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Seelensplitter

Rufe aus der Vergangenheit
von

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"Barmherzigkeit" [I]

"Barmherzigkeit"
 

(Inu no Taishou - Súnnanvindur: Szenario 1)
 

Weich…

Das ist das erste, und einzige, was er spüren kann, als er wieder zu Sinnen kommt.

In seinem Kopf herrscht eine unheimliche Leere, er kann nicht denken, und ihm fehlt jedwedes Gefühl für seinen Körper.

Wirr und ungerichtet geistern befremdliche Gedanken durch seinen Verstand, und es mag ihm einfach nicht gelingen, sie festzuhalten oder gar zu erfassen.

Ein stechender Schmerz pulsiert in seinen Schläfen.

Nur langsam, schleichend, kehrt seine Besinnung wieder, lässt ihn sich seines Leibes allmählich gewahr werden; seine Gliedmaßen sind weitestgehend taub, dafür bereitet ihm seine linke Flanke eine quälend heiße, glühende Pein, die wie flüssiges Metall durch seine Nervenbahnen wogt und diese zu zerreißen droht.
 

„Bist du wach, Kleiner?“
 

Daraufhin zuckt er zusammen, und ein gequältes Keuchen entrinnt seiner Kehle.

Er beherrscht die Sprache der Menschen und Dämonen nicht allzu gut, versteht sie jedoch einigermaßen. Trotzdem beschränkt es sich bei seinem Verständnis darauf, dass er angesprochen ist und eine Frage gestellt wurde.
 

„Oi.“
 

Der Besitzer jener tiefen, angenehmen Stimme lässt sich neben ihm nieder, er kann das gedämpfte Rascheln von Stoff hören.

Allerdings beschleicht ihn dabei weder Angst noch Unwohlsein.
 

„Nicht sterben, verstanden?“
 

Dem schließt sich eine flüchtige Berührung an seiner Stirn an, der Fremde streicht ihm die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht.
 

Mühsam zwingt er sich, die Augenlider zu heben, und ins Antlitz der besorgten Person blicken zu können, die unmittelbar neben ihm sitzt und über ihn wacht.
 

Sein Nacken ist steif und verspannt, wie er malträtiert stöhnend feststellen muss, als er den Kopf leicht dreht.

Und er behält mit seiner schwammigen Vermutung recht: es ist der Hundedämon, der seinen Bruder tötete, ihn besiegte und danach daran hinderte, seinem Leben ein Ende zu setzen.
 

Warum hat er ihn gerettet und sich seiner angenommen?

Woher stammt die Barmherzigkeit des Dämons? Oder hegt der etwa ganz andere Hintergedanken?
 

Erneut brennen Tränen in seinen Augenwinkeln und er kann nicht verhindern, dass er abermals zu weinen beginnt.

In seiner Verzweiflung und geistigen Verwirrung weiß er keinen Ausweg, im Grunde will er bloß eines: Fárviðri folgen, sterben.
 

Die Rachegefühle in ihm sind schwach, kaum ausgeprägt, und eigentlich interessiert ihn der Hundeyoukai wenig, doch in seiner widrigen Lage überkommt ihn eine ungerichtete Frustration, und kurzerhand, aus dem Affekt heraus, beißt er dem in weiß gekleideten Dämon in die Hand.
 

Jener Impuls kommt so unvermittelt über ihn, dass er selbst darüber erschrickt, als er Blut auf der Zunge schmeckt.

Zwar ist ihm nicht bewusst, was in ihn gefahren ist, aber locker lässt er trotz dessen nicht, presst die Kiefer noch fester aufeinander.
 

Der Hundedämon rührt keinen Muskel, billigt sein mehr als unangebrachtes Verhalten.

Auf seine eigene Art und Weise ist ihm nur allzu gegenwärtig, welcher Schmerz den jungen Drachen plagt, denn er erlebte vor kurzer Zeit selbst, wie weh es tut, jemanden, den man verehrt und über alles liebt, zu verlieren.
 

„Er hat dir sehr viel bedeutet, nicht wahr?“
 

Noch immer ignoriert er die spitzen Zähne, die sich unbarmherzig durch seinen rechten Handrücken gebohrt haben, vergräbt anstatt dessen mit einer liebevollen Gestik die linke im Haar des Jugendlichen.
 

Der Junge ist mit einem Mal hellwach, gibt sein vermeintliches Opfer frei. Feine rote Rinnsale bahnen sich einen Weg von seinen Mundwinkeln über das Kinn.
 

„Wieso…?“
 

Er liegt auf dem Fell des Hundes, wie ihm seine Nase verrät – dieser wiederum begutachtet für einen Augenblick schweigend die Verletzung, ehe er wieder den Jungdrachen fixiert, ihm ein warmes Lächeln schenkt.

Warum schimpft er nicht einmal mit ihm?

Der einzige, der ihm das ebenfalls ohne Verwarnung oder gar Schläge hätte durchgehen lassen, ist sein Bruder…
 

War, korrigiert er sich bitter in Gedanken.
 

„Hier.“
 

Etwas Glattes streift seine Finger, und im nächsten Moment trifft ihn blitzartig die Erkenntnis.

Fárviðris Herz…
 

„Es tut mir leid, was ich in deinem Beisein tun musste. Glaub mir, es ging nicht anders.

Hätte ich nicht eingegriffen, wäre er durch Sou’unga zu einem willenlosen Untoten geworden, und seine Seele der Dunkelheit anheim gefallen.“
 

Der Youkai wirft einen unauffälligen Seitenblick zu dem Schwert, das an der gegenüberliegenden Höhlenwand lehnt, und den Anschein erweckt, kein Wässerchen trüben zu können.
 

„Ich verlange nicht von dir, dass du mir verzeihst.

Wie auch immer, ich habe es nicht übers Herz bringen können, dich deinem Schicksal zu überlassen, du bist zu jung zum Sterben. Nutze dein Leben – falls du ihn rächen willst und stärker geworden bist, bin ich jederzeit für ein Duell mit dir bereit.“
 

Erschöpft schließt der Jungdrache die Augen, genießt die nachgiebige, flauschige Textur des Hundefells unter seinen Fingerspitzen, so anschmiegsam und nahezu zärtlich.

Er will nicht über das nachdenken, was geschehen ist, den gestrigen Tag am liebsten aus seinem Gedächtnis löschen.
 

Die Schwierigkeit besteht darin, seine Lebensschuld abzutragen und das Antlitz des Hundedämons zu vergessen – für letzteres soll sich der junge Luftdrache in Zukunft nicht in der Lage sehen, dafür wird der Fremde ihm zu wichtig werden.
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Wie der Untertitel bereits andeutet, der erste Teil von zweien.

Die Szene hatte ich grob schon sehr, sehr lange im Kopf, bin aber nie dazu gekommen, sie niederzuschreiben, von daher bin ich verdammt froh, dass es letztendlich doch noch geklappt hat und mir auch gefällt. ^-^

Zeitlich gesehen geschieht das hier direkt nach dem kurzen Flashback, das Súnnanvindur in der Residenz des Tennô hat.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Lizard
2007-07-25T17:06:59+00:00 25.07.2007 19:06
Find ich super, dass du das Kennenlernen dieser beiden Figuren noch etwas ausgeführt hast. So kann man ihr späteres Verhältnis zueinander und ihre Vertrautheit weitaus besser nachvollziehen.
Die Sterne für eine Freundschaft zwischen dem Hundeherrn und dem Luftdrachen standen zunächst ja äußerst ungünstig, das hätte auch ganz anders laufen können... (und an allem ist nur Sou'unga schuld, gemeines Schwert! *in die Hölle kick*) Gut, dass beide, Sunnanvindur und der Inu no Taishou, einander sehr ähnliche, sanfmütige Seelen haben und Rachsucht ihnen eher fremd ist.
Trotz der traurigen Situation (d.h. trotz des Todes von Sunnanvindurs Bruder) eine hoffnungsvoll gestimmte Szene, wirklich schön gestaltet. Bin neugierig auf Teil II.
Von: abgemeldet
2007-07-25T13:51:06+00:00 25.07.2007 15:51
HOHO! Das nene ich wirklich Bamherzigkeit! Der Inu Taishou wuschelt ihm dann auch noch liebevoll durch den Kopf............

Wirklich nicht schlecht, eigentlich hätte ich eher erwartet das er ihn zurück stoßt oder gar gleich zerlegt, aber streicheln? Das hat mich wirklich überrascht.......


Ich freue mich schon auf den zweiten Teil. ^-^

24
Von:  Hotepneith
2007-07-24T12:51:10+00:00 24.07.2007 14:51
Bamrherzigkeit eins..also kommt bald 2? Da kann ich mich ja schon mal rauf freuen.

Diese Oneshots liegen dir eindeutig! In so kurzer Zeit soviel rüberzubringen an Gefühlen.Mach nur weiter


bye

hotep


Von:  Carcajou
2007-07-24T11:44:19+00:00 24.07.2007 13:44
Oh, Schon wieder Dienstag- wie schön^^°

Ich mag Inu no taisho sehr gerne, um so mehr freue ich mich über diesen OS-
und genauso stelle ich ihn mir auch vor, ehrenvoll und sanftmütig (Natürlich nicht nur... Zum Führer der Hunde wird man nicht nur durch Nettigkeit). Er akzeptiert und versteht die Verzweiflung des Drachen, lässt sich sogar widerstandslos von ihm beißen. Das kann wirklich nur jemand, der den selben Schmerz kennt.
Und wieder hat ein Drache eine Lebensschuld, in diesem Falle wohl die Basis für eine gute Freundschaft.
Aber wenn du so traurig bist, Sunnanvindurs Bruder schon umgebracht zu haben: Noch mehr Geschichten aus der Vergangenheit, gerne etwas ausführlicher^^° fänd ich auch ganz toll!!!

Liebe Grüße,
Carcajou


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