Moin, moin. Deine Ankündigung, dass du dich sehr intensiv mit dem Thema um die Engel, Bibel, etc. auseinandergesetzt hast, hat es nun wirklich geschafft, mich dazuzubringen, deine FF zu lesen. Da in der Kurzbeschreibung irgendwas von Überarbeitung stand, sag mal auch was zu den älteren Kapiteln. Falls dir das nichts mehr nützt oder es überflüssig ist oder weiß ich, kannst du mir das ruhig sagen, dann meld ich voraussichtlich bei der zweiten Staffel wieder. (Und ja, ich bin mir durchaus bewusst, dass sich einige Sachen, die ich vielleicht ansprechen werde, schon gelegt haben könnten. Sieh es mir bitte nach.)
Ich werd mich erst mal nur mit dem Prolog befassen. Sollte für den Anfang aber auch reichen. Spätestens am Ende wirst du sehen, warum.
Doch zuvor noch ein Wort zu der Charakterbeschreibung.
Ganz offen und ehrlich: Ich hab mich von der etwas erschlagen gefühlt. Ich hab wirklich nichts gegen OCs und bin froh, wenn man mal gut entwickelte findet, aber das hier. Versteh mich nicht falsch, es macht keineswegs den Eindruck, als wolltest du hier jeden aufführen, der irgendwann mal durchs Bild gerannt ist, dafür steckt in jedem einzelnen Steckbrief einfach zu viel Mühe. Und dennoch die Masse. Von 23 aufgeführten Charakteren, wenn ich richtig gezählt habe, sind grade mal fünf „bekannt“, so dass es da zu einem ziemlichen Ungleichgewicht kommt.
Es ist eigentlich auch nicht wirklich die Masse, die mich hier stört, sondern eher die Präsentation, da sich hier der Nachteil, der Charakterbeschreibung zeigt. Wenn ich ein neues Buch zu lesen beginne, weiß ich auch nicht, welche Figuren mich da jetzt erwarten. Ich muss sie einfach so nehmen, wie sie kommen. Das gleiche Prinzip gilt auch für FFs. Es ist sicher schön, eine Übersicht zu haben, wer von den Canonfiguren denn nun auftaucht oder eine größere Rolle spielt, um eine Interessenselektion durchzuführen, und im gleichen Maße kann man auch auf OCs aufmerksam machen. Nur hier halte ich das nicht für so angebracht. Wenn ich nicht weiß, welche OCs auf mich zukommen, kann ich auch nichts gegen sie machen; wenn ich aber diese Menge an OCs sehe, fühle ich mich als Neueinsteiger doch ein wenig überfordert. Es gibt irgendwie das Gefühl, ich müsse sie mir gleich alle merken, was mich natürlich einem gewissen Druck aussetzt.
Ich denke, es wäre angebrachter gewesen, entweder nur die „wichtigsten“ bzw. Hauptfiguren aufzulisten oder noch eine Gewichtung nach Haupt- und Nebenfiguren einzuführen, so dass der Leser einen etwas besseren Überblick hat und auch etwas von diesem Druck verliert, statt einer alphabetischen Anordnung.
Ach ja, was sollen eigentlich die Fragezeichen da in Kais Steckbrief, unter dem Punkt „Wesen“? Das halte ich ebenso nicht für die beste Strategie, da es doch etwas die Spannung (und den vermutlichen Überraschungseffekt) nimmt, wenn du gleich zu Beginn preisgibst, dass sein Wesen nicht wirklich klar ist. Es wäre besser gewesen, den Leser im offiziellen Glauben zu lassen, dass er wirklich ein Mensch ist.
Aber gut, auf zum Prolog.
Im Großen und Ganzen gefällt mir die Umsetzung hier sehr gut, auch wenn die zweite Hälfte etwas „schwächelt“, meiner Meinung nach. Es war sehr angenehm zu sehen, dass man hier keine 1:1-Kopie von bekannten Schöpfungsmythen vorgesetzt bekommen hat, auch wenn gewisse Elemente vorhanden sind. Der Ton, den du hier bei verwendest, ist gut getroffen, da er eher gehoben ist und somit dem Leser ein entsprechendes Gefühl vermittelt. Ich würde mal sagen, etwas trocken, aber nicht langweilig. Man kann sich recht gut vorstellen, dass es ein „Bibelverwandter“ Text ist. Leider hast du dich an ein oder zwei Stellen in der Wortwahl vergriffen. Zum Beispiel: >>Die Erzengel konnten ihre Hand nicht gegen ihre Liebenden richten, so nahmen sie ihre Nachkommen und liefen weg.<<
Das „liefen weg“ passt meiner Meinung nach nicht so ganz in den Ton, „fliehen“ oder „flüchten“ wäre die bessere Alternative gewesen. Und auch einige der verwendeten Ellipsen stören hier etwas den Lesefluss, da sich vor allem hier ein paar grammatikalische Fehlerchen einschleichen.
Im Vordergrund steht hier die Schaffung des Hintergrundes für die Geschichte. Am Anfang läuft das auch ganz gut. Du verzichtest auf unnötige Beschreibung und umreißt die Szenerie nur grob. Was auch nicht schlecht ist, zumindest, was die Darstellung des Himmelreiches betrifft (auch wenn ich sie schon fast ein wenig kitschig finde). Du definierst auch noch recht gut, wie man sich die Engel vorzustellen hat bzw. mit welchen Eigenschaften sie versehen sind.
Doch an anderen Stellen ist diese Kürze nicht unbedingt ideal. Da hättest du etwas ausführlicher sein können. Zum Beispiel bei den Erzengeln. Du sagst, zwei von ihnen seinen männlich, zwei weiblich. Du nennst auch ihre Namen, aber du gibst nicht die Zuordnung preis. Wer sind denn nun die Männer und wer die Frauen? Für mich als Nicht-Christin ist das schon ein wenig irritierend, da du deinem Text auf diese Weise schnell mal einen exklusiven Anstrich verpasst. Und das ist nicht unbedingt eine positive Eigenschaft.
Bei der Aufzählung der Engelarten benennst du die eine Gruppe als „Soldier“. Was soll das? Und was sollen die eigentlich sein? Diese „Wachen des Reiches“? (Falls das wirklich die erklärende Apposition sein sollte, ist sie ungünstig gekennzeichnet, da sie eher wie der nächste Punkt der Aufzählung wirkt.) Ich finde diese englische Bezeichnung sehr unpassend. Ich bin sowieso kein Freund von unnötigen Anglizismen in der deutschen Sprache. Ein deutsches Wort hätte es doch auch getan oder, wenn du hier wirklich eine besondere Bezeichnung hättest haben wollen, wäre ein altgriechischer oder lateinischer Begriff besser gewesen.
Die Menschenschöpfung lässt du nun völlig weg, was bei mir die Frage aufwirft: Wessen Schöpfungsmythos lesen wir hier eigentlich? Die Version, die die Menschen in deiner Geschichte kennen? Oder die der Engel? Und es geht auch nicht ganz hervor, wann die Menschen überhaupt auftauchen. Man kann es nur raten. Denn die „unwürdigen Wesen“ könnten auch Tiere sein oder beide Gruppen.
Auch die ganze Sache mit „Luzifer/Satan“ (ich nehme an, dass das der Rebell ist, auch wenn er nicht benannt wurde, und beziehe mich hier einfach auf Paradise Lost) ist sehr, sehr grob und fast unverständlich. Warum ist er damit nicht zufrieden? Und war er sogar höher als die Erzengel? Oder war er ein Erzengel und wurde später nur ersetzt? (Eh, vergiss den letzten Punkt. Hab grad gesehen, dass die Erzengel anscheinend erst nachdem Verrat entstanden. Doch dann muss ich schon fast sagen, finde ich es irritierend, dass sie oben in der Aufzählung stehen, wo doch von einer Zeit des Friede-Freude-Eierkuchens berichtet wird und sie doch dann noch gar nicht da waren.)
Dann ist auch die Beziehung Erzengel und Menschen und deren Nachkommen viel zu kurz dargestellt. Das ist doch einer der Schlüsselpunkte, also sollte er auch entsprechend gehandelt werden. Aber hier wird der einem nur vor die Füße geworfen. Es steht nichts da, wie die Menschen ins „Paradies“ konnten und wie sie davon wissen konnten, wenn die Erzengel sich doch auf der Erde aufhielten? Wenn das ihr Aufenthaltsort war, um die gegnerische Armee in Schach zu halten, warum gehen sie dann ins Paradies? Und was haben Utopia und Babylon damit zu tun? Und haben jetzt nur die guten Menschen um Einlass gebeten? So klingt das zumindest.
Auch der Sündenfall kommt sehr schnell und hier frage ich mich dann doch, was ist eigentlich mit Adam und Eva? Ist dein Sündenfall quasi nur eine andere Version oder hat der vorher bereits stattgefunden oder gar nicht? Und war es die Pflicht der Erzengel nun auch gegen die Sünder vorzugehen? Und wenn sie diese verweigerten, gingen dann Konsequenzen von Gottes Seite aus? Mir ist nämlich nicht klar, wer die denn nun zu Fall gebracht hat: „Gott“ oder die Verräter? Anscheinend waren es ja ihre eigenen Kinder/Nachkommen. Aber warum?
Wie gesagt, anfangs mag die Kürze noch ihren Reiz gehabt haben, doch in der zweiten Hälfte ist sie eher verwirrend. (Was vielleicht auch nur an meinem eingeschränkten Wissensstand liegt.) Die Zusammenhänge hätten hier ausgearbeiteter sein können, da sie ja mit die entscheidende Grundlage bilden.
Ach ja, was macht Hades eigentlich da? Der kommt doch aus einer ganz anderen Ecke. Oder hast du diese Bezeichnung für das Totenreich wegen ihrer Neutralität gewählt?
Abschlusssatz: Vom Klang her sehr schön, auch mit den Unterbrechungen, die Spannung aufbauen. Nur ist dem Leser nach dem Lesen des Prologes eigentlich nicht klar, was denn nun ein Wächter ist, so dass man in dem Punkt wieder mit leeren Händen da steht.
So, das sollte wohl reichen.
Bis demnächst oder so.
Isamenot