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Mondscheinkinder

von

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Gelb mit drei Punkten

„Boah, ich bin so aufgeregt! Was, wenn er mich nicht mag? Oder mich eklig findet?!“ Ich lächelte vor mich hin und hörte mir Marys nervöse Gedankenflüge an. Wir saßen nebeneinander auf meinem Bett, beide wie immer im Schneidersitz. Es war irgendwie sehr niedlich, ihr zuzuhören, wie Freude und Angst sich bei ihr treffen und sie irritieren. „Na na, jetzt mal doch nicht den Teufel an die Wand. Du bist ein sehr nettes, höfliches Mädchen, eklig bist du bestimmt nicht.“ Ich hatte ganz gelassen gesprochen, Mary redete zwar nach kurzem Schweigen weiter, allerdings um einiges ruhiger und leiser. Als sie gerade zum sechsten Mal übte, wie sie sich ihm vorstellen solle, wurde mir jedoch bewusst, wie lange wir wahrscheinlich schon hier saßen. „Mary? Wie spät ist es?“ fragte ich sie und ich wusste, dass sie nun auf ihre beleuchtete Digitaluhr am linken Arm schauen würde. „16.24, wie... Argh, verdammt!“ Ich musste grinsen, als ich hörte, wie sie hastig aufstand, anscheinend gegen meinen Tisch lief, ehe sie zur Türe kam. „Sorry, ich bin zu spät. Ich erzähl dir nachher alles, ok?!“ Ich antwortete ihr nicht, ich wusste, dass sie schon aus dem Zimmer gerannt war und nur die Tür offen gelassen hatte. Mary war wirklich was besonderes. Ein wenig schusselig und mit manchmal recht ungesundem Temperament, aber einfach nur süß und ein Fröhlichmacher. Ich stand gemächlich auf und schloss die Türe, ehe ich mich auf die Fensterbank setzte und in den Raum starrte. Im Grunde starrte ich wirklich nur, denn alles war schwarz. Ich wusste, dass dieses Zimmer vollkommen dunkel war, doch auch mit Scheinwerfern im Raum wäre es schwarz – für mich.

Nach einer Weile hörte ich unser Klopfzeichen und die Tür ging auf. „Hallo Mary, wieder da?“ fragte ich, als ich sicher war, dass sie im Raum war. Ich hörte Schritte, aber nicht nur von einer Person. „Ja, ich habe ihn sogar mitgebracht.“ hörte ich sie munter sagen und mein Verdacht hatte sich bestätigt. Ich stand auf und ging durch den Raum, den ich auswendig kannte. Links von Mary war mein Schrank, da konnte der Besucher also nicht sein, also stand er entweder vor der Türe oder etwas seitlich neben dem Tisch. Ich lief einfach auf gut Glück los, den rechten Arm ausgestreckt. Er würde sich sicher erschrecken und zurückweichen, aber so wüsste ich dann, wo er war. Ich ging vorsichtig in Richtung Türe und berührte ihn schließlich, oder besser eine sehr weiche Mütze, was mir doch ziemlich seltsam vorkam bei der Hitze draußen. „Du trägst Kopfbekleidung?“ fragte ich leicht verwirrt, doch mir fiel wieder ein, dass er ja wegen einem Licht-Hautproblem hier war und ich ließ weitere Fragen. Doch mir gefiel seine Kleidung nicht, ich wollte ihn „sehen“. Ich drängte ihn solange zurück, bis er an der Wand ankam und entfernte dann den lästigen Kram, der sein Gesicht bedeckte. Schließlich war alles weg und ich legte meine Hände auf sein Gesicht. Seine Haut war samtig weich und frei von Muttermalen, Pickeln oder ähnlichem. Seine Nase war schön geschwungen, ebenso seine Lippen und ich spürte die auffällig langen Wimpern. Seine Kopfform war leicht oval und in keinster Weise herb, weder ausgeprägte Wangenknochen noch ein prägnantes Kinn störten das Gesamtbild, zudem schien er lange Haare zu haben. Hätte Mary mir nicht gesagt, dass der Neue männlich war, ich hätte ihn für eine Frau gehalten. „Du bist wunderschön.“ kommentierte ich das „Gesehene“. Doch mir waren auch Narben aufgefallen. Rechts beim Kinn und die Stirn am Haaransatz. Die Haut war dort dünn wie Pergament und rau, ähnlich wie Marys Haut, nur er hatte nicht faltenartige Narben, sondern fleckige. Unmengen an Huckeln störten das Bild der ebenmäßigen Haut, doch er musste dennoch bildschön sein.

„Was...Was machst du da, hör auf.“ hörte ich ihn unsicher sagen, es war auffällig leise als erwarte er, dass ich ihn schlagen würde. Sofort nahm ich die Hände weg und konnte ihn kurz erleichtert aufatmen hören. Dann spürte ich Marys Hand auf meiner Schulter, die mir, anscheinend absichtlich laut, zuflüsterte: „Ist er wirklich so hübsch?“ Ich antwortete nur mit Ja und sie kicherte und murmelte etwas vor sich hin, vermutlich erhoffte sie sich einen Blick im Hellen, um ihn ebenfalls sehen zu können. „Tut mir leid, falls ich dich erschreckt habe, ich wollte nur einen Blick auf dich werfen. Hätte ich dich gefragt, hättest du vielleicht nein gesagt.“ sagte ich zu dem, vermutlich verwirrten, Jungen freundlich, der sich offenbar aufzuplustern begann, da er kurz stark Luft holte. „Natürlich hätte ich nein gesagt, wieso sollte ich mich bitte betatschen lassen! Was soll das überhaupt?!“ schrie er aufgebracht und erinnerte mich sofort an mein erstes Treffen mit Mary, die ähnlich reagiert hatte. „Wieso solltest du es nicht? Zumindest einem Blinden kannst du doch erlauben, dich mit den Fingern anzusehen, wenn er schon keine farblichen Abnormalitäten erkennen kann.“ konterte ich gelassen und er schwieg, entweder überlegend oder eingeschüchtert, vielleicht auch geschockt, ich wusste es nicht.

„Du bist...blind?“ fragte er leise und meine Antwort war da. „Ja, eine Krankheit hat mir mein Augenlicht geraubt, Stück für Stück, doch an die Zeit, wo ich noch sehen konnte, erinner ich mich nicht, ich war erst drei gewesen.“ antwortete ich sachlich. Wieder kam Schweigen. „Du brauchst keine Angst vor Masa haben, er tut nichts. Er ist ganz lieb, ausserdem sehr schlau und mutig.“ lobpreiste Mary mich und ich musste lächeln. „Mary, hör auf. Nun...ähm...Wie heißt du eigentlich?“ Ich erwartete, dass Mary seinen Namen reinrief, doch auch sie schien ihn nicht zu wissen oder aber wieder vergessen zu haben, was nicht sehr unwahrscheinlich war. Unser Gegenüber schwieg, ehe er leise ansetzte.

„Mein...Mein Name ist... Kai Bijnens.“



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