Zum Inhalt der Seite

Seelensplitter

Rufe aus der Vergangenheit
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

"Idol"

"Idol"
 

(Neisti - Hraunar)
 

Das Tapsen von kleinen nackten Füßen auf dem steinernen Boden folgt ihm hartnäckig durch die labyrinthartigen Gewölbegänge des aktiven Vulkans. Mental seufzend verlangsamt der Feuerdrache seine Schritte, bleibt schließlich stehen. Das Geräusch hinter ihm verstummt ebenfalls; dumm ist der Kleine jedenfalls nicht.
 

„Neisti.“
 

Es klingt mahnend und gleichzeitig resigniert.

Daraufhin lässt der Jüngere schuldbewusst den Kopf sinken, tritt aus dem Schatten heraus ins Licht und nähert sich dem anderen.

Die Art und Weise, wie er seine Hand in die des Älteren schiebt, hat etwas Bittendes, ja Flehendes an sich, doch eine verständnisvolle Antwort erhält er nicht.
 

„Du weißt so gut wie ich, dass die Besprechung heute Nacht wichtig ist. Also sei ein braver Junge und geh ins Bett.“
 

Mit einer kühlen Geste entzieht er sich der zaghaften Berührung des Kindes, lässt es in seinem Kummer allein.

Wehmütig schaut ihm der Jungdrache nach und es wird eine ganze Weile dauern, bis er seinen Posten dort aufgibt. Er wird auf ihn warten, gleichgültig, wie viele Stunden bis zu seiner Rückkehr vergehen mögen.
 

Der Kleine hängt zu sehr an ihm, und er wird es nicht verkraften, wenn er im Gefecht fällt.

Und nichtsdestotrotz fühlt er sich durch die anhängliche Zuneigung des Kindes bestätigt und es erfreut ihn im Grunde seines Herzens, als er den leuchtend kupferfarbenen Schopf – mäßig verborgen hinter einer Säule am Fuße der Treppe – erspäht.

Drei Tage war er fort, und es ist abermals mitten in der Nacht. Außer ihm hat niemand auf ihn gewartet…

Gemächlich nähert er sich dem Versteck des Jungen, taucht dann aber so plötzlich hinter diesem auf, dass ihm ein erstauntes Quieken entfleucht. Der ältere Feuerdrache kniet halbseitig hinter ihm, präsentiert ihm die rechte Handfläche.

Zögern akzeptiert er das offenbare Angebot, und lässt zu, dass sein Gegenüber ihn auf den Arm nimmt. Ungehemmt klammert er sich nun mit den Händen in dessen Kleidung fest, presst das Gesicht beinahe gewaltsam in die sich anbietende Halsbeuge. Das Schluchzen und seine bitteren Tränen hält er nicht mehr zurück.

Nach einer Weile ebbt das Wimmern ab, und das Kind gewinnt langsam seine Fassung zurück.
 

„Du blutest, großer Bruder…“
 

Verwirrung und Fassungslosigkeit begleiten seine heisere Stimme, die winzigen Finger tasten behutsam über die Stelle an seiner rechten Schulter, wo der Stoff sich dunkel verfärbt hat.
 

„Halb so wild.“
 

Er ist verletzt und unterdrückt geflissentlich den Schmerzenslaut, der sich seiner Kehle formt, und dennoch spricht aus seinem breiten Grinsen, welches eine Reihe weißer Zähne entblößt, nichts als Ehrlichkeit.
 

„Tut es nicht weh?“
 

Sorgenvoll streichelt der Jungdrache über die Blessur, schenkt ihm einen mitleidigen Blick. Sein Verstand sagt ihm, dass eine solche Verletzung nicht durch die Klinge eines Schwertes verursacht worden sein kann.
 

„Hast du sie überzeugt?“
 

Nach einer gewalttätigen Ausschreitung hat er sein Anliegen mehr oder minder mit schlagkräftigen Argumenten in die Schädel seiner Besprechungspartner prügeln müssen, der Erfolg jedoch, den das mit sich gebracht hat, kann er nicht leugnen.
 

„Yup.“
 

Erneut ziert ein Grinsen das weitestgehend unversehrte Antlitz.
 

„Lass uns zu Hrafntinna gehen und noch ein wenig Karten spielen, bevor ich dich wieder ins Bett schicke.“
 

Neisti bejaht diesen Vorschlag eifrig nickend und gibt seinem Bruder zu verstehen, ihn abzusetzen. Dann eilt er freudestrahlend voraus, wirft ihm beständig einen ungeduldigen Blick aus großen, blau durchwobenen Kinderaugen zu.

Er ist bemüht, sich den ziehenden Schmerz, der bei jeder Treppenstufe erneut droht, seine Züge zu verzerren, nicht anmerken zu lassen; er möchte die harsche Abweisung, die er dem Jüngeren am Tag seiner Abreise erteilt hat, wieder gut machen.

Ihn plagt ein schlechtes Gewissen, was diesen Vorfall betrifft.
 

Hrafntinna spart sich einen Kommentar bezüglich seiner Verfassung, sie hat geahnt, dass sich so etwas ereignen würde.

Murrend, wie leichtsinnig er doch mit Leib und Leben verfahre, versorgt die Frau seine Verwundungen; indes löst er sein Versprechen ein und überantwortet Neisti die Wahl des Kartenspiels.

Zu seinem Leidwesen muss er ein weiteres Mal feststellen, dass der Kleine nicht nur sensibel, sondern vorrangig hochintelligent ist – er kann keinen einzigen Sieg für sich erringen, trotz der sichtlichen Müdigkeit, die ihm zu schaffen macht.
 

„Du wirst nicht einfach verschwinden… so wie Vater und Mutter…“
 

Ohne jeglichen Kontext stellt er die Aussage in den Raum.

Seine Tonlage schwankt dabei leicht, geprägt von abwesender Nachdenklichkeit – das imaginäre „oder?“ muss sein Bruder nicht einmal hinzufügen, um die Frage, die darin steckt, zu enttarnen.
 

„Nein Neisti, das werde ich nicht. Ich verspreche es dir.“
 

Und mit einem Mal hat er das Gefühl, gerade einen schwerwiegenden Fehler begangen zu habe. Er hat sich selbst belogen – es liegt nicht wirklich in seiner Macht zu entscheiden, wie lange er auf dieser Welt existieren wird.

Neistis Ausdruck wagt er in jenem Moment nicht zu deuten.

Ob er bereits weiß, dass es ein leeres Versprechen ist?

Aber noch ist er nicht tot, und insgeheim hat er nicht vor, in jungen Jahren zu sterben.
 

Die Zeit wird Hraunar Lügen strafen…
 

***---***---***
 

[Anm. der Autorin]

Hierzu gibt es nicht allzu viel zu sagen, ausgenommen, dass ich neuerdings einen Faible für Brüderbeziehungen zu haben scheine und diese längst verstorbenen Charaktere gerne weiter entwickelt hätte.

Ich liebe Hraunar. Er ist so herrlich locker und ganz anders als die meisten anderen Drachen, die so strikt auf das Befolgen von Regeln aus sind.

Zu seiner Position als Clanführer ist er eher auf unkonventionelle Weise gekommen, da er den Tod seines Vaters nicht abgewartet, sondern ihn persönlich 'abgelöst' hat, wovon Neisti natürlich zu dem Zeitpunkt nichts weiß.

Die Vorlage für ihn stammt aus Naruto, vom Yondaime Hokage (daher das breite Grinsen, falls das jemandem etwas sagen sollte ^-^°).



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Carcajou
2007-07-17T20:56:04+00:00 17.07.2007 22:56
Hraunar wird mir immer sympathischer, so schade...
er ist wirklich bedeutend lockerer als zb Flugar, das schlägt sich meiner Meinung nach auch deutlich in deinem Schreibstil nieder. Find ich toll, das wirkt NOCH lebendiger! Wirklich, soo schade...Die zuerst beschriebene Anhänglichkeit seines bruders und die enge Beziehung machen die Worte "Leeres Versprechen" wirklich bitter.
Mal wieder sehr schön.^^°

GLG,
Carcajou
Von:  Lizard
2007-07-17T18:56:22+00:00 17.07.2007 20:56
Ein Faible für Brüderbeziehungen (neben dramatischen Vater-Sohn-Geschichten) habe ich auch. Daher find ich diesen One-Shot wieder sehr beeindruckend. Ich finde, er reiht sich sehr harmonisch in die anderen Brüdergeschichten von 'Seelensplitter' ein. Hraunars unkonventionelle Art gefällt mir auch sehr. Dass ihn sein kleiner Bruder nach dem 'Verschwinden' seiner Eltern zu seinem Idol erhebt, macht die Geschichte ziemlich tragisch. In diesem Zusammenhang ist der letzte Satz sehr traurig und erschütternd.
Von: abgemeldet
2007-07-17T09:47:09+00:00 17.07.2007 11:47
WoW! Also ich finde diese FF hat etwas magisches und mystisches an sich. ^-^

Das klingt alles immer so dunkel und rästelhaft.....und das mit dem kleinen fand ich ziemlich niedlich. g** "Kleine tapsige Füße......."


24
Von:  Hotepneith
2007-07-17T07:08:56+00:00 17.07.2007 09:08
Du hättest den armen Hraunar wirklich nícht umbringen sollen. Aber nun ist es zu spät. Nun gut,immerhin kann er sich in Seelensplitter zeigen.

Könntest du mal einen Onshot bringen, in dem sich die verschiedenen Vertreter der Drachenarten treffen, um die unterschiedlichen Stämme noch einmal deutlich zu machen? ich stelle mir das auch sehr interessant vor, zumal schon die jeweiligen Anführer sehr eigene Charaktere sind.

bye

hotep




Zurück