Peck - Gegenwart
Kapitel 34:
Peck - Gegenwart
Namis Sicht
Ich wachte auf. Sonnenstrahlen kamen durch das Fenster und von außen her hörte ich Vogelzwitschern.
Mit einem Mal fiel mir ein, dass ich in Sanjis Bett lag, ich war bei ihm zu Hause. Ich drehte mich um,
stellte fest, dass ich mich alleine in dem Zimmer befand und richtete mich auf. Sollte ich nachsehen, wo er
Vorlieb genommen hatte zu schlafen? Ich setzte meine Füße auf den Boden ab, stand auf und schlich
zur Zimmertür. Vorsichtig öffnete ich sie und konnte schon ins Esszimmer sehen, wo Sanji am Tisch
saß. Er hatte den Kopf auf den Armen liegen und schlief noch. Die ganze Nacht hatte er da gesessen,
nur, um nicht neben mir schlafen zu müssen, aus Höflichkeit. Ich ging ein paar Schritte rein, er sah
friedlich und richtig süß aus, dann sah ich in der Küchenuhr, dass es erst halb Sieben war. Ich konnte mich
also noch mal in aller Ruhe hinlegen. Doch Sanji beim Schlafen zuzugucken war doch viel schöner und sinnvoller.
Darum stellte ich mich vor den Tisch und sah ihn an, wie er ein -und ausatmete und noch in
Alltagskleidung eingekleidet war. Mir gefiel das rote Hemd, das stand ihm richtig gut, das hatte er noch
nie in der Schule angehabt. Mein Blick blieb an seinem Gesicht hängen, richtig unschuldig sah er aus,
und verletzlich. Seine Narbe bekam wieder meine Aufmerksamkeit, woher hatte er sie nur? Und warum
nur auf der Unterlippe, nicht ins Gesicht rein? Sie war schon verheilt und es musste sich doch cool
anfühlen, ihn mal zu küssen. Ich seufzte und tat doch wieder leise Schritte in sein Schlafzimmer.
Lautlos schloss ich die Tür und legte mich wieder hin, kuschelte mich in seine Bettdecke.
Ein zweites Mal wachte ich etwas später auf, als Sanji in mein Zimmer kam. Oder besser gesagt in sein
eigenes. Ich blinzelte noch müde, bis ich ihn erkannte. Er lächelte mir einen „Guten Morgen.“ zu. Ich
drehte mich auf den Rücken, um zu ihm hochsehen zu können und lächelte ebenfalls. „Morgen.“ Sanji
lief um das Bett herum, um das Fenster zu kippen und kam dann wieder auf meine Seite zurück. „Und,
gut geschlafen?“ Und vor allem gut aufgewacht. Ich nickte müde, doch war innerlich schon in Topform.
„Magst du Frühstücken?“ spielte er den vorbildlichen Gastgeber und ich wusste ehrlich nicht, ob ich nun
Hunger hatte oder nicht. Ich entschloss, zu verneinen. „Okay.“ meinte er und kratzte sich am
Hinterkopf, ich hätte ihm auch nur zu gern durch die Haare gewuschelt. Ich breitete den Arm aus und
klopfte auffordernd auf die Matratze, auf der ich lag. „Setz dich doch.“ Einen Moment wartete er, doch
folgte meinem Vorschlag, worüber ich innerlich jubelte. Die Matratze senkte sich ein wenig, als er Platz
nahm und war mir nun sehr nahe. „Was gibt’s?“ fragte er und ich überlegte, was ich jetzt sagen könnte,
was sich nicht dumm anhören würde. „Nichts. Wollte einfach nur, dass du dich zu mir setzt.“ Wir beide
lächelten, wieso war er nur manchmal so schüchtern? Früher hatte er doch mit wildfremden Mädels rum
gemacht, dass er das abgestellt hatte, fand ich ja gut, aber weshalb war er nur so in sich gekehrt
geworden? Ich sprach weiter. „Wo warst du denn gestern?“ Er sah mich an und ich wartete, dieses Mal
würde er sich nicht rausreden, das würde ich ihn nämlich nicht durchkommen lassen. „Ich ähm...“ Er
sah sich ein wenig im Zimmer um, so als wäre er hier noch nie drin gewesen. Da fiel ihm sein gestriger
Tagesverlauf anscheinend wieder ein, denn er sah mich an und grinste freundlich. „Ich war bei einem
Vorstellungsgespräch.“ rückte er mit der Sprache raus. War das jetzt sein Ernst? „Und für was? Willst du
einen Ferienjob machen?“ Er lächelte breit, wo sich die schönsten Lachfalten überhaupt bildeten! Ganz
um seinen Mund herum zogen sie sich nach oben, und er hatte auch so richtig schöne Zähne! Sein
Lächeln war das Schönste überhaupt an ihm, genauso wie seine schönen Wimpern, seine schönen
Augen, die Haare, die Wangenknochen, ach Mensch! Nicht in Träumereien versinken, wie oft musste ich
mir das noch sagen?
„Ich werde über die Ferien nach Mocktown fahren! Da mach ich eine Ausbildung zum Koch!“ strahlte er
weiter und ich richtete mich im Bett auf. „Echt?“ „Ja! Ich wurde genommen!“ Irgendwo aus meinem
Körper hatte jemand eine Schublade geöffnet, wo sich die ganze Zeit über Freude gelagert haben
musste! Sanji hatte ein Praktikum! Da ihn das so glücklich machte, musste ich mich einfach für und mit
ihm freuen! „Das –das ist ja super!“ Ich war total sprachlos! Am Liebsten hätte ich ihn umarmt, oder
sonst wie gratuliert, nur hatte ich damit jetzt gar nicht gerechnet und saß nur wie ein Klotz auf der
Matratze. „Und wie, die waren total von mir begeistert! Ich fahre in fünf Tagen!“ Da stoppte alles in mir.
Er fuhr dazu weg? Wohin? Für wie lange? Er durfte nicht weggehen! Ich brauchte einen Moment, um
alles in meinem Kopf zu sortieren, bis ich etwas herausbrachte. „Ich freu mich voll für dich!“ lächelte ich
weiterhin, obwohl mir ehrlich gesagt schon mulmig wurde. Wo lag Mocktown überhaupt? Ich wollte
nicht, dass er wegging. Sanji sah mich an und erwartete wohl, dass ich noch etwas dazu sagte, aber
mehr als schief lächeln konnte ich dann doch nicht mehr. Es breitete sich eine zähe Stille aus und mir
fiel nichts ein. Von seinem Bewerben hatte er nicht einmal gesprochen, was ich auch nicht direkt
nachvollziehen konnte. „Wie lange bist du dann weg?“ wollte ich wissen, wobei ich schon befürchtete,
dass es die ganzen Sommerferien betreffen würde. „Für vier Wochen. Ich fahr am Samstag.“ Ich nickte,
pulte dabei an meinen Fingernägeln rum. Vier Wochen ohne Sanji, da wollte mich wohl irgendjemand
bestrafen. Aber wenn es ihm half, war es doch okay, immerhin hatte er sich gerade eben noch total
gefreut. Aber dass ich ihn jetzt so lange nicht sehen würde passte mir nicht in den Kram.
Gedankenversunken starrte ich auf meine Nägel, fummelte da weiter rum und musste dann lächeln, da
mir was in den Sinn kam, dass ich zu ihm sagen konnte. „Da werd ich dich dann vermissen.“ Hoffentlich
hörte sich das nicht zu traurig an, aber es entsprach auf jeden Fall der Wahrheit. Ich sah zu ihm, wobei
Sanji vor sich hin guckte. Da er meine Kopfbewegung bemerkte, hob er seine Augenlieder hoch, sah zu
mir und wir verfingen uns. Das war unvorhersehbar. Mir wurde blitzartig klar, dass so Liebe auf den
ersten Blick sein musste und Sanji genauso fühlte wie ich, anders ging es gar nicht! Mir wurde das in
einem Sekundenbruchteil klar, der Augenkontakt hielt einfach einen Moment zu lange an.
Ich würde ganz sicher nicht zuerst den Blick abwenden, genauso wenig wie er es im Sinn hatte. Eine
Sekunde nach der anderen verstrich, alles in mir wurde aufgewühlt und ich verbrannte in meiner
Magengegend. Sein Blick war so stechend, ich fühlte einen innerlichen Schauer, der mir von der Brust in
meinen Bauch floss und sich dort ausbreitete. Der Moment war perfekt, ideal für einen Kuss, nur saß er
leider zu weit von mir weg! Es wurde mir zu brenzlig, seine Augen waren zu stechend und ich musste
schlucken, hoffentlich hatte er es nicht gemerkt. Wie von selbst fingen meine Augenlieder an zu
flackern und ich musste unwillkürlich den Blick senken – verflucht! Unmerklich kam mir Sanjis
Oberkörper ein Stückchen näher, was ich erst einen Augenblick später merkte, da war er mir schon
richtig nahe und mit der Situation konnte ich auf Anhieb nichts anfangen, gar nicht erst einen
Gedanken fassen, sondern schloss schon automatisch die Augen. Seine Nähe war schon greifbar nahe,
im nächsten Moment konnte ich schon den ganzen Ablauf erahnen: sein Mund würde sich auf meinen
legen, da – wirklich! Wirklich, wirklich WAAAAAAAAAH! Er küsste mich tatsächlich! Er hatte wirklich die
Initiative ergriffen und seinen Mund auf meinen gelegt, mich damit total überrascht, wobei ich es mir
doch schon gedacht hatte! Total perplex musste ich das erstmal ordnen, schmiegte meine Lippen an
seine, wollte den Kuss mehr als nur entgegennehmen, doch alle Funktionen in meinem Körper wurden
lahmgelegt. Ich brachte es nicht mal zustande, meine Hand irgendwo an seinen Körper anzulegen,
weder seine Hand zu ergreifen oder ihn im Gesicht zu streicheln, durch die Haare zu fahren oder sonst
was, in mir verknoteten sich alle Muskeln und wurden von Endorphinen angedockt, mir kamen die
irrsinnigsten Bilder in den Kopf, echt bescheuert! Da küsste mich mein Traummann, doch leider
berührte er mich nicht mit seinen Händen oder sonst wie, nur unsere Lippen waren Verbindungsstellen
unserer Körper. Ich fand das unglaublich schön, hätte ausflippen können, um mein ganzes Gesicht
legte sich eine undurchdringliche Schicht, der Moment sollte nie aufhören, doch Unsicherheit und auch
Schüchternheit ließen meinen Wunsch nicht in Erfüllung gehen. Vorsichtig lösten sich seine Lippen von
meinen wieder, aber seine Nähe war immer noch spürbar, doch er wich einige Zentimeter zurück. Nicht
überstürzt öffnete ich meine Augen, sah erst noch nach unten, bevor ich Blickkontakt mit ihm suchte.
Uns beiden war dieser überraschende Kuss wohl noch peinlich, es gab keine Erklärung zwischen uns,
nur Unsicherheit und Erwartung. Hatte er es getan, weil der Moment einfach wie geschaffen dafür war?
Oder hatte er sich das auch schon vorher mal gewünscht? Wir starrten an uns vorbei, Löcher in die Luft,
die Stimme fehlte und ich war total aufgeregt. Als er begann zu sprechen, konnte ich ihn immer noch
nicht ansehen. „Ähm... magst du Kaffee?“ Die Frage ließ sich auf mir nieder, ich sah schüchtern auf das
Bettlaken und nickte. Sanji stand auf und ich schälte mich irgendwie aus der Bettdecke, konnte
glücklicherweise geradeaus laufen und folgte ihm in die Küche. Meine Güte, ich hatte nur meinen Rock
und das Top an, trug gar keinen BH oder Bikinioberteil darunter, das war mir doch etwas unangenehm,
aber ließ es mir nicht anmerken. Ich betrat hinter ihm das Kochreich, er lief zum Schrank und holte
Filterpapier mit dem dazugehörigen Pulver heraus. Ich sah mich im Zimmer um, dann aus dem Fenster,
dann zu ihm. Mir kam es komisch vor, ihn einfach zu beobachten, da wir uns gerade so nahe
waren, aber ablenken konnte ich mich mit der Kücheneinrichtung doch nicht. Als er den Filter rein
machte, sah ich, dass er an der Hand ein klein wenig zitterte, was mich total freute, denn dass hieß
nämlich, dass er auch aufgeregt war! Also musste der Kuss etwas bei ihm ausgelöst haben, vielleicht
sogar dieselbe Wirkung, wie bei mir. Innerlich hoffte ich weiter, während der Kaffee vor sich hinkochte.
Bei der Wartezeit lehnte sich Sanji an den Küchentisch und sah halber zu mir. Erst da fiel mir auf, dass
er gar nicht geraucht hatte, ich hatte keinen Restgeruch durchgeschmeckt. Irgendwie war das ja auch
gut so, nur hatte ich überhaupt keine Erinnerungen an seinen Livegeschmack. Wie schmeckte er denn
jetzt? Dazu war der Augenblick viel zu kurz gewesen, ich wollte ihn noch mal küssen, klarstellen, was
das nun zu bedeuten hatte und überhaupt alles. Waren wir jetzt vielleicht zusammen?
Normalerweise trank ich keinen Kaffee, nur wenn ich wirklich lernen musste und zu müde war, dann
jedoch ungern, aber heute hatte ich richtig Lust darauf, was eindeutig an Sanji lag. Ich wollte mit einer
Tasse in den Tag steigen, war richtig glücklich, nur die Stille zwischen uns störte. Endlich war die Brühe
durch und Sanji goss das heiße Getränk in zwei Tassen. „Magst du Milch oder Zucker?“ „Ähm, nein
danke.“ Ein Wunder, dass ich überhaupt eine Antwort herausbrachte. Wir gingen ins Esszimmer und
setzten uns, noch immer schweigend. Ich nippte vorsichtig am Becherrand, schielte manchmal zu Sanji
hin. Wieso er mich wohl geküsst hatte? Ich fand das natürlich richtig toll, aber jetzt kam leider nichts
mehr von ihm –Schade! „Und, was machst du heute noch?“ fing er an und ich sah das erste Mal direkt in
seine Richtung. Dann überlegte ich natürlich nicht lange und brachte irgendetwas zusammen. „Nojiko
wollte noch aufräumen, ich helfe ihr.“ Das stimmte nicht einmal, aber egal, überprüfen konnte er es
nicht. „Weiß sie, dass du bei mir übernachtet hast?“ Ich verneinte und wurde ruhiger. Zum Glück kein
zähes Beisammensein, ich war heilfroh, dass er ein Gespräch angefangen hatte. Ich kam ihm jetzt auch entgegen.
„Schreibst du mir eine Karte aus... Mocktown?“ Ich wusste sogar noch den Namen von der Stadt,
Respekt. „Klar.“ lächelte er, wieder waren Ansätze seiner schönen Lachfalten sichtbar und ich musste es wohl so
hinnehmen, dass er halt wegging. Schließlich freute er sich darauf und es war ja gut für seine
berufliche Zukunft.
Nach langer Zeit hatte ich es fertig gebracht, die Tasse ganz auszutrinken und Sanji trug beide in die
Küche. Ich seufzte in mich rein und blieb auf dem Stuhl sitzen. Er kam zurück. Sollte ich jetzt besser
gehen? Hatte das nichts zu bedeuten? Warum hatten wir uns auch gerade geküsst, wo doch schon
feststand, dass er gehen würde? Ich stand auf. „Also, äm ich-“ Nicht verhaspeln, ich Depp! Ich musste
einfach einen kurzen Moment klar im Kopf werden, begann noch mal von vorne. „Also, danke, dass ich
bei dir übernachten durfte und dass es dir nichts ausgemacht hat.“ Ich strich einige Haare hinters Ohr.
„Klar, kein Problem.“ Ich wippte ein bisschen mit dem Kopf, sah dabei zu Boden, blickte noch mal zu
ihm auf, lächelte dabei. „Ich hol dann mal meine Sandalen.“ „Okay.“ Ich lief in sein Zimmer, nutzte die
Gelegenheit um einmal tief Luft zu holen und kam zurück in den Eingangsflur. Mit einem Meter
Entfernung von ihm schlüpfte ich in meinen Schuhersatz, sah nochmal etwas verlegen zu Sanji und
wollte dann zur Haustür gehen. War jetzt alles schon wieder vergessen? Kam noch was? „Also dann,
guten Heimweg.“ wünschte er mir mit zurückhaltender Stimme, was ich klipp und klar süß fand, aber
leider nicht ausreichend genug. Mein Herz raste im leichten Tempo, ich drehte mich nochmals zu ihm um,
zeigte ihm mein schönstes Lächeln. Unser Augenkontakt blieb wieder länger bestehen, als es unter Freunden
normal war, worüber ich mich unendlich freute! Woher hatte er nur seine schönen Wimpern? Ich wollte gar nicht
gehen, hätte ihn lieber noch mal geküsst, aber wir hatten unseren Moment gehabt. Vielleicht würde ein Neuer
kommen, alle Gefühle in mir waren auf Hoffnung eingestellt.
erstellt am 06.05.2007
4Kolibris,
Elena