Champagner in Strömen geflossen, um den neuen Erdenbürger gebührend zu begrüßen und auf das Wohl der tapferen Lady zu trinken, die einem properen, kleinen Thronfolger das Leben geschenkt hatte… Anthony Graham Ryder, der gemeinsam mit Hellraisers Sohn, Sidney, die nächste Generation der schwer zu fassenden Ryders begründen konnte.
 


 

~Ende~



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (9)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  mitsuki11
2008-07-07T14:44:44+00:00 07.07.2008 16:44
Sehr schön!! Wirklich ein schönes Ende!!

Ich freue mich auf eine weitere Geschichte von dir!!

LG
Mina
Von: abgemeldet
2008-06-26T08:20:47+00:00 26.06.2008 10:20
Juhu! Lesestoff =) Wieder sehr gut geschrieben.
Freu mich auf mehr ^^

LG
Denise
Von:  mitsuki11
2008-06-25T11:04:22+00:00 25.06.2008 13:04
Wie immer ein super Kapitel!!

Und sie hat sich das endlich eingestanden!!

Freue mich auf das nächste Kapitel!
Von:  mitsuki11
2008-06-08T13:50:28+00:00 08.06.2008 15:50
Wie immer ein super Kapitel!!!

Ach die beiden sind schon süß!! Mal sehen wie die 2 Monate aussehen werden und ob spirit sich wirklich zurück halten kann!!!

Freue mich auf das neue Kapitel!!

LG
Mina
Von: abgemeldet
2008-05-29T17:17:48+00:00 29.05.2008 19:17
Ahhh geilomat!! Schnell weiterschreiben!!
Von:  mitsuki11
2008-05-21T08:56:07+00:00 21.05.2008 10:56
Wie immer ein super Kapitel!!!! Böser Spirit!!! Einfach seine Verlobte zu verführen!!! Na ja aber es war auf jedenfall eine möglichkeit!

bin ja mal gespannt ob er sie findet! und was er dann macht!

Schade dann muss ich ja jetzt ganz lange auf das nächste Kapitel warten. *schnief*

LG
Mina
Von:  mitsuki11
2008-05-13T21:12:09+00:00 13.05.2008 23:12
Einfach herrlich!!
Bin begeister wie immer!!

Sie hat ihren eigenen Willen, würde ich sagen!

Freue mich auf das nächste Kapitel!

LG
Mina
Von:  mitsuki11
2008-04-28T10:04:44+00:00 28.04.2008 12:04
Man ist das aufregend!

Bin gespannt wie er es wohl anstellen will!

Freue mich auf das neue Kapitel!

LG
Von:  mitsuki11
2008-04-12T12:11:31+00:00 12.04.2008 14:11
Super FF bis jetzt!!

Ich gebe zu das ich ein Fan solcher Geschichten bin! Deswegen reihen sich auch haufenweise solcher bücher in meinem regal an! *lach* bin gespannt wie es weiter geht und freue mich mehr von dir zuhören!!

LG


Zurück