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Summer in Konoha

NejiTen, ShikaIno, NaruHina
von

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Der Brief

Titel: Summer in Konoha

Pairings: NejiTen, ShikaIno, NaruHina

Vorwort: Eine dieser klischeehaften Liebesgeschichten, die man nur deshalb liest, weil man anspruchslose Unterhaltung braucht. Und das soll's auch sein.
 

Einer dieser sonnigen, freien Tage, an denen man aufwacht und am liebsten die ganze Welt umarmen möchte... Für Tenten waren das die Tage, an denen man nutzlos herumsitzt und gar keinen umarmen will. Mit vierzehn ein echtes Armutszeugnis für ein Mädchen, das gar nicht mal hässlich war. Aber man kam eben zu nichts, wenn man in Schriftrollen alle erdenklichen Waffen versteckte und in seiner Freizeit am liebsten damit herumfuchtelte, sodass sogar die Eltern schon manchmal Angst vor einem hatten. Schon gestern hatte Ino ihr gesagt, dass sie so als alte Jungfer sterben würde. Eigentlich nichts Neues. Nur heute lag diese Prognose unheilvoll in der Luft wie dicker Rauch, der sich langsam auf sie herabsenkte und sie zu ersticken drohte...

Und so versaute man sich seine arbeitsfreien Tage. Tenten wälzte sich herum und vergrub ihr Gesicht im Kissen. Und wenn schon, sie starb wenigstens im Dienst. Bloß... warum hatte Ino so gegrinst, als sie diese wenig schmeichelhafte Zukunftsaussicht vorgetragen hatte?

In diesem Moment riss ihre Mutter wie üblich ungefragt ihre Zimmertür auf.

"Du hast Post."

"Sonntags?!"

fragte Tenten irritiert und richtete sich auf. Ihre Mutter hielt einen rosafarbenen Briefumschlag in der Hand, auf den eine kleine, weiße Blume geklebt war. Tenten schwang sich träge aus dem Bett.

"In der Farbe und mit Blume muss der von Ino sein."

Ihre Mutter sah damit ihre Mission als beendet, zumal Tenten sich heute selber aus dem Bett geschmissen hatte, und ging wieder. Halbwegs interessiert, warum Ino in aller Herrgottsfrühe Briefe verteilte, öffnete sie den Umschlag. Die Farbe tat ihr in den Augen weh. Rosa Umschlag, rosa Briefpapier, rosa Schrift und rosa Herzen. Besonders letzteres kam ihr verdächtig vor. Und der Inhalt des Briefs noch mehr.
 

"SHIKAMARU! Wenn du nicht in drei Sekunden hier unten bist, komme ich hoch!"

Mit der Stimmgewalt eines Nebelhorns, die die gesamte Nara-Residenz erschütterte, schrie Mrs. Nara ihren Sohn aus dem Bett. Shikamaru hatte keine Ahnung, warum sie ihn eine Stunde vor ihrem üblichen Termin weckte, doch er wollte auf keinen Fall riskieren, dass sie hoch kam, schaffte er es tatsächlich, auf den Flur zu kommen. Ein erneuter ärgerlicher Schrei warf ihn die Treppen runter. Sich den Hinterkopf reibend blieb er auf dem Boden sitzen und sah seine Mutter missmutig an. Deren strenges Gesicht verzog sich unerwartet zu einem gruseligen Lächeln.

"Gratulation, du hast es trotz allem geschafft..."

"Was geschafft?!"

Shikamaru war sogar zu verwirrt, um sich über die Komplexität der Frauen zu beschweren. Dann fiel ihm der rosafarbene Gegenstand in den Händen seiner Mutter auf.

"Und was ist das?"

"Das, mein Lieber, ist ein Brief, den vorhin dieses reizende Mädchen vorbeigebracht hat. Ich dachte immer, Ino-chan macht sich nichts aus dir, und-"

"Ino hat den vorbeigebracht?"

Shikamaru war sowohl überrascht als auch misstrauisch. Bei Ino gab es immer Grund dazu.

Seine Mutter lächelte süßlich und wedelte mit dem parfümierten Umschlag.

"Ja, sie sagte, es sei eine Einladung. Und weil sie von Ino-chan kommt..."

Ihr Gesicht wurde unheimlich und unerbittlich.

"... wirst du da hingehen, was auch immer das ist, verstanden?"
 

Neji hasste es grundsätzlich, wenn man in seine Privatsphäre eindrang. Und seine Privatsphäre war ein sehr weitläufiges Gebiet. Vor allem gehörte dazu sonntags seine Zimmertür, und er konnte es absolut nicht leiden, wenn jemand morgens dagegen klopfte. Entschlossen, ihn in Grund und Boden zu starren, wer auch immer es war, stand er auf und öffnete seine Zimmertür – nur, um fast mit einem rosa Briefumschlag die Augen ausgestochen zu bekommen.

"Neji-kun!"

"Jaaa... Was treibst du hier, Hanabi-chan? Du weckst alle auf."

Seine kleine Cousine grinste wie ein Honigkuchenpferd und wedelte mit dem Umschlag.

"Das sind sie schon. Es war ein Mädchen hier und hat zwei Briefe abgegeben, einen für Hinata-onee-san und einen für dich. Onee-san ist wahnsinnig aufgeregt, sie hätte gleich den Gong schlagen können und das wäre nicht weniger laut gewesen."

Neji sah desinteressiert auf sie herunter.

"Und was hat das mit mir zu tun?"

Hanabi stellte sich auf die Zehenspitzen, sodass er die Anschrift auf dem Umschlag lesen konnte. Außerdem war er parfümiert. Mit Rosenparfüm. So was fiel nur Ino ein.

"Mach auf, ich will sehen, ob du auch so ausflippst!"

Neji nahm ihr den Brief aus der Hand und gähnte hinter vorgehaltener Hand.

"Das ist nichts zum Ausflippen, Hanabi-chan... Das ist nur eine Einladung."
 

Wie könnte es anders sein, auch Naruto schätzte es nicht besonders, sonntags mit Sturmklingeln geweckt zu werden. Er hätte es liebend gern ignoriert, doch nach einem erboster Schrei 'Ich weiß, dass du da drin bist, Uzumaki! Mach die Tür auf, oder es setzt was!' fürchtete er um seine Gesundheit. Also schlurfte er müde aus seinem Zimmer. Sobald er die Haustür einen Spalt geöffnet hatte, um nach draußen zu schielen, flog sie ihm beinahe ins Gesicht. Ino grinste triumphierend.

"Ich wusste, dass du zur Vernunft kommst. Hier, für dich."

Sie drückte ihm einen rosa Umschlag in die Hand und wartete mit verschränkten Armen, dass er ihn öffnete. Naruto ahnte, dass sie nicht eher verschwinden würde, bis sie ihren Willen bekommen hatte, und riss schicksalsergeben das duftende Papier auf. Ino schnaubte pikiert, vergaß es jedoch schnell und beobachtete seine Reaktion.

"Ein Einladung... Zum Camping?!"

Sie lächelte und nickte.

"Ich bin heute schon durch das Konoha gerannt, um alle zu verteilen. Du musst nur deinen Kram packen und heute Mittag auf dem Trainingsplatz aufkreuzen. Ich kümmer' mich um alles, du brauchst nicht mal ein eigenes Zelt. Und, was sagst du?"

Naruto zog eine Grimasse.

"Eigentlich... weiß ich wirklich nicht, warum ich..."

Ino fuhr ihm dazwischen:

"Willst du also sagen, dass meine sorgfältige Planung zusammenbricht, nur weil du Feigling keinen Grund siehst zu kommen?"

Naruto schluckte, doch sein Wille, den Sonntag nicht unnütz zu verschleudern, trieb ihn vorwärts.

"Tja... Offen gesagt-"

"Natürlich, wie sollte es anders sein... Was machen wir da bloß mit Hinata? Na ja, es findet sich sicher ein netter, gutaussehender Junge, der mit ihr die Campingatmosphäre genießen möchte..."

Narutos Aufmerksamkeit schnellte von null auf hundert.

"Hinata... kommt auch?"

Inos Augen glitzerten bösartig, als sie nickte.

"Die Ärmste... Sie will sich ja nicht langweilen und wird die Gelegenheit sicher ergreifen, ein paar Bekanntschaften zu knüpfen..."

"Äääh... Ich komme! Ganz bestimmt! Lad' bloß keinen Neuen ein!"

Und so war die erste Phase von Inos genialem Plan geglückt...

Ein Schritt vor, zwei Schritt zurück

Mittag in Konoha. Stehende Hitze. Und fünf junge Menschen, die sich alle mehr oder weniger fragten, was sie hier taten. Eine Person, die ganz genau wusste, was sie hier taten bzw. tun sollten. Nicht unbedingt hier, aber... das führt zu weit aus.

Ino war ziemlich abgekämpft von ihren hochgeheimen Vorbereitungen, doch nicht halb so abgekämpft wie Neji von dieser dämlichen Angelegenheit, die mit einem rosa Brief angefangen hatte. Seine Aktionen, seit Hanabi ihm die Einladung gegeben hatte: zu Hinata rennen, bevor sie einen Kreislaufzusammenbruch erlitt, sie beruhigen, die ganze Familie beruhigen (und 'die Familie' ist verdammt groß), Hanabi beruhigen, damit sie Hinata nicht wieder aufhetzte, Hinata schon wieder beruhigen, Hinata zur Vernunft bringen, Hinata packen helfen und sie dabei immer wieder zur Vernunft bringen, Hanabis lästige Fragen abwehren (warum musste Ino den Brief auch mit einem geheimnisvollen Lächeln übergeben?! So was bringt kleine Mädchen auf falsche Gedanken)... eigentlich war er die ganze Zeit nur mit seinen Cousinen beschäftigt gewesen. Das einzig Gute: er hatte einen Vorwand, nicht zu kommen. Theoretisch. Wenn man die Rechnung ohne Hinata machte. Aber praktisch konnte man sie nicht allein lassen, denn so, wie sie gegrinst hatte, musste Ino auch Naruto eingeladen haben. Also kam Neji mit und ließ sie nicht aus den Augen.

Hinata war sowieso viel zu nervös. Händeringend beobachtete sie Naruto, völlig versunken darin, immer wegzuschauen, wenn er hersah. Tenten versuchte, ihr ein wenig Mut zu machen, nachdem sie Neji mit einem düsteren Blick begrüßt hatte – Neji war nur allzu glücklich, ihn erwidern zu können, immerhin tat er endlich wieder etwas, das seinem Charakter entsprach.

Shikamaru war einer von denen, die sich wirklich fragten, warum sie hier waren. Eigentlich wollte er lieber auf der Straße schlafen als mit dieser Mädchenhorde und Naruto Campen zu gehen – doch selbst, wenn er der Kontrolle seiner Mutter entgangen war, Yamanaka Ino war mindestens genauso schlimm. Sie hatte ihn mit einem strahlenden Lächeln begrüßt, wohl wissend, dass seine Mutter von irgendwo zusah, und einfach mitgeschleppt. Weiber.

Ino klatschte in die Hände und erregte damit die allgemeine Aufmerksamkeit. Welche sonstigen Gefühle da noch mitschwangen, war eher gemischt. Natürlich nichts, was Ino von ihren Absichten abbringen konnte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

"Alle mal herhören! Nördlich von hier ist unser Campingplatz – das heißt noch etwas Fußmarsch. Wenn das Gepäck zu schwer ist, können die Männer vielleicht etwas aushelfen..."

Tenten packte demonstrativ ihre nicht gerade spärliche Tasche und warf sie sich über die Schulter. Die Muskeln an ihren zart wirkenden Armen traten deutlich hervor. Neji hatte das Bedürfnis, 'Mannweib' vor sich hinzumurmeln.

Hinata war leider nicht zu einer ähnlich beeindruckenden Leistung fähig, und sie war kleidungs- und ausrüstungstechnisch auf alle Eventualitäten vorbereitet. Hilf los sah sie sich um, wagte es jedoch nicht, direkt in Narutos Richtung zu sehen. Er bemerkte es trotzdem. Und er hätte es auch getan, wenn nicht...

"Was soll denn das, Neji?!"

knurrte Naruto ärgerlich. Neji tat, als merke er nichts, und wuchtete sich Hinatas Gepäck auf die Schulter.

"Wonach sieht es aus?"

fragte er unbeteiligt und folgte den anderen. Naruto durchbohrte ihn mit einem wütenden Blick und betrachtete eingehend Inos blonden, hin- und herwippenden Pferdeschwanz, während sie vorauslief. Lediglich eine Geste des Desinteresses – doch sowohl Hinata als auch Neji deuteten das falsch.
 

"Wir sind da! Das hier..."

Ino machte eine ausholende Geste auf die große Wiese und den Weiher.

"... ist eins der Blumenfelder meines Vaters, aber momentan liegt es brach, wir können hier also campen. Die Zelte hab' ich schon aufgebaut."

Bei allen Anwesenden ging imaginär oder tatsächlich eine Augenbraue runter. Hinata sprach es schließlich in ihrer üblichen, höflich-zurückhaltenden Art aus:

"Ino-chan, das... sind nur vier Zelte."

Ino sah sie selbstzufrieden an und verschränkte die Arme.

"Klar... Eins für dich und Naruto, eins für Shikamaru, eins für mich, und eins für Neji und Ten-"

"Irgendwie wusste ich, dass du das tun würdest."

Tenten grinste selbstzufrieden und stellte ihre Tasche ab.

"Für solche Extremfälle wie rosafarbene Einladungen mit persönlichem Briefträger habe ich immer mein 1-Personen-Zelt mit. Dumm gelaufen."

"Du machst alles kaputt, Tenten! Wehe, du stellst das Ding auf!"

"Tja, dein Pech. Ich schlafe nicht mit Neji Hyuga in einem Zelt!"

Neji hatte den Drang, hinzuzufügen: 'Und ich nicht mit einer irren Amazone wie dir.' Ausnahmsweise war er wirklich dankbar, dass sie ihm die festgefahrene Situation erspart hatte. Er selbst war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich um Hinata zu kümmern, um irgendwelche Zweifel hegen zu können.

Allerdings währte seine Dankbarkeit nicht lange, denn an Tentens angriffslustigem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie darauf noch herumreiten wollte. Weiber konnten wirklich nie die Klappe halten.

Haargenau dasselbe, wenn vielleicht auch etwas verallgemeinert, ging Shikamaru durch den Kopf. Er hatte schon irgendwie geahnt, dass es Hürden gab... Aber die konnte er nicht nehmen, solange auf seinen Schultern ein gigantischer Zementblock namens Mrs. Nara ruhte. Seine Mutter war begeistert von der Idee, dass Shikamaru mit Ino-chan irgendwo hingehen würde.

"Und laut deiner Planung müsstest du eigentlich ein Zelt mit Shikamaru teilen!"

Na bitte, wenn man mit Frauen zusammen war, ließen die Probleme nicht lange auf sich warten. Shikamaru seufzte tief. Und sein Vater trichterte ihm immer wieder ein, dass er eine von denen irgendwann mal heiraten musste...

"Das tut jetzt nichts zur Sache. Ich brauche eh viel mehr Platz."

wehrte Ino die Kritik ab und stemmte die Hände in die Hüften. Neji verdrehte andeutungsweise die Augen.

" Es würde sowieso kein Mann, der annähernd etwas auf sie hält, in einem pinken Zelt übernachten wollen..."

Er sagte es so leise, dass Ino es nicht hörte, mehr aus purer Gewohnheit als aus Respekt vor ihrem Zickenterror, doch Naruto bekam es trotzdem mit und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Ino wirbelte herum.

"Da gibt es nichts zu lachen, Uzumaki! Neji, Shikamaru und du, ihr werdet gleich mal mithelfen, die Vorbereitungen für einen romantischen Campingabend mit Lagerfeuer zu treffen!"

Naruto blickte ziemlich verwirrt drein. Inos Begeisterung angesichts öden Zeltens war ihm ganz und gar unbegreiflich.

"Was?"

Neji verdrehte ein wenig auffälliger die Augen.

"Wir sollen Feuerholz sammeln, du Idiot."
 

Sobald Ino damit beschäftigt war, den zeternden Naruto zum Holzsammeln zu überreden und Shikamaru und Neji für ihre frauenfeindlichen Kommentare (sie sagten es nicht laut, aber Ino kannte diesen Gesichtsausdruck zur Genüge) wütend anzufunkeln, schnappte sich Tenten Hinatas Handgelenk und zog sie außer Hörweite hinter eine Baumgruppe. Tenten lugte durch die tiefhängenden Äste, ob jemand augenscheinlich ihr Verschwinden bemerkt hatte, dann wandte sie sich an Hinata:

"Sag mal, findest du das in Ordnung?"

Die Stammhalterin der Hyuga rang nervös die Hände und scharrte mit ihren Sandalen im weichen Boden.

"Nein... der arme Naruto-kun..."

Tenten verdrehte die Augen.

"Ohne deine Gefühle verletzen zu wollen... Das meinte ich nicht. Ich finde, Ino sollte sich nicht so leicht aus der Affäre ziehen können."

Hinata schwieg einen Moment und starrte mit ihren nahezu pupillenlosen Augen ins Leere.

"Ich glaube... Ino-chan hatte genug darunter zu leiden, dass Sasuke sich nie etwas aus ihr gemacht hat. Das ist schon in Ordnung."

Klar, wenn man ein Komplott schmieden wollte, war man bei Hinata an der falschen Adresse. Auch, wenn Tenten zugeben musste, dass sie daran nicht gedacht hatte. Doch ihre Entschlossenheit angesichts der unverzeihlichen Freveltat, sie mit Neji in einem Zelt übernachten lassen zu wollen, bröckelte nicht sonderlich.

"Gerade darum muss sie ihn endlich vergessen. Komm mit, wir suchen jemanden!"

"Die anderen werden uns suchen... Und außerdem..."

Tenten ging nicht weiter auf die Einwände ein und schob Hinata vorwärts.

"Wenn wir uns beeilen, sucht uns keiner. Los!"

Hinata seufzte leise, ergab sich ihrem Schicksal und folgte der anderen Kunoichi durch den Wald.

"Wen suchen wir denn?"

"Shino Aburame. Er ist sehr oft im Wald, oder irre ich mich da?"

Hinata zog verständnislos die Augenbrauen hoch, während Tenten sich nach allen Richtungen umsah.

"Heute ist doch Sonntag... Und was willst du jetzt von Shino-kun?"

"Ihn um einen Gefallen bitten. Und du musst mir helfen, immerhin bist du in seinem Team."

Hinata schüttelte verwirrt den Kopf und zog Tenten trotzdem in die Richtung, in der sie Shino wusste – auch ohne Weißaugen.

"Was für einen Gefallen? Und warum?"

Tenten blickte über die Schulter. Ihr Grinsen war Hinata fast unheimlich.

"Ino hat Panik vor Insekten, oder? Die wird sich wundern..."
 

"Typisch Frauen, die ganze Zeit nur am Kommandieren und nie selbst was tun."

brummte Shikamaru vor sich hin, während er trockene Zweige vom Boden sammelte. Neji hielt einen Moment inne damit, große, sperrige Äste zu zerteilen, um einmal zustimmend zu nicken. Naruto sah auf und hatte eine brillante Idee:

"Mit meinen Kagebunshin geht es schneller."

"Und wenn schon, willst du unbedingt zurück?"

fragte Neji und beäugte ihn warnend. Narutos Meinung nach hatte er eindeutig einen Cousinenkomplex. Wie sollte das erst werden, wenn Hanabi älter war? Dann brauchte der Hyuga-Clan keine übersorgten Mütter und keine feindseligen Schwiegermütter mehr.

Apropos übersorgte Mütter. Shikamaru fragte sich, was sich seine Mutter von diesem Campingausflug versprach. Sie waren wenige Kilometer vom Dorf weg und zelteten einträchtig auf einer Blumenwiese. In verschiedenen Zelten, falls sie da etwas missverstanden hatte. Und Shikamaru machte sich nichts aus Mädchen, schon gar nicht aus vorlauten Emanzen wie Ino. Kein Grund zur Sorge, er würde sich auch nichts aus aufgedrehten Schreihälsen wie Naruto machen. Vielleicht machte sich seine Mutter einfach Sorgen, dass ihr Clan ausstarb, und griff deswegen nach jedem Strohhalm. Trotzdem... Ino war schon aus vielerlei Gründen völlig unerreichbar. Shikamaru hatte keine Ahnung, warum sie ihn eingeladen hatte, wenn sie offensichtlich mit Verkuppeln beschäftigt war. Vielleicht als lebender Airbag, damit Naruto und Neji nicht ernsthaft aneinander gerieten. Vermutlich war das der Grund.

Naruto zog eine Grimasse.

"Zum Glück hat sie nicht auch Sasuke und Sakura eingeladen. Das gäb' richtig Zank."

"Wieso, du magst Sakura Haruno doch?"

Nejis Stimme war so lauernd, dass Naruto unwillkürlich schlucken musste.

"Klar mag ich Sakura... Aber sie steht nun mal auf Sasuke... Und mal ehrlich... Welches Mädchen tut das nicht?"

"Tja, welches wohl..."

Shikamaru seufzte resigniert und stand auf, um sich eine andere Stelle zu suchen. Naruto wartete, bis er hinter dem nächsten Gebüsch verschwunden war, dann legte er sich die Hand auf den Mund.

"Das hätte ich jetzt wohl besser nicht gesagt..."

"In der Tat."

bestätigte Neji ihn ungerührt und zerbrach mit einem Handkantenschlag einen besonders widerstandsfähigen Ast. Er glaubte zwar nicht, dass Shikamaru gegangen war, weil Naruto an Inos früheren Schwarm erinnert hatte, doch es war sicherlich auch nicht wirklich angenehm, das ins Gedächtnis gerufen zu bekommen. Wenigstens dachte Naruto so nicht mehr an Shikamarus Kommentar bezüglich dem einzigen Mädchen in Konoha, das todsicher nicht in Sasuke verliebt war.

"Glaubst du, dass Ino dieses spontane Camping veranstaltet, um ihn zu vergessen?"

fragte Naruto möglichst unverfänglich. Neji zuckte lediglich mit den Schultern.

"Immerhin war sie ziemlich in ihn verschossen, und Sasuke hat sie noch mehr ignoriert als Sakura..."

Seine Stimme wurde leiser, während er sprach. Neji verengte die Augen ein wenig. Hand hoch, wer hier nicht über eine verflossene Liebe hinwegzukommen hatte. Im Großen und Ganzen waren schließlich alle ziemlich grob mit den Gefühlen anderer umgegangen – Sasuke allen voran, doch Sakura war auch nur unwesentlich vorsichtiger mit Naruto gewesen. Insofern war Neji wirklich glücklich, dass niemand bisher Interesse an ihm angemeldet hatte.

Naruto hob den Kopf, ein wenig genervt über Nejis nicht gerade aussagekräftiges Schweigen.

"Denkst du, dass Shikamaru nur gekommen ist, weil Ino hier ist?"

In diesem Moment teilte sich das Gebüsch und eine wie üblich gelangweilte Miene erschien. Neji hätte fast gegrinst, als Naruto verlegen zu Boden starrte.

"Nein. Wenn du es wissen willst... meine umständliche Mutter hat das bestimmt."
 

Hochzufrieden musterte Ino die Ausbeute an Brennholz.

"Sehr gut... Das reicht erst mal. Wo sind Tenten und Hinata?"

Prüfend sah sie in die Runde. Wie aufs Stichwort rannten die beiden Mädchen von irgendwoher zu ihnen. Sie schienen mächtig aus der Puste zu sein. Tenten stützte sich auf den Knien ab und lächelte Ino verschlagen zu.

"Wir waren... etwas spazieren. Und jetzt?"

Ino war für einen kurzen Augenblick aus dem Konzept, bekam sich jedoch schnell wieder in den Begriff und zwinkerte Tenten zu.

"Wie wäre es, wenn du und Neji ein wenig angeln gehen? Das Wetter ist schön und der Weiher absolut sauber..."

"Nein."

kam es völlig synchron von den beiden. Ino blinzelte verwirrt von dieser prompten Reaktion... Dann trat ein listiges Glitzern in ihre Augen.

"Na ja, wenn ihr nicht wollt... Naruto und Hinata können ebenso gut zusammen angeln gehen..."

Hinata sah Tenten panisch an – ein sicheres Zeichen dafür, dass sie es nicht durchstehen würde, ganz allein mit Naruto zu angeln. Noch traute sie sich das nicht zu.

Im selben Moment befand Neji, dass seine Cousine auf keinen Fall mit diesem blonden Idioten allein irgendwohin gehen würde. Davon kannte dieser Möchtegern-Dandy nur träumen.

"Wir gehen mit."

Zum zweiten Mal in dieser Minute waren die beiden ein und derselben Meinung. Ino grinste genauso triumphierend, wie Tenten es getan hatte, als sie ihr Zelt vorführte.

"Okay, wenn ihr wollt... Es gibt da einen ganz bezaubernden Platz für euch."
 

Der 'bezaubernde Platz' erwies sich als waghalsige Konstruktion von einem dicken Baumstamm, der über die engste und zugleich tiefste Stelle des Weihers gelegt worden war. Der Weiher formte eine Acht, die Ufer waren dicht mit blütenlosen Schwertlilien bewachsen. Das Wasser war dunkel und ziemlich kalt, doch Ino versicherte noch einmal, dass es absolut sauber war. Der Baumstamm erhob sich kaum eine Armlänge über der Wasseroberfläche.

Zuerst glaubte Ino, alles würde reibungslos gehen – bis sie die von Tenten und Neji bestimmte Sitzordnung sah. Von links nach rechts: Tenten (zu Hinatas emotionaler Unterstützung), Hinata, Neji (zu Hinatas körperlicher Unterstützung), Naruto. Ino wedelte ungeduldig mit der Hand.

"So geht das nicht! Neji, warum musst du ausgerechnet da sitzen?!"

"Das ist ein freies Land, ich kann sitzen, wo ich will, hier ist Platz genug, und du hattest erst die Idee."

Schockierend, Neji so verhältnismäßig viel reden zu hören. Und er ließ Naruto bei keinem einzigen Wort aus den Augen. Hinata saß, völlig eingenommen von ihrer Verlegenheit, neben ihm.

"Ich hab' aber nur zwei Angelruten."

"Schließt das aus, dass ich hier sitze?"

Nejis drohender Unterton nahm Ino den Wind aus den Segeln. Hilflos sah sie zu Tenten, die hastig einlenkte:

"Aber wenn du mit Naruto angelst, kriegt ihr euch bloß in die Haare. Außerdem hast du keine Ahnung vom Angeln, und Hinata auch nicht, also warum lässt du sie nichts lernen?"

Nejis Großer-Cousin-Autorität fixierte schlagartig Tenten.

"Wer sagt, dass ich keine Ahnung habe?"

fragte er ruhig. Tenten feixte respektlos.

"Sieht man dir an. Wie könnte ein Mann, der so viel Zeit mit Haarpflege verbringt, auch Kenntnisse von elementaren Disziplinen wie Angeln haben?"

Der Wink auf sein Haar gab Nejis ernsthaft verletztem Stolz den Rest. Wortlos nahm er Naruto eine der zwei Angelruten weg, die Ino ihm in die Hand gedrückt hatte, und kurbelte die Leine aus. Tenten räusperte sich vernehmlich und wedelte mit einem Regenwurm. Ino fuhr zusammen und schaffte es spontan, ihr Chakra an den Sohlen zu sammeln und aufs Wasser zu flüchten. Ekel verbringt manchmal Erstaunliches.

"W... Wo hast du dieses glibberige Monster her? Mach es weg!"

Tenten tauschte unauffällig einen Blick mit Hinata und betrachtete den sich windenden Wurm mit übertriebenem Interesse.

"Man findet so manches, wenn man spazieren geht..."

Ino verzog angewidert das Gesicht und fuchtelte mit den Händen.

"Tja, dann... Viel Spaß, ihr zwei. Naruto, Hinata, ihr kommt mit mir... Hier gibt es noch mehr bezaubernde Plätze..."
 

Mehr als zufrieden mit sich selbst kontrollierte Ino die Lage. Tenten und Neji angelten in einträchtig hitziger Diskussion und gelegentlichem 'Rute wegreißen und selbst versuchen'. Doch Ino war trotzdem einverstanden – immer, wenn einer dem anderen die Angel wegnahm, berührten sich ihre Hände, und ihre Blicke kreuzten sich, wenn sie diskutierten. Niemand bekam so viele Worte aus Neji heraus wie Tenten. Paar Nr. 1 lief sich allmählich warm.

Paar Nr. 2 dagegen war bereits darüber hinweg. Naruto und Hinata saßen friedlich nebeneinander am Ufer, die Füße im Wasser. Nachdem Naruto absolut sicher war, dass von Neji keine Gefahr mehr drohte und Hinata sich klar gemacht hatte, dass Tenten ihr nicht helfen konnte und sie die Sache endlich mal selbst anpacken musste, war das Eis zögerlich gebrochen. Inzwischen plauderten sie leise. Hinatas Gesicht strahlte wie schon lange nicht mehr und Naruto grinste die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd.

Ino seufzte und drehte sich um. Jetzt durfte sie die Bäume absuchen, unter welchem dieser Faulpelz Shikamaru wieder lag...

Wenig später erlebte ihre erste wirkliche Überraschung an diesem Tag – Shikamaru kniete auf dem Boden, vor dem Platz, an dem sie für die Feuerstelle das Gras ausgerissen hatte, und schichtete sorgfältig und mit einer fast übermenschlichen Ruhe eine Pyramide aus dünnem und dickem Holz auf. Ino hob die Augenbrauen.

"Hätte nicht erwartet, dass du das machst..."

"'Danke' würde völlig ausreichen."

Ino zog eine Grimasse, dann lächelte sie vergnügt.

"Danke, Shika-chan! Du bist ein Schatz!"

Shikamaru kratzte sich an der Wange, die jetzt deutlich Farbe annahm, und stierte betont beiläufig auf die Feuerstelle.

"Puh, wie mühsam..."
 

Es mussten einige Stunden vergangen sein. Das Naruto-Hinata-Team hatte es auf einen nicht sonderlich eindrucksvollen Fang gebracht, da Naruto viel zu abgelenkt zum Angeln und Hinata viel zu gut gelaunt, um Fische zu töten gewesen war. Sehr zum Leidwesen von Nejis Stolz hatte Tenten mehr vom Angeln verstanden als er. Umso unerwarteter kam es, dass sie grinste und freimütig bekannte:

"Dafür bin ich eine ganz miserable Köchin."

Ino war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung und lief zu ihrem Zelt, um ihre Kochutensilien zu holen. Wenig später hallte ein markerschütternder, panischer Schrei über die ganze Wiese. Shikamaru, der letztendlich doch im Gras vor sich hingedöst hatte, war als Erster da.

Ino bot den Anblick des personifizierten Ekels. Sie zitterte am ganzen Körper.

"Da... in meinem Zelt! Insekten, überall Krabbelviecher! Ist das widerlich!"

In diesem Moment kamen die anderen an. Naruto zog mit einem Stock den Zeltvorhang zur Seite – innen krabbelten überall verschiedenste Käfer. Tenten verkniff sich ein Kichern, als sie Inos verängstigten Gesichtsausdruck sah.

Das Amüsement hielt nicht lange an. Ino fuhr herum, in ihren blauen Augen loderte der Zorn.

"Wer hat das gemacht?"

fragte sie bedrohlich ruhig. In ihren Augenwinkeln schimmerten Tränen. Tenten holte Luft, um ihren Streich zu begründen, wobei sie nicht vorhatte, Hinata zu erwähnen – möglicherweise würde Ino sich sofort als Störfaktor Nr. 2 bereitstellen. Neji war schon genug.

Ino dachte gar nicht an sie. Stattdessen packte sie Shikamaru wutentbrannt am Kragen.

"Shikamaru, du elender Mistkerl! Warum hast du das gemacht?!"

Völlig perplex starrte der Schwarzhaarige sie an.

"Was? Bist du verrückt?!"

Das schien Ino noch mehr aufzubringen. Sie ließ seinen Kragen los und machte einen großen Schritt weg.

"Warum wohl! Du Perversling! Glaubst du ernsthaft, ich würde mit dir in einem Zelt schlafen, nur weil du mir diese... Biester auf die Sachen setzt?!"

Tenten schob sich eilig zwischen die beiden. Sie fürchtete ernsthaft, Ino würde Shikamaru ohrfeigen, wenn sie noch länger die Chance dazu hatte.

"Warte, Ino! Das ist nicht wahr, ich hab das gemacht! Wir... Ich habe Shino gebeten, dass er die Insekten in dein Zelt setzt..."

Ino funkelte sie vernichtend an.

"Netter Versuch."

"Es ist wahr! Woher, glaubst du, hatte ich sonst den Regenwurm beim Angeln?!"

"Jedenfalls nicht von Shino, der hat nur Insekten und keine Würmer. Außerdem... mit Shino kann Shikamaru so gut, da würde er ihm bestimmt den kleinen Gefallen tun..."

knurrte Ino und durchbohrte Shikamaru mit einem zornigen Blick, als sei Tenten gar nicht da.

"Ino-chan, Shikamaru-kun war das wirklich nicht..."

versuchte Hinata sich einzumischen. Ino achtete gar nicht erst auf sie.

"Ich hasse dich, Shikamaru Nara!"
 

Thank you for reading... Wer bis hierher gekommen ist, gehört wahrscheinlich zu den Menschen, deren Reviews ich kommentieren will.

1. Ja, es sind nur sechs Camper, da kommt keiner mehr. Jedenfalls ist es nicht geplant.

2. Ich weiß nicht, woher sie die Betriebsferien nehmen, aber das wird schon noch etwas dauern. Auch, wenn das zukünftig etwas ins Wanken kommt. Die Personen, die den Autorenkommentar nach dem Kapitel lesen, wissen das, also brauche ich daraus kein Geheimnis zu machen.

3. Ich bin nicht zuverlässig, was das Melden von Updates angeht, weil ich ja selbst nicht weiß, wann es wirklich da ist.

4. Dass ich 'Mrs. Nara' geschrieben habe, fällt unter meine Ausrede, dass diese FF nicht besonders anspruchsvoll ist. 'Nara-san' hebt das Geschlecht nicht hervor, und ständig 'Shikamarus Mutter' oder 'Kaa-san' zu schreiben war mir wiederum zu mühsam.

5. Theoretisch kann man die Verhältnisse im Hyuga-Clan so ausrichten, aber ich habe es lieber, wenn Hanabi die Rolle der kleinen Schwester anstatt der differenzierten, höher gestellten Cousine spielt. Einfach, weil es im Manga zwischen Hinata und Hanabi natürliche Differenzen gibt. Allerdings... Da Neji recht förmlich ist, wäre 'Hanabi-sama' wahrscheinlich korrekter gewesen.

6. Bei mir gibt's immer Anlass zur Kritik. Aber mich hat's ehrlich gefreut, auch mal welche zu bekommen. Normalerweise muss ich mich da ziemlich drum bemühen.

Campingatmosphäre

Ino schnaubte wütend und machte Kehrt in Richtung Wald. Niemand sagte etwas. Tenten war schockiert von der Tragweite ihrer kleinen Racheaktion. Sie hatte zwar damit gerechnet, dass Ino schmollen würde, aber eine so extreme Reaktion hatte sie nicht erwartet – und schon gar nicht gegen den Falschen. Es mochte sein, dass sie sich getäuscht hatte und Shikamaru die Blonde tatsächlich nur aufgedreht und laut fand, trotzdem waren sie und Shikamaru Teamkameraden und mehr oder weniger auch Freunde. Wenn sie schon nicht ihn verletzt hatte, dann mindestens sein Ehrgefühl.

Tenten schüttelte energisch den Kopf und rannte hinter Ino her. Hinata sah ihr nach. Sie wusste nicht, ob sie ihr folgen sollte. Einerseits hatte gegen den Streich nichts gehabt, zumal es nur dazu diente, Shikamaru und Ino einander etwas näher zu bringen, andererseits hatte sie Angst, dass Naruto auf sie wütend sein würde, sobald er erfuhr, dass sie mitgemischt hatte. Dabei hatte sie es gerade geschafft, über das Beobachtungsstadium herauszukommen, und jetzt...

"Wie mühsam."

Shikamaru wandte sich scheinbar unbeteiligt ab und vergrub die Hände in den Taschen. Hinata schnappte erschrocken nach Luft. Nein, diese Reaktion von ihm war ein sehr, sehr schlechtes Omen.

"Shikamaru-kun... Sie hat das nicht so gemeint, wenn Tenten-chan ihr die Sache erklärt hat, wird sie sich sicher entschuldigen!"

Shikamaru musterte sie mit einem Ausdruck, der klar symbolisierte, wie wenig er ihr glaubte.

"Ino? Garantiert nicht. Dazu ist sie viel zu... mühsam eben."

"Warum wollte Tenten die beiden eigentlich in einem Zelt haben?"

mischte sich Naruto ein. Hinata saß dadurch mehr denn je in einer Zwickmühle – Ino würde nie wieder ein Wort mit ihr reden, wenn sie andeutete, dass sie Shikamaru vielleicht aus persönlichen Gründen hierher eingeladen hatte, zumal sie gar nicht sicher war, ob das stimmte. Versuchte sie, die Sache herunterzuspielen, verletzte sie möglicherweise Shikamarus Gefühle. Und dass sie es ausgerechnet Naruto erklären musste, während Shikamaru (der aus oben genannten Gründen nicht unbedingt alles mitkriegen sollte) und Neji (der das ganze Vorhaben ohnehin nicht gutheißen würde) zuhörten, machte es auch nicht gerade einfacher.

Hinata kam zu dem Schluss, dass sie besser noch gar nichts erläuterte und murmelte leise an Shikamaru gewandt:

"Ino-chan tut es bestimmt leid... Sie mag dich doch."

Damit ließ sie die Jungen stehen und rannte hastig in die Richtung, die Ino vorhin eingeschlagen hatte. Da hatte sie wenigstens nicht gelogen. Auf irgendeiner Ebene mochte Ino Shikamaru sicher... Hoffentlich auch jetzt noch.
 

"Hör endlich auf, mir das erklären zu wollen, Tenten!"

Ino drehte sich um und blies sich ärgerlich ihre blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Tenten blieb beharrlich. Auch jetzt, als sie kopfüber am Baum hing, die Beine fest um einen Ast geschlungen und die Arme verschränkt, damit ihr Oberteil nicht zu weit nach unten rutschte.

"Gebrauch' abwechslungsweise mal deinen gesunden Menschenverstand. Wann hätte Shikamaru die Insekten schon in dein Zelt bringen können?"

"Als ihr geangelt habt."

"Da warst du bei ihm. Und selbst in der Zeit, wo es nicht so war... Glaubst du wirklich, er hätte das so schnell geschafft?"

Ino stemmte die Hände in die Hüften und schob trotzig das Kinn vor.

"Natürlich. Er kann Shino beim Holzsammeln gefragt haben... Und alles Andere kann dieser Freak für ihn gemacht haben."

Tenten verdrehte die Augen, was angesichts ihrer Kopfüber-Position etwas putzig aussah.

"Allmählich glaube ich, du willst das gar nicht anders sehen. Um meine These aufzustellen: Du findest Shikamaru süß, aber weil du denkst, dass er langweilig ist, willst du ihn irgendwie auf Abstand halten."

"Wer hat dir das denn erzählt? Sakura?!"

Tenten zog einen Mundwinkel hoch. Es lag kein Anflug von Belustigung darin.

"Aha, daher weht der Wind. Es hat mit Sasuke zu tun."

"Nein."

"Gib's zu."

"Nein."

"Ino!"

"Nein!"

Tenten seufzte, löste ihre Beine vom Ast und vollführte einen eleganten, kurzen Salto, bevor sie auf dem Boden landete.

"So was von engstirnig. Ich kann dich sogar verstehen."

"Kannst du nicht."

Tenten grinste, wenn auch ein wenig wehmütig.

"Okay, reden wir über Sasuke. Und dann kommen wir auf Shikamaru zurück. In Ordnung?"

Ino mied den Blick ihrer schokoladenbraunen Augen. Ihre Selbstsicherheit, die sie bis dahin zur Schau gestellt hatte, löste sich einfach auf. Tenten dirigierte sie zu einem umgefallenen Baumstamm. Ino schien so in Gedanken versunken, dass sie nicht mal nach Insekten Ausschau hielt, bevor sie sich setzte. Tenten ließ sich neben ihr nieder.

"Fangen wir damit an, was ich weiß. Du warst ziemlich in ihn verknallt, du hast sogar deiner beste Freundin für ihn die Freundschaft gekündigt. Trotzdem hat es ihn nicht interessiert."

Ino schwieg verbissen. Tenten sah, wie sie sich auf die gepflegten Lippen biss, wie die enzianblauen Augen stärker glitzerten als sonst.

"Sag nicht 'verknallt'... Das klingt so verdammt unernst!"

Mit einem Satz fuhr sie auf und starrte Tenten wütend an.

"Das war nicht nur 'verknallt', das war völlig ernst, aber er hat es einfach nicht kapiert!"

Ihre Fäuste zitterten. Tenten wartete geduldig, bis sie sich wieder hinsetzte.

"Er hat immer bloß gesagt, dass es ihn nervt, obwohl er einsam ist! Aber was ich getan habe, war ihm nie gut genug! Selbstgemachte Schokolade zum Valentinstag... Er hat sie weggeworfen, ohne sich überhaupt den Absender anzusehen. Ein paar höfliche, belanglose Fragen, als wären die zu viel verlangt... er hat mich nicht mal angesehen, ganz zu Schweigen von Antworten. Oder schlichtweg verliebte Blicke, du weißt schon... Er hat das nicht mal bemerkt! Es ist ihm nicht mal aufgefallen, dass ich trotzdem nicht aufgegeben habe! Er hat es für ganz selbstverständlich genommen, dass Mädchen sich in ihn verlieben, und dann hat er sie runtergemacht!"

Ino atmete heftig und verdeckte sich mit einer Hand den Mund, um ihre Schluchzer zu ersticken. Tentens Finger gruben sich ein Stück ins Holz.

"Na ja... Erzähl' das bloß keinem weiter. Bei der Anmeldung zur Chu-nin-Prüfung hab' ich ihn seit längerem mal wieder gesehen. Wie er mit Neji gesprochen hat... Das traut sich sonst keiner, und er war so cool dabei, das hat mich beeindruckt... Aber wenn Lee nicht gewesen wäre, hätte er mich nicht mal gesehen."

Inos Kopf flog herum. Ihr Gesicht war gerötet, ihre lose Haarsträhne klebte an ihrer Haut.

"Er hätte mich auch nie gesehen, wenn Sakura nicht gewesen wäre! Was hat sie denn besser gemacht als ich? Wenn ich im selben Team wie er gewesen wäre... Vielleicht hätte er mich dann endlich mal beachtet! Vielleicht hätte er endlich gemerkt, wie sehr ich mich anstrengte, vielleicht hätte er endlich verstanden, was ich für ihn alles geopfert habe... Meine Freundschaft mit Sakura und allem voran meine Würde..."

Sie stützte das Gesicht in die Hände und schluchzte. Tenten legte ihr behutsam die Hand auf den bebenden Rücken.

"Er hat nie gesehen, wie er die Menschen verändert... ich war oft gemein zu Choji, und ich wäre nie so gemein gewesen, wenn er mich nicht ständig runtergemacht hätte! Sasuke hat nie was Besseres zu tun, als auf meinen Gefühlen rumzutrampeln!"

"Und deswegen wolltest du dasselbe mit Shikamaru tun."

Ino hustete und wischte sich verzweifelt die Tränen mit ihren ohnehin nassen Händen ab.

"Das wollte ich nicht! Aber er hat mich sowieso nur dafür verachtet, wie ich mich um Sasuke bemüht habe... Darum wollte ich ihm einen Bruchteil von dem zeigen, wie sich das wirklich anfühlt, damit er mit seiner dämlichen Klugscheißerei aufhört!"

Tenten nahm das helle Zitronengelb von Hinatas Sommerkleid aus den Augenwinkeln wahr. Unauffällig winkte sie sie näher und bedeutete ihr, sich neben Ino zu setzen.

"Du solltest dich trotzdem entschuldigen... Ich weiß, es ist nicht einfach, über jemanden hinwegzukommen, doch du hast selbst gesagt, wie sehr er dich verändert hat... Du solltest einfach wieder du selbst sein, Ino."

Hinata zog ein dünnes Taschentuch aus ihrer Rocktasche und reichte es Ino. Sie zog es vor, sich nicht einzumischen – Tenten konnte aus eigener Erfahrung besser darüber reden.

Langsam verebbte Inos Weinen. Sie wischte sich das Gesicht ab und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Erschöpft ließ sie die Schultern hängen.

"Meinetwegen... Aber Neji und Naruto dürfen nicht zusehen!"

"Sie haben auch zugesehen, als du Shikamaru beschuldigt hast."

Zwecks Entschärfung lächelte Tenten aufmunternd und schlug mit der Faust gegen die flache Hand.

"Keine Sorge – wenn einer von ihnen lacht, gibt's 'nen Satz heiße Ohren!"

Hinata starrte sie geschockt an.

"D... Du willst Naruto-kun schlagen?"

"Jeden, der Ino auslacht. Auch Sasuke Uchiha höchstpersönlich!"
 

Shikamaru machte einen ziemlich überraschten Eindruck, als er Inos verweintes Gesicht sah. Tenten machte sich nicht die Mühe, es ihm zu erklären – so war es durchaus in Ordnung, fand sie.

Ino spielte nervös mit ihren Fingern und warf Seitenblicke zu Hinata und Tenten. Neji und Naruto hörten aus Distanz zu – war ja immerhin nicht uninteressant. Ino schluckte und hob zögerlich den Blick.

"Also... Das tut mir leid, Shikamaru. Es stimmt nicht, dass du das mit den Insekten warst."

Sie zuckte mit den Schultern und warf sich ihren blonden Pferdeschwanz über die Schulter.

"Ich schlafe draußen. Es ist ja noch warm nachts."

"Aber es gibt Mücken, Ino... Schon vergessen, wir haben hier stehendes Wasser in der Nähe..."

stichelte Tenten grinsend. Inos Schultern sanken wieder herab – Tenten hatte ein Ein-Personen-Zelt, und Naruto und Hinata konnten unmöglich ein drittes 'Mitglied' gebrauchen.

Shikamaru verdrehte die Augen und vergrub die Hände in den Taschen.

"Ich werde dich schon überleben... solange du im Schlaf nicht schlägst."

"Und... was ist mit ihrem Schlafsack? Der ist voller Insekten..."

wandte Hinata zaghaft ein. Tenten verbarg ihr Grinsen hastig hinter der Hand. Ino lief tiefrot an.

"Ich... ich schlafe ohne, so kalt wird es nicht sein."

Damit war die Diskussion geschlossen. Mit Inos leisem Missfallen fing Tenten an, ihr Zelt aufzustellen (und es war weit, weit weg von Neji, allerdings auch von allen anderen, um die 'Atmosphäre' nicht zu stören). Hinata kramte aus ihrem umfangreichen Gepäck ihre Schlafmatte und richtete sich in ihrer Hälfte des Zelts ein. Scherzhaft rief Naruto ihr hinterher:

"Aber lass' noch Platz für mich!"

Errötend stammelte Hinata etwas und verschwand eilig im Zelt. Nejis frostiger Blick ließ nicht lange auf sich warten. Und er schien genau zu sagen: Ich bring' dich persönlich um, wenn du meiner Cousine an die Wäsche gehst.

Überhaupt war Neji nicht besonders begeistert von diesem Camping. Sah ja ein Blinder mit Krückstock, was hier lief. Das war wie auf einer Klassenfahrt, wie sie die Akademieschüler machten. Wer nicht gerade selbst am Flirten war, mischte sich eifrig in die Privatangelegenheiten der anderen an. Mädchen allen voran.

Von Ino hatte er sowieso nichts Anderes erwartet. Warum sollte sie auch sonst plötzlich auf diese Idee kommen? Aber dass Tenten so enthusiastisch mitmachte, seine Cousine mit diesem minderwertigen Spanner zu verkuppeln, hatte er nicht gedacht. Tja, sie war eben auch nur eins von diesen quietschenden, kichernden Mädchen.

Es gab Zeiten, da war Neji froh, dass er nicht unter demselben Druck wie Hinata stand, für Nachfolger zu sorgen.

"Hey Neji! Hier wird sich nicht gedrückt!"

Ino hatte sich von ihrem Anfall, woher auch immer er gekommen war, jedenfalls erholt. Vorlaut und herrisch wie immer. Äußerlich ließ Neji sich seine Reue, dieser Einladung nachgekommen zu sein, nicht anmerken.

Naruto und Shikamaru waren zum Fische ausnehmen abkommandiert. Klar, Ino ekelte sich vor Fischinnereien, Hinata hatte ein viel zu zartes Gemüt, und Tenten komplett keine Ahnung, wie man so was machte.

Allerdings hörte Neji noch immer kein 'Wie mühsam...' von Shikamaru. Nervtötend, dass er der Einzige war, der die Welt nicht durch eine rosarote Brille sah. Letztendlich war Shikamaru auch bloß ein Junge, den Ino mit ihrem Charme bezirzen konnte.

Sorgsam legte Neji die Bandagen, die normalerweise seine Arme schützten, ab. Er wollte nicht, dass sie nach Fisch stanken, wenn er sie wieder brauchte. Obwohl die nächste Trainingsgelegenheit in weiter Ferne lag.

Es kostete Neji einige Mühe, den glitschigen Fisch anzufassen. Alles hatte seine Grenzen, und er hatte Fisch nie gemocht. Widerwillig schlitzte er den Bauch mit einem schmalen Messer auf. Um seinen Mundwinkel zuckte ein Muskel. Ekelhaft...

"Das reicht jetzt, Tenten. Du kannst das nicht. Lass das mal 'nen richtigen Mann machen. NE-JIII!"

Dankbar für jede Unterbrechung blickte der Hyuga auf. Tenten kniete missmutig neben der Holzpyramide, vor sich ein dünnes Brett, auf dem eine Handvoll trockenes Gras lag. Ino winkte ihn ungeduldig rüber.

"Du hast doch Fingerfertigkeit, Neji. Tenten kriegt das Feuer nicht an."

"Du hast mich daran gehindert, es anzuzünden!"

fuhr Tenten ärgerlich dazwischen. Ino tat es mit einer Handbewegung ab.

"Quatsch, alles legal. Viel Spaß, ihr zwei. UZUMAKI! Du sollst ihn ausnehmen, nicht zerfleischen!"

Neji ließ sich wortlos neben Tenten nieder und wählte sich einen geeigneten, dünnen Stock aus. Tenten hielt ihm ihren vor die Nase.

"Da."

"... Das Ende ist verkohlt."

Unmöglich, dieses Weib. Wovon hatte sie eigentlich mal Ahnung? Ein Shinobi sollte wirklich in der Lage sein, ein Feuer anzuzünden!

Tenten schnaubte und warf den Stock weg. Mit griesgrämiger Miene beobachtete sie, wie Neji einen Zweig nahm, ihn aufs Brett ins Gras drückte und ihn schnell zwischen den Handflächen drehte. Wie um sie zu verspotten, züngelte kaum eine halbe Minute später eine kleine Flamme empor.

Neji hätte fast triumphierend gegrinst. Stattdessen legte er neues Holz auf und brachte so das Feuer in Gang.

"Von der Fischfrau zum Grillanzünder... Was für ein Aufstieg, Neji."

murmelte sie giftig und stand auf. Sie war wirklich... mühsam. Unerträglich wie alle Frauen.

Ino erteilte immer noch Anweisungen zur Zubereitung. Naruto war wegen unsachgemäßem Umgang mit den Utensilien vom Dienst suspendiert und dazu verdonnert, Spieße anzuspitzen. Grimmig sah Neji zu, wie er zu Hinata herüberschielte, die seinen Platz eingenommen hatte. Wie immer, wenn dieser dämliche Idiot versuchte, zwei Sachen gleichzeitig zu tun, ging mindestens eins schief. Er schnitt sich in den Finger.

Im gefühlten Bruchteil einer Sekunde war Hinata im Zelt, suchte einen Erste-Hilfe-Kasten heraus und war bereit, den Schnitt zu verarzten. Ino grinste und entließ sie zwinkernd vom Dienst, indem sie selbst einsprang.

Sie saßen also alle einträchtig beisammen... Hinata tupfte Naruto den Finger ab, wobei sie sich nicht besonders beeilte, und schenkte ihm ein scheues Lächeln. Ino und Shikamaru saßen friedlich nebeneinander und spießten Fische auf. Ino musste sich häufig herüberbeugen, um Shikamarus Technik richtig zu imitieren...

Neji hatte nicht im geringsten ein Problem damit, dass er allein war. Und sowieso, die einzige unbelegte Frau in seiner Nähe war dieses Schlachtweib Tenten. Mit der konnte man trainieren und auch mal Missionen erfüllen, aber das war's dann.

Wenn man vom Teufel spricht... Da war sie schon wieder. Allmählich setzte die Dunkelheit ein, und er bemerkte sie später als sonst. Neji sah es nicht ein, sein Chakra zu verschwenden und das Byakugan zu aktivieren. Zumal er eh nicht genau wissen wollte, wann sie wo war. Es reichte zu wissen, wann sie mal endlich nicht in seiner Nähe war.

"Kommst gerade richtig, Tenten. Du und Neji, ihr könnt Wasser holen."

"Wieso müssen wir das zusammen tun?!"

giftete Tenten. Neji stand ins Gesicht geschrieben, dass er von dem Vorschlag genauso wenig angetan war wie sie. Ino betrachtete sie unbeeindruckt.

"Entspann' dich, Tenten. Du bist nur ein Mädchen, das ist zu schwer für dich."

Falls sie hoffte, Neji würde jetzt einen Machospruch lassen und Tenten so in die Rolle des schüchternen Mädchens von nebenan zwingen, hatte sie sich gewaltig geirrt. Tenten schnappte sich beide Wassereimer, bevor Neji sie überhaupt geortet hatte und stampfte sichtlich wütend in Richtung Weiher. Neji blieb ungerührt sitzen und überwachte das Feuer.

Zu Hinatas großer Enttäuschung konnte man auch keine Ewigkeit damit zubringen, einen kleinen Schnitt zu verarzten, und sie ließ wieder von Naruto ab. Der Blonde hätte sie gerne angelächelt und sich wortreich bedankt, doch ein extrem warnender Blick durchbohrte ihn von der Seite. Wenn dieser dämliche Hyuga dabei war, kam man wirklich zu nichts. Wie kam ausgerechnet dieser Eisblock zu hübschen Cousinen (Hanabi kann man in ihrem Alter zwar allenfalls 'niedlich' nennen, aber der Plural zählt)?!
 

Ino seufzte. Ihr Plan verlangte ihr ungeahnte Energien ab.

"Leute... Warum müsst ihr unbedingt so sitzen?"

Als Resultat ihres neuesten Zwistes von vorhin hatten Neji und Tenten sich so weit wie möglich auseinander gesetzt. Da ihre Freundin und emotionale Unterstützung genommen war, hatte Hinata bezüglich der Sitzordnung vorsichtshalber einen Schritt zurück gemacht und sich neben ihren Cousin gesetzt. Naruto bekam zwar den Platz an ihrer Seite, wagte es jedoch nicht, Hinata zu nah zu kommen. Nejis reine Präsenz war schon abschreckend genug. Shikamaru, der natürlich gar nichts begriffen hatte, saß einfach herum und arrangierte die Fische. Ino musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu werden.

"Tenten, kannst du mir mal verraten, warum du unbedingt da sitzen musst?"

"Kann ich. Lieber zwischen Shikamaru und dir als neben... unserem Allroundgenie."

Tenten und Neji funkelten sich feindselig an. Seit wann konnten sie so schlecht miteinander?!

"Das ist total kindisch."

"Wenn du gerne mit Shikamaru zusammensitzen möchtest, lässt sich das einrichten. Alles Andere nicht."

erwiderte die Braunhaarige konsequent und verschränkte die Arme. Ino schnaubte ärgerlich und beließ es dabei. Um die beiden würde sie sich noch kümmern. Wenigstens in Sachen Hinata und Naruto hatte sie Tenten noch als Verbündete – und bei der ganzen negativen Energie, die Neji verströmte, war das auch dringend nötig.

"Wow... Das letzte Mal, dass ich so etwas gemacht habe, war bei der Chu-nin-Prüfung..."

bemerkte Naruto und verfiel gleich darauf in Schweigen. Neji hatte den Drang, die Augen zu verdrehen. Warum waren gerade die am begehrtesten, die am meisten auf den Gefühlen anderer herumtrampelten? Hätte Ino Sasuke und Sakura eingeladen, gäbe es spätestens jetzt Mord und Totschlag.

"Bei der Gelegenheit hat Lee sein Leben für irgendein Mädchen riskiert..."

Tentens Stimme klang abfällig, doch genau wie die anderen beobachtete sie Hinatas Reaktion. Die Hyuga starrte ratlos auf ihre Hände. Ino zog einen Mundwinkel zur Seite. Tentens Absichten waren vielleicht gut, trotzdem musste so was behutsamer angegangen werden. Ein simpler Satz von Naruto in die Richtung 'Ich liebe Sakura nicht mehr' würde schon genügen, um den nächsten Schritt zu machen...

"Was sie damit meint... ist dass jeder Junge ein Mädchen kennt, für das er sein Leben riskieren würde."

Sie beäugte Naruto kritisch, doch der schien den Wink nicht zu kapieren. Es herrschte ein unangenehmes Schweigen.

"Sie sind durch."

sagte Shikamaru schließlich und bezog sich auf die Fische. Dankbar für Ablenkung jeder Art holte Ino sie vom Feuer und ließ die anderen wählen. Tenten untersuchte sie so gründlich, dass Ino genervt das Gesicht verzog. Ja klar, das Fräulein wollte ja keinen Fisch haben, der mit Neji in Berührung gekommen war. Zumindest lag das nahe. Tenten war heute wirklich sehr kindisch. Ino grinste. Die Liebe machte eben auch rationale Mannweiber weich...

Dass Tenten in irgendeiner Weise weich wurde, war allerdings nicht zu erkennen. Sie fächelte mit der Hand, um ihr Abendessen abzukühlen. Alle Versuche von Ino, sie durch Gesten darauf aufmerksam zu machen, dass das zwar effektiv, jedoch nicht besonders attraktiv war, schlugen fehl.

Naruto bekam es trotz gesundem Menschenverstand hin, sich die Finger zu verbrennen. Eine Schale Wasser wurde (von Tentens Seite, Neji hätte so etwas nicht weitergegeben) herübergereicht. Hinata sprang zum zweiten Mal auf, um Salbe zu holen. Was war das Leben schön.

"Hey... Wie viele Gräten hat so ein Fisch eigentlich?"

murmelte Ino und zog sich eine besagte Gräte zwischen den Lippen hervor. Dabei hatte sie Shikamarus volle Aufmerksamkeit... Selbstverständlich nur, weil sie eine Frage gestellt hatte.

Tenten zog eine ironische Grimasse.

"Schön vorsichtig, Ino... Den hat Neji gefangen, da darf man sich nicht beschweren..."

Neji verdrehte die Augen. Inzwischen konnte er das nicht ausschließlich in Gedanken tun.

"Haben wir ein Glück, dass du nicht für's Zubereiten zuständig warst..."

Die beiden tauschten einen langen, bösen Blick. Shikamaru räusperte sich.

"'Kannst meinen haben. Ich hab keinen Hunger."

Ino grinste, sagte aber sonst nichts zu dem Angebot und fuhr mit ihrem gewichtigen Grätenentfernen fort. Besser gesagt war jeder mehr oder weniger damit beschäftigt, bis Naruto fragte:

"Was machen wir gleich? Gruselgeschichten erzählen?"

Erwartungsvoll sah er in die Runde. Neji war natürlich viel zu cool für solchen Kinderkram, und auch Ino passte das nicht in die Planung. Trotzdem bestand er auf eine Abstimmung.

Tenten und Hinata (wie könnte es anders sein) wollten überraschenderweise auch die Tradition beibehalten. Alle Augen richteten sich auf Shikamaru.

Genanntem Nara war es überhaupt nicht recht, unter Druck gesetzt zu werden. Doch ein 'Mir egal' würden die anderen nicht akzeptieren. Shikamaru seufzte und murmelte:

"Warum sucht sich das nicht jeder selbst aus?"

"Tolle Idee. Hinata fängt an."

sagte Tenten hastig und kam so Ino zuvor, die ihren Protest äußern wollte. Und dabei wurde Tenten schlecht von Liebesgeschichten. Das war bloß Kitsch, und eigentlich war sie Realistin. Horror ging noch, so was verfolgte einen bestimmten Zweck. Liebesgeschwafel dagegen war zutiefst unrealistisch.

Sie betrachtete Hinata und Naruto eingehend, wie sie nebeneinander saßen und sie zögernd begann, ihre Geschichte einzuleiten und dabei ihre Zeigefinger gegeneinander drückte. Die Stammhalterin des ältesten, unnahbarsten Clans von ganz Konoha und ein von vielen verrufener und abgelehnter, ehemaliger Nichtskönner...

Und zu ihren beiden Seiten Ino und Shikamaru: ein hübsches, lebensfrohes Mädchen mit gebrochenem Herzen und ein permanent gelangweilter Faulenzer mit einem extrem weichen Kern...

Vielleicht gab es so was wie außergewöhnliche Liebesgeschichten doch.
 

"Und dann sah er ein schwarzes Monster, das aus seiner Bettschublade kroch und mit heiserer Stimme flüsterte: 'Sasuke... Ich... bin... dein... Bruder... Ich weiß, was du letzten Sommer in Oto getan hast...'"

Aus den verschiedensten Gründen löste Tentens 'Horrorgeschichte' allgemeine Belustigung aus. Ino hatte z.B. Spaß daran, dass Sasuke in die Pfanne gehauen wurde, und Neji amüsierte der schwarze Humor, obwohl er sich das natürlich nicht anmerken ließ.

"Lächerlich."

sagte er einfach. Tenten verdrehte die Augen.

"'Hab nichts Anderes erwartet. Aber es sollte sogar lächerlich sein, kannst du dir das vorstellen?"

Neji gab ein unverständliches 'Hmpf' von sich und beäugte Naruto mahnend, der Hinata etwas ins Ohr flüsterte und sie zum Lachen brachte. Allerdings schien der Blonde das gar nicht zu bemerken.

Tenten dagegen fiel es sehr wohl auf. Wenn sie verhindern wollte, dass Neji sich einmischte, musste sie ihn dringend ablenken...

"Soll ich jetzt lieber die Geschichte des Rapunzels vom Hyuga-Clan erzählen?"

"Lass ihn endlich in Frieden... Außerdem ist er dran."

mischte Ino sich ein. Tenten zuckte mit den Schultern. Auch gut, auf diese Weise ließ er die beiden ebenfalls in Ruhe.

Neji starrte Naruto so vernichtend an, dass die Luft beinahe knisterte. Hinata realisierte den Ernst der Lage und winkte hastig ab.

"W... Warum machen wir das nicht morgen Abend? Es ist, äh... schon spät..."

Tenten und Ino tauschten einen verschwörerischen Blick. Nächste Phase der NaruHina-Operation lief an... Und gleichzeitig die Operationen:

- 'Halte ihnen Neji vom Leib und bring' Shikamaru mit Ino zusammen' (Tenten)

- 'Halte ihnen Neji vom Leib und transferiere ihn auf Tenten' (Ino)

- 'Halte Hinata Naruto vom Leib' (Neji)

- 'Hau dich hin und lass dich nicht mehr nerven' (Shikamaru)
 

So... Jetzt müsste klar sein, warum Sakura und Sasuke hier unmöglich aufkreuzen konnten. Ich persönlich finde, das hätte Mord und Totschlag gegeben.

Fehler der Vergangenheit

Zumindest Shikamaru kam dazu, seinen Plan in die Tat umzusetzen, da Ino noch lange nicht daran dachte, schlafen zu gehen. Offensichtlich wollte sie das so weit wie möglich herauszögern. Es war ihm nur recht. Das ersparte ihm das Gezanke mit dem Umziehen. Jedenfalls noch.

Ino entzündete Räucherstäbchen mit Rosenaroma und fächelte mit Tentens rundem Fächer (ich weiß leider nicht, ob diese Fächer einen besonderen Namen haben) den Duft ins Zelt. Hinata zog sich drinnen um, und Neji überwachte persönlich, ob Naruto genug Sicherheitsabstand hielt. Hatten diese Weiber denn nichts zu tun außer seine Cousine mit diesem Deppen zusammen zu zwingen, notfalls mit einem Schraubstock?!

Mit einem unsicheren Blick nach draußen verkündete Hinata, dass sie nun fertig sei und Naruto sich umziehen könne. Ino schärfte ihm noch einmal ein, er sollte seine absolut unterirdische Mütze beim Schlafen nicht aufsetzen, wenn er nicht wollte, dass sie das Ding noch heute verbrannte, dann schubste sie ihn rein.

So weit, so gut. Den Rest musste Hinata allein schaffen. Schließlich konnten sie ihr nicht noch den Text vorsagen. Tenten klopfte ihr auf die Schulter und wünschte ihr Glück, Ino kümmerte sich um die letzten Perfektionierungen an Hinatas Aussehen. Was das anging, hätte sie wirklich Styleberaterin werden können.

Klappe zu, Affe klinisch tot. Jetzt mussten sie nur noch in Bereitschaft sein, falls es irgendeinen unglücklichen Zwischenfall gab. 'Der Zwischenfall' alias Neji Hyuga. Deshalb hatte Ino Tenten nicht ganz ohne Hintergedanken dazu überredet, ihr Zelt neben Nejis aufzustellen. So hatte sie ihn immer im Auge.

Bei Ino war die ganze Sache schon schwieriger. Shikamaru war nicht besonders scharf darauf, bei Licht schlafen zu müssen, nur weil Ino glaubte, Hinata bekäme das nicht allein geregelt. Wie auch, wenn das arme Mädel nie eine Chance bekam, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen?!

Doch zuerst wurde er von der Blonden aus dem Zelt geschlossen, weil sie sich umziehen wollte. Sie fand es sowieso seltsam, dass er sein Netz-T-Shirt anbehielt, und er meinte, sie das Wort 'stockschwul' murmeln zu hören.

Allerdings wusste er nicht wirklich, was er zu ihren Kleidungsgewohnheiten sagen sollte, nachdem er ihrer ansichtig wurde. Sie hatte ihr Haar geöffnet, um es zu bürsten (wobei sie äußerst sorgfältig vorging). Das verdeckte erst mal ein wenig, dass ihr schwarzes Spagetti-Top zwar nicht direkt tief ausgeschnitten war, aber recht eng anlag und (fast) jede Kontur sichtbar machte. Was hatte er ein Glück, dass es nicht weiß war, wo man erheblich leichter hindurchsehen konnte.

Außerdem... welche Frau zog schon Hotpants an, wenn sie schlafen wollte?! Zuerst glaubte Shikamaru, sie wollte ihn damit ärgern, doch Ino schien nicht mal zu bemerken, dass ihre Kleidung, falls man das noch so nennen konnte... nicht dem allgemeinen Durchschnitt entsprach.

Offensichtlich war es auch egal, denn sie positionierte sich lediglich am Zelteingang, bewaffnet mit einer Taschenlampe, einem Stoffhasen (den sie wahrscheinlich vor den Insekten gerettet hatte) und Mückenspray, das ein durchdringendes Blumenaroma hatte und wahrscheinlich ein Produkt ihrer Eltern war.

Shikamaru seufzte. Das würde eine lange Nacht werden.

Eigentlich war das die allgemeine Einstellung. Neji dachte gar nicht daran, klein bei zu geben, nur weil die Mädchen in der Überzahl waren. Er war für Hinata verantwortlich, und Naruto passte definitiv nicht zu ihr. Dieser Sittenstrolch war ganz und gar ausgeschlossen, sollte er Hokage werden oder nicht – wer hobbymäßig mit einem verwirrten Eremiten ins Frauenbad spannte, war definitiv nicht der Richtige für Hinata.

Tenten war da ganz anderer Meinung. Die beiden passten ganz wunderbar zusammen, und wenn sie schon mal hier war, konnte sie auch versuchen, sich nützlich zu machen. Auch, wenn Neji dabei war. Dieser Kotzbrocken war doch nicht Hinatas Vormund! Er hatte nicht zu bestimmen, wer für sie der richtige Umgang war, außerdem hatte Neji von so was keine Ahnung. Tenten zwar auch nicht, trotzdem sah sie einen rosa Elefanten, wenn man ihn ihr vors Gesicht hielt. Um Narutos und Hinatas aufkeimende Beziehung mal so darzustellen.

Allerdings war Neji ein unsensibler Klotz. Wenn er Hinata ihre Pflicht vor Augen führte und seinen Einfluss auf sie benutzte, um ihr Naruto auszureden, würde sie sich fügen, egal, wie sehr es ihr widerstrebte. Wenn er das tat, würde Tenten ihn dafür hassen, da war sie ganz sicher.

Zwecks Überwachung hatte sie einige Fäden um die Zelte gespannt. Ein kleines Glöckchen würde ihr Bescheid geben, wenn jemand sein Zelt verließ. Es war übertrieben, das wusste sie... Sie konnte es auch nicht erklären, irgendwie wollte sie alles unter Kontrolle haben. Sie wollte sicher sein, dass Hinatas Lebensgeschichte endlich ein helleres Kapitel bekam. Und sie wollte abgelenkt sein von allem.

Nejis negative Energie war schon fast physisch zu spüren. Das ganze Zelt roch nach Rosen, wahrscheinlich um ein romantisches Feeling zu verbreiten... Kami-sama, war er froh, dass er nicht mit Tenten hier drin schlafen musste. Die Braunhaarige tötete ihm einfach den Nerv. Früher war sie anders gewesen, weicher als andere und sogar fürsorglich, wenn er es übertrieb, und hatte sich für ihn eingesetzt. Doch in letzter Zeit war sie nur noch zickig und ständig auf Streit aus. Er erinnerte sich an den Tag, an dem es begonnen hatte. Vor ein paar Monaten war das gewesen. Er und Lee hatten zusammen trainiert und Lee war hoffnungslos unterlegen gewesen. Seine Leistungsfähigkeit war noch nicht wieder ganz hergestellt, dennoch weigerte er sich verbissen, aufzugeben.

Neji hatte das gereizt. Wer nicht hören wollte, musste fühlen. In dem Moment, als er Lees Muskeln mit einem schmerzhaften Handkantenschlag auf den Rücken lahm legen wollte, hatte sie sich allen Ernstes dazwischengestellt und ihn wütend angeschrieen: 'Hör endlich auf, so auf Lee herumzutrampeln! Du bist echt erbärmlich, ihn so fertig zu machen, obwohl er noch nicht wieder okay ist! Warum suchst du dir nicht endlich jemanden, der sich wehren kann?!'

Neji war völlig verwirrt gewesen. Tenten hatte sich sonst immer auf seine Seite gestellt und sich damit begnügt, Lee nach dem verlorenen Kampf zu tadeln und notdürftig wieder zu richten. Wieso fiel sie ihm jetzt in den Rücken?!

Er hatte sich seine Verwirrung nur für eine Sekunde unverhohlen anmerken lassen. Dann war sie wieder hinter seiner leidenschaftslosen Fassade verschwunden. 'Er wollte es so.', sagte er einfach. Lee hätte das bekräftigt und Tenten besänftigt. Aber diesmal konnte er es nicht. Er lag auf der staubigen Erde und stöhnte leise vor Schmerz. Das schien Tenten noch wütender zu machen. 'Bist du jetzt stolz auf dich? Macht es dir so viel Spaß, anderen auf ihrem Ninjaweg jeden auffindbaren Stein in den Weg zu legen?! Nur wegen dir richtet er sich so zugrunde!' Er hatte sie nie so schreien hören. So, als seien die Jahre, die sie sich kannten, völlig bedeutungslos geworden. Angewidert spuckte sie aus. 'Oh Mann, ich war so was von dämlich, ich glaub's nicht...' Sie sagte nicht, warum. Doch sie hatte ihn verletzt, das gestand er sich ein. Sie hatte ihn verraten, ausgerechnet sie, die so lange Niederlagen erduldet hatte, um ihn zu trainieren. Plötzlich tat sie so, als sei da nichts gewesen. Nejis perlweiße Augen wurden stahlhart. 'Jemand, der sich wehren kann? Jemand wie du?' hatte er höhnisch gefragt. Tenten hatte nicht geantwortet, sondern zwei Schriftrollen aus ihrer Waffentasche gezogen und neben sich ausgerollt. Eine offene Kampfansage. Bisher hatte sie ihre Technik des Zwillingsdrachen beim Training nie gegen ein lebendes Ziel gerichtet. Gut, sie hatte es so gewollt.

Inzwischen wusste er, dass er sich nicht hätte provozieren lassen sollen. Ihre Niederlage war vernichtend gewesen, doch ihre Augen waren dunkel vor Zorn gewesen. Sie war immer wieder aufgestanden, hatte sinnlos versucht, ihr Chakra zu schmieden oder ihn mit Taijutsu angegriffen. Alles sinnlos.

Neji wusste nicht, wie es ausgegangen wäre, wenn Meister Gai nicht aufgetaucht und sie beide mit nie gekanntem Temperament zurechtwies. Er hatte sie hart bestraft, doch Tenten hatte sich stur geweigert, sich zu entschuldigen. Erst, als Lee wieder wach wurde und sie darum bat, wobei er in Aussicht stellte, es sonst selbst zu tun. Tenten hatte es zähneknirschend hinter sich gebracht und auf Lees erneutes Bitten auch seine Gegenwart ertragen. Trotzdem waren ihre Gespräche ausschließlich gehässige Sticheleien.

Neji hatte keine Ahnung, was er davon halten sollte, dass sie heute das erste Mal wieder halbwegs vernünftig mit ihm geredet hatte, sogar gelächelt hatte. Er selbst hatte sich am Riemen gerissen, da ihre Zerstrittenheit Hinata zu schaffen gemacht hatte. Und jetzt? Sie war wieder zickig wie eh und je und nutzte jede Gelegenheit, ihn zu ärgern. Was zur Hölle war das System hinter ihren Stimmungsschwankungen, falls es da eins gab?!

Schweigend saßen Naruto und Hinata sich gegenüber. Tja, und nun? Sie wurden überwacht, und Hinata wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Nervös rang sie die Hände. Ganz ruhig, bloß keine Unkontrolliertheiten... Aber warum musste das auch so schnell gehen? Sie brauchte mehr Nachmittage wie diesen, wo die Stimmung entspannt war und sie nicht ganz allein mit Naruto irgendetwas tat. So konnte sie das nötige Selbstvertrauen aufbauen. Und in dieser Situation... nun ja, sie war ziemlich aufgeschmissen.

Naruto erging es ähnlich. Mit Hinata musste man sehr vorsichtig sein, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen (obwohl das seine bloße Anwesenheit schaffte), und nebenbei höllisch aufpassen, dass man ja nicht Nejis Aufmerksamkeit erregte. Wenn dieser Querkopf entschied, sich zwischen sie zu stellen, stellte er Hinata direkt vor die Wahl. Und Naruto war nicht besonders zuversichtlich, wer ihr wichtiger war: ein Junge, den das Dorf nicht mochte und der bis vor nicht allzu langer Zeit nur Augen für eine andere gehabt hatte, oder ein naher Verwandter, der endlich seinen Hass zu ihr überwunden hatte und zweifellos ihr Bestes wollte.

Hinata biss sich auf die Lippe und hob an, etwas zu sagen, als eine Windböe durch den offenen Zelteingang hereinfegte und dem roten Lampion die Kerze ausblies, den Ino hier positioniert hatte.

Es war stockdunkel. Hinata sah sich erschrocken um. Ihre Angst, zufällig gegen Naruto zu stoßen und sich lächerlich zu machen, wuchs. Besagter Blonder verfluchte den Wind und suchte die Streichhölzer. Hinata schluckte verlegen.

"Ähm... Wenn das Licht schon aus ist... können wir auch gleich schlafen gehen, oder...?"

Sie hatte das Gefühl, als machte ihr irgendwer da draußen gerade das 'Daumen hoch'-Symbol. Doch sie wagte es nicht, nachzusehen. Vielleicht war auch alles nur Zufall.

Naruto nickte, dann realisierte er, dass sie ihn nicht sehen konnte.

"Okay... Wo bist du?"

Vorsichtig tastete er nach seiner Schlafmatte und berührte dabei versehentlich Hinatas Hand. Sie hatte sich vorgebeugt, um ihre untergeschlagenen Beine gerade zu machen, und sich abgestützt. Bei dem Kontakt zuckte sie zusammen. Ihre Gedanken rasten, ebenso wie ihr Herzschlag. Hoffentlich waren ihre Finger nicht feucht... Und wenn es so war? Naruto sollte das nicht merken...

Hastig zog sie ihre Hand weg und wischte sie an ihrem blütenweißen Yukata (Was so ein alter Clan ist, der hat Stil) ab.

Naruto wertete ihr Ausweichen allerdings anders. Enttäuscht zog er sich in seine Hälfte des Zelts zurück. Endlich mal etwas, wofür man keine Worte brauchte... Und trotzdem zu forsch für Hinata. Vielleicht deutete er ihre Schüchternheit auch falsch. Vielleicht gab es da einen ganz anderen Jungen...
 

Tenten seufzte müde.

"Das war jetzt wirklich das letzte Mal für heute, das wir uns eingemischt haben."

raunte sie Ino zu. Die Blonde grinste und klopfte ihr auf die Schulter.

"Bist du sicher, dass du in deinem Zelt nicht einsam bist?"

fragte sie, sobald sie sich vom NaruHina-Zelt entfernt hatten. Tenten verdrehte die Augen.

"Sollte ich mich wider Erwarten so fühlen, borg' ich mir deinen Plüschhasen aus."

"Warum bist du so abweisend Neji gegenüber? Ihr wart früher so oft zusammen..."

fragte Ino, und ein vorwurfsvoller Unterton lag in ihrer Stimme. Tenten winkte ab.

"Beim Training, meinst du. Weil wir in einem Team waren und meine Angriffstechnik sich am besten für seine Abwehr eignet."

"Aber du hast ihn immer unterstützt und so..."

Tenten sah sie nicht an.

"Hättest du Sasuke nicht unterstützt, wenn er in deinem Team gewesen wäre?"

Damit wandte sie sich ab und verschwand in ihrem Zelt.
 

Als Ino zurückkehrte, hatte Shikamaru die Gelegenheit genutzt und das Licht ausgemacht. Manchmal hasste sie sich für ihre Ideen. Lampions waren zwar romantisch, aber auch ziemlich unpraktisch, wenn man sich nicht gemerkt hatte, wo die Streichhölzer lagen. Ihr blieb also nichts Anderes übrig, als es für heute tatsächlich auf sich beruhen zu lassen.

Geübt tastete sie sich durch die Dunkelheit. Hier war leider wenig Platz, und sie würde nicht ganz ausblenden können, dass sie nicht allein war. Für einen Moment saß Ino auf der zweiten Matte und dachte nach. Shikamaru hatte ihre Freizügigkeit unübersehbar verwirrt. Es war nicht ihre Absicht, sie hatte damit gerechnet, ein eigenes Zelt zu haben und in der sommerlichen Wärme zu schwitzen. Deshalb hatte sie die Sachen eingepackt.

Es wäre ein Leichtes, Shikamaru aufzuziehen und dabei völlig arglos zu wirken. Sein Gesichtsausdruck, wenn er morgens aufwachte und sie neben ihm lag...

Ich war oft gemein zu Choji, und ich wäre nie so gemein gewesen, wenn er mich nicht ständig runtergemacht hätte! Sasuke hat nie was Besseres zu tun, als auf meinen Gefühlen rumzutrampeln!"

"Und deswegen wolltest du dasselbe mit Shikamaru tun."

"Du solltest dich trotzdem entschuldigen... Ich weiß, es ist nicht einfach, über jemanden hinwegzukommen, doch du hast selbst gesagt, wie sehr er dich verändert hat... Du solltest einfach wieder du selbst sein, Ino."

Einfach wieder sie selbst sein... Entschieden schüttelte Ino den Kopf, wobei ihre offenen Haare um ihren Kopf flogen, und legte sich hin, mit dem Rücken zu Shikamaru.

Sie würde nicht gemein zu ihm sein. Sie würde einfach versuchen, Sasuke zu vergessen und irgendwann... irgendwann einen neuen Jungen kennen lernen.
 

Zu den Personen, die sich aufregen, dass es zu langsam vorangeht mit der Verkupplung... Es wäre wirklich primitiv, sie sich gleich alle in die Arme springen zu lassen. Ich sagte 'klischeehaft', aber nicht 'plotlos'.

Außerdem tat sich bei der Planung ein Problem auf: Ich habe zumindest Tentens Alter auf 14 gesetzt. Das passt mit der chronologischen Reihefolge des Mangas schlecht. Außerdem werde ich (falls es dazu kommt) keine limone/ sehr eventuell lemon-Szenen schreiben, wenn die Charaktere noch so jung sind. Mag ja sein, dass sich das 'Erste Mal-Alter' in Deutschland immer weiter senkt, aber hier nicht.

Heißt im Klartext: Soll ich das allgemeine Alter auf 16 erhöhen? Wenn es nur um die Reihenfolge ginge, wäre die Ungenauigkeit zu verschmerzen. Nachdem es schon Beschwerden gibt, dass es nicht geht, wie es gehen soll...

Wie viele Leser wollen denn überhaupt 'expliziertere' Romantik? Auf jeden Fall kein adult, weil ich zu behaupten wage, dass die meisten Leser (mich eingeschlossen) nicht achtzehn sind. Bitte klar ausdrücken, sonst kann ich damit nichts anfangen.

Hilfe, die Demokratie kommt: 'Summer in Konoha' wird interaktiv...

Think pink

Ein paar Fetzen des Morgennebels hingen über der Wiese. Zaghaftes Vogelgezwitscher erhob sich aus dem Wald, und die Sonne tastete vorsichtig über das taufeuchte Gras, während sie die Kälte vertrieb.

Um diese Zeit waren sie sonst immer zum Trainingsplatz gegangen. Ganz egal, wie spät es gestern geworden war oder ob es Sonntag war, das Training wurde nicht aufgeschoben.

Tenten langweilte sich morgens, seit es nicht mehr so war. Nicht, dass sie es bereute. Es war schlichtweg lächerlich, wie sie sich bemüht hatte, früh genug aufzustehen, damit sie Neji nicht verpasste. Schließlich musste es ja so aussehen, als sei sie ganz zufällig da.

Von Anfang an hatte Tenten geglaubt, dass Liebe nur mit Geduld verbunden Chancen auf Langlebigkeit hatte. So, wie Sakura und Ino mit bemerkenswerter Ausdauer Sasukes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versuchten, hatte sie ihre Taktiken, Neji für sie zu interessieren. Sie hielt das für das einzig Richtige: würde sie ihn einfach sofort ansprechen und um ein Date bitten, würde sie sich verhaspeln und als komplette Idiotin dastehen. So hingegen sah sie ihn jeden Tag, und während des Trainings achtete er nur auf sie. Sicherlich, nur auf ihre Angriffe. Aber was noch nicht war, konnte auch noch werden.

Manchmal hatte sie auch auf dem Balkon ihres Zimmers gesessen und gewartet, dass Neji vorbeiging. Er musste das zwangsläufig, denn auch Ninja schätzten es nicht besonders, wenn man in aller Herrgottsfrühe über ihre Dächer polterte. Sie hatte ihm gewinkt und gelächelt.

"Gehst du zum Training? Warte, ich komme mit..."

Sie hatte nichts falsch gemacht, war nie aufdringlich gewesen. Und sie hatte es genossen, neben Neji durch die noch leeren Straßen zu gehen. Die wenigen, die sie sahen, hielten sie sogar manchmal für ein Pärchen.

Sobald Neji die Gerüchte lästig wurden, kam er unregelmäßig oder nahm Umwege. Tenten blieb beharrlich. Dann war sie eben schon da, wenn er den Platz erreichte. Es reichte ihr völlig, ihn freundlich zu grüßen und zu lächeln, auch wenn er nie mehr als ein kurzes Brummen von sich gab.

Am Valentinstag hatte sie sich Mühe gegeben, anonym zu bleiben, in der Hoffnung, Neji möge ein Mal ein Wort darüber verlieren. Er tat es nicht. Und offensichtlich wunderte es ihn auch nicht, dass sie nicht wie andere Mädchen Pralinen schenkte. Es war jedes Jahr etwas Anderes: ein sorgfältig bemalter Papierdrache oder ein Haarband aus zahllosen, hauchdünnen Seidenfäden, das sie selbst geflochten hatte.

Zum Chu-nin-Auswahlkampf hatte Ino sie sogar geschminkt und überredet, sich etwas Anderes als ihre gewöhnliche, unauffällige Kleidung anzuziehen, die einzig dem Trainingszweck diente.

Neji war genau wie Sasuke. Er hatte davon gar nichts bemerkt oder darauf reagiert. War das der Dank dafür, dass sie ihm immer den Rücken stärkte, dass sie Rücksicht nahm und sich bemühte, ihm einen Teil einer richtigen Familie zu ersetzen? Er nahm es genau wie der Uchiha für ganz selbstverständlich.

Tenten wusste nicht, warum sie es gerade an jenem Tag nicht mehr ausgehalten hatte. Ihr war klar, sie machte jegliche Arbeit von den vergangenen Jahren zunichte. Trotzdem... Sie hatte es satt, seine Strohpuppe fürs Training und jegliche Art von persönlichem Frust zu sein. Sollte er eben ohne sie auskommen. Sie hatte es lange genug versucht und war überzeugt, das Richtige getan zu haben. Und obwohl Inos Gefühlsausbruch sie schmerzhaft an die Vergangenheit erinnert hatte... Sie war überzeugt, dass ihre Gefühle für Neji gestorben waren.

Tenten rollte sich auf die andere Seite und starrte ihre Zeltwand aus. In diesem Zelt hätte sie zusammen mit Neji schlafen sollen. Nicht zu fassen. Sie konnte es Ino nicht vorwerfen – die Blonde hatte um ihre beinahe unerschütterliche Geduld mit ihm gewusst, ihr sogar geholfen, sich herauszuputzen (was Tenten erwiesenermaßen nicht lag). Da konnte sie ihr nicht von heute auf morgen klarmachen, dass da nichts mehr war. Gut, es lagen Monate dazwischen, doch Tenten hatte es auch nicht an die große Glocke hängen wollen – Neji hatte die ganze Zeit nicht gerafft, dass sie in ihn verliebt war (oder es nicht beachtet), da brauchte er es nicht noch mal hören.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als jemand gegen den Zelteingang klopfte. Tenten betrachtete misstrauisch die Silhouette. Zu schlank für einen Jungen. Gut. Falls Naruto auf die Idee kam, einen dummen Streich spielen zu müssen, wollte er nicht das Opfer sein.

Tenten wühlte sich aus ihrem Schlafsack, den sie für die kalten Morgenstunden gebraucht hatte, und öffnete den Reißverschluss ein Stück.

"Was gibt's, Ino?"

Die junge Floristin drückte den Finger auf die Lippen und schnappte sich Tentens Hand durch den Spalt. Mit einem bemerkenswerten Energieschub zerrte sie die Braunhaarige mit sich. Womit Tenten nicht unbedingt einverstanden war.

"Spinnst du?! So kann ich nicht-"

"Ach Mann, du siehst aus wie immer, nicht mal deine Frisur ist kaputt."

zischte Ino und klopfte ihr auf die zwei Haarkugeln. Tenten grummelte und betastete ihren Kopf. Tatsächlich stand nicht eine einzige Strähne ab. Zugegeben, sie hatte diese Frisur gewählt, weil sie eben so robust war, aber... Ganz einfach, sie wollte nicht so aussehen, als sei sie rund um die Uhr perfekt gestylt. Sie brauchte keinen auf sich aufmerksam zu machen, also konnte sie auch gefälligst zerknittert sein, wenn sie eine Nacht im Zelt verbracht hatte.

Ino drehte sich zu ihr um, während sie durch das nasse Gras liefen, und grinste.

"Hübsches Outfit übrigens. Warum so chinesisch? Möchtest du jemanden beeindrucken?"

"Das ist ein Geschenk von meinen Großeltern, und die wollen, dass ich beeindrucke. Und was willst du jetzt?"

Ino versicherte sich, dass sie weit genug weg waren, und stemmte die Hände in die Hüften.

"Aus Hinatas Zelt hör' ich nichts. Sie haben gestern kein einziges Wort mehr gewechselt."

"Ja, und?"

Tenten betrachtete immer noch griesgrämig ihren Schlafanzug. Eigentlich hatte sie sich gefreut, ihn anzuziehen, da sie wirklich selten mal etwas Auffälligeres anzog. Das Geschenk, mit dem ihre Großeltern sie 'interessant für nette junge Männer' machen wollten, wie sie es ausdrückten, bestand aus glatter, dunkelblauer Seide. Ihre weite Hose ging ihr gut bis zu den Knien, wofür sie momentan dankbar war, denn sonst wäre sie jetzt nass. Durch eine energische Kraftanstrengung hatte sie vor ihrem letzten Geburtstag bewirkt, dass das Oberteil nicht hauteng sondern traditionell genauso wenig figurbetonend wie die Hose war. Die Rückseite war mit weißem Faden bestickt, mit einem Drachen in Anlehnung an Tentens stärkste Kampftechnik.

Sie verzog ironisch den Mund. Damals hatte sie noch gedacht, sie würde die Sachen irgendwann für Neji anziehen.

Ino trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

"Wenn das so weitergeht, verfallen sie wieder auf ihre alten Gewohnheiten und ihre Wege trennen sich wieder!"

"Du übertreibst."

"Wer hat die Erfahrung, ich oder ich? Eben. Und ich sage: wenn da nichts passiert, wird Hinata irgendwann so einen alten, senilen Sack heiraten müssen, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hat. Willst du das etwa?!"

Tenten schüttelte verwirrt den Kopf.

"Nein, natürlich nicht..."

"Dann kümmer' dich darum, dass Neji endlich seinen Segen gibt! Wenn er die Sache gutheißt, hat Hinata deswegen keine Gewissensbisse mehr."

Tenten verlagerte unangenehm berührt ihr Gewicht.

"Warum ich? Ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben..."

"Weiß ich. Aber tu's für Hinata."

beharrte Ino. Tenten seufzte und ließ die Schultern hängen – ein sicheres Zeichen dafür, dass ihr Widerstand gebrochen war. Ino lächelte ihr aufmunternd zu und strich sich ihre lose Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Gehst du mit ihm trainieren?"

"Wieso gerade trainieren?! Gibt es nichts Anderes?"

Ino verschränkte die Arme und warf einen Blick über die Schulter. In den anderen Zelten regte sich keiner.

"Nichts, was ihn nicht Verdacht schöpfen lassen würde. Außerdem ist euer Gezanke unerträglich. Immerhin reißt ihr euch beide nur Hinata zuliebe am Riemen... Ich will nicht wissen, wie es sonst bei euch zugeht."

"Schlimmer als früher bei dir und Sakura."

war das Einzige, das Tenten darauf antwortete. Dann machte sie Kehrt und marschierte zu ihrem Zelt, um sich umzuziehen. Ino sah ihr nachdenklich hinterher. Die Situation hatte sie eindeutig unterschätzt – jeder Fehltritt würde die Kluft zwischen Tenten und Neji verbreitern, und freiwillig würde keiner von beiden den ersten Schritt machen.

Doch zuerst mussten Kenntnisse eingefahren werden. Immerhin war Neji nicht zu durchschauen. Ino glaubte zwar sehr an Liebe, allerdings reichte 'glauben' hier nicht. Der nächste Auftrag war also klar: Erforschung von Nejis Gefühlswelt. Ino lächelte bitter. Mit emotionalen Gletschern hatte sie wirklich zur Genüge Erfahrungen.
 

Zuerst glaubte Neji, er wäre zu Hause. Das hieß, er glaubte es, weil er es gern so hätte. Der gestrige Abend hatte ihm den Rest gegeben – er hatte keinen Nerv mehr für dieses Teeniecamp. Hanabi war als Kontrolleur besser geeignet als er. Außerdem passte Tenten auch auf seine Cousine auf. Endlich mal etwas, wozu diese Furie gut war.

Zum Glück hatte Ino auf ihrer Einladung keine Mindestdauer angegeben. Neji war Chu-nin, er konnte Aufträge annehmen, wann er dazu Lust hatte, und er brauchte dazu auch kein Team zusammenzutrommeln.

Genau wie jeden Morgen galt Nejis erste Zuwendung nicht (wie man vermuten könnte) seinem Haar oder seinen Handbandagen, sondern seiner Stirn. Gut, die anderen kannten das Zeichen für seinen untergeordneten Stand bereits, doch das war kein Grund, es offen zu zeigen. Neji wusste aus Erfahrung, dass es unwillkürlich Aufmerksamkeit auf sich zog, und neugierige Blicke konnte er nicht ausstehen.

Völlig konzentriert auf das Knoten seines Stirnbands nahm er um sich nichts wahr und zuckte erschrocken zusammen, als jemand ungeniert seinen Zeltvorhang auseinander zog. Gemäß seiner Laune begrüßte er Tenten mit einem unfreundlichen Blick, den sie ungerührt ignorierte.

"Lang' genug geschlafen. Raus da."

Sie trat zur Seite und winkte ihn ungeduldig raus. Neji war nicht gesammelt genug, um eine seiner schroffen Antworten zu geben.

"Was?"

"Deine negativen Schwingungen lassen sogar die Vögel verstummen, Hyuga. Hier in der Nähe gibt's einen geeigneten Trainingsplatz, also gib' Stoff."

So was hatte noch nie jemand zu ihm gesagt, sich nicht mal diesen dreisten Ton erlaubt. Und von Tenten hatte er es am allerwenigsten erwartet – dafür hatte sie nicht genug Mut, oder sie war zu 'vernünftig'.

Jedenfalls kein Grund, ihr tatsächlich hinterherzulaufen wie ein braver Hund. Neji kreuzte demonstrativ die Beine und verschränkte die Arme. Hatte er schon erwähnt, dass er grundsätzlich ohne Oberteil schlief?

Tenten schien das nicht verlegen zu machen, nicht im geringsten. Früher hatte sie sich morgens immer scheu in seiner Nähe verhalten, wenn sie wegen einer Mission irgendwo übernachten mussten. Woher der Sinneswandel?!

Statt diskret die Augen abzuwenden, fand sie wieder etwas, um seinen Stolz anzugreifen, und grinste spöttisch.

"Mach kein Theater, das hab ich erstens schon gesehen und zweitens gibt es wesentlich interessantere Körper als deinen. Wie verklemmt bist du?!"

Hatte sie ihre Tage oder warum änderte sich ihr Verhalten so schlagartig?

Trotzdem löste er seine Arme wieder und griff nach seinem Stirnband. Gut, wenn sie trainieren wollte, hatte es nichts dagegen. Ihre Technik war ideal für Kaiten. Aber so würde er garantiert nicht gehen – wie peinlich ordinär, mit freiem Oberkörper und offenen Haaren. Das hatte er definitiv nicht nötig.

Tenten sah das offensichtlich anders.

"Reg' dich ab. Wir sind hier im Wald, die anderen schlafen. Da guckt dir keiner was weg, und wenn ich über dich herfallen würde, wäre ich abgrundtief verzweifelt. Bin ich nicht, also kannst du deine Accessoires dalassen."

Ohne ein weiteres Wort packte sie seinen Oberarm und zog ihn aus dem Zelt. Verdammt, er hatte vergessen, dass sie nicht nur für ein Mädchen sehr kräftig war. Ihr Griff hinterließ schon jetzt Druckstellen auf seiner Haut.

Neji hatte zwar nicht vor, sich von ihr dirigieren zu lassen, doch bei ihrer Gesprächslautstärke waren die anderen garantiert gleich wach – und wie bitte sah es aus, wenn sie hier zusammen standen, sie seinen Arm festhielt und er eher leicht bekleidet war (für Neji ist fast alles, was nicht mindestens 75% Haut bedeckt, 'leicht bekleidet')? Darüber hinaus musste er ihr nicht noch mehr Feuer geben, in die sie Öl gießen konnte.

Aus einem Spalt in ihrem Zelt beobachtete Ino, wie die beiden Richtung Wald trabten und seufzte. Schlecht, ganz schlecht. Diesen Streit hatte sie offenkundig unterschätzt.
 

Hinata starrte jetzt seit einer geschlagenen Stunde die Zeltwand an. Sie hatte sich gestern schwer getan mit dem Einschlafen, da immer, wenn ihr Herzschlag sich beruhigte und sie die Augen schloss, Naruto sich umdrehte oder sonstig auf seine Anwesenheit aufmerksam machte. So fand sie natürlich keinen Schlaf.

Als es ihr endlich gelungen war, hatte sie die morgendliche Kühle geweckt. Sie reagierte empfindlich auf Kälte und hatte im Schlaf ihre dünne Decke abgestreift. Sie hatte sich aufgesetzt, um ihr Lager wieder zu ordnen, als ihr auffiel, dass Naruto (in seiner typischen Unbesonnenheit) vergessen hatte, eine Decke zu nehmen. Es brach Hinata das Herz, wie er sich zusammengerollt hatte und die Arme um sich selbst schlang. Kurzentschlossen breitete sie ihre Decke über ihn, wobei sie darauf achtete, ihn nicht zu berühren, und sich wieder hingelegt. Ihr Yukata bot wesentlich mehr Wärme als Narutos dünne Sommerkleidung.

So, und nun lag sie da. An Schlaf war nicht mehr zu denken – wenn Naruto aufwachte und die Decke bemerkte, wie würde er reagieren? Sollte sie besser schlafen, damit er sie nicht gleich fragen konnte? Dann vergaß er es vielleicht. Oder sollte sie ihren Mut zusammennehmen und ihm erklären, warum sie die Decke hingelegt hatte? Nein, das war eine schlechte Idee. Bei der schriftlichen Prüfung des Chu-nin-Examen hatte sie auch nicht fertiggebracht, ihm ihre Hilfe zu begründen. Na ja, da war der Fall auch verschärft gewesen... Außerdem wollte sie nicht ständig darauf angewiesen sein, dass Ino und Tenten ihr assistierten.

Hinata atmete tief durch: Es war beschlossen. Sie würde Naruto die Wahrheit sagen, wenn er sie fragte. So würde sie die Vorarbeit für ein eventuelles... Geständnis leisten. Sie atmete noch einmal durch. Genau, ein Geständnis. Keine Rückzieher, kein 'Freunde bleiben'. Das hatte Ino immer wiederholt. Naruto musste wenigstens wissen, wie sie für ihn fühlte. Keine Panik, sie schaffte das schon. Sie konnte sich ändern. Und sie würde...

Naruto murmelte etwas Unverständliches und drehte sich um. Mit einem Satz war Hinata auf den Beinen, so weit es die Höhe des Zelts erlaubte. Was ein Schreck! Sie hatte gedacht, Naruto würde wach und sie fragen...

Hinata schlüpfte aus dem Zelt. Nein, sie war noch nicht bereit für... eine Erklärung. Definitiv nicht. Die junge Stammhalterin seufzte. Gar nicht so einfach. Vielleicht sollte sie Ino fragen, wie man so was durch die Blume sagte...
 

Besagtes Mädchen war nach ihrer Unterredung mit Tenten in ihr Zelt zurückgekehrt und hatte wesentlich weniger Einschlafschwierigkeiten gehabt – immerhin hatte sie länger wachgelegen und vorausgeplant.

Ganz klar, zuerst musste Neji als Störfaktor weg. Danach war noch Zeit für Naruto und Hinata bzw. das ließ sich nebenbei einrichten. Momentan war sie jedoch zum Warten verurteilt.

Und ihr war langweilig. Nach ungefähr einer Stunde Schlaf wurde ihr allmählich kalt und sie langweilte sich. Umziehen wollte sie sich nicht – Shikamaru wachte erfahrungsgemäß immer in den ungünstigsten Momenten auf. Das war z.B. mal auf einer Mission passiert. Dieser Idiot machte in dem Moment die Augen auf, in dem sie aus der Dusche kam (samt Handtuch, aber sie hatte sich trotzdem extrem aufgeregt). Also bloß kein Risiko eingehen.

Ino setzte sich auf und schielte zu Shikamaru. Der Platz hier war viel begrenzter als in den Zelten, die sie eigentlich für zwei Personen gedacht hatte. Zumindest konnte Neji da seinen Ego völlig entfalten... Tentens negativer Einfluss machte sich bemerkbar.

Typisch Shikamaru, er löste sein Haarband nicht mal zum Schlafen. Zu mühsam, klar, nur was war das bei diesem Kerl schon nicht? Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass der Bereich 'Dinge, die Shikamaru nicht nerven oder ihm zu aufwendig sind' sehr klein war. Ein Wunder, dass ihm die Haarpflege nicht auch zu mühsam war. Andererseits, irgendwo hatte Faulheit Grenzen.

Ino grinste. Und wenn schon... Sie hatte dieses Camping lange vorbereitet und war auf alles vorbereitet. Sie besaß alle erdenklichen Arten von Make-up, Körper- und Haarpflegemitteln (immerhin waren weder Hinata noch Tenten da vorbereitet), die meisten davon Familienproduktion. Denn wie sollte ein Spionageclan, bei dem sogar die Männer ihr Haar so lang wie möglich trugen, auch ohne dergleichen Hausmittel auskommen?

Zurück zum Thema. Ino erinnerte sich da an ein ganz besonderes Glanzstück, das sie mal auf einer Kostümparty benutzt hatte, als sie elf war. Es war pinker, sehr geruchsstarker Haarschaum, durchsetzt mit unzähligen glitzernden Partikeln. Wenn man davon zu viel benutzte, sah man aus wie eine rosa Discokugel. Täte Shikamaru mal ganz gut, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein...

Ino zögerte einen Moment, dann sprang sie auf und durchwühlte ihr hochgeheimes Depot. Nur ein kleiner Streich... Tenten hatte ihr auch einen gespielt, und wenn Naruto gerade anderweitig beschäftigt war, konnte sie auch mal seinen Part übernehmen. Mit einem dämonischen Lächeln zog sie die Plastikflasche aus dem Chaos anderer Haarkuren und flitzte zurück ins Zelt.

Shikamaru schlief nichtsahnend. Behutsam löste sie sein Haarband und drehte ihn auf den Bauch. Er schien zwar nicht einverstanden, ließ sich jedoch letztendlich bewegen. Ino grinste und legte ihm ein Handtuch um die schultern, bevor sie die Flasche entkorkte. Durchdringender Fliederduft breitete sich sekundenschnell im ganzen Zelt auf. Shikamaru würde es riechen, bevor er es sah.

Doch das hatte noch Zeit – Shikamaru hatte offensichtlich einen gesunden Schlaf, wenn er darauf konzentriert war, Ino auszublenden. Sie schnaubte und strich sich ihre Haarsträhne hinters Ohr. Entschieden drehte sie die Flasche um und ließ glitzerndes, pinkfarbenes Haarmittel auf ihre Handfläche fließen. Der würde sich wundern...
 

Nach Shikamarus unfreiwilligem Friseurtermin wartete Ino, bis das Mittel 100%ig eingewirkt hatte, dann band sie sein Haar wieder zusammen. Es stand wie die Stacheln eines Igels und war so glitzernd pink, als hätte sie ihm den Kopf in Nagellack gehalten. Und er schlief trotzdem. Ino grinste. Der würde es nicht wagen, jetzt aufzuwachen, also konnte sie sich umziehen und die anderen zusammentrommeln. Tenten und Neji mussten zum Frühstück zurückkommen, anschließend würden sie einen schönen Picknick-Trip machen, sich zum Essen trennen und...

Blieb noch: wie zwang man Tenten dazu, mit Neji zu picknicken? Wenn Ino nicht aufpasste, würde das nach Geschlechtern getrennt verlaufen. Also musste sie... zuerst Naruto und Hinata nicht mehr zur Debatte stellen und Shikamaru und Neji trennen. Wenn die beiden aus Gais Team vernünftig waren, würden sie zusammen essen und sich danach auf die Suche nach den anderen machen.

So weit der Plan. Jetzt musste er umgesetzt werden.
 

Hinata hatte sich nicht getraut, ins Zelt zurückzukehren, und hatte nach Tenten sehen wollen, als sie bemerkte, dass weder Tenten noch Neji in ihren Zelten waren. Dort, wo jemand ins Gras getreten war, fehlte der Tau. Demnach mussten schon einige wach sein.

Hinata nahm es als willkommene Ablenkung von Naruto. Enger als normal beieinanderliegende Spuren führten zu Tentens Zelt. Ino hatte so einen leichten Trippelschritt, weil sie oft Röcke trug. Außerdem kamen die Spuren von ihrem Zelt. Tentens Schritte dagegen griffen weiter aus. Die beiden hatten sich vom Lager entfernt, waren dort stehen geblieben, was das plattgedrückte Gras bewies, und hatten sich dann wieder getrennt. Inos Spuren führten zurück und Tentens zu Nejis Zelt. Von dort aus hatte sie ihn ein paar Meter gezerrt, was die ungewöhnlich großen Flecken im Gras bewiesen. Kurz darauf war er freiwillig gegangen. Mit ihr. Hinata machte sich Sorgen. Stritten die beiden schon wieder?
 

Kaum zu glauben, wie sehr man über kurze Zeit einrostet. Tja, von wem erwartete man diesen Gedanken? Von Tenten. Überraschung, heute kam er aber von Neji.

Er hatte nie gedacht, es könnte ein Handicap sein, dass Tenten offensichtlich mal in ihn verknallt gewesen war. Früher hatte sie nicht damit begnügt, ihn anzugreifen, abgewehrt zu werden, wieder anzugreifen und so weiter, bis ihr das Chakra ausging. Die Zeit war auf jeden Fall vorbei.

Der 'geeignete Trainingsplatz' erwies sich als Ende eines Wasserlaufs im Wald, ein Wasserloch mit wenigen Metern Durchmesser. Dafür war es erschreckend tief und kalt.

Tenten bestand darauf, das Training auf die Wasseroberfläche zu verlegen. Sie wusste, dass Neji für Kaiten den Großteil seiner Konzentration brauchte und deshalb mit dem Chakrasammeln ein paar Schwierigkeiten hatte.

"Du musst auch lernen, an unpässlichen Orten zu kämpfen... Etwas, das Lee schon seit Jahren trainiert."

Den letzten Satz betonte sie giftig. Warum sprach sie ständig von Lee? Gut, sie hatte ihm mehr als deutlich gemacht, dass sie es hasste, wenn sich Begabte auf ihr Bluterbe verließen, weil sie sich nicht anstrengen wollten. Sie hatte eben keine Ahnung von ihm.

Das stimmte nicht, doch Neji ignorierte diesen Fakt. Mit einem nichtssagenden 'Hn' trat er aufs Wasser und verschränkte die Arme. Seine bloßen Füße bekamen schon jetzt das kalte Wasser zu spüren. Hineinzufallen wäre nicht nur äußerst peinlich, sondern auch ziemlich unangenehm.

Tenten grinste ihn spöttisch an und ging in die Knie. Im Bruchteil einer Sekunde katapultierte sie sich in die Höhe. Neji ließ sich nicht irritieren und ging in Verteidigungsstellung. Sein offenes Haar behinderte ihn – wenn er bei der Ausführung von Kaiten umherwirbeln würde, hatte er die Fusseln überall. Na ja, nicht dran denken.

Er sah Tenten genau kommen. Ein so geradliniger Angriff war mehr als primitiv. Nejis Mundwinkel zogen sich verächtlich nach oben. Soso, und so was durfte sich Chu-nin nennen.

Allerdings war er nicht der Einzige, der grinste. Er kannte dieses Funkeln ihn ihren Augen. Sie führte etwas im Schilde...

Neji erkannte ihre Absicht und begann sich zu drehen. Wenn sie dachte, als menschliche Kanonenkugel hätte sie Chancen, ihn aus der Defensive zu holen, hatte sie sich geirrt.

Als Tenten mit einem Klatschen ins Wasser eintauchte, berührten Neji nur wenige Wassertropfen. Die meisten fingen seine fast unsichtbaren Hände ab. Sie würde versuchen, ihn aus dem Wasser mit Ninjutsu anzugreifen oder darauf vertrauen, dass er Kaiten stoppte, um sie auftauchen zu lassen. Trotzdem... ein eindeutiger Unterschied zu ihrem vorsichtigen Verhalten von früher.

Er hatte den Gedanken gerade zuende gedacht, als er fühlte, dass etwas nicht stimmte. Sie war noch nicht aufgetaucht... Hatte sie durch das kalte Wasser einen Kälteschock erlitten oder in der Dunkelheit die Orientierung verloren? Neji brach die Drehung ab und versuchte, das Wasser mit den Augen zu durchdringen. Es half nichts. Blieb ihm wohl nichts Anderes als Weißaugen-

Eisige Finger griffen nach seinen Fußknöcheln und zerrten daran. Neji war so überrascht, dass er die Kontrolle über seine Chakraregulierung verlor – für ihn, der nie über irgendwas die Kontrolle verlor, ein unverzeihlicher Fehler. Er verlor den Halt auf der Wasseroberfläche und wurde heruntergezogen wie eine Fliege von einem Fisch.

Prustend brachte er seinen Kopf über Wasser und hielt sich fest. Die Kälte lähmte seine Muskeln und fuhr ihm tief in die Knochen. Sein Haar klebte ihm im Gesicht.

Dass der Griff um seine Fußknöchel sich löste, spürte er kaum, er bemerkte es lediglich, als er sich ans Ufer zog. Unmittelbar danach tauchte Tenten auf und schnappte nach Luft. Sie grinste.

"Von unten hätte ich dich trotz Kaiten angreifen können, wenn du es nicht abgebrochen hättest. Deine ach-so-tolle 360°-Verteidigung hat Lücken!"

Ihre Stimme klang aus dem Brustton der Überzeugung. Neji starrte sie nur finster an.

"Das war gefährlich und lächerlich."

Tenten winkte ab.

"Tu nicht so cool. Woher sollte ich wissen, dass es dich tatsächlich interessiert, ob ich ersaufe oder nicht? Oder wolltest du Gai-sensei bloß nicht beichten müssen, wo ich abgeblieben bin?!"

Sie schüttelte sich wie ein nasser Hund. Neji konnte es egal sein, wie viel er davon abbekam – an ihm war kein trockenes Haar mehr. Besagtes Haar drückte er gerade aus und starrte düster auf das aufgewühlte Wasser.

Es war wirklich seltsam. Erst bemühte sie sich jahrelang um seine Aufmerksamkeit, dann wollte sie plötzlich nichts mehr mit ihm zu tun haben... und nun ersetzte sie ihr eisernes Schweigen durch Spott und Stichelei. Letzteres war dennoch leichter zu ertragen als die Stille. Er wurde einfach nicht schlau aus diesem Mädchen.

Tenten schüttelte sich wieder und rieb ihre kalten Finger aneinander.

"Gehen wir... Ich will nicht Schuld sein, wenn du dich erkältest. Mit deiner Haarpracht geht das schneller als du glaubst."

Sie feixte, und es klang unernst wie gestern, als sie zusammen geangelt hatten. Neji stand auf und warf sich sein kritisiertes Haar über die Schulter. Dabei fiel ihm auf, wie Tentens Blick flüchtig über seinen von Feuchtigkeit in der Morgensonne schimmernden Oberkörper huschte. Aha, aber es gab wirklich Aufregenderes? Ein unsichtbares Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als sie sich abrupt abwandte und davon marschierte.

Irrte er sich oder stellte sich gerade ein Stück der alten Vertrautheit wieder her?
 

Was ich noch zum Schluss betonen möchte... Denken dürft ihr, was ihr wollt. Aber schreibt doch bitte nicht in den Kommentaren 'Könnte ja wirklich etwas schneller gehen mit den Pairings'. Dagegen bin ich allergisch.

Was die ENS-Benachrichtigung angeht... Es gibt Dinge, für die bin ich zu faul.

Picknicktime

"Was ist mit euch passiert?"

Erschrocken betrachtete Hinata ihren Cousin und sein ehemalige Teamkameradin – auf die Haut durchnässt, sie wie üblich mit Kratzern, er ohne sein Stirnband und Oberteil. Reichlich merkwürdiges Bild, wenn sie sich in den vergangenen Monaten nur noch gestritten hatten...

Auch Ino blieb die Ankunft nicht verborgen. Grinsend stolzierte sie über die Wiese zu ihnen.

"Na, Spaß gehabt?"

fragte sie mit einem zweideutigen Unterton. Tenten funkelte sie gereizt an.

"Nein. Und ihr?"

Neji hätte fast die Augen verdreht – da war ihr zickiges Benehmen wieder. Wollte sie den anderen unbedingt beweisen, dass sie nichts von ihm wollte?!

Ino ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Sie überging Tentens eher rhetorische Frage und deutete auf die erkaltete Feuerstelle.

"Zieht euch um, es gibt gleich Frühstück. Keine Angst, diesmal müsst ihr nichts dafür vorbereiten."

Sie wartete ab, bis die beiden verschwunden waren, und fügte hinzu:

"... Jedenfalls nicht das, was ihr erwartet."
 

"Uhm... Ino-chan, hast du einen Moment Zeit?"

Überrascht blickte die Blonde von ihren Sandwiches auf. Sie war beinahe fertig mit der Vorbereitung der Picknickboxen – als letzter kam der von Shikamaru und ihr dran. Die anderen waren wesentlich... aufwendiger gewesen.

Ino lächelte offenherzig und klopfte neben sich auf den Boden.

"Setz dich, Hinata. Was gibt's?"

Die Hyuga ließ sich auf den Knien nieder und drückte nervös die Fingerspitzen gegeneinander.

"Ich... ich will dich nicht belästigen, aber... könntest du vielleicht etwas... mit meinen Haaren machen?"

Verlegen wandte sie den Blick ab. Ino hob eine Augenbraue, doch Hinata fuhr fort, bevor sie Fragen stellen konnte:

"Ich weiß, sie sind ziemlich kurz und nicht besonders schön. Geht da trotzdem... irgendwas?"

"Sicher... Nur warum willst du das plötzlich? Deine Frisur passt absolut zu dir!"

Hinata biss sich auf die Unterlippe und hob den Kopf.

"Das ist es ja eben... Gestern hat Naruto ständig auf deine Haare gestarrt, und du bist viel mutiger als ich, deswegen..."

"Du meinst, wenn du deine Frisur änderst, ändert sich auch dein Charakter?"

Hinatas Wangen röteten sich und murmelte schüchtern:

"Es würde zumindest interessanter aussehen..."

Ino legte ihr Brotmesser auf ein Holzbrett und wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab.

"Und was schwebt dir vor?"

"Weiß nicht... Einfach irgendwas Auffälliges... Du fällst auch viel mehr auf mit deinem langen Haar... Und... Tenten-chan bindet sich das Haar hoch, weil sie unauffällig sein will, deswegen..."

Hinata atmete tief durch und grub die Fingernägel in den Stoff ihrer Dreiviertelhose.

"Ich glaube, wenn ich anders wäre, fände Naruto-kun mich viel interessanter..."

Ino schwieg einen Moment, dann nickte sie.

"Weißt du, so wie du hab ich auch mal gedacht. Als kleines Mädchen mochte ich kurzes Haar viel lieber, und deswegen hat mich keiner ignoriert... Nur weil dieses dämliche Gerücht umging, Sasuke würde lange Haare lieber mögen als Kurze, hab ich sie mir die ganze Zeit wachsen lassen. Gut, inzwischen finde ich's schick, aber das hat mit Sasuke nichts zu tun. Du brauchst dich für Naruto nicht verändern, und Mut hast du auch so."

Hinata sah sie überrascht an.

"Hab ich?"

"Hast du. Du hast dich deinen Ängsten früher oder später immer gestellt... Du bist nicht wie ich einer Illusion hinterhergerannt. Und du hast nach vorne gesehen, obwohl Neji dich so vernichtend besiegt hat. Ich hätte das nicht geschafft."

Hinata wirkte irgendwie erleichtert. Sie lächelte scheu.

"Ich muss also nichts ändern, damit er mich beachtet?"

"Nope. Das heißt... Diese Hose ist totaler Tenten-Style. Zieh einfach ein hübsches Kleid an, wie du es gestern gemacht hast, und der Rest kommt von ganz allein!"
 

Nun ja... Das kam darauf an, was man als 'Rest' bezeichnete. Als Ino verkündete, sie würden einen Spaziergang mit Picknick machen und den beiden Mädchen jeweils einen Korb in die Hand drückte, baute sich Misstrauen auf. Wie zum Beispiel...

"Ino-chan, da... da ist nur ein Paar Essstäbchen."

stotterte Hinata verwirrt. Daraufhin inspizierte Tenten ihren noch genauer, fand jedoch nichts wirklich Aufsehen Erregendes. Keine Spagetti, zwei ordinäre Lunchboxen mit Zubehör... Wo war der Haken?!

"Ach... das andere ist da irgendwo drin. Wo ist Shikamaru?!"

Naruto sah sich überrascht um.

"Stimmt, beim Frühstück war er auch nicht... Kommt er nicht mit?"

Tenten funkelte Ino bedrohlich an und formte ihre Hände zu einem Trichter.

"SHIKAMARU! BEEIL' DICH, WIR WOLLEN LOS!"

Keine Antwort. Sie tauschten einen ratlosen Blick und fixierten Ino, die abwehrend den Kopf schüttelte.

"Keine Ahnung, wo er ist-"

"Am Weiher."

unterbrach Neji sie ungerührt. Hinata nickte. Tenten zuckte mit den Schultern und packte Ino am Arm.

"Gut, wir sehen nach ihm. Komm mit, Ino."

"Ähm... Meinetwegen..."
 

Als die Mädchen Shikamaru fanden, hatte er gerade den Kopf unter Wasser getaucht. Tenten zupfte ihn hinten am T-Shirt. Als er nicht reagierte, zog sie stärker. Immer noch nichts. Die Braunhaarige schnaubte ärgerlich und zog mit aller Kraft.

"Himmelherrgott, Shikamaru Nara! Was machst-"

Sie verstummte, sobald Shikamarus Haar zum Vorschein kam. Geistesabwesend ließ sie ihn los und betrachtete den ehemals unauffälligen Schwarz-Ton. Bis auf den Haaransatz war jede Strähne kreischrosa und glitzerte. Im Wasser schwammen Wolken von pinken Partikelchen.

Tenten schlug sich die Hand vor den Mund.

"Was... was ist mit deinem Haar...?"

Shikamaru wischte sich über die Augen und zog eine vor Ironie triefende Grimasse.

"Was... Sag bloß, das ist nicht meine Farbe."
 

Naruto war der Erste, der auf Shikamarus neue Haarfarbe reagierte. Und er tat es, wie man es von ihm erwartete: er schmiss sich weg vor Lachen. Hinata zuckte erschrocken zusammen, als er sich auf den Boden warf und mit den Fäusten aufs Gras trommelte.

"Ich fass'es nicht! Dass ich das noch erleben darf! Shikamaru und..."

"Ich glaube kaum, dass er das selbst getan hat."

bemerkte Neji trocken und beäugte Tenten so verächtlich, als sei dieser Kindkram nur ihr Verdienst. War ihm nicht ganz zu verdenken, schließlich hatte sie Ino erst gezwungen, sich mit Shikamaru ein Zelt zu teilen. Vielleicht wollte er aber auch nur vorbeugen, damit sie nicht auf die Idee kam, seine wohlgepflegte Haarpracht, auf der sie sowieso ständig herumhackte, derart zu verunstalten.

Ino verdrehte die Augen und murmelte unschuldig:

"Ich war das nicht..."

"Ach ja, und die Erde ist eine Scheibe und wird von hellgrünen Elefanten getragen."

erwiderte Neji in unverändertem Tonfall. Tenten zuckte wieder mit den Schultern.

"Halt den Rand, Neji. Das ist Mädchensache."

Bitte... Wer hatte dieses Weib und ihren schrägen Charakter nur geschaffen?!
 

Egal, es wurde nicht debattiert. Drei Mädchen, drei Lunchboxen, und die Jungen hatten sich zu fügen. Shikamaru wäre Hinatas mitfühlende Anwesenheit jetzt wohl am liebsten gewesen, doch Ino machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Und als Dritter wollte Shikamaru da nicht mit – Naruto kicherte immer noch wie blöd, wenn er ihn sah.

Shikamaru seufzte. Wenn seine Mutter diesen Farbton zu Gesicht bekam, würde ihr vor Schreck die Stimme wegbleiben. Das erste Mal im Leben und nicht gerade unangenehm, allerdings war sein Vater da wohl anderer Meinung. Keine Chance, er konnte nicht abhauen. Außerdem würde ganz Konoha ihm hinterher starren. So blieb er noch vom Schlimmsten verschont.

Er hatte schon genügend Luft, um sich zu beschweren, als Ino ihn am Arm packte und ihm ins Ohr flüsterte:

"Ich erklär's dir... später, okay?"

Dann schenkte sie ihm dieses Lächeln, das jedes Mädchen irgendwie beherrscht, wenn auch immer etwas anders. Der Effekt jedoch ist gleich – ein Junge kann ihr nichts mehr abschlagen. Erneut seufzend fügte er sich. Himmel, was waren Frauen schwierig.

Sehr zu Inos Leidwesen hatte Tenten übrigens noch einen größeren Vorrat an knabenhafter Kleidung und dachte auch gar nicht daran, ihr Haar offen zu lassen, damit es besser trocknete. Ganz zu Schweigen davon, dass sie einen ziemlichen Sicherheitsabstand von Neji hielt, nachdem sie schon gezwungen war, sich in seiner Nähe aufzuhalten.

Mit Naruto und Hinata war sie dagegen schon zufriedener. Die beiden wirkten exakt wie ein junges Paar, das sich auf einen schönen Picknicknachmittag freute. Und nichts Anderes sollte es werden – wenn auch weit komplizierter.
 

"Okay! Stop!"

Ino drehte sich so unvermittelt um, dass Naruto in sie hineinrannte. Ärgerlich machte sie einen Schritt weg und lugte an ihm vorbei. Der Sicherheitsabstand zwischen Tenten und Neji war, wenn sie sich nicht irrte, seit dem Morgen schon geschrumpft. Er fiel zwar immer noch auf, allerdings konnte man auch nicht erwarten, dass die beiden sich spontan in die Arme sprangen (was ich manchen Lesern begreiflich machen will).

"Jetzt trennen wir uns und suchen den schönsten Picknickplatz. Hinata und Naruto, ihr geht nach links, Neji und Tenten, ihr nach rechts. Shikamaru und ich gehen... geradeaus. Verstanden?"

Mehr oder weniger enthusiastisches Nicken.

"Und jetzt nehmt ihr euch an die Hände, damit ihr euch nicht verliert."

"Ino, es ist helllichter Tag, und wir sind hier zu Hause. Außerdem sind wir Ninja und keine Kindergartengruppe. Was, glaubst du, soll uns hier passieren?!"

fuhr Tenten dazwischen. Ganz offensichtlich wollte sie Neji nicht an die Hand nehmen. Ino lächelte süßlich.

"Man weiß ja nie, oder? Die Verbundenheit der Hände ist tiefe Harmonie im Herzen!... Genau, Uzumaki. Nimm ihre Hand, du brauchst nicht um Erlaubnis fragen."

Zögerlich tasteten Narutos Finger nach Hinatas. Die Hyuga errötete und starrte verlegen zu Boden. Moment... Wenn ihre Hand feucht war? Nein, wie peinlich! Hastig wischte sie die Innenfläche an ihrem Kleid ab – was zur Folge hatte, dass sie die Hand wegzog, bevor er sie zu fassen bekam. Ino wiegte ungeduldig den Kopf und riss Shikamarus Arm hoch, bevor er reagieren konnte.

"Ganz einfach, du Schreihals. Du legst eure Handinnenflächen gegeneinander... Und verflechtest die Finger ineinander... Atmest tief durch und genießt die Ruhe, die sich in deinem Kopf ausbreitet... Die Wärme auf deiner eigenen Haut... Die... Verbundenheit von dir und dem Mädchen, das du l... das neben dir steht..."

Ihre Stimme versagte. Shikamaru sah demonstrativ weg. Herrgott, das war eine Mädchenhand wie jede andere, und es war auch nicht so, als hätte Ino aus irgendwelchen Gründen noch nie seine Hand gehalten... Einmal, als sie versuchte, sein Schicksal aus den Lebenslinien zu erfahren. Damals hatte er sich genauso dämlich gefühlt wie jetzt: seine Ohren waren heiß, in seiner Magengrube schwebten unzählige Seifenblasen, wo ihre Haut zusammentraf, prickelte sie... Was war das alles mühsam zu verstehen.

"So? Zufrieden?"

Tenten riss ihn aus seiner rosaroten Tagträumerei. Leidenschaftslos wie immer. Ino seufzte resigniert.

"Ja, ungefähr so. Sei so lieb und brich Neji nicht die Finger... Oder was du sonst tun würdest."

Tenten zuckte mit den Schultern und zog Neji nach rechts, der gerade um seine unbeteiligte Fassade rang. Dieses... dieses Mädchen! Er war doch nicht ihr Hausfreund, der beliebig herumdirigiert wurde! Und außerdem... sie hatte wirklich einen kräftigen Druck. Seine Finger waren sowohl sensibel als auch unerlässlich für seinen Kampfstil, also hatte sie gefälligst vorsichtig damit umzugehen!

"Wie auch immer. Wir woll'n nicht weiter stören. Mal nach einem Picknickplatz suchen."

Soso... Mindestens Tenten hatte ihre Absichten schon durchschaut.
 

Sobald die anderen außer Sichtweite waren, schob Ino Shikamaru vorwärts. Seine Hand ließ sie dazu wieder los.

"So, und jetzt werden wir die anderen sich selbst überlassen."

"Ah ja... Und warum?"

Sie verdrehte die blauen Augen und pustete sich ihre lose Haarsträhne aus der Stirn. Ihre grazilen Lippen verzogen sich zu einem beleidigten Schmollmund. So sah sie eigentlich ganz niedlich aus... Der Eindruck würde zerstört, sobald sie diesen Mund aufmachte.

"Du hast einfach keine romantische Fantasie..."

"Das könnte dadurch beeinflusst worden sein, dass mir heute Nacht jemand die Haare gefärbt hat..."

Shikamaru gähnte und rieb sich den Nacken.

"Es war mir zu lächerlich, dir deswegen eine Szene zu machen... Aber falls du mich zum Gespött von ganz Konoha machen wolltest, hast du das geschafft."

Ino schob grummelnd die Unterlippe vor.

"Ich wollte nur verhindern, dass du dich mit irgendwem gegen mich verbündest."

"Ah ja. Indem du mir die Haar pink färbst. Sie riechen drei Meilen gegen den Wind."

"Mag ja sein, dass ich nicht so strategisch bin wie du... Trotzdem, ich habe meine Gründe, die dein männlicher Verstand einfach nicht erfassen kann, okay? Egal. Komm mit, ich hab Sandwichs gemacht."

Shikamaru seufzte. Von allen mühsamen Frauen auf der Welt war dieses Mädchen die Königin. Wahrscheinlich wünschte seine Mutter sie sich deswegen als Schwiegertochter.

Wenn das hier vorbei war, würde er sich nie wieder zu einem Camping zwingen lassen.
 

"Wir sind weit genug gegangen."

Tenten sah sich prüfend um und ließ Neji los.

"Ich glaube, auch du hast inzwischen kapiert, was Ino bezweckt. Wir müssen ja nicht mitspielen... Allerdings heißt das nicht, dass wir jetzt umkehren und du deinen verkorksten Beschützerinstinkt einschaltest. Hinata und Naruto gehören zusammen, so blöd das für dich klingen mag."

In Nejis Gesicht rührte sich kein Muskel. Er verschränkte die Arme und musterte Tenten kalt.

"Als Stammhalterin des Clans kann sie diesen Nichtsnutz unmöglich heiraten."

"Der Clan, immer der Clan! Ich fand's nicht gerade schön, als du die Gründerfamilie und insbesondere Hinata noch gehasst hast... Trotzdem, seit du dich mit deinem Onkel versöhnt hast, bist du fast so schlimm wie dein Großvater (als 'Großvater' ist hier derjenige definiert, der Hizashi befohlen hat zu sterben, um den Frieden zu sichern... Der mit dem breiten Mund). Warum fragst du dich nicht mal, was Hinata glücklich machen würde?!"

zischte sie aufgebracht und baute sich vor ihm auf. Neji bewegte sich kein Stück. Ihn schien das überhaupt nicht einzuschüchtern.

"Es ist ihr Schicksal, an dem sie nichts ändern kann. Und ich weiß nicht, warum ich darüber Rechenschaft vor dir ablegen soll."

"Weil es nicht richtig ist und du das nicht kapierst!"

Endlich zuckte etwas unter seinem Auge.

"Ich? Naruto kapiert nicht, dass diese Zeit vorbei ist, in der sie so etwas wie gleichgestellt waren."

Tenten schnaubte verächtlich.

"Ach ja, ich vergaß... Gleichgestellt, das bin ich ja auch nicht! Ich bin nur dein Sandsack, und das ist schon zu viel für mich! Das denkst du doch, oder?! Für dich ist alles so vorbestimmt und du bist von Natur aus der Tollste von allen, aus welchem Grund auch immer!"

"Von mir ist nicht die Rede."

sagte Neji einfach und schloss einen Moment die Augen. Als sie sich öffneten, waren sie unmerklich schmaler geworden.

"Ganz was Neues, der Meinung bist du sonst immer! Sonst noch was?"

"Ich muss das nicht mit dir diskutieren, Tenten."

Die Braunhaarige verzog spöttisch den Mund und wischte sich die nassen Ponyfransen aus der Stirn.

"Stimmt, und sein Wort sei Gesetz."

"Tenten..."

"Was?! Du musst immer der Boss sein, und wenn du's nicht bist, zickst du rum. Wenn du mal eins aufs Maul kriegst, bist du sofort beleidigt und machst einen auf Obercool. Und wenn du mal auf wem rumtrampeln kannst, muss das natürlich gemacht werden. Weißt du was? Das steht mir echt bis hier!"

Neji atmete tief aus. So, gleich reichte es. Niemand konnte ihn zwingen, mit dieser Furie irgendwohin zu gehen. Und er würde seine Pflicht sicher nicht wegen ihr vernachlässigen.

"Wenn dir das so wichtig ist... Lass uns darum kämpfen. Wenn ich gewinne, hörst du mit deinen lächerlichen Störmanövern auf."

Tenten grinste sarkastisch und ließ ihre Finger knacken. Neji hatte nicht erwartet, dass sie einen Rückzieher machte, obwohl sie ihm unterlegen war – so rational konnte sie nicht denken.

"Und wenn ich gewinne, machst du Hinata eine Freude und lässt sie ihr eigenes Leben leben."
 

"Hier... Ist das, äh... in Ordnung?"

fragte Hinata zaghaft und deutete auf eine kleine Lichtung, die mit langem Gras und unscheinbaren, zartblauen Blumen übersät war. Ino hatte anscheinend alles geplant.

Wie genau die Floristin sich alles gedacht hatte, wurde deutlich, als Naruto das karierte Picknicktuch samt zwei Kissen entdeckte. Er runzelte die Stirn.

"Wieso ist da nur Platz für zwei? Kommen die anderen nicht?"

Hinata räusperte sich und scharrte mit den Sandalen im Boden.

"Ich... ich glaube, Ino-chan wollte, dass wir... ähm..."

Sie suchte nach den richtigen Worten und drückte ihre Zeigefingerspitzen gegeneinander. Naruto legte den Kopf schief.

"Du meinst, Ino hat uns absichtlich hierher geschickt?"

"Vielleicht... damit du und Neji-san euch nicht-"

"Das ist doch mal ein guter Gedanke! Sie lässt Neji von Tenten bearbeiten, und so lange separiert sie ihn!"

Der Blonde feixte schadenfroh und nahm Hinatas Hand.

"Lass uns gehen, ich hab Hunger!"

Gut, wann hatte er das nicht? Als Hinata in den Picknickkorb lugte, wurde sie von einem rosa Zettel begrüßt, der noch nicht da gewesen war, als Tenten ihn inspiziert hatte:

Wenn du ihn nach eurer Hochzeit jeden Tag bekochen musst, kann ich nur sagen... Viel Glück.

Hinata errötete und steckte ihn in ihre Rocktasche. Naruto sah überrascht auf.

"Ist was, Hinata?"

"Was? Nein... Alles in Ordnung. Aber... es gibt wirklich nur ein Paar Essstäbchen."
 

Ino und Shikamaru hatten sich für die gewöhnlichere Variante entschieden – auf einen Ast setzen und in Ruhe essen. Für Shikamaru wesentlich angenehmer – Ino konnte zwar nicht kochen, dafür Sandwichs zusammenstellen. Außerdem hatten sie von hier aus einen guten Blick auf den Himmel und die vorbeiziehenden Wolken.

Er wandte den Kopf zu ihr. Die Yamanaka ließ ihre Beine pendeln und starrte abwesend geradeaus, während sie kleine Bissen von ihrem dreieckigen Sandwich nahm und lange darauf herumkaute. Auf diese Weise aß sie viel langsamer als er. Wenn er nicht gewusst hätte, dass sie das immer tat, hätte er es für eine Diätmaßnahme gehalten.

Wenn er sich konzentrierte, konnte er die Wolken erkennen, wie sie sich in ihrem Ohrring spiegelten. Winzige, in Gold getauchte Wattebäusche, die über die glatte Oberfläche glitten. Worin konnte sich sonst noch etwas spiegeln? Besser in etwas, das nicht gerade das Markenzeichen ihres Teams war - in ihren Augen. Blaue Wolken waren noch schöner als Goldene.

Dinge, die sich in Augen spiegelten, hatten Shikamaru schon immer fasziniert. In seinem Clan dominierte ausschließlich schwarzes Haar und schwarze bis dunkelbraune Augenfarbe. Nicht mal Choji, dessen Augen er wirklich oft gesehen hatte, hatten dasselbe intensive Enzianblau wie Inos. Für Shikamaru war das eine perfekte Farbe. Er war absolut kein Perfektionist – viel zu mühsam, deshalb fiel für ihn umso stärker ins Gewicht, was die Natur geschaffen hatte. Und Inos Augen waren kurz und knapp sehr schön. Auf ihr ganzes Gesicht bezogen...

"Ich mach' mir Sorgen um Neji und Tenten. Die beiden kriegen sich bestimmt wieder in die Haare."

Ach ja, sie musste immer reden. Shikamaru seufzte unmerklich.

"Dann sind sie eben nicht füreinander geschaffen."

Damit hoffte er, die Stilleunterbrechung zu beenden, allerdings war das bei Ino immer nahezu unmöglich. Vom Reden ließ sie sich nicht abhalten.

"Nein. Tenten war und ist in Neji verliebt, da bin ich sicher. Sie hat nur aufgehört, sich um ihn zu bemühen, weil er ihren Stolz gekränkt hat."

Sie seufzte ebenfalls und pendelte stärker mit den Beinen.

"Wenn man Neji bloß begreiflich machen könnte, dass sie sein Schicksal ist..."

"Und wenn sie es nicht ist?"

fragte er resigniert und rechnete fest mit einem bösen Blick. Zu seinem Erstaunen lächelte Ino lediglich vergnügt.

"Dann war es einen Versuch wert. Hilfst du mir, Shikamaru? Bitte..."

Mendokuse, da war wieder dieser Hundeblick... Und er konnte sie ja schwer allein losgehen lassen.
 

Der Anblick, der sich ihnen bot, war nicht gerade freudeerweckend – und auch ziemlich deprimierend. Tentens Arme waren noch zerschrammter als am Morgen, und ihre Bewegungen waren nicht mehr kontrolliert genug, um Erfolg zu haben. Denn eins wusste sogar Ino über Kämpfe mit Neji: dreh ihm bloß nie den Rücken zu, wenn du nicht willst, dass er deine Nerven angreift.

Über Nejis Wange zog sich eine lange, blutige Kratzspur, wo Tenten ihn mit einer Waffe oder ihren Fingernägeln erwischt hatte. Ansonsten schien er wenig abbekommen zu haben. Der Boden war voll von Tentens beschworenen Waffen.

"Diese Idioten! Man passt einen Moment nicht auf, und schon schlagen sie sich die Köpfe ein!"

zischte Ino aufgebracht. Shikamaru erwiderte nichts, denn ein sarkastischer Kommentar war nicht angebracht. Die Situation war alles Andere als entspannt.

Tenten brach in die Knie und atmete stoßweise. Glücklicherweise schien Neji weder ihre Tenketsu angegriffen noch das Byakugan benutzt zu haben. Das einzig Positive – er wollte sie zumindest nicht umbringen. Inos Glaube an die Liebe war nicht so leicht zu erschüttern.

"Du hast verloren."

sagte Neji einfach und verschränkte die Arme. Tentens Brauen senkten sich wütend.

"Jetzt... verschon' mich bloß... mit deinem Gerede... vom Schicksal!"

Ino drehte sich zu Shikamaru um.

"Sorry, die beiden schaffen das nicht... Halt bitte meinen Körper!"

Für einen Moment wusste Shikamaru nicht mal, was sie von ihm wollte. Als ihre Lider herunterklappten und sie in sich zusammensackte, kehrte seine Erinnerung wieder. Wie in den guten alten Zeiten... Nur dass er diesmal keine Grimassen mit einem Oto-nin schnitt.

Ein Zucken durchfuhr Nejis Körper. Tenten bemerkte es nicht, sie war vollauf damit beschäftigt, genug Luft zu bekommen.

Aha... So fühlte sich also ein Hyuga. Ino musste sich beherrschen, um das Gefühl nicht auszukosten – mal ehrlich, wie oft kam man schon in den Körper eines der insgeheim beliebtesten Jungen in ganz Konoha – und konzentrierte sich stattdessen auf die möglichst schnelle Entschärfung der Situation.

Was Romantik anging, war Ino in ihrem Element. Sie hatte unzählige Dialoge im Kopf, die mit Sasuke so hätten ablaufen können, und eins davon musste sie abspielen. Das einzige Problem: Tenten reagierte nicht im mindesten wie sie.

Ino alias Neji räusperte sich.

"Tenten..."

Wow, diese Stimme war fast so cool wie Sasukes, dachte sie unwillkürlich. Warum war sie als einzige von langweiligen Kerlen umgeben?! Choji und Shikamaru waren nicht das, was sie sich unter interessanten Teamkameraden vorstellte...

Zurück zum Thema... Es wurde schon jetzt eng. Normalerweise begriffen die Opfer der Ninpo-Shintenshin-no-Jutsu gar nicht, dass sie nicht mehr Herr ihres Körpers waren, sondern in ihrem eigenen Unterbewusstsein eingesperrt waren. Neji dagegen war darauf trainiert, 100% der Zeit Herr seines Körpers zu sein. Entsprechend verbissen kämpfte er darum, wieder die Kontrolle zu haben. Lange konnte sie sich auf keinen Fall halten. Hoffentlich ging Tenten nicht auf sie los.

"Stimmt, jetzt musst du ja erst auf mir herumtrampeln, um dich wieder toll zu fühlen..."

knurrte Tenten. Ino sah deutlich den Schmerz in ihren dunkelbraunen Augen. Wie schaffte es Neji nur, den permanent zu übersehen?!

"Das ist nicht-"

"Völlig egal! Ich sag dir mal was: Du kannst mir nicht noch mehr wehtun!"

Das wäre die Situation, in der Neji die Augenbrauen heben würde, weil sie soeben zugegeben hatte, dass sein kühles Verhalten nicht so spurlos an ihr vorbeigegangen war, wie sie behauptete. Ino hatte da allerdings andere Pläne.

"Es... ist nicht, wie du denkst."

Dieser Satz passte überall. Ino beglückwünschte sich zu ihrer Improvisation.

"Verarsch' mich nicht..."

Tentens Stimme war unsicher geworden. Je seltener sie Worte in dieser Richtung zu hören bekam, desto stärker wirkten sie. Dementsprechend schnell bröckelte ihre Wut dahin.

"Nein, ich..."

Ino blieb die Stimme weg. Verdammt, sie konnte tatsächlich nicht mehr lange... Nejis Widerstand gegen ihre Übernahme war noch erbitterter geworden. Sie war nicht sicher, ob er sich selbst hören konnte, und so genau wollte sie das auch nicht erfahren. Neji würde sie umbringen, wenn er sie in die Finger bekam.

"Was soll das Gestammel?!"

Es klang eher wie eine ehrliche Frage als wie ein Vorwurf. Tenten musterte den Hyuga, oder was sie dafür hielt, argwöhnisch. Entweder sie hatte Verdacht geschöpft, oder... sie kaufte ihm die ganze Geschichte ab.

"Tenten..."

Also gut... Seit wann beherrschte Neji diesen Namen so gut, dass er mühelos bei jedem Erotikfilm hätte mitmachen können?! Seine Stimme durchdrang mühelos jede Barrikade. Und erstrecht Tentens. Ino sah den hin- und hergerissenen Ausdruck in ihrem Gesicht und fühlte sich an sich selbst erinnert. Mit dem Unterschied, dass für sie das Märchen mit der großen Liebe nicht wahr geworden war.

"Es tut mir leid, Tenten..."

Im gleichen Herzschlag fühlte sich Ino gewaltsam aus dem fremden Körper gerissen und blickte in Shikamarus... besorgte Miene?! Seit wann machte der sich Sorgen um sie?

"Hey. Alles in Ordnung?"

Ino nickte benommen und wischte sich über die Stirn. Ihre Hand war schweißverklebt. Ungefragt reichte Shikamaru ihr ein Taschentuch, um sich den Schweiß abzuwischen. Immer noch geistesabwesend nahm sie es an und ließ Tenten und Neji keinen Moment aus den Augen. Tenten drehte sich um, sagte leise etwas zu ihm und marschierte weiter. Neji folgte ihr auf Abstand, ohne sich umzudrehen.

Ino starrte ihnen nach und schüttelte den Kopf.

"Shikamaru... Was hab' ich gesagt?"

"Dass es dir leid tut... Oder ihm, wie man es nimmt."

Auf Shikamarus Gesicht erschien ein prüfender Ausdruck.

"Wieso? Du hast doch während der Kunst Kontrolle über die Stimmbänder..."

Ino zuckte hilflos mit den Schultern.

"Ich hab' in dem Moment losgelassen, als er sich entschuldigt hat..."

Sie drehte sich zu ihm um und drehte eine Haarsträhne um den Finger.

"Das heißt... ich weiß nicht, ob ich das gesagt habe... oder ob Neji die Gelegenheit genutzt hat, um über seinen Schatten zu springen..."
 

Nächstes Kapitel: Mehr NaruHina.

Außerdem: zan-satsu hat es ausgesprochen. Das sind doch keine Karnickel hier, die außer dem Einen nichts im Sinn haben und deshalb bei der nächstbesten Gelegenheit übern'ander herfallen.

Stellt euch nicht so an!

Sorgfältig packte Hinata den Inhalt des Korbs aus und breitete ihn auf dem Tuch aus. Naruto war vorhin mit einem Grinsen verschwunden und hatte sie gebeten, sich nicht vom Fleck zu rühren. Hinata war unsicher und gespannt zugleich. Was plante er wohl?

Das Problem mit dem fehlenden Paar Essstäbchen war dennoch nicht aus der Welt. Um genau zu sein, war das offensichtlich Inos volle Absicht gewesen. Sie hatte ausschließlich Lebensmittel mitgegeben, für die man diese Art von Besteck brauchte, und hatte außerdem ein Foto beigelegt. Hinata hatte keine Ahnung, wie sie es gemacht hatte. Irgendwie musste sie zwei Bilder zerschnitten und so zusammengeklebt haben, dass es aussah, als fütterte Hinata Naruto. Furios errötend ließ Hinata es in ihrer Rocktasche verschwinden. Allmählich sammelten sich da Inos 'Wegweiser'.

Auch der sonstige Inhalt des Korbs war relativ eindeutig: rosa und mit Herzchen versehen, wo es nur ging. Selbst die Stäbchen waren rot und mit jeweils einem kleinen, gläsernen Herz am Ende.

Hinat war beunruhigt. Konnte sie dem wirklich gerecht werden? Und was war, wenn Naruto das als aufdringlich empfand? Er hatte sie immer noch nicht gefragt, woher die Decke gekommen war. Hatte er das gar nicht gemerkt? Hatte sie die ganze Zeit umsonst gewartet?

Es half nichts. Wie Ino gesagt hatte, sie musste den ersten Schritt tun. Es musste ja nichts Großes sein, dann würde er sich auch nicht belästigt fühlen. Nur eine kleine Geste...

Hinata würgte den Kloß in ihrem Hals herunter und versuchte, ihren rasenden Herzschlag zu verlangsamen. Einatmen, ausatmen. Sie konnte das schaffen. Sie würde es schaffen. Sie würde-

"BUH!"

Hinata schrie erschrocken auf, als ihr jemand von hinten die Hände auf die Augen legte. Gerade noch konnte sie sich beherrschen, um sie nicht wegzureißen und sofort in Verteidigungsstellung zu gehen. Von ihrem Entführungstrauma mit drei Jahren war immer noch ein kleiner Rest übrig, der sich insbesondere aktivierte, wenn man sich von hinten an sie heranschlich.

"N... Naruto-kun?"

stammelte sie verwirrt. Die Hände über ihren Augen lösten sich.

"Erraten! Nein, nicht umdrehen!"

Gehorsam sah Hinata geradeaus. Sie hielt sich kerzengerade. Naruto war direkt hinter ihr. Sie konnte seinen schnellen Atem hören, vermutlich war er viel gerannt. Ihr Rücken fühlte sich an, als würden unzählige Seifenblasen auf ihrer bloßen Haut zerplatzten. Nur, weil Naruto dort war. In diesem Moment wünschte sie sich umso mehr, er möge etwas für sie empfinden.

"Und jetzt rate, was ich dir mitgebracht hab!"

erklang seine fröhliche Stimme wie von weit her. Hinata musste sich zusammenreißen, um sich auf die Aufforderung zu konzentrieren. Was sollte sie sagen? Wenn sie das Falsche riet, merkte er vielleicht, was sie sich erhoffte...

"Ähm... Ich weiß nicht... Etwas Lebendiges? Einen Frosch?"

"Nein! Du hast noch zwei Versuche!"

Hinata biss sich auf die Unterlippe. Sollte sie es sagen, sollte sie nicht?

"Einen... einen Schmetterling?"

"Nicht schlecht. Noch ein Versuch!"

Entschluss gefasst. Sie würde es sagen!

"Äh... Blumen?"

"Nein! Schade!"

Ihre Schultern sanken unmerklich herab. Keine Blumen... Keine romantischen Gedanken... Kein Geständnis. Ja, wirklich schade.

Mit einem Satz war Naruto vor ihr und landete dabei fast auf dem leeren Korb.

"Da! Für dich!"

Niedergeschlagen sah Hinata auf. Ihr Herzschlag beschleunigte wieder auf das doppelte Tempo, als sie sein Geschenk erkannte: ein Waffenbehälter voller Walderdbeeren, gebettet auf dieselben Blumen, die hier auf der Wiese wuchsen.

Schüchtern erwiderte Hinata Narutos Lächeln, auch wenn seines eher in Richtung planlos und nicht angenehm überrascht ging.

"D... Danke... Das ist wirklich sehr schön..."

"Hm... Wusste doch, dass es dir gefallen würde. Los, probier' mal!"

Hatte sie schon erwähnt, dass dieser Tag absolut fantastisch verlief?
 

"Halt still, verdammt! SHIKAMARU! Hörst du nicht?! Halt still, sonst geht es nicht raus!"

Als Wiedergutmachung für seine Vergebungsfähigkeit (auch wenn sie damit begründet war, 'dass er von ihr ja nichts Anderes gewohnt war') hatte Ino beschlossen, Shikamaru an einem Bach die grässliche Haarkur auszuwaschen.

Allerdings war Shikamaru, was Haarwaschen anging, wie jeder kleine Junge – er beschwerte sich, dass sie ihm alle Haare ausriss und viel zu grob zu Werke ging. Ino ignorierte ihn konsequent, was zur Folge hatte, dass Shikamaru auch seine Ohren auf Durchzug stellte. Allmählich wurde es ihr zu bunt. Dieser Trottel! Wie sie ihn kannte, kam seine Rache für den Friseurtermin noch, doch mit seiner schildkrötenartigen Bewegungsverweigerung ging er ihr jetzt schon auf die Nerven. Alles, was er tat, war auf dem Rücken zu liegen, die Hände unter dem Kopf verschränkt, damit sein Gesicht nicht im Wasser untertauchte, und die Augen geschlossen. Die Ärmel hatte er sich hochgekrempelt, damit sie nicht nass wurden. Der Bach war nicht besonders tief, da er nur dem Zweck diente, den Blumen in der heißen Sommerzeit genug Wasser zu liefern. Das allein war der Grund, warum es hier so viele stehende oder fließende Gewässer gab.

"Shikamaru, jetzt hör' mir endlich zu!"

fauchte sie und bereute es schon, mit der Wascherei angefangen zu haben. Shikamaru reagierte gar nicht erst. Das tat er auch nicht, als sie ihm eine Ladung Wasser ins Gesicht spritzte.

Ino überlegte nicht lange. Was brachte diesen ewigen Nörgler als Einziges aus dem Konzept? Genau, Mädchen. Sie beugte sich herunter und grinste. Solange er nicht verheiratet war, und wahrscheinlich selbst noch dann, hatte sie diesen Vorteil.

Kurzentschlossen hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange und wartete auf seine Reaktion. Diesmal musste sie nicht lange warten – ein Paar rehbrauner Augen klappte alarmiert auf und starrte sie verdattert an. Er konnte sich nicht aufrichten, solange sie ihren Kopf nicht hob, es sei denn, er wollte ihr eine Kopfnuss geben. Gut, sie wollte nicht unbedingt rausfinden, ob er das tat. Shikamaru war nicht gerade der typische Gentleman, hatte lediglich die übliche Produktionsmacke fast jedes Mannes, und zwar die Unfähigkeit, ein Mädchen weinen zu sehen. Was den Rest betraf... Shikamaru hatte oft genug mit Mädchen auf Leben und Tod gekämpft. Sie wollte nicht herausfinden, wie weit er deswegen abgestumpft war.

"Was... was war das denn?!"

Ino verschränkte die Arme und grinste wieder.

"Soso, wir sind wach. Dann können wir ja gehen. Nach deinen Haaren seh' ich heute Abend noch mal. Und jetzt..."

Sie sprang auf und zog ihn auf die Beine.

"... jetzt ist Schluss mit Faulenzen. Los, komm!"
 

Seit der Szene im Wald war zwischen Neji und Tenten kein einziges Wort mehr gefallen. Es war ein unangenehmes Schweigen, das sich durch nichts überbrücken ließ.

Tenten rang mit sich. Sollte sie ihn jetzt darauf ansprechen? Dann lief sie akute Gefahr, dass er das Ganze wieder zurücknahm und die Bresche, der in ihre Mauer geschlagen hatte, dazu benutzte sie zu verletzen. Das hatte sie oft genug erlebt – Neji ließ man mit solchen Sachen besser in Ruhe. Außerdem war es gut möglich, dass er sich (auch, wenn das ihm nicht ähnlich sah) einen schlechten Scherz mit ihr erlaubt hatte. Gut, Neji Hyuga würde sich nicht mal im Scherz entschuldigen... Aber warum hatte er so dämlich gestottert?! Wenn Neji eins nicht tat, dann Stottern. So wenig, wie er sagte, war er auch rund um die Uhr textsicher. Natürlich nicht, wenn ihm etwas die Sprache verschlug, was eh selten vorkam, nur gehörte Tenten ja 'nicht zu den Leuten, die das fertig brachten'. Erbärmlich, da hatte es ja selbst Sakura besser hingekriegt. Auf Sakura hegte Tenten wegen Lee immer noch wohlgehüteten Groll.

Wie auch immer... Es fing an sie zu nerven, dass Neji auf dieser nach Veilchen stinkenden, blaubemusterten Decke saß wie ein Buddha und vollauf damit beschäftigt war, rosa Kirschblütenblätter aus seinem Reisbällchen zu entfernen.

Tenten räusperte sich.

"Was hast du gemeint, als du sagtest, es wäre nicht so, wie ich denke?"

Neji sah desinteressiert wie eh und je von seinem Reisbällchen auf.

"Dergleichen habe ich nicht gesagt."

"Ich halluziniere nicht am helllichten Tag, Neji. Raus damit."

Neji schnippte seelenruhig ein Blütenblatt weg.

"Ich weiß nicht, wovon du sprichst."

Okay, immerhin noch keine gefühllosen Bemerkungen. Nervös zerquetschte Tenten ein rosa gefärbtes Reiskorn zwischen den Fingern. Moment mal... Nervös? Wieso war sie nervös, wenn sie mit diesem zutiefst deprimierenden Einzelgänger redete?!

"Du kannst dich also nicht daran erinnern?"

"Nein. Weil eine derartige Aussage nicht existent ist."

Schon klar, wenn er über etwas nicht reden wollte, drückte er sich immer so formell aus. Tenten kam eine besonders 'schöne' Szene aus der Anwärterzeit in den Sinn, als sie ihn nichtsahnend gefragt hatte, warum er zum Vatertag nichts basteln wollte. Wer erwartete schon von einem Sechsjährigen, dass er scharf über 'die rein platonische Beziehung zu einem nicht existenten Vater' sprach?! Tenten hatte eine ganze Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass es nicht mehr hieß als dass er Hiashi nicht als seinen Vater anerkannte. 'Existent' war in solchen Fällen Nejis Lieblingswort, vorzugsweise in Verneinung.

Trotzdem, jetzt waren sie nicht mehr sechs und konnten sich gefälligst unterhalten wie gewöhnliche Teenager.

"Dann hast du das mit der Entschuldigung auch nicht ernst gemeint?"

fragte sie kurz und knapp. Neji erwiderte ihren Blick nicht und kaute auf seinem Reisball herum, als hätte sie nichts gesagt. Tenten ging das noch mehr auf die Nerven. Es war nicht so, als wollte sie unbedingt mit ihm streiten. Deswegen riss sie sich am Riemen. Allmählich fand sie dennoch, dieser Ignorant konnte mal einen Schritt auf sie zu machen!

Die Braunhaarige seufzte frustriert.

"Schon klar, du bist-"

"Ich habe das nicht bestätigt."

unterbrach Neji sie, bevor sie auf ihre alten Gewohnheiten zurückfallen konnte. Endlich hielt er es für angebracht, sie anzusehen.

"Wenn du lieber glauben willst, was du dir glauben machst, bitte."

Wie hatte sie von ihm auch nur eine etwas genauere Auskunft erwarten können?!

"Das heißt, du hast dich entschuldigt?"

Ihre eigene Stimme klang so unsicher und hoffnungsfroh, dass sie sich wünschte, ein Klavier stürzte vom Himmel und begrub sie unter sich. Dann konnte sie auch gleich sehen, ob Neji sich die Mühe machte, sie auszubuddeln.

"Auch das habe ich nicht gesagt."

"Okay, niemand hat hier irgendwas gesagt und wir vergessen die ganze Sache. Hab schon verstanden!"

Neji ließ sich Zeit, bis er seine Hände an einer Serviette abgewischt hatte. Seine unantastbare Ruhe regte Tenten noch mehr auf.

"Das bezweifle ich."

Sollte sie jetzt in rosa Wölkchen der wiederbelebten Hoffnung schweben oder frustriert schreien?
 

Picknick war ja so... romantisch. Hinata hätte sich in Glücksgefühlen auflösen können (zumindest symbolisch, sie ist ja keine Brausetablette). Sie war tatsächlich mit Naruto allein, und er hatte noch kein einziges Mal so ausgesehen, als sei ihm das unangenehm. Stattdessen überschüttete er sie mit einer Fülle aus Anekdoten seiner bereits erfüllten Missionen. Hinata konnte da nicht mithalten. Was, wenn Naruto albern fand, was sie ihm erzählte, und sie sich lächerlich machte? Außerdem konnte Naruto weder mit Shino noch mit Kiba besonders gut. Na gut... Hinata hatte auch keinen Narren an Sakura und Sasuke gefressen, doch die besagten Anekdoten drehten sich meist eh nicht um sie. Es sei denn, es ging darum, wenn Sasuke sich in entferntester Weise blamiert hatte, so was musste natürlich erzählt werden.

Allerdings war Inos Plan mit den Essstäbchen nicht aufgegangen. Sie hatte eigentlich gedacht, die beiden wären gezwungen, dieselben Stäbchen zu benutzen... Typisch Naruto, er fand es viel praktischer, die rosafarbenen Stäbchen mit den Herzen als Spieße zu benutzen. Wenn Ino das gesehen hätte, hätte sie ihn mit Sicherheit verdroschen.

Hinata ging ganz in dem Klang von Narutos Stimme auf. So fröhlich und unbeschwert war er bisher nie mit ihr umgegangen... Und seine gute Laune ließ sich gar nicht abblocken. So ging alles von selbst.

"Und dann hat Sasuke den Träger der Hängebrücke befestigt, weil er Meister Kakashi das nicht zutraute, solange er sein Flirt... äh, seine Lektüre gelesen hat, und Sakura ist vorangegangen, um mir zu beweisen, dass sie keine Höhenangst hat. Und als sie in der Mitte war, ist unter ihrem Fuß eines der Bretter weggebrochen, und sie hat so laut geschrieen, dass Sasuke vor Schreck losgelassen hat... Das war sch... äh, ziemlich ungünstig."

Er grinste und kratzte sich am Hinterkopf. Hinata konnte sich wirklich nicht erklären, warum Ino ihn einen stumpfen Trottel schimpfte – er war fast jeden Zoll ein Gentleman. Na ja, vielleicht nicht ganz, doch er korrigierte seine Ausdrucksweise ihr gegenüber. So wenig es sie auch interessierte, Hinata wusste zum Beispiel von Kakashis bevorzugter 'Literatur'.

"Da ist sie durch das Loch in der Brücke gefallen, und ich bin hinterher, weil... na ja, da war ein Fluss und ein Mädchen kann man nicht ins Wasser fallen lassen... Da hab' ich sie festgehalten, und Sasuke konnte nicht mal den Coolen spielen, weil er ja die Tragetaue halten musste. Leider ist bei diesem blöden, morschen Ding gleich die ganze Konstruktion gerissen, und wir sind gefallen... Nur Sasuke nicht, der Poser hat vorher losgelassen. Ich hab' das Chakra nicht schnell genug an den Sohlen gesammelt und Sakura musste mich rausziehen... Dafür hat sie den ganzen Heimweg kein Wort mehr mit Sasuke gesprochen, so beleidigt war sie."

Sein Grinsen wurde breiter, und er rieb sich verlegen den Nacken.

"Am nächsten Tag war's natürlich wieder beim Alten. Aber so verschossen in Sasuke, wie sie behauptet, ist sie gar nicht. Der wird schon sehen, dass ich sie ihm ausspanne!"

Hinatas Schultern sackten enttäuscht herab. Klar... Sakura. Sie hatte ganz vergessen, dass er in sie verliebt war. Wie naiv zu glauben, das hätte sich geändert. Naruto hatte sie seit der Akademie nicht aufgegeben, warum sollte er es tun, nur weil ihn Ino mit einem anderen Mädchen, das längst nicht so hübsch und schlagfertig war, in ein Zelt stopfte? Niedergeschlagen spießte sie eine der Erdbeeren auf und kaute lustlos darauf herum. Sie schmeckte jetzt irgendwie säuerlich.

Naruto schien davon gar nichts zu bemerken. Er fing schon wieder mit der nächsten Geschichte an, die da hieß 'Wie Sakura und ich uns fast geküsst hätten, auch wenn sie dachte, ich wäre Sasuke'. Zum fünften Mal.
 

"Sag mal, Shikamaru..."

Der Schwarzhaarige wandte Ino sein halbherziges Interesse zu, während sie in einem gemächlichen Tempo durch den Wald spazierten.

"Haben eigentlich alle Männer im Nara-Clan so ein Problem mit Frauen?"

fragte sie unverblümt. Hätte Shikamaru jetzt etwas im Mund gehabt, hätte er sich daran verschluckt. Auch so kam ein trockenes Husten heraus. Ino klopfte ihm auf den Rücken und wartete geduldig auf ihre Antwort.

"Wie kommst du schon wieder darauf?!"

Ino verdrehte die Augen.

"Wirklich... Bei euch tragen alle Typen Ohrringe, und so was macht offiziell schwul. Du hängst sowieso dauernd mit Choji rum. Außerdem gibt es für dich echt kein Mädchen, das dir nicht zu... mühsam ist."

Auf Shikamarus permanent gelangweiltem Gesicht deutete sich eine ironische Grimasse an.

"Ah ja. Du musst es wissen."

"Komm schon, ich unterstelle dir ja nichts. Ich will nur wissen, auf welchen Typ Frau du stehst!"

Shikamaru seufzte und rieb sich die Stirn.

"Hat das auch praktische Gründe?"

Ino grinste und warf sich ihr Haar über die Schulter.

"Hat es. Wenn ich die anderen verkuppele, muss ich auch herausfinden, wer deine Traumfrau ist!"

"So, musst du das."

Ino baute sich vor ihm auf und stemmte die Hände in die Hüften. Himmel, nein... Jetzt fing sie wieder an, ihre Dominanz einzusetzen, um ihn auszuquetschen. Wieso hatte jedes Mädchen ein so penetrantes Interesse an Liebe?!

"Bitte, Shikamaru... Wie sollte sie denn sein?"

"Hm... unkompliziert."

"Danke, das kann ich mir denken. Gut, fangen wir beim Aussehen an. Welche Haarfarbe?"

Shikamaru gähnte und machte Anstalten, an Ino vorbeizugehen.

"Das ist doch alles völlig nebensächlich. Sollten wir nicht allmählich zurück? Die anderen warten bestimmt."

Ino schüttelte ärgerlich den Kopf und stellte sich ihm wieder in den Weg.

"Fang' nicht damit an, Shikamaru! Dein ewiges Desinteresse verletzt jedes Mädchen, das romantische Gefühle für dich hegt! Sieh' dir Neji an. Er hat Tenten so lange ignoriert, bis sie ihre Liebe verleumdet! Willst du, dass dir das auch passiert?!"

"Wenn ich mir Sasuke so ansehe, klingt das schon fast besser."

Er hatte das nicht ernst gemeint, nur zeigen wollen, dass er nicht von Inos Partnervermittlung begeistert war. Allerdings war Sasuke da wohl das schlechteste aller Beispiele gewesen. Schlagartig verloren Inos Augen bei Erwähnung dieses Namens ihre Heiterkeit. Wortlos machte sie ihm den Weg frei und schubste ihn vorwärts.

"Ino, das-"

begann er seufzend, aber sie schnitt ihm einfach das Wort ab.

"Geh endlich. Die anderen warten."
 

Und sie warteten tatsächlich. Neji war eh pünktlich, ohne zu wissen, dass er es war. Klang komisch, schien ihm jedoch irgendwie im Blut zu liegen. So eine Art Gespür für den richtigen Zeitpunkt.

Naruto redete immer noch auf Hinata ein. Sie sah ihm ab und zu in die Augen und wirkte ganz und gar nicht glücklich. Ino gab wortkarg das Zeichen zum Aufbruch. Im Moment machte sie sich weder Gedanken über Hinatas bekümmerte Miene noch über Tentens Nachdenklichkeit. Später vielleicht. Gerade brauchte sie ihre Zeit für sich selbst.
 

Zurück im Lager, breitete sich eine träge Stimmung aus. Shikamaru suchte sich einen schattigen Platz, um vor sich hinzudösen, und Neji suchte sich einen blickgeschützten Winkel zum Meditieren. Naruto löste sich mal wieder in Luft auf. Hinata blieb zurück und zog sich in ihr Zelt zurück. Ino sprach sie nicht an – dass sie ihre Finger schon wieder nicht stillhielt, sprach Bände.

So weit, so schlecht. Die Zeit war reif, Tentens Reaktion auf Nejis Entschuldigung zu testen. Vielleicht hatte er ihr nur eine unfreundliche Abfuhr gegeben, doch dann wäre sie garantiert nicht Seite an Seite mit ihm zurückgekommen.

"Tenten! Ich fass es nicht, Shikamaru färbt schon auf dich ab! Was machst du da unten?!"

Ärgerlich pflanzte sie sich neben Tenten auf, die ausgestreckt im Gras lag, die Augen vor der blendenden Sonne geschlossen.

"Wonach sieht's aus?"

fragte sie trocken und hob eins ihrer Lider an.

"Nach einer Schildkröte, und davon hab' ich für heute genug. Los, hoch mit dir!"

Das Auge klappte sofort wieder zu.

"Keine Lust... Für heute ist der Planer durch."

Ino seufzte und ließ sich neben Tenten auf die Knie sinken.

"Tu' nicht so, als hättest du dich an meinen Plan gehalten. Soweit ich weiß, stand da nämlich nicht, dass du dich mit Neji prügeln sollst!"

"Ich bereue aufrichtig. Wenn du ein Stück nach links rückst, blendet die Sonne nicht so, wärst du also so nett?"

erwiderte Tenten desinteressiert. Ino rupfte empört einen Grashalm aus und zog ihn durch die Finger.

"Lass uns zu Hinata. Naruto hat mal wieder alles kaputt gemacht... Wie auch immer, ich hab' schon die nächste Phase vorbereitet. Dafür brauche ich dich - du musst dich um Neji kümmern."

Tenten drehte den Kopf zur Seite, weg von Ino.

"Nimm's mir nicht übel, aber da mach' ich nicht mit."

Ino ballte die Hände vor dem Mund und entlockte dem Grashalm einen äußerst unangenehmen, kreischenden Ton, bei dem die Braunhaarige zwar zusammenfuhr, ihre Augen allerdings kein Stück öffnete.

"Was soll das?! Ich dachte, wir hatten uns darauf geeinigt, dass Hinata und Naruto zusammengehören."

"Dagegen hab' ich ja nichts... Ich mach bloß nicht mehr mit."

Ino fing an, Tenten mit dem Halm im Gesicht zu kitzeln, woraufhin sie sich von ihr wegrollte. Was nur begrenzt effektiv war, da Ino ihr mit einem Satz den Weg versperrte.

"Seit wann das denn?!"

"Seit Neji mich herausgefordert hat und ich seine dämliche Wette verloren habe. Jetzt darf ich nicht mehr den Störfaktor spielen."

Ino starrte sie einen Moment fassungslos an, dann zerriss sie wütend den Grashalm und warf die Fetzen auf Tenten.

"WAS?! Du... Warum musstest du das machen?!"

"Hätte ich kneifen sollen?!"

knurrte Tenten und setzte sich ruckartig auf. Ihre Augen glitzerten angriffslustig. Ino kannte das zur Genüge – wenn Tenten irgendwo versagt hatte und man sie wegen ihrer Beweggründe kritisierte, wurde sie ärgerlich.

Ino ließ die Schultern hängen.

"Das wäre ausnahmsweise vernünftiger gewesen... Egal, du kannst mir trotzdem helfen. Das ist kein aktives Stören."

Tenten rutschte unbequem auf dem Boden herum. Offensichtlich behagte es ihr nicht wirklich, doch Ino überging ihre Zweifel.

"Weißt du, ich kann mir schon denken, was Naruto gemacht hat. Ohne weiteres kommt das nicht wieder ins Lot, deswegen müssen wir es irgendwie so hinbiegen, dass sie sich wirklich näher kommen, ohne dass Hinata aktiv daran beteiligt ist."

Tenten zuckte mit den Achseln und wischte sich das Gras von der Weste.

"Stell dich nicht so an."

Ino sah sie verwirrt an.

"Wie bitte?"

"Erfindung von Meister Gai. Das 'Stell dich nicht so an'-Verfahren."

Die Blonde rutschte interessiert ein Stück näher.

"Spezifizier' das bitte."

Tenten versicherte sich flüchtig, ob niemand sie belauschte, der es Neji danach mitteilen konnte, und begann:

"Das hat Meister Gai für Schüler entwickelt, die nicht so sind wie Lee, ergo die nicht alles hinnehmen und damit leben. Was glaubst du, was ich für ein Theater gemacht habe, als ich das erste Mal mit den zwei Jungs in einem Zelt schlafen musste?! Weil er keine Lust auf eine neue Szene hatte, wurde ich eben zu meinem Glück gezwungen."

Ino nickte und rupfte einen neuen Grashalm, den sie mit ihren spitzen Fingernägeln zerfaserte.

"Das nennt sich 'Stell dich nicht so an'-Verfahren und dient eigentlich der Abhärtung gegenüber dieser Hemmschwelle zwischen Mann und Frau. Inzwischen hab' ich schon x-mal mit Lee oder Neji in einem Bett geschlafen, 'n paar Mal auch mit Meister Gai... nicht empfehlenswert, der schnarcht und spricht im Schlaf. Die erste Nacht hab' ich kein Auge zugetan."

"W... Was? Mit dem Freak?!"

"Das ist das Ziel. Und bevor du fragst, mir ist nie etwas passiert. Der Meister und Lee sind Gentlemen, und Neji schläft wie ein Stein."

Ino grinste und schien sich eine sarkastisches Kommentar zu verbeißen, woraufhin Tenten ironisch hinzufügte:

"Keine Angst, von einem Mal wird Hinata nicht so burschikos wie ich, bevor zu dich aufregst. Aber wenn man sie und Naruto zwingt, näher zusammenzurücken, bleibt das Ganze noch natürlich."

Bevor Ino etwas sagen konnte, schnitt Tenten ihr das Wort ab und hob belehrend den Zeigefinger.

"Nein, Naruto wird nicht von Sakura reden, weil Hinatas Gesichtsausdruck ihm nicht entgehen kann. Das 'Stell dich nicht so an'-Verfahren muss auf kleinsten Raum begrenzt sein."

Inos Grinsen wurde breiter.

"Ich glaube, ich weiß auch schon, wie wir... wie ich das mache..."
 

"Schatz?"

Mit einem halb verwirrten, halb ahnungsvollen Gesichtsausdruck betrat Inoichi Yamanaka die Küche. Seine Frau sah von ihren brodelnden Töpfen auf und betrachtete ihn aufmerksam.

"Shikatos Gattin war vorhin bei uns im Laden."

"Ach... Wie schön, wollte sie Blumen für ihn?"

Inoichi schüttelte den Kopf.

"Nein, für ihren Sohn. Und sie hat mit gratuliert."

Misstrauisch verschränkte er die Arme.

"Sie meinte, sie wüsste nicht, was sie mit Shikamaru tun würde, wenn Ino-chan nicht wäre."

Seine Frau begegnete scheinbar ahnungslos seinem Blick.

"Du weißt doch, dass Shikamaru sich nicht viel aus Mädchen macht. Ist es so schlimm, wenn sie sich freut, dass Ino-chan trotzdem Zeit mit ihm verbringt?"

"Daran ist gar nichts schlimm, aber Ino-chan ist nirgendwo in ganz Konoha aufzufinden! Und die Blumen sind angeblich für Shikamarus Rückkehr."

Inoichis Stimme wurde unerbittlich.

"Ich würde gern erfahren, warum meine Tochter sich in ihrer dienstfreien Zeit außerhalb des Dorfes mit einem Jungen herumtreibt! Meine kleine Ino-chan-"

"... ist zufällig auch meine kleine Ino-chan und alt genug, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem ist Shikato ein alter Freund, also worum machst du dir Sorgen?"

fragte sie herausfordernd und stemmte die Hände in die Hüften. Inoichi seufzte. Der berühmte Dickschädel der Yamanaka-Kunoichi starb so schnell nicht aus.

"Warum interessiert Ino-chan sich von heute auf morgen für Shikamaru?! Jahrelang hieß es nur 'Sasuke'. Nicht, dass ich das gutgeheißen habe-"

"Nicht, dass du das je tätest. Ino-chan ist sicher nicht allein dort. Vielleicht hat sie Shikamaru eingeladen, um ihn mit einem anderen Mädchen bekannt zu machen, und seine Mutter hat das falsch verstanden."

Sie warf sich ihr Haar über die Schulter und wandte sich wieder ihren Töpfen zu.

"Wie auch immer, du kommst mir gerade recht. Wenn du nicht im Dienst bist, kannst du die Süßigkeiten probieren."

"Schatz-"

"Ich will nichts mehr hören!"

"Wenn Ino-chan-"

"RUHE!"

Manchmal fragte er sich, wie Shikato es mit einer Frau von einem noch gewaltigeren Kaliber aushielt.
 

Anm.: Inoichi mag zwar nicht so leicht einzuschüchtern sein, aber der Gedanke, dass Ino ihren Charakter von ihrer Mutter hat, liegt für mich näher.

Ich wiederhole: Ich mache keine ENS-Benachrichtigung.

Tanja-Chan14: Mitten im Sommer ein Weihnachtsspecial - ganz schön morbid, nicht?

Vanillaspirit: Nein, du kennst mich nicht. Aber ich habe wohl ganz gutes Feedback über dich gehört, und im Gegensatz zu Animexx kann man dort keine Nicknames ändern, ergo fühlt sich kein Falscher angesprochen.

Schluss mit Lustig

"UZUMAKI!"

"Äh... Yes, Ma'am?"

Ino stemmte die Hände in die Hüften und bot das Schaubild der personifizierten Autorität. So was schüchterte selbst Naruto von Zeit zu Zeit ein.

"Du gehst Feuerholz sammeln."

"Warum?! Da ist noch was von gestern!"

Ino warf ihm einen vernichtenden Blick zu und beugte sich vor.

"Willst du mir unterstellen, dass ich nicht weiß, was richtig ist?"

"Eigentlich..."

"Halt die Klappe, das war eine rhetorische Frage!"

"A... Ach ja?"

Naruto sah hastig woanders hin. Ino konnte manchmal wirklich gruselig sein.

"Du könntest dir wirklich mal etwas Mühe geben! Sensibel sein! Aber nein... Sakura, Sakura, Sakura."

"Lass Sakura-chan in Ruhe!"

"Sei still, wenn ich rede! Und sieh gefälligst nicht ständig weg!", fauchte Ino. Gehorsam zwang Naruto sich, nicht ständig den Kopf zu drehen. Allerdings... in die Augen, das war zuviel verlangt. Sie war einfach unheimlich.

"I... Ino-chan, er...", stammelte Hinata hastig und suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, die Situation zu entspannen.

"Er starrt dir in den Ausschnitt.", bemerkte Neji beiläufig. Hinata war entsetzt. Naruto war paralysiert. Shikamaru war desinteressiert. Tenten war wütend. Und Ino war richtig sauer. Ihr Tritt beförderte Naruto in hohem Bogen ins Gebüsch. Hinata schrie erschrocken auf, bevor sie sich beherrschen konnte.

"Naruto, du elender Perversling! Oh... Sorry, Hinata."

Tenten zischte einen unverständlichen, akzentuierten Fluch.

"Das musste jetzt natürlich sein, nicht wahr?"

Neji zuckte unbeeindruckt mit den Schultern.

"Es war die Wahrheit."

"Darum geht es gar nicht! Du kritisierst Naruto am laufenden Band!"

Der Hyuga blieb völlig unbeeindruckt.

"Natürlich. Derartige Mängel wären für einen Heiratskandidaten undenkbar."

"Hal-lo, Neji, lass es sein! Noch ist sie nicht so weit! Warum lässt du sie nicht wenigstens-"

"Die Diskussion ist überflüssig."

Nejis pupillenlose Augen blieben kalt und hart.

"Oder hast du vorhin etwa nicht verloren?"

Mit diesem wenig freundlichen Kommentar ließ er sie stehen. Tenten hätte ihm am liebsten das nächstbeste Schwere nachgeworfen, das sie fand. Was gab ihm das Recht, so mit ihr zu sprechen?! Sein arrogantes Benehmen regte sie immer mehr auf. Zeit ihrer Bekanntschaft hatte sie ihn als etwas wie ihren Freund betrachtet. Und er tat so, als sei sie genauso wertlos wie Naruto, den er offensichtlich schon als totale Null abgestempelt hatte.

Von wegen "Es tut mir leid"! Dieser Eisklotz hatte sich nur wieder an ihr rächen wollen!
 

Hinata war unschlüssig, ob sie Naruto helfen sollte. Immerhin war das eine eindeutige Geste... Andere Frage: Was hätte Sakura getan? Damit war sie überfordert. Sie kannte das Mädchen kaum, und Naruto hatte sich in sie verliebt, obwohl sie pausenlos einen anderen anhimmelte. Aber sie konnte unmöglich so tun, als gäbe es da einen Anderen.

In der Zeit, in der sie mit sich rang, war es Naruto bereits allein gelungen, sich von den Zweigen zu befreien. Er warf Neji einen bösen Blick zu und schüttelte den Kopf, um die Blätter loszuwerden.

Hinata seufzte und fasste zusammen: Naruto mochte Mädchen, die sowohl körperlich als auch charakterlich etwas zu bieten hatten. Keins von beidem war bei ihr in Normalsituationen vorhanden. Und sie würde ihren Cousin ganz sicher nicht herausfordern, um zu testen, ob das noch mal klappte. Von den ganzen Widrigkeiten dieses Vorhabens gar nicht zu sprechen.

Sie sah auf sich herunter. Gut, sie hatte den typischen Körperbau einer Hyuga, die sich mehr auf Geschick und Sinnkraft verließ. Sie trug nie figurbetonende Kleidung oder kurze Röcke wie Ino, und sie wusste auch nicht, wie sie daran kommen sollte. Ihr Vater verurteilte die teilweise sehr ausgefallene Mode der Kunoichi, und er hätte niemals geduldet, dass sie sich genauso benahm wie andere Mädchen in ihrem Alter. Darüber hinaus hatte Hinata nie den Wunsch verspürt, ihm gegenüber ungehorsam zu sein.

Das zitronengelbe Kleid hatte er ihr für den sechzehnten Geburtstag eines potenziellen Clanstammhalters gestattet. Es endete ein Stück unterhalb der Knie und war ungefähr über dem Schlüsselbein waagerecht ausgeschnitten. Deshalb war es noch ziemlich.

Hinata war bisher sehr stolz auf das Kleid gewesen, doch offenbar sprach es Naruto nicht an. Was sollte sie tun? Wegen ihrer zierlichen Statur waren ihre Proportionen noch kleiner als bei den anderen Mädchen. Es würde allenfalls lächerlich wirken, sie zu betonen.

Hinata ließ verzweifelt die Schultern hängen. Sie wusste nicht weiter. Tenten würde versuchen, ihr die Sorgen auszureden, wenn sie sich ihr anvertraute, und Ino bestand darauf, dass sie sich nicht verändern musste. Ganz davon zu Schweigen, dass Neji es nie tolerieren würde, wenn sie ihren Kleidungsstil änderte.

"Hey, noch was. Morgen machen wir einen Badeausflug, also pack' zusammen, Uzumaki.", kommandierte Ino und zupfte ihr Haar zurecht. Es schien ihr sehr am Herzen zu liegen, dass Naruto sich ihr nicht widersetzte. In dieser Hinsicht war sie wie Sakura. Naruto mochte also selbstbewusste, dominante Mädchen ohne Minderwertigkeitskomplexe.

Die Diagnose hätte kaum niederschmetternder sein können.
 

"Warum unbedingt ein Badeausflug? Damit bringst du Hinata wieder in Verlegenheit.", brummte Tenten, während sie ihre Füße ins Wasser baumeln ließ. Sie tat es nicht, weil ihr zu warm war. Aber wenn sie die Oberfläche zerstörte, sah sie wenigstens nicht ihr niedergeschlagenes Gesicht. Neji hatte es wieder einmal geschafft.

"Nein... Ach Quatsch, mit ihrer Figur hat das nichts zu tun. Im Wasser sieht er das nicht."

Ino saß neben ihr rittlings auf dem Baumstamm und umschlang ihn mit beiden Beinen, um nicht zu fallen. Solange sie unter Mädchen war, gestaltete sich das mit Rock nicht als großes Drama. Vorsichtig glättete sie einen Grashalm, den sie vorhin ausgerissen hatte, mit dem Zeigefinger. Eine Pflanze in der Hand zu haben half ihr beim Denken.

"Ich weiß, sie ist traurig, weil der Volltrottel sie auf Sakura angesprochen hat-"

"Und Shikamaru dich auf Sasuke, das stand dir vorhin auf die Stirn geschrieben."

Ino zog eine Grimasse und hielt einen Moment still.

"Da ist ein Unterschied. Was Sakura angeht, ist Hinata nicht so tough. Shikamaru hat mir ja wenigstens nicht vorgeschwärmt, wie cool Sasuke-kun aussieht."

Sie strich sich mit dem Grashalm übers Kinn.

"Trotzdem, mit irgendetwas muss sie Narutos Aufmerksamkeit erregen. Meinst du, Hinata würde Push-Ups akzeptieren?"

"Im Wasser. N' kleines bisschen ungeschickt, nicht?", erwiderte Tenten und spritzte eine Ladung Wasser über den Weiher.

"Stimmt... Das passt einfach nicht zu ihr. Sie müsste irgendwie... Mann, körperlich bist sogar du weiblicher als sie!"

"Vielen Dank.", murmelte Tenten ironisch und trat wieder ins Wasser. Es stimmte, trotz ihres Trainings hatte sie eine durchaus weibliche Figur.

Ino grinste und klopfte ihr auf den Rücken.

"Du bist schlichtweg stämmig, das ist es bestimmt."

"Meinetwegen."

"Etwas mehr Begeisterung!"

Ino griff auf ihre neuentdeckte Geheimwaffe zurück und pfiff einen grellen Quietsch-Ton auf dem Grashalm. Tenten zuckte zusammen, sagte jedoch nichts.

"Tenten?"

Ino beugte sich zur Seite, um die Miene der Braunhaarigen zu sehen.

"Hey... Was ist los?"

Tenten warf ihr einen flüchtigen, bitteren Blick zu. Ihre Lippen waren fest zusammengekniffen, unter ihren Augen zuckten Muskeln.

"Verdammt, ich hasse diesen Kerl...", flüsterte sie tonlos.
 

Neji und Tenten verschwanden beide in ihren Zelten, sobald es möglich war. Angesichts ihres Bekenntnisses fragte sich Ino, wie sie es schaffen sollte, die beiden morgen mitzunehmen. Hier lassen konnte man sie auf jeden Fall nicht, das endete bloß wieder in einem Kampf. Zusätzlich würden ihre ständigen Anfeindungen die Stimmung drücken. Als hätte sie nicht genug um die Ohren! Offensichtlich konnte Neji ein noch größeres Arschloch sein als Sasuke.

Angesichts der Situation schien es sowieso geschickter, schlafen zu gehen und morgen früh aufzubrechen, um nicht in der prallen Sonne laufen zu müssen.

Hinata wartete, bis Naruto verschwunden war, um sich zu waschen, bis sie zögerlich an Ino herantrat und ihr zuraunte: "Uhm... M... müssen wir unbedingt Schwimmen gehen, Ino-chan?"

"Es wird heiß morgen, das hab' ich im Gefühl."

Die Schwarzhaarige trat von einem Fuß auf den anderen und rang die Hände.

"Na ja... aber ich, äh..."

Ino klopfte ihr auf die Schulter und schob sie in Richtung ihres Zelts.

"Keine Sorge, du wirst ganz bezaubernd aussehen. Und jetzt ruft der Schönheitsschlaf."

Schönheitsschlaf? Klang nach etwas, das sie brauchen konnte...
 

Ungefähr eine Stunde, nachdem in Hinatas und Narutos Zelt das Licht ausgegangen war, lag Tenten immer noch wach. Draußen brannte schwach das Lagerfeuer. Tenten musste beinahe grinsen – sah ganz danach aus, als würden Shikamaru und Ino auch nicht schlafen.

Der simple Grund, warum sie nicht grinste, war dass ihr nicht danach war. Die imaginäre Neji-Akte enthielt eine Demütigung mehr, eine von geschätzt 500.000 in allein ihrer Teamzeit. Wie deprimierend.

Tenten seufzte und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. So, nachdem ihr distanziertes Benehmen ihm gegenüber auch nichts gebracht hatte... Was nun? Er hatte es trotzdem geschafft, ein Loch in ihren Wall zu reißen.

Nicht, dass sie nie versucht hätte, auf einen anderen Kerl umzusteigen. Es kam wirklich nicht auf das Äußere an, aber in Lee fand sie nicht mehr als einen besten Freund. Dafür machte er diesen Job tadellos. Er war ihr nie böse gewesen, obwohl sie Neji immer unterstützte.

Es kam ihr so vor, als hätte die Unnahbarkeit, die Neji quasi auszuatmen schien, etwas auf sie abgefärbt. Andere begegneten ihr mit Respekt oder Höflichkeit, doch ihr schien die Fähigkeit, auch mit Zivilisten Freundschaft zu schließen, abhanden gekommen zu sein.

Bis zum Beginn der Pubertät war ihr das nicht mal aufgefallen, und in einer Zeitspanne danach hatte es sie nicht interessiert. Jetzt, wo Neji ihr immer noch frustrierend wenig Aufmerksamkeit schenkte, fing sie an, sich darüber zu ärgern. Sie sah erträglich aus. Sie war weder unfreundlich noch sonstig charakterlich unangenehm. Dennoch schien etwas in ihrer Ausstrahlung gewöhnliche Menschen auf Abstand zu halten. Übrigens sehr zum Kummer ihrer Familie. Dass sie kein Bluterbe besaß, war kein Grund, ihren in der Tat weit reichenden Stammbaum mit einem brüsken 'unfähig, sich einen Ehemann anzulachen' zu beenden.

Sie hatte alles versucht, um sich Neji aus dem Kopf zu schlagen. Mental, denn Tenten glaubte nicht an die dümmlichen 'Rituale' aus den Mädchenzeitschriften, die Ino las. Lee konnte sie natürlich nicht fragen. Er war noch fester als irgendjemand davon überzeugt, dass sie füreinander geschaffen waren.

Wenn sie also nicht im Dienst starb, würde sie irgendwann einen wildfremden Kerl heiraten, ihm zwangsweise Kinder schenken (davor gruselte sie sich jetzt schon, die Mutterrolle lag ihr nicht) und den Rest ihres Lebens vor dem Herd zubringen. Wie-schön.
 

(Information am Rande: was am Lagerfeuer passiert ist, wird zu einem späteren Zeitpunkt enthüllt)

"Aufstehen! Tenten!"

"Mhmmm?"

"Wir wollen gleich los! Zieh' dich um und nimm deine Sachen!"

"Muss das sein?"

Tenten vergrub ihr Gesicht tiefer in ihrem Kissen. Sie fühlte sich nicht, als hätte sie geschlafen, und sie fror. Dementsprechend wenig Lust verspürte sie, heute zum Schwimmen zu gehen.

Sie hörte Ino empört schnauben.

"Natürlich muss das sein! Los, steh auf!"

"Warum...?"

"Weil die anderen warten! Du bist doch sonst keine Langschläferin, und Neji macht schon wieder Kommentare."

"'Alle'? Shikamaru ausgeschlossen, nicht wahr?"

"Nix da, der ist auch wach. Willst du da überwintern?!"

"Klingt gut... Könnt ihr nicht schon mal vorgehen? Ich komm' nach..."

"Verarschen kann ich mich alleine. Wenn du nicht in zwei Minuten draußen bist, schick' ich Neji zu dir rein!"

Tenten stöhnte und hob ihr Gesicht aus dem Kissen.

"Das mach' mal, dazu müsstest du ihn wie ein Postpaket verschnüren..."

Ino kicherte.

"Wir Yamanakas können noch mehr als Blumen verpacken. Komm schon, oder muss ich dich persönlich rausholen?"

"Nein... Kein Bedarf."
 

Drei Minuten später war Tenten fertig. Sie war nicht in der Stimmung, auf die von Neji verstrahlte Verachtung zu reagieren, und trottete lustlos hinter den anderen her. Dieser Tag war im Eimer, das fühlte sie.

Und damit war sie nicht die einzige. Hinata hegte nach Narutos gefühlvoller Liebesdemonstration für Sakura keine allzu großen Hoffnungen auf 'mehr als Freunde', außerdem war sie gestern nicht dazu gekommen, Ino über etwas Bestimmtes aufzuklären... Und jetzt erwischte sie die Blonde nicht mehr allein.

Neji war sowieso nicht einverstanden. Er plante auch nicht, ins Wasser zu gehen. Das besaß keinen nachvollziehbaren Grund, und seine Haare würden ewig zum Trocknen brauchen.

Schließlich machte Ino am Waldrand Halt und wies auf das weite Feld vor ihnen.

"Da sind wir. Vom See sind's gut 500 bis 600 Meter... aber ich hab' Sonnenschirme, allerdings nur drei."

Tenten verdrehte die Augen und wischte sich ihren Pony aus der Stirn.

"Ino..."

"Ich weiß, ich weiß. Shikamaru und Neji können sich einen teilen, passt dir das?!"

Tenten verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens, als sie durch das hohe Gras zum See stapften. Immerhin hatte Ino Shikamaru wohl kaum aus Spaß an der Freude eingeladen, um ihn dann bei jedem ihrer Kupplungsversuche mitzuschleppen. Doch Ino zuckte daraufhin nur mit den Schultern.

"Shikamaru schläft eh ¾ der Zeit... ¼ hab' ich ihm zum Schwimmen abgequatscht."

"Ah... Gestern Abend?"

"Kann schon sein..."
 

Das Erste, worüber Naruto sich beschwerte, war das hohe Gras. Also rollte er so lange auf dem Boden herum, bis es platt genug war, um Handtücher auszulegen. Hinata verbarg ihr Kichern hastig hinter der vorgehaltenen Hand.

Ino verdrehte bloß wieder die Augen. Sich zum Deppen machen, das konnte dieser Chaot natürlich. Hoffentlich riss er sich zusammen, wenn ihr Plan in Kraft trat. Und dieser Plan hatte nur eine Phase – die musste klappen, einen Plan B gab es nicht.

Sie hatte die anderen gebeten, sich die Badesachen unter zu ziehen und bestand auf Sonnencreme. Zu ihrer großen Enttäuschung konnte sie Naruto nicht bitten, Hinata den Rücken einzucremen. Die Hyuga trug zwar einen sehr niedlichen, jedoch auch recht deckenden Badeanzug, der überhaupt keinen Rückenausschnitt hatte. Mit Tenten sah es nicht viel besser aus, und leider kam sie dank ihrer Gelenkigkeit selbst an die freien Stellen.

Da Naruto mit Sonnenbränden bereits schmerzhafte Erfahrungen gemacht hatte, musste er nicht lange überredet werden. Shikamaru war das sowieso recht, immerhin brauchte die Creme einige Minuten (keine halbe Stunde... sagen wir, das ist ein besonders schnellwirkendes Produkt), um in die Haut einzuziehen. Zeit, in der ihn Ino nicht ins Wasser scheuchen konnte und er nicht Gefahr lief, wach zu werden.

Neji weigerte sich standhaft, seine Sachen auszuziehen. Ino konnte ihm schwerlich Tenten schicken, damit sie ihn überzeugte, also beließ sie es vorerst dabei, wenn auch mit einem "Seid ihr alle so verklemmt?!".
 

Zehn Minuten später hatte Naruto mit seiner Quengelei und seinen ewigen Beschwerden Inos Nerven pulverisiert. Vor allem, weil er die ganze Zeit vor ihr herumhampelte, anstatt gesittet neben Hinata auf seinem Handtuch zu sitzen und sie seinen imaginären Sixpack bewundern zu lassen, damit sie endlich wieder Vertrauen in die Liebe fasste.

Sie musste ihn wirklich eingeschüchtert haben, sodass er auf ihr Kommando wartete, also gab sie schließlich das Wasser frei. In Form einer jubelnden Kanonenkugel katapultierte er sich in den See – mit dem Resultat, dass er Shikamaru und Neji nass spritzte. Neji trocknete sich den Oberkörper mit einer geradezu beängstigenden Ruhe, während seine Augen Funken sprühten. Shikamaru nahm das als Anlass, da er sowieso schon wach war, das aufgequatschte Viertel seiner Zeit schwimmen zu gehen.

Tenten kümmerte sich um den Wasserball und Inos Luftmatratze. Sie hatte keine Lust zum Schwimmen und noch weniger Lust, dabei von Neji beobachtet zu werden. Gedanklich würde er jeden Atemzug von ihr verspotten, und das konnte ein ziemlicher Stimmungskiller sein.

Von den Mädchen war Ino die einzige, die sich offenbar Mühe mit ihrem Aufzug gegeben hatte. Sie hatte ihre Haare extra mit einer schonenden Kur eingerieben, damit die Sonnenstrahlen ihm nicht schadeten, und sich einen indigofarbenen Bikini untergezogen. Es war schon schlimm genug, dass Tenten sich mal wieder kreativ im Verleugnen der eigenen Weiblichkeit zeigte (zumindest empfand Ino das Folgende als Verleugnung). Was sie trug, war zwar zweiteilig, bestand jedoch unten aus etwas, das problemlos als Jungenbadehose hätte durchgehen können – das hieß, beinahe knielang und absolut figurunbetonend. Der obere Teil ähnelte eher einem bauchfreien Top.

"Was ist denn das?! Ein chinesisches Bauchtanzoutfit?!", spöttelte die Blonde und fing sich einen bösen Blick ein.

"Was stört's dich? So hast du die ungeteilte Aufmerksamkeit... Neji starrt dir auf den-"

Ino fuhr herum, bevor Tenten den Satz zuende bringen konnte. Ihre Lautstärke war nicht zu überhören, und Naruto hörte sogar auf, Shikamaru mit Wasser zu bombardieren, bevor dieser sich an die Temperatur gewöhnt hatte.

"Sie meint's nicht so!", zirpte Ino ein wenig gekünstelt. Neji hüllte sich zur Antwort in eisiges Schweigen.

"Was soll denn das, er hat nicht mal hergesehen!", zischte sie und drückte den Wasserball zusammen, sodass Tenten einen Schwall Luft in den Mund bekam.

"Na und?! Naruto hat dir auch nicht in den Ausschnitt geguckt!"

Neji seufzte leise, während er die Beine für seine bevorzugte Meditationspose überkreuzte. Frauen waren gut darin, sich die Realität nach ihren Wünschen hinzubiegen... So gut, dass sie in ihrer Traumwelt selbst den Überblick verloren.
 

"Wie lange wollt ihr denn noch da rumsitzen?!"

Eine Viertelstunde später waren weder Tenten noch Hinata ins Wasser gekommen, und Ino war der Meinung, sie würden es auch so schnell nicht tun... wenn man ihnen keinen sanften Tritt in die richtige Richtung gab. Sprich: die richtigen männlichen Arme.

Sie kletterte ans Ufer, wobei sie ihre triefnassen Haare auf dem Rücken sortierte, und marschierte auf die beiden zu.

"Wollt ihr einen Hitzschlag kriegen?! Ihr seid wirklich alt genug, um schwimmen zu können, also bewegt euch endlich!"

Ino schüttelte ihren nassen Pferdeschwanz und wrang ihn über Tentens hochgestecktem Haar aus. Die Kunoichi knurrte empört und sprang auf, wobei sie fast den Sonnenschirm umstieß.

"Natürlich kann ich schwimmen, es ist mir nur zu dumm."

"Sieh es als Ganzkörperwäschegelegenheit."

Tenten antwortete ihr mit einem Blick, der frustriert ausschrie: Ich will keine Ganzkörperwäsche mit einem notorischen Spanner, einem scheinbar asexuellen Desinteressierten und einem gehässigen Miesmacher.

"Es wird dir gefallen. Bitte..."

Tenten knurrte und gab klein bei. Mit eiserner Selbstbeherrschung stieg sie ins kalte Wasser. Das Ufer fiel fast sofort ab – kein Platz für Planscherei. Obwohl sie Temperaturumstellung in ihrem Körper zweifellos hoch war, sodass ein normaler Mensch sich erst mal an die Kälte gewöhnen müsste, zuckten ihre Muskeln nicht. Als Ino versuchte, ihr zur Krönung ihres Sieges die Frisur aufzulösen, packte sie die Blonde am Arm, zog sie in den See und drückte ihren Kopf einen Augenblick unter Wasser. Prustend und beleidigt tauchte sie wieder auf.

"Was denn?! Du fällst mal wieder aus der Reihe, sogar Shikamaru hat sein Haarband gelöst!"

"Du hast ihn gezwungen."

"Kommt auf's Gleiche raus.", zwitscherte Ino munter und ging zum nächsten Angriff über.

"Sei keine Spielverderberin, Hinata! Sogar Tenten ist gekommen, und das Wasser wird deiner absolut perfekten Figur-" Sie warf Naruto einen drohenden Seitenblick zu, damit er bloß nicht gelangweilt die Augen abwandte. "-garantiert nicht schaden!"

Selbst aus der Distanz sah sie, wie Hinata sich so klein wie möglich machte und verzweifelt ihre Fingerspitzen gegeneinander drückte.

"Ich... ich weiß nicht..."

"Komm schon, es wird dir Spaß machen!"

Naruto ruderte wild mit den Armen, wobei er wie ein Rasensprenger Wasser um sich herum verspritzte. Nejis Mundwinkel zuckten ärgerlich, als er sich zum wiederholten Mal Tropfen aus dem Gesicht und von seinen Stirnbandagen wischte.

Bevor Ino fortfahren konnte, schwamm Naruto ans Ufer und rannte über die Wiese. Hinata wurde umso nervöser.

"Vielleicht ist es keine gute Idee, sie so zu drängen... Sie ist irgendwie seltsam.", raunte Tenten, und Ino zog hilflos die Schultern hoch. Ein klares Zeichen, dass die Situation ihr aus den Händen geglitten war.

Naruto fasste mit seiner nassen Hand Hinatas zierlichen Arm und zog sie auf die Füße. Das Mädchen errötete furios und stammelte einige zusammenhanglose Sätze.

"Keine Sorge, hier lacht dich keiner aus.", kommentierte er im sorglosen Plauderton. Hinata gewann wieder die Kontrolle und blieb stehen. Zum Glück zerrte Naruto sie nicht gewaltsam weiter und stoppte ebenfalls.

"Ich hör' nicht, was sie reden...", murmelte Ino und schwamm so weit, dass sie festen Grund unter den Füßen bekam. Nejis weißliche Augen folgten jeder Lippenbewegung seiner Cousine.

"Dann ist es ja kein Problem. Komm mit!"

Naruto schnappte sich Hinatas Hand und schob sie seitlich von den anderen weg.

Unwillkürlich drehte Tenten sich zu Neji um.

"Was hat sie gesagt?"

"Dass sie sich erst ans Wasser gewöhnen muss und deshalb an einen flacheren Ort will.", antwortete er sachlich, dennoch mit einem missbilligenden Unterton. Keine Frage, er machte sich Sorgen wegen Hinata.

"Ach so, gut.", zirpte Ino gutgelaunt und setzte zu einer erneuten Attacke auf Tentens Haare an. In diesem Moment kam ihr eine geradezu brillante Idee, wieder Schabernack zu treiben.

"Tenten-chan, halt bitte meinen Körper!", flüsterte sie mit dem üblichen, flirtenden Unterton. Tenten war überrascht, doch geistesgegenwärtig genug, Inos leblosen Körper aufzufangen, bevor er untertauchte.

Im gleichen Herzschlag zuckte Shikamarus Körper so heftig zusammen, dass kleine Wellen von seinem Körper ausgingen. Er blinzelte einige Male – dann drehte er sich mit einem fast bösartigen Grinsen in Nejis Richtung.

In Tentens Kopf klickte ein Rädchen und rastete ein. Dasselbe Zucken, das Neji gestern durchlaufen hatte... Derselbe Moment der Verwirrung... Dieselbe Charakteränderung...

Beinahe ließ sie Inos Körper ins Wasser fallen.

"Du!", stieß sie hervor. Deshalb hatte Neji so dämlich herumgestottert! Ino hatte seinen Körper nicht völlig unter Kontrolle halten können und hatte bei dem Versuch, die Situation zu entspannen, falsche Hoffnungen in Tenten geweckt.

Shikamaru, oder besser diejenige, die seinen Körper jetzt steuerte, wandte sich ihr mit erschrockener Miene zu. Leider verrieten ihre Augen, dass Tentens Verdacht absolut richtig war.

"Lös' das sofort auf, sonst lass' ich dich fallen!"

Die Drohung war völlig unnötig, doch sie unterstrich den Ernst der Lage. Shikamaru verflocht seine Finger und schloss die Augen. Mit einem erneuten Zucken erwachte Inos Körper zum Leben, während Shikamaru vor Verwirrung kurz untertauchte. Tenten hatte keine Augen dafür, dass sein Haar tatsächlich offen war.

"Du hast gestern dieses Theater abgezogen, damit..."

Sie würgte den Kloß im Hals herunter.

"... damit ich mir tatsächlich irgendwelche stumpfsinnigen Hoffnungen mache! Sag mal, hat dir noch niemand klar gemacht, dass das Leben keine verdammte Soap ist?!"

Ino stand still, ließ sich anschreien. Tenten war den Tränen nahe, das war offensichtlich, und es war mehr als peinlich, ihre verleugneten Gefühle vor allen anderen preisgeben zu müssen. Ino warf Shikamaru über die Schulter einen flehenden Blick zu, doch er rührte sich nicht – Strafe für die pinke Haarkur wahrscheinlich. Er würde ihr sicher nicht helfen.

"Das ging eindeutig zu weit, Ino! Du hast mich vollkommen lächerlich gemacht, du hast-"

"HINATA IST WEG!"

Alle Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf Naruto. Der Blonde war außer Atem, stützte sich auf den Knien ab und wischte sich mit gehetzter Miene verschwitzte, nasse Haarsträhnen aus den Augen.

"Was?"

Nejis einfache Frage war schnell und scharf. Sein Interesse an Tentens Gefühlsausbruch war verflogen, falls es je bestanden hatte.

"Ich... Sie war so zurückhaltend und hat ständig versucht, mir was zu sagen... Ich dachte, es ist wegen der Kälte..."

Mit einem einzigen Satz war Neji neben ihm, auch die anderen kletterten ans Ufer. Naruto schluckte schwer. Er schien Nejis bohrenden Blick nicht auszuhalten.

"Was hast du getan?"

Die Stimme des Hyuga war eisig. Niemand machte sich die Mühe, ihn zurechtzuweisen.

"Sie... sie war plötzlich weg... Ich... hab sie... geschubst..."

Nejis Hände schnellten vor und packten Naruto bei den Schultern. Plötzlich wirkte der Teenager bedrohlicher als sein Onkel mit seinem strengen Gesicht.

"Ins tiefe Wasser?"

Der raue Hauch in seiner Aussprache ließ Tentens Warnglocken schrillen. Ihre Wut auf Ino war nichtig, sie verschwendete keinen Gedanken mehr daran. Sie legte ihre Hand auf Nejis Handgelenk und drückte zu, damit er seinen Druck verminderte. Jede einzelne Muskelfaser unter ihren Finger war hart vor Anspannung.

Naruto schluckte wieder und nickte.

"Was... was hat das zu bedeuten?", stammelte Ino. In ihrem Gesicht stand unübersehbare Angst. Neji ignorierte sie, und er ließ sich auch nicht von Tentens warnender Geste beeinflussen. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest war sein Griff.

"Du hast sie ins Wasser gestoßen?", wiederholte er. Naruto wollte ratlos mit den Achseln zucken, doch er bekam sie keinen Millimeter hoch. Dann endlich löste sich Nejis krampfhafte Beherrschung.

"DU GOTTVERDAMMTER IDIOT! HAST DU JE DARAN GEDACHT, DASS HINATA VIELLEICHT NICHT SCHWIMMEN KANN?!!"
 

Ganz viel neuer Stoff zum Neji-Hassen. Aber bei der Gelegenheit entschuldige ich mich schon mal für das OOC... Es soll Leute geben, die bei diesem/dem nächsten Kapitel mit spitzen Gegenständen werfen, bevor ich mich rechtfertigen konnte.

Was Inoichi angeht: Der Auftritt war nicht zum Spaß. Ich bitte nur um etwas Geduld.

Pure Vernunft darf niemals siegen

"DU GOTTVERDAMMTER IDIOT! HAST DU JE DARAN GEDACHT, DASS HINATA VIELLEICHT NICHT SCHWIMMEN KANN?!!"

Neji schrie nie. Es passte einfach nicht zu ihm. Aber jetzt schrie er, und es war, als würde dafür jedes Geräusch um ihn verstummen.

"Ich hab alles abgesucht! Sie ist nicht im Wasser, ich..."

rechtfertige Naruto sich. Neji achtete nicht darauf. Er stieß ihn weg, und der Blonde fiel ins Gras. Er schien die Situation selbst nicht verstehen zu können.

Tenten sah flüchtig über die Schulter, während Neji wortlos davonrannte.

"Ihr sucht den See ab und wir die Umgebung."

ordnete sie tonlos an.

"Ich komme mit!"

Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, packte Tenten Narutos Arm, zog ihn auf die Füße und rannte.

Ino brach in die Knie. Ihre Schultern bebten.

"Wenn Hinata ertrunken ist? Das... das war meine Idee, das ist meine Schuld..."

wimmerte sie und stützte das Gesicht in die Hände. Shikamaru hatte keine Zeit, menschlich zu reagieren. Das hier war eine Krisensituation, und genau wie Tenten musste er den Überblick behalten. Ohne ein Wort der Erklärung riss er sie wieder hoch, einen Arm um ihre Taille geschlungen. Wenn Hinata tatsächlich im Wasser war, schwebte sie in größter Lebensgefahr.

Er hatte nicht den Nerv, auf die scheinbar zusammenhanglosen Satzbrocken zu hören, die Ino zwischen ihren Schluchzern murmelte. Was er besser hätte tun sollen.
 

Nejis nahezu farblose Augen suchten die Gegend ab. Er mochte es sich eingestehen oder nicht, er hatte nicht die volle Konzentration. Für Hinatas Leben trug er Verantwortung. Dass er es nicht geschafft hatte, auf einem Campingausflug beim Schwimmen auf seine Cousine aufzupassen, zeugte von größter Unfähigkeit. Sein Onkel würde ihn mit schmerzhafter Sicherheit aus dem Clan verstoßen, wenn seine Tochter nicht zurückkam.

Darüber hinaus war Hinata nicht irgendeine Cousine. Sie hatte ihm seinen jahrelangen Hass verziehen und mit ihrer Schüchternheit tatsächlich Zuneigung und Beschützerinstinkte geweckt. Sie zu verlieren, weil dieser...

Es fiel ihm kein Wort ein, und es war auch egal. Von Naruto war nichts Anderes zu erwarten gewesen, doch er, er hätte Acht geben müssen, und nur wegen seines verfluchten Schweigens...

Die Vorwürfe und seine Angst lasteten schwer auf ihm und verhinderten die gewohnte Weitsicht. Tenten rannte neben ihm, und sie zerrte diesen Versager hinter sich her. Er konnte sie nicht abhängen, zu gut waren sie als Team aufeinander abgestimmt.

Er hörte Naruto nach ihr rufen. Hinatas Name lenkte ihn noch mehr ab. Er verstärkte, was in Nejis Kopf widerhallte. Hinata, Hinata, Hinata.
 

"Sie… sie ist nicht hier, aber… aber vielleicht hat sie einen Kälteschock erlitten und jetzt… und jetzt…"

Ino brach erneut in Tränen aus. Ihre Unterstützung war eher mäßig, stellte Shikamaru trocken fest. Leider brachte es nichts, wenn er sie tröstete; es würde Hinata nicht zurückbringen.

"Das Gras ist an verschiedenen Stellen niedergedrückt. Eine der Spuren könnte von ihr stammen."

murmelte er, ohne selbst daran zu glauben. Naruto war sicherlich so oft hin- und hergerannt, dass es sich nicht mehr ermitteln ließ. Darüber hinaus richtete sich das hohe Gras schnell wieder auf, besonders bei einer leichten Person wie Hinata.

"Warum bin ich nur auf diese blödsinnige Idee gekommen?! Ich wollte, dass sie und Naruto... dass sie sich endlich näher kommen..."

"Hinata ist ein Ninja. Sie wird nicht einfach ertrunken sein."

versuchte Shikamaru unbeholfen, sie etwas zu beruhigen. Allerdings löste die bloße Erwähnung des Wortes 'ertrinken' Ino völlig auf. Sie setzte sich ins Gras und weinte. Shikamaru stand hüfthoch im Wasser und kam sich ausgesprochen dämlich vor. Sosehr er sich auch bemühte, er bekam keine Kontrolle – weder über Ino noch über die Angst, gleich mit dem Fuß gegen einen blassen, leblosen Körper zu stoßen... und den Folgen dieses Fundes.
 

Jede Sekunde machte die Suche noch nervenaufreibender und schwerer für Neji, sein Byakugan ernsthaft zu benutzen. Wenn Ino und Shikamaru Hinata im See fanden... Die Zeit, die Naruto sie allein gesucht hatte, summiert mit der, die sie schon vertrödelt hatten und die nach ihr gesucht wurde... Wenn seine Cousine im See war, schwanden ihre Überlebenschancen ständig.

Naruto rief immer noch. Nicht nur ihren Namen. Auch, dass es ihm leid tat. Neji schnaubte. Leid tat. Wie lächerlich. Wenn er Hinata jemals lebend wiedersah, würde er unter Aufbietung aller Kräfte verhindern, dass sie diesem Jungen noch einmal begegnete.

Eine kräftige Hand riss ihn grob am Ellbogen und brachte ihn zum Stehen. Der Schweiß lief ihm an den Schläfen herunter, die Sonne brannte erbarmungslos.

"Halt."

Tentens Haar war schweißverklebt und sie selbst unnatürlich blass. Sie hielt Narutos Arm nicht mehr fest, und Neji konnte sehen, wie ihr Herz gegen ihren Brustkorb hämmerte.

"Links."

"Mach, was du willst."

knurrte er, doch sie hielt seinen Ellbogen unbarmherzig fest.

"Ich sagte, wir gehen nach links. Hinata würde nicht endlos übers freie Feld rennen, wenn sie nicht eingeholt werden will."

Ihre Stimme war so neutral, dass er glaubte, sie hätten die Rollen getauscht. Auf einmal war sie die Ernste und er der unbesonnene Trottel. Vermutlich wusste sie, wie es um seine Konzentration bestellt war. Ihre Fähigkeiten im Fährtenlesen waren besser als seine.

Naruto war vorausgerannt. Er rief nach ihr, so laut er konnte, und es dröhnte Neji in den Ohren. Die lichte Baumgruppe rückte näher. Er deaktivierte sein Byakugan. Wenn sie dort war, brauchte er es nicht mehr. In seinem Kopf tobte ohnehin ein Orkan der Gedanken.

Ohne Vorwarnung blieb Naruto stehen, und Tenten bremste so ruckartig, dass Neji fast in sie hineinrannte. Ein neues Zeichen, wie unkonzentriert er war. Der Widerhall hinter seinen Augen wurde noch lauter. Hinata, Hinata, Hinata.
 

Schließlich gab Shikamaru auf. Ino saß am Ufer, ihre Lippen bewegten sich lautlos. Vermutlich ein Stoßgebet. Er hatte sie noch nie so dermaßen verzweifelt gesehen, und er hoffte, dass er es nie wieder sehen würde. Es war nicht mehr Ino. Und er bezweifelte, dass sie je wieder 'Ino' sein würde, wenn Hinata nicht gesund zurückkehrte.

Erschöpft setzte er sich neben sie. Ihr Gesicht war bleich und mit kaltem Schweiß bedeckt, die ehemals babyblauen Augen gerötet und weit aufgerissen. Sie biss sich auf die Nägel. Etwas, das sie sich mit vier abgewöhnt hatte. Dabei betonte sie immer wieder, wie viele Stunden Maniküre Nägelkauen zunichte machte.

Heute schien sie es nicht mal zu merken. Unbewusst fing er auch an, Zeilen eines Gebets zusammenzureimen.

Gott, lass Hinata nichts passiert sein.
 

"HINATA!"

Tenten hielt Naruto zurück.

"Du kannst da nicht runter. Das sind mindestens fünf Meter. Warte einen Moment."

Ihre Stimme war wie ausgetrocknet. Hastig kniete sie nieder, biss sich in den Daumen und riss eins ihrer Haarbänder heraus. Es war glänzende Seide, eine Seite weiß und eine braun, die ständig unter ihrem Haar verborgen war. So schnell, dass man mit den Augen kaum folgen konnte, kritzelte sie Kanji in ihrem eigenen Blut auf das schmale Band. Sobald die Ersten standen, erschienen die Fehlenden mit einem leisen Zischen auf der Seide.

Neji stand wie betäubt. Hinata lag da unten. Sie bewegte sich nicht, und er konnte das Blut an ihrer Stirn sehen. Sie war gerannt und hatte den Abhang nicht bemerkt, der irgendwann mal durch einen Erdrutsch entstanden war. Sie war gefallen und hatte sich verletzt.

Und er hatte es nicht verhindert.

Eine weiße Rauchwolke löste sich in der flirrend warmen Luft aus. Tenten hob ihr beschworenes Seil auf und begann, es um einen Baumstamm zu legen.

"Du gehst runter, Naruto. Neji und ich ziehen euch hoch."

"Kagebunshin-"

"Hinata hat aller Wahrscheinlich nach eine Gehirnerschütterung und möglicherweise einen Hitzschlag. Tu, was ich sage."

Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. Neji entgegnete nichts, es war ihm sogar relativ egal. Er hatte mehr Kraft als Naruto, und momentan war lediglich wichtig, dass Hinata sicher hergebracht wurde. Eine leise Erinnerung in seinem Kopf flüsterte, er sollte es nie wieder wagen, sich über Tentens Traum, einmal zu werden wie Tsunade-hime, lustig zu machen. Jetzt hatte sie wohl die meiste Ahnung von Medizin von ihnen allen.

Naruto knotete sich das Seil um den Bauch und sprang einfach. Er überschlug sich und wirbelte viel Erde auf. Zum Glück tat er sich außer ein paar Schrammen nichts. So hastig, dass er oft umknickte, rannte er zu Hinata, hob sie vorsichtig hoch und gab sich offenbar Mühe, so wenig Erschütterungen wie möglich zu verursachen, während er mit seiner verschrammten Hand über die Platzwunde an ihrer Stirn tupfte.

Sie zogen. Neji war besessen von dem Gedanken, Hinata wieder hochzuziehen. Er beobachtete Tentens loses Haar. Es sah ein wenig belustigend aus, wie eine Seite ihr bis zur Taille hing und der andere ordentlich aufgesteckt war. Durch die lange Zeit des Zusammenrollens hatte sich ihr dunkelbraunes Haar zu einer Art korkenzieherförmiger Locken geformt, die bei jedem Ruck hoch- und runterwippten wie eine Luftschlange.

Hinatas gerötetes Gesicht kam in Sicht. Die Wunde an ihrer Schläfe war recht klein und blutete schwach. Ihre Haut war zerkratzt von Ästen und Steinchen, keine Spur von Prellungen oder Brüchen. Sie hatte Glück gehabt.

In der brummenden Hitze wurde ihm schnell schwindelig, und er war froh, das Seil nicht allein zu halten. Erst, als Naruto mit einem letzten Satz neben ihnen landete, fiel ihm auf, wie aufgescheuert seine Handflächen waren.

Tenten legte Hinata eine Hand auf die Stirn und kontrollierte ihre Temperatur. Neji meinte, sie erleichtert seufzen zu hören.

"Sie ist soweit okay. Mit etwas Wasser und ein paar Eiswürfeln kriegen wir sie wieder hin."

murmelte sie. Alle zielgerichtete Konzentration von vorhin hatte sich zusammen mit ihrer Angst aufgelöst. Sie löste den Bannspruch und nahm ihr Haarband zurück.

"Gib sie mir."

forderte Neji kurz und streckte die Arme aus. Naruto zögerte, doch das Schuldbewusstsein und die Niedergeschlagenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Zögerlich legte er Hinata in die angebotenen Arme (wobei 'angeboten' ein unzutreffendes Adjektiv ist) und wandte sich ab. Diesen Tag hatte er auf jeden Fall ruiniert.

Tenten widersprach Neji nicht, sie steckte lediglich ihr Haar auf und klopfte Naruto im Vorübergehen auf die Schulter. Obwohl dieser Teil seines Körpers heute definitiv genug gelitten hatte. Dann folgte sie Neji und versuchte, Hinata wieder zu Bewusstsein zu bringen.
 

Sobald sie in Sichtweite kamen, fuhr Ino so heftig auf, dass Shikamaru erschrocken zusammenzuckte. Selbst, wenn sie hysterisch vor Angst war, war sie mühsam wie immer.

Tenten ruderte mit den Armen, um Inos Fragenansturm vorzubeugen.

"Alles mehr oder weniger in Ordnung, sie wacht bald auf. Wir brauchen sauberes, lauwarmes Wasser."

Ino wischte sich mit dem Arm über die Augen und stellte die unvermeidliche Frage:

"Was ist passiert?"

In diesem Moment zerriss ein gewaltiges Donnergrollen die Stille. Das Himmel war bleigrau und wolkenbehangen. Jede Sekunde würde es hier einen Wolkenbruch geben und ein Gewitter, bei dem man sich zweifellos nicht auf dem freien Feld aufhalten sollte.

Ino zog den Kopf zwischen die Schultern und flüsterte Tenten ins Ohr:

"Tut mir leid... Das war eigentlich so gedacht, dass Hinata und Naruto..."

Sie gestikulierte hilflos zum Himmel. Tenten verstand sie auch so. Es wäre ein ziemliches Armutszeugnis für einen Clan von Floristen gewesen, wenn Ino nicht in der Lage gewesen wäre, den Wetterumschwung vorauszusehen. Da sie in der letzten halben Stunde sowieso alle mehr oder weniger kopflos gewesen waren, hatte keiner auf die drückende Schwüle um sie geachtet.

"Wir können jetzt nicht mehr wegrennen."

kommentierte Shikamaru und ging in die Knie. Neji folgte seinem Beispiel und legte Hinata ins Gras. Was die Gewittersituation betraf, hatten sie den ungünstigsten Standort aller Zeiten: in Wassernähe, auf flachem, licht bewaldetem Gelände. Also legte man sich am besten flach auf den Boden und wartete, bis alles vorüber war.

Naruto schien damit als einziger nicht einverstanden zu sein.

"Was ist mit Hinata?! Sie braucht doch Wasser!"

"Falls du es nicht bemerkt haben solltest, es wird gleich einen wahren Sturzregen geben, Uzumaki. Und ich schätze... in zirka einer Minute wird der erste Blitz kommen."

Ino warf einen besorgten Blick auf Hinata. Offensichtlich war sie trotz der logischen Erklärung geteilter Meinung.

Naruto hatte sich sowieso nie darum gekümmert, was andere für richtig hielten. Er mochte in Heilkunst nicht bewandert sein, aber er fand nicht, dass Hinata nach ihrem Unfall die ganze Zeit unter freiem Himmel sein sollte, während ein Wolkenbruch auf sie niederging. Vielleicht war das für einen gesunden Menschen in Ordnung. Für sie auf jeden Fall nicht.

Neji warf ihm einen warnenden Blick zu, als er einen Schritt auf Hinata zu machte. Ino hatte sämtliche Handtücher geholt und sie darauf gebettet und zugedeckt. Schon allein der Anblick war genug, um sein schlechtes Gewissen zu einem faustgroßen Klumpen in seinem Magen werden zu lassen.

Nejis unmissverständliche Drohung ignorierend hob er das Mädchen vorsichtig auf.

"Was soll das?! Bleib' hier, du Idiot!"

Ino hatte also wieder zu ihrem ursprünglichen Charakter zurückgefunden. Leider war sie damit nicht die Einzige, denn Naruto gedachte nicht, ihr zu gehorchen. Möglich, dass er das mal bereuen würde. Möglich, dass er bloß sein schlechtes Gewissen beruhigen wollte. Sicher, dass er sich mal wieder benahm wie ein Trottel. Was soll's, das passte ja zu ihm.

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

"Ich bring' sie nur ins Trockene!"

Fassungslos sah Ino ihm hinterher. Eine heftige Windböe schluckte, was sie ihm hinterher schrie. Sie wäre aufgesprungen, doch ihr Körper gehorchte nicht. Wahrscheinlich war es für ihren eh missglückten Plan sowieso das Beste. Sie drehte sich um und unterdrückte ein Grinsen. Wenn es etwas gab, womit man Neji gerade vergleichen konnte, war es ein angeketteter Hund, der widerwillig geradeaus starrte.

Sobald Naruto außer Sichtweite war, gab sie Shikamaru einen Stoß mit dem Ellbogen, woraufhin er arglos die Augenbrauen hochzog. Das Musterbeispiel eines erwachsenen Teenagers... und eines schlechten Lügners.
 

Der Regen war heftiger, als Naruto geglaubt hatte. Die Tropfen fielen so dicht, dass er sich mehr auf sein Gefühl und seine Ortskenntnis verließ als auf seine Augen. Außerdem wurde das permanente Trommeln nach kurzer Zeit allmählich unangenehm, stellenweise sogar schmerzhaft. Ein Grund mehr, sich zu beeilen.

Er hätte nie gedacht, dass es mal zu so etwas gut sein würde, immer ein Außenseiter gewesen zu sein, der allein spielte. So kannte er Konohas Umfeld auf jeden Fall besser als Ino. Als er noch kleiner gewesen war, hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, ihrem Vater und seinem Beschützerinstinkt gegenüber seinen Blumen einen Streich zu spielen. Das ließ sich auf viele Arten anstellen, wenn er jedoch erwischt wurde, war es immer gleich gewesen – losrennen und verstecken. Und er kannte ein ziemlich gutes Versteck, in dem man mit etwas Glück trocken blieb – falls man es gewesen war. Er war klatschnass.

Er fragte sich, ob es gut gewesen war, einfach loszurennen. Immerhin hätte er Tentens Hilfe mit Hinatas Kopfverletzung vielleicht noch gebraucht, und wenn er zurückkam oder gefunden würde, sprang ihn Neji bestimmt an wie ein tollwütiger Puma (wenn man sich dabei verschreibt und 'tollwütiger Panda' schreibt, ist das auch amüsant).

Naruto grinste schon bei dem Gedanken. Da konnte er nur sagen: Versuch's doch, du Schraube. So schnell ließ er sich nicht unterkriegen.

Verschwommen tauchten vor ihm die Umrisse seines Kindheitsverstecks auf, und er bremste gerade noch, bevor er ins Stolpern kam. Hoffentlich war es noch intakt... Er tastete mit dem Fuß vor und legte Hinata ab, nachdem er sich wieder genügend an den Innenraum erinnert hatte.

Es war nicht wirklich eine Höhle. Irgendwann war hier ein Baum quasi auf einer Felsplatte gewachsen und hatte sie mit seinen Wurzeln umschlungen. Als er von einem Sturm halb umgeworfen wurde, riss er die Platte mit aus dem Boden, sodass sie in einem Winkel von beinahe 45% in den Himmel ragte. Naruto hatte den Ort für sich entdeckt und den geschützten Platz unter dem Fels ausgebaut und gestützt, damit er nicht eines Tages drunter lag. Es war zu niedrig, um 'Unterstand' genannt zu werden, zu klein für eine Höhle und zu zivilisiert, um als 'umgestürzter Baum mit Stein' zu gelten.

Der sarkastische Teil von ihm spöttelte gerade, was er nun vorhatte. Hinata würde ihm bestimmt nicht auf Knien dafür danken, dass er sie fast umgebracht hatte, und wenn Neji ihn in die Finger bekam, würde es an ein Wunder grenzen, wenn er überlebte. Und sobald die Nachricht Hinatas Vater mit seinen verstaubten Grundsätzen erreichte, würde er sie wahrscheinlich in ihrem Zimmer einsperren und sich mit Hochdruck auf die Suche nach einer guten Partie für sie begeben.

Himmelherrgott, warum lief denn nie etwas so, wie er das wollte?!

Wie aufs Stichwort fing Hinata an, sich zu regen. Ihre Lider zuckten unruhig, schließlich flatterten sie nach oben. Verwirrt musterte sie das verschlungene Wurzelwerk über ihrem Kopf.

"Äh... Das ist ein Baum. Also... das war mal einer."

Er konnte sich nicht erinnern, schon mal so etwas Dämliches gesagt zu haben.

Hinata richtete sich benommen auf und drehte sich suchend um.

"N... Naruto-kun, wo... wo sind die anderen?"

Ein Blitz zuckte krachend über ihnen und fegte den Regen in ihre Richtung. Hinata fuhr erschrocken zusammen. Offenbar fiel ihr das Gewitter erst jetzt richtig auf.

"Regnet es schon lange?"

"Nein... Erst seit... seit..."

Er suchte fieberhaft nach den passenden Worten. Er wollte die Sache nicht beschönigen, aber auch ihre noch zarte Freundschaft nicht gefährden. Bisher hatte sich ihr Kontakt auf zufällige Treffen auf dem Übungsplatz und Grüßen oder einem belanglosen, kleinen Gespräch auf der Straße beschränkt. Und nun... Na ja, sie schliefen im gleichen Zelt!

Noch während er einen Weg suchte, ihr seinen Irrtum zu erklären, betastete sie vorsichtig die Wunde an ihrer Schläfe. Sie war ungefährlich und hatte wahrscheinlich nur in Verbindung mit der Hitze und ihrer Aufregung zur Ohnmacht geführt.

Damit war die Untersuchung abgeschlossen, trotzdem verharrten Hinatas Finger an ihrer Schläfe. Sie hatte keineswegs einen Filmriss, dafür war die Bewusstlosigkeit nicht tief genug gewesen. Sie war gerannt, und die flimmernde Luft hatte ihr, zumal sie nicht auf den Weg geachtet hatte, vorgegaukelt, die Wiese sei endlos. Sie war an den Bäumen vorbeigerannt und hatte das Gleichgewicht verloren. Dann war sie gefallen und liegen geblieben. Zwischendurch hatte sie Stimmen gehört, zumindest vermutete sie das.

Naruto konnte sie also nicht allein gefunden haben.

In seiner Handfläche entdeckte sie Striemen von einem rauen Hanfseil. Tenten benutzte solche im Notfall, und aus eigener Erfahrung wusste sie, dass man sich damit mühelos die Haut aufscheuern konnte.

"Uhm... Zeigst du mir deine Hände?", fragte sie scheu und zog sich eine ihrer kinnlangen Haarsträhnen durch die Finger. Irgendwie musste sie dieses unangenehme Schweigen überbrücken.

Naruto starrte sie einen Moment verständnislos an, bevor er ihr hastig die Hände entgegenstreckte. Eine war unversehrt, die andere gerötet vom groben Hanf.

"Du solltest sie kühlen... Die Eine, meine ich..."

Verlegen sah sie zur Seite. Ratlos hielt Naruto die aufgescheuerte Handfläche in den Regen. Das war ein Anblick für sich: er war das Ebenbild eines meditierenden Mönches mit Haaren und einem ziemlich blöden Gesichtsausdruck, der mit ausgestreckter Hand wartete, dass die Weisheit vom Himmel fiel. Hinata konnte nicht kaschieren, dass sie kichern musste. Etwas zögernd fiel Naruto ein. Die verkrampfte Spannung löste sich endlich.

Okay... Er konnte sich auch später entschuldigen, wenn er sich klar war, wie er ihr das erklären wollte. Reine Formsache eben.

Denn vergeben hatte sie ihm bereits.
 

"Narutooo! Hinaaata! Ihr könnt rauskommen!"

Misstrauisch starrte Naruto in den Nebel, der von der Wiese aufstieg. Er konnte Nejis Rachsucht schwer einschätzen. War der Hyuga wütend genug, um sich sogar in Ino zu verwandeln, um ihn aus der Reserve zu locken?

"UZUMAKI! Wenn du nicht bald spurst, vergesse ich meine guten Vorsätze dir gegenüber!"

Das war definitiv das Original. Kein noch so talentiertes Hyuga-Genie konnte Ino Yamanakas unverwechselbaren Ton nachahmen, wenn sie mit ihm sprach. Oder ihn anschrie.

"W... Wir sind hier, Ino-chan!"

Hinata fürchtete vermutlich, dass Ino ihre traute Zweisamkeit hier als privates Treffen auslegte. Das hieß, es war ja ein privates Treffen, aber nicht in diesem Sinne... Hinata schoss bereits das Blut ins Gesicht, bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte.

"Kommt schon raus! Shikamaru und Tenten eskortieren Neji zurück, und wir müssen sie einholen!"

Inos Ungeduld wies darauf hin, dass man besser wirklich keine Zeit verlor. Hastig hob Hinata den Stapel säuberlich gefalteter Handtücher auf (die Ordnung war allein ihr zu verdanken, Naruto war ein hoffnungsloser Chaot) und steuerte auf ihre blonde Freundin zu, die vehement mit den Armen ruderte. Naruto folgte ihr, bereit, sie sofort aufzufangen, wenn ihr schwindelig wurde. Doch Hinata erfreute sich besten Gleichgewichtsinns.

Naruto machte ein betretenes Gesicht, als Ino ihn strafend musterte.

"Neji ist stinksauer."

Hinata sog erschrocken die Luft ein und erstarrte augenblicklich.

"Er wird es meinem Vater sagen! Hiashi-sama wird nie wieder erlauben, dass ich ohne seine Erlaubnis das Dorf verlasse!"

Aufgrund ihres von Anfang an frostigen Verhältnisses bezeichnete Hinata ihren Vater vor anderen und möglicherweise auch vor ihm nie mit dem zugehörigen Suffix. Jetzt, wo in ihrer Stimme deutliche Panik mitschwang, klang die Aussage nur noch ernster.

Ino schlug die Hände vor den Mund.

"Himmel! Los, wir müssen sie einholen! Shikamaru kann ihn nicht ewig zum Bleiben zwingen... Abgesehen davon, dass er das gar nicht will."

Der letzte Satz war hörbar genervt von Shikamarus Laisser-faire-Prinzip. Ansonsten galt es, keine Zeit mehr zu verlieren. Neji hatte kein Wort mehr verloren, und Ino hatte das fälschlicherweise als harmloses Schmollen ausgelegt.

Insgeheim hoffte sie, so unwahrscheinlich das war, Tenten würde entdeckten, dass es für Frauen eine wunderbar einfache und wirkungsvolle Methode gab, Männer trotz allen Widrigkeiten von etwas abzubringen...
 

Bis Tenten sich hier in ein Date-Outfit schmeißt und Neji mit ihrem Hüftschwung verführt, muss hier aber wirklich noch was passieren.

Der Kapiteltitel ist von Tocotronic geklaut.

Waffenstillstand?

Die Vorhut marschierte in eisigem Schweigen. Tenten hatte sich die knallbunten Sonnenschirme über die Schulter gelegt wie Gewehre und auch der herumschwenkende Picknickkorb wirkte in ihrer Hand eher wie eine Waffe. Jeder trug seine nasse Kleidung, die im Sturzregen völlig durchgeweicht war, über den Arm gelegt.

Shikamaru gingen die beiden schon jetzt auf die Nerven. Sie konnten sich nicht halb so wenig leiden, wie sie es ständig vorgaben, und ihr ewiges Gezänk war schon kaum mehr zu ertragen. Gut, die Zeit mit Ino hatte ihn gelehrt, seine Ohren auf Durchzug zu stellen, doch um das hier zu überhören, musste er sich schon alle zehn Finger in die Ohren stopfen. Und die wollte er jetzt nicht aus seinen Taschen holen.

Trotzdem, das hier war anders. Ino hatte es bloß daran gelegen, Choji und ihn zu sticheln. Daran gewöhnte man sich, und wenn es ihm passte, gab er eine bissige Bemerkung. Danach war erst mal Ruhe. Aber Neji und Tenten feindeten sich ununterbrochen an, und auf jeden verletzenden Kommentar folgte ein noch Verletzenderer. Schon gut, es ging ihn nichts an. Nur mal ehrlich – bei dieser Stimmung traute sich kein Vogel, ein einziges Mal den Schnabel aufzumachen. Die entspannte Atmosphäre nach dem Gewitter wurde von der Spannung zwischen den beiden verdrängt. Und das nervte ihn gewaltig.

Ach ja, und Ino. Gestern Abend hatte sie ihn auch genervt (wenn auch nicht sosehr wie Neji und Tenten). Und kaum erinnerte ein Wort mal um drei Ecken an Sasuke, zog sie die Schultern zusammen und starrte den Boden an.

Einerseits war selbst Shikamaru nicht über die menschliche Niedertracht erhoben. Es lag ihm auf der Zunge, ihr ihre ewigen größeren und kleineren Gemeinheiten heimzuzahlen. Andererseits suchte sie unbeholfen den Kontakt mit ihm, seit sie ihn geohrfeigt hatte, und das nicht allein wegen ihres schlechten Gewissens. Na ja, Himmel, sie war ein Mädchen, und das Dämlichste an Mädchen war, dass man ihnen nicht ewig böse sein konnte. Sie waren immerhin eine Art Team, und das sollte nicht so ausarten wie bei Team Gai.

"Hat einer 'ne Ahnung, wo wir überhaupt hin müssen?"

Tenten wandte sich an ihn, obwohl Neji für Ortungsfragen definitiv der bessere Ansprechpartner war. Shikamaru seufzte und zuckte mit den Achseln. Sie machten Halt, und Tenten entlud ihr Gepäck auf den feuchten Boden. An ihrem Rücken lief der Schweiß hinunter.

Neji blickte finster nach vorne, die Arme vor der Brust verschränkt.

Was für eine festgefahrene Situation. Und warum musste gerade er, Shikamaru, das ausbaden?! Er war kein Partnerpsychologe!

In diesem Moment hörte er entfernte Rufe. Vibrationen breiteten sich auf dem Boden aus, wie von einem gigantischen...

"Auf den Boden werfen!"

Die beiden anderen sahen ihn verdutzt an, doch Tenten ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Sie klatschte Neji mit voller Wucht ihre flache Hand auf den Rücken und drückte ihn mit sich in die Hocke – wohl wissend, dass dieser Teil von Nejis Körper sehr empfindlich war. Schließlich war es völlig ausgeschlossen, dass jemand Neji Hyuga ohne seine Erlaubnis anfasste oder ihm etwas Triviales zukommen ließ... wie z.B. den Rücken mit Sonnencreme einreiben. Nicht unbedingt ratsam, damit durch die pralle Sonne zu rennen und nach Hinata zu suchen.

Shikamaru zog gerade noch rechtzeitig den Kopf ein, um nicht von einem abgebrochenen Ast getroffen zu werden. Aus dem Gebüsch tauchte eine riesige, schwarzorange Kröte auf.

"Huhu, Shikamaru!"

Shikamaru brachte nicht mehr als eine säuerliche Grimasse zustande. Naruto, dieser Idiot... Erst trampelte dieses Vieh sie fast nieder und dann erwartete er auch noch, dass man sich darüber freute!

Zu seiner großen Erleichterung setzte die Kröte mit einem großen Sprung über ihn hinweg – nur, um dabei beinahe die Sonnenschirme zu zermalmen.

Einen Augenblick lang war es vollkommen still.

"Iiih! Mann, das ist so widerlich! Hoffentlich verunreinigt das nicht die Haut..."

"Wenn du sonst keine Sorgen hast, Mrs. Wonderbra..."

Ino schnaubte beleidigt und rutschte unbehaglich auf dem Rücken der Kröte herum. Offensichtlich scheute sie sich davor, einfach abzuspringen.

"Jetzt hilf' mir doch, Shikamaru, bitte!"

Hinata hätte ihr wohl geholfen, wenn sie nicht gerade zu beschäftigt damit gewesen wäre, verlegen auf ihre Hände zu starren. Während des Ritts hatte sie Narutos Schultern umklammert, und die musste sie wieder loslassen.

Shikamaru seufzte wieder, stand auf und streckte die Hand aus, um ihr herunterzuhelfen.

"Uhm, Ino-chan, dein Träger... er ist offen.", stammelte sie errötend. Ino drehte den Kopf so heftig zu ihrer Schulter um, dass ihre feuchten Haare herumflogen. Der Knoten ihres Bikinis war gerade live und in Farbe dabei, sich aufzulösen. Mit einem erschrockenen Aufschrei löste sie die Hände, mit denen sie sich bisher an der feuchten Krötenhaut festgehalten hatte. Und dabei verlor sie prompt das Gleichgewicht.

Anderthalb Meter im freien Fall direkt auf Shikamaru.

"Ach verdammt, mir bleibt einfach nichts erspart...", brummte er. Natürlich hatte er nicht mit einer solchen Wucht gerechnet, und Inos Körper hatte ihn in seiner Verblüffung zu Boden gerissen. Ihre Knie drückten schmerzhaft auf seine Oberschenkel, und ihr Haar reizte ihn zum Niesen.

Trotz alledem keine allzu unangenehme Position.

"Lass bloß die Augen zu, ich warne dich! Wehe, du guckst!", drohte Ino hastig und begann, ihren Bikini wieder zuzuknoten (ihr bleibt auch nichts erspart... Mir fiel nichts Bessere ein, tut mir leid). Wenn einem so was auf einer Party passierte, war das in Ordnung. Sie war selbstbewusst und kess genug, mit so einer Situation fertig zu werden, darüber hinaus wurde sie so zum echten Blickfang, ohne sich irgendwie zu erniedrigen. Aber das hier war ja nicht irgendein Kerl, der sie noch nie im Leben gesehen hatte. Und Shikamarus Meinung von ihr konnte eh nicht mehr besonders gut sein.

Besagter Shikamaru scherte sich gerade einen Dreck darum, was er von ihr denken sollte. Es kümmerte ihn eher, was er nicht denken sollte.

Reiß' dich zusammen, Shikamaru! Du gehst dir gerade von allen am allermeisten auf den Zünder! Nein, es ist völlig egal, was das da ist... Es ist ihr Ellbogen. Natürlich. Ihr Ellbogen. Und der Geruch, das ist... eine Blumenwiese. Wahrscheinlich ist hier irgendwo eine. Nein, das ist nicht ihr Haar. Das ist... Gras. Wenn du die Augen aufmachst, wachst du irgendwann wieder im Krankenhaus auf. Warum kann sie denn nicht aufstehen?!

Er stöhnte unterdrückt, als sie sich aufrichtete und ihm dabei das Knie in die Brust rammte. Tja, schöne Beine hatten ihren Preis... spitze Knie.

"Was ist? Willst du da festwachsen?", hörte er ihre vorwurfsvolle Stimme und verdrehte hinter geschlossenen Lidern die Augen. Er würde garantiert nirgendwo festwachsen, wo ihm Steine gegen den nackten Rücken drückten und sie ihm die Sonne verdunkelte.

Sobald er sein rechtes Auge einen Spalt öffnete, verspürte er den Drang, es anstandshalber gleich wieder zuzukneifen. Warum musste Ino immer so... offenherzig sein?! Reichte es ihr nicht, sich wenig flächendeckend zu kleiden, während er zehn Zentimeter neben ihr im Zelt lag?! Er, Shikamaru Nara, war ein anständiger Junge, kein Sittenstrolch, und er würde es schätzen, das auch zu bleiben.

"Hallo-ho, Shikamaru! Ich rede mit dir!"

"Ich habe es gemerkt, mühsames Weib..."

Ino hielt inne und beobachtete gebannt, wie Hinata eindringlich auf ihren Cousin einredete. Tenten und Naruto standen abseits und warteten stillschweigend auf das Resultat.

"Ich möchte wissen, was sie ihm sagt...", murmelte die Blonde. Shikamaru setzte sich auf und verfluchte das Gewitter dafür, dass er wegen ihm sein Haarband verloren hatte. Er konnte immer noch glitzernde, pinke Partikelchen sehen, und das stimmte ihn nur bedingt glücklich.

Ino biss sich auf den Fingernagel. Das hatte sie heute schon öfter getan, obwohl es die Nägel ruinierte und von Unbeherrschtheit zeugte.

Nejis Miene blieb unbewegt, während Hinata verzweifelt die Hände rang und nervös die Knöchel aneinander rieb. Hinatas Überzeugungsversuch gründete nicht so sehr auf logischen Argumenten wie auf dem brennenden Wunsch, ihn umzustimmen. Tenten hielt diesmal den Mund – würde sie etwas sagen, würde Neji schon allein um des Widerspruchs Willen ablehnen. Naruto tat das Gleiche, da es nicht ratsam war, Nejis Groll herauszufordern.

Endlose, quälende Minuten verrannen. Hinata war den Tränen nahe, und sie biss sich heftig auf die Lippen, um sie nicht zittern zu lassen. Sie wollte Neji nicht durch eine simple Tränennummer erweichen. Er sollte das Vergeben lernen. Obwohl das hier ein ziemlicher Brocken für ihn war, sah Hinata dafür keine andere Möglichkeit.

Ino konnte keinen Moment ruhig sitzen. Tenten trat ständig von einem Fuß auf den anderen. Narutos Blick irrte hilflos herum, darauf bedacht, Nejis irgendwie aufzufangen und ihn Kraft seiner strahlend blauen Augen von seiner Unschuld zu überzeugen. Schließlich breitete sich eine unangenehme, erwartungsvolle Stille aus. Außer Hinata traute sich niemand, Neji direkt anzusehen.

"Ein Verbot ist ein Verbot.", sagte er einfach. Hinata holte erschrocken Luft. Hiashi würde ihr verbieten, das Clangelände zu verlassen!

Neji drehte sich völlig ungerührt um und setzte seinen Weg fort. Tenten klopfte Hinata freundschaftlich auf die Schulter und legte sich die Schirme über die Schulter.

"Das war sein 'Ein einziges Mal halte ich meine vorlaute Klappe', Hinata-chan.", erklärte sie feixend und überholte Neji, bevor er sie mit seinem eisigen Blick abschoss.
 

"Okay. Hört ihr mir zu? Shikamaru, Uzumaki, hört ihr auch zu?"

"Yes, Ma'am!"

Ino schnaubte und fuhr mit ihrer Ansprache fort.

"Da die Wiese nass ist und mit ihr das Brennholz, machen wir heute den Abend der trauten Zweisamkeit. Ein romantisches Dinner unter einem Zeltdach, wie klingt das?"

"Mühsam."

Shikamaru hatte gar nicht gemerkt, dass er der einzige war, der sich äußerte, bis es heraus war. Tenten und Neji hielten sich sowieso geschlossen, da es für sie ein Dinner in trauter Einsamkeit bedeutete, Hinata war ganz aufgeregt bei dem Gedanken an das romantische Picknick von gestern – und ein Dinner musste einfach noch besser sein – und Naruto war konzentriert darauf, sich nicht wieder Inos Zorn zuzuziehen.

Besagtes hatte allerdings gerade Shikamaru getan. Ino funkelte ihn ärgerlich an und stemmte die Hände in die Hüften.

"Hab' ich dich nach deiner Meinung gefragt, Shikamaru? Ist mir da etwas entgangen?"

Ein Dinner mit diesem Drachen? Das war ungefähr so entspannend wie Polkatanzen auf einem aktiven Minenfeld.

"Also gut, das wär's dann... Und zieht euch was Hübsches an, nach einem Gewitter ist der Nachthimmel ster-nen-klar!"
 

Neji meditierte. Er versuchte es jedenfalls. Was dabei herauskam, war verkrampftes Sitzen auf einem Kissen, und jedes Mal, wenn irgendetwas seinen Rücken berührte, zuckte er zusammen. Großartig. Er, Neji Hyuga, hatte heute einen absolut grauenhaften Tag gehabt, und sein Körper gestattete ihm nicht mal, das du vergessen.

Hunger hatte er nicht. Wie sollte er auch? Er würde Hiashi etwas verschweigen, das möglicherweise Hinatas Leben in Gefahr brachte. Naruto war alles zuzutrauen. Wenn etwas passierte, war es seine Schuld. Er hatte sich weich klopfen lassen. Und alles nur wegen diesem menschlichen Trieb und der Gewissensbisse zwei Personen gegenüber...

"Hyuga! Wenn du grad was Peinliches tust, hör' auf damit. Ich komm' jetzt rein."

Ärgerlich wandte Neji sich dem Zelteingang zu, dessen Reißverschluss gerade aufgezogen wurde. Mit einer hastigen Handbewegung beförderte er seine noch feuchten, offenen Haare auf den Rücken, obwohl die Spitzen seine empfindsame Haut noch mehr reizten.

"Was willst du?", fragte er kalt und verschränkte die Arme. Hatte er erwähnt, dass er mit einem Sonnenbrand unmöglich ein Oberteil anziehen konnte?

Tenten störte das nicht. Sie schob ihren Körper durch den Zelteingang und schloss ihn hinter sich, um die Mücken draußen zu halten. Sie war wie üblich unauffällig gekleidet, und ihr Gesicht zeigte keine Regung von Scheu oder Peinlichkeit.

"Sei nicht so pampig."

Pampig? Pampig? Niemand hatte es je gewagt, Neji Hyuga vorzuwerfen, er sei pampig! Das war schon ein Widerspruch in sich! Er war die personifizierte Selbstbeherrschung, er konnte gar nicht pampig sein!

Tenten grinste und setzte sich ungefragt vor ihm auf den Zeltboden.

"So, runter mit dir."

"Warum sollte ich?"

Irgendwie gelang es nicht, die überhebliche Arroganz in seine Stimme zu legen, mit der er sie sonst auf die Palme bringen konnte. Dieses pampig hatte sein inneres Gleichgewicht gestört.

"Ich sagte, du sollst dein Gepampe lassen, das hab' ich nicht verdient. Ich tu' dir bloß einen Gefallen."

Sie holte eine kleine, weiße Tube aus ihrer Hosentaschen und drehte sie geschickt durch die Finger, sodass er die Aufschrift nicht lesen konnte. Darüber hinaus... Er hatte gar nicht gepampt! Er wusste gar nicht, wie das ging! Das hieß, er wusste es schon, ein Hyuga muss selbst primitive Verhaltensweisen kennen, nur praktizierte er sie natürlich nicht...

"Aloe. Ich bin nicht blind, dein Rücken ist krebsrot."

Ihr Grinsen wurde hochzufrieden.

"Und du kannst leider Gottes nicht auf der Seite oder auf dem Bauch schlafen. Dann fängt du an, dich herumzudrehen und im Schlaf zu sprechen. Das sind die Nächte, wo sogar Gai-sensei leiser schlafen würde als du."

Neji hüllte sich in eisiges Schweigen, zum zweiten Mal an diesem Tag. Es stimmte, er konnte ausschließlich auf dem Rücken schlafen. Und sie wusste es aus Erfahrung.

Und noch etwas war. Sie ärgerte ihn schon wieder, doch dieser boshafte Unterton fehlte. Sie wollte ihn in Verlegenheit bringen, mehr nicht. Ihre dunkelbraunen Augen lachten, während sie ihn neckte. Genau wie in dem Moment, als sie beide klatschnass und frierend nebeneinander gesessen hatten.

"Ach ja, keine Sorge. Ich weiß, dass du keinen Sixpack hast, aber wenn du dich auf den Bauch legst, kann ich auch nicht nachprüfen, ob das sich inzwischen geändert hat. Ich bin ganz vorsichtig."

Für mehrere Sekunden starrten sie sich unverwandt in die Augen. Tenten war nicht einfach gekommen, um ihm den Schlaf zu erleichtern. So verschlossen ihr Gesicht auch sein mochte, ihre Augen hatten im Gegensatz zu seinen Pupillen, und die gaben eine ganze Menge Preis.

Gut... Er war neugierig, und er musste ihr aus Prinzip beweisen, dass er nicht pampig war. Und auch kein Weichei, obwohl ihm davor graute, dass Tenten ihm dieses Zeug einmassierte. Sie hatte einen verdammt kräftigen Griff, der schon bei gesunder Haut nicht unbedingt angenehm war.

Zögernd legte er sich flach auf den Bauch und holte sein Haar über die Schulter. Tenten pfiff leise durch die Zähne und betrachtete seinen geröteten Rücken.

"Willst du dich nicht umdrehen? Die Sterne gehen langsam auf...", fragte sie verstohlen. Nejis Augenbraue rutschte einen Millimeter nach oben. Soso, man kam der Sache wohl näher...?

Kommentarlos setzte er sich wieder auf und legte sich diesmal mit dem Kopf zum Zelteingang. Tenten öffnete ihn und hängte das Insektengitter vor, bevor sie sich neben ihn hockte und die Tube aufschraubte.

Ganz klar, sie wollte ihn ablenken. Irgendetwas war im Busch, und er musste nur warten, bis es von sich aus herauskam.

Er hörte, wie Tenten die Aloecreme auf ihre Handfläche drückte und sie gegeneinander rieb. Innerlich bereitete er sich auf eine längere Zeit schmerzhaftes Brennen vor, bei dem er sein Pokerface jede Sekunde wahren musste.

Zehn Fingerspitzen legten sich vorsichtig in seinen Nacken. Trotz der kühlenden Wirkung der Creme konnte er spüren, dass Tentens Haut warm war. Dann begann sie behutsam, das Aloe zu verteilen und einzureiben. Ihre Hände blieben dabei nie lange an einem Punkt und drückten nicht zu. Dabei hatte er Tenten gar nicht als so geduldig und umsichtig in Erinnerung. Sonst hieß es bei diesem Weib immer 'Augen zu und durch, du Heulsuse'.

"Woher kannst du das?"

Himmel, warum fragte er?! Es interessierte ihn einen Dreck, woher sie ihre Massagekenntnisse bezog!

"Von meiner Mutter."

Bei ihrer Antwort verschwieg Tenten wohlweislich, dass sie es zwangsweise hatte lernen müssen, wenn ihre Mutter früher ihre wunden Muskeln massiert hatte. Mit Lee mitzuhalten forderte einiges ab, und Tenten war zu stolz gewesen, irgendjemandem unter die Nase zu reiben, dass sie als kleines, possierliches Mädchen nicht zu denselben Höchstleistungen fähig war.

Neji hätte nie geglaubt, dass ihn je eine Frau massieren würde, die seinen Segen dazu hatte. Selbstverständlich ließ er es nur zu, damit Tenten endlich mit der Sprache herausrückte... Und damit er in dieser Nacht überhaupt Schlaf fand. Natürlich. Er tat immer zweckorientierte Dinge. Und es war nicht so, als würde er das genießen. Tenten war ein grobschlächtiges Mädchen, und in den letzten Tagen hatten sie fast durchgängig gestritten. Und jetzt wollte sie irgendwie um eine persönliche Entschuldigung herumkommen.

"Glaub' nicht, ich wollte mich damit bei dir entschuldigen."

Na ja... Es war eine reine These gewesen.

Tenten verteilte neue Creme auf seinem Rücken und widmete sich der Gegend des Rippenkäfigs.

"Ich meinte, was ich sagte. Du bist ein arrogantes Arschloch."

Bitte?! Sie hatte wirklich Nerven, hier aufzufahren und ihm das so unverblümt mitzuteilen! Moment, das hieß nicht, dass es ihn kümmerte, wenn sie ihn beleidigte...

"Manchmal."

Seine innere Argumentation verstummte sofort. Gab es bei ihr etwa noch andere Wörter für ihn?

"Sonst bist du ein Volltrottel."

Also gut, also gut. Sie war bloß gekommen, um das Kriegsbeil zu vergrößern.

"Und wenn du gerade weder das eine noch das andere bist..."

Er war ganz Ohr. Dann was?

"... bist du ganz okay."

Ein dürftiges Kompliment. Aber er wäre nicht Neji, wenn ihm dazu keine coole Antwort einfiele.

Stille.

Sie kam gleich. Sofort. Es konnte sich lediglich um Sekunden handeln.

Immer noch Stille.

Warum, verdammt, fiel ihm darauf nichts ein?! Es gab einen Unterschied zwischen Schweigen und Sprachlosigkeit, und er, Neji Hyuga, war bis jetzt nie sprachlos gewesen!

"Hör' auf zu schmollen, Neji."

Aus ihrer Stimme hörte er, dass sie kicherte. Und noch etwas Anderes ließ ihn darüber hinwegsehen, dass sie ihm gerade unterstellt hatte, er würde schmollen: Sie hatte ihn Neji genannt. Nicht mehr dieses nervtötende 'Hyuga'. Darüber hinaus hatte sie sein Schweigen falsch gedeutet, was seine Ehre rettete.

Neji wusste allerdings nicht, dass er gerade einen wichtigen Leitsatz im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht vergaß – unterschätze es nie, wie gut eine Frau dich kennt.

Als Erwiderung gab er sich mit einem verächtlichen Schauben zufrieden und ließ seine Augen über den Abendhimmel wandern. Rosa war nicht seine Farbe, aber es hatte durchaus seine Reize. Während am Horizont noch ein hellblauer Streifen langsam mit Orange und Rot verschmolz, tauchten am aufgeklärten Himmel die ersten Sterne auf.

Zumindest zu der Zeit, als sie noch ein schüchternes, folgsames Mädchen gewesen war, hatte Tenten Astronomie leidenschaftlich geliebt. Umso mehr hatte es sie enttäuscht, dass in ihrem gesamten Umfeld niemand diese Liebe teilte. Was Neji ebenfalls nicht wusste, war dass Hinata, die sich ohnehin nach etwas gleichgeschlechtlicher Gesellschaft sehnte, nichts dagegen gehabt hätte, mit Tenten in einer lauen Sommernacht oder einem frostigen Wintermorgen heimlich auf einen der Wachtürme zu klettern und Sterne zu betrachten. Tenten hatte ihre zaghaften Andeutungen durchaus verstanden, sich jedoch davor gefürchtet, Nejis Zorn zu erregen, indem sie seiner verhassten Cousine ihre Freundschaft anbot.

Nach ihrem erbitterten Streit mit Neji hatte sie sich mehr als genug dafür geschämt, auch wenn Hinata es ihr nicht nachsah. Tenten fühlte sich von sich selbst in ihrer Ehre gekränkt, weil sie die von Gai so mühsam und hingebungsvoll eingetrichterten Regeln missachtet hatte, um Neji zu gefallen. Nicht, dass er es gewürdigt hätte. Genau, wie Ino ihre Freundschaft zu Sakura für Sasuke aufgegeben hatte, hatte sie Hinatas von Anfang an ausgeschlagen, obwohl sie jedes schmerzvolle Detail aus Hinatas Situation kannte.

Sie musste zugeben, ihre Schuldgefühle deswegen waren ebenfalls ein Grund, warum sie sich so dafür einsetzte, dass Naruto von ihren unerschütterlichen Empfindungen für ihn erfuhr.

Und jetzt? Sie hatte beabsichtigt, Neji irgendwie ihre Dankbarkeit zu symbolisieren, weil er sich dem nicht in den Weg stellte, und dabei landete sie mehr in seiner Nähe als je zuvor. Sie hatte seinen Respekt. Er sah nicht länger durch sie hindurch, betrachtete sie als einen völlig selbstverständlichen Bestandteil seiner Umwelt. Die ganzen Tage des Streits und der Beleidigungen hatten ihn endlich erkennen lassen, dass sie sich nicht mehr unterordnen würde.

Natürlich kostete sie ihren Triumph aus. Er hatte ihr keine seiner coolen Antworten gegeben, und ihre Schulter war noch kälter als seine.

Tenten grinste in sich hinein. Momentan hatte sie ihn in der Hand, nicht er sie. Wenn ihr danach war, konnte sie ihm den ganzen Rücken zerkratzten, bevor er es überhaupt begriff. Sie richtete ihren Blick auf den besagten Rücken, glänzend von Aloecreme. Ein falscher Handgriff... Ihre Gedanken schweiften ab. Er hatte viel breitere Schultern, als sie gedacht hatte. Über seinen Schulterblättern spannten sich kräftige Muskelpartien, der er sonst ständig bedeckt hielt. Frauen würden sich darum reißen, einen solchen Rücken massieren zu dürfen! Und wem fiel das zu? Ausgerechnet ihr, der sonst kein Junge Beachtung schenkte. Auf Gais Ermahnungen, ihre Emanzipation mache den Männern Angst und sie dürfe ihre blühende Jugend auf keinen Fall in diesem rauen Umfeld vergeuden, gab sie nichts. Offensichtlich kam man auch so auf seine Kosten.

Moment. Das hieß nicht, dass sie das genoss. Sie hatte nur wissen wollen, ob der ach-so perfekte Neji Schönheitsmakel wie Leberflecken oder Pickel hatte.

Nun ja... Die hatte er jedenfalls nicht.

Tenten seufzte und arbeitete sich weiter nach unten in die Nierengegend. Konzentrieren, Gott sei Dank saß die Hose, einfach konzentrieren...

Neji entging das Seufzen nicht. Genaugenommen lauschte er geradezu verzweifelt, denn er teilte Tentens Problem. Er... er war es eben nicht gewohnt, von jemandem so lange berührt zu werden. Außerdem hatte er nicht die volle Kontrolle über die Situation. Ohnehin, warum regte er sich auf? Es war nur Tenten. Nur Tenten. Dasselbe Mädchen, dem in seiner Gegenwart immer entfiel, was sie hatte sagen wollen und die sich partout scheute, sich auch bloß neben ihn zu setzen. Wie konnte man so ein Brimborium um jemanden machen, den man schon in- und auswendig kannte?!

Na gut... So in- und auswendig kannte er sie nicht, sonst hätte er das kommen sehen. Doch wenn sie sowieso burschikose Züge entwickelte, warum konnte er sich in ihrer Gegenwart nicht einfach entspannen?!

Du nervst, Neji. Denk' einfach, es wäre Lee. Lee ist harmlos.

'Hör endlich auf, so auf Lee herumzutrampeln! Du bist echt erbärmlich, ihn so fertig zu machen, obwohl er noch nicht wieder okay ist! Warum suchst du dir nicht endlich jemanden, der sich wehren kann?!'

Vielleicht eine dämliche Idee. Nur wegen Lee hatte sie ihn so fertiggemacht. Das hieß, sie hatte es versucht, so leicht ließ er sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

"Sei nicht so pampig."

Andererseits... Ach was, er ließ es besser ganz.

NEIN. Er genoss diese Massage trotzdem nicht. Es war notwendig, mehr nicht. Er hatte inzwischen erkannt, dass sie es beherrschte, und wenn sie fertig war, würde sie gehen und damit hatte es sich. Genau. Schluss, Aus, Ende.

"Neji?"

Statt seinem üblichen, desinteressierten 'Hm' sah er über die Schulter und beäugte sie aus den Augenwinkeln. Dabei fiel ihm Tentens Blick auf, und ein nahezu unsichtbares, selbstgefälliges Lächeln huschte über seine Lippen. Soso, man mag also, was man da sieht, ja?

"Hast du schon gegessen?", fragte sie möglichst beiläufig.

"Nein."

Sie schluckte, und ihre Hände stoppten kurz. Nejis Lächeln wurde etwas breiter. O-oh, das Farce bröckelte...

"Isst du mit mir?"

Jetzt war der richtige Zeitpunkt für seine eiskalte Abfuhr. Er würde es ihr heimzahlen, wie sie sich ihm gegenüber benommen und den Eindruck vermittelt hatte, er hätte keine Kontrolle über sein Team. Daran änderte eine Massage auch nichts mehr.

"Meinetwegen."

Tenten grinste, und ein leichter Rotschleier deutete sich auf der Haut über ihren Wangenknochen an. Neji drehet wortlos den Kopf zurück nach vorne. Er würde gar nichts mehr sagen, bis sie weg war. Seine Zunge tat, was sie wollte. Er war wirklich ein Volltrottel.

Allerdings... wenn sie schon mal zusammen aßen, würde es wohl nichts schaden, sich ein wenig umgänglicher zu zeigen. Ein ganz kleines bisschen, natürlich.

Schließlich war er Neji Hyuga und sie war... nun ja, sie war Tenten.
 

"Hehe... Sie schimpft schon wieder. Wenn Shikamaru hier raus ist, will er nie wieder was von Frauen wissen."

Naruto lugte durch einen Spalt im Zeltvorhang und verfolgte die zwei Silhouetten in dem anderen Zelt. Eigentlich fand er es nicht sonderlich interessant, denn Ino zankte sich mit jedem. Nein, er hatte lediglich keine Ahnung, wie er ein Gespräch mit Hinata anfangen sollte. Und ein einträchtiges Anschweigen kam nicht in Frage.

"Uhm... Willst du nichts essen?"

Hinata sah ratlos auf die Lunchboxen, die Ino ihnen bereitgestellt hatte, hinunter. Sie wusste, dass Naruto viel lieber Ramen aß, aber sie konnte weder kochen, noch hatte sie die Zutaten. Vielleicht konnten Ino oder Tenten das...

Hinata atmete tief durch und straffte ihre Schultern. Nein, sie würde das allein schaffen. Sie musste etwas früher aufstehen - der Weg nach Konoha würde sich notfalls auch mit Hakugan finden lassen – und einkaufen gehen. Nach all den Strapazen, die sie den anderen beschert hatte, fand sie es nicht gerecht, sie im Anschluss herumzukommandieren.

Es lag in Hinatas Natur, die Dinge auf sich zu nehmen.

"Oh... Stimmt ja, klar."

Naruto grinste planlos und rieb sich den Nacken. Hinata lächelte zögerlich und wagte einen Blick in seine Augen. Sie waren einfach wunderbar blau. Wie ein Sommerhimmel. Wie glücklich sie war, wenn sie in seiner Nähe war! Er machte all den Schmerz aus der Vergangenheit vergessen, und obwohl er selbst so viel durchgemacht hatte und ihr Leben dagegen behütet erschien, hatte er sein Lächeln behalten. Er hatte eine so starke Persönlichkeit und eine lebhafte Ausstrahlung, bei der ihr Magen Bungeejumping machte.

"Hey, Hinata! Guck mal, schnell! Schnell!"

Hinata riss sich gewaltsam aus ihrer Träumerei... um zu sehen, wie Naruto ein Essstäbchen auf seiner Nase balancierte. Ihre Hände reagierten nicht schnell genug, um ihr Lachen zu ersticken.

"Oh... Es... es tut mir leid...", murmelte sie verlegen. Naruto blickte enttäuscht drein und ließ das Stäbchen fallen.

"Fandest du es nicht witzig?"

"Was? Doch, ich-"

"Du kannst ruhig ehrlich sein."

Hinata schüttelte vehement den Kopf.

"Das stimmt nicht, Naruto-kun. Ich... ich wollte nicht, dass du denkst, ich... ich lache dich aus."

Sie schnappte nach Luft. Ihre überzeugte Stimme gab ihr neuen Mut.

"Es... Zuhause ist es verboten, über jemanden zu lachen... Das ist eine furchtbare Beleidigung..."

Hinata atmete erneut tief ein und hielt mit eiserner Selbstbeherrschung ihre Hände still. Sie und Naruto starrten sich einen Moment lang schweigend an.

Dann brach der Blonde in Gelächter aus.

"Mann, das... das ich ja krank! Du darfst nicht mal lachen, wenn sich dein Vater im Garten auf die Fresse packt oder Neji schreiend durchs Haus rennt, weil er 'ne Spinne im Klo gefunden hat?!"

Hinata war sprachlos. Sie hatte es nicht mal gewagt, sich vorzustellen, wie Hiashi Hyuga bei seinem morgendlichen Spaziergang durch den Garten, der ein wichtiger Bestandteil seiner Meditation war, stolperte und fiel.

Naruto krümmte sich vor Lachen, bis er sich endlich aufrichtete und sich räusperte.

"Tut mir leid, ich wollte nicht irgendwie über deine Familie lachen... Aber stell' dir mal vor, so'n strenger Obermotz, den du nicht leiden kannst, mault sich richtig und du siehst es... Würdest du da nicht lachen?"

Hinata dachte kurz nach. Es gab schon Clanmitglieder, die sie nicht mochte, sogar eine ganze Menge. Trotzdem behandelte sie die Älteren mit Achtung. Allein die Vorstellung...

Ihre Hand fuhr zum Mund und blockte jedes Geräusch ab. Naruto wedelte ungeduldig mit den Händen.

"Komm schon, es hört keiner außer mir, und ich halte ausnahmsweise den Rand. Wenn du es witzig findest, lach' auch drüber."

Hinata stieß die restliche Luft aus ihren Lungen und konzentrierte sich auf das Bild in ihrem Kopf. Es fühlte sich gut an, sich für die jahrelange Demütigung zu rächen, ohne gleich dafür bestraft zu werden. Ja, es fühlte sich sogar sehr gut an.

Narutos Hände schossen vor und umklammerten ihre, bevor sie ihren Mund wieder bedeckte. Sie lachte leise, zögerlich, und als Naruto eine Reihe Details herunterratterte, konnte sie sich nicht mehr beherrschen.

Sie hatte noch nie so laut und ungezwungen gelacht.

Als sie sich endlich beruhigten, zog Naruto seine Hände wieder zurück. Hinata spürte immer noch den warmen Druck seiner Finger und lächelte still vor sich hin.

"Sag mal... Soll ich dir das Schwimmen beibringen?"

Er rückte seine Brust heraus und verschränkte die Arme.

"Ich bin ein unglaublich begabter Lehrer, schon allein deswegen sollte man mich sofort zum Hokage ernennen! Außerdem schulde ich dir was..."

"A... Ach was..."

"Bitte!"

"W... Was?"

"Bitte! Bittebittebitte!"

"Ähm... J... ja!"

"YAY! Du wirst es nicht bereuen, Hinata!"

Der Meinung war sie ebenfalls.
 

Das Kapitel ist leider nicht Probe gelesen, da ich in Eile bin. Hinata und Naruto kommen, was das Pairing angeht, etwas kurz, doch das wird sich noch ändern. Schließlich hat sie wieder einen Plan.

Musiktipp: Es gibt da ein gewisses AMV über Neji und Tenten, das da hieße 'Prince Charming'. Ich hatte großen Spaß damit, weil die Kombination einfach passte.

Noch etwas: ICH MACHE KEINE ENS-BENACHRICHTIGUNG. Kommentiert völlig verspätet oder lasst es ganz, damit kann ich leben. Wenn es einem wichtig ist, erfährt man es früh genug. ich glaube nicht an Schicksal, aber es gibt so etwas Ähnliches.

EDIT (10.03.07) : Die nächsten Updates werden sich voraussichtlich ziemlich verzögern.

Verführung à la Hyuga (1)

Tiefe Stille lag über dem Wald. Alles schlief, kein Wind regte sich. Der kleine See lag spiegelglatt und unberührt da.

Hinata steckte prüfend den Kopf aus dem Zelt. Der Tau war unversehrt, und aus den anderen Zelten hörte sie nichts.

Der Vorhang von Nejis Zelt war zurückgeschlagen und durch einen dünnen Insektenvorhang ersetzt. Hinata gab zu, dass sie zu gern gewusst hätte, ob zwischen Tenten und ihm das Eis endlich brach, doch sie durfte nicht einfach nachschauen. Das ging sie wirklich nichts an.

Sie warf einen letzten Blick auf den schlafenden Naruto und zögerte. Was, wenn er aufwachte und bemerkte, dass sie nicht mehr da war? Würde es ihm auffallen? Würde er sie suchen? Würde er sich Sorgen um sie machen?

Jetzt war es zu spät zum Umkehren. Vorsichtig schlüpfte sie aus dem Zelt und balancierte auf den grasfreien Flecken, in denen die Heringe eingeschlagen waren. Sie durfte keine Spuren im Tau hinterlassen. Und dafür hatte sie alles vorbereitet. Sie musste es schaffen, ihre festgelegte Route über die wenigen Steine und kahlen Stellen einzuhalten. Erste Station: Zelteingänge. Dort würden ihre Spuren im niedergetrampelten Gras am wenigsten auffallen.

Wenn man in einem Team mit Shino und Kiba war, musste man zwangsweise lernen, sich geschickt und schnell zu bewegen. Kurenai legte größten Wert auf Agilität, weil sie einen gewissen Schutz gegen Genjutsu bot. Zu diesen Zwecken hatte sie ihr Team ständig über nicht völlig ungefährliche Parcours gejagt. Jetzt zahlte sich die Erfahrung aus.

Hinata vollführte ihren ersten Sprung. Sie trug eine unscheinbare, bequeme Hose, deren Zweck lediglich darin bestand, sie nicht zu behindern. Denn Hinata war fest entschlossen, Naruto ihre ganze Klasse zu zeigen. Sie würde... Einkaufen gehen. Kochzutaten, ein Parfüm und... ein neues Kleid. Sie würde Inos Rat befolgen und trotz ihrer Unauffälligkeit nicht länger farblos bleiben.

Ihr Vater hielt Parfüm genau wie moderne Kleidung für ein überflüssiges Mittel zur Verstellung. Sollte es nötig sein, an einer Festlichkeit teilzunehmen, war Hinata dazu verdonnert, einen schweren Kimono zu tragen, der zuvor mit Weihrauchduft behandelt worden war. Nicht, dass sie etwas dagegen hatte... Aber sie wollte normal sein. Sie verband schlechte Erinnerungen mit diesem Weihrauch, und ein aufwändiger Kimono würde Naruto eher abschrecken und den Standesunterschied zwischen ihnen vergrößern.

Sie zwang sich, Nejis Zelt den Rücken zuzudrehen und setzte zum nächsten Sprung an. Sowohl Tenten als auch Neji hatten einen leichten Schlaf, was daher rührte, dass Gai hin und wieder auf Missionen Reaktionsprüfungen durchführte. Und dafür fand er stets den ungünstigsten Moment. Über Shikamarus und Inos Zelt konnte sie mithilfe eines Asts hinwegsetzen, der einen halben Meter entfernt über dem Boden aufragte.

Hinata atmete tief durch. Sie musste da einfach durch.
 

Um sechs Uhr morgens war Konoha noch nicht sonderlich belebt. Hinata beschloss, sich als Erstes um die Erweiterung ihrer Garderobe zu kümmern. So konnte sie sich mit dem Umgang ein wenig vertraut machen.

Die Stammhalterin der Hyuga lächelte vergnügt. Das war alles unheimlich aufregend. Sie hatte noch nie so viele Freiheiten gehabt, geschweige denn überhaupt versucht, sie zu nutzen.

Im Stillen dankte sie Kiba dafür, dass er sie überredet hatte, trotz ihrer gesicherten Zukunft gewisse Ersparnisse anzulegen – man wusste nie, wozu man sie brauchen konnte. Nun gaben sie Hinata ein zusätzliches Gefühl der Selbstständigkeit.

Sie suchte sich eines der kleineren Bekleidungsgeschäfte heraus. In Konoha öffnete generell jedes Geschäft zu dieser Zeit, denn die Dienstzeit der Ninja begann in vollem Umfang am frühen Vormittag, und viele wollten vor Dienstbeginn ihre Einkäufe erledigen.

Zögernd schob Hinata die Tür auf. Ihr Herz klopfte wie wild. Sie war noch nie in einem solchen Geschäft gewesen... Es hatte nie die Notwendigkeit bestanden, sie mit diesen trivialen Dingen zu behelligen. In erster Linie war sie die Stammhalterin und hatte sich nicht selbst um ihre Garderobe zu kümmern.

Sie zuckte zusammen, als ein heller Glockenton ihr Kommen meldete. Eine gelangweilt wirkende Verkäuferin mit faszinierend langen, rot lackierten Nägeln und einer nachlässig gemachten Dauerwelle im wasserstoffblonden Haar erschien aus einem Nebenraum. Misstrauisch musterte sie das Mädchen, das sich zögerlich zwischen den Kleiderauslagen bewegte.

Hinata schluckte. Sie befand sich hier recht weit von den Ninjavierteln entfernt, das hieß, man kannte sie nicht. Zivilisten sahen die diversen Clans nur als eine einzige Armee Soldaten, die für ihre Sicherheit sorgten, und die meisten begegneten ihnen mit dem Misstrauen dieser Frau.

Vorsichtig berührte sie die Kleider in den Auslagen. Warum hatte sie Ino nicht gefragt, wie man sich hier genau verhielt?! Fieberhaft rief sie sich in Erinnerung, was die Blonde zu ihr gesagt hatte. Zieh einfach ein hübsches Kleid an, wie du es gestern gemacht hast, und der Rest kommt von ganz allein!"

Verlegen wandte sich Hinata an die Verkäuferin.

"Entschuldigen Sie... äh... kann ich das anprobieren?"

Hilflos hielt sie eins der Kleider in die Höhe. Die Frau hinter der gläsernen Theke hob eine Augenbraue.

"Die Umkleiden sind links. Aber das ist nicht deine Größe."

Sie sprach es aus, als sei das eine allgemein bekannte Tatsache, die nicht zu kennen völlig unmöglich war und schüchterte Hinata damit noch weiter ein. Woher sollte sie wissen, was ihr passte?

"Könnten Sie..."

Die Frau seufzte theatralisch und durchquerte den Laden auf ihren hohen Absätzen, die bei jedem Schritt metallisch klickten. Sie nahm Hinata das Kleid aus der Hand und legte es zurück.

"Welche Größe hast du?"

"Äh... Wie bitte?"

"Deine Kleidergröße."

Die Verkäuferin musterte Hinata stirnrunzelnd, als wäre sie nicht sicher, ob dieses Mädchen vom Mond kam oder einfach nur dumm war.

Hinata überlegte. Ihre neugewonnene Selbstsicherheit war dahin. Was würden die anderen jetzt tun? Ino würde natürlich gar nicht erst in diese Situation kommen, und sollte es wider Erwarten der Fall sein, hätte sie sicher eine kesse Erwiderung auf Lager. Und Tenten... sie hätte das vorausgesehen und nicht um Hilfe gebeten. Wie auch immer, sie war Hinata und sie hatte keine Ahnung, wie sie hier herauskommen sollte!

"Das geht Sie nichts an, wir finden es auch so."

Hinata fuhr herum, und die Furchen auf der Stirn der blonden Verkäuferin vertieften sich. Wenn sie nicht alles täuschte, hatte es gerade ein kleines Mädchen gewagt, in diesem Tonfall mit ihr zu reden. Dieses Kind war gerade mal halb so groß wie sie und maßte sich an...

Gleichzeitig strahlten ihre pupillenlosen Augen eine beängstigende Kraft aus, bei der es nicht ratsam erschien, ihr zu widersprechen. Wortlos kehrte sie hinter die Theke zurück und beäugte dieses seltsame Pärchen mit finsteren Blicken.

Hinata war geschockt.

"Hana-chan, was tust du hier?!"

Ihre kleine Schwester zuckte beiläufig mit den Schultern.

"Dasselbe wie du – ungehorsam sein."
 

Hinatas gesamter 'Ausflug' hatte auf der Annahme beruht, dass die anderen lange genug schliefen, um ihr Verschwinden nicht zu bemerken. Sie hatte keinen Plan B für den Fall, dass jemand während ihrer Abwesenheit aufwachte.

Naruto tat Besagtes. Es war so still, er hörte nicht mal Atemgeräusche. Schlief Hinata noch? Er könnte sie erschrecken und sich darauf rausreden, er hätte gedacht, sie sei tot. Wenigstens gab sie ihm keins dafür drauf, so wie Sakura. Allerdings... vielleicht würde sie vor Schreck schreien und dann würde Neji ihm mehr als eins draufgeben. Manchmal war Naruto froh, keine Verwandtschaft zu haben.

Vorsichtig drehte er sich um. Irrte er sich, oder... war Hinata überhaupt nicht da? Ruckartig setzte er sich auf. Narutos Quirligkeit erlaubte es ihm, zu jeder noch so unchristlichen Zeit die Hemmungen normaler Menschen abzuschütteln und zu neuen Schandtaten bereit zu sein. Die Frage war nur, mit wem.

Wie auch immer. Hinatas Seidenrobe lag ordentlich zusammengefaltet auf ihrer Decke. Naruto berührte sie flüchtig. Sie war kalt, dennoch sagte ihm seine Intuition, dass Hinata sie vor noch nicht allzu langer Zeit ausgezogen hatte. Der Duft war unverwechselbar...

Moment. Was in drei Teufelsnamen tat er da? Wieso hielt er jetzt Hinatas Yukata in den Händen und versenkte seine Nase im Stoff? Er war doch kein Fetischist! Na gut, es war nicht so dramatisch, immerhin war es nicht ihre Unterwäsche, trotzdem fühlte Naruto sich instinktiv schuldig. Er, der schon mehr als einmal die badenden Frauen in den heißen Quellen beobachtet hatte, bekam Schuldgefühle, weil er an der Robe eines einfachen, unauffälligen Mädchens roch! Ino hatte ihm bestimmt diesen ganzen Quatsch mit Anstand eingeredet. Demnächst ging er noch in die Kirche.

Naruto unterbrach seinen inneren Monolog für einen (für ihn) wichtigen Gedanken: Hinata war wach. Hinata hatte sich bereits angezogen, zumindest trug sie ihren Yukata nicht mehr. Hinata war nicht mehr im Zelt...

War sie Baden gegangen?

Es war natürlich durch und durch unanständig, sich dafür überhaupt zu interessieren. Hinata war manchmal gruselig – sie hing mit einer animalischen Nervensäge (klingt wie Naruto, ist aber Kiba) und einem verhüllten Insektenpsycho ab, ihr Cousin war die personifizierte Beulenpest, zwischendurch sammelten sich beträchtliche Blutmengen in ihrem Kopf, sodass sie laufend mit einem Feuermelder konkurrierte, sie trug komische Sachen und... wie sah sie wohl ohne die aus? Sie war viel zarter und filigraner gebaut als die meisten Mädchen, und ihre helle Haut...

Er hielt immer noch ihren Yukata. Er war pervers. Wenn Hinata jetzt zurückkam, würde sie wissen, dass er pervers war. Sie würde Neji erzählen, dass er pervers war. Und Neji würde ihm jede Perversität einzeln austreiben.

Wie schon erwähnt, waren Naruto Schuldgefühle dieser Art völlig fremd, und er konnte sich nicht erklären, warum Hinata... Sowieso, warum war im Bezug auf Hinata alles anders? Wäre es Sakuras oder Inos Kleidung, wäre die Reaktion klar. Es würde einen Riesenterz geben, und er hätte etwas, mit dem er sie aufziehen könnte. Doch Hinata mit irgendetwas aufzuziehen erschien ihm schlichtweg ungerecht.

Verdammt, er hatte gerade Nejis Beweggründe nachempfunden.

Also würde er sie nicht aufziehen. Trotzdem, wenn sie badete, könnte sie vielleicht versehentlich in eine tiefere Region gelangen, und sie konnte nicht schwimmen... Er würde den Teufel tun, ein Mädchen hinterherzuschicken, nur des Anstands wegen. Hinata konnte etwas passieren, das duldete keinen Aufschub!

Na ja... Genug Zeit, um den vermaledeiten Yukata endlich wieder wegzulegen, hatte er wohl noch.
 

Verblüfft betrachtete Hinata ihre Reflektion im Spiegel der Umkleidekabine. Sie hätte nie geglaubt, mal ein Kleidungsstück zu tragen, das nicht im Mindesten zweckorientiert und richtig modisch war... und dass es ihr stand. Sie hatte gedacht, ausschließlich Mädchen mit langem Haar und weiblichen oder charakterlichen Reizen könnten modische Kleidung tragen. Und wenn es darum ging, war sie das einzige reizlose Mädchen auf der Welt, fand sie.

Vorsichtig drehte sie sich um sich selbst, hörte den weichen Stoff rascheln und nahm den schwachen Geruch nach Reinigungsmitteln wahr. Zum ersten Mal wagte sie es, sich optisch als ernste Konkurrenz für Sakura Haruno zu betrachten.

"Bist du fertig?"

Hastig begann Hinata, ihre Neuerweiterung aufzuknöpfen und zog sich wieder ihre alte Kleidung über.

"J... ja, gleich!"

Sie war immer noch völlig aufgekratzt. Wenn Ino sie so sehen könnte, würde sie nichts wiedererkennen! Hinata war so glücklich wie vielleicht noch nie. Nicht nur, dass sie sich endlich traute, was für jedes Mädchen in ihrem Alter selbstverständlich war, sie hatte auch jemandem, dem sie es erzählen und vorführen konnte! Sie hatte Freunde. Sie war normal. Nicht mehr das gruselige Mauerblümchen, das am helllichten Tag eine Bank überfallen könnte und keiner würde sie wahrnehmen.

Fast ehrfürchtig hob sie ihre diversen Einkaufstüten auf und schob sich aus der Umkleide.

Ihre sonst so reservierte kleine Schwester hier zu treffen hatte sie völlig unerwartet getroffen. Hanabi übertrat zwar manche Verbote, indem sie zum Beispiel Neji aus dem Nebenhaus nicht mit dem üblichen abwertenden Verhalten gegenübertrat, doch ansonsten hatte sie Hanabi für ein gehorsames Kind gehalten. Was genau sie hier tat, hatte Hanabi nicht verraten, und Hinata war, wie sie sich eingestehen musste, viel zu aufgeregt gewesen, um schwesterliche Autorität zu zeigen. Etwas, das ihr ohnehin nicht sehr lag.

Hanabi trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.

"Lass uns gehen. Baa-san wird bald nach mir sehen."

Wie Hanabi es geschafft hatte, ihrer rigorosen Großmutter zu entwischen, war Hinata ebenfalls schleierhaft.

Ihre Einkaufsliste beinhaltete nur noch ein paar Zutaten für Nudelsuppe und einen Blumenstrauß nach Wahl. Aufgrund des Zeitmangels beschlossen sie, dass Hanabi sich um die Zutaten kümmerte (Hinata wusste nicht, warum sie sich auch noch im Supermarkt besser auskannte als sie) und Hinata das Floristikgeschäft der Yamanakas aufsuchte.

Hätte sie einfach den nächstbesten Blumenhändler genommen, wäre einiges anders gelaufen.
 

Inoichi Yamanaka hob stirnrunzelnd den Kopf, als die kleine Glocke an der Tür klingelte. So früh hatte er noch nicht mit Kundschaft gerechnet. Hoffentlich war das keine der vielen Stammkundinnen, die sich hier ständig mit seiner Frau verquatschten. Denn selbige erledigte gerade die Einkäufe fürs Mittagessen, und er konnte und wollte sie als Gesprächspartnerin nicht ersetzen.

Inoichi war momentan eh nicht gut auf sie zu sprechen. Sobald er die Rede auf Ino lenkte, wechselte sie das Thema, und aus ihren Einkäufen machte sie ein großes Geheimnis. Und sie weigerte sich partout, ihm wenigstens zu sagen, wo seine Tochter überhaupt war! Im Gegensatz zu ihr war er der Meinung, dass sein kleiner Liebling noch die elterliche Hilfe brauchte, um sich in der Welt zurechtzufinden. Wie kam sie dazu, ihm vorzuenthalten, wo seine Ino-chan war?!

"Verzeihung?"

Inoichi riss sich aus seinen Grübeleien und kehrte hinter die Theke zurück. Der Anblick des zierlichen, nervösen Mädchens, das händeringend im Türrahmen stand, weckte sofort seine Zuneigung. Obwohl seine Frau das nicht einsehen wollte, Ino war genauso hilflos und unsicher wie dieses Mädchen.

Jetzt, wo er ihr Gesicht eingehender betrachtete, kam es ihm bekannt vor. War sie Inos Freundin? Wunderbar! Das Musterbild eines Mädchens – kein Make-up, keiner von diesen tiefen Ausschnitten und kurzen Röcken, die er Ino so oft auszureden versucht hatte, und viel höflicher als die meisten.

"Bitte, Hinata-chan...?"

Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als sich angenehme Überraschung in ihren Augen andeutete. Natürlich erzählte ihm Ino-chan nichts, er hatte den Namen lediglich auf einer dieser ominösen Einladungen gelesen und erinnerte sich an das charakteristische Merkmal der Hyugas. Soso, sie war also auch auf dieser hochgeheimen Veranstaltung?

"Ich, äh... suche einen Blumenstrauß."

Inoichi lächelte sie freundlich an, und sie erwiderte es zögerlich und trat aus dem Türrahmen. Inoichi deutete auf einen kleinen Tisch.

"Stell deine Tüten doch ab. So, und für welchen Anlass?"

Sie errötete heftig und starrte zu Boden, während ihre Finger sich emsig damit beschäftigten, die Tüten abzustellen.

"Ich... N... nichts Besonderes, b... bloß... Könnte ich mir die... Blumen vielleicht aussuchen?"

Beschämt trat sie von einem Fuß auf den anderen. Inoichi machte eine weit ausholende, einladende Geste auf die Schnittblumen, und Hinata nickte dankbar. Inoichi war durch und durch angetan. Sie war wirklich wie seine kleine Ino-chan, als sie noch klein war... Und bevor sie Gefallen an diesem grässlichen Uchiha-Jungen gefunden hatte. Er hatte die Mädchen, die ihm nachliefen, schon vor dem grausamen Massaker nicht gerade sanft behandelt, und obwohl Inoichi den Jungen bemitleidete, hatte er kein Verständnis für die Art, wie er mit seinen Verehrerinnen umging. Gott allein wusste, wie oft Ino sich nach der Schule weinend aufs Bett geworfen hatte und er oder seine Frau den ganzen Nachmittag damit zugebracht hatten, sie zu trösten. Wegen einem Jungen alles hinzuwerfen... Allein das bekräftigte Inoichis Überzeugung, dass Ino väterlichen Beistand brauchte.

Zögernd suchte Hinata sich Blumen zusammen. Mit Ikebana schien sie Erfahrung zu haben, denn die Farb- und Blütenkompositionen hatten unübersehbar System. Oh, er musste sie irgendwann mal fragen, ob sie im Laden aushelfen wollte. Das Ikebana der Hyuga hatte ein ganz neues Muster, und er war sicher, dass Hinata das richtige Gefühl dafür hatte.

Zögerlich, dennoch sehr bestimmt, wählte Hinata sich ihre Blütenkomposition aus. Inoichi beobachtete sie aufmerksam. In der Sprache der Blumen schrieb sie da an jemanden, dessen Zuneigung sie gewinnen wollte, zunächst rein platonisch. Ino war über die jungfräulichen Farben schon längst hinaus, auch wenn ihr Vater streng darauf achtete, ob sie die Gestecke irgendjemandem schenkte.

"Ach, Hinata-chan?"

Das Mädchen zuckte zusammen und drehte sich um.

"Hast du Ino-chan gesehen?"

Es war etwas dämlich, dass er als ihr Vater eine Wildfremde danach fragen musste, aber Hinata zog lediglich erstaunt die Augenbrauen hoch.

"Ja... Natürlich. Warum?"

Im gleichen Moment schien sie zu bereuen, so unsittsam nachgefragt zu haben, was Frauen im Hyuga-Clan eigentlich nie zu tun hatten, wenn sie mit Männern sprachen, und Inoichi hielt es für das Beste, Nichtbemerken vorzutäuschen.

"Sie hat nichts erzählt, und ich... mache mir etwas Sorgen."

Etwas? Er konnte kaum schlafen, wenn er nur daran dachte, was Ino alles zustoßen konnte! Erfahrungen hatten gezeigt, dass es fatal war, sie allein zu lassen...

"Ich... ich denke, das müssen Sie nicht. Ino-chan geht es gut..."

Sie zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, und ihre Schultern strafften sich ein wenig. Offenbar war sie es nicht gewohnt, allein mit Fremden zu sprechen. Inoichi warf ihr einen argwöhnischen, dennoch besänftigten Blick zu.

"... und Shikamaru-kun ist sicher sehr anständig."

"Shikamaru Nara?", fragte Inoichi scharf. Es war eine dumme Frage, die Naras hatten nur einen Sohn, und auch nur diesen Sohn würde Ino irgendwohin einladen.

Ino-chan war mit diesem Jungen irgendwo da draußen, ausgerechnet in den brach liegenden Feldern und einer ganzen Menge Wasser...

Innerhalb eines Sekundenbruchteils war Inoichi über die Theke gesprungen und rannte in der Tür fast Mrs. Yamanaka um, die mit den Einkäufen zurückkam. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus, und ihre Einkaufstaschen verhinderten glücklicherweise eine Kunoichi-Reaktion.

"Inoichi, wo willst du hin?!", schrie sie ihm nach. Statt einer Antwort verschwand er mit einem Satz. Seine Frau seufzte und wandte sich an die gänzlich perplexe Hinata.

"Wie auch immer. Kann ich dir helfen, junges Fräulein?"
 

"Urusai... Ino, hör' endlich auf damit!"

Shikamaru hüstelte und fächelte sich mit der flachen Hand Luft zu, wohl wissend, dass es nutzlos war. Ino hatte das ganze Zelt mit irgendeinem unsäglichen Parfüm eingenebelt. Wenn es brennbar war und die allerkleinste Kerze hier entzündet würde, stünde die Luft in Flammen.

"Es ist stickig hier, ich halt's nicht mehr aus! Wie kannst du nur so schlafen?!"

Gute Frage. Sie forderte seine Fähigkeiten, trotz aller Widrigkeiten zu schlafen, wirklich sehr. Selbst in diesem kleinen Zelt schaffte sie es, ein tadelloses Aussehen zu wahren – ihre wenig flächendeckende Kleidung war nicht zerknittert und sauber, ihre helle Haut hatte keine Schramme und ihr honigblondes Haar war makellos gebürstet und frisiert.

Shikamaru gähnte und drückte sich sein Kissen als Atemschutz vors Gesicht. Eben! Wie konnte seine Mutter versuchen, ihm ein Mädchen aufzuzwingen, das rund um die Uhr perfekt sein musste?! Er kannte Ino, er wusste, dass es für sie absolut notwendig war. Er dagegen... Was sollte er mit einer, die ihre Fehler krampfhaft vertuschte?!

"Uuuh, meine Augen sind noch ganz verquollen! Das sieht ja scheußlich aus!"

Ino zückte ihren Taschenspiegel und fing an, ihre Augen zu schminken. Shikamaru sah beim besten Willen keine roten Ränder. Und sowieso, was war daran schlimm? Sie war gestern mit den Nerven am Ende gewesen, deswegen zu weinen war für ein Mädchen keine Schande.

"Heute wird's kühler, und es ist noch ganz bedeckt... Was soll ich bloß machen?! Die anderen werden sich sicher langweilen, aber ich kann nichts für das Wetter nach einem Gewitter. Morgen wird es besser, oder? Ja, bestimmt. Und solange... Wir tun was Sinnvolles, also schlaf' nicht den ganzen Tag. Wirklich, wie kann man so viel schlafen? Tss... Oh, hast du gestern gemerkt, dass Tenten zu Neji gegangen ist? Sie vertragen sich bald, hoffe ich. Es wäre so schade, wenn nicht, sie sind füreinander geschaffen, das ist offensichtlich..."

"Ino..."

Wie konnte sie schon am frühen Morgen so viel reden?! Ihr Geplauder zerrte an seinen Nerven. Die ganze Zeit schon herrschte diese komische Stimmung. Ino war komisch. Sie verhielt sich komisch, was außer ihm keiner merkte, weil die anderen nicht gezwungen gewesen waren, sie näher kennen zu lernen. In Konoha gab es Dutzende von Kerlen, die Ino Yamanaka gerne näher kennen lernen würden, und von allen musste er es sein. Es war so...

"Urusai, ich weiß. Aber mir ist so langweilig. Der Himmel ist grau, und es ist kalt. Ich will die anderen nicht wecken."

Sie legte sich wieder hin, zog die Knie vor die Brust und drehte ihm das Gesicht zu.

"Bist du wach, Shikamaru? Hey! Ach, du tust bloß so, als würdest du schlafen. Magst du das Parfüm? Sei ehrlich. Ich hab' noch andere. Soll ich sie dir zeigen? Ach, du nörgelst ja doch wieder dran rum, und meine Mutter hat sich solche Mühe gegeben. Ah! Deine Mutter, wie geht es ihr?"

Shikamaru grummelte etwas Unverständliches und drehte ihr den Rücken zu. Nicht noch mehr Parfüm, und nichts über seine Mutter. Er wollte einfach schlafen. Gedämpft hörte er, wie sie seinen Namen rief.

Irgendetwas kitzelte seine Nase, kurz darauf spürte er eine Erschütterung, und Stoff raschelte. Mild interessiert öffnete er ein Auge... und begegnete Inos wohlbekanntem beleidigten Blick. Sie hatte die Unterlippe vorgeschoben und zog eine niedliche Schnute. Ihre Arme hatte sie verschränkt – und sich in den kleinen Freiraum zwischen ihm und der Zeltwand gequetscht. Sie war so nah, dass er ihr Shampoo riechen konnte, ihre Hautcreme, sogar den Hauch des Make-ups, bildete er sich ein. Wenn sie mal auf diesen ganzen Kram verzichten würde... Egal.

"Sei nicht gleich eingeschnappt. Einer Dame dreht man nicht den Rücken zu, wenn sie mit einem redet, schon mal gehört?"

Ach? Ino redete immer, sogar im Schlaf und wenn sie den Mund voll hatte. Es gab praktisch nichts, was sie am Reden hindern konnte. Sollte er demnächst rückwärts laufen, um ihr stets seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil werden lassen zu können? Soweit irgendetwas Shikamarus ungeteilte Aufmerksamkeit erringen konnte. Seine Mutter verzweifelte daran seit dem Tag seiner Geburt (ein gelangweiltes Baby ist schon ziemlich deprimierend).

Shikamaru rückte dezent zurück. Ino konnte gar nicht so arglos sein. Sie hatte Jungen aufgezogen, noch bevor sie richtig laufen konnte. Sie musste wissen, dass es jedem normalen männlichen Wesen in seinem Alter unangenehm war, wenn ein Mädchen mit ihrem Kleidungsstil in einem Ein-Personen-Zelt herumwuselte, über ihn kletterte und sich vor ihn quetschte, um ihm in die Augen zu sehen. Wofür hielt sie ihn denn?! Nur, weil sie sich zwangsweise von klein auf kannten und er nie die geringste pubertäre Reaktion auf sie gezeigt hatte, hieß das nicht, dass er seiner Männlichkeit enthoben war!

Und abgesehen davon, dass sie nicht zueinander passten, hatte Shikamaru es seit seinem siebten Lebensjahr als selbstverständlich betrachtet, dass zwischen ihnen nie mehr als eine Freundschaft oder Kameradschaft laufen würde.

Ein einfaches Erlebnis. Choji und er waren irgendwo im Wald herumgestromert, um Mrs. Nara zu entkommen. Den sanftmütigen Choji erschreckte die rohe, brüske Frau, die keine Hemmungen hatte, ihren Sohn am Genick zu packen und am Knöchel nach Hause zu schleifen, um ihn zum Training zu zwingen. Im Nachhinein war die Logik darin verständlich, denn ein geübter, kräftiger Junge hatte größere Überlebenschancen als Shinobi, und Shikamarus Mutter machte sich sehr wohl Sorgen um ihn.

Solange sie nicht zur Akademie mussten und ihre Väter sie nicht zu irgendwelchen Treffen mit diesem grässlichen Yamanaka-Mädchen zwangen, war das Leben schön. In den Augen der (diesbezüglich ein wenig unaufgeklärten) beiden war es völlig unverständlich, warum Inoichi keinen Sohn, sondern eine Tochter hatte. Sicher, sie hatte auch ihre guten Seiten, wie zum Beispiel dieses seltsame Mädchen ohne Clanabstammung gegen die anderen zu verteidigen, aber sonst war sie ein unausstehliches Biest.

Besagtes 'unausstehliches Biest' hatte währenddessen ganz andere Probleme als Choji und Shikamaru. Das Problem betraf eher das 'seltsame Mädchen'.

Verdammte Sakura! Ino verfluchte die Ehrlichkeit, die sie bisher so an ihrer Freundin geschätzt hatte. Mit ein wenig mehr Zeit, mit ein wenig mehr Mühe hätte sie es vielleicht geschafft, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und hätte Sakura womöglich den Vortritt lassen können. Stattdessen sagte Sakura sich einfach von ihr los, sobald sie Ino nicht mehr brauchte, um von den anderen beachtet zu werden (chronologische Reihenfolge ist leicht verschoben)! Wer hatte dafür gesorgt, dass die anderen sie nicht mehr auslachten? Wer hatte sie Sasuke vorgestellt? Undankbares Miststück!

Ino überspielte ihren Kummer mit Empörung. Eigentlich hätte sie Sakura das leicht verziehen. Sie hatte sich als treue und liebenswerte Freundin erwiesen, und nur wegen Sasuke, der sich für jedes Mädchen nicht mehr interessierte als für eine Parkbank... Inos Trotz und ihr verletzter Stolz trieben sie dazu, Sakuras Feindschaft zu erwidern.

Wie auch immer, sie saß am längeren Hebel. Es gab Mittel und Wege, sich Liebesglück zu sichern, und Ino glaubte fest daran. Ihre Mutter erzählte ihr Geschichten davon, wenn sie Zeit hatte. Daher wusste sie, dass es tatsächlich eine 'Liebesblume' gab. Sie wirkte, wenn man sie an einem sonnigen Tag ohne Frost abbrach und sie genau dreizehn Stunden später auf dem Fensterbrett der Zielperson ablegte. Ino hatte alles genau geplant – was ihr noch fehlte, war die Blume. Ihre Mutter, die das Ganze nicht ernst nahm, beschrieb sie jedes Mal anders. Dennoch war Ino ganz sicher, die Richtige zu kennen. Alles, was sie tun musste, war auf den steinernen Hügel am See zu klettern. Ein wenig riskant, zugegeben. Der Hügel war aus großen und kleinen Felsbrocken und dazu geschaffen, das durchfließende Wasser zu reinigen, bevor es in den See gelangte. Der Strom war stark, doch Sasukes Liebe war das Risiko allemal wert.

Ino war tatsächlich auf den Hügel geklettert und hatte gesucht. Hände und Füße hatte sie sich am rauen Stein aufgeschürft, und ihre kurze Hose war nass, seit die Strömung sie mindestens dreimal umgeworfen hatte. Der glitschige Untergrund bot kaum Halt. Aber sie war nicht mehr weit entfernt...

Sekunden später zerriss ein spitzer Schrei die Stille im Wald. Shikamaru war fast das Herz stehen geblieben. Das war der Schrei eines Mädchens, das sich ernsthaft in Schwierigkeiten gebracht hatte. Und Ino, diese... Vielleicht konnte sie nicht schwimmen, vielleicht wollte sie einfach dieses Etwas in ihren Händen um keinen Preis loslassen.

Choji rannte los, um Hilfe zu holen. Er war kein guter Schwimmer und Shikamaru ebenfalls nicht, trotzdem hielt Shikamaru die Untätigkeit nicht aus. Noch bevor Choji außer Sichtweite war, sprang er allen Ernstes hinterher. Im Frühling! Das Wasser war eiskalt, und er hatte keine Ahnung, wie man jemanden rettete. Zusätzlich drückte ihn der Wasserfluss nach unten.

Er konnte es schlicht und simpel nicht. Alles schien nicht zu klappen – seine Muskeln waren vor Kälte gelähmt, er hatte nicht genug Luft, Inos Körper war viel zu schwer, und der gleißende Sonnenpunkt über ihnen entfernte sich immer weiter.

Shikamaru hatte damals geglaubt, sterben zu müssen. Der Kälteschock machte jede Bewegung unmöglich, und seine Lungen drohten zu bersten. Paradoxerweise erinnerte er sich genau an den blaugrünen Farbton des Wassers und die Blume in Inos Händen. Mit ihrer bleichen Haut, den geschlossenen Augen und dieser Blume, die sie sich vor die Brust presste, wirkte sie wie die Wasserleiche aus so vielen Schauergeschichten.

Es kam nicht so weit. Ein unmenschlich harter Griff zerrte sie aus dem Wasser. Shikamaru landete im Gras, Chojis in Tränen aufgelöstes Gesicht und die strengen Züge seiner Mutter tauchten über ihm auf. Er hatte nie erfahren, wie sie so schnell hergekommen war. Sie schloss ihn in die Arme, nur um kurz darauf rücksichtslos seine ungeschützte Haut mit ihrer Schürze abzureiben, sodass sie brannte.

Ino hatte Glück gehabt, dass ihr Vater sich auf einem Feld unweit vom See befunden hatte. Mit einer Vorsicht, als würde er eine Porzellanpuppe behandeln, drückte er seiner Tochter das Wasser aus den Lungen, bis sie die Augen aufschlug.

Shikamaru machte sich keine Illusionen. Hätte Choji nicht Inoichi geholt, wären Ino und er ertrunken. Schlechtes Karma hin oder her, Ino und er würden nie mehr sein als bestenfalls gute Freunde.
 

Neji wachte auf, als irgendjemand im halsbrecherischen Tempo über die Weise jagte. In dem Tempo und der Lautstärke konnte das nur Naruto sein. Shikamaru und Hinata hatten mehr Eleganz, Ino würde den Teufel tun, zu dieser unchristlichen Zeit schon herumzupesen, und Tenten...

Hinter ihm regte sich etwas. Mit einem Satz war Neji in der Hocke und mit dem Rücken gegen die Zeltwand. Wie zur Hölle kam Tenten hierher?!

Der Nylonstoff des Zelts scheuerte unangenehm an seinem Rücken und erinnerte ihn an Tentens Gefallen. Sein Sonnenbrand fühlte sich wesentlich besser an, und mit etwas Glück hatten sich seine Chancen auf Hautkrebs wieder verringert. So was passierte ihm nie wieder.

Sein Magen sagte ihm, dass sie das Abendessen ausfallen lassen hatten. Zum Glück, dass er ihr zugesagt hatte, war ein mieser Versprecher gewesen. Allerdings fiel ihm etwas Anderes, Alarmierendes auf – er, der mehr als jeder andere hier mit unerschütterlicher Contenance gesegnet war, war eingepennt wie ein Dreijähriger. Okay, es war ein anstrengender Tag gewesen, und eine Massage hatte eine einschläfernde Wirkung... Aber er, Neji Hyuga, das einzige ernstzunehmende Mitglied dieser Expedition, hatte nicht in Gegenwart eines anderen einzuschlafen, und schon gar nicht bei Tenten, die ihn ständig damit aufziehen würde. Besagte hatte sich auf den Bauch gelegt, das Gesicht zu ihm gewandt und den Kopf auf die Arme gebettet.

Eine völlig uncharakteristische Idee kam ihm. Er war zuerst wach geworden... Er konnte das Ganze noch zu seinen Gunsten drehen und wenden. Hastig zog er sich ein T-Shirt über, eigentlich eins seiner Missionsgegenstände, und verzog das Gesicht, als es seinen Rücken berührte. Unter normalen Umständen hätte ihn nichts und niemand in ein derart primitives Kleidungsstück bekommen, doch aus eigenen Erfahrungen wusste er, dass viele Mädchen (und insbesondere Tenten) ihn mit offenen Haaren und schwarzem T-Shirt sexy fanden.

Er hatte gerade in Gedanken eins dieser primitiven Worte benutzt. Gott sei Dank hatte es keiner gemerkt. Und das Schlimmste: Es machte ihm Spaß. Er hätte grinsen können.

Ein hinterhältiges, fieses Grinsen natürlich.

Er ging in Meditationspose, verkniff sich das oben genannte Grinsen, schüttelte ein wenig den Kopf, damit seine Haare sich richtig verteilten, und berührte vorsichtig Tentens Rücken. Kaiten war in vielerlei Hinsicht nützlich – er konnte die Chakramenge, die er aus seinen Tenketsu schoss, genau dosieren. Für Tenten würde sich das lediglich anfühlen wie ein kleiner Stromstoß, der sie aus ihren rosaroten Träumen holte... um sie in den nächsten überzuwechseln.

Himmel, er hatte einen ganzen primitiven Satz gedacht. Das war regelrecht ein Virus.

Grollend rollte sich das Mädchen von ihm weg. Ihre Lider zuckten, und ihre Augen bewegten sich dahinter. Neji hätte etwas darum gegeben, ihren Traum zu erfahren. Nicht viel, selbstverständlich. Was in Tentens Kopf vorging... Die dachte doch an nichts als Waffen und Prügeln.

Offenbar war die Chakradosis zu gering gewesen, denn Tenten schlief weiter, wenn auch sehr unruhig. Sie begann, sich ständig herumzuwälzen. War das ein Nebeneffekt? Wohl kaum. Musste ja ein wirklich unangenehmer Traum sein.

Wie auch immer, so konnte er nicht zielen. Es war besser, das Chakra direkt an einem Nervenknotenpunkt einzusetzen, und wenn sie permanent in Bewegung war, konnten sich Muskeln vor die Nervenpunkte schieben. Tenten würde das taube Gefühl beim Aufwachen bemerken und... Nicht auszudenken!

Nicht auszudenken war ebenfalls, dass er sie nicht geweckt bekam. Wenn sie das bei ihm beabsichtigte, packte sie ihn an der Schulter und rüttelte ihn. Trotz aller Zickigkeit, die sie in der letzten Zeit bewiesen hatte, hielt sie ihm nicht die Nase zu oder kniff ihn in die Wange, wie sie es bei Lee tat. Neji neigte im Halbschlaf zu tätlichen Angriffen, und Tenten hatte ihn mehr als einmal verdächtigt, dass dies volle Absicht und kein Reflex war.

Er erinnerte sich an die graue Vorzeit als Ge-nin. Eigentlich war sie so lange nicht her, aber im Vergleich zu Tentens Verhalten damals und heute...

Damals hatte es mal einen Zwischenfall gegeben. Er hatte friedlich geschlafen (natürlich träumte er dabei nicht von Blumenwiesen und Plüschhäschen, das war absolut unter seiner Würde und hatte sich aus seinen Träumen fernzuhalten), und dieses Mädchen... Sie hatte es allen Ernstes gewagt, sich über ihn zu beugen – was schon ein sträfliches Vergehen war, immerhin war es unerwünschte körperliche Nähe – und... Seine Empörung war sosehr gewachsen, dass er stocksteif gelegen hatte: Sie hatte ihn auf die Stirn geküsst. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich mehr darüber aufgeregt, dass dort das schmähliche Zeichen seiner 'Wertlosigkeit' eintätowiert war. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass die Pubertät bei Jungen später einsetzte als bei Mädchen und Tenten ihm (das erste Mal in ihrem Leben, fand er) in etwas vorausgewesen war.

Heute, als er, wie er feststellen musste, auch mit diesem nervtötenden Virus der Pubertät infiziert war, interessierte ihn der Kuss mehr als die Geste, die er hineininterpretiert hatte. Das hieß, er interessierte ihn nicht wirklich, es ging nur darum, Tenten ihr blamables Verhalten heimzuzahlen. Dafür konnte er sie entweder mit Kaiten in Grund und Boden stampfen. Das war nicht nachhaltig. Oder er konnte das gebrauchen, was Ino weiblichen Charme nannte, ergo bei ihm männlicher Charme heißen musste. Er hatte Ino Yamanaka nie seine wertvolle Aufmerksamkeit geschenkt, jedoch war ihm als gutem Beobachter aufgefallen, dass sie mit dem besagten Charme ihre maskuline Umwelt recht genau dirigieren konnte. Dieses eine Mal - die Teamharmonie stand auf dem Spiel – konnte er demnach mal tun, was Tenten sich erträumte.

Zumindest war es für ihn völlig klar, dass sie von ihm träumte.

Lautlos ging er in die Hocke. Tenten drehte sich auf den Rücken und kniff die Augen zusammen. Ihre Arme zuckten. Hoffentlich schlug sie nicht im Schlaf. Aber er wäre nicht Neji, wenn ihn ein frustriertes, schlafwandlerisches Mannweib K.O. kloppen würde.

Langsam beugte er sich vor. Für ein Mannweib war sie gut proportioniert. Nicht so zierlich wie Hinata und nicht so bikinimäßig wie Ino (Er stellte fest, dass er schon wieder eines dieser primitiven Worte benutzt hatte), dennoch nicht ohne Reiz. Ihre hellkaramellfarbene Haut trug noch Spuren von ihrem Training. Ihr Pony hatte sich, da er gestern noch feucht gewesen war, in allen möglichen Formen verteilt.

Tenten drückte die Lippen aufeinander. Auf ihrer Stirn deutete sich eine steile Widerwillensfalte an. Zögerlich entspannte sie sich, hörte allerdings nicht auf, ihre Schultern zu bewegen.

Neji seufzte und hielt sie an den Oberarmen fest. Er war nicht scharf darauf, dass sie ihm gleich in ihrem seltsamen Traum ihren harten Schädel gegen den Kiefer donnerte.

Weiter ging's. Wenn Tenten wieder etwas hatte, bei dem sie sich fragen konnte, ob es Zufall oder sein Verdienst war, würde sie ihre Selbstsicherheit verlieren. Und diesmal würde er es anders anpacken als bei dieser Entschuldigung.

Allmählich senkte er den Kopf. Gott sei Dank hatte Tenten ihr Stirnband in ihrem Zelt gelassen. Es waren nur noch wenige Millimeter, und sicher, es war nur ein unpersönlicher Kuss... Er würde nicht seinen ersten Kuss an diese Amazone verlieren, das wäre Verschwendung!

Er war so nah, dass er ihren Atem hören konnte. Sie roch wie immer ein wenig nach Wildnis, Waffenpolitur und altem Bambus. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Wildfang. Völlig ausgeschlossen, sie mal zu küssen, als wäre er in sie-

"ICH SAGTE GEH WEG!"

Tenten setzte sich mit einem Ruck auf. Neji hatte zum Glück die Geistesgegenwart, zurückzuspringen und sich mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck in die Hocke zu begeben.

Tenten keuchte wie nach großer Anstrengung und fächelte sich Luft zu.

"Kami-sama... Nur ein Traum."

Sie beäugte Neji mit einem misstrauischen Blick, den er sich nicht erklären konnte. Hatte sie bemerkt, was er vorgehabt hatte?

"Neji, woran denkst du gerade?"

Schlechte Frage. Oder auch nicht, denn Neji besann sich wieder auf seine Rolle.

"Rate mal."

Er beglückwünschte sich zu seiner Tonlage. Das klang nicht nach billigem Playboy und nicht nach Möchtegern-Gigolo.

"An Sex?"

Was bitte hatte dieses Weib geträumt?! Neji erwiderte ihren Blick mit jungfräulicher Entrüstung, die ihm im Nachhinein ziemlich peinlich war. Wie alt war er, dass dieses Wort ihn entsetzte?! Oder... Hatte ihn am Ende gar nicht das Wort entsetzt, sondern...

Tenten entspannte sich schlagartig und ließ sich nach hinten sinken.

"Wenn du so guckst, tust du's nicht. Ino hat gestern behauptet, dass Männer alle 2,5 Sekunden an Sex denken (was anbei wissenschaftlich bewiesen ist), und jetzt hatte ich diesen Alptraum..."

Offensichtlich erleichterte es sie sosehr, wieder wach zu sein, dass sie es sogar ihm erzählte. Neji fühlte sich gekränkt. Träumte Tenten von weibstollen Männern?! Und er hätte sie fast auf die Stirn geküsst...

Tenten sah sich um und registrierte, dass sie sich nicht in ihrem Zelt befand und die Nacht ebenfalls nicht dort verbracht hatte. Schlecht. Schnell, ein Ablenkungsthema, bevor Neji darauf zu sprechen kam.

"Wie geht's deinem Rücken?"

Anstatt einer charakteristischen, einsilbigen Antwort packte Neji sein T-Shirt mit beiden Händen am Saum und zog es sich über den Kopf. Tenten starrte ihn sprachlos an. Was war in Neji gefahren?! In ihrem Traum hatte er auf dieselbe Weise losgelegt.

"Was ist?"

Scheinbar desinteressiert erwiderte Neji nunmehr gewohnt cool ihren Blick. Der Farbton seiner Haut hatte sich etwas gebessert. Es hatte wohl schlimmer ausgesehen, als es war. Es waren keine Entzündungen oder verkrustete Stellen vorhanden. Die beschädigte Haut begann bereits, sich abzulösen. Völlig dämlich kam Tenten der Gedanke, dass Neji Schwierigkeiten haben würde, das selbst zu tun. Machte sie sich etwa Hoffnungen, er würde sie darum bitten...?

"Nichts, es sieht... gut aus."

Klasse. Kaum zog Neji in ihrer Gegenwart eine billige Nummer ab, um sie aufzuziehen, verfiel sie auf ihre alten Gewohnheiten. Das durfte nicht passieren!

"Dann... gehe ich, okay?"

Mit einem Ruck zog sie den Reißverschluss zur Flucht aus dieser peinlichen Situation auf. Ihr war kalt. Wie war das alles nur gekommen? Sie traute Ino nicht zu, Schlafgas versprüht zu haben, sodass sie sogar vergaßen, das Zelt richtig zu verschließen. Wie also...

"Tenten."

Sie zuckte zusammen und sah nervös über die Schulter. Sie brauchte definitiv fünf Minuten allein, um sich zu beruhigen und ihr übliches Verhalten an den Tag zu legen. Momentan erwischte Neji sie auf dem denkbar falschesten Fuß.

"Ja... was?"

Neji streckte den Arm aus und hob die Aloecreme auf.

"Du hast das vergessen."

Anstatt es ihr zuzuwerfen, hielt er seine Hand in der Luft und wartete. Wortlos riss Tenten ihm die Tube aus der Hand und schlüpfte aus dem Zelt. Neji lauschte ihren hastigen Schritten durch das nasse Gras und gestattete sich das hinterhältige, fiese Grinsen, das er vorhin unterdrückt hatte.
 

Dank Pfingsten wurde dieses Update doch noch vor den Ferien vollbracht. Es folgt die übliche Tirade: keine ENS-Benachrichtigung, nein, ich mag den Kapiteltitel auch nicht, aber ich hatte vor Klischees gewarnt, Kritik ist trotzdem mehr als willkommen, der Flashback war zu lang und hat mich auch verwirrt, Neji hat übrigens keine Hormonschwankungen.

Und nein, Hinata hat keine SM-Accessoires gekauft. Manchmal drücke ich mich ungeschickt aus.

Anregungen willkommen, weil ich den Fortlauf bremsen muss. Es wird zwar in absehbarer Zeit niemand mit einem anderen in der Kiste landen, aber mir fehlt momentan die Motivation, und wenn es schon keine Kritik gibt, dann wenigstens ein paar Vorschläge.

Vielen Dank.

Angriff auf die Ehre (2)

"Ino... Auf der anderen Zeltseite ist mehr als genug Platz."

Shikamaru hatte Mühe, die Augen zuzukneifen. Ein Mädchen in Hotpants und einem Top, bei dem die Träger in dieser Position von den Schultern rutschten, war er nicht gewohnt. Es war ihm mehr als unangenehm. Offensichtlich nahm Ino ihn tatsächlich nur als einen selbstverständlichen Teil ihrer Umwelt wahr, als beste Freundin oder ihre Mutter. Er wollte gar nicht erst den Eindruck eines triebgesteuerten Teenagers erwecken, allerdings konnte und wollte er nicht wie ein Wahnsinniger aus dem Zelt flüchten – er war müde, noch nicht fertig mit Schlafen und nicht kaltschnäuzig genug, Ino ihrer Einsamkeit zu überlassen. Wie sagte schon Goethe in Faust? 'Doch der Mensch in seinem dunklen Drange / ist sich des rechten Weges wohl bewusst...' (Man begebe sich auf die höheren Ebenen des Denkens, sonst klingt das erstrecht triebgesteuert)

"Ah, ich weiß!"

Ino beachtete seinen Einwand von vorhin gar nicht. Sie strahlte schon wieder helle Begeisterung aus.

"Shikamaru, was hältst du von einer Schönheitskur?"

"Ganz toll, viel Spaß."

Ino feixte und schnippte ihm gegen die Stirn.

"Nicht für mich... Für dich! Wunderbare Idee, wir fangen sofort an."

Gott musste ihn mit einer Art Punchingball verwechseln. Wie konnte man nur so grausam sein? Shikamaru seufzte und ließ sich zurück ins Kissen sinken.

"Shikamaru Nara, wenn du nicht willst, dass ich diesen gesamten Wald zusammenschreie, so laut, dass es sogar deine Mutter hört, dann bist du bei fünf auf den Beinen! Eins..."

Noch besser, er war in seinem früheren Leben sicher ein großer Sünder gewesen. Und Ino war der Racheengel, der den Auftrag hatte, ihn zu quälen. Das musste es sein.

"Zwei..."

Neji und Tenten würden es schon mal nicht bejubeln, wenn Ino Krach machte, von dem er der Auslöser war...

"Drei..."

Er würde sein Gesicht verlieren und Naruto würde ihn bis in alle Ewigkeit damit aufziehen...

"Vier..."

Seine Mutter würde alle Hebel in Bewegung setzen, ihn und Ino so oft wie möglich zusammen zu bringen... Er sah es bereits vor sich, zwei Frauen von diesem Kaliber im Haushalt... Der Vorhof der Hölle, Endstation für sein bisher halbwegs entspanntes Leben...

"Meinetwegen... Halt bloß den Mund."
 

Hinata rannte, so schnell sie konnte. Ihre Abwesenheit konnte jeden Moment bemerkt werden. Nicht, dass sie an diesem Tag nicht schon genug getan hätte, wofür ihrem Vater nicht einmal mehr Worte eingefallen wären. Gott sei Dank hatten die Hyugas keine engen Verbindungen zu den Yamankas. Neuigkeiten sprachen sich schnell herum, denn in Konoha war sie als Stammhalterin so etwas wie prominent. Sie hätte es nie so bezeichnet, aber das Resultat war dasselbe. Ino hatte sich oft beschwert, dass in dem Floristengeschäft ihrer Eltern viel mehr Zeit mit Klatsch und Tratsch als mit Verkauf verbracht wurde. Was zur Folge hatte, dass ihre eigenen Schichten im Laden sich meist beträchtlich hinzogen.

Und hoffentlich erfuhr ihre Großmutter nichts davon. Nicht, dass Hanabi sie verraten würde... Dennoch waren die Hyuga Meister in der psychologischen Kriegsführung. Aus einem kleinen Mädchen herauszuquetschen, wo sie sich morgens unerlaubt herumgetrieben hatte, konnte für die eigene Großmutter so schwer nicht sein.

Und wenn ihr heute noch Glück beschieden war, das sie noch nicht verbraucht hatte, würden die anderen schlafen. Und wenn sie noch mehr Glück übrig hatte...

"HINAAATA!"

... Dann würde irgendein Idiot nicht den ganzen Wald zusammenschreien, schon klar. Warum musste sie gerade jetzt auf Lee und Meister Gai treffen?! Warum hatte sie nicht daran gedacht, dass sie um diese Zeit in dieser Gegend, wo sie genug Platz hatten, ihr Extrem-Training absolvierten?!

Hinata zwang sich zu einem halbwegs unschuldigen Gesichtsausdruck und versteckte ihre Einkaufstüten hinter ihrem Rücken. Allerdings fehlte ihr dafür die Leibesfülle. Sie kannte Lee einigermaßen gut. Er war immer höflich und hilfsbereit. Allerdings gruselte sie sich vor ihm und seinem geliebten Meister. Schon allein deswegen, weil sie ständig ihre Teddybär-Umarmungen verteilten. Mal ehrlich, dieser Mann hatte es sogar gewagt, Neji zu knuddeln! Zwar war das einige Jahre her und Neji hatte dezent Chakra aus seinen Tenketsu geschossen, da er einen Jo-nin nicht wie jeden beliebigen Trottel behandeln durfte... Trotzdem, die beiden waren schlicht und ergreifend unheimlich!

"Äh... Guten Morgen..."

Hinata verbeugte sich und zuckte unwillkürlich zusammen, als Lee die Verbeugung erwiderte. Unter einem Dach mit Neji und in einem Team mit Shino erschreckten Menschen, die ständig in Bewegung waren, sie immer noch.

Lee holte Luft, um etwas zu sagen, doch Meister Gai war schneller. Ihm schien Hinatas angeborene Scheu völlig egal zu sein.

"Welch Augenweide! Sei gegrüßt, Bambussprössling!"

Tag auch, Stechginster. Das würde Ino sagen.

Rein theoretisch hatte Gai ihr gerade ein Kompliment für ihre Zähigkeit und ihre Standkraft gemacht. Rein praktisch fühlte sie sich wenig geschmeichelt. Anscheinend hatte Gai viel zu gute Laune.

Lee räusperte sich diskret und wandte sich wieder an Hinata: "Weißt du zufällig... wo Neji und Tenten stecken? Sie sind wie vom Erdboden verschluckt..."

Oh großartig. Es fehlte gerade noch, dass die beiden eine großangelegte Suchaktion nach ihren vermissten Teamkameraden starteten. Warum hatte niemand von den Campern sein Umfeld informiert, wohin er/sie ging?! Und warum musste ausgerechnet sie in die Situation kommen, das nachzuholen?!

"Ich... ich hab es eilig...", stammelte sie. Was sollte sie überhaupt sagen?! Neji genoss als besonders talentierter Nachkomme einige Sonderprivilegien, zum Beispiel freien Ausgang. Und Tentens Mutter war selbst Kunoichi und vertrat nicht ganz zu Unrecht die Meinung, Tenten sei alt und erfahren genug, sich gegen das zu wehren, was ihr gegen ihren Willen zu nahe kam. Mit dem Rest musste sie ohnehin selbst fertig werden.

Gai runzelte die Stirn, und Hinata meinte, eine Spur von Ärger wahrzunehmen. Ungehorsam war etwas, das nicht einmal Kakashis Team nachgesagt wurde, das vor den anderen nicht den besten Ruf hatte. Und momentan musste es so aussehen, als wären die beiden... entweder auf einer hochgeheimen Mission - oder zusammen durchgebrannt. Gefühle hin oder her, Neji und auch Tenten würden sich zu Tode entehrt fühlen, wenn ihnen jemand etwas derart Unreifes nachsagen würde.

"Es dauert nicht lange. Nur... deine Schwester hat uns gesagt, ein Mädchen wäre am Sonntag bei euch gewesen und hätte Neji einen seltsamen Umschlag gegeben..."

Eigentlich durfte Hanabi ohne die Gegenwart ihrer Eltern nicht mit fremden, ledigen Männern sprechen. Das war zwar eine der weniger sinnigen Regelungen des Hyuga-Clans, dennoch hatte sich Hanabi bisher immer als folgsame Tochter erwiesen und sie befolgt.

Hinata erkannte, dass besagte folgsame Tochter offenbar ein ganz anderes Leben führte, als alle dachten. Wenn man sie demnächst mit dem Enkel des dritten Hokage erwischte, dessen Presse ebenfalls nicht ganz koscher war, würde ihr Vater vermutlich einen Nervenzusammenbruch erleiden. Und na ja... Ihre große Schwester war ihr da auch kein allzu gutes Vorbild.

Hinata schüttelte die Gedanken schnell ab.

"Das war I-... ich meine, das war nicht Tenten..."

Gai nickte und ließ seine kräftige Faust auf seine flache Hand klatschen.

"Neji hat also eine anonyme Verehrerin, und Tenten ist eifersüchtig genug, um ihnen bei ihrem Runaway zu folgen?"

Er warf seinem Lieblingsschüler einen ernsten Blick zu.

"Lee, denkst du, Tenten ist zu einem Mord fähig...?"

Die beiden starrten sich in geschocktem Schweigen an.

"Tenten wird die Blüte ihrer Jugend vergeuden, und Neji wird wie jeder junge Mann den Verlockungen-"

"Nein!"

Hinata scharrte verzweifelt mit den Füßen. Tenten würde sich entsetzlich schämen und wütend auf sie sein, wenn sie es so hinstellte, als wäre sie Neji hinterhergelaufen, obwohl sie es nicht mehr tun wollte. Neji würde glauben, sie wolle ihn jetzt auch noch mit Gewalt verkuppeln und ihr sein Vertrauen entziehen. Und Hiashi... für ihn würde es so aussehen, als würde das Musterbeispiel eines Hyuga zu einem rebellischen Playboy mutieren und sein Neffe würde sein Gesicht vor ihm verlieren.

"Ich... ich darf es nicht verraten... Wenn Neji-kun es für richtig hält, wird er es ihnen sicher erzählen, ansonsten..."

"HINAAATA!"

Das zweite Mal an einem Morgen brüllte jemand ihren Namen, und es war nicht Naruto. Die Lautstärke war jedoch vergleichbar. In dieser Sekunde teilte sie sich mit Shikamaru eine Erkenntnis: Gott muss mich hassen. Das ist die Strafe.

Begleitet von seinem gigantischen Schoßhund Akamaru preschte Kiba durch den Wald und winkte furios. Nicht, dass sie Kiba nicht mochte, er war ein guter und treuer Freund... aber sie konnte gerade weder plaudern noch trainieren! Ganz abgesehen von den obligatorischen Fragen, die hier aufgeworfen wurden.

"Ich, äh... ich muss gehen, tut mir leid. Auf Wiedersehen!"

Na ja, hoffentlich nicht so bald. Hinata raffte ihre Einkaufstüten hoch und rannte tiefer in den Wald. Sobald es ihr möglich war, nahm sie die Route über die Bäume und drückte die Papiertüten gegen ihre Brust. Würde sie auf dem Boden laufen, würde Akamaru es als eine willkommene Aufforderung zum Fangen-Spielen aufnehmen und hinter ihr herjagen. Außerdem verlor man sie so schneller aus den Augen.

Lee und Gai beobachteten schweigend, wie Kiba, der die Welt nicht mehr verstand, rufend Hinata nachsetzte und schließlich erfolglos aufgab.

"Das arme Ding..."

Maito Gai schüttelte bedauernd den Kopf.

"Ihre geheime Liebe zu Neji wird zwischen den Mahlsteinen der Tradition und der Pflicht zerschmettert, und trotzdem kann sie Kibas Gefühle nicht erwidern..."
 

Gott sei Dank schrieen weder Lee noch Kiba laut genug, um es jemanden aus dem Campinglager hören zu lassen. Und selbst wenn, hätte Tenten es nicht gehört. Lee war ohnehin der Letzte, den sie hören oder sehen wollte. Denn dann wäre sie gezwungen, ihn mit diesen Worten zu begrüßen: 'Hi Lee! Sorry, ich hab' leider total versagt, was Neji angeht, und mal ganz unter uns, er zieht 'ne komische Nummer mit mir ab. Na ja, wahrscheinlich will er mich nur verarschen oder seine pubertären Triebe an mir ausleben, aber hey – wie's scheint, gehe ich ihm sowieso voll auf den Leim!'

Die hemmungslose Ehrlichkeit war selbst für eine Realistin wie Tenten zuviel. Einen hormonbesessenen Hyuga konnte sie am allerwenigsten gebrauchen. Sie hatte gedacht, Neji würde ewig so weitermachen und sich aufführen, als läge ihm die Welt zu Füßen und sie sei nur ein besonders hässlicher, spitzer Kieselstein. Damit wäre sie locker fertig geworden. Stattdessen kam alles anders, und jetzt war es soweit, dass sie schon von Neji träumte! Und das nicht so wie früher, als sie frisch zusammen in ein Team gepackt worden waren und sie Nacht für Nacht geträumt hatte, sie würde aufwachen und Neji stünde vor ihrem Fenster und sänge eine Serenade für sie. Nein, dieser Traum hatte deutlich mehr ihrem Alter entsprochen. Toll, Neji hatte sich in ihrer Gegenwart schon Dutzende Mal das T-Shirt über den Kopf gezogen, er hatte vor nicht allzu langer Zeit mit ihr oben ohne trainiert, und bloß, weil sie sich hatte revanchieren wollen, kamen all diese Fantasien wieder hoch.

Tenten seufzte und streckte sich auf ihrer Decke aus. Sie hatte Lust zum Baden. Bei diesem grauen Wetter und in diesem abgelegenen Teil des Waldes würde das schon keinen stören. Sie war allein mit ihren Gedanken und weg von Neji. Gut so. Gestern hatte sie auf der Suche nach Hinata eh ziemlich geschwitzt und sie wollte nicht, dass Neji demnächst anfing, sie zu sticheln. Kein Rollentausch gefällig.

Hastig kritzelte sie eine Nachricht für Ino, falls die Yamanaka wieder eine ihrer Kupplungsaktionen Marke Stell-dich-nicht-so-an plante oder sie jemand suchte. Und dieser Jemand sollte tunlichst nicht Neji sein. Tenten schnappte sich ein Handtuch und Shampoo. Zeit, ein wenig egoistisch zu sein. Sie wollte nicht mit Hinata oder Ino gehen, da die beiden sie in ein Gespräch verwickeln und somit beim Grübeln stören würden.

Hätte sie gewusst, in welchen Missionen die beiden gerade unterwegs waren, hätte sie sich das noch einmal überlegt.
 

Um noch einmal an die chronologische Reihenfolge zu erinnern: Zuerst stahl Hinata sich aus ihrem Zelt, auf der Suche nach ihr Naruto, dann fing Ino an, Shikamaru zu nerven. Inzwischen war Tenten gedämmert, wo sie sich befand, und sie verließ Nejis Zelt und kurz darauf ihr eigenes. Erst danach scheuchte Ino ihren Teamkameraden zu ihrer Schönheitskur in Eigenregie.

Und das alles geschah, ohne dass einer von ihnen bemerkte, wohin die anderen gingen. Normalerweise eine unverzeihliche Nachlässigkeit, doch Privatleben hatten die unangenehme Angewohnheit, sich ohne Rücksicht auf Verluste in den Vordergrund zu drängen.

Sosehr Hinata auch rannte, sie erreichte das Campinglager zu dem Zeitpunkt, als nur noch Neji dort war. Zumindest war es zu vermuten, dass er es war. Hastig versteckte sie ihre Einkäufe. Jetzt hatte sie noch Zeit bis zum Abend, um ihre Kochbuchlektüre hinter sich zu bringen und Naruto keinen Verdacht schöpfen zu lassen. Letzteres erschien recht schwierig, denn Hinata war höllisch nervös. Ihr Plan beinhaltete so viele Wenns, und das größte Wenn war: Wenn er mich überhaupt liebt.

Vielleicht war es besser, ihn später zu suchen.
 

Kalt und nebelig, wie es war, fühlte Tenten sich relativ sicher. Sie kannte sich hier kaum aus, doch Wasser gab es hier mehr als genug. Aufgrund der genügenden Entfernung zu den anderen nahm sie denselben Weg, den sie gestern gegangen waren. Gestern, als sie hochzufrieden festgestellt hatte, dass in ihr eine Führungsqualität steckte, wenn Neji oder Shikamaru mal nicht die Fäden in der Hand hatten.

Missmutig blickte sie sich um. Mit diesem Ort verband sie nicht unbedingt schöne Erinnerungen. Denn mal von Hinata abgesehen... Hier hatte Neji beinahe schon schriftlich bestätigt bekommen, dass sie ihn noch nicht sosehr abgeschrieben hatte, wie sie es sich einredete.

Half alles nichts. Hier war sie nicht in Nejis Nähe, und auch sonst kam ihr niemand dabei in die Quere, sich mit sich selbst zu beraten. Beruhigt ging sie am Ufer in die Knie und streifte ihr T-Shirt über den Kopf.
 

So allein war sie nur leider nicht. Naruto wurde ihrer genau in diesem Moment ansichtig. Zudem trugen der Nebel und die Distanz dazu bei, dass die Unterschiede zu Hinata verschwammen. Dunkles, augenscheinlich kurzes Haar, burschikose Kleidung. Hinata war wirklich mutig, diesen Ort so schnell wieder aufzusuchen. Allerdings konnte ihr immer noch etwas geschehen, und das musste er verhindern. Und dazu musste er bedauerlicherweise ein wenig näher an sie heran.

Er sah, wie sie ihr Oberteil auszog. Der Schein trog auf jeden Fall – Hinata war viel sehniger und kräftiger, als sie wirkte, und ihre Haut war einen ganzen Stich dunkler, obwohl sie meist diese gruseligen Klamotten trug. Naruto näherte sich noch ein Stück. Hinata ging in die Hocke und verschwand aus seinem Blickfeld. Die Distanz noch weiter zu verringern war zu gefährlich; er ging bereits jetzt ein erhebliches Risiko ein.

Hinata rieb sich mit Seife ein, kurz darauf hörte er das leise Plätschern von Wasser, das sie sich über den Kopf goss. In der kalten Morgenluft breitete sich ein Hauch von Kiefern und Kamelienöl aus. Seltsam... Ihre Robe hatte nicht danach gerochen.

Fast lautlos glitt das Mädchen ins Wasser. Sie hob die Arme, und Naruto runzelte verdutzt die Stirn. Sie fasste sich in die Haare und löste sie. Eine Flut dunkelbrauner Strähnen ergoss sich über ihren Rücken. Hinata hatte nie und nimmer so lange Haare... Narutos Herzschlag setzte einen Moment aus. Das war sie nicht. Das war Tenten.

Was für eine beschissene Situation. Um die griechischen Sagenüberlieferungen zu zitieren, befand er sich gerade in der Erzählung von Diana und dem Hirten, der sie unglücklicherweise beim Baden erwischte. In der Sage ging das schon nicht gut aus, und wenn er die geringste ungeschickte Bewegung machte, würde Tenten ihn bemerken. Vorhin war sie mit ihrer Wäsche beschäftigt gewesen. Jetzt stand sie gedankenverloren im Wasser, ihr Handtuch in dem kleinen Bambuseimer, der neben ihr träge auf der Oberfläche schwamm.

Tenten würde ihn grün und blau schlagen, wenn sie ihn hier fand. Und sie würde es Hinata sofort verraten. Damit würde er sich in den Augen aller zum Mistkerl machen – er predigte die große Liebe zu seiner Teamkameradin, baggerte zumindest aus Nejis Sicht ein unerfahrenes, zartbesaitetes Mädchen an und bespannte ihre Freundin morgens beim Baden. Er würde als der Möchtegern-Casanova-Hokage in die Geschichte eingehen. Alle Hokages, die zu diesem Zeitpunkt unter der Erde oder wo auch immer waren (Spoiler), würden sich synchron im Grab umdrehen. Und Hinata würde nie wieder ein Wort mit ihm wechseln.

In der beinahe vollkommenen Stille hörte er Tenten seufzen und horchte auf. Das war das Seufzen, dass Sakura stets ausstieß, wenn Sasuke sich mal wieder mit einer kaltblütigen Abfuhr selbst übertroffen hatte. Und in Tentens Fall bedeutete das: Neji hatte ihr ebenfalls eine Abfuhr erteilt.

Naruto kam eine geradezu brillante Idee, wie er seine Gesundheit, seine Ehre und seinen Ruf retten konnte. Dazu musste sie nur dasselbe abziehen, was Ino schon getan hatte - Henge-no-Jutsu tat es allemal. Tenten würde Neji wohl kaum zu Tode prügeln, wenn sie schon die Ehre hatte, von ihm beobachtet zu werden, und es war ein verdammt guter Streich. Zusätzlich konnte er mit seinen Spezialkenntnissen noch einen drauf setzen... Denn Frauen tratschten beim Baden über eine ganze Menge. Naruto hatte sich ihre Fantasien oft genug angehört, und Tenten konnte trotz ihrer Grobschlächtigkeit nicht allzu anders ticken.

Er umfasste einen Grasbüschel mit der Hand und raschelte damit. Zuerst reagierte Tenten nicht. Die Abfuhr musste sie ja schwer beschäftigen. Naruto raschelte erneut und formte dann hastig das Fingerzeichen. Dabei dankte er dem Himmel für den nebligen Morgen. So fielen die dünnen Rauchschwaden nicht weiter auf.

Tenten drehte sich um und griff nach ihrem Handtuch. Hoffentlich versteckte sie darin nicht irgendeinen Shuriken, den sie gleich nach ihm werfen würde.

Naruto raschelte noch einmal und tat so, als würde er über das Gras hinwegspähen. Zum Glück war es auf dieser Wiese sehr hoch. Wenn sie hier das nächste Mal Baden gingen, würde er sich nicht mehr beschweren.

Sehr zu seiner Erleichterung hatte Tenten offensichtlich den glatten, braunen Haarschopf wiedererkannt. Sie stieg ans Ufer und schlang das Handtuch um sich selbst. Ihr eigenes, mit Wasser vollgesogenes Haar klebte an ihrer Haut und brachte es auf eine beachtliche Länge.

Naruto grinste. Wenn er nur ein Foto davon hätte... Neji würde jeden Preis dafür bezahlen, seine scheinbar unattraktive Teamkameradin so weiblich zu sehen. Er wusste nicht, dass dieser Wunsch gerade durch das Zucken eines Blitzlichts teilweise erfüllt wurde.

"Neji?"

Tentens Stimme klang unsicher. Hätte sie geahnt, dass er es nicht war, wäre sie wesentlich lockerer gewesen. Sie hatte Übung darin, Jungen das Interesse an ihrem Körper abzugewöhnen.

Sie kam näher. Zehn Meter. Acht. Sechs. Mit einem Satz war Naruto auf den Beinen und ahmte preisverdächtig Nejis unbeteiligtes Gesicht mit einem Hauch Interesse nach.

Tenten erstarrte augenblicklich. Für einen Moment fürchtete Naruto, sie würde ihr Handtuch fallen lassen. Ihrer Mimik war außer Fassungslosigkeit noch nichts abzugewinnen. Ob das Ganze eine so gute Idee gewesen war...?
 

"Ino, so willst du nicht wirklich..."

"Kalte Morgenluft ist gut für die Haut. Das öffnet die Poren und reinigt sie von Fremdstoffen. Und anbei wird man davon wach."

Ino pflanzte sich mitten in der Wiese auf und atmete demonstrativ tief ein. Shikamaru war viel zu beschäftigt mit Beten. Er scherte sich zwar nicht um sein Image, doch vor aller Welt als Sittenstrolch dazustehen, war nicht sein Wunschtraum. Ganz davon ab, dass seine Mutter ihr Bestes tun würde, den Namen ihres Sohnes für den Heiratsmarkt wieder reinzuwaschen.

Es stand nicht gut für ihn. Ino hatte auf ewig ein Druckmittel.

"Übrigens, gerade jemand wie du, der berufsmäßig Adrenalinkicks hat, muss auf seine Haut achten. Das Hemd stört sowieso."

Erstens: Welche Vorstellungen hatte sie von seinem Berufsalltag? Zweitens: Was kümmerten ihn die Trivialitäten, ein Shinobi mit Aussichten auf den Posten eines Sonder-Jo-nin brauchte keine Haut wie ein Babypo. Und drittens... Wobei störte sein Hemd? War das wieder einer von ihren Versuchen, ihn aufzuziehen? Wenn ja, wollte er sich nicht nachsagen lassen, dass er da mitzog.

"Worauf wartest du noch?! Es ist ohnehin hässlich!"

Ino beobachtete ihn herausfordernd, und Shikamaru hielt es für besser, ihr kleines Gespräch etwas weiter von den anderen entfernt zu führen. Er drehte sie an den Schultern herum und schob sie kommentarlos einige Meter weiter.

Bei einem Mädchen wie Ino, das den Mund nie wirklich hielt, konnte das nicht reibungslos laufen.

"Was soll das, Shikamaru Nara?! Hat dir nie jemand gesagt-"

Shikamaru schlang einen Arm um ihre Schultern und erstickte mit einer Hand ihre vorwurfsvolle Stimme. Ino verengte ärgerlich die Augen und machte Anstalten, ihm den Handrücken zu zerkratzen, nachdem ihre Kraft nicht reichte, sie wegzureißen. Shikamaru gähnte.

"Eine Nuance leiser, Fräulein Yamanaka. Im übrigen..."

Ino hielt mit ihrer Kratzerei inne und hätte errötend den Kopf zur Seite gedreht, wenn ihr das möglich gewesen wäre. Ob sie verspätet auf die vertraulich wirkende Geste reagierte oder weil er gerade klang wie ihr Vater, konnte er nicht erkennen und es war ihm eh egal. Ino überstieg mal wieder ihre Kompetenzen, und es konnte nicht angehen, dass ein Mann sich so von einer Frau herumdirigieren ließ.

"... weiß ich, was du bezweckst. Du bist das Musterbeispiel des Mühsals."

Ino schnaubte und tauchte unter seinem Arm hervor.

"Dann weißt du mehr als ich, denn ich habe keine Ahnung, was DU schon wieder in diese Situation hereininterpretierst! Ich versuche, dir einen Gefallen zu tun, damit du mal eine abkriegst, und du... du hängst deinen unanständigen Fantasien nach!"

Sie warf sich ihr Haar gekonnt über die Schulter und blies empört – und immer noch mit einem dunkelroten Schleier über den Wangen – ihre Ponysträhne aus dem Gesicht.

"Wenn du mir schon unterstellst, am helllichten Tag über dich herfallen zu wollen..."

"Du tust gerade so, als hätte ich das bei dir vorgehabt.", warf Shikamaru ironisch ein. Ino stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich leicht vor. Deutliche Anzeichen, dass sie dabei war, einen lautstarken Streit vom Zaun zu brechen.

"Schon wieder! Glaubst du allen Ernstes, nur, weil ich mit dir in einem Zelt schlafe, habe ich nichts Anderes im Sinn, als-"

"Das habe ich nicht-"

"Natürlich nicht, wie auch!"

Ino funkelte ihn böse an.

"Für euch Männer sind Mädchen, die sich nicht Zuhause hinter den Herd stellen wollen und Röcke tragen, die ihnen nicht bis zu den Knöcheln reichen, ja generell Schlampen und haben nichts im Kopf außer Mode und wie man sich von dem nächstbesten Macho flachlegen lässt! Ich meine, wir kennen uns, seit wir klein sind, und trotzdem hältst du mich für so eine billige-"

Shikamaru seufzte sehr lang und sehr resigniert.

"Schon gut, nicht aufregen..."

Ino hielt inne und fixierte ihn gnadenlos.

"Runter mit dem Ding."

Shikamaru seufzte wieder und zog sich sein Netz-T-Shirt über den Kopf. Ino grinste triumphierend und gab ihm einen sanften Schubs nach vorn.

"Na also. Und jetzt sehen wir nach deinen Haaren."

Eins musste man ihr lassen... In der Kunst der Überredung war sie unschlagbar. Shikamaru seufzte zum dritten Mal und ließ sich von Ino zum Weiher begleiten.

Die Blonde rannte zurück, um ihre diversen Hilfsmittel zu holen, und Shikamaru ließ sich ins feuchte Gras fallen. Vom Wasser stieg kühler Nebel auf. Die Stille im Wald erinnerte ihn daran, dass er noch schlafen sollte. Träge ließ er sich zurückgleiten und schaltete sein Gehirn auf Standby. Seine Wahrnehmung reduzierte sich auf 25%, die völlig von den militärisch nötigen Informationen ausgefüllt wurden.

Dazu gehörten keine Mädchen in knappen Outfits und Bambuseimern voller Utensilien.

"Na los, aufstehen! Wenn du schon nasses Gras magst, wirst du das hier lieben..."

Ja, den Eindruck hatte er auch. Wenn man so viele verschiedene, eindeutig blumige Produkte Marke Eigenproduktion so zusammenstellen konnte, dass ein Einatmen reichte, um ihm Schwindel zu bereiten, musste man das einfach lieben.

Mit diabolischem Vergnügen ließ Ino sich neben ihm nieder, die Beine untergeschlagen, und rieb die Handflächen gegeneinander. Eine durchdringende Wolke von Jasmin breitete sich aus.

"Hoffen wir mal, dass du darauf nicht allergisch bist. Meine Mutter war sich nicht ganz sicher, ob es hautverträglich ist... Na ja, du bist das gewohnt, nehme ich an."

Mit einer Grobheit, die mit der seiner eigenen Mutter konkurrieren konnte, rieb sie ihm dieses Zeug ins Gesicht, und plauderte ganz nebenbei darüber, dass er möglicherweise Ausschlag davon bekam. Er hätte sich gewehrt, wenn diese Creme nicht so furchtbar geruchsintensiv gewesen wäre. Mrs. Yamanaka sollte erwägen, das Rezept ans Militär zu verkaufen. Das war eine ganz neue Art des Außer Gefecht Setzens.

Nachdem sie seinen Geruchssinn betäubt hatte, fing Ino an, erbarmungslos sein Haar zu bürsten. Shikamaru wagte keinen Protest. Er hatte das Gefühl, diese Jasmincreme in jeder Öffnung des Gesichtsbereichs zu haben.

Leider war die Schicht in den Ohren nicht dicht genug, um ihn taub zu machen.

"Herrgott, machst du nie Salbe auf deine Schrammen?! Du hast nur eine Haut, ist dir das bewusst? Das brennt gleich ein bisschen, dafür wird deine Haut sich bis in die innersten Schichten regenerieren. Deswegen hat mein Vater zum Beispiel keine Narben im Gesicht."

War das eine Anspielung? Shikato trug seine Narben mit Stolz, und seiner Frau wäre es nicht eingefallen, ihn nach der Verletzung nach Hause zu schleppen und mit Creme voll zu schmieren! Hätte er nicht gewusst, dass Inoichi ein sehr respektabler Ninja war, hätte er eine solche Behandlung für ziemlich verweichlicht gehalten.

Spätestens nun hätte er gerne etwas gesagt, aber Ino kam ihm zuvor. Mit einer Flüssigkeit, die sich beißend kalt anfühlte und unangenehm in den Wundrändern brannte, rieb sie jeden Zoll seines Oberkörpers ein. Es war nicht sosehr schmerzhaft als vielmehr lästig. Dennoch entging ihm nicht, dass Ino sich mit dieser Prozedur beeilte, als wollte sie sich bloß nicht den Anschein geben, dass sein Körper sie im geringsten interessierte. Shikamaru grinste vor sich hin und wartete auf den perfekten Moment zu einer Bemerkung.

Sobald er seinen Mund von diesem Zeug freigelegt hatte.

"Du bist ja echt ungeschickt. Ich wette, mindestens die Hälfte davon hast du dir zugezogen, als du gegen einen Briefkasten gerannt oder aus dem Bett gefallen bist. Keine Frage, deine Mutter hat Recht - du brauchst eine Frau im Haushalt."

Perfekter Moment soeben eingetroffen.

"Meine Mutter hat nie erwähnt, dass sie eine zweite Frau im Haushalt braucht."

Etwas, von dem er sehr sicher war. Mrs. Nara hatte Ino gegenüber nicht allzu offensiv sein wollen und sich stets unklar ausgedrückt. Es gehörte zu ihrer Taktik, von der Shikamaru vermutete, dass sie so auch seinen Vater bekommen hatte. Wer heiratete eine dermaßen komplizierte Frau denn schon freiwillig?!

Eins seiner Augenlider ließ sich trotz der wachsartigen Cremeschicht öffnen. Ino war furios errötet. Allein der Anblick war unbezahlbar.

"Dir gegenüber vielleicht nicht..."

"Meine Mutter bindet mir alles auf die Nase, was im entferntesten mit euch Frauen zu tun hat."

Shikamaru gelang es, auch das zweite Auge zu öffnen, und beobachtete Ino mit diebischem Vergnügen. Offensichtlich waren ihr die Argumente ausgegangen, denn diese gefährliche Andeutung einer Falte zwischen ihren Augenbrauen symbolisierte, dass sie in die Enge getrieben war.

In solchen Fällen wurde Ino meistens offensiv.

"Wenn ich dieses 'euch Frauen' schon höre... Wenn du 'uns' für das personifizierte Übel hältst, wünsche ich dir, dass du nie eine abbekommst..."

Sie beugte sich drohend über ihn. Ihre Verteidigung war recht lückenhaft, und Shikamaru fand gerade Spaß daran, sie wieder anzugreifen.

"Männer sind von einem bestimmten Entwicklungsstadium über Wesen mit zweistelligen IQ erhaben, Ino."

Ihr schoss erneut das Blut in die Wangen, und die steile Falte über ihrer Nasenwurzel vertiefte sich.

"Ich möchte zu gern erleben, dass du das zu dem Mädchen sagst, das dir wirklich gefällt..."

Shikamarus Mundwinkel zuckten (mehr war noch nicht möglich) in ironischer Ergebenheit. Er spürte, wie Ino erschrocken die Luft einsog und sich gleichzeitig noch tiefer beugte, um ihren verlorenen Posten zu retten. Wortgefechte mit ihm und Asuma-sensei waren die Dinge, an denen sie scheiterte, und ihrer blöden Cremes zum Dank konnte er sich momentan voll darauf konzentrieren anstatt auf die missverständliche Situation.

"Wie du willst, Männer-"

"INO YAMANAKA!"

Ein Ausruf von der Lautstärke eines Donnergrollens schnitt Shikamaru das Wort ab. Er sah ihn nicht, doch diese Stimme vergaß man nicht.

Inoichi Yamanaka, der Hüter der Tugenden.
 

Hinata war zu beschäftigt mit ihren eigenen Problemen, als der Kampfschrei ertönte. Sie hatte ihre Einkäufe unter einer wasserdichten Tarnfolie hinter dem Zelt versteckt. Sie mitzunehmen war zu riskant, und allzu weit konnte sie die Sachen nicht verstauen, ohne aufzufallen.

Sie lauschte. Alles war still. Nirgendwo brach ein hechelnder Akamaru durchs Gebüsch. Schlief Naruto noch? Sie lugte ins Zelt. Nein, er war schon auf. Hoffentlich suchte er sie nicht...

Hinata tastete nach ihrem Kochbuch. Sie musste seine Abwesenheit zuerst nutzen, um sich dieses Rezept einzuprägen. Wenn Hanabi ein besonders Schwieriges ausgesucht hatte, verstand sie dieses Fachchinesisch bestimmt nicht...

"Hinata?"

Das Mädchen fuhr zusammen und verbarg das Buch hinter ihrem Rücken. Neji bedachte sie mit einem seltsamen Blick, und sie konnte nicht umhin, das zu erwidern. Seit wann trug ihr reservierter Cousin T-Shirts wie... ein gewöhnlicher Teenager?!

"Was ist das?"

Die erste Bewährungsprobe. Warum musste es ausgerechnet Neji sein?!

"Äh... Ein Kochbuch..."

Hilflos streckte sie es ihm entgegen. Das war ihre anerzogene Reaktion auf eine Frage, die ein männliches, älteres Clanmitglied ihr stellte. Dass es nicht die beste Taktik war, um seine Zweifel zu zerstreuen, war ihr klar.

Neji nahm es ohne erkennbare Mimik entgegen und schlug die Seite auf, in der der Kassenzettel steckte. Seine Augenbrauen rutschten einen Millimeter nach oben.

"Nudelsuppe?"

Den musste ihre kleine Schwester dort hingelegt haben. Hinata versuchte ein unbefangenes Lächeln.

"Ähm... Ino muss immer... die ganze Arbeit machen, ich wollte ihr... etwas helfen..."

An sich keine schlechte Ausrede, doch Neji schien dem zu misstrauen. So oft, wie Naruto jedem sein Lieblingsgericht auf die Nase band, konnte es ihm gar nicht entgangen sein. Hinata seufzte. Sie konnte eh nicht lügen, und vielleicht war Neji ja einverstanden – Kochen konnte so unstandesgemäß gar nicht sein.

"Außerdem mag Naruto das... Lass es mich bitte versuchen!"

Wenn ihr Vater gewusst hätte, dass sie, die in der Hierarchie weit über Neji stand, ihn um etwas derart Triviales bat, hätte er ihr seine Nachfolge womöglich aberkannt. Womöglich, denn Neji hatte in erster Linie den Auftrag, auf sie aufzupassen. Allerdings wohl eher um des guten Rufs willen als wegen väterlicher Beschützerinstinkte, wie Inoichi sie an den Tag legte.

Nejis Miene war deutlich abzulesen, was er davon hielt. 'Versuchen' verband sich für ihn unmittelbar mit 'Erniedrigung'. Er fürchtete wahrscheinlich, dass Hinata für Naruto eine ähnliche Verehrung entwickelte wie Ino und Sakura für Sasuke. Nur stand es ihm nicht zu, sie offen zu kritisieren.

Hinata seufzte leise. Wenn sie wie die beiden wäre, könnte sie wenigstens zu ihrer Liebe stehen.

"Und... ich habe vorhin Lee-san und Gai-sensei getroffen. Sie... sie fragen sich, wo Tenten-chan und du bleiben."

Neji klappte das Kochbuch zu und reichte es ihr.

"Du hast Hiashi-sama verschwiegen, dass Naruto hier ist.", sagte er, ohne auf ihren Themenwechsel einzugehen. Seit dem Beginn dieses Campings hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, fiel ihr auf. Würde Neji demnächst anfangen, sie zu siezen und ihr mit der feindseligen Apathie der Zweigfamilie zu begegnen? Er war durchaus sehr liebenswert – Ino hatte ihr erzählt, wie verzweifelt er nach ihrem Verschwinden gewesen war – doch solange er sich einbildete, ausschließlich nach den Traditionen seines Clans zu leben, die er so hasste, wurde es schwierig. Hinata hatte keine Ahnung, wie dem beizukommen war.

"Warum sollte ihn das stören?"

Die Frage war zweideutig. Hinata wusste aus bitterer Überzeugung, dass es ihren Vater persönlich nicht besonders interessierte, wo sich seine erstgeborene Tochter herumtrieb. Und an Nejis Miene war zu erkennen, dass er die unangenehme Wahrheit nicht aussprechen wollte.

"Er hat diesen Ausflug gestattet, weil er..."

Neji zögerte. Der harte Zug in seinen perlfarbenen Augen wurde etwas weicher, und Hinata konnte es nicht deuten. Ihre bloßen Füße waren mit einem Mal kalt, und ihr Herz hämmerte. Was hatte Hiashi getan? Hatte er sich entschieden, sie aus dem Dienst zurückzuziehen, damit sie sich auf ihre Nachfolge vorbereiten konnte? War es ihr deswegen erlaubt worden, weil sie sich verabschieden sollte?

"Ich... ich soll..."

Neji schloss die Augen für einen Moment und vermied es so, ihr ins Gesicht zu sehen. Hinata starrte ihn sprachlos an. Sie wusste, was jetzt kam.

Zumindest glaubte sie das.

Mit dem Kopf durch die Wand

"Du sollst heiraten. Hiashi-sama hat ein miai für Anfang des nächsten Monats vereinbart."

Hinata schnappte nach Luft. Ihre Kehle schnürte sich zu, und ihre Sicht verschwamm. Nächsten Monat schon? Das waren gerade mal zweieinhalb Wochen! Und wenn das miai bereits geplant war, konnte sie ihrem Vater Naruto nicht mehr vorstellen! Ihre gesamten Zukunftshoffnungen stürzten unter lautem Klirren in sich zusammen.

Hinata atmete zitternd durch. Durch den Tränenschleier konnte sie Neji kaum erkennen und glaubte für einen Sekundenbruchteil, seinen Onkel vor sich zu haben.

Wie konnte er ihr das antun? Wie konnte er so grausam sein, ihr soziales Leben quasi jetzt schon zu beenden? Warum hatte er es ihr nicht mal persönlich gesagt, sondern kurzerhand Neji damit beauftragt?

Wortlos drehte sie sich um und stürmte in den Wald. Ihre antrainierten Fähigkeiten bewahrten sie davor, mit irgendetwas zu kollidieren, denn ihre Augen waren praktisch blind. In einem irrwitzigen Tempo rannte sie weiter, die Hände vor den Mund gepresst. Sie hatte gerade Anschluss ans Leben gefunden, hatte sich mühsam das aufgebaut, mit dem andere Menschen von Geburt an gesegnet waren, und Hiashi... machte ihr das einfach kaputt, indem er ein miai einleitete, ohne ihr ein Wort davon mitzuteilen!
 

"Neji Hyuga, wie kannst du es wagen?!"

Tenten sah gefährlich aus. Genaugenommen wie jemand kurz vor einem Mord. Naruto konnte den Kodex der Kunoichi nicht kennen (wahrscheinlich hatte nicht mal ein Musterschüler wie Sasuke sich die Mühe gemacht, sich die Regeln eines weiblichen Wesens einzuprägen), und ein besonders wichtiger Paragraph lautete: Lege nie alle deine Waffen ab. Wenn man nicht über Bluterbe oder Kekkai Genkai verfügte, nahm man sich das besonders zu Herzen. Und da die Aussicht Tenten nicht behagte, sich auf einen Nahkampf mit Neji einzulassen (um ihre Tenketsu zu versiegeln, brauchte er immer noch Körperkontakt), verlieh ihr das besonderen Enthusiasmus. Mit einer Hand versicherte sie sich, dass ihr Handtuch keinen Millimeter verrutschte, mit der anderen langte sie hinter ihren Rücken.

Es war keine Überraschung, was jetzt kam. Mit was auch immer sie nach ihm werfen würde, es würde sehr, sehr schmerzhaft werden. Und damit würde er höchstwahrscheinlich auffliegen. Woher konnte er ahnen, dass sie selbst auf Neji so losging?! Ino und ihre dämlichen Theorien!

Strategischer Rückzug. Sofort. Sonst würde er gleich einem nicht zu verachtenden Hagel von Stiletten ausgesetzt sein, die er sicherlich nicht abblocken konnte.

Er schenkte Tenten die Andeutung eines herablassenden Lächelns und katapultierte sich in einer Wolke aus lavendelfarbenem Rauch in die Baumkronen. Dort löste er erleichtert die Verwandlung. Er, Naruto, hatte diese Furie überlebt! Und das ohne einen Kratzer, das hätte nicht mal Sasuke geschafft. Schade, dass er darüber Stillschweigen bewahren musste.

Kichernd über seinen gelungenen Streich machte Naruto sich auf den Rückweg. Irgendwo musste Hinata schließlich sein.
 

Tenten hielt es für besser, Neji nicht zu verfolgen. Diesmal hatte er keine Auffälligkeiten gezeigt... Was es nicht besser machte. Wofür hielt der sich?! Und vor allem, wofür hielt er sie?!

Nachdem sich der erste Zorn abgekühlt hatte, zog sie sich wieder an und steckte ihre nassen Haare auf. Ob ihre Kleidung klamm wurde, war ihr dabei völlig egal. Es wurde Zeit, Grenzen zu setzen. Neji bildete sich tatsächlich etwas darauf ein, dass sie seinen Sonnenbrand versorgt hatte, und fand nun, er könnte sich ihr gegenüber alles herausnehmen. Da würde er eines Besseren belehrt werden müssen, und das so schnell wie möglich!

Hastig packte sie ihre Sachen zusammen. Mit dem Bambuseimer unter dem Arm setzte sie sich in Bewegung. Ganz ruhig, keine unnötige Energie verschwenden. Die würde sie noch brauchen.

Neji, dieser billige Playboy! Der konnte etwas erleben!
 

Der Meinung war Inoichi ebenfalls, wenn auch mehr auf Shikamaru Nara bezogen. Seine Erscheinung schien die Sonne zu verdunkeln, obwohl er nur wenig größer als der Durchschnitt war. Diese paar Zentimeter machten plötzlich eine ganze Menge aus.

"Oh... Papa (englische Anredesuffixe im ersten Kapitel, also macht das hier auch keinen Unterschied mehr)!"

Inoichi beachtete seine Tochter gar nicht.

"Shikamaru Nara, wie kannst du es wagen, ein unschuldiges Mädchen so auszunutzen?!"

Shikamaru hätte fast gelacht. Zum ersten Mal war er froh, dass seine Gesichtsmuskeln unter dieser Creme erstarrt waren, denn Inoichi hätte das sicherlich nicht gut aufgenommen. Shikamaru war sehr intelligent, doch selbst in einem Intelligenzquotient von über 200 fand sich nichts, was man bei verdrehten Tatsachen einem zornentbrannten, schutzbesessenen Vater entgegenzusetzen hatte. Ganz davon ab, dass Inoichi ihm nie abkaufen würde, das alles wären Inos Ränke. Und er bezweifelte, dass sie selbstlos genug war, um ihn vor dem besagten Vater zu retten und sich damit diverse Wochen Hausarrest einzuhandeln. 'Unschuldiges Mädchen ausnutzen'... Hatte dieser Mann immer noch nicht begriffen, dass das für Ino keine Beschreibung war?!

"Ich hatte nicht vor, sie in irgendeiner Weise-"

"Du hast eine Minute für eine bessere Ausrede. Ino-chan, was ist das für ein... fürchterlicher Aufzug?!"

Mit gewissem Erstaunen bemerkte Shikamaru, dass Ino verschämt ihren Ausschnitt hochzog, der beim Vorbeugen ein Stück heruntergerutscht war. Und er hatte gedacht, der Mann, der Ino wegen ihrer freizügigen Mode in Verlegenheit bringen konnte, erst noch geboren werden müsste.

"Das ist nicht... also... es ist ein Geschenk von-"

"Unsinn, deine Mutter würde das niemals tragen und erstrecht nicht dich dazu ermutigen, dich so zu kleiden!"

Inos Brauen spannten sich ärgerlich, trotzdem erwiderte sie nichts. Inoichi sah sie damit als zurechtgewiesen an und konzentrierte sich wieder auf Shikamaru, der sich inzwischen aufgesetzt hatte.

"So... Und nun noch einmal. Was gedachtest du hier mit meiner Tochter zu tun?"

Das Oberhaupt der Yamanaka hatte sich vom schlimmsten Schock erholt. Es bestand eine gewisse Chance, ihn mit Vernunft überzeugen zu können, dass er gar nichts mit Ino vorgehabt hatte, dass er außer Schlafen eigentlich gar nichts vorhatte und dass wenn irgendjemand etwas vorhatte, war es Ino. Ob mit ihm oder einem unsäglichen Sasuke Uchiha, war dabei relativ unerheblich.

Die Argumentation wäre einfacher gewesen, wenn Ino ihn nicht überredet hätte, sein Oberteil auszuziehen. Den Fehler würde er nie wieder machen.

"Ino hatte die brillante Idee, den altersgemäßen Verfall meiner Haut aufhalten zu wollen. Und ursprünglich hätte sie ein Zelt für sich gehabt, deshalb..."

Inoichis entsetzter Blick klärte ihn nachträglich darüber auf, dass es dämlich gewesen war, seinen Zorn auf Ino abmindern zu wollen. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihm davon zu erzählen, dass hier pubertierende Teenager zusammen in Zelte gestopft wurden. Großartig, Verhandlungen aufgrund eines Ausrutschers des Diplomaten gescheitert.

Einige Sekunden passierte nichts, denn in diesem Zeitraum strengte Inoichi sein präzises Erinnerungsvermögen an. Spezifisch, wen von Inos Bekannten er in den letzten Tagen gesehen hatte und wen nicht.

Und dem Glück nach, das Shikamaru in letzter Zeit hatte, gehörte Sasuke zufällig nicht dazu.

"Ino-chan, du trittst die Ehre unseres Clans mit Füßen..."

"Ich trete niemandem irgendwohin! Ich helfe der Sache auf die Sprünge!"

Ino sprang auf und warf sich energisch ihr Haar über die Schulter. Es hatte nicht gut gehen können... Dieses unverbesserliche Yamanaka-Gen schien bei jedem Clanangehörigen vorhanden zu sein.

"Hinata liebt Naruto, was ist demnach falsch daran, ihr einen Schubs in die richtige Richtung zu geben?!"

Vor Inoichis Augen entstand das Bild der schüchternen, wohlerzogenen Hinata. Da war eine ganze Menge falsch! Das arme Mädchen hatte keinen verdient, dessen Ruf im ganzen Dorf dermaßen schlecht war!

"Und Neji und Tenten bringen sich bald gegenseitig um, wenn niemand etwas unternimmt."

Neji, das Genie des Hyuga-Clans, und ein fremdes Mädchen, dessen Vater nicht mal offiziell bestimmt war und dessen Mutter die meiste Zeit eh nicht zu Hause war (die Informationen hatte er von seiner Frau, weil Tentens Mutter keinen Hehl daraus machte). Nur, weil die Herkünfte so verschieden waren, gab es keinen Grund, warum Ino ausgerechnet die beiden zusammenbringen wollte.

"Und Shikamaru und ich... Das ist eine lange Geschichte."

Ino zuckte mit den Schultern und klopfte sich das Gras von der Kleidung. Inoichi atmete tief ein.

"Und ich will sie nicht hören. Auf nach Hause, junge Dame."

"Das kannst du nicht machen!", fauchte seine Tochter prompt. In ihrer Stimme klangen gleichermaßen Erschrecken und Wut mit. Das Ganze artete in einen Streit zwischen väterlicher Autorität und töchterlicher Rebellion aus, und Shikamaru war nicht scharf darauf, Linienrichter dabei zu sein. Die beiden Yamanaka funkelten sich unnachgiebig an, nicht willens, von ihren Forderungen im geringsten abzuweichen.

Na klasse. In Ermangelung eines anderen wurde der Diplomat zurück ins Leben gerufen.

"Ich denke nicht, dass hier irgendeinem von uns etwas angetan wird, das er nicht will... Und das Camping wird sich nicht mehr lange hinziehen. Wir können schließlich nicht ewig hier bleiben."

Das Erste war eine hoffnungsfrohe These, denn es gab keine Garantie, dass Neji und Tenten nicht tatsächlich bald aufeinander losgingen, obwohl sie heute noch keine extremen Trainingseinheiten hinter sich gebracht hatten. Das Zweite war eine Tatsache, denn besonders ihn würde Tsunade am Kragen zurück in den Dienst schleifen. Und keine Mission dieser Welt konnte mühsamer sein als Ino. Ebenfalls eine Tatsache.

"Oh... Bitte, Papa! So bald sehe ich die anderen nicht mehr zusammen, und wenn du sie besser kennen würdest, wärst du auch nicht so kritisch."

Gott sei Dank hatte Ino begriffen, dass sie mit ihrem Dickkopf nicht gegen den ihres Vaters ankam. Dafür schlug die Nummer mit seiner geliebten, einzigen Tochter mit ihren flehenden blauen Augen umso besser an. Anbei war Inoichi ohnehin davon überzeugt, dass Hinata ein tadelloses Mädchen war, das keine Kritik verdient hatte.

Inoichi seufzte und beäugte sie nachsichtig.

"Alles, was du bisher angeschleppt hast, hat nicht gehalten."

Oder Sasuke und Sakura, denn Ino war zwar beliebt, hatte aber aufgehört, sich auf innigere Freundschaften einzulassen. Sein Misstrauen war Inoichi nicht zu verübeln. Ino nickte niedergeschlagen, und diesmal war Shikamaru sicher, dass es nicht mehr gespielt war.

"Das werde ich nicht wieder erlauben."

Erneutes Nicken.

"Versprichst du mir, dass du damit nicht weitermachst, wenn du wiederkommst?"

Drittes Nicken. Inoichi maß seine Tochter mit einem langen Blick und tätschelte ihr die Wange.

"In Ordnung... Noch für ein paar Tage. Mach' deiner Mutter keine Schande."

Viertes Nicken. Einen Sekundenbruchteil später war Inoichi verschwunden, und Ino starrte verdrossen auf das plattgetretene Gras. Shikamaru hatte das Bedürfnis, irgendetwas Tröstendes zu sagen, ohne zu wissen, warum sie jetzt Trost brauchen sollte. Ihr Vater hatte ihr verboten, mit Jungen zu flirten, weil er vermutlich davon ausging, dass sie ihm nicht die volle Anwesendenzahl genannt hatte. Und es war nicht so, als hätte er sie bei etwas gestört. Nicht wirklich...

Inos Tiefphase hielt nicht lange an. Sie schnappte sich ihre Utensilien und pustete sich ihre Ponysträhne aus der Stirn.

"Und nun musst du das abwaschen. Du hast fünf Minuten... Und wehe, du kommst zu spät zum Frühstück!"

Damit stapfte sie durch das feuchte Gras und summte beschwingt vor sich hin. Shikamaru kratzte sich gedankenverloren an der wachsartigen Cremeschicht über seiner Nase. Gütiger Himmel, sie benahm sich, als wären sie verheiratet...
 

Exakt sieben Minuten später hatte Ino alle außer Hinata zusammengetrommelt. Naruto hatte ausnehmend gute Laune, Tenten war unheimlich still, und Neji wirkte ein wenig bedrückt. Daraufhin brach Tenten bereitwillig ihr Schweigen.

"Was ist los, Hyuga, ein schlechtes Horoskop für heute?"

Ihr schnippisch-lauernder Unterton brachte ihr von allen außer Neji einen mehr oder weniger erstaunten Blick ein – aus verschiedenen Gründen. Ino hatte Decken ausgelegt und Tee gekocht, und sie saßen um einen provisorischen Tisch herum. Tenten saß neben Neji und beobachtete ihn finster aus den Augenwinkeln.

Neji beachtete sie gar nicht.

"Ich rede mit dir, oder hörst du nicht zu, weil du schon alles hast, was du wolltest?"

Mit der Ungeduld eines genervten Ehemanns drehte Neji ihr den Kopf zu, um ihr zu veranschaulichen, wie gleichgültig ihm ihre weiblichen Stimmungsschwankungen waren. Zumindest empfand Shikamaru das so. Er sollte endlich aufhören, ständig Ehegleichnisse aufzufahren. Inos Schuld, sie färbte auf ihn ab.

Neji war in der Tat ungeduldig, scherte sich jedoch nicht um Tentens Laune. Hinata konnte Dummheiten anstellen, wenn sie allein war, und gleichzeitig wollte er nicht, dass sich die anderen nochmals in Familienangelegenheiten einmischten.

"Wo ist Hinata?"

Ino überging Tentens streitsuchende Fragen und sah Naruto prüfend an. Wenn er ihr Gutenachtgeschichten von ihm, Sakura und dem bösen Drachen Sasuke erzählt hatte, würde sie es nicht bei einem Tritt ins Gebüsch bewenden lassen.

"Keine Ahnung. Sie war schon weg..."

"Dann suche ich sie. Ich hab keinen Hunger."

Den letzten Satz betonte Tenten scharf und erhob sich, wobei sie sich übertrieben ihre Sachen abklopfte. Hunger hatte sie zwar schon, da sie gestern das Abendessen gewissermaßen ausgelassen hatte, aber genau wie ihre Waffenausrüstung hatte sie auch Hyorogan bei sich. Das Essen neben Neji konnte sie sich also ersparen.

"Nein."

Genannter war mit einem Satz auf den Beinen, und sein Einwand war verglichen mit seiner sonstigen, unerschütterlichen Ruhe viel zu hastig. Tenten zog eine verächtliche Grimasse.

"Wir sind nicht im Dienst, Hyuga, folglich ist mir völlig egal, was dir nicht passt."

Damit marschierte sie auf den Waldrand zu. Neji wartete mit versteinerter Miene, bis sie außer Hörweite war, und holte ohne erkennbare Anstrengung auf. Es fehlte ihm gerade noch, dass Ino sich mit ihren Liebesweisheiten einmischte und Naruto die Szene mit seinem dümmlich-schadenfrohen Gekicher untermalte. Was war schon wieder in dieses Mädchen gefahren, sich so aufzuführen?!

Neji packte die Braunhaarige am Oberarm und hinderte sie so daran, ihren Weg fortzusetzen. Tenten wirbelte herum und funkelte ihn wütend an.

"Was willst du noch?!"

"Du gehst nicht."

Sie schnaubte und versuchte, sich aus seinem Griff zu winden.

"Hast du es noch nicht kapiert?! Deine Meinung interessiert mich einen Dreck!"

Neji sog leise die Luft durch die zusammengebissenen Zähne ein. Dieses unmögliche Biest...

"Es geht mir gerade wirklich nicht um dich."

Logisch müsste sie daraus schließen, dass er sich um Hinata Sorgen machte. Zu so viel rationalem Denken war sie für gewöhnlich fähig. Heute schien das anders zu sein. Sie starrte ihn für einen Moment an, als hätte er etwas ganz und gar Undenkbares gesagt. Der Zustand hielt nicht lange an. Ihre Wangen röteten sich vor Zorn, und ihre Kiefer knirschten mahlend aufeinander.

"Natürlich geht es nicht um mich, denn für dich geht es nie um mich, Neji Hyuga. Und nachdem du deinen pubertierenden Ego befriedigt hast, ist ja wieder alles in bester Ordnung."

Sie riss erneut an ihrem Arm und zwang ihn so dazu, noch fester zuzufassen.

"Und außerdem tust du mir weh, lass mich los!"

Wovon faselte sie da?! Es war Tentens Art, ihrem Missfallen an Ort und Stelle Luft zu machen, nicht irgendwann später, was sie heute Morgen nicht getan hatte. Darüber hinaus hatte sie seit ihrer gesamten Teamzeit nie zugegeben, dass er ihr wehtat. Lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen.

Wenn sie in Rage war, schaltete sie erfahrungsgemäß die Ohren auf Durchzug. Da war nichts zu wollen, und Neji wollte sowieso nichts. Kommentarlos löste er seine Finger von den roten Druckstellen und aktivierte sein Byakugan. Je weniger Zeit er verlor, seine Cousine zu finden, desto weniger ungeahnte Unfälle konnten ihr geschehen. Außerdem hatte er das Bedürfnis, im Training zu bleiben. Und sei es, statt Singvögeln herzgebrochene Mädchen zu orten.

"Hey, ich bin nicht fertig!"

Tenten schloss mit weit ausgreifenden Schritten auf und baute sich vor ihm auf. Ihre Herzfrequenz war unnatürlich hoch, und außer ihrer Mimik deutete auch das auf starke emotionale Erregung hin.

Sie fing an, ihn zu nerven. Jede noch so mittelklassige Kunoichi sollte begreifen, wann sie seine Zeit mit privaten Gesprächen verschwenden konnte und wann nicht.

Tentens Kinn zitterte leicht, sie spuckte ihre Worte förmlich aus.

"Entschuldige... Entschuldige dich wenigstens!"

Ihr brüchiger Ton ließ vermuten, dass sie gerade dabei war, allen Glauben in ihn zu verlieren. Nur war Neji nicht in der Stimmung, zugunsten der Teamharmonie auf ihr sinnloses Geplänkel einzugehen.

"Ich wüsste nicht, wofür.", sagte er gereizt. Das Zittern breitete sich tiefer auf Tentens Schultern aus.

"Du findest das nicht weiter wichtig, und du hast keine Ahnung, was es für ein Mädchen bedeutet... so behandelt zu werden!"

Bei ihrer Lautstärke würden die anderen sie womöglich noch hören. Zeit, an ihre Vernunft zu appellieren.

Neji kannte sich mit der menschlichen Psyche aus, doch in keinem Lehrbuch stand geschrieben, dass es in diesem speziellen Fall das denkbar und in jeder Hinsicht Schlechteste war, das er tun konnte.

"Nein, ich habe keine Ahnung und keine Zeit obendrein. Warum lädst du dein Trauma nicht auf ein Mädchen ab, wenn das die bessere Alternative ist?"

Ein absolut plausibler Satz. Ohne die gewünschte Wirkung. Tenten packte ihn vorne am T-Shirt, ohne weitere Angriffsmaßnahmen zu treffen oder ihn wegzustoßen. Ihr Arm zitterte unter der Anspannung jedes Muskels. Sie starrte ihn unverwandt an und schien auf etwas zu warten. Nejis Bewusstsein weigerte sich dagegen. Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, und eine Entschuldigung würde alles bloß schlimmer machen. Schließlich hatte er nichts getan. Mit diesen Argumenten tötete sein rationaler Geist unerbittlich die Versuchung ab, ihrer Aufforderung wirklich nachzukommen.

Hiashi hatte sich auch bei ihm entschuldigt, und das auf Knien. Obwohl er keine Schuld daran trug, dass er einen Zwillingsbruder hatte, der nicht dieselben Rechte wie er besaß und sterben musste. Er hätte ewig so weitermachen können und er hatte es nicht. Tentens flehende Augen hatten eine unheimliche Ähnlichkeit mit damals.

"Es hat dich heute Morgen also nicht gekümmert, weil du dachtest, ich könnte zurückgehen und eine solche Demütigung einfach... abladen?"

Sie sprach tonlos, ihre Stimme bebte. Demütigung? Heute Morgen? Welcher Art von Halluzination war sie zum Opfer gefallen?!

"Aber Neji-san war heute Morgen nicht weg."

Hinata tauchte zwischen den Bäumen auf. Sie war weiß im Gesicht, wirkte jedoch eigenartig gesammelt und ruhig. Tenten sah sie an und aus den Augenwinkeln zu Neji. Ihre Hand löste sich langsam und fiel zurück an ihre Seite. Beide Gliedmaßen pendelten hilflos umher.

Neji hatte noch nie erlebt, dass Tenten so mit den Tränen kämpfte. Sicher, es kam hin und wieder, dass ihr etwas in die Augen fiel oder ein bestimmtes Schmerzempfinden Tränenfluss auslöste. Und es war nicht so, als hätte sie noch nie mit schwierigen Situationen zu kämpfen gehabt. Andere Mädchen mit dem ähnlichen Enthusiasmus fingen schon mal an zu weinen, wenn ihr Meister sie nicht beim ersten Mal nur Chu-nin-Prüfung zuließ. Tenten hatte das unter Kontrolle.

Normalerweise.

Mit den ungeschickten Bewegungen einer neuen Marionette ging sie an ihm vorbei, zurück zu den anderen. Selbst jetzt dämpfte sie ihre Impulse und rannte nicht wie eine Besessene davon. Neji spürte ein uncharakteristisches Maß an Respekt. Mehr noch. Es war ihm fast unangenehm, sie so zu sehen. Nicht auf die Art unangenehm, dass es ihm peinlich gewesen wäre, wie sehr sie sich verrannt hatte.

Mehr so, dass ihrer fassungslosen Miene eine gewisse Trauer innewohnte, die ihn mehr berührte als dieser legendäre Kniefall.
 

"Hinata!"

Mit offenkundiger Begeisterung sprang Naruto auf und brachte Ino damit dazu, beinahe die Teekanne fallen zu lassen. Shikamarus schneller Reaktion war es zu verdanken, dass das heiße Tongefäß ihr nicht in den Schoß fiel. Shikamaru seufzte und stellte sie zurück auf den provisorischen Tisch.

"Du bist eine hoffnungslose Hausfrau."

"Die Bezeichnung 'Hausfrau' ist der erste Schritt zur völligen Entemanzipierung und somit zur modernen Leibeigenschaft."

Ino grinste und nahm dabei missbilligend zur Kenntnis, dass Naruto um Hinata herumsprang wie ein junger Hund. Wenn Liebe keine Berge versetzen könnte, würde Naruto wohl nie eine Freundin abkriegen.

Tenten kam neben ihr zum Stehen. Ihre Fingernägel schnitten kleine Halbmonde in ihre Handinnenfläche. Shikamaru brauchte kein Feingefühl, um ihren katastrophalen inneren Zustand zu umreißen. Gut, das Frauengespräch war Inos Sache und er hielt sich nur allzu bereitwillig da raus.

"Morgen, Tenten. Setz dich!"

Tat sie lediglich so oder waren ihr diese unmissverständlichen Anzeichen äußerster Aufgewühltheit entgangen? Tenten reagierte jedenfalls nicht darauf.

"Tut mir leid. Ich gehe. Sofort."

Ino sah sie verständnislos an. Aus heiterem Himmel wurden solche Töne angeschlagen? Dabei war alles gerade in bester Ordnung...

Tenten hatte offenbar nicht die Absicht, sich Fragen stellen zu lassen. Mit einer Entgültigkeit, die nicht mal mit einer Feuerwand aufzuhalten war, kehrte sie zu ihrem Zelt zurück. Und was sie damit tun würde, war nicht allzu schwer zu erraten.

Naruto war nicht allzu interessiert an Nejis möglicherweise nicht existenter Liebe zu seiner Kameradin, doch Hinata war die Bestürzung anzusehen, darüber hinaus waren ihre Augenränder verräterisch rot. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete, rangierte irgendwo neben der, dass gleich die kleine Waldfee Sasuke auftauchte und mit einem Schwung ihres Zauberstabs alles ins Lot brachte (Gott sei Dank bin ich kein Profi, da kann ich mir Ausrutscher leisten). Keine Chance, das musste Tenten sein. Zur Not Ino, doch auch die schien eine ganze Menge Enthusiasmus zu verlieren, da ihre Freundin das Camping plötzlich abbrach.

Und er war Schuld.

Er konnte zwei Dinge tun. Sich heroisch Tenten entgegenwerfen und alles gestehen. Sie würde ihn in der Luft zerreißen und gehen. Diese Möglichkeit wollte er lieber nicht in Betracht ziehen. Oder er konnte Neji dazu bringen, die Initiative zu ergreifen, das rettete die Situation vielleicht noch... und ihn, Naruto, gleich mit.

Naruto musste sich das nicht lange überlegen. Ring frei für die kleine Waldfee Neji.

Mit der Miene eines unbeteiligten Beobachters schlenderte er zu Neji herüber, der ausdruckslos Hinata beobachtete. Naruto schob sich diskret zwischen die zukünftige Waldfee und seine/ihre Cousine.

"Was ist'n mit der?", fragte er unbefangen und tat, als würde er Tenten meinen. Eigentlich hielt er das bei Hinata für dringender, denn Tenten und er hatten kaum miteinander zu tun. Na ja, konnte noch alles werden.

"Unerheblich."

Welch elegante Alternative zum 'Weiß ich nicht'. Wahrhaft Neji.

Naruto verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf und betrachtete mit gespielter Beiläufigkeit das Gras.

"Oh, du hast Glück, dass ich es weiß..."

Das grimmige Funkeln ignorierte er gekonnt. Sasuke härtete gegen Derartiges ab.

"Sagen wir mal – habe ich vor kurzem von jemandem gehört – dass sie heute früh Baden war und dabei... nicht so ganz allein war..."

Neji musterte jetzt ebenfalls das Gras, als gäbe es nichts Erstaunlicheres.

"Dieser Jemand hat sie wohl für ein anderes Mädchen gehalten... Nicht, dass das verwunderlich wäre, die beiden sehen sich zum Verwechseln ähnlich, und mal ehrlich, man kann sie aus dieser Distanz beim besten Willen nicht unterscheiden..."

"Komm zum Punkt."

Es hätte Naruto nicht überrascht, wenn das Gras gleich unter Nejis intensiven Blicken errötete.

"Oh, nun ja, er wollte natürlich gehen – gehört sich schließlich nicht, badende Mädchen zu bespannen – und als sie ihn entdeckte..."

Er rieb sich den Nacken und legte eine Künstlerpause ein. Welch erhebendes Gefühl, dass Neji ihn geradezu anflehen würde, weiter zu erzählen... Wenn er selbst nicht gleich darum flehen musste, nicht gemeuchelt zu werden, denn bei näherem Überlegen war seine Strategie nicht ganz so genial und ein ganz kleines bisschen abgedroschen.

Half alles nichts mehr. Eins, zwei, drei, Oberkörper frei... oder so ähnlich.

"Tja, er wollte noch etwas weiterleben und hat sich da in dich verwandelt, weil du... äh, weil sie so wahnsinnig in dich verschossen ist, was man in letzter Zeit besonders merkte... Weil dieser Jemand nichts von ihr wollte, war sie allerdings sehr enttäuscht, und deshalb ist sie nicht so gut auf dich zu sprechen..."

Anstatt diese Begründung mit einer tiefpsychologischen These zu widerlegen, ließ Neji das Gras nicht aus den Augen, als stände da seine Zukunft geschrieben. Herrje, Naruto hatte diese Esoterik-Freaks nie gemocht, und bevor Neji gleich seine Tarotkarten auspackte oder die nächstbeste Blume in ihre Einzelteile zerlegte, verpasste er ihm einen kumpelhaften Schubs in die richtige Richtung.

Mehr oder weniger kumpelhaft, denn solange niemand Nejis alteingesessene Prinzipien lahm legte, wollte Naruto nicht näher mit ihm bekannt werden.

"Tu's für Hinata-chan..."

Neji belohnte ihn mit einem warnenden Blick, die zukünftige Stammhalterin nicht so vertraulich zu nennen. Der Ausdruck verschwand wieder, von dem Naruto nicht wissen konnte, dass es ein Zugeständnis an die wenige Zeit war, die Hinata noch blieb, um so etwas wie ein normales Leben zu führen.

Dann wandte Neji sich ab und fing hoffentlich an, seine wahre Berufung anzunehmen... Was auch immer sie war.
 

Unaufhörlich murmelte Tenten ein Mantra lästerlicher Flüche vor sich hin, die selbst einen gestandenen Seemann verlegen gemacht hätten. Nur leider floss ihre Wut viel zu langsam ab, und selbst, wenn diese verraucht war – bittere Gefühle würden auf jeden Fall zurückbleiben.

Wie ironisch. Sie hatte soeben entdeckt, dass sie Nejis kühle Antworten nicht mal zum Anstoß brauchte, um unter ihm zu leiden – dass war so, als würde sie in ein fremdes Messer fassen, ganz einfach, weil sie vergessen hatte, dass es scharf war. Und durch den beißenden Spott sah sie bemerkenswert klar. Sie war nicht über Neji 'hinweg', war es nie gewesen, und was sie ihm gegenüber empfand, das war nicht simpler Teamgeist, Bewunderung oder Respekt, das war die wahre Liebe, wie sie leibte und lebte. Also die schlimmste Mixtur aus alledem. Sie hatte ihre Zeit quasi damit verschwendet, dieser Tatsache auszuweichen.

Wenn man sich selbst für ambitioniert und zäh hielt, war es natürlich leicht. Wenn sie so stark wie die legendäre Tsunade war, würde Neji zu ihr aufschauen. Wenn sie als Kunoichi Karriere machte, vielleicht sogar bis in die Anbu, würde sie mit Neji zusammenbleiben können. Und wenn sie die Sterne beobachtete und merkte, dass zufällig eine Sternschnuppe übers Firmament schoss oder die Venus bei Vollmond besonders gut zu sehen war, würde Neji sich irgendwann in sie verlieben, weil das so war. Schön unkompliziert. Und niederschmetternd, wie sehr alles von Neji abhing. Hätte sie ihm wirklich die kalte Schulter zeigen wollen, wäre sie nicht zu diesem Camping aufgekreuzt.

Stattdessen hatte sie gehofft, dass er kam. Damit er ihre neuerwachte Selbstsicherheit sah. Wie primitiv.

Tenten grinste freudlos. Verdammt, sie war doch vor Stolz fast geplatzt, als sie Neji auf der Suche nach Hinata zum ersten Mal klar überlegen war. Und aus dem einen ergab sich das andere.

Hastig rieb sie sich die Augen und hielt inne, ihre Kleidungsstücke in ihre Tasche zu stopfen. Kleidungsstücke, von denen sie gehofft hatte, Neji würde ihre weibliche Seite erkennen. Hah, sie hatte wahrscheinlich nur darauf gewartet, dass er sie beim Baden beobachtete!

Sie wischte ihre Hand an der Hose ab. Vielleicht würde es gar nicht so schwer sein, damit zu leben. Das hatte etwas Romantisches. Sollte sie auch anfangen, ein Medaillon mit ihrem Teamfoto um den Hals zu tragen? Ihm eine Haarsträhne abschneiden? Stalkerqualitäten entwickeln? Selbstironie war der erste Weg zur Besserung.

Ein Schatten fiel über sie. Stilecht und pünktlich, Neji. Mit den Händen in den Taschen und ohne Rosenstrauß hinter dem Rücken, aber immerhin. Willkommen.

"Wie galant, möchtest du mir beim Packen helfen?", fragte Tenten lakonisch und strich ihren Pony zur Seite. Neji fixierte geringschätzig ihr Gepäck.

"Lächerlich."

Sie lachte kurz trocken auf.

"Spezifier' das bitte, sonst weiß ich ja gar nicht, was an mir alles lächerlich ist – undenkbar..."

Seine Mundwinkel zuckten tatsächlich. Wenn er glaubte, sie hätte es nötig, wie Sakura Haruno ständig in Tränen auszubrechen, war er bei ihr an der falschen Adresse.

Neji ging in die Hocke, stützte sich dabei mit den Ellbogen auf den Oberschenkeln ab. Tenten erwiderte den Blickkontakt – wozu musste sie sich jetzt noch genieren?

"Von einer durchschnittlichen Kunoichi erwartet man keine Kapitulation."

"Ich bin unter dem Durchschnitt, mein Freund. Oder ich habe andere Maßstäbe."

Sie zog eine Grimasse und ließ sich dabei seine Worte durch den Kopf gehen. Hatte er sie gerade... ermuntert, nicht aufzugeben?

"Wie ich meinte, lächerlich."

"Sag' es nicht... Ein derart niedriger Durchschnitt ist nicht existent?"

"Ein derart niedriger Durchschnitt nennt sich nicht Kunoichi."

Wie aufbauend. Manchmal hasste sie Nejis Haarspalterei.

"Ganz reizend, Neji, ich liebe dich auch."

Das nannte sich wohl 'Mut der Verzweifelung'. Sie war ehrlich gewesen, und mit etwas Glück nahm Neji sie nicht ernst.

"Wenn du mich so liebst, könntest du es mir ersparen, dich für deine Kurzatmigkeit zu bemitleiden."

Das war tatsächlich eine Art Grinsen. Selbstverständlich eins dieser überlegenen Neji-Grinsen, doch normalerweise waren die für Herausforderungen reserviert. Und sie gehörte nicht zu dieser Rubrik.

Tenten schnaubte und lockerte ihre Muskeln. Sollte er erst mal erfahren, auf welche Art von Herausforderung er sich hier einließ. Mit einer fließenden Bewegung zog sie den Halsausschnitt ihres Oberteils hoch und legte ihn über ihre Lippen.

Oh, sie wette tausend zu eins, dass Neji noch nie durch ein Stück Mädchenkleidung geküsst worden war. Mehr als die Fälschung eines ersten Kusses war es ihr nicht wert.

Noch nicht.
 

Der letzte Teil ist nicht ausreichend probegelesen, und auch nicht so lang, weil die Wochen vor den Herbstferien ein besonderes Vergnügen sind.

In diesem Sinne noch Dank an Neversorry. Ohne sie wäre dieses Kapitel erheblich später veröffentlicht worden – kreatives Tief.

Ich mache keine ENS-Benachrichtigung.
 

EDIT

miai: förmliches erstes Treffen bei einer arrangierten Heirat. Ein miai bedeutet noch nicht zwangsweise eine Heirat, sondern entscheidet über den ersten Eindruck. Beide Familien schließen Kontakte, das eigentliche Brautpaar hat wenig zu sagen. Ein guter Bekannter (meist des Bräutigams) tritt als Vermittler zwischen den Parteien auf (auch bei Verhandlungen über die Mitgift).

Entnommen aus der japanischen Historik, wie sie mehr oder weniger immer noch präsent ist.

Der Preis für Unromantik

Dieses Update ist sehr verspätet. Die verarbeiteten Anregungen stammen von Arua, ohne diese hätte ich wahrscheinlich noch ein paar Monate gebraucht, um aus der Flaute herauszukommen.

Der Wortlaut war, dass ich verbittert klinge. Arbeite bereits an der Änderung.
 

"Oi, Hinata!"

Mit dem guten Gefühl, gerade mal freie Bahn zu haben, ließ Naruto sich neben das Mädchen auf die Decke fallen. Hinata hatte ihre zarten Hände im Schoß gefaltet. Jetzt hob sie langsam den Kopf. Ihre helle Haut bildete einen weichen Kontrast zu ihrem blauschwarzen Haar und ihren natürlichen, ungeschminkten Zügen.

Wie hatte er sie bloß mit Tenten verwechseln können? Ausnahmsweise kein Affront gegen die Ältere – er gönnte Neji voll und ganz eine Frau von diesem Kaliber – dennoch verfügte sie nicht über diese einmalige Grazie, die ausnahmsweise mal nichts mit ihrem Bluterbe zu tun hatte. Mochte sein, dass Hinata einen tadellosen Stammbaum hatte, doch das hier war nicht ererbt.

"Wo warst du heute Morgen? Wir wollten dich schon suchen gehen..."

Hinata betrachtete ihn gedankenverloren, worauf er sich keinen Reim machen konnte. Hatte sie ihm nicht zugehört? Das war eine ihrer gruseligen Eigenschaften, manchmal war sie so unauffällig, dass man durch sie durch sprechen konnte...

"Ich war... spazieren.", sagte sie langsam und deutlich, als spräche sie mit sich allein. Und trotzdem hielt sie unverwandt Blickkontakt – ausgerechnet sie, die jedes Mal wegsah, wenn er entfernt in ihre Richtung guckte. Wer war das und wo war Hinata? Oder war sie einfach noch nicht richtig wach?

Er klang so, als würde er darauf hoffen, dass sie in seiner Anwesenheit verlegen wurde...

"Oh, okay... Sag' das nächste Mal Bescheid, sonst läuft Neji Amok und ich bin das Opfer..."

Er feixte, aber Hinata erwiderte nichts dergleichen, wie er es erwartet hatte. Sie nickte nur mit dieser Art routiniertem Gehorsam, den sie anderen Clanmitgliedern an den Tag legte.

"Tut mir leid."

Naruto legte verwirrt die Stirn in Falten.

"Äh... So war's nicht gemeint, das war ein... Scherz."

Etwas, von dem die meisten Menschen sowieso ausgingen, wenn sie mit ihm redeten.

Hinata ging nicht darauf ein. Mit geübten Bewegungen filterte sie die Blätter aus dem Tee, was Ino vergessen hatte – die Blonde war viel zu versunken in eine Diskussion mit Shikamaru über seine alteingesessenen Vorurteile von Frauen. Und weder Neji oder Tenten waren in Sicht.

Sie waren praktisch unter sich, und alles, was Hinata tat, war ihm Tee einzugießen! Er hasste Tee! Er hasste Schweigen! Und er hasste es, nicht zu wissen, woran er war! Nichts, womit er Hinata geradeheraus konfrontieren konnte; sie war bloß höflich, und diese Art von Behandlung war er nicht gewohnt. Natürlich kannte er inzwischen freundliche Verhaltensformen, allerdings kam nicht mal Meister Iruka auf die Idee, ihn so... übergeordnet zu behandeln.

Er reagierte über. Selbstverständlich. Wenn sie wenigstens mit ihm reden würde!

"Was möchtest du essen?"

Nicht das. Entschlossen, irgendwo einen Faden für ein Gespräch zu finden, musterte Naruto das Angebot. Nichts, was er unbedingt mochte. Ino und ihr entsetzlich gesundes, vegetarisches Zeug. Wie konnte man Obst frühstücken?! Das war eine Mädchensache, und Naruto hielt sich nicht für ein Mädchen. Er definierte mehr die Kategorie 'echter Kerl'.

Hinata fing an, einen Apfel zu schälen, und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln mit zuvorkommender Aufmerksamkeit. Er müsste lediglich einen Wink geben, und sie würde tatsächlich die folgsame Hausfrau für ihn spielen. Und er hatte immer gedacht, das wäre sein Traum. Mit einem Mal war der Gedanke nicht mehr so umwerfend.

"Hey! Hinata, schnell!"

Sie zuckte zusammen und wurde somit Zeugin seiner grandiosen Stäbchen-auf-der-Nase-balanchieren-Technik. Glücklicherweise drehte Ino ihm den Rücken zu, sonst wäre sie gleich im Anschluss Zeugin einer gewaltigen Kopfnuss geworden.

Der gewünschte Effekt blieb aus. Hinata verfolgte seine Nummer mit höflichem Interesse und klatschte, als das Essstäbchen umkippte. Nur, um danach ernsthaft zu fragen: "Alles in Ordnung?"

Säuerlich legte er sein Utensil weg. Er hatte ein Problem, hätte jemand mal die Gnade, ihm zu helfen? Sein Stolz rebellierte dagegen, sich an Ino zu wenden. Wenn er das ein einziges Mal tat, würde sie sich wieder einmischen. Shikamaru fehlte für Derartiges das Feingefühl – falls das überhaupt möglich war, lag seine Sensibilität für Mädchen im negativen Bereich, Neji offensichtlich sowieso, und Tenten würde irgendwann mal darauf kommen, dass er derjenige gewesen war, der sie versehentlich beobachtet hatte.

Irgendwie lief es also auf Ino heraus. Sie war zwar nicht das kleinste Übel, hatte dafür die meiste Ahnung. Und er musste sie ja nicht sofort fragen...

"Möchtest du?"

Hinata bot ihm einen geschälten und entkernten Apfel an. Die Augen hielt sie dabei auf den Boden gerichtet.

"Äh... Alles okay?"

Mehr aus Reflex als aus Absicht nahm er den Apfel an. Erfahrungsgemäß errötete sie jetzt, zumindest hatte das bei der ersten Prüfung des Chu-nin-Examen geklappt. Diesmal tat sie es nicht. Hinata nickte lediglich und schälte eine Orange, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, das Gespräch am Leben zu erhalten.

Er brauchte Hilfe. Dringend.

"Gut, ich... muss mal gerade... weg."

Hinata akzeptierte das mit einem erneuten Nicken. Naruto erhob sich vorsichtig, als könnte sie gleich explodieren, und machte ein paar Schritte zurück.

Wehe, Neji hatte da seine Finger im Spiel!
 

Neji starrte sie an. Sie war das ungeteilte Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Ihr war gelungen, woran jedes Mädchen bisher gescheitert war. Sie, Tenten, hatte alle Rekorde gebrochen, ohne sich dabei irgendetwas brechen zu müssen.

Sie könnte jetzt irgendeinen smarten Spruch absondern, ihm anzüglich zuzwinkern oder hüftschwindend davon stolzieren. Letzteres lag ihr nicht, aber Neji hatte dafür wohl kaum ein geschultes Auge.

Sie zog ihr Oberteil wieder herunter und kam auf die Beine. Das war alles? Wie langweilig. Gut, ein Kuss durch soliden, wetterfesten Stoff war nicht sonderlich romantisch, und Neji war leider nicht rückwärts ins Gras gefallen, wie sie insgeheim gehofft hatte. Es gab kein größeres Kompliment für eine Kunoichi, als Neji Hyuga zu Fall gebracht zu haben. Immerhin, sie hatte ihn für den Bruchteil einer Sekunde geküsst, sie war Nejis erster Kuss, sie war absolut und unbestreitbar genial...

Neji hatte es nicht so eilig, sich aufzurichten. Irgendein Ausdruck war da in seinem Gesicht, allerdings keiner, den Tenten kannte. Das konnte sowohl günstig als auch ungünstig sein. Ebenso diese unmerklich dunklere Tönung auf seinen Wangen. Doch Tenten konnte anstandslos zugeben, dass es ihr egal war. Wenn sie gerade gegen die Regeln der Kameradschaftlichkeit verstoßen hatte, halb so schlimm – sie konnte sogar von sich sagen, momentan sehr glücklich zu sein. Völlig und sinnlos glücklich.

Grinsend beugte sie sich vor.

"Frauen dürfen kurzatmige Dinge tun, ohne vorher zu fragen."

Eigentlich sollte sie nicht so dämlich grinsen, sondern huldvoll lächeln, ihren Augenaufschlag üben oder ihr Oberteil beiläufig noch weiter runterziehen. Letzteres war nicht möglich, da sie generell nie Kleidung mit Ausblick trug. Sollte sie damit jetzt anfangen und somit ihren neuen Prinzipien entgültig den Laufpass geben? Klang entwürdigend... Aber bei der Gelegenheit konnte sie Neji gleich mit entwürdigen, der hatte es verdient.

Bevor sie Gefahr lief, sich ihre gute Laune zu ruinieren lassen, klopfte sie ihm zweimal gegen die Wange, wie Gai es gelegentlich bei ihr getan hatte, wenn es schwer wurde, mit den Jungen mitzuhalten.

"Du verpasst übrigens das Frühstück.", summte Tenten und schob sich an ihm vorbei. Wäre sie zufällig der einzige Mensch im Radius von 75 Kilometern gewesen, hätte sie einen Triumphschrei ausgestoßen. Sie hatte Neji Hyuga sprachlos gemacht, Strike!
 

"Was willst du, Uzumaki?"

Ino strich sich ihr Haar hinters Ohr und warf Naruto einen argwöhnischen Blick zu, der ungefähr besagte 'Welche Katastrophe hast du nun wieder verursacht?'. Dieser Blick bewirkte, dass Shikamaru das Gespräch nicht weiter verfolgte. Je weniger er wusste, desto weniger konnte er in irgendetwas hineingezogen werden.

Die Grapefruit war ihm sowieso zu sauer.

"Wegen Hinata..."

"Was soll mit ihr sein?", brummte die Blonde und beobachtete Shikamaru kritisch, bevor er Dummheiten mit ihren Obstspießen Marke Eigenkreation anstellte.

"Na ja, sie ist... komisch!"

Ino schürzte mäßig besorgt die Lippen. Sie maß Narutos Definition von 'komisch' nicht viel Bedeutung bei.

"Bist du sicher, dass du das nicht bist? Außerdem bezeichnen nicht mal Beziehungskrüppel wie du ein hübsches Mädchen als 'komisch'."

Shikamaru hob eine seiner kurzen Brauen, war jedoch weise genug, das nicht zu kommentieren.

"Beziehungskrüppel?! Es ist nicht so-"

"... als würde es dir auffallen, wenn Hinata wirklich etwas beschäftigt. Du bist unsensibel, Uzumaki. Los, setz' dich zurück zu ihr, sonst denkt sie, dass du dich langweilst."

Der drohende Unterton in ihrer Stimme warnte ihn vor jeglichen Einwänden. Dennoch, in manchen Situationen kam man nicht weiter, wenn man kein weibliches Einfühlungsvermögen hatte. Inos war groß genug, um die Sonne zu überschatten, also warum konnte sie es nicht mal praktisch einsetzen?!

"Nein, sie ist-"

"Hey, Ino!"

Ein plötzlicher, kräftiger Schubs stieß ihn zur Seite, wobei 'kräftig' nach dem tauben Gefühl in seinem Oberarm noch untertrieben war. Tenten nahm sang- und klanglos seinen Platz ein, mit diesem gewissen Ton, der ausschließlich für Mädchengespräche reserviert war. Naruto hatte nicht geglaubt, dass Tenten das beherrschte, und unter anderen Umständen hätte es ihn interessiert, was sie Ino so dringend zu erzählen hatte.

Allerdings war er froh, wenn er heute nicht mit Tenten in Berührung kam, denn wenn sie nur halb so schmerzhaft zuschlug, wie sie schubste...

"Äh... Hey, Naruto, diskutier' das einfach mit Shika aus, okay?"

Ein klares Zeichen, dass Ino ihn und Shikamaru so schnell wie möglich loswerden wollte. Das merkte man schon daran, dass sie ihn mal bei seinem Vornamen nannte. Seufzend ließ er sich neben Shikamaru nieder, mit der angenehmen Gewissheit, dass, egal, was er ihm sagte, die Antwort ein Schulterzucken oder ein Augenverdrehen sein würde.

Weiber.
 

"Schön langsam, noch mal für mich... Was soll dieser Launenumschwung jetzt?!"

Tenten bewies gerade vollkommen unerwartet, dass auch sie das urweibliche Gen besaß, amouröse Durchbrüche nicht für sich behalten zu können. Da von Neji nichts zu sehen war, wollte sie es offenbar so schnell wie möglich loswerden.

"Wo hast du Neji gelassen? Packt er jetzt für dich?", mutmaßte Ino ohne rechte Begeisterung. Es hatte sie gekränkt, dass Tenten ihr mühevoll organisiertes Camping unvermittelt hatte verlassen wollen. Unter anderen Umständen hätte sie dafür wahrscheinlich eine Entschuldigung bekommen – man konnte Gai nicht vorwerfen, dass er seinen Schülern kein respektvolles Verhalten beigebracht hatte – doch in diesem speziellen Fall tat Tenten das mit einer achtlosen Handbewegung ab und hantierte mit einem von Inos Obstspießen wie mit einem Dirigentenstock.

"Ich bin Nejis erster Kuss."

Ino vergaß prompt ihre Missbilligung über Tentens Art, mit von ihr produzierten Lebensmitteln umzugehen.

"Vorhin?"

"Yeah. Ich glaube, ich habe ihn traumatisiert.", sagte Tenten stolz und bekam von der Blonden einen skeptischen Blick.

"Du klingst, als wäre das das höchste aller Ziele. Halt den Spieß still, du machst mich ganz nervös!"

Tenten zog ein liebevoll in Sternform geschnittenes Stück Kiwi von dem genannten Spieß und kaute darauf herum, ohne die Gestaltung zu würdigen. Ino schluckte den auf ihrer Zunge liegenden Tadel mit Mühe – Tentens Bereitwilligkeit, ihr alles zu erzählen, würde sicher nicht lange anhalten.

"Ich werde mich ewig an seinem verdatterten Gesicht weiden. Gibt's Zucker?"

Im Brustton der Zufriedenheit wühlte Tenten die verschiedenen Sorten Sirup durch, ohne auf eine Antwort zu warten.

"Mal ausgeschlossen, dass Neji das Gleiche passiert ist wie Naruto und Sasuke... Was macht dich so sicher, dass es sein erster Kuss war?"

Tenten hatte sich notdürftig mit Granatapfelsirup einen Ersatz für banalen, nach Inos Auskunft tödlich figurschädlichen Zucker gesucht und konzentrierte ihre Energie inzwischen mehr darauf, einen Abschnitt des Spießes damit zu übergießen und zu essen, bevor der Sirup heruntertropfte. Sie hielt lediglich kurz inne, um zu erwidern: "Keine Ahnung, aber es hat ihn sicher noch keine... oder keiner durch ein Mädchen-T-Shirt geküsst."

Ino runzelte die Stirn und fragte sich, ob es eine so gute Idee gewesen war, Neji mit jemandem allein zu lassen, der nur noch Kamikaze-Optionen zur Auswahl hatte.

"Sehr originell. Und sehr... unromantisch! Du hast deinen ersten Kuss verschwendet! Und du hast Sirup am Kinn."

Tenten reagierte bloß auf den letzten Teil der Aussage und wischte sich das Kinn ab.

"Hauptsache, er ist schockiert. Außerdem kann ich Hinata nicht seiner Tyrannei überlassen..."

Das mochte nach diebischer Schadenfreude klingen, doch Ino erkannte ganz genau den Unterton von neuerweckter Hoffnung.

Neji ließ nicht lange auf sich warten. Falls er tatsächlich schockiert gewesen war oder gerade ein Trauma durchlebte, merkte man es ihm nicht an. Er quittierte das Frühstück mit einem geringschätzigen Blick, und Ino machte sich eine Anmerkung, das bei seiner Hochzeit ebenfalls zu tun. Für sie erfolgten solche Dinge in geordneter Reihenfolge.

Die restliche Mahlzeit verlief in Stille. Naruto schien zu fürchten, jeden Moment von Obstspießen durchbohrt zu werden, und nahm die von Hinata geschälten Früchte nur mit äußerster Vorsicht an. Ihr war keine Bekümmerung anzumerken, allerdings auch keine sonstige Regung. Neji und Tenten saßen einander gegenüber, und letztere schenkte ihm ab und zu ein wölfisches Grinsen. Ino war völlig in ihre Ratlosigkeit versunken, was sie aus diesem langweiligen Tag machen sollte. Shikamaru würgte mit gleichmütiger Anstrengung hoffentlich essbare Substanzen herunter, von denen er nicht wissen wollte, was sie waren. Er vermisste Choji und seinen niemals zu erschöpfenden Vorrat an Kartoffelchips.

"Heute machen wir Freestyle-Unterhaltung."

Ino war nichts eingefallen. Sonst würde sie es niemals dem Zufall überlassen, womit dieses unkultivierte Volk sich die Zeit vertrieb.

"Einzige Vorgabe: Mindestens 1000 Schritte, und damit meine ich nicht, dass hier jemand auf der Stelle tritt."

Wer dieser Jemand war, war nicht allzu schwer zu erraten. Shikamaru reagierte mit einem desinteressierten Schulterzucken und wurde in den Oberarm geboxt. Ino lächelte ihn süßlich an und entschied, dass sie die Tagesplanung besser nicht ganz aus der Hand gab.

"Da durch das plötzliche Gewitter das Feuerholz nass geworden ist, werdet ihr Jungs Neues suchen – es ist mir ganz egal, wie."

Naruto rückte unauffällig von Hinata ab und protestierte, eines seiner wertvollen Argumente beraubt:

"Wieso macht ihr Mädchen das nicht?! Wir waren schon mal!"

Dass dieses Unternehmen von keinem großen Erfolg gekrönt sein würde, ließ er dabei außer Acht. Neji bedachte ihn mit einem Blick, der dezent darauf hinwies, wie tief es unter Hinatas Würde war, Feuerholz zu sammeln, obwohl das Alte nicht wirklich nass sein konnte. Neji mochte Inos Fähigkeiten als Kunoichi nicht allzu hoch einschätzen, sie wäre nicht das Risiko eingegangen, auf einen weiteren Abend mit Lagerfeuerromantik und Gruselgeschichten zu verzichten.

Ino widmete Naruto dasselbe süßliche Lächeln.

"Ganz einfach, Uzumaki, weil ich, wenn ich zurückkomme, hier keinen Trümmerhaufen vorfinden will. Das würde die Frage aufwerfen, wer hier bis in die Grundfesten komisch ist..."

Tenten kratzte sich mit dem stumpfen Ende ihres Spießes an der Schläfe und überging diese Andeutung, die sie nicht verstehen konnte.

"Ich mach's. Die Kerle brauchen ewig für so ein paar Stöckchen."

"Stimmt. Und du nimmst Neji mit."

Nun wurde Neji ebenso Opfer des süßlichen Lächelns. Tenten stimmte daraufhin keine Diskussion an und machte grinsend eine 'Ich beobachte dich'-Geste zu ihm. Neji verdrehte die Augen.

Neu bestärkt in ihrer Überzeugung, dass jeder Anwesende hier einen vorbestimmten Partner hatte, fuhr Ino fort, das Gerüst der Tagesplanung festzulegen.

"Shikamaru hilft mir, Blumen zu sammeln. Wir machen eine Party!"

Spontane Idee. Ino glaubte, in Hinatas Augen ein kurzes Aufflackern gesehen zu haben, dann mischte sich Naruto ein: "Blümchenpartys macht man vielleicht an der Akademie! Das ist tödlich peinlich!"

"Ehrlich gesagt, bei dir gibt es keinen Reifeunterschied zwischen der Akademiezeit und heute. Sei froh, dass du wegen Hinata keine Aufgabe bekommst. Und versuch' wenigstens, hier nichts kaputt zu machen!"

Egal, welche negative Verwandlung Hinata gestern Nacht durchgemacht hatte, sie würde nie so unausstehlich werden wie Ino Yamanaka. Und wenn sie ihm nicht mal ihrer Freundin zuliebe helfen wollte – selbst war der Mann.
 

"Du kannst jetzt aufhören zu grinsen."

Dass Mädchen, die in ihrer Freizeit mit sadistischem Vergnügen Strohpuppen zerlegten, nicht ganz richtig im Kopf waren, hatte Neji schon immer vermutet. Doch jetzt wurde sie ihm unheimlich. Nicht zu vergessen, sie hatte ihn geküsst, und nicht mal das machte sie wie jeder andere! Als Beweis seiner Genialität sollte er ihr vielleicht zeigen, wie ein echtes Genie das machte...

Der Mensch ist leider nicht in der Lage, alles zu erfassen, was in seinen Milliarden von Gehirnzellen vorging. Allerdings war das für Neji nicht nötig, um zu erkennen, dass er diese Begebenheit nicht nur trocken mit 'Sie kann's eben nicht besser' begründete, sondern sie schamlos am Schopf ergriff, um Gais eiserne Regeln der Kameradschaft zu übertreten. Und er hoffte innig, dass das der pubertätsbedingte Hang zur Anarchie war und keine tiefere Zuneigung. Denn aus vom logischen Standpunkt aus... Nach dem, was sie beide im Hinblick aufeinander erlebt hatten, konnte das nicht gut gehen.

Tenten überhörte ihn gänzlich. Sie hatte sich soeben dabei ertappt, zu einem zuckersüßen Liebeslied aus ihrer Anwärterzeit mit dem Kopf zu nicken. Und mehr noch, sie spürte den überwältigenden Drang, die nicht vorhandene Dusche aufzudrehen und loszuschmettern. Jemand, der die letzte Zeit so erschreckend romantikfrei verbracht hatte, wurde von einem Hormonschub wie diesem völlig überrollt, selbst wenn er so robust war wie Tenten.

Neji ließ es stillschweigend über sich ergehen, dass sie anfing zu summen. Ja, auch er hatte einen männlichen Ehrgeiz, dem er etwas hatte beweisen wollen. Und plötzlich nahm das ungeahnte Ausmaße an. Tentens diskrete, unbeirrbare Bewunderung war Balsam für seinen verletzten Stolz gewesen, aber die Zeiten waren vorbei. Das Gute daran: er war wieder sicher, dass Tenten gar nicht in der Lage war, ihn aufzugeben. Das Schlechte daran: von nun an würde sie sich nicht mehr auf brave Taktiken beschränken. Was konkret bedeutete, dass er nicht mehr alle Fäden in der Hand hatte und... verdammt, er hatte keine Lust auf dieses 'alles, was dazugehört'! Um fair zu sein, sie waren für Beziehungen beide ziemlich unnütz. Ein Spaziergang im Mondschein würde in ein Wettrennen ausarten und ein Candlelightdinner in eine Grundsatzdiskussion über schlechte Beleuchtung.

Und überhaupt... Sie hatte ihn aus Spaß an der Freude mehr oder weniger geküsst, und er dachte sofort an eine Beziehung. Dabei war er ihr nichts schuldig, bloß weil sie sein erster Kuss war.

"Ich verlange nicht von dir, dich wie ein Gentleman zu benehmen... Aber du könntest wenigstens den Rest des Holzes tragen."

Tenten musterte ihn ein wenig vorwurfsvoll über den unhandlichen Stapel toter Äste hinweg, den sie sich auf die Armbeugen geladen hatte. Dabei stützte sie ihr Kinn auf das Bündel und wippte im Takt irgendeines Liedes auf den Fußspitzen. Ihre muskatbraunen Augen glitzerten munter.

Neji drückte den Holzstapel ein Stück tiefer und fuhr mit dem Zeigefinger über ihr gerades, glattes Nasenbein. Eine Geste, die ihm spontan in den Sinn gekommen war und Tenten zu seiner großen Genugtuung komplett aus dem Konzept brachte.

"Du machst das schon, schließlich ist es nur... ein geringer Beweis deiner unendlichen Liebe."

Tenten versuchte, seinem Schienenbein einen Tritt zu versetzen. Er zog es elegant weg und wich gerade noch aus, bevor die Ladung Feuerholz ihn traf, die Tenten ohne lange Umschweife nach ihm warf.

"Neji Hyuga, du bist ein arrogantes Arschloch..."

Er ging in die Knie, um zu vermeiden, dass ihr Schwinger seine Schläfe traf.

"Das sollte dir zu denken geben, nicht wahr?"

"Wieso? Schließlich-"

Ihr auf den Hals gezielter Tritt ging ins Leere, gleichzeitig löste sie ihre Deckung auf, bevor Neji ihre Handgelenke zu fassen bekam.

"-wäre das ja lächerlich-"

Tenten schlug Nejis Faust beiseite, die andernfalls ihre Magengrube getroffen hätte.

"-für eine Kunoichi-"

Nejis angezogenes Knie blockte ihren Tritt gegen die Rippen.

"-von meinem Durchschnitt!"

In dem Moment, den Neji brauchte, um sein zuvor angezogenes Bein zurück auf den Boden zu setzen und sein Gleichgewicht zu finden, schossen ihre Arme vor und verschränkten sich in seinem Nacken ineinander. Um ihm einen vernichtenden Schlag zu verpassen, musste sie dabei ihrerseits ein Bein vom Grund lösen. Neji schützte seinen Magen mit beiden Unterarmen und stieß mit seinem ganzen Gewicht nach vorne. Tentens Tritte, die sie im Fall austeilte, waren zwar schmerzhaft, doch ihnen fehlte die Wucht und die Präzision.

Tenten verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als ihr schutzloser Rücken hart auf die Erde und die herumliegenden Äste prallte – und das besserte sich nicht gerade, als Nejis Gewicht folgte. Sein Ellbogen traf ihr Zwerchfell und presste ihr die Luft aus den Lungen. Für mehrere Sekunden rang sie hilflos nach Atem und versuchte, die an den Rändern ihres Sichtfelds tanzenden Sterne zu vertreiben.

Zeit, Neji zu zeigen, wie moderne Kunoichi kämpften. Mit einem beherzten Griff in sein geliebtes Haar zerrte sie seinen Kopf nach hinten und es gelang ihr, ein Bein unter ihm hervorzuziehen und in sprungbereite Position zu bringen.

Neji ächzte, als Tenten mit der ungeschriebenen Regel brach, die selbst Lee respektiert hatte. Der einzige Grund, warum er ihr diesen Eingriff in seine Privatsphäre verzieh, war der, dass es sich hier um keinen ernsten Kampf handelte. Sein Genick und seine Kopfhaut schmerzten, dennoch bekam er ihren Knöchel zu fassen und drückte ihn herunter, damit sie auf einem Bein keine feste Position fand. Die herumliegenden Stöcke begünstigten das noch, obwohl Tenten ihr Ausrutschen geistesgegenwärtig mit einem Kniestoß verband, bevor sie sich recht ungrazil auf den Hintern setzte.

Neji rollte mit den Augen. Auf diese unnachahmliche Weise, die ausschließlich Männern in einer bestimmten Situation vorbehalten ist. Verbunden mit einer ganzen Menge Schmerzen.

Tenten bedeckte erschrocken mit einer Hand ihren Mund und hielt inne, ihren Knöchel aus seinem Griff zu winden.

"Das... wollte ich nicht-"

Möglicherweise hätte sie sich tatsächlich entschuldigt, wenn Neji ihre Reaktion nicht vollständig ausgenutzt hätte, ohne dabei irgendein Zeichen von Schmerz zu zeigen. Er riss mit beiden Händen an ihrem Knöchel und zerrte sie ein Stück über die Erde. Zwar konnte Tenten knapp verhindern, dass seine Finger sich um ihre Kehle legten, aber das war angesichts ihrer greifbaren Niederlage ein schwacher Trost.

"Schmierenkomödiant!", zischte sie und hob beide Arme zur Deckung.

"Ich dachte, ich hätte dich wirklich... am empfindlichsten Punkt getroffen!"

"Der empfindlichste Punkt liegt eine Handbreit unter dem Nabel... und nicht im Haar."

Aus den letzten Worten sprach beleidigte Eitelkeit. Er hatte gesehen, wie brutal Mädchen mitunter gegeneinander kämpften, und da war Haareziehen schon fast ritterlich im Gegensatz zu den restlichen Methoden.

Tenten schnaubte und fuhr ihm über die Wange, dort, wo sie ihm beim Picknickausflug einen tiefen Kratzer zugefügt hatte. Die Wunde war gut verheilt und kaum mehr als eine dünne, rote Linie. Denn schließlich wollte Neji keine Narben, die von einem kleinen Mädchen stammten.

"Und nicht im Gesicht, oder?"

Nejis Gehirn war hin- und hergerissen zwischen der Vorsicht seines Soldatendenkens, ihre Hand nicht in der Nähe so wichtiger Organe wie seinen Augen zu dulden und der Übermacht seines Unterbewusstseins, das schamlos geneigt war, ihre Geste als geschickt getarnte Liebkosung zu betrachten. Sein Soldatendenken überwog, hatte jedoch keine Auswirkungen. Er beobachtete ihre Arme anstatt ihres Gesichts, um sicher zu gehen, dass sie keinen plötzlichen Angriff plante.

Der Soldat in ihm akzeptierte einen Waffenstillstand mit der Begründung, mit einem Verbündeten sollte man sich auch in Friedenszeiten nicht im Dreck wälzen und prügeln. Er ging nicht auf ihre Äußerung ein und verlagerte sein Gewicht auf die Fußballen.

Tenten grunzte missbilligend, als dürre Äste sie erneut in den Rücken stachen und setzte sich auf ihren Hosenboden, die Beine überkreuzt.

"Und, woran denkst du gerade?"

Neji hielt ihrem Blick ruhig Stand. Es bot sich an, eine dieser geheimnisvollen Antworten zu geben, die sie so verwirrten, oder mit Sarkasmus darauf zu reagieren, da sie ihm diese Frage schon mal gestellt hatte. Oder sie einfach anzuschweigen, wie er es früher getan hatte.

Das Problem war, dass er keine Lust dazu hatte. Tenten war einer der wenigen Menschen, die den unverfälschten Neji Hyuga kannte. Dann konnte sie ihn genauso gut erleben.

"An dich."

Da war nichts Romantisch-Kitschiges an dieser Antwort. Tenten lächelte, woran ebenfalls nichts Mädchenhaft-Kitschiges war. Ihre herzförmigen Lippen formten Worte, von denen sie ganz genau wusste, dass Neji sie verstand. Und Neji wusste, dass sie es wusste, und dass sie froh darüber war, dass ihre Worte so nicht die falschen Ohren erreichen würden.

Ich... bin...

Sie zwinkerte ihm aus zwei weichen, braunen Augen zu.

... es wert...

Worte, die sie sowieso nicht aussprach, verloren sich in Bedeutungslosigkeit. Nejis Kuss bestimmte das so, genauso wie er das herumliegende Holz und den vergangenen Streit für bedeutungslos erklärte.

Ich bin es wert, in dich verliebt zu sein.
 

Während Tenten auf rosa Wölkchen der Glückseligkeit schwebte und Neji das vermutlich auch tat, obwohl Rosa nicht seine Farbe war, war Ino enorm frustriert. Jeder Clan hatte so seine nützliche Begabung und seine ureigenen Gene. Und in Shikamarus ureigenen Genen schien gespeichert zu sein, dass Blumen zum Abfressen und Platttrampeln gedacht waren. Das zeigte sich daran, dass er sie ohne Zartgefühl abriss und immer gerade auf das Exemplar einer Pflanze trat, das sie hatte haben wollen. Ino kamen Zweifel, ob ihr Vater wusste, mit welchem Monster von einem Clan er sich angefreundet hatte.

Shikamaru rupfte weiter mit derselben Lieblosigkeit Blumen aus, mit der andere unwillkommene Weihnachtsgeschenke auspackten, und stopfte sie in einen Korb. In ebendiesem befanden sich dank seines wahllosen Zugreifens mehr Gras und Erdbrocken als holde Flora.

"Du wühlst das ganze Erdreich auf! Lass wenigstens die Wurzeln drin..."

"Hm."

Diese halbherzig gebrummte Antwort wies dezent darauf hin, dass er ihr nicht zuhörte. Ino fragte sich, wie ausgerechnet so einer sich über weibliche Stimmungsschwankungen beschweren konnte.

"Hinata war seltsam.", versuchte sie es erneut. Vielleicht fand Shikamaru als Mann mehr Ungewöhnlichkeiten als sie an Hinatas Verhalten.

"Hm."

Das also war das Vokabular eines Ausnahmegenies. Verblüffend vielfältig.

"Glaubst du, Neji und Tenten haben sich schon wieder in die Haare gekriegt?"

"Hm."

"Meinst du, Ino findet Männer interessant, die weder wortgewandt noch charmant sind?"

"Hm."

"Nein, tut sie eben nicht!"

Shikamaru beachtete die Andeutung, falls sie ihm aufgefallen war, nicht. Er fuhr fort, Blumen samt Wurzeln auszureißen.

Ino beschloss, dass er ihre Konversation nicht wert war. Natürlich nicht. Er konnte all die komplizierten Gedankenverbindungen hinter ihren Worten gar nicht erkennen oder würdigen. Und sie würde ihm keine Ratschläge mehr geben, damit er vielleicht mal etwas über Blumen lernte. Sie würde einfach schweigen und er konnte nachdenken, woran das lag.

"Vorsichtig! Wenn du die Nelken so ausreißt, zerstörst du Staubgefäße und sie pflanzen sich nicht richtig fort. Finger weg, ich zeig' dir das."

Konnte sein, dass Shikamaru Recht hatte. Sie konnte einfach nicht dauerhaft die Klappe halten.

Also warf sie ihren Vorsatz wieder über den Haufen und überschüttete ihn zur Strafe für diese Einsicht mit einem Schwall expliziter Erklärungen über Nutzen und Risiken bestimmter Pflanzen. Ino war nicht optimistisch genug, um in Erwägung zu ziehen, dass er ihr seine geschätzte Aufmerksamkeit schenkte. Möglicherweise hatte sie in den letzten Tagen nicht so viel geredet wie sonst und musste das jetzt abbauen, oder ihre gekränkte Eitelkeit wollte ihm beweisen, dass sie unter ihrem sorgfältig gepflegten Haar noch mehr als Tratsch und Kosmetik hatte. Oder sie genoss es bloß, dass sie etwas erzählen konnte, ohne sich um ihre Reputation sorgen zu müssen.

"... was wichtig ist, wenn man Lavendel benutzt. Die Duftnote ist so stark, dass sie im Übermaß zu Kopfschmerzen und Schwindel führen kann, im Extremfall-"

Seine Hand schnitt ihr das Wort zu plötzlich ab, dass sie ein paar geschlagene Sekunden verblüfft war, wie er sich so schnell hatte bewegen können. Seine Handfläche war feucht und erdverschmiert, das fiel ihr als nächstes auf und erbaute sie nicht sonderlich. Er tat es schon wieder, nicht zu fassen... Ihre Finger krümmten sich zu Klauen, bereit, ihm wie beim letzten Mal den Unterarm zu zerkratzen. Besser, sie trieb ihm diese Frechheit aus, bevor sie in die Zivilisation zurückkehrten und er das beibehielt.

Die Lücke in diesem Plan – Shikamaru besaß zwei Arme, und davon hatte er erst einen verbraucht. Ohne den Kopf zu ihr zu drehen, schlang er den unbenutzten Arm um ihre Taille und drückte ihre eigenen zurück an ihre Seite. Im Kräftemessen war sie ihm unterlegen.

Was auch immer ihn so fesselte, er verdeckte ihr die Sicht. Ganz zu schweigen von der Dreistigkeit, sie so zu behandeln. Ino ging ihre Handlungsoptionen durch. Sie konnte ihn beißen, allerdings war das nicht ganz unproblematisch, zudem hatte sie keine Lust, Erde zwischen den Zähnen zu haben. Sie konnte versuchen, sein Kinn mit ihrem Kopf zu treffen oder einen ihrer Ellbogen aus seinem Griff winden. Wenn er nur nicht so stark gewesen wäre...

Regungslos wartete sie ab, während Gras ihre Knie kitzelte und ihr Herz ungerührt ein Crescendo schlug. Sie war aus der Unerfahrenheit heraus, was das bedeutete. Großartig, das musste ausgerechnet ihr passieren. Und ausgerechnet jetzt, ein paar Stunden nach einer niederschmetternden Predigt ihres Vaters, der auf diese pubertäre Reaktion gewartet hatte, seit einer von Shikatos blöden Hirschen ihr im Kleinkindalter in den Finger gebissen hatte und sie heulend deklamiert hatte, nie wieder einen Fuß auf diese unseligen Weiden zu setzen. Ihr Vater, der allen Ernstes glaubte, sie wüsste nicht, dass er seit Jahren darauf zuredete, sie möge sich Sasuke aus dem Kopf schlagen und spätestens mit achtzehn heiraten – und zuvorkommend, wie ein liebender Vater es nun mal war, hatte er einen engeren Kreis um Team zehn gezogen. Witzig, vor allem, wenn sie daran dachte, was sein Hauptargument war – sie könnte sich einen aussuchen, waren ja zwei.

Es gab Männer, die Dates nicht als lästige Formalität betrachteten und für jeden spontanen Scherz zu haben waren, aber auf solche war sie wohl nicht zugeschnitten. Ansonsten fühlte sie sich nicht gerade anders als zum Beginn des Campings. Was hoffentlich nicht hieß, dass ihr Unterbewusstsein das alles geplant hatte. Oder wer sonst.

Manchmal hatte sie den Verdacht, dass sie sich genau wie Sakura eine innere Stimme zugelegt hatte, ohne das selbst zu merken.

Sie hatte sicherlich irgendetwas Hübsches um Anziehen für heute Abend dabei. Denn was Hinata modetechnisch konnte, konnte sie schon lange. Und irgendwer musste Shikamaru ablenken, irgendjemand musste ihr zuhören.

Irgendjemand musste für sie da sein.

Shikamarus Hand über ihrem Mund lockerte sich, gleichzeitig spannten sich seine Beinmuskeln. Ino spähte an ihm vorbei. Ihr Blick blieb an dem braunen Fell am Waldrand hängen. Es schimmerte seidig in der Sonne, andernfalls hätte man es nicht bemerkt.

Die Hirschkuh hob den Kopf, ihre großen Ohren zuckten. Sie schien nicht sicher, in welchem Grad ihr Menschen auf diese Entfernung gefährlich werden konnten. Dass sie nicht sofort das Weite suchte und Shikamaru offensichtlich daran lag, dass das so blieb, ließ Ino schließen, dass es sich hier um einen Ausreißer handelte. Der Nara-Clan verwendete keine Brandzeichen, um ihre Tiere zu kennzeichnen, dafür besaßen sie das Monopol für Reh- und Hirschzucht.

Ino wusste genau, was sie zu tun hatte. Sie stieß einen Schrei aus, bei dem Schwärme von Vögeln erschrocken zwitschernd aufstoben. Die Hirschkuh drehte sich um und sprengte blitzschnell in den Wald. Shikamaru starrte erst das raschelnde Gebüsch, dann Ino an. Dabei rieb er sich geistesabwesend sein rechtes Ohr, das die volle Wucht des Getöses abbekommen hatte.

"Bist du wahnsinnig?! Warum hast du sie verscheucht?!"

Ino verschränkte selbstzufrieden die Arme und stand auf.

"So behandelt man kein Mädchen."

Shikamaru brachte lediglich ein unartikuliertes 'Hä?!' heraus und blickte mit einer Mischung aus Irritation und Ärger zu ihr hoch. Ino wischte sich sorgfältig das Gesicht ab und richtete ihr Haar, falls dieser Tag beabsichtigte, sich zu einem Bad-Hair-Day zu entwickeln.

"Du hast mich ignoriert, deshalb brauchtest du einen Denkzettel."

Sie sagte das so, als sei das ein absolut logischer Schluss. Shikamaru rieb sich stöhnend die Augen. Sie hatte einen Sprung in der Schüssel, er hatte es immer gewusst. Choji würde ihm nie und nimmer glauben, wenn er das erzählte.

Und sie war noch nicht fertig.

"So. Gehen wir jetzt auf die Suche nach dem Vieh?"

Ino hielt ihm die Hand hin, mit dieser Art Vorfreude, als würden sie Ostereier suchen gehen und kein lebendiges Wesen.

"Hast du überhaupt irgendeine Ahnung, wie weit eine gesunde Hirschkuh bei einem Geräusch dieser Lautstärke läuft, bis sie sich wieder einigermaßen sicher fühlt?", fragte er bedächtig. Ino grinste.

"Nein, dafür bist du da. Ich habe zufällig die Ahnung, wie man eine gesunde Hirschkuh anlocken kann. Hat sie eigentlich einen Namen?"

Shikamaru hatte nicht mehr den Eindruck, tatsächlich mit einer zurechnungsfähigen Kunoichi zu reden.

"Du willst sie nicht wirklich... rufen?"

"Nein, dafür bist auch du da. Du suchst sie, ich locke sie an, du rufst. So weit klar?"

Und jetzt hatte er den unerschütterlichen Eindruck, dass sie sowohl seine als auch die Intelligenz eines Paarhufers unterschätzte.

"Ino, das ist kein Streichelzoo hier. Du kannst ihr nicht etwas Popcorn hinhalten und erwarten-"

"Wer redet von Popcorn?!"

Schleichend drängte sich ihm der weitere Eindruck auf, dass sie kein Wort von dem verstand, was er zu vermitteln versuchte.

"Wir können außerdem sowieso nicht zu den Zelten zurück, da stören wir Hinata und Naruto. Deshalb suchen wir dieses Vieh. Hättest du mir zugehört, hättest du übrigens mitbekommen, mit welchen Pflanzen man als Normalsterblicher ein Reh anlockt-"

"Hirschkuh."

"Meinetwegen, Hirschkuh. Und, willst du da Wurzeln schlagen?"

Seufzend ergriff Shikamaru ihre Hand und ließ sich hochziehen. Es war eine blöde Idee, soviel stand fest. Vielleicht wollte er nur herausfinden, mit welchem Wundermittel sie eine verschreckte Hirschkuh anzulocken gedachte. Oder er genoss es, sie mit niemandem teilen zu müssen, wie das in Konoha ständig der Fall war.

So unähnlich war sie ihm nicht.
 

Naruto beobachtete missmutig von seinem Aussichtspunkt die Landschaft unter sich. Keine Spur von den anderen. Er hatte nicht gedacht, dass er Nejis Kontrollmanie oder Inos Planungsdrang mal herbeisehnen würde, doch das war offensichtlich der Fall.

Er war auf diesen Baum geklettert, nach allen Regeln der Kunst. Das hätte nicht mal Meister Kakashi besser hinbekommen, und Sasuke eh nicht. Und Hinata hatte auf dem Boden gestanden und höflichen Applaus gespendet. Applaus. In den letzten Tagen hatte er das Gefühl gehabt, mit Hinata könnte man Spaß haben. Sie war nicht so zickig wie andere Mädchen, sie nahm nicht jeden Streich gleich übel, und anders als Sakura hatte sie ihn noch nie verdroschen. Und dann war sie noch hübsch. Eine Traumfrau. Bis gestern jedenfalls. Denn nun hatte sie eine wundersame Verwandlung durchgemacht, und das nicht gerade zu ihrer Verbesserung.

Momentan war sie in ihrem Zelt verschwunden, und er roch den Rauch eines Holzfeuers. Soviel zu nassem Holz. Witzig, Ino.

Er ließ seinen Blick noch mal über den Wald schweifen. Vorhin war ein ganzer Schwarm Vögel aufgeflattert, ansonsten regte sich nichts. Die Hoffnung, dass irgendjemand so bald zurückkehrte, schwand stetig. Tenten hatte Neji das ganze Frühstück schon so komisch zugezwinkert, als wäre da etwas vorgefallen – vermutlich war etwas vorgefallen, denn Tenten zwinkerte nie – und Inos Erklärung mit dem 'Blümchen sammeln' klang sowieso reichlich windig. Er hatte überhaupt nicht wissen wollen, wie viele Kerle außer Sasuke mit Frauen zurechtkamen. Nur er, er war gestraft...

"Essen ist fertig!"

Das wollte jeder Mann von seiner Freundin hören, richtig? Toll, er nicht. Abgesehen davon, dass Hinata nicht seine Freundin war, er mochte seinen Alltag mit Instant-Nudelsuppe gerne, und er hatte auch die frühere Hinata lieber gemocht. Die Hinata, die zwar vor Schreck aufschrie, wenn man an der Decke hing und ihre Stirn berührte (bezogen auf eine Szene in einer japanischen Folge), doch nie richtig böse wurde und sich nicht in Dinge hineinsteigerte.

Mürrisch quälte er sich von seinem Aussichtsplatz. Er hoffte entgegen aller Vernunft, eine Wolke weißen Qualms möge sie einhüllen, und Tenten sprang daraus hervor und schrie: 'Geschieht dir recht, Spanner!'. Nicht zu vergessen, dass sie danach die echte Hinata aus der Tasche zaubern sollte.

Er hielt Ausschau nach Hinatas unscheinbar gefärbter Gestalt. Der Geruch nach Feuer war nach wie vor da, nur hatte er etwas Unterschwelliges bekommen. Es erinnerte ihn entfernt an den Ichiraku, allerdings eher sehr, sehr entfernt. Naruto sog prüfend die Luft ein. Wenn ihm bloß einfiele, woher er das kannte...

Diesmal war es an ihm, beinahe einen Herzstillstand zu bekommen, als jemand ihm von hinten auf die Schulter tippte. Er fuhr zusammen und wirbelte herum.

Jesus Maria!
 

... Nein, Naruto ist nicht sehr religiös, ich hätte auch 'Holla, die Waldfee' schreiben können, aber die Waldfeen sind schon anderweitig belegt.

'Erste zaghafte Ausflüge in die Wunder der Pubertät'

Das ist ein eher kurzes Kapitel, aber das Update musste mal sein.
 

Wenn man einen überlegenen Verstand besaß, sollte man ihn zur Abwechselung mal benutzen. Shikamaru kam sich vor wie in einem schlechten Dschungelfilm – er war der dämliche Ranger im Safari-Look und den riesigen Buschmessern, und Ino war die Diva im langen Kleid, das überall hängen blieb und die sich über alles beschwerte. Gut, die Kleidung stimmte nicht, das mit dem Hängen Bleiben erledigte ihr Haar. Aber das war alles.

"Jetzt sag mir endlich, wie sie heißt!"

"Dank dir habe ich sie vielleicht ein paar Sekunden lang gesehen. Das reicht nicht zur Identifikation."

"Darf ich mir dann einen neuen Namen für sie ausdenken?"

Shikamaru gab es auf, ihr die rationalen Gegenargumente aufzuzählen. Solange sie nicht das erwartete 'Ja' hörte, würde sie ihre Ohren auf Durchzug stellen. Außerdem gab sie ihm nicht mal die Zeit, seine Zustimmung zu geben.

"Gut, wie nennen wir sie? Wie wär's mit 'Blümchen'?"

Shikamaru warf ihr einen ehrlich gepeinigten Blick zu, der sie quasi anflehte, ihren 'blonden Modus', wie Sakura es betitelt hatte, abzustellen. Es bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen, daran zu denken, was sich daraus entwickeln konnte, wenn Ino der Hirschkuh einen Namen gab.

Sie würde das Vieh besuchen kommen.

Sie würde seine Mutter treffen.

Seine Mutter würde ihm keine einzige ruhige Stunde mehr gönnen, bis... Das überstieg seine Alptraumgrenze.

Ino entging sein rapid erbleichtes Gesicht nicht, doch anscheinend reichte ihr das nicht, um ihre seichte Unterhaltung zu beenden.

"Hast ja Recht, das ist zu allgemein. Was wäre denn mal... Alpenveilchen? Wie klingt das?"

"Grässlich."

"Kuckucksnelke?"

"Schauderhaft."

"Myrtenkranz?"

"Was soll... Nein."

War das eine Andeutung? Er mochte nicht allzu viel davon verstehen, aber jedes weibliche Mitglied des Yamanaka-Clans heiratete mit einem Myrtenkranz auf dem Kopf. Shikamaru gab sich Mühe, das Szenario zu übergehen.

"Wenn du so weitermachst, wird das nichts. So... Pfirsichblüte! Sie heißt jetzt Pfirsichblüte!"

Nicht der Hauptgewinn, allerdings besser als 'Blümchen'. Shikamaru vergrub seine Hände in den Hosentaschen und folgte Ino missmutig weiter durch das unwegsame Gelände. Hoffentlich gab es noch einen Platzregen, denn die Chancen, die Hirschkuh hier irgendwo zu finden, waren verschwindend gering. Und da Ino das nicht einsah, würden sie hier stundenlang sinnlos durchs Gebüsch kriechen, bis Fräulein Yamanaka entschied, dass sie genug hatte.

"Ooh! Ich hab eine Spur gefunden, komm schnell!"

Und das sagte sie mit der Mischung aus Aufregung und Zärtlichkeit, als wäre sie soeben auf ein verlassenes Hundewelpen gestoßen. Shikamaru schlug unwirsch ein Büschel Farnwedel zur Seite und stapfte zu dem Ort, an dem Ino mit stolzgeschwellter Brust – nicht wörtlich, er war schließlich ein anständiger Junge – auf dem weichen Moosteppich kniete.

Sämtliche Glücksgötter hatten sich wohl gegen ihn verschworen. Er hätte jede Wette gemacht, dass die Spur falsch oder alt war, doch nach kurzer Überprüfung musste er erkennen, dass sie tatsächlich frisch war und von einem ausgewachsenen Tier stammte. Zudem hatte die spezielle Züchtung seines Vaters eine rundere, trittsicherere Hufform inne. Was hieß, dass Shikato viel Zeit und Arbeit investiert hatte und dieses Tier entsprechend wertvoll war. Er musste es wirklich einfangen.

Das junge Moos zeigte zudem, dass er den Schreck des Tieres wahrscheinlich überschätzt oder dessen Zutraulichkeit unterschätzt hatte. Der Abdruck war nicht tief, dementsprechend langsam war es gelaufen. Und ganz in der Nähe hatte es ein paar Flechten abgerupft.

Diesmal war Shikamaru umsichtiger dabei, Ino zu warnen. Er drückte einen Finger auf die Lippen, und das Mädchen reckte suchend den Kopf. Sie durften den Ausreißer nicht verlieren, deshalb war es besser, sich zu trennen. So wenig ratsam er wirkte, er musste sich auf Ino verlassen, so wie Asuma es ihnen seit Jahren gepredigt hatte.

Ino beobachtete ihn ohne Heiterkeitsausbrüche, wie er sich auf alle Viere niederließ und so leise wie möglich durchs Farndickicht robbte. Dann machte sie sich mit überraschender Ernsthaftigkeit – als er über die Schulter blickte, hatte sie die Stirn konzentriert gerunzelt und bewegte sich vorsichtig, obwohl der feuchte Boden sie verdreckte und ihr offenes Haar ständig in den Wedeln hängen blieb – daran, ihn nachzuahmen.

Und gleich darauf traf ihn eine Haselnuss am Hinterkopf. Die Glücksgötter waren ihm weiterhin nicht gnädig, dafür schienen sie zu Ino gesteigerte Zuneigung gefasst zu haben, denn das Mädchen hatte die Hirschkuh auf Anhieb entdeckt. Na gut, das ersparte die Kriecherei.

Ino kauerte sich zusammen und deutete auf einen samtbraunen Schemen einige Meter entfernt. Die Hirschkuh hatte sie noch nicht bemerkt. Als Shikamaru Inos Versteck erreichte, stupste sie ihn auffordernd an und formte einen Trichter um ihren Mund. Zum Glück – dem bisschen Glück, das er hatte – rief sie nichts. Nein, sie erwartete, dass er das tat. Du suchst sie, ich locke sie an, du rufst. Das waren ihre Worte gewesen.

Wenn er nicht rief, würde sie es tun. Und seine Stimme kannte das Tier wenigstens.

"Äh... Pfirsichblüte."

Ino rammte ihm unsanft den Ellbogen in die Seite. Nicht laut genug, sagte die Geste sehr deutlich.

"Pfirsichblüte!"

Die Hirschkuh hob den Kopf und drehte ihre großen Ohren lauschend in ihre Richtung. Ino öffnete ihre Faust, in der sie einige recht zerdrückte Pflanzen hielt, und erhob sich langsam. Dabei schnalzte sie sacht mit der Zunge, wie um ein Pferd anzulocken.

"Ruf noch mal. Und bleib unten.", raunte sie. Shikamaru hatte bereits erkannt, dass die Situation nicht mehr zu wenden war und Ino jetzt in der Tat ihre Geschicke hielt. Also rief er wieder.

Die Regungslosigkeit der Hirschkuh war nervenaufreibend. Sie hatte die Ohren inzwischen misstrauisch nach hinten gelegt. Shikamaru atmete fast hörbar aus, als sie einen zögerlichen Schritt machte. Ino bewegte sich im exakt gleichen Maß von ihm weg, die Hand ein wenig ausgestreckt. Er hatte nicht bemerkt, wie sie etwas gepflückt hatte, und darum kommentierte eine boshafte Stimme in seinem Kopf, er solle tatsächlich mal etwas Vertrauen haben. Die Dame war immerhin Chu-nin.

"Ooh, sie leckt mir die Hand! Guck mal, schnell!"

Chu-nin im Streichelzoo, ja. Ino ließ sich begeistert quietschend die Handfläche ablecken, während sie mit der anderen vorsichtig das glatte Fell an dem schlanken Hals von 'Pfirsichblüte' streichelte. In der Tat ein Streichelzoo.

Shikamaru erhob sich aus dem Farn, vielleicht etwas zu rasch, denn die Hirschkuh machte einen erschrockenen Sprung rückwärts. Ino redete sofort auf sie ein und gurrte wie bei einem kleinen Kind.

"Na, wer wird denn gleich weglaufen? Das ist Shikamaru, keine Angst. Was bist du für ein süßes Ding, und so schöne Augen..."

Sie kraulte Pfirsichblüte liebevoll hinter den Ohren und an der Kehle. Ein halb wildes Tier war diese Art von Behandlung zweifellos nicht gewohnt, doch anscheinend hatte das Zeug, womit Ino es gefüttert hatte, großen Eindruck gemacht, denn Pfirsichblüte schnüffelte äußerst interessiert an Inos Kleidung und ihren Haaren.

"Erinnerst du dich noch, als der Lieblingsbulle meines Vaters dir in den Finger gebissen hat?", fragte Shikamaru mit einer gewissen süffisanten Belustigung. Ino drückte Pfirsichblütes Schnauze zur Seite, als diese das duftende blonde Haar näher inspizierte, und schob schmollend die Unterlippe vor.

"Das war was Anderes, du bist ja bloß eifersüchtig. Na komm, du darfst sie auch mal streicheln."

Shikamaru rollte mit den Augen. Er war mit diesen Tieren aufgewachsen, er brauchte nicht die Erlaubnis eines Mädchens, das die vorgeschriebenen Stunden in der Natur vor dem Spiegel verbrachte...

Ino hatte den Gedanken offenbar erraten. Sie packte seine Hand und legte seine Finger auf die warme Kruppe der Hirschkuh.

"Zwischen den Schulterblättern. Kraul' sie da, genau. Perfekt."

Sie lächelte und ließ seine Hand los. Eines Tages würde sie wohl aus der Zucht der Naras einen Zoo machen und Kinder hindurchführen.

Wenn er sie heiratete. Woran er nicht denken wollte, aber irgendwie kehrte der Gedanke ständig wieder.

"Hey, Shikamaru... Wie lange hast du noch dienstfrei?"

Shikamaru schnaubte ironisch und klopfte Pfirsichblüte auf die Flanke. Die Hirschkuh hatte inzwischen begonnen zu grasen, was Ino ihre Beschäftigung nahm. Vermutlich der Grund, warum sie plötzlich mit ihm reden wollte.

Nun ja. Sie redete schon den ganzen Morgen mit ihm.

"Ich habe überhaupt nicht frei. Sobald ich einen Fuß ins Dorf setze, zerreißt mich die Hokage in der Luft."

"Mach keinen Scherz."

"Es gibt Gründe, warum Dienst in ihrer Nähe gleichbedeutend mit Leibeigenschaft ist."

Trotz dem Unterton trockenen Humors klang der Satz nicht so recht nach Witz. Ino wischte sich beiläufig Erde von ihren Knien. Sie bot kein besonders elegantes Bild: ihr Haar war feucht und stand ab, an Händen und Knien klebte Schmutz, und ihre Sandalen hatten bessere Tage erlebt. Und dennoch gelang es ihr mit ihrem mitgenommenen Äußeren, selbstsicher und eindrucksvoll aufzutreten. Faszinierend.

"Hast du nie Angst, dass dir etwas zustößt?"

"Pausenlos..."

Sie boxte ihn mahnend in den Oberarm und stupste Pfirsichblüte an.

"Idiot. Los, wir bringen Pfirsichblüte ins Lager."
 

Bei so vielen Verwechselungen, wie es in diesen wenigen Tagen schon gegeben hatte, hätte es Naruto nicht gewundert, wenn schon wieder eine vorlag. Sein Gehirn konnte das Bild überhaupt nicht einordnen.

Hinata stand kerzengerade, ohne das geringste Zeichen von Nervosität. Ihre Füße waren bloß und schienen das Gras kaum zu berühren. Nicht mal das fahle Licht des missratenen Wetters konnte ihren Auftritt ruinieren, das hämatitdunkle Bustierkleid schmiegte sich an ihre Konturen wie eine zweite Haut. Ein schwacher Windstoß bewegte den Saum, der eine gute Handbreit über ihren Knien endete, verheißungsvoll. Bordeauxfarbener Tüll umhüllte ihre Schultern und den Rückenausschnitt, allerdings nicht genug, um einen lindernden Effekt herzustellen. Der Stich Rot verlieh Hinatas hellem Teint mehr Augenmerk und brachte ihre zierliche Form unnachahmlich zur Geltung.

Naruto hatte nicht geglaubt, irgendeinem Mädchen, nicht mal Ino, könnte es stehen, sich die Lippen dunkelrot zu schminken. Und er wurde soeben eines Besseren belehrt. Ohne Rouge, nur mit ihrem herzförmigen Mund, den glitzernden Augen und dem blauschwarzen Haar, bot Hinata Hyuga den raffiniertesten Anblick, den er je meinte, gesehen zu haben. Hinata hatte beide ihrer längeren Strähnen mit gläsernen Schmetterlingshaarspangen hinter den Ohren befestigt, sodass sich ihre Mimik nicht dahinter verbergen konnte.

Sollte Jiraiya das jemals zu Gesicht bekommen, dann... Sollte er nicht, entschied Naruto mit einem Anflug von Egoismus.

Hinata verweilte einen Moment länger in ihrer Pose, bevor sie wortlos Kehrt machte und zurück zum Lager marschierte. Naruto folgte ihr in sicherer Distanz.

Schon klar, das war Hinata. Nicht so klar, was war in sie gefahren? Das war nicht Inos Werk – sonst hätte er spätestens jetzt ihr unerträgliches 'Uzumaki!' gehört, weil er zu viel Abstand ließ – und erstrecht nicht Tentens oder Shikamarus. Neji hatte zwar den weiblichen Touch, zumindest Narutos Meinung nach, doch er hätte diesen Aufzug nie toleriert.

Das war... noch unheimlicher als am Morgen. Erst der Blickkontakt, dann diese Altes-Ehepaar-Manie und jetzt dieses Kleid.

Verspätet fiel Naruto auf, dass sie gar nicht zurück ins Lager gingen. Stattdessen hatte Hinata entfernt einen Platz am Bach gefunden – Naruto entging dabei, dass rosafarbene Glitzerpartikel im Gras klebten, und die Episode mit Shikamaru der Discokugel fiel ihm gerade nicht ein – und an einer halbwegs ebenen Stelle ein blütenweißes Tuch gebreitet, und ein Dampf ausstoßender, stählerner Kochtopf stand darauf. Gedeckt war nur für eine Person. Hinata ließ sich graziös gegenüber ebendieses Gedecks nieder und beugte so lange den Kopf, bis Naruto sich ebenfalls setzte.

"Äh... Hinata? Alles in Ordnung... und so?"

Hinata hielt den Kopf geneigt und goss Tee ein.

Tee. Naruto hasste Tee, und welcher Teenager trank bei einem romantischen Candlelightdinner Tee?! Eben – keiner. Und trotz seines unwiderstehlichen Charmes hatten es alle Kerle außer ihm – es half seinem Selbstbewusstsein nicht im geringsten, dass es nur zwei waren – geschafft, sich jeweils ein hübsches Mädchen zu schnappen und sich damit in die Büsche zu schlagen. Na toll.

Zu allem Überfluss fing er an, sich mächtig verarscht vorzukommen. Wozu dieser ganze Aufwand, wenn sie bloß wieder höflich lächelnd und andächtig lauschend dasaß und... Tee trank?! Das erhöhte sein Frustrationslevel enorm, und er war nicht sicher... ob er diesen Abend in nobler Zurückhaltung überstehen würde, ohne dieser Frustration Luft zu machen.

"Möchtest du etwas essen?"

Naruto nickte mechanisch. Daraufhin nahm Hinata den Deckel des Kochtopfs ab und rührte mit konzentrierter Miene darin herum. Der unterschwellig bekannte Geruch verstärkte sich... Nudelsuppe?

Hinata reichte ihm mit gesenktem Kopf eine dampfende Schale, wobei sie anscheinend genauestens darauf achtete, dass ihre Finger sich nicht berührten.

Bildlich gesprochen riss Narutos dünner Geduldsfaden und schnellte zurück wie ein Gummiband.
 

"Wo sind denn alle?! Und... warum riecht es hier so komisch nach Geschmacksverstärkern und synthetisch ungesättigten Fettsäuren?"

Dafür, dass Ino den Nachmittag über so verhältnismäßig pflegeleicht gewesen war, schien sie sich rächen zu wollen. Jedenfalls forderte sie wieder das übliche überhöhte Maß an Aufmerksamkeit, stellte Shikamaru trocken fest.

"Ich weiß nicht, wie du auf die Gerüche kommst, aber wir sind nicht allein..."

Ino drehte sich zu ihm um. Trotz des heute nicht ganz so eindrucksvollen Sonnenuntergangs glänzte ihr Gesicht rötlich.

"Wärst du denn gern mit mir allein?"

"Hab ich das gesagt?"

Ino machte eine wegwerfende Geste.

"Wann wirst du endlich lernen, zwischen den Zeilen zu hören? Oh, tatsächlich, da ist Licht!"

Offenbar schon gelangweilt von dem kurzen Flirt, zeigte sie auf den schwachen, flackernden Lichtschein hinter einer der Zeltwände.

"Los, wir geben ihnen Bescheid – Abendessen."

Ohne auf seine Zustimmung zu warten, marschierte sie los, und Shikamaru blieb nichts Anderes übrig, als ihr zu folgen.

"Ist vielleicht keine so gute Idee-"

"Und du sagst, ich würde mit den Diäten übertreiben!"

Shikamaru rollte mit den Augen.

"Das meinte ich nicht, aber ist dir nie der Gedanke gekommen, dass-"

Wohl nicht, denn Ino riss den dünnen Zeltvorhang einfach zur Seite, wodurch die von ihr platzierte Kerze noch mehr ins Zucken geriet und erlosch, als Shikamaru sie verspätet am Arm zurückzog.

Wirklich verspätet, denn Neji legte eine komplette Seitwärtsrolle hin, während Tenten sich hastig aufsetzte und nach ihrer Waffentasche griff. Nun ja, Shikamaru kannte den Winkelzug, militärische Alarmbereitschaft vorzutäuschen, um ein 'in-flagranti-Erlebnis' zu verdecken, bereits von Asuma.

Ino war so lange sprachlos, dass Tenten nervös ihr Oberteil zurechtzupfte und Neji sich gründlich mit dem Handrücken über den Mund wischte.

"So... ihr-"

"Wir sind inmitten einer gehaltvollen Diskussion über... über..."

Tenten warf Neji im Halbdunkel des Zelts einen hilfesuchenden Blick zu, und er fügte hinzu: "Kinesiologie."

Shikamaru konnte sich rühmen, einer von vermutlich Hunderten von Menschen gewesen zu sein, die es nicht für möglich hielten, Neji Hyuga könnte je eine derart plumpe Lüge gebrauchen, um zu vertuschen, dass er sich in einer intimen Situation mit seiner Teamkameradin befunden hatte und sein geschätztes T-Shirt nicht länger die Gnade erfuhr, seinen Torso zu zieren. Wenn alle seine Überzeugungen so schnell über den Haufen geworfen wurden, konnte der Tag des Jüngsten Gerichts nicht mehr fern sein.

"Und, was gibt es da zu diskutieren?", fragte er süffisant und erntete zwei vernichtende Blicke.

"Jede Menge.", behauptete Tenten brüsk. Shikamaru war drauf und dran, sie auf diese Aussage festzunageln, als Neji das mit einer Eiseskälte, die Sasuke alle Ehre gemacht hätte, im Keim erstickte: "Ist irgendetwas?"

Shikamaru grinste.

"Jede Menge. Aber ihr wollt wahrscheinlich weitermachen, deshalb-"

Ino trat ihm mit der Ferse ihrer Sandale auf die Zehen und schnaubte zufrieden, als er schmerzerfüllt zusammenzuckte.

"Falls ihr Hunger bekommt – Liebe geht durch den Magen, Tenten – könnt ihr euer Abendessen auch mit ins Zelt nehmen..."

Tentens karamellfarbene Wangen färbten sich kupferrot.

"Danke."

Nejis Tonfall war nicht im mindesten freundlicher geworden. Shikamaru runzelte in übertriebener Nachdenklichkeit die Stirn.

"Und Hinata-"

"Tja, wir verschwinden dann mal, gute... Nacht!"

Ino war ihm schon wieder auf den Fuß getreten und nutzte sein schwankendes Gleichgewicht, um ihn vom Zelteingang wegzuzerren und selben hastig zu schließen. Daraufhin entfernten sie sich.

"Das hätten wir also ruiniert.", kommentierte sie niedergeschlagen. Shikamaru vergrub die Hände in den Taschen und verdrehte erneut ironisch die Augen.

"Blödsinn. Hast du den Ausdruck in Nejis Augen gesehen? Das geht so weiter, und zwar die ganze Nacht – stille Wasser sind tief und ausgesprochen ausdauernd-"

"Shikamaru!"

Er zuckte mit den Schultern, während Ino ihn vorwurfsvoll, und vielleicht auch peinlich berührt, anstarrte.

"Und ich dachte, ihr Mädchen redet ständig über so was."

Ino rammte ihm zur Strafe den Ellbogen in die Rippen. Wenn sie ehrlich war, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Shikamaru Recht hatte. Es mochte sein, dass Tentens Mutter einen etwas lockereren Lebensstil hatte, doch Tenten selbst war anders. Und Neji war erzkonservativ aufgewachsen, keine Chance also.

"Das nennt man 'erste zaghafte Ausflüge in die Wunder der Pubertät', von wegen 'die ganze Nacht durch'. Du bist pervers, Shikamaru Nara."

"Aber du, ja? Du hast Aromakerzen mit dem Namen 'Sinnlicher Zauber der Dunkelheit' aufgestellt."

Diesmal errötete Ino feuermelderrot. Obwohl die Lichtverhältnisse schlechter wurden, konnte Shikamaru erkennen, dass sich ihre Ohren dadurch von ihrem blonden Haar deutlicher abhoben. Eine durchaus niedliche Regung.

"Woher kennst du die?! Das sind Sonderanfertigungen von-"

"Deiner Mutter, ich weiß. Es geht dich zwar nichts an, aber meine eigene lästige Mutter benutzt sie hin und wieder. Und da ich nicht pervers bin, werde ich dir nicht erklären, wozu."

Ino verzog das Gesicht.

"Danke. Ich nehme an, Naruto und Hinata sind ebenso in ein Gespräch über Kinesiologie vertieft?"

Sie wartete nicht auf seine Erwiderung und fuhr fort: "Dann lass uns so tun, als würden wir das auch – ich hab keine Lust, als Loserin abgestempelt zu werden, nur weil der Rest der Welt einen Kerl hat und ich nicht."

Shikamaru seufzte schwer. Es konnte so frustrierend sein, sie zu hören – dasselbe dachte sich gerade Naruto.

"Wieso ist dir so wichtig, was der Rest der Welt denkt?"

Die Frage hatte er schon öfter gestellt, deshalb war Ino mäßig genervt davon.

"Weil nicht jeder einen Intelligenzquotient von über 200 hat und es deshalb irgendwie anders gebacken kriegen muss, dass andere ihn respektieren. Kannst du mir folgen?"

Die Antwort hatte er jedenfalls noch nicht öfter bekommen. Eigentlich noch nie. Gut, er hatte mitbekommen, dass seine mentale Überlegenheit bei ihr Komplexe verursachte, doch von einer so selbstbewussten Persönlichkeit erwartete man nicht, dass sie Angst vor Verachtung hatte.

Dasselbe schien ihr gerade aufgefallen zu sein.

"Ich sag dir was: wenn ich je dich heiraten muss, sind die Kinder bestimmt das non plus ultra."

Shikamaru zuckte allein bei dem Gedanken daran zusammen. Lauter kleine Inos, die Kraft ihrer Gene ganz Konoha unterwarfen...

"Du guckst, als wäre das was Schlimmes."

Ino musterte ihn scharf und verschränkte die Arme vor der Brust. Aus Gewohnheit folgte Shikamaru mit den Augen ihren Bewegungen, was sie mit einem ärgerlichen Räuspern quittierte.

"Ich geh jetzt was essen."

Sie stolzierte hoch erhobenen Hauptes davon, und in ebendiesem Haupt ging sinngemäß dasselbe vor wie in Shikamarus.

Du kannst was erleben.
 

"Okay, das war peinlich."

Tenten wartete mit dieser Aussage beinahe eine Minute, in der sie sicherging, dass Shikamaru und Ino außer Hörweite waren. Solange verharrten Neji und sie in verlegenem Schweigen.

"In der Tat."

Neji hustete, um den rauen Unterton aus seiner Stimme zu bekommen. Er konnte nicht gerade behaupten, dass er irgendetwas von dem hier geplant hatte – sie hatten das verstreute Feuerholz aufgesammelt, waren zurückgekommen, Tenten hatte seinen Sonnenbrand noch mal inspiziert, und tja. Was folgte, hätte man tatsächlich treffend als 'erste zaghafte Ausflüge in die Wunder der Pubertät' bezeichnen können, wenn Neji das nicht zu sehr nach hormonbesessenen Teenagern geklungen hätte.

Nun, sie waren leider Gottes hormonbesessene Teenager, sonst hätte er sich sein T-Shirt schnell übergeworfen und wäre schnurstracks nach draußen verschwunden, um zu meditieren, wie er es sonst getan hatte, wenn seine Hormone ihn um die Ruhe brachten.

Tenten riss ein Streichholz an und entzündete die Kerze wieder. Sie verbreitete ein durchdringendes Aroma nach Hibiskus (wahlweise Kornelkirsche), was, wie Neji trotz umfassender Bildung nicht wusste, Bestandteil eines Aphrodisiakums war.

"Ich werde das Wort 'Kinesiologie' aus meinem Wortschatz streichen müssen.", murmelte sie und setzte sich neben ihn, nachdem die Gefahr gebannt war.

Nejis Miene war angespannt. Tenten konnte sich sehr gut denken, dass er Hinata seine privaten Sünden lieber vorenthalten wollte, und ihrem Vater erstrecht. Sie würde also wohl oder übel Ino um Verschwiegenheit bitten müssen, obwohl ein Teil von ihr das absolut nicht als fair erachtete.

Der Teil mit der Selbstachtung, setzte sie zynisch hinzu.

Sie küsste Neji auf beide Mundwinkel – aus der kurzen Zeit, in der sie Erfahrungen gesammelt hatte, hatte sie herausgefunden, dass ihm das gefiel - um ihn von den Gedanken über sein persönliches Ansehen abzulenken. Er ließ sich darauf ein, und seine Arme suchten sich fast zögerlich den Weg zurück um ihre Taille und unter ihr unauffällig türkisblaues Oberteil aus dünnem Baumwollstoff.

Sie erhielt die Erlaubnis, ihre Hände in seinem Haar zu versenken, im Austausch für seine Lippen am Haaransatz oberhalb ihres Ohrs und rutschte ein Stück weit auf seinen Schoß. Der genannte Teil von ihr wünschte sich geradezu, Hinata würde in diesem Moment den Zeltvorhang öffnen wie vorhin Ino, und Neji damit in die kompromittierendste Situation seines Lebens bringen.

Es würde bei einem Ausflug bleiben, aber Shikamaru hatte trotzdem Recht – stille Wasser waren ausdauernd.

Und der gewisse Teil von ihr versuchte, den Rest und alle anderen davon zu überzeugen, dass sie keine Campingliaison war.

Klischee

Bei diesem Kapitel muss man mir einiges nachsehen, allem voran dass der größte Teil zwei Mal geschrieben werden musste. Geliebte moderne Technik.

Zudem neigt sich dieses Kultwerk langsam aber sicher seinem Ende zu - ich kann allerdings jetzt schon für ein Happy End garantieren.
 

"Was ist das überhaupt?!"

Hinatas glatte Miene verzog sich in gekränkter Verwirrung, offensichtlich bezog sie Narutos Ausruf auf den Topf mit dem... interessant gefärbten Gebräu.

"Nudelsuppe...?", erwiderte sie mit fragendem Unterton. Etwas, das Narutos Frustration nur noch höher trieb.

"Nein, nicht das, dieses... Gehabe! Das ist ja furchtbar, du benimmst dich wie eine alte Ehefrau!"

Was allerdings auch nicht ganz zutreffend war, wenn man ihren Aufzug beachtete. Hinata legte den Kopf schief.

"Ich werde bald eine sein."

Bei dieser Antwort hielt nur eines Naruto davon ab, den ganzen Wald entgültig zusammenzuschreien, und zwar, dass sich ein kaum merkliches Zittern in ihre Stimme eingeschlichen hatte.

"Was heißt 'bald'?", fragte er, obwohl die Antwort unangenehm leicht ersichtlich war. Hinata zuckte mit den straff gespannten Schultern, doch die Geste wirkte nicht halb so gleichgültig, wie sie gedacht war.

"Das erste miai findet am Anfang des nächsten Monats statt."

Naruto hatte keine Ahnung, was ein miai war, doch er vermutete, dass es unmittelbar mit der Hochzeit zusammenhing.

Es herrschte für eine Weile betretene Stille, nur der Topf mit Hinatas eigenartiger Nudelsuppe brodelte leise vor sich hin. Hinata starrte auf ihre gefalteten Hände und kam Naruto in dieser Position und dem neuen Kleid einmal mehr wie das Sinnbild eines Opferlamms vor.

Er lachte nervös.

"Und... dann musst du Neji oder so heiraten?"

Hinata fuhr sich beiläufig durchs Haar und betastete ihre Spangen. Ihr Unbehagen stand ihr ins Gesicht geschrieben.

"Vermutlich nicht, er gehört dem Nebenhaus an. Aber... es ist Sitte, dass der Bräutigam der Stammhalterin älter ist als sie."

Naruto war drauf und dran, Hinata darauf aufmerksam zu machen, dass Neji durchaus älter war als sie, als der Groschen fiel. Was nichts mit Begriffsstutzigkeit zu tun hatte, sondern mit Unverständnis über eine derart chauvinistische Sitte.

"Du musst irgendeinen alten Sack heiraten?! Das ist... echt widerlich!"

"Ich habe noch... etwas Zeit, bis ich volljährig bin."

Es klang, als wollte Hinata die Absichten ihres Vaters verteidigen. Genau wie zuvor, als sie es für einen Frevel erklärt hatte, über irgendeinen Angehörigen ihres Clans zu lachen. Und Naruto brachte dafür nicht das geringste Verständnis auf, er dachte gar nicht daran!

"Ist ja großzügig, was darfst du denn sonst noch entscheiden?! Welche Farbe deine Unterwäsche für die Hochzeitsnacht hat?!"

Hinata errötete heftig, als er sich darüber aufregte, allerdings nur halb wegen dem Gesagten. Ach ja, Unterwäsche... Die hatte sie auf ihrem kleinen Ausflug nach Konoha auch gekauft, und zwar nicht das übliche Modell.

"N... nun ja, es gibt schon... wichtige Pflichten wie-"

"Natürlich, Kinderkriegen, das kann dir der Opa nicht abnehmen... Daran arbeiten sie noch."

Hinatas Gesicht wurde rot wie Quecksilber im Thermometer. Niemand, nicht mal Kiba, äußerte sich so über die Traditionen ihres Clans, selbst dann nicht, wenn sie sich irgendwo weit weg von Konoha befunden hatten.

Und Naruto war noch lange nicht fertig.

"Ist ja optimal, wie im Gefängnis – du kommst pro Tag ein Mal an die Luft, sollst ja fit bleiben, und häkelst dem Kerl einen Wandteppich oder schreibst ihm ein Gedicht... Meine Güte, wer hat eigentlich behauptet, Neji hätte von euch beiden die Arschkarte gezogen?!"

"Er... Neji-kun ist vielen Vorschriften unterworfen, und-"

"Er kann heiraten, wen er will, oder?", unterbrach Naruto sie brüsk. Hinata hielt seinem herausfordernden Blick nicht lange Stand.

"Theoretisch schon, Neji-kun ist wegen seines Talents ein Sonderfall..."

Naruto hörte ihr eh nicht mehr zu, er war zu beschäftigt damit, seinem Ärger Ausdruck zu verleihen.

"Ich zitiere Ino ungern, aber willkommen zur häuslichen Leibeigenschaft! Wenn ich Hokage bin..."

Hinata sah ihn mit einem seltsamen Lächeln an.

"... änderst du die Zustände, nicht wahr?"

Naruto hielt inne. Hinatas Lächeln wurde breiter, wehmütiger.

"Bis dahin ist es leider zu spät, aber vielleicht hilft es Hanabi-chan noch."

Waren ja großartige Aussichten. So etwas wie Scheidung gab es im Hyuga-Clan nicht, das wusste selbst Naruto. Und die resignierte Ergebenheit, mit der Hinata das akzeptierte, weckte seinen tiefsten Widerwillen. Hinata... lag ihm am Herzen, so viel sei gesagt. Sie hatte nicht ihre gesamte, mühevolle Entwicklung durchgemacht, um irgendeinen wildfremden Knacker zu heiraten, und er, Naruto Uzumaki, würde nicht so lange warten, bis er das legal verhindern konnte. Wie... das musste er sich noch überlegen.

Hinata deutete auf die dampfende Schale, die er immer noch unangetastet in den Händen hielt, wohl als Zeichen, er solle das wenigstens probieren. Es schwammen tatsächlich Nudeln darin herum, zusammen mit inbrünstig zerfleischtem Gemüse.

"Heiratest du direkt an deinem achtzehnten Geburtstag?"

Hinata antwortete nicht sofort. Sie schloss sorgfältig den Topf und reichte ihm ein Paar lackierter Essstäbchen. Dabei zeigte sich wieder ihre nervöse Ungeschicktheit, die Naruto direkt süß fand – und nicht 'süß' im Sinne eines kleinen Kaninchens im Löwenzahnfeld, sondern 'süß' im Sinne von Sakura... Obwohl man die beiden nicht miteinander vergleichen konnte, ähnelte es noch am ehesten dieser Schwärmerei.

"Das ist noch nicht sicher. Mein Geburtstag ist der siebenundzwanzigste Dezember, kurz nach Weihnachten (es gibt keine Hinweise auf Weihnachtsbräuche im eigentlichen Manga, aber das muss man mir bitte durchgehen lassen)... Mein Vater wartet meist, bis die Zeit des starken Schneefalls vorüber ist."

Naruto ließ die Schale, in der er bisher bloß herumgestochert und gerührt hatte, beinahe fallen. Ihm war soeben eine Idee gekommen.

"Und davor darfst du Missionen annehmen?"

"Ich muss."

Hinata bedachte ihn mit einem erstaunten Blick, doch Naruto sah den winzigen Hoffnungsschimmer in ihren perlweißen Augen. Ihre Hände, die sie wieder im Schoß gefaltet hatte, verkrampften sich unruhig ineinander.

"Und wenn du zufällig... irgendwo auf einer Passhöhe einschneist und nicht pünktlich zurückkannst?"

Der Schimmer erlosch so schnell, wie er entflammt war.

"Ich werde eine Eskorte haben, und sie werden mich natürlich suchen."

Naruto winkte ungeduldig ab. Seine Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet.

"Nimm eben Shino und Kiba als Eskorte mit, immerhin sind sie deine Teamkameraden und den Gefallen werden sie dir schon tun. Und irgendwo im Gebirge findet dich keiner."

"Das ist ein Aufschub, was soll ich damit?"

Hinata furchte verwirrt die Stirn, schwankend zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Naruto gestikulierte wild, wobei er erneut fast den Inhalt der Schale auf sie kippte.

"Du heiratest jemand anders, wartest dort eine Zeit lang, bis man die Ehe nicht mehr annullieren kann, und schon bist du aus dem Schneider!"

"Jemand anders?"

Hinata klang nicht so, als hätte sie überhaupt je daran gedacht. Und sie klang auch nicht so, als wollte sie gerne daran denken.

"Klar, da kann sich dein Vater auf den Kopf stellen und es bleibt trotzdem, wie es ist. Und bis deine Schwester dran ist, sind die Zustände anders."

Hinatas Rücken wurde stocksteif und mindestens ebenso gerade, und Naruto fand den Ausdruck ihrer pupillenlosen Augen beinahe... furchteinflößend. Ihre Stimme war kühl, um nicht zu sagen frostig.

"Irgendein x-beliebiger jemand anders gilt als Mesalliance und setzt mich der totalen Ächtung meiner Familie aus, das bringt mich nicht aus dem Schneider!"

Obwohl sie gleich darauf wieder in sich zusammensank und errötend auf ihre einander knetenden Hände starrte, bekam Naruto erstmals seit ihrer losen Bekanntschaft eine Idee davon, dass er ihre Gefühle verletzt hatte. Und im Nachhinein war es durchaus logisch, warum. Zwar konnte er sich an keine spezielle Szene erinnern, doch er hatte den unangenehmen Verdacht, dass ihm das schon wesentlich öfter passiert war.

"Äh... was ist eine Mesalliance?"

Das war keine Entschuldigung, doch schließlich musste sich an so etwas herangetastet werden...

"Eine nachteilbringende Heirat. Eine Heirat unter dem eigenen Stand. Das Lieblingswort meines Vaters in letzter Zeit, eigentlich hätte es mir auffallen sollen.", murmelte Hinata düster.

"Ach so... Tut mir leid."

Hinata furchte verwirrt die Stirn. Beim aktuellen Wortlaut tat es ihm leid, dass es ihr nicht aufgefallen war.

"Dass ich das mit der Ächtung nicht wusste."

Der nächste schockierende Einblick in Hinatas Problematik – wenn man sich erst mal in den eigenen Aussagen verheddert hatte, kam man da so schnell nicht wieder heraus und produzierte bei den Versuchen jede Menge Mist.

"Ächtung ist der Verstoß-"

"Ja, ich hab's kapiert! Es ist mir scheißegal – das heißt, das ist es natürlich nicht, du sollst nicht geächtet werden – aber ich wollte hier nicht mein Grundwissen erweitern, sondern eine brauchbare Lösung finden..."

"... wie Generationen von Mädchen vor dir – nein, ich meinte nicht, dass du ein Mädchen bist, aber das Kernproblem...", versuchte Hinata ihm zur Hilfe zu kommen und verstrickte sich prompt ebenso. Unisono tiefes Luftholen.

Trotz ihrer Mutlosigkeit lächelte Hinata zögerlich.

"Können wir noch mal von vorne anfangen?"

Naruto war sich nicht sicher, ob sie das Gespräch oder ihre persönliche Beziehung zueinander gemeint hatte. Und inzwischen war er dankbar, dass es nicht zu erkennen war.

"Klar."

Mit einiger Mühe entknotete er ihre Hände und hob eine von ihnen hoch. Zum ersten Mal kam es ihm zugute, dass er so manchen Liebesfilm ertragen hatte, weil Sakura eine Ader für Kitsch hatte. Und er hatte vermutlich ebenfalls eine.

Er küsste ihren Handrücken, und Hinatas Augen schimmerten feucht.
 

Ernste Belagerungssituation. Bereits eine Hälfte des gesamten Gebiets war in Feindeshand, ebenso wie eine Geheimwaffe, der schwer beizukommen war, und der einzige Verbündete war nicht vertrauenswürdig. Und man war verdammt dazu, den nächsten Angriff abzuwarten.

Shikamaru drückte es militärisch aus. Konkret hieß es, dass Ino mindestens die Hälfte des für eine Person gedachten Zelts in Beschlag nahm und diesen Bereich je nach ihren äußerst wankelmütigen Launen änderte. Und Pfirsichblüte... Es bereitete ihm Bauchschmerzen, wie er diesen dämlichen Namen seinem Vater erklären sollte. Shikato war wirklich kein emotionaler Mann, aber in diesem speziellen Fall würde er sich halb tot lachen.

Momentan starrte er die flackernde Laterne an und lauschte Inos Quietschen, weil die Hirschkuh an ihren Fingern knabberte. Das Mädchen war geradezu besessen davon, mit ihrem neuen Haustier zu schmusen, und Shikamaru hatte es gerade noch energisch abschmettern können, dass sie das Vieh mit ins Zelt schleppte. Ein Ein-Personen-Zelt war schon nicht für zwei Personen konstruiert, und bei zwei Personen und einer erwachsenen Hirschkuh konnte man auch nicht mehr den Hersteller verklagen sondern musste es ertragen, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes der Himmel auf den Kopf fiel.

Sofern Tenten und Neji sich nicht zu intensiv über Kinesiologie unterhielten, würden sie sich unweigerlich fragen, was für eigenartige Geräusche da zu ihnen herüberdrangen. Denn da Ino Pfirsichblüte nicht mit ins Zelt nehmen durfte, hatte sie ihr Schoßtierchen daneben einquartiert. Und nun weigerte sie sich, es zu verlassen.

"Shika?"

Er kannte diesen Tonfall. Seine Nackenhaare stellten sich sofort auf. Es war ein weicher, sanfter Tonfall wie rohe Seide, einschmeichelnd und weder warm noch kalt...

"Nein."

Ino reagierte gar nicht. Sie steckte den Kopf ins Zelt, Kaskaden blonden Haares umrahmten ihr Gesicht. Sie hatte den Auftritt geplant, ganz klar. Shikamaru verspürte den akuten Drang, zurückzuweichen und sich die Hände auf die Ohren zu pressen.

"Wir können Pfirsichblüte unmöglich ganz allein draußen anbinden, oder?"

"Warum nicht?"

Ino glitt ins Zelt, das musste man ihr lassen, ein Ausbund an Eleganz. Shikamaru rief sich hastig ins Gedächtnis, dass sie ihn nur dazu kriegen wollte, irgendetwas für sie zu tun.

"Was ist, wenn sie Hunger hat und das ganze Gras um sie ist schon weg? Oder sie fühlt sich einsam und-"

"Sie kommt nicht mit ins Zelt, ein für alle Mal nicht!"

Inos Lächeln war betörend, Shikamaru hatte sie noch nie derart engagiert erlebt. Allerdings war es für ihn zweifelhaft, ob er sich gebauchpinselt fühlen konnte, weil er das Ziel war. Eher das Opfer.

"Das meinte ich gar nicht... Aber wenn wir..."

Ino legte eine Künstlerpause ein, kombiniert mit einem unschuldigen Augenaufschlag. Shikamaru wünschte sich, doppelt so misstrauisch zu sein, wie er war. Elende femme fatale.

"Einen Zaun um das Lager ziehen, kann sie-"

"Wie bitte?!"

Shikamaru starrte sie fassungslos an. Sie machte offensichtlich keinen Scherz. Sie wollte allen Ernstes jetzt, bei beinahe vollständiger Dunkelheit, einen Zaun um das Zeltlager errichten. Nein, nicht richtig so – sie wollte ihn errichten lassen. Von niemand Geringerem als Shikamaru Nara, einem beispiellosen Genie, der für derart simple Aufgaben denkbar überqualifiziert war!

Ino hatte sich ebenfalls offensichtlich für vehementen Widerstand gewappnet.

"Ich helfe dir ja, das geht ganz schnell! Und Pfirsichblüte kann sich da viel besser bewegen, und... Lass gefälligst deine Augenbrauengymnastik, ich meine das ernst!"

Shikamaru rieb sich die Schläfe und folgte dabei nicht ihrer Anordnung, seine hochgezogenen Brauen wieder zu senken.

"Sicherlich. Ich weiß nicht, was für Vorstellungen du hast, doch auch Hirschkühe schlafen nachts. Und selbst, wenn sie das nicht tut, haben wir keinen weiträumigen vegetativen Kahlschlag zu erwarten!"

Ino blies empört die Wangen auf – logische Argumente fruchteten mal wieder nicht.

"Das ist bloß eine Ausrede, du bist herzlos! Du willst Pfirsichblüte leiden lassen!"

Shikamaru wusste, dass sie ihm die tiefste moralische Enttäuschung nur vorspielte. Er wusste es mit absoluter Klarheit. Und trotzdem gelang es ihm nicht, dem vorwurfsvollen Blick ihrer samtblauen Augen standzuhalten.

Ein Seufzen aus den Abgründen der Verzweifelung.

"Ist ja gut, ich komme..."

In einem Sekundenbruchteil breitete sich ein strahlendes Lächeln auf Inos Gesicht aus.

"Oh, klasse! Danke, Shika-chan! Du bist ein Schatz!"

Großartig. Das letzte Mal, als sie das gesagt hatte, hatte sie ihn kurz darauf angeschrieen, ihn in chronologischer Reihenfolge einen Mistkerl und einen Perversling genannt und schließlich erklärt, sie hasse ihn.

Positiv: es konnte nur besser werden.
 

Also gut, Shikamaru kam sich dämlich dabei vor, ein Zeltlager mit Draht zu umziehen. Sogar ausgesprochen dämlich, weil Ino das beim Frühstück natürlich auswalzen würde.

Shikamaru erfuhr, dass man über der Meinung anderer stehen konnte und sich dennoch dämlich vorkommen konnte.

Und im Gegensatz zu Ino war er müde. Er verstand nicht, warum jemand, der auf Missionen so hartnäckig jammerte, nach einer Hirschjagd noch so fit und bestrebt sein konnte – und Ino war äußerst fit, sie schleifte Pfirsichblüte mit und stopfte sie mit allem möglichen Grünzeug voll – Shikamaru war schleierhaft, wie sie das im Dunkeln fand – und folgte überraschend genau seinen Instruktionen. Dabei erzählte sie Pfirsichblüte ausführlich, wo sie sich nachts bewegen könne und wo nicht. Shikamaru war nicht sicher, ob sie wirklich glaubte, das Tier würde das verstehen.

Mehr oder weniger erfolgreich wurde also ein behelfsmäßiger Zaun aus Draht gezogen. Er war lediglich etwas mehr als knöchelhoch, kein Hindernis für eine gesunde Hirschkuh, doch dafür mit einer Tendenz, sich um alles zu wickeln, was mit entsprechender Wucht dagegen traf. Und eigentlich für militärische Zwecke gedacht.

Ino interessierte das alles nicht im geringsten. Leise gurrend verabschiedete sie sich von Pfirsichblüte, wünschte ihr eine gute Nacht und erklärte ihr, wovor sie sich in Acht zu nehmen habe.

Shikamaru war leicht frustriert.

"Wenn du gern hier draußen übernachten willst..."

Seine stille Hoffnung, eine ruhige Nacht zu haben – seit der Haarfärbesache hatte er Ino nachts ungern in Reichweite – wurde zerstört, als das Mädchen sich die Hand auf den Oberarm klatschte und anschließend damit wedelte.

"Bah, Mücken! Lass uns reingehen... Sollen wir für Pfirsichblüte Räucherstäbchen anzünden?"

Shikamarus Blick sprach Bände. Ino zuckte mit den Schultern und schlenderte voraus.

"War ja nur 'ne Idee, okay? Oh Mann, ich hab Hunger."

Shikamaru verdrehte die Augen und wartete, bis sie ins Zelt gekrochen war, bevor er nachfolgte und den Reißverschluss zuzog. Wenn sie deshalb plante, sich in Diätmonologen zu ergehen, würde er immer noch nicht den erwünschten Schlaf bekommen. Shikamaru war niemand, der etwas vom pubertären 'Durchmachen' hielt.

Ino kramte in ihrer Tasche herum, die sich zum Zeitpunkt der Insekteninvasion zum Glück nicht im Zelt befunden hatte, und zog mit einem triumphierenden Grinsen eine große, niedlich lackierte Blechdose hervor. Sie funkelte ihn dabei verschwörerisch an.

"Verrat' keinem, was du gesehen hast, dann darfst du was abhaben."

Shikamaru war drauf und dran, noch mal die Augen zu verdrehen – was konnte schon so Skandalöses in einer Blechdose sein – als sie mit großer Geste den Deckel abnahm.

Quietschbunte Süßigkeiten. Ino Yamanaka aß tatsächlich Süßigkeiten, und der Fülle der Dose nach zu urteilen, nicht halb so ungern, wie man vermuten würde.

Ino grinste noch breiter, nicht im mindesten schuldbewusst, ihre Figur damit zu ruinieren, und stellte eine Thermoskanne daneben, von der ein intensives Pfirsicharoma ausging. Wie passend.

"Das kann man nur um Mitternacht anfangen zu essen. Da, bedien' dich."

Sie hielt ihm einen bröseligen Keks hin, auf den jemand hingebungsvoll mit Zuckerguss gemalt hatte, was allerdings durch die grobe Behandlung nicht mehr zu erkennen war.

Shikamaru sah sie prüfend an.

"Du weißt, dass Süßigkeiten vor dem Schlafen ganz besonders zur Gewichtszunahme beitragen?"

Ino schob sich unbekümmert ein vermutlich von ihrer Mutter hergestelltes Stück Schokolade in den Mund, den Arm weiterhin zu ihm ausgestreckt.

"Hast du nicht zugehört? Das kann man nur jetzt essen, da muss ein Auge zugedrückt werden."

Shikamaru zuckte mental mit dem Achseln und nahm den Keks. Er war klebrig und krümelig und schmeckte nach Zitrone.

"Nicht so schlecht, oder? Sag jetzt nicht 'doch', die Küche war ein Schlachtfeld, das muss es wert gewesen sein..."

Shikamaru stellte fest, dass es sogar eigenartig gefärbte Bonbons gab. Die Wärme hatte sie weich gemacht, und er kam nicht umhin, die Ironie der Situation zu bemerken: Ino machte solche Sachen immer perfekt, Ino aß keine Süßigkeiten, und Shikamaru ließ sich nicht einfach in entspannter Stimmung treiben, weil er Ino misstraute.

"Wer hat's sauber gemacht?", fragte er mit einem leisen Lächeln. Ino kicherte.

"Papa. Weil er den letzten Hochzeitstag wegen einer Mission verpasst hat."

"Das ist nicht fair."

Shikamarus halbherziger Einwand traf auf taube Ohren, was ihn nicht sonderlich überraschte.

"Kollateralschaden.", säuselte Ino zufrieden und goss leicht dickflüssigen Pfirsichsaft in den Deckel der Thermoskanne. Shikamaru war ganz froh, dass der Geruch nach Pfirsichen und Süßigkeitenaromen die penetrante Note von Duftkerzen und Räucherstäbchen vertrieben.

Sie schwiegen eine ganze Weile lang. Hin und wieder drehte Ino eine Haarsträhne um den zuckergussverklebten Finger – was sie nicht zu kümmern schien – und machte bei ihm den Eindruck, etwas sagen zu wollen, unterließ es jedoch jedes Mal.

"Was ist eigentlich Kinesiologie (äußerst geschicktes Einbinden einer Leserfrage meinerseits)?", fragte sie unvermittelt.

"Die Lehre der Bewegungsabläufe. Aber ich glaube nicht, dass Neji die Zweideutigkeit beabsichtigt hat."

Ino nippte an dem Saftbecher.

"Wieso nicht? Vielleicht hat Tenten ihn lockerer gemacht."

"Eher nicht.", kommentierte Shikamaru trocken. Ino zwinkerte ihm vergnügt zu.

"Das musste ja kommen. Ich fall' vom Glauben ab, wenn du mir jemals zustimmst."

"Richtig."

Ino blies sich grinsend die lange Ponysträhne aus dem Gesicht.

"Das galt nicht."

Shikamaru neigte spöttisch den Kopf und streckte dann die Hand aus, um die Laterne über ihnen am Zeltbaldachin zu löschen. In der Dunkelheit hörte er Ino indigniert schnauben.

"Wenn ich jetzt den Saft versehentlich umkippe, ist das deine Schuld."

"Richtig."

"Du bist scheußlich."

In ihrer Stimme klang nichtsdestotrotz Amüsement mit, und das Rascheln der Süßigkeitendose bestätigte ihm, dass sie nicht allzu beleidigt war, ihr Nachtmahl in drückender Finsternis fortsetzen zu müssen.

"Richtig."

"Wirst du mir ab jetzt in allem zustimmen, was ich sage?"

"Nein!"

"Du bist scheußlich."

"Du erwähntest es bereits."

Shikamaru war froh, dass seine Augen sich noch nicht gut genug an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, um sie zu erkennen. Momentan haftete ihren Worten nicht das übliche Herausfordernde, Bissige an, und solange er sie nicht sah, wurde er nicht ständig daran erinnert, dass sie Ino war. Ein Mädchen, das mehr als ein Mal betont hatte, wie weit er unter ihrem Interessenbereich – sie hatte es 'Beuteschema' genannt – war.

Gut, Ino war ebenso vielseitig wie ihre rasch wechselnden Launen, und ein Teil von ihm regte sich darüber auf, dass sein 'Beuteschema', um Inos Formulierung gleich beizubehalten, offensichtlich das des hübschen, launischen, verwöhnten, rechthaberischen, cholerischen, koketten, reizbaren und herrischen Mädchens war.

Da, negative Attribute überwogen eindeutig. Ein untrügliches Zeichen für jene Art von Primitivität, über die er sich erhaben geglaubt hatte.

"Urusai..."

"Nein, Shikamaru, ich heiße Ino. Ich weiß, dass du mich lästig findest, aber du könntest dir wenigstens die Mühe machen, meinen Namen trotzdem zu benutzen.", erwiderte sie schnippisch. Ach ja, 'lästig'... Das fehlte noch in seiner Beschreibung. Noch ein negatives Attribut mehr.

Es war für eine Zeitlang so still, dass Shikamaru dachte, sie wäre eingeschlafen. Doch als seine Sicht sich allmählich schärfte und er ihre Silhouette ausmachen konnte, korrigierte er es dahingehend, dass sie konzentriert an einem Stück Schokolade knabberte.

"Wann sagst du es endlich?"

"Wann sage ich was endlich?"

Ihm fielen Dutzende Dinge ein, die er endlich sagen konnte, allerdings war wohl kaum das darunter, was Ino hören wollte. Was immer sie auch hören wollte.

"Das, was du schon vorher sagen wolltest."

"Was wollte ich denn schon vorher sagen?!"

Shikamaru neigte dazu, bei Smalltalk einfach wegzudösen, was Choji bereits gut bekannt war. Aber Inos Stimme war drängend, ungeduldig, und fast... verlegen.

"Du sollst es sagen, nicht ich..."

Sie klang, als würde sie schmollen, und das wurde ihm bestätigt, als sie ihm mit einem grummeligen 'Vergiss es' den Rücken zudrehte. Shikamaru raffte sein vor einer Weile heruntergefahrenes Gehirn auf, sich noch einmal anzustrengen. Und es ließ ihn nicht im Stich.

"Männer sind von einem bestimmten Entwicklungsstadium über Wesen mit zweistelligen IQ erhaben, Ino."

Ihr schoss erneut das Blut in die Wangen, und die steile Falte über ihrer Nasenwurzel vertiefte sich.

"Ich möchte zu gern erleben, dass du das zu dem Mädchen sagst, das dir wirklich gefällt..."

Dennoch konnte er sich nicht entsinnen, ob er damals tatsächlich beabsichtigt hatte, den Satz zu wiederholen. Inoichis Ankunft hatte ihn daran gehindert, und jetzt... wollte sein Töchterchen versichert bekommen, dass sie das Mädchen war, das ihm wirklich gefiel.

Es würde ihm eine Menge Scherereien ersparen, sich dumm zu stellen, und Ino würde den Teufel tun, ihm einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben.

"Wesen mit einem zweistelligen IQ sollten nicht versuchen, Männer von einem bestimmten Entwicklungsstadium zu unbedachten Aussagen zu zwingen."

Als Antwort knurrte Ino etwas Unverständliches und rollte sich zusammen, weiterhin mit dem Gesicht zur Zeltwand.

"O weh, ich habe eine Schlange an meinem Busen genährt... Das ist ein Zitat, ich rieche dein anzügliches Grinsen, Nara."

Wenn Ino sich von jemandem geärgert fühlte, verfiel sie meistens auf die Nachnamen, siehe Naruto. Shikamaru war nahe dran, gekränkt zu sein, weil er überhaupt nicht gegrinst hatte.

"Verschon' mich, Wesen mit zweistelligem IQ sollten Männer von einem bestimmten Entwicklungsstadium nicht mit poetisch-missverständlichen Zitaten bombardieren, ja...", kam sie ihm zuvor. Shikamaru stellte nun in der Tat grinsend fest, dass er so etwas Ähnliches hatte erwidern wollen.

"Richtig."

"Ah, du nervst! Du zitierst ja nie etwas Nettes, Wahrheitsgetreues…"

Beleidigt setzte Ino sich auf, ihre Laune hatte zweifellos wieder umgeschlagen.

"Ich geh nach Pfirsichblüte schauen, sie grämt sich sicher schon..."

Sie war im Begriff, den Reißverschluss zu öffnen und aus dem Zelt zu kriechen, als Shikamaru ihr zuvorkam. Manchmal war er überraschend schnell auf den Beinen – oder auf den Knien, das Zelt war für eine Person gedacht – und um vorweg noch ein Zitat anzubringen... Manchmal muss ein Mann ein Mann sein, so würde Asuma das ausdrücken.

"Verweile doch; du bist so schön!" (es gibt auch keine Hinweise, dass 'Faust' im Manga existiert, aber das muss man mir ebenfalls durchgehen lassen...)

Ino hielt inne.

"Ich bin nicht der Augenblick."

"Richtig."

Das Mädchen seufzte leise und lehnte sich zurück, auf den Unterschenkeln sitzend.

"Immerhin ein Kompliment, und es hat entfernt mit Kinesiologie zu tun."

Ob sie damit die ursprüngliche Bedeutung meinte oder die, die Neji dem Wort verpasst hatte... wer sollte das schon mit Sicherheit bestimmen.

Schnell streckte sie die Hand aus und drückte seine. Ihre Finger waren klebrig von den Süßigkeiten, und sie hatte es weniger eilig, ihr Gewicht zu verlagern – Zeit für ihn, sie abzuschütteln, falls er das wollte – und ihre Lippen waren genauso klebrig. Es war ein verhältnismäßig langer Kuss, dessen Dauer mehrere Gründe haben konnte.

Er spürte sie lächeln, als seine Finger ihre auch drückten, als eine Art Antwort, weil ihm das Küssen wirklich nicht lag. Besser, er versuchte nichts, was er nicht konnte, und Ino hatte ihn verstanden.

Ino zog sich wieder zurück und gluckste leise, wohl ein nach Außen Dringen ihrer Gefühlslage.

"Ich hab meine Süßigkeiten geteilt, teilst du deine Decke?", fragte sie fröhlich. Shikamaru erkannte ihre Absicht dahinter nicht recht, denn der morgige Tag versprach, unvermindert warm zu werden, dennoch nickte er. Er hatte die ungute Ahnung, dass nichts Sinnvolles dabei herauskommen würde, wenn er eine verbale Zustimmung versucht hätte.

Ino griff nach der unordentlich am Fußende hingeworfenen Decke und warf sie mit einem erneuten Glucksen, das auf unschuldige Weise niedlich klang, über sie beide. Unter der zweiten Hülle verschwand Inos Silhouette vor seinen Augen und es wurde dunkel. Vermutlich das, was sie bezweckt hatte.

"Klischee.", flüsterte sie unbekümmert.

"Rich-"
 

Tenten starrte auf die Hand vor ihrem Gesicht und bemühte sich, sie verschwimmen zu lassen. Es gab Momente, in denen man anfangen durfte zu heulen, und bei diesem Camping waren ihr davon auffällig viele untergekommen. In keinem davon hatte sie es getan, und es klappte immer noch nicht. Der Fakt an sich war zum Heulen.

Es war irgendwann in den frühen Morgenstunden, und es wurde warm im Zelt. Bis vorhin hatte Nejis linker Arm sie umfangen, worauf sie sich nichts einbildete, denn so war er eingeschlafen, und er bewegte sich selten im Schlaf. Da die Sonne inzwischen aufging und das Zelt langsam aufheizte, trübte das seinen Schlaf ein wenig, deshalb hatte er sich zur anderen Seite gedreht, weg von ihr. Der Arm lag nutzlos neben ihm.

Tenten hatte gewusst, dass es so kommen würde. Es war eine völlig natürliche Reaktion des Körpers, beim Schlafen nicht in derselben Position zu verharren, und das hatte logische Gründe. Es musste so sein.

Und trotzdem tat es weh, genau zu dem Zeitpunkt, in dem er sich mit einem leisen Seufzen herumwälzte und seinen Arm zurückzog, tat es unvermittelt weh.

Tenten setzte sich träge auf. Sie hatte schlecht geschlafen, von dem Moment an, in dem Nejis Arm über sie reichte, hatte sie praktisch darauf gewartet, dass er ihn von dort wieder entfernte.

So geräuschlos wie möglich öffnete sie den Reißverschluss des Zelts. Selbst ohne Rücksicht auf Neji hatte sie keine Lust, sich die Sprüche anzuhören, weil sie aus demselben Zelt kam wie er. Und mit Rücksicht...

Sie fing schon wieder an. Was war mit ihren festen Überzeugungen passiert, hatte dieses elende Warten sie restlos aufgerieben?! Früher hatte sie für ihn die Strohpuppe gespielt, und jetzt hatte sie zu seiner Mätresse übergewechselt?! Wie erbärmlich.

Aus den Augenwinkeln sah sie Neji zucken und wusste mit schmerzhafter Sicherheit, dass er wach war. Dass er sie aufhalten konnte. Er musste ja kein Liebesgeständnis vorbringen, keine Serenade singen, keinen Strauß Rosen voller Liebesschwüre präsentieren, aber... er konnte sie wenigstens aufhalten, sie würde sich aufhalten lassen.

Der Reißverschluss war offen. Neji regte sich nicht. Tenten konnte nicht zu lange zögern, ohne sich zu verraten. Sie schob ihre Beine aus dem Eingang.

Keine Reaktion.

Ihre Füße fanden Halt, sie richtete ihren Unterkörper auf und stützte sich mit den Händen auf dem Zeltboden ab.

Keine Reaktion.

Sie stand vollständig auf und begann, den Reißverschluss wieder zu schließen.

Keine Reaktion.

Tenten biss die Zähne zusammen und kämpfte die Enge in ihrem Hals nieder. Nein, so schwächlich war sie nicht, und sie hatte es nicht nötig, an sein Mitleid zu appellieren.

Mit hoch erhobenem Kopf marschierte Tenten zu ihrem Zelt, schob die Hirschkuh – sie war nicht wach genug, um wirklich wahrzunehmen, dass da eine Hirschkuh stand – zur Seite, die im Begriff war, die dünnen Stützstricke durchzukauen, und verschwand im Inneren.

Noch hatte sie nicht verloren.

Himmel

"AUUUF-Stehen! Alle rauskommen, sofort!"

Wie die pflichtbewusste Gastgeberin, die sie war, versäumte Ino es nicht, die Anwesenden kurz nach Sonnenaufgang aus dem Bett zu schmeißen, damit das Camping nicht zu angenehm wurde. Aus einigen zusammengeknoteten, bunten Halstüchern hatte sie eine Leine für Pfirsichblüte gebastelt, an der sie ihre neuste Errungenschaft hinter sich herführte. Die Leine war nicht wirklich stabil, sondern diente eher symbolischen Zwecken – die Hirschkuh war mit genug Intelligenz gesegnet, um zu ahnen, dass Shikamaru sie umgehend zurück ins Gehege stecken würde, sobald man ihm die Möglichkeit gab.

Und wenn sie ausriss, war das die besagte Möglichkeit.

Bis auf Shikamaru, der im Sekundentakt gähnte und vergeblich versuchte, seine Augen offen zu halten, konnte sie keine Menschenseele entdecken, die sich tatsächlich aus ihrem Zelt quälte. Was hieß, dass man sie ignorierte. Was im Allgemeinen nicht ratsam war.

"Wenn ihr nicht rauskommt, komme ich rein!"

Eine klassische Drohung der ehrfurchtgebietenden First Lady des Nara-Clans. Und sie wirkte auch außerhalb des normalen Einsatzbereiches. Tenten reagierte als Erste, indem sie grummelnd aus ihrem mitgebrachten Zelt kroch, die Hirschkuh anstarrte, entschied, dass sie es gar nicht wissen wollte, und auf die Beine kam.

Neji schaffte das natürlich graziöser, und in Tentens leicht überreizter Wahrnehmung wich sogar das Gras vor ihm zurück und schuf Platz.

Und vermutlich folgte es auch Nejis irritiertem Blick, als Hinata Naruto aus dem Zelt zog. Sie hatte verschmiertes Rouge auf den Wangen und Lippenstiftreste im Mundwinkel. Hinata fasste oft ihre Lippen an, wenn sie unruhig war, sie konnte sich nicht gut selbst abschminken, sie hatte etwas gegessen oder sie hatte einfach vergessen, dass sie geschminkt war.

Oder Naruto hatte seinen Moment der Unaufmerksamkeit genutzt, und das war die Variante, die Nejis leicht überreizte Wahrnehmung annahm.

Und Hinatas definitiv überreizte Wahrnehmung begriff, dass diese Situation wohl noch öfter kommen würde.

"Naruto-kun... ist verletzt! Da war Draht, und... und wir, äh..."

"Da war Draht. Ja. Äußerst floral.", kommentierte Neji trocken. Naruto funkelte ihn wütend an und streckte, sich an Hinatas Schulter festhaltend, sein rechtes Bein samt bandagiertem Unterschenkel vor.

"Und was ist das?!"

"Eine Menge Bandagen. Das beweist nichts."

"Soll ich sie etwa abwickeln?!"

Shikamaru rieb sich die Augen. Hatte man intelligent sein müssen, um das kommen zu sehen? Dann war er der einzige Intelligente hier.

"Du hast diese... Augen, wenn es dir so wichtig ist-"

"Soll ich Chakra verschwenden, um herauszufinden, in welchem Gebüsch-"

"RUHE!"

Pfirsichblüte hob verständnisvoll kauend den Kopf, als Ino sich Gehör verschaffte.

"Das wird sicherlich für ungeahnte Ausbrüche von Traurigkeit sorgen, aber heute ist unser letzter Camping-Tag. Morgen werden die Zelte abgebrochen und der Rückzug angetreten. So weit klar?"

Ino hatte sich mit ihrer ironischen Formulierung extra gegen die zu erwartenden Kommentare gewappnet, doch es blieb überraschend still. Naruto wechselte einen Blick mit Hinata, den Ino mit einer gewissen Genugtuung registrierte, Tenten kratzte sich an der Wange, ohne besonders erleichtert zu wirken, und Nejis blanker Miene war nichts abzulesen.

Und Shikamaru gähnte schon wieder.

"Ausnahmsweise dürft ihr Vorschläge machen. Wie wollt ihr den letzten Tag herumkriegen?"

"Nachtwanderung!", warf Naruto enthusiastisch ein. Ino betrachtete übertrieben sorgfältig seinen bandagierten Unterschenkel.

"Ich sagte 'Tag', du Krüppel. Niemand wird dich auf einer Bahre durch's Gestrüpp ziehen."

"Außerdem unterbindest du eventuelle Fachdiskussionen über Kinesiologie.", fügte Shikamaru hinzu und rieb sich die Augen, die vom ständigen Gähnen zu Tränen anfingen. Tenten kratzte ihre andere Wange, die unter ihrem Nagel rot anlief.

Nun war es an Naruto, Shikamaru übertrieben sorgfältig zu betrachten.

"Du hast gerade Ino unterstützt, ist dir das aufgefallen?", fragte er in bedächtigem, suggestiven Tonfall. Ino schnaubte durch ihre zierliche Nase.

"Gut erkannt, Uzumaki, wir sind nämlich zusammen, werden heiraten, in die Wüste ziehen und achtzehn Kinder kriegen. Shikamaru weiß, was gut für ihn ist!"

Jetzt kratzte Shikamaru sich an der Wange. Tenten, die damit inzwischen aufgehört hatte, kam auf Inos ursprüngliche Aufforderung zurück, nicht zuletzt deswegen, weil ihr dieses Thema wesentlich angenehmer war.

"Müssen wir unbedingt etwas Sinnvolles tun? Wir können hier bleiben und-"

"- uns gegenseitig Ketten und Kränze aus Blumen flechten und Damenfußball spielen?", unterbrach Neji sie. Tenten funkelte ihn ärgerlich an, Hinata lächelte etwas zögerlich, und Naruto nahm die Vorlage mit Freuden auf.

"Du möchtest Damenfußball spielen und dich floral ausleben? Ich bin so stolz-"

"Der nächste, der etwas annähernd Ironisches von sich gibt, wird an den Marterpfahl gebunden und hier gelassen. Erster Vorschlag: Abhängen. Zweiter Vorschlag: Fußball. Noch etwas?"

Inos Blick ruhte auf Hinata, von Shikamaru und Naruto erwartete sie offenbar nichts Hilfreiches.

"Wir können noch mal Angeln..."

Neji verdrehte die Augen, und Tenten kratzte sich kommentarlos die rechte Braue.

"Ich bin dafür."

Ino nahm beifällig zur Kenntnis, dass Naruto Hinata den Rücken stärkte, und ließ es deshalb gelten, obwohl sie nicht beabsichtigt hatte, die anderen abstimmen zu lassen. Zu hoch war das Risiko, sich noch mal Gruselgeschichten von Akatsuki-Mitgliedern unter dem Bettmobiliar anhören zu müssen.

"Wir können erst Fußball spielen und dann Angeln.", schlug Tenten hoffnungsvoll vor.

"Und dann Blumenkränze flechten!"

Ino bekam Schwierigkeiten damit, Narutos, wie sie fand, völlig unqualifizierte Äußerungen unbehelligt stehen zu lassen. Dieser Campingausflug hatte wahrscheinlich dafür gesorgt, dass sie vier Jahre früher graue Haare bekam. Sie beließ es bei einem warnenden Stirnrunzeln, das ihm vermutlich entging.

"Wir können uns abwechseln mit dem Angeln, und die anderen spielen Fußball."

Hinata, die Stimme der Vernunft. Und sehr zu Inos Ärger hielten Naruto seine unqualifizierten Äußerungen nicht davon ab, die Situation anstandslos zu nutzen.

"Du und Shikamaru haben das letzte Mal geschwänzt, ihr fangt an."

Und um Neji zuvorzukommen: "Und ich spiele nicht gegen Team Hyuga!"

Neji starrte ihn eisig an, und Tenten war absolut klar, dass er sie sofort opfern würde, sobald die Umstände es erforderten.

"Spiel eben gegen die Damenmannschaft."

"Richtig, ihr spielt gegen die Damenmannschaft. Für ein Spiel ist noch Zeit, bevor ich mich mit einer Angel und einem Glibberwurm bewaffne. Frühstück!"

Nach dieser bewegenden Ansprache stapfte Ino samt Pfirsichblüte zu dem Selbstbedienungsstapel, den sie Frühstück nannte. Und machte den Fehler, noch mal zurückzuschauen.

Hinata musterte voll Besorgnis Narutos verletzten Unterschenkel, mit dem er sich vorwärts schleppte – Schmierenkomödiant! – Neji schien diese Verletzungen durch seine bloße Willenskraft vertiefen zu wollen, und Tenten folgte ihm mit grimmiger Miene, ihr Kinn kratzend. Und Shikamaru gähnte zum ungefähr tausendsten Mal.

Es hatte sich gar nichts verändert.
 

Angestachelt vom mangelnden Respekt der Herrenmannschaft, zettelte Ino ein Teamgespräch an, bevor sie den Platz betraten. Dieser Platz war eine relativ kurz gemähte Grasfläche unweit des Weihers, aus dem die Fische gezogen werden sollten, und die Herrenmannschaft baute provisorische Tore aus den Stangen von Inos käferversuchtem Zelt auf. Zwar waren die Insekten allesamt verschwunden – Shino Aburame ließ seine sechsbeinigen Freunde nicht länger als nötig in einem rosa Mädchenzelt – doch Ino hegte immer noch eine begreifliche Abneigung dagegen. Oder sie wollte in Shikamarus Zelt bleiben, das für eine Person gedacht war.

Ino patrouillierte vor ihren zwei Teammitgliedern auf und ab. Sie trugen allesamt Hosen, die Gefahr liefen, noch vor Mittag voller Grasflecken zu sein, und hatten ihre Haare zusammengebunden.

"Kameradinnen!"

"Musst du so melodramatisch sein?", brummte Tenten und kratzte sich am Unterkiefer. Ino blieb vor ihr stehen.

"Möchtest du dich gerne vor der Herrenmannschaft blamieren? Wir demonstrieren Einigkeit und Stärke – und werden sie vernichtend schlagen!"

Tenten sah wenig überzeugt aus, und Hinata wandte ein: "Müssen wir denn unbedingt gewinnen?"

"Das erste Spiel natürlich. Danach hast du Naruto ganz für dich allein."

Hinata errötete, und Tenten kratzte sich die Schläfe.

"In diesem Fall wird Neji einen Tobsuchtsanfall erleiden und mit Freuden an Narutos Seite in den Krieg ziehen."

Ino schwieg in resignierter Zustimmung, aber Hinata schien weit weniger pessimistisch.

"Das wird er nicht schaffen. Oh... Ist es in Ordnung, wenn du mit Neji-san in einer Mannschaft spielst?"

Tenten nickte ohne rechte Begeisterung. Hinata schien sich daraufhin ein wenig mit ihrem schlechten Gewissen zu plagen, bis die Braunhaarige anschloss, sie wolle auch nicht gegen Team Hyuga spielen. Ino zwirbelte zufrieden ihren blonden Zopf, dessen zu kurze Strähnen sie mit Spangen festgeklemmt hatte.

Hatte sich doch was verändert.

"Auf geht's, Kameradinnen! Einigkeit und Stärke führen uns zum Sieg!"

"So nimmt uns keiner ernst, da können wir tatsächlich gewinnen.", nörgelte Tenten und kratzte sich seitlich am Nasenbein.

"Und wenn schon, das ist kein Nachteil – die werden gar nicht wissen, wie ihnen geschieht! Und ich hab' Salbe gegen Mückenstiche, hör mit der Kratzerei auf..."
 

Ino konnte sich nicht erinnern, warum sie eigentlich in ihrem unerschöpflichen Reservoire von Campingutensilien einen Fußball gehabt hatte. Die Damenmannschaft spielte barfuss, unter anderem weil sie keine geschlossenen Schuhe anziehen wollten. Und da es zu wenige Spieler gab, blieb das Tor unbesetzt und musste eben verteidigt werden, wenn es nötig war.

Noch vor dem Anpfiff hatte das Spiel einen ganz wesentlichen Fehler: Es gab keinen Schiedsrichter.

"Jutsus aller Art sind verboten, das gilt vor allem für Schattendoppelgänger und andere hinderliche Schatten, Pirouetten vor dem Tor oder Illusionen. Und ich will auch keine Messer fliegen sehen, Tenten. So, ist das geklärt? Ach ja, tätliche Angriffe sind sowieso verboten, es kann nicht sein, dass jemand zufällig vom Ball getroffen wird. Wir fangen an, der Ball gehört schließlich mir."

Ino hatte nun die Leitung des Spiels inne. Die Regeln waren ohnehin mäßig bis nicht bekannt, da kein Hyuga jemals beim Fußballspielen gesichtet worden war, Naruto Mannschaftsspielen meist ferngeblieben war, Shikamaru und Ino ihre Freizeit anders verbracht hatten und Tenten... offenbar die Einzige war, die schon mal Fußball gespielt hatte.

"Denk dran, Hinata – Einigkeit und Stärke! Wir wollen gewinnen!"

Ino reckte heroisch die Faust in die Höhe, und nach kurzem Zögern imitierte Tenten die Geste.

Hinatas Augen huschten zwischen der Herrenmannschaft, die sich spöttisch-amüsiert und überlegen gab, und den beiden Mädchen hin und her, die sie erwartungsvoll beobachteten.

"Komm schon, Hinata – Hiii-ya!"

Irgendwann musste Tenten sich trotz aller Vorkehrungsmaßnahmen mit Maito Gais Vorliebe für laute Kampfschreie infiziert haben. Ino war versucht zu lachen, bevor sie sich zur Einigkeit mahnte und den wesentlich verkürzten Slogan mit all ihrer Stimmgewalt wiederholte.

Hinata dachte an das miai und Narutos Angebot, ihr das Schwimmen beizubringen.

"Hiii... ya!", ahmte sie es behutsam nach und hob ihre Faust ein wenig. Ihren Teamkameradinnen reichte es. Sie nahmen das Echo begeistert auf.

Hinata reckte ihre Faust, so hoch sie konnte.

Und Neji bekam eine vage Vorstellung davon, was Damenfußball war.

Ohne Vorwarnung verpasste Tenten dem Ball einen kräftigen Tritt. Shikamaru zog, gesteuert vom bloßen Überlebenstrieb, den Kopf ein. Der Ball flog trotzdem einen halben Meter am Tor vorbei, und so wechselte das Angriffsrecht. Naruto startete einen besser durchdachten Angriff und überwand Inos Abwehr, die sich dadurch persönlich tief gekränkt fühlte. Sein Torschuss scheiterte an Tenten, die sich wider ihres Trainings vor den Ball warf. Er prallte an ihrem Ellbogen ab, was laut Ino zu den natürlichen Rechten einer Verteidigerin gehörte, und passte ihn zu Hinata.

"Mach sie fertig, Hinata! HIII-YA!"

Hiashi Hyuga würde womöglich einen Herzanfall erleiden, wenn er wüsste, dass seine Tochter, deren zarte Füße normalerweise in seidene Strümpfe gehüllt und überhaupt vor allem unnützen Schmutz geschützt waren, mit einem ordinären Fußball über einen Rasen, der eigentlich ein Blumenfeld war, tobte und dabei von ihrem Cousin und einem Jungen verfolgt wurde, der das Siegel 'schlechter Umgang' quasi erfunden hatte. Begleitet von sinnlosen 'Hiii-ya!'-Rufen von Mädchen, mit denen sie bisher wenig zu tun gehabt hatte und mit dem festen Ziel, einen Kasten aus Zeltstangen zu treffen.

Also gut, der Torschuss ging fünf Meter daneben. Tenten schubste Neji rigoros zur Seite und erwarb sich den Ball, obwohl er eigentlich im Aus gewesen war, allerdings gab es kein Aus und keinen wirklich regelkundigen Spieler. Oder genauer gesagt keinen, der mit Ino Yamanaka darüber diskutieren wollte.

"Ich hab ihn! Hiii-ya!"

Unter dem bekannten Kampfslogan kickte Tenten den Ball zu Ino, die es auf wundersame Weise schaffte, ihm einen Tritt zu verpassen, bevor Neji ihn ihr wegnahm.

Und Shikamaru auf wundersame Weise genau gegen die Stirn traf.

Als wäre das nicht schon genug, hatte der Ball die Dreistigkeit, von dort abzuprallen und ins Tor zu rollen. Die Mädchen brachen in wildes Triumphgeschrei aus. Neji konnte es nicht fassen, dass es eine so banale Disziplin gab, in der er versagt hatte. Naruto fragte sich, was in Hinata gefahren war, und wie dieses Spiel bei Mädchen so einen Eifer entfachen konnte. Und Shikamaru rieb sich die getroffene Stelle.

So, jetzt war der Damenfußball persönlich.
 

"Vorwärts, meine Mannen! Banzai!"

"Das ist der dümmste Schlachtruf der Welt.", kommentierte Shikamaru trocken. Das Angriffsrecht hatte gnädig zur Herrenmannschaft gewechselt, und Naruto war zu der Meinung gelangt, dass es eine passende Antwort auf 'Einigkeit und Stärke! Hiii-ya!' geben musste. Und das war sein Vorschlag.

"Der Zweitdümmste. Aber das macht es nicht besser."

Neji konnte sich nicht helfen, er hatte ein äußerst ungutes Gefühl. Sie hatten gerade ein Tor kassiert, geschossen von einem Mädchen, das in Nejis Ansicht bestenfalls eine durchschnittliche Kunoichi war, begleitet von einem derart lächerlichen Schlachtruf, dass er sich innerlich krümmte, Hinata war auf dem besten Wege, vollends verdorben zu werden (sie trat barfuss gegen eine Lederkugel, klatschte sich sinnlos mit ihren Mitspielerinnen ab und kicherte grundlos, sie hatte demnach auch noch Spaß an diesem Blödsinn), und er war gestrandet in einer Mannschaft mit hormongesteuerten und beschädigten Kerlen, die nichts Besseres zu tun hatten, als Eigentore zu schießen und bescheuerte Kampfparolen zu entwerfen.

"Seid ihr bald fertig?! Hah, sie haben Angst vor uns!"

Die Mädchen hatten sorgfältig ihr Tor umstellt, um eventuelle Angriffe abzufangen. Hinata versuchte, mit ihrer zierlichen Statur ein Drittel des provisorischen Tores auszufüllen und sah im Großen und Ganzen aus wie das blühende Leben.

Nein, das klang zu positiv. Aber Neji sagte sich, dass er Wichtigeres zu tun hatte, als Umschreibungen für den Gemütszustand seiner Cousine zu suchen. Zum Beispiel ihren Rückstand auszugleichen.

"Und wie ist es mit 'Attacke, meine Mannen!'?", versuchte Naruto es erneut. Er grinste über's ganze Gesicht. Schrecklich, noch einer, der an diesem Spiel Spaß hatte.

"Lass die Mannen endlich raus, oder siehst du hier welche?", erwiderte Shikamaru sarkastisch. Balsam für Nejis verletztes Vertrauen in wahre Intelligenz.

"Wir bringen das ohne... Schlachtruf hinter uns, außerdem solltest du dich raushalten, solange du mit deinem Buschunfall-"

"Lass... lass dich nicht unterkriegen, Naruto-kun!"

Auf dem anderen Ende des Spielfelds hob Hinata erneut die Fäuste und stieß sie in die Luft. Tenten unterwies sie daraufhin in den Geheimnissen der La Ola, und Ino fügte lautstark hinzu: "Naruto ist euer Teamkapitän – er ist blond! Blonde sind geborene Anführer!"

Nejis Augenbraue zuckte. Dass Yondaime und Godaime zufällig blond waren, konnte sie noch lange nicht dazu verdammen, unter Naruto Uzumakis Banner dieses... Spiel zu spielen!

"Nicht so pampig, Neji!", brüllte Tenten grinsend.

Naruto, der spürte, dass sich hinter ich die negative Energie sammelte, reckte seinerseits die Fäuste hoch und startete einen verwegenen Angriff auf das besetzte Tor.

"Eins, zwei, drei – Oberkörper frei! Das ist mein Ernst!"

"Nein!", entfuhr es Neji. Das mit dem Banner war nicht wörtlich gemeint gewesen! Und er hatte Recht gehabt, das war der dümmste Slogan der Welt... Ein schwacher Trost.

Shikamaru nahm die Verfolgung Narutos auf, und Neji sah sich gezwungen, es ihm gleichzutun, um nicht wieder mit dem verhassten 'pampig' tituliert zu werden.

"Ich begreife es nicht...", knurrte er, als er Shikamaru eingeholt hatte. Naruto hielt weiterhin auf das Tor zu, dessen Pfosten inzwischen von Ino und Tenten davor bewahrt werden mussten, umzufallen. Das überließ es Hinata, die aktive Verteidigung zu übernehmen. Das alles fand unter großem Kichern und Quietschen statt, für das er Tenten und Ino zumindest zu alt und Hinata für zu wohlerzogen gehalten hatte.

"Wirklich nicht?"

Shikamaru sprach das so erstaunt aus, als hätte Neji ihm gestanden, dass er das kleine Einmaleins partout nicht verstand. Naruto wiederholte seinen Kampfschrei und riss sich das T-Shirt vom Leib, das er wild über dem Kopf schwenkte. Hinata hielt sich tapfer, sie strahlte geradezu.

"Du etwa?", fragte Neji frostig. Ino und Tenten zogen das Zeltstangentor aus seiner Verankerung und trugen es ein Stück nach links, um Naruto auszuweichen. Und dabei lachten sie so hysterisch, dass Neji sich ihnen am liebsten nicht genähert hätte. Sie benahmen sich, als wären sie auf Drogen.

"Sieh es mal so..."

Shikamaru sah ruhig nach vorne und verlangsamte sein Tempo. Aus Reflex tat Neji dasselbe. Naruto visierte das Tor an, Hinata quietschte vergnügt und Ino pfiff auf den Fingern.

"Wann werden wir jemals wieder die Chance haben, so zu sein?"

Mit diesen Worten ergriff Shikamaru den Saum seines T-Shirts, zog es sich über den Kopf und raste los.
 

Inos Regeln lösten sich bald in Wohlgefallen auf, zumindest, was die Definition von Fouls anging. Tenten rannte über den Haufen, was ihr in den Weg kam – auch die Tore –, Ino warf sich ohne Rücksicht auf Verluste auf die Gegner – mit Vorliebe offenbar auf Shikamaru, und den hielt sie in einem wahren Klammergriff – , Naruto schien weder heiser noch erschöpft zu werden – sein T-Shirt zog er trotzdem nicht wieder an, und er traf schlechter, wenn Hinata verteidigte – , Shikamaru lieferte sich erbitterte Wettläufe mit Ino und Pfirsichblüte – warum schmiss er das Vieh nicht vom Platz, nur weil Ino es verbot? – und Hinata schoss die meisten Tore und war alles in allem wohl lauter als je zuvor in ihrem Leben.

Neji leuchtete es nicht ein, wie sie sich insgesamt so vulgär benehmen konnten. Es war ein einziges Kreischen und Gibbeln, diese verrückten Halbexhibitionisten mal gar nicht erwähnt. Das hörte nicht mal in den Trinkpausen auf, und niemand schien einen Sonnenstich bekommen zu können. Nicht mal das Wetter war auf seiner Seite.

Gegen Mittag begann das Angeln. Neji bezweifelte, dass sie bei dem ganzen Getrampel überhaupt einen Fisch sehen würden, und niemanden schien das zu kümmern. Wie denn auch, wenn Naruto Hinata ununterbrochen vermutlich völlig sinnlosen Müll erzählte und sie höflich lachte. Unzumutbar, sie dieser mentalen Kraftanstrengung auszusetzen! Sie müsste ja bloß einen Ton sagen, aber das hatte sie wohl nicht vor.

Shikamarus überlegene Intelligenz schien sich ebenfalls in Wohlgefallen aufgelöst zu haben, denn selbst ein Mensch mit durchschnittlichen IQ wusste, dass man mit Ino Yamanaka am Arm nicht angeln konnte. Und auf dem Schoß war die unwesentlich bessere Variante. Bitte, warum zerrte sie ihn nicht gleich in einen Busch und hatte dort Sex mit ihm?

Um es kurz zu machen, Nejis Laune war nicht die Beste. Er saß in der heißen Mittagssonne, während die anderen eine Spielpause im Schatten machten – und dabei noch einen Höllenlärm veranstalteten – hielt diese gottverdammte Angel, Tenten fächelte sich Luft zu und warf hin und wieder sehnsüchtige Blicke zu den anderen, als wäre sie viel lieber dort als bei ihm, und dieses nicht weniger gottverdammte Reh... Es versuchte, seine Haare zu fressen! Und generell schien es seine Sabber ständig auf ihm verteilen zu wollen, erst vorhin hatte er auf die flirrende Wasseroberfläche gestarrt und versucht zu meditieren, als dieses Biest ihm die Wange abgeleckt hatte!

"Hoffentlich kommst du in die Wurst.", zischte Neji giftig. Pfirsichblüte rieb ihre kalte, feuchte Nase verständnisinnig an seiner.

Nejis Augenbraue zuckte krampfhaft.

"Jo, Neji!"

Tenten war wieder da. Das hieß, dass sie weggewesen war. Er hatte das nicht bemerkt.

Sehr wohl bemerkte er allerdings, dass sie eine sehr große und sehr volle Gießkanne in der Hand hielt.

"Was?"

Unwillig schob Neji Pfirsichblütes Schnauze von seinem Ohr weg. Es fehlte gerade noch, dass diese lange, nasse, widerwärtige Zunge damit in Kontakt kam.

"Dusche. Sonst kriegst du 'nen Hitzschlag."

Neji war versucht, um des Widerspruchs willen zu protestieren, als wundervoll kühles Wasser auf ihn herabprasselte. Es wusch die Rehsabber und den Schweiß ab und liebkoste seine erhitzte Haut aufs Angenehmste. So ähnlich musste es mal im Himmel sein...

Der Regen stoppte. Pfirsichblüte schnüffelte und öffnete das Maul, um das Wasser von Nejis Gesicht zu lecken – warum konnte dieses Monster nicht aus dem Weiher trinken?! – als Tenten sie mit einem scharfen 'Kusch!' verscheuchte und ihn abwartend ansah.

"Ist etwas?"

Neji war etwas missmutig, dass die Dusche bereits beendet war, doch er würde Tenten sicher nicht bitten, wieder anzufangen. Sie verdrehte die Augen.

"Ich gebe zu, dass es ganz interessant ist, wenn deine geschätzte Oberbekleidung etwas durchsichtiger ist, aber ich fände es ganz nett, wenn du mir denselben Gefallen tätest."

Neji verschränkte demonstrativ die Arme vor dem Brustkorb und erhob sich, nachdem er die Angel in den Boden gerammt hatte. Nicht, dass da irgendetwas anbeißen würde, nur der Ordnung halber.

Tenten reichte ihm die Gießkanne, die, wie Neji mit einem leichten Stich erkannte, lediglich zu einem Viertel gefüllt war. Tenten bemerkte seinen Blick und lächelte schief.

"Du hast so friedlich ausgesehen.", gestand sie verlegen. Ihr Pony klebte verschwitzt an ihrer Stirn, und jeder Zoll Haut glitzerte feucht. Sie war wesentlich mehr gerannt als er, und trotzdem...

Neji nahm ihr die Gießkanne aus der Hand und begann, sie über ihr auszuleeren. Tentens herzförmiges Gesicht schien zu schmelzen, und sie seufzte genießerisch, als ihr Sturzbäche über die geschlossenen Lider liefen.

Neji musste an eine der Bedeutungen von Tentens Namen denken – 'Himmel'.

Der Hals der Gießkanne spuckte noch ein paar Tropfen aus und der Strom verebbte. Tenten öffnete die Augen und schüttelte ihr triefendes Haar.

"Das ist Leben – danke."

Neji nickte bloß und ließ die Kanne sinken. Tentens Oberteil klebte noch mehr zuvor und zeichnete ihre Konturen genau ab. Sie schien es nicht zu bemerken, noch völlig gefangen von der flüchtigen Kühlung, die ihr die Dusche verschafft hatte.

Vielleicht wäre es Himmel, sie jetzt zu küssen?

Tentens schokoladenbraune Augen beobachteten ihn nun genau. Ob sie seiner Absicht mit Zurückhaltung oder Beifall begegnete? Sie legte den Kopf schief, um nicht mit der Nase gegen seine zu stoßen, ihre Lider sanken wieder herab.

Kein Zweifel daran.

Ohne das Reh, das eigentlich eine Hirschkuh war, anzuschauen, schon Neji es zur Seite, bevor es allen Ernstes anfangen konnte, an seinem T-Shirt zu saugen. Auf seiner Haut, die immer noch benetzt von kaltem Wasser war, fühlte Tentens bemüht normaler Atem sich sehr warm an. Ihre Hände tasteten nach seinen Seiten, ganz vorsichtig, wie um ihn von einem Rückzieher abzuhalten.

Er sah nichts mehr. Was für eine völlig hirnrissige Sitte war es, die Augen schließen zu wollen, wenn man im Begriff war, jemanden zu küssen?!

Ein Klingeln drang an seine Ohren, im selben Moment, als er eine vage Ahnung von Tentens Lippen auf seinen spürte.

"Oooh! Neji, du hast einen Fisch-"

Mit einem Ruck waren Nejis Augen wieder offen. Und was er sah, fand er nicht gerade... sehenswert.

Ino strich sich das Haar aus der Stirn und wirkte beinahe ertappt. Sie war offenbar dabei gewesen, Pfirsichblüte zu entfernen, damit sie nicht mehr störte, mithilfe eines Lassos... Ach du je.

Hinata hielt sich den Mund zu, als würde das noch etwas ändern. Sie gehörte wohl nicht zu Inos Plan und hatte demnach nicht auf Tenten und ihn geachtet.

Tenten ließ seine Seiten nicht los, als würde sie das plötzliche Publikum nicht stören. Ino murmelte leise eine Entschuldigung und zog Pfirsichblüte und Hinata zurück in den Schatten.

Nejis Blick streifte Tenten, ihre ängstlichen Augen und ihre einladenden Lippen. Dann heftete er sich an die zuckende Leine, und Neji machte sich los, um sie einzuholen.

Tenten schnappte sich die Gießkanne und krächzte irgendetwas von 'Zurückbringen'.
 

Es blieb bei diesem einen Fang, der anklagend in einem Eimer herumschwamm und nicht angerührt wurde. Ino war selbstverständlich vorbereitet und hatte Eis, und da Hinata am Kochen Gefallen gefunden hatte, Cocktailhäppchen, die im Kochbuch auf Seite drei standen. Um dieses Angebot wurde sich im Schatten der Bäume versammelt, und nach einigem Zögern holte Ino eine klebrige Dose mit selbstgemachten Süßigkeiten hervor, die sie mit Vorliebe Shikamaru in den Rachen stopfte.

Nejis Laune hatte den Tiefpunkt erreicht.

"Wo ist Tenten-san?", fragte Hinata mit einer Stimme, die so schwer von Schuldgefühlen war, dass man glauben konnte, sie hätte das besagte Mädchen gerade versehentlich von einer Klippe geworfen.

"Sie meint, die Sonne wäre ihr nicht bekommen. Sie hat sich etwas hingelegt."

Ino beobachtete Neji verstohlen, während sie antwortete. Neji tat, als bemerkte er das nicht, und verfolgte stattdessen, wie einer der Cocktailspieße Marke 'Tofu-Dream' zerlief.

"Was? Aber es muss Revanche geben! Sie hat mit mir ein Tor geschossen!", protestierte Naruto, getreu seines Schlachtrufs immer noch ohne T-Shirt. Selbst Hinata musste trotz ihres schlechten Gewissens lächeln – Naruto hatte sich, um ein Tor zu vermeiden, gewissermaßen um den Ball gewunden. Tenten hatte das so aufgefasst, dass sie ihn samt dem Ball ins Tor rollen konnte, um einen Punkt zu erzielen.

Pfirsichblüte näherte sich und erwählte diesen günstigen Moment, um Neji wieder mit Beweisen ihrer tiefempfundenen Zuneigung zu überschütten. Nachdem sie erneut versucht hatte, seine verführerisch duftenden Haare zu vertilgen (wo war Tenten, um dieses Biest zu verscheuchen, wenn man sie brauchte?!), erregte der schmelzende Tofuspieß ihren Appetit. Neji hatte ihn ohnehin nicht wirklich essen wollen, aber als Pfirsichblüte den Tofu hingebungsvoll abgeleckt hatte, war diese Option völlig ausgeschlossen. Ino nahm ihm den tropfenden Spieß aus der Hand und fütterte die Hirschkuh damit.

Shikamaru schien Probleme damit zu haben, Tofu als geeignetes Futtermittel für Hirsche anzuerkennen. Doch wenn er schon dabei war, er hatte auch Neji Hyuga nicht für ein solches gehalten.

Neji betrachtete erst seine schon wieder mit Rehsabber – für ihn blieb es ein Reh – bedeckte Hand, dann Hinata und Naruto. Sie tuschelten bereits wieder, und obwohl sie sich nicht direkt an den Händen hielten, so berührten sich diese Vorderextremitäten dennoch oder verhakten die Daumen ineinander. Sobald ihr Verhältnis zueinander die letzten Unsicherheiten überwunden hatte, würde es sich unweigerlich zu einer sogenannten Beziehung von unbestimmbarer Dauer entwickeln. Neji war schon ganz begeistert von dem Gedanken, das Hiashi erklären zu dürfen.

Wo Shikamarus überlegene Intelligenz geblieben war, fragte Neji sich eh seit einer ganzen Weile. Darüber hinaus war der Stammhalter der Naras in gewisser Weise attraktiv, aber kein Ausbund an männlicher Schönheit – das Kriterium, das Ino am meisten interessierte. Warum Shikamaru sich also gerade sie aufgeladen hatte, blieb ein ewiges Mysterium für Neji.

Und Tenten hatte offenbar ein Problem damit, dass sie, wie Shikamaru es treffend formuliert hatte, niemals wieder die Chance haben würden, so zu sein. Und so im Sinne von Küssen beim Angeln. Er hatte sie nicht ermutigt, demnach dürfte das eigentlich keine Überraschung sein...

Nun ja, womöglich hatte sie Sonne ihr tatsächlich zugesetzt.

Kein Grund zur Sorge.
 

Nach der wohlverdienten Mittagspause ging das furchtbare Fußballspiel weiter. Und Neji war nicht nur mit einer Horde unvermindert kreischender Teenager konfrontiert (das war ja nichts Neues), sondern auch mit einer leicht nervlich angespannten Tenten und einem sehr anhänglichen Reh. Was hieß, dass er gezwungen war, sich in Tentens Nähe aufzuhalten, um diesem haarfressenden Ungetüm zu entkommen, denn Shikamaru hätte das Vieh mittlerweile nicht mal mehr bemerkt, wenn man es ihm mitten vor die Nase hielt.

Und zu allem Überfluss schien Tenten auf irgendetwas zu warten. Normalerweise gab sie ihm einen forschen Wink darauf, doch das schien ihr gerade unmöglich zu sein. Stattdessen dieser unerträgliche Blick eines angeschossenen Rehs...

Unglücklicherweise verband Neji mit Rehen momentan Aggressionen, und überhaupt hatte Shikamaru, bevor er seine koordinierte Sprach- und Denkfähigkeit einbüßte, selbst gesagt, dass sie nie wieder so sein würden.

Tentens braune Augen hefteten sich dennoch an seinen Rücken wie winzige Harpunen.
 

"Alle Mann fertig zum Aufbruch! Pfirsichblüte, aus!"

Immerhin, es hätte schlimmer kommen können, stellte Neji nüchtern fest. Keine Pyjama-Partys, nicht nach diesem Akkordfußball. Dafür schien Pfirsichblüte zu schmollen, weil Ino lieber mit Shikamaru schmuste als mit ihr, und getreu dem Modell betrogene Ehefrau wich sie Neji dafür nicht mehr von der Seite. Was wiederum Tenten nicht zu passen schien, obwohl sie nichts sagte.

"Habt ihr alle eure Zelte? Taschen? Nichts liegen lassen?"

Ino sollte Kindergärtnerin werden. Neji fand es schon schlimm genug, ein pastellblaues Zelt mit sich herumzuschleppen, das nach wie vor nach Veilchen roch und ihm nicht gehörte. Und auch noch unterstellt zu bekommen, diese Augenbeleidigung für eine Sekunde ignorieren zu können...

Nachdem der allgemeine Zelt- und Gepäckcheck vollbracht war, klatschte Ino in die Hände. Pfirsichblütes Leine hatte sie sich ums Handgelenk gewickelt, allerdings war es nur eine Frage der Zeit, bis sie des Ziehens und Zuredens überdrüssig wurde und es an Tenten abtrat.

Eine boshafte kleine Stimme flüsterte ihm zu, das die Zeit lief, um ihr noch etwas zu sagen – was auch immer das sein sollte.

"An dieser Stelle würde ich gerne noch ein paar Worte an euch richten... Und solltest du es wagen, jetzt zu gähnen, Uzumaki, lasse ich dich hier!"

Ino räusperte sich mahnend und fuhr fort: "Ich weiß noch, was für eine Mühe ich hatte, euch alle hierher zu schleifen... aber ich denke, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es ein Erfolg war. Und das alles nur mit dem Glauben an die wahre Liebe!"

Shikamaru verdrehte die Augen, allerdings nicht halb so spöttisch, wie es sein sollte. Hinata lächelte und strich ihr Haar zurecht, und Naruto wagte trotz Nejis drohender Gegenwart eine lässige Geste und legte ihr den Arm um die Schultern.

Tenten schob den Gurt ihrer Tasche auf ihrer bloßen Haut herum.

"Offen gestanden hab ich keine Ahnung, wann ich die meisten von euch wiedersehe, ob bei einer Mission oder... beim Einkaufen eben. Deshalb wünsche ich euch im Voraus alles Gute – Hiii-yah! Klamotten anlassen, bitte."

Sie grinste und rückte ihren Zopf zurecht.

"Vielleicht sollten wir das nächstes Jahr wiederholen. Haltet Ausschau nach rosa Einladungskarten!"

Mit dieser unheilvollen Verkündigung drehte Ino sich schwungvoll um – nicht ohne Tenten mit Pfirsichblütes Leine zu beehren – und trat den Marsch an. Naruto warf einen hoffnungsvollen Blick nach hinten, Nejis finstere Miene warnte ihn jedoch, sein Glück dahingehend zu strapazieren, sich mit Hinata zurückfallen zu lassen. Demnach bildeten die beiden das Mittelstück, um schon wieder miteinander zu tuscheln.

Neji würde so froh sein, wenn er endlich in der friedlichen Abgeschiedenheit seines Zimmers war und eine völlig normale Dusche nehmen konnte.

"Gut geschlafen?"

Tenten zog energisch Pfirsichblüte hinter sich her, auf deren Rücken Inos pinkfarbenes Zelt geschnallt war, da das Mädchen sich weiterhin standhaft weigerte, es anzufassen, bevor sie es gründlich ausgesaugt hatte.

Neji fragte sich düster, wann Hinata die erste Pause für Naruto und seine gravierende Verletzung beantragen würde, für das er bereits jetzt ihr vollstes Mitgefühl besaß, und brummte abwesend: "Nein."

Ein jeder hatte sich zum Schlafen artig in sein eigenes Zelt zurückgezogen, soweit dies möglich war. Neji hätte schlafen können wie ein Stein, wenn ihn keine unterschwellige Unruhe geplagt hätte, wegen der er sich ständig herumgewälzt hatte. Er brauchte eine ausgiebige Dusche, einen heißen Tee und sein ruhiges Zimmer, dringend.

"Wie geht's deinem Sonnenbrand?"

"Gut."

Nach einer Weile resignierten Schweigens fügte er hinzu: "Die Creme war sehr wirksam."

Das war ein Kompliment an ihre Verständigkeit auf Salben, aber eigentlich wäre eine kurze Danksagung besser gewesen. Irgendwie war es ihm nicht gelungen.

"Ich hätte sie gestern noch mal auftragen sollen, konnte dich nur schlecht bitten, dein T-Shirt runterzureißen."

Tenten lächelte selbstironisch. Neji musste sich ein wenig vorbeugen, um das zu sehen, da Pfirsichblüte nun zwischen ihnen gehen wollte und Neji hin und wieder zärtlich mit der Schnauze anstupste.

"Nicht unter dem Kampfmotto, nein."

"Du bist so ein Spießer!", schimpfte Tenten, obwohl ihre Stimme leise vor Lachen zitterte. Neji streichelte beiläufig Pfirsichblütes edel geschwungenen Hals, woraufhin die Hirschkuh den Kopf senkte und Tentens Gesicht freilegte.

"Sie mag dich wirklich.", meinte sie mit einem nervösen Lächeln. Neji sah erst an sich herunter, wo Pfirsichblüte den Kopf an seiner Halsbeuge rieb, dann zurück zu Tenten, die zögerlich eins der pelzigen Ohren kraulte und seinen Blick mied.

"Welch ein Glück. Sogar der Fisch mochte mich anscheinend.", erwiderte er sarkastisch. Tenten gluckste und zupfte an Pfirsichblütes Ohr.

"Du meinst Lotusknospe? Den hat Hinata wieder in den Weiher geschmissen. Nachdem er einen Namen erhalten hat."

Neji verspürte den übermächtigen Drang, die Brauen hochzuziehen.

"Lotusknospe?"

Tenten musterte ihn durch ihren fransigen Pony hindurch.

"Du bist ein Spießer.", stellte sie unumwunden fest.

"Mädchen geben allem, was sie niedlich finden, Namen. Möchtest du Pfirsichblüte nicht einen individuellen Namen geben? Das würde dich auf der Spießerskala glatt eine Stufe runtersetzen."

Neji wunderte sich, ob sie ihn schon wieder stichelte. Pfirsichblüte blieb abrupt stehen, um etwas Löwenzahn abzurupfen, und Tenten musste stehen bleiben. Neji zögerte und ging weiter, allerdings langsamer, sodass er zurückfiel. Tenten holte ihn ohnehin schnell wieder ein.

"Na?"

"Himmel."

Tenten lächelte und quetschte den Gurt ihrer Tasche zusammen. Ihre Wangen färbten sich leicht rötlich.

"Schöner Name."

Neji lächelte zurück und war im Begriff, etwas zu sagen, als das Bild seines Zimmers vor seinen Augen auftauchte. Tenten schien es nicht zu bemerken.

"Woran denkst du gerade?"

Als sie ihm das letzte Mal diese Frage gestellt hatte, hatte sie ihn unmittelbar danach als frigide bezeichnet. Das Bild des Zimmers vermischte sich mit quälender Unruhe.

Das Lächeln flackerte und erlosch.

"Ein Vogel im Käfig sieht keinen Himmel."

Mit diesen Worten beschleunigte Neji und schloss zu Naruto und Hinata auf. Und Tenten holte ihn diesmal nicht ein.
 

Die Tore von Konoha kamen in Sicht. Neji hatte das Gefühl, dass der Rückweg viel kürzer gewesen war als der Hinweg, was daran liegen mochte, dass er auf dem Hinweg Hinatas nicht unbeträchtliches Gepäck mitgeschleppt hatte und sich nicht gefragt hatte, ob sein letzter Satz wirklich so klug und rational gewesen war. Rational sicherlich, wie viel Zeit hatte er schließlich für eine Beziehung? Zudem lenkte dergleichen nur ab und verkomplizierte das Leben unnötig. Und seine war schon kompliziert genug.

Spätestens, wenn das Privatleben seiner Cousine seine Schatten vorauswarf. Mit dieser festen Überzeugung überschritt er die Schwelle des mächtigen hölzernen Torbaus. Und blieb stehen, genau wie alle anderen Camper.

Er traute Ino einiges an dummen Ideen zu, aber dieses Empfangskomitee war bestimmt nicht ihr Werk.

In einer Anordnung von rechts nach links befand sich da das Ehepaar Yamanaka, wobei die Frau den Arm ihres Mannes energisch umklammert hielt, während er den Eindruck machte, gleich zur Schrotflinte zu greifen und um sich ballern zu wollen (bitte metaphorisch verstehen, in 'Naruto' scheint es keine Schusswaffen zu geben).

Daneben stand eine Frau, die aufgrund der Ähnlichkeit als Tentens Mutter zu identifizieren war. Sobald sie ihrer Tochter ansichtig wurde, begann sie hektisch auf Maito Gai einzureden, der samt Lee neben ihr stand und die Neuankömmlinge mit einer Mischung aus Mitleid und ernster Strenge musterte, Lee wirkte dagegen eher erleichtert.

Mrs. Nara war ohne ihren Gatten gekommen, und sie war offenbar hochzufrieden mit der Lage, davon ließ sie sich auch nicht durch die anderen abbringen.

Umino Iruka befand sich neben ihr und schwankte anscheinend zwischen den Optionen, vor Rührung zu zerfließen und Naruto mal wieder tüchtig anzuschreien. Letzteres trat wohl in den Hintergrund, als er seinen mehr oder weniger geheimen Schützling so gut integriert sah.

Und letztendlich, in dem bunt zusammengewürfelten Haufen eine Oase der Ordnung – Abgesandte des Hyuga-Clans, ganz vorne dabei Hiashi Hyuga und ein Stück im Hintergrund Hanabi.

Die folgenden Szenen passierten ungefähr alle gleichzeitig, sind zum besseren Verständnis aber von rechts nach links aufgelistet.

"Ino-chan, ich hatte deutlich gesagt, was passiert-"

"Sie ist alt genug!", fiel ihm seine Frau ins Wort und bediente sich der liebenswerten Angewohnheit von Eltern, in solchen Fällen zu sprechen, als wäre das betreffende Kind nicht da. Ino konnte es nicht ertragen, wenn man so tat, als wäre sie nicht da.

"Was soll das heißen, willst du über mich bestimmen?! Ich kann... treffen, wen ich will!"

"Aber nicht wann und wo du willst!", brauste Inoichi auf. Ino ließ ihre Tasche fallen und hakte sich demonstrativ bei Shikamaru unter, für den Fall, dass ihr Vater entschied, Gewalt anzuwenden. Na gut, in dem Fall würde auch das nicht viel nützen.

"Das kannst du nicht! Ich hab Pfirsichblüte gefunden, ich darf-"

"Wen?"

Ino zeigte auf die Hirschkuh, deren Leine Tenten in erstarrtem Griff hielt. Shikamaru erdreistete sich in dem kurzen Moment des Schweigens, der im allgemeinen Tumult fast unterging, hinzuzufügen: "Diese Hirschkuh ist meinem Vater ausgerissen. Ino hat sie gefunden."

Im Dienste des Eigennutzes war er gern zu dieser kleinen Lüge bereit – außerdem hatte Ino Pfirsichblüte in gewisser eingefangen... nachdem sie ihn selbst effektiv daran gehindert hatte.

"Gut gemacht. Bind' ihr eine Schleife um und schick sie zurück.", erwiderte Inoichi schroff und entzog seiner Gattin den Arm, den sie als Anker benutzte.

In diesem Fall war Shikamaru gezwungen, seiner eigenen Mutter einen Blick zuzuwerfen. Sie war immer noch sehr zufrieden und interessierte sich eher für die körperliche Verfassung von Pfirsichblüte als für das Dilemma ihres Sohnes. Und das, obwohl sie ihn bildlich gesprochen am Kragen hierher geschleift hatte, um seine Abreise zu sichern.

"Ino-chan, wir gehen nach Hause. Sofort. Wir hatten eine Abmachung und an die wirst du dich halten!"

Ino verzog verzweifelt das Gesicht.

"Aber du meintest, ich sollte 'nicht so weitermachen', von Shikamaru und-"

"Ino?"

Ino erkannte, dass ihr Vater ihr zur verbieten würde, ihr Zimmer jemals wieder zu verlassen, wenn sie sich weiter auflehnte. Er mochte einiges durchgehen lassen, was ihren Kleidungsstil und ihre Ausgangszeiten betraf, nicht die Art ihrer Begleitung.

Wenn nicht Shikamaru, wer sollte ihm denn sonst gefallen?! Und anbei auch ihr...

Bevor Inoichi ihren Arm zu fassen bekam, sprudelte Ino mit dem einzigen hervor, was ihr auf die Schnelle einfiel: "Aber... wir sind nämlich zusammen, werden heiraten, in die Wüste ziehen und achtzehn Kinder kriegen! Shikamaru weiß, was gut für ihn ist!"

Inoichis Mund klappte auf und wieder zu. Ino, selbst geschockt von ihrer plötzlichen Offenbarung, rang nach Atem und Worten, Shikamarus Brauen rutschten fassungslos so weit nach oben, wie es möglich war, Mrs. Yamanaka stand stocksteif, und Mrs. Nara grinste, nachdem sie Pfirsichblüte die Flanke geklopft hatte.

Inoichis Augen wanderten von seiner Frau, die nicht fähig war, eine stumme Botschaft zu übermitteln, zu seiner Tochter und blieben an Shikamaru hängen.

"SCHWIEGERSOHN!", donnerte Inoichi und schloss Shikamaru in eine knochenbrechende Umarmung. Sofort brach die Hölle los.

"Lass los, Papa! Wir wollen nicht heiraten, ich will keine Kinder, ich hasse Kinder! Lass looos! Mama, tu doch was!", kreischte Ino und versuchte, Shikamaru aus dem Griff ihres Vaters zu befreien, indem sie an seiner Hüfte zerrte. Shikamaru schnappte nach Luft und zeigte leichte Erstickungssymptome. Mrs. Yamanaka quälte sich mit Unschlüssigkeit und versuchte erfolglos, ihren Gatten mit dem wenig wirksamen Argument 'Schatz, was sollen denn die Leute denken?!' zu besänftigen.

Und Mrs. Nara schien geneigt, gleich in Anfeuerungsrufe auszubrechen.

"Lass los, und hör um Himmels willen mit dieser Hochzeitsgeschichte auf! Papaaa, du erdrückst ihn!", flehte Ino und trommelte auf seinen Händen auf Shikamarus Rücken herum, was dem Jungen das Atmen nicht direkt erleichterte.

"Ich... ich arbeite wieder mehr im Laden!"

Shikamaru schien ein winziges bisschen freier zu röcheln.

"Ich gebe die Bewerbung für das Chu-nin-Prüfungskomitee ab!"

Shikamaru gelang ein zittriger Atemzug.

"Wir sind zusammen! Keine... kaum nächtliche Ausflüge, gedecktere Outfits..."

Shikamaru fand die Kraft, sich zu winden.

"Na schön, ich überlege mir das mit den Kindern... Irgendwann."

Shikamaru kam frei, und Inoichi klopfte ihm väterlich auf die Schulter, genauso viel Zufriedenheit ausstrahlend wie Mrs. Nara.

"Das wäre also geklärt. Möchtest du Hinata-chan noch fragen, ob sie etwas bei uns aushelfen möchte?"

Ino wollte protestieren, sah jedoch ein, dass es keinen Zweck hatte, wenn sie Shikamarus Gesundheit und ihre äußerst zarte Beziehung nicht gefährden wollte.

Derweil kämpfte Iruka mit der männlichen Form der Hysterie. Naruto hatte seinen früheren Lehrer noch nie derart aufgeregt erlebt, allerdings hatte auch nie Anlass dazu bestanden, sich über eine schlechte Partie aufzuregen.

Gai schüttelte den Kopf und ergriff Hinatas Hände. Hätte er ein zweites Paar Arme gehabt, hätte er bei Naruto wohl dasselbe getan.

"Ich weiß, dass deine Gefühle für Neji dich peinigen, aber du darfst nicht verzagen! Kiba Inuzuka hat viele Qualitäten, und sieh dir die arme Tenten an! Sie ist um Jahre gealtert, zerschmettert von unjugendlicher Eifersucht und Angst!"

Iruka, der diese Sicht der Dinge offenbar schon öfter gehört und sie letztlich als wahr akzeptiert hatte, versuchte, die ersten und missgedeuteten Wogen zu glätten: "Lass uns Ramen essen gehen, ja? Du kannst darüber reden, wenn du möchtest..."

"Gefühle für Neji?!"

Naruto starrte Gai entsetzt an, und Hinata wünschte sich ein Loch, das sie verschlang. Dass das Verschwinden und die ominösen Aufenthaltsorte einige Fragen aufwerfen würden, damit hatte sie gerechnet. Aber nicht mit Gais Kompetenz im Deuten dieser Fragen!

Lee widmete sich den übrigen Wogen und wandte sich behutsam an Neji und Tenten, von denen Ersterer seinen Meister voll Verblüffung und Zweifel an seiner geistigen Gesundheit anstierte und Letztere tatsächlich blass und sehr erschöpft wirkte: "Ich respektiere eure jeweiligen Entscheidungen unter dem Aspekt des jugendlichen Leichtsinns, trotzdem, auf diese Weise durchzubrennen..."

"Wir sind nicht 'durchgebrannt', und dieser 'jugendliche Leichtsinn', den du mir ständig unterstellst-", zischte Neji und wurde von Tentens Mutter unterbrochen.

"Ich wusste, dass du auf der Hut bist. Lass uns nach Hause gehen, ja?"

Sie schien sehr heiter, da Tenten nun der drohenden Gefahr entkommen war, ein Kind von einem versnobten Hyuga-Emporkömmling untergeschoben zu bekommen.

Hiashi Hyuga verharrte in eisigem Schweigen, die Arme vor der Brust verschränkt und die weißen Augen auf einen Punkt an der Dorfmauer gerichtet. Obwohl er sich weder ein den geraunten Gesprächen seiner wenigen Begleiter oder gar dem übrigen Volk beteiligte, war seinen strengen Zügen eine gewisse Gereiztheit abzulesen.

"Sprich mit deinem Vater. Bitte. Dringend. Hau ab."

Tenten, die weder wollte, dass ihr Privatleben in aller Öffentlichkeit breitgetreten wurde, noch Hinata, der noch die Konfrontation mit ihrem Vater bevorstand, unbedingt in Gais Verschwörungstheorien verstrickt haben wollte, verlor die Geduld. Hinata ließ ihr Gepäck stehen und begab sich mit kleinen, zaudernden Schrittchen auf die weiße Insel von Hyugas zu. Naruto wollte ihr folgen, und Tenten hielt ihn an der Schulter fest.

"Zweite Reihe stehen bleiben. Nichts anfassen. Klappe halten, bitte, auch wenn du es gut meinst. Lass sie um Himmels willen machen."

Was energisch klingen sollte, kam eher matt und resigniert heraus. Naruto bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Shikamaru in die äußerst prekäre Situation kam, von Inos Vater überaus kräftig umarmt zu werden, und wie Hinata angespannt die Finger faltete. Irukas Narbe stach auf seiner erblassten Haut unangenehm hervor.

"Geh'n Sie schon mal vor, ich... wir kommen gleich nach!"

Naruto grinste optimistisch und hob seine Hand in einer Art Salut. Hiashi nahm diese Geste mit frostiger Erhabenheit zur Kenntnis, bevor der unheilvolle Junge hinter Hinata Stellung bezog. Iruka machte einen äußerst zweifelnden Eindruck, dennoch wandte er sich ab und trat den Weg zum Ichiraku-Imbiss an.

Inzwischen hatte Neji sich eine Diskussion mit Lee geliefert, aus der hervorging, er sei zu niemandem in Liebe entbrannt, werde das nicht tun und nein, Tenten sei im weitesten Sinne ruhig und trage sich nicht mit Amoklaufgedanken, ja, er habe niemanden informiert, weil es keinen etwas anging und im übrigen habe er Hinata begleiten müssen und nein, er verstehe nicht, wie der Rest seines Teams auf die hirnrissige Idee gekommen war, er liebe Hinata und sei aus Trotz mit Tenten durchgebrannt und werde nun von seinem schlechten Gewissen geplagt, weshalb sie beide überhaupt zurückgekehrt seien.

Gai sondierte die Lage, wobei er sich unablässig sein nach eigenen Angaben enorm männliches Kinn rieb.

"Wenn ihr nicht durchgebrannt seid, wärst du dann so freundlich, uns den Grund zu verraten, warum ihr euch nicht mehr verabscheut wie der Teufel das Weihwasser?"

Gai mochte hin und wieder drastische Ideen haben und normale Begebenheiten drastisch auslegen, doch er war nicht dumm. Obwohl sämtliche Camper unter Stress gestanden hatten, seit sie zurück ins Dorf gekommen waren, ließ sich für ihn leicht erkennen, dass Tentens leicht zusammengezogene Schultern und Nejis Tendenz, hin und wieder verstohlen hilfesuchende Seitenblicke zu werfen, von weniger Abneigung als viel mehr von einem gestörten Verhältnis zeugten.

"Zweckbündnis. Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen mehr Auskünfte darüber zu geben.", antwortete Neji kühl. Tenten nickte mechanisch.

Noch besser als sein verehrter Meister erkannte wiederum Lee diese Haltung von ihr, allerdings lag es außerhalb seines Einflusses, ihr in diesem Fall zu helfen. Er konnte ihr höchstens eine dieser Harmonieumarmungen verabreichen, die ungefähr jeder Teenager furchtbar und Lee sehr emotionsheilsam fand. Für den Moment beließ er es bei einem blitzenden Lächeln, bei dem Tenten unwillkürlich geblendet blinzelte.

"Hat er dich zu irgendetwas gezwungen? Dir Versprechungen gemacht? Begeh' keinen Fehler, Tenten!"

Tentens Mutter stemmte die Fäuste in die Hüften und musterte Neji drohend. Er erwiderte ihren Blick gelassen – sie wollte ihn unbedingt für etwas drankriegen, für das Tenten in ihrer zermürbten Gemütsverfassung alle Verantwortung übernehmen würde. Hätte nicht besser laufen können.

"Ich kann das, danke. Und ich bin über jegliche Illusionen erhaben."

Na also, ganz nach Plan... Wirklich ganz wunderbar. Wunderbar...

Unterdessen bemühte Hinata sich standhaft, den bohrenden Augen ihres Vaters zu begegnen. Naruto war gerade noch in Reichweite, doch Hinata hatte das ungute Gefühl, dass es ihr nur Nachteile bringen würde, seine Unterstützung zu fordern. Ganz davon ab, dass sie ihn nicht in ihre Familienangelegenheiten verwickeln wollte.

"Guten Tag, Vater.", sagte sie leise. Hiashis Augen verengten sich ein winziges bisschen.

"Hinata."

Es klang wie eine Feststellung.

"Ich hatte erwartest, dass du früher zurückkehren würdest."

Hinata hörte den rügenden Unterton genau heraus. Selbstverständlich hatte Hiashi keine Vorstellung davon, wie lange ein Campingausflug dauerte, erkannte sie mit einem Anflug von Verzweifelung.

"Tut mir leid, ich war mir nicht sicher, wie lange es dauern würde... Neji-san hat auf mich aufgepasst."

Hiashi nahm sich einen Moment Zeit, um seinen Neffen dabei zuzuhören, wie er für seine Verhältnisse hitzig mit seinem Teamkameraden darüber diskutierte, ob er etwas mit einem gewissen Mädchen zu schaffen gehabt hatte. Dass dem so gewesen war, egal was er behauptete, ließ sich an ihrer Miene ablesen.

"Hat er das.", kommentierte Hiashi ungerührt und senkte den Kopf, um seine Tochter zu betrachten. Hinata straffte sich und zwang sich, weder mit den Füßen zu scharren noch ihre Hände zu beschäftigen.

Sie trug eine ihrer Errungenschaften, die sie zusammen mit Hanabi ausgesucht hatte: ein schwarzes, ärmelloses Oberteil aus dehnbarem Stoff, dessen Ausschnitt mit simpler, zarter Spitze verschleiert wurde und mit einer kleinen Gazerose am Revers, und eine an den Knien abgeschnittene, verwaschene Jeans. Was Hiashi wohl eher störte, war dass diese Kleidung Hinatas schlanke Statur und ihre kleine Oberweite auf das Vorteilhafteste präsentierte.

"Was ist das?"

Hiashi nickte unmerklich dem kleinen Pflaster an Hinatas Schläfe zu.

"Das...? Da bin ich gestürzt..."

Hiashis Brauen rutschten um eine Winzigkeit nach oben. Hinata rüttelte sich innerlich, um nicht gescholten den Kopf zu senken.

"Vater, ich würde gern... selbst entscheiden, wen ich heirate."

Für jeden normalen Menschen hätte diese Forderung lächerlich geklungen, da man davon ausging, dass gerade diese Wahl bei Hinata lag. Hiashi brachte das ein wenig aus der Fassung, obwohl das nicht nach außen drang.

"Dazu hast du kein Recht."

Hinata hörte Naruto scharf einatmen, glücklicherweise beherrschte er sich noch und platzte nicht mit einer seiner typischen Proteste heraus.

"Vielleicht habe ich das, wenn es so weit ist.", erwiderte sie unbeirrt.

"Weil Naruto-kun es nicht zulassen wird. Und er wird Hokage werden."

Womöglich zum ersten Mal in ihrem Leben sah Hinata ihrem Vater in die Augen und sah dort ein winziges Flackern von Unsicherheit, obwohl er ihr lediglich stoisch zu lauschen schien. Es war nicht viel, ein kleiner Riss in einer gigantischen Mauer, aber es war genug, um sie zu ermutigen. Vermutlich würde es Jahre dauern, die Mauer zu richtig überwinden, vorerst reichte es ohnehin, sich sozusagen einen Tunnel zu graben.

"Tatsächlich?", meinte Hiashi leise spöttisch. Hinata ging nicht darauf ein.

"Ich will ein Mal in meinem Leben etwas Zukunftsbeeinflussendes tun... was ich will. Wenn du mich nicht lässt, wirst du nicht nur etwas tun, wozu du kein Recht hast, sondern dich in denselben Käfig sperren, in den du deinen Bruder gesperrt hast."

Hinata lauschte mit einer gewissen grimmigen Genugtuung dem unterdrücken nach Luft Schnappen. Hizashi und die Hintergründe seines Lebens und Todes waren ein Tabuthema, und wenn altehrwürdige Clanmitglieder, die das Ganze persönlich miterlebt hatten, sich nicht trauten – sie nannten es 'respektieren' – es jemals zur Sprache zu bringen, warum dann ausgerechnet sie?

"Niemand verurteilt dich. Aber... warum müssen wir unbedingt darauf warten, dass jemand anders unsere Probleme mit Gewalt löst?! Vor allem, wenn wir sie schon so lange mit uns herumtragen?!"

Hiashis Blick nagelte sich an ihr fest. Hinatas Wangen brannten vor Eifer und zu lange unter Verschluss gehaltener Gedanken.

"Was willst du?", spie er hervor. Hinata streckte die Hand aus und packte Narutos Ellbogen – den bekam sie als Erstes zu fassen.

"Mit Naruto-kun ausgehen."

Hanabi hüstelte. Das Ganze steigerte sich zu einem ausgewachsenen Hustkrampf, in den sich hin und wieder Brocken von Gekicher mischten.

"Wie bitte?"

Es war beinahe still, selbst die anderen, die nichts mit dem Hyuga-Clan zu tun hatten, schwiegen. In Nejis Augen spiegelte sich fast so etwas wie Hoffnung, was niemand außer Hiashi sah.

Warum sollte gerade Neji, der sich so an die Traditionen und das Schicksal klammerte, Hinatas Idee vom 'Neubeginn' herbeiwünschen?

"Es wäre ein Anfang. Ich... möchte wirklich gern."

Hinata atmete tief durch und neigte den Oberkörper, eine Verbeugung um exakte 45 Grad. Naruto beobachtete ihre Geste verwirrt und entschied kurzerhand, dass er ein ähnliches Vertrauen in sie beweisen konnte und imitierte die Verbeugung ungeschickt. Ihm fiel das sichtlich schwer, und trotz Hinatas langen Ponys erkannte er, dass sie sich nervös auf die Lippen biss.

Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis Hiashi Hyuga sich erhaben räusperte.

"Naruto... Uzumaki?", fragte er gedehnt. Naruto richtete sich schicksalsergeben wieder auf. Hiashis Schultern sackten ein winziges Stück nach unten, als ein Teil der Anspannung wich.

"Es sei dir gestattet, meine Tochter Hinata auf ein..."

Hinata, nun auch wieder auf Augenhöhe, biss sich noch fester auf die Lippen. Warum schwieg er? Bitte kein neues miai! Oder neue Einschränkungen!

Hanabi rückte ein wenig näher an ihren Vater heran und raunte ihm zu: "Date, Vater."

"... auf ein Date zu begleiten.", fuhr Hiashi würdevoll fort. Hinatas Knie gaben beinahe nach, und vor Erleichterung und Freude vergaß sie völlig, sich korrekt zu verhalten und ließ sich gegen Naruto fallen.

Allerdings war Hiashi noch nicht fertig. Sein linker Arm löste sich aus der Verschränkung und winkte leicht.

"Kommst du bitte hierher, Neji?"

Auf den Gesichtern sämtlicher anwesender Nicht-Camper zeigte sich ein gewisses Unbehagen, das Neji sehr beunruhigend fand. Lees Mundwinkel kehrten sich nach unten.

"Wenn du nicht so versessen darauf gewesen wärst, mir zu versichern, dass zwischen dir und Tenten weniger als gar nichts war, hätte ich es dir noch sagen können."

"Was sagen?!", schnappte Neji gereizt. Als Antwort drückte Tentens Mutter die Schulter ihrer Tochter und zog ein zusammengefaltetes Blatt aus ihrer Handtasche. Sie entfaltete es, strich es glatt – Neji hätte sie schlagen können für ihre enervierende Sorgfalt – und gab es Tenten.

Tentens braune Augen wurden rund, und ihr gebräuntes Gesicht wurde so ungesund blass, dass Gai sie vorsorglich an den Oberarmen festhielt, falls sie ohnmächtig wurde. Letztes tat sie nicht, dafür verfiel sie in eine Art Schockstarre.

Neji riss ihr das Papier aus der erschlafften Hand.

Es war eine Seite der Klatschspalte des 'Konoha-Runners', einer immens blöden Zeitschrift für unterbelichtete Akademieschüler. Und mitten darauf prangte ein schönes Farbfoto von Tenten, wie sie, bekleidet mit einem kurzen Badehandtuch und tropfnass, eine Neji ähnliche Person anstarrte, die nur ein paar Meter entfernt im Gras stand. Und als Neji aus der fettgedruckten Überschrift und den diversen Untertiteln Worte wie 'Gefühlsrausch', 'verbotene Früchte' und 'Sex im Wald' (das ging ihm besonders nahe) entgegensprangen, verschwamm seine Sicht.

"Was zum Teufel... ist das?!"

"Der Grund, warum wir uns solche Sorgen gemacht haben. Schön atmen, Tenten..."

Neji verstand nicht, wie Tenten jetzt auf die Idee kommen konnte, Bewusstseinstrübungen zu bekommen. Hier ging es um seine Ehre, und sie, die immer ihre robuste Kondition rühmte, hatte nichts Besseres zu tun, als sich von Gai durchschütteln zu lassen! Und natürlich musste sich auch der Rest der Welt einmischen. Mrs. Yamanaka diagnostizierte knallhart 'Ein emotionaler Schock, so hören Sie endlich mit dem Geschüttel auf! Wach bleiben, Mädchen...' und Lee versuchte zu erfahren, warum sie von dieser Titelstory – Titelstory auch noch! – nichts gewusst hatte.

Hinata reckte verhalten besorgt und neugierig den Kopf, und Naruto schien das vorerst egal zu sein. Neji wurde also nur mit Inos Begleitung gesegnet, als er den Weg zu seinem Onkel antrat.

"Das Bild ist eine Fälschung.", erklärte er, um seine Beherrschung ringend. Tenten hatte sich wieder gefasst und schob ihre Mutter weg, die sie wahrscheinlich in den nächsten zehn Sekunden zu einem Schwangerschaftstest nötigen würde.

"Wer ist das denn?", erkundigte Hiashi sich nicht einmal zornig. Seine Neutralität machte es Neji nicht direkt leichter.

"Das weiß ich nicht."

Naruto würgte den Kloß in seinem Hals herunter. Er hatte es lang verborgen, aber der Moment der Wahrheit war dennoch gekommen. Hoffentlich würde Hinata ihr Date nicht sofort kündigen...

"Ich weiß es.", mischte Hanabi sich ein.

"Das war sicher derselbe, der in den letzten Monaten immer Fotos von den Mädchenduschen der Akademie gemacht hat."

In der darauffolgenden, argwöhnischen Stille stupste Ino Neji mahnend an.

"Was ist das für ein Foto?!", flüsterte sie ihm aufgeregt zu.

"Die Antwort habe ich in den letzten paar Sekunden nicht gefunden, Yamanaka.", knurrte Neji ärgerlich. Diese ganze Sache zerrte enorm an seiner Geduld.

"Du kannst das nicht beweisen."

Hiashi schien zum Glück nicht zu glauben, dass es sich bei dem Bild tatsächlich um Neji handelte, demnach hielt sich sein Interesse am wahren Täter in Grenzen – mit anderen Worten, sein Interesse an Tenten.

Hanabi begann, gedämpft auf ihren Vater einzureden. Sie erwähnte des öfteren Dinge wie 'dämlicher Ar-... Sittenstrolch Konohamaru' und 'endlich rächen'. Dieser schien nach dem Sinneswandel seiner ältesten Tochter so oder so leicht zerstreut, zumindest für seine Verhältnisse.

Alles geklärt, schön.

"Neji!", zischte Ino und rammte ihm den Ellbogen in die Rippen. Neji war nicht glücklich, aus seiner Überzeugung gerissen zu werden, dass die Welt groß und gerecht war.

"Spinnst du völlig?! Weißt du, wie Tenten jetzt dasteht?!"

Tentens Gesichtsfarbe hatte sich nicht verändert. Sie wies ihre Mutter mit einem harschen Wort zurück und machte einen Schritt von Lee weg, der sich bemühte, sie zu trösten.

Trösten? Warum trösten? Die Sache war über den Tisch, keine Debatten mehr, und irgendwann war das vergessen. Bis dahin...

"... steht sie nämlich da wie... wie die Hure vom Dienst! Du setzt sie gesellschaftlicher Ächtung aus, schon gemerkt?!"

Die Unruhe war wieder da, und sie schien Tonnen zu wiegen. Erst in diesem Moment erkannte Neji, dass es eigentlich keine Unruhe war, auch kein schlechtes Gewissen und kein Liebeskummer... Es war eine Mischung aus allem.

Das Gefühl, das man hatte, wenn man sich absichtlich vom Himmel abwandte.

"Das ist nicht mehr zu ändern. Sie kommt darüber hinweg.", murmelte Neji gereizt. Inos Blick mit aller moralischer Enttäuschung und Vorwurf traf ihn und füllte das Gefühl in ihm auf wie einen Stausee bei starkem Regen.

"Was denn?!"

Shikamaru schüttelte den Kopf, doch Ino achtete nicht auf ihn.

"In den Arm nehmen. Küssen. Deine Liebe gestehen. Dich zu ihr bekennen."

Sie überlegte kurz und fügte hinzu: "Um ihre Hand anhalten!"

"Übertreib's nicht, Yamanaka."

Ino lächelte vergnügt und klopfte ihm auf den Rücken.

"Na ja, alles zu seiner Zeit. Erst mal das Einfache."

Das Einfache, sicher. Tenten war das absolute Zentrum des Gefühls, das Auge des Hurrikans. Das unerträgliche Gefühl war überall, und es wurde immer stärker, je mehr Zeit verstrich.

Nur im Auge des Hurrikans gab es so etwas wie Ruhe davor.

"Hiashi-sama?"

Hinatas Vater schaute mit leichtem Erstaunen auf. Die meisten der Abgesandten hatten sich bereits zum Gehen gewandt, selbst Naruto zog Hinata an der Hand mit, um sie zum Ichiraku zu bringen – was, wie er betonte, noch nicht das versprochene Date war.

Neji kehrte zurück zum Ausgangspunkt, die chronologische Reihenfolge von Inos Aufzählung genau im Kopf. Er warf Tenten schwungvoll den Arm um die Schultern, sodass sie beinahe stolperte, richtete sie wieder auf und gab ihr einen rauen, ein wenig schlecht gezielten Kuss. Kurz sah er, wie sie ihn entgeistert betrachtete, ohne ihn zu sehen, dann wandte er sich wieder an Hiashi: "Meine Freundin."

Jetzt war es Ino, die den Kopf schüttelte, als Zeichen, dass er etwas Essenzielles vergessen hatte. Neji verdrehte innerlich die Augen, was nicht weiter auffiel, da sein Blut in den Ohren so laut rauschte, dass er glaubte, sich nicht verstehen zu können. Sein Arm, der Tenten hielt, prickelte.

"Meine Freundin, ich liebe sie.", korrigierte er seine Aussage. Hiashi war deutlich anzumerken, dass er mit den Geschehnissen überfordert war.

"Herzlichen Glückwunsch...?"

Tenten lachte, und Neji stellte fest, dass es nicht so schwer war, seinen Arm um ihre Schultern zu lassen. Obwohl Pfirsichblüte alias Himmel mit ihrer ekelhaften Sabberzunge für das Prickeln sorgte.

Ino quietschte leise und warf sich Shikamaru um den Hals.

"Wir werden wieder campen gehen, Shika!"

Vermutlich. Und sie würden wohl noch ein bisschen länger... so sein.
 

Ende
 

An dieser Stelle Danke an alle, die bis hierhin durchgehalten haben. Eigentlich sollte ein Werk ohne wirkliche Handlung keine Länge von stolzen 102 Seiten erreichen... Aber ich kann mich nicht kurz fassen.

Aliane



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Von:  Sherry-Yumi
2009-05-04T18:21:27+00:00 04.05.2009 20:21
Deine FF war große Klasse!!!!
Es hat total viel Spaß gemacht sie zu lesen!
Ich liebe deinen Schreibstil!
Ich weiß gar nicht was ich noch sagen könnte, ich bin noch so geplätet vom schluss!x'D
Irgendwie schade, dass sie aus ist! >.<
Ich hoffe du schreibst noch mehr so tolle FF's!
xxx
Von: abgemeldet
2009-04-04T19:26:52+00:00 04.04.2009 21:26
toll hat spaß gemacht dein ff zu lesen
war an vielen stellen echt lustig
ich hoffe du schreibst weiter solche storys

aber ich hätte einen kleine tipp an dich
der echt nur gut gemeint is
umd deine storys besser lesen zu können solltest du mehr absetze machen
dass macht das lesen einfacher
(mir hat man das auch gesagt)
vielleicht beherzigst du meinen ratschlag ja

LG Sayuri_Uchiha!!
Von: abgemeldet
2009-04-03T13:54:00+00:00 03.04.2009 15:54
oh man wie gemein!!
aber immer drof auf shikamaru!!
Von: abgemeldet
2009-04-03T13:34:01+00:00 03.04.2009 15:34
genial!! echt der wahnsinn
besonders shikamarus maum!!
die kommt am aller geilsten
echt jetzt!
Von:  june-flower
2008-11-04T21:21:54+00:00 04.11.2008 22:21
Also sind wir hier am Ende^^

Meinen Glückwunsch. Es war ein Vergnügen, deine Ff zu lesen, sei sie mit oder ohne wirkliche Handlung. Klischees, Romantik-Schmu, Wortwitz und sinnlose Diskussionen haben eine wirklich schöne Mischung zusammengebracht... Vielen Dank.

Gut ist es, dass Neji selbst bei dem allgemeinen Ausbruch von einem Happy End realistisch und immer shcön zynisch bleibt. Klar, hinterher kommt selbst er zu seiner gehörigen Portion Liebesbeweis, aber ich würde es als "gezwungenermaßen" betrachten... Nicht, dass ich mir gerne vorstelle, dass Neji nur zu Tenten steht, weil er sie ansonsten "gesellschaftlicher Ächtung" aussetzt. Lieber bin ich klassisch naiv und denke mir mal, er meinte es ernst.
Das Fußballspiel ist traumhaft, vor allem, weil zu Anfang nicht alle von der Idee begeistert sind. Es gibt immer einige Personen, die zu ihrem "Glück" gezwungen werden müssen, und die, die selbst nach wirklich lustiger Spielzeit immer noch keinen Spaß an Mannschaftsspielen haben... Insofern ist es wirklich realistisch gelungen. Dank deiner tollen Fähigkeiten der Beschreibung hatte ich das Gefühl, direkt daneben zu stehen, und hab mich mindestens genauso kindisch und kitschig amüsiert wie Hinata und Co. Besonders gelungen ist dir auch Hinatas Darstellung: immerhin ist sie sehr schüchtern. Sie würde nicht von Anfang an laut rumbrüllen und kichern. Diese kleine Wandlung, die sich im Laufe des Spieles mit ihr vollzieht, ist sehr schön.

Zu Anfang haben mich Tentens Mückenstiche wirklich in den Wahnsinn getrieben. Wenn du die Absicht hattest, das zu tun, dann ist es dir wirklich herausragend gelungen! Trotzdem war es ein wenig enervierend, immer wieder von ihren Juckreizen zu lesen...

Alles in Allem aber wieder eine unglaublich schöne Geschichte! Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder die Gelegenheit haben werde, etwas von dir zu lesen.

Bis dahin alles GUte,

june
Von:  june-flower
2008-11-04T20:52:43+00:00 04.11.2008 21:52
Hallo!

Ich hab nach etwas längerer Zeit wieder mal hierhergefunden und freu mich, dass du weitergeschrieben hast! Ich hab zwar sauschlechte Laune gehabt, aber jetzt gehts mir besser. Ob das für dich schmeichelhaft klingt, weiß ich nicht, ich sag trotzdem Danke.

Wie immer war das Kapitel wirklich klasse und ich bin erleichtert zu sehen (lesen, hören), dass selbst Ino und Shikamaru irgendwie zu Rande kommen. Und logisch - auch über die Tatsache, dass das Wort Kinesiologie erklärt wurde. Geschickt eingefädelt!
Ein wenig unrealistisch ist es schon, wie Shikamarus Laune plötzlich von "Ino ist eine Nervensäge" auf "Ok, doch ganz süß" umzuspringen scheint. Vielleicht war sein Gehirn nach dem plötzlichen Neustart noch nicht ganz wach. Ich bin ziemlich stolz auf mich, dass ich das Zitat erkannt hab - und mir gefällt Inos Wort"witz" mit dem Augenblick sehr. Manchmal ist sie wirklich klüger, als sie scheint - aber ein Zeltlager einzuzäunen (Woher hatte Shikamaru eigentlich den Drahtzaun?), nur, weil eine Hirschkuh neben dem Zelt steht, ist wirklich eine hirnverbrannte Idee! Typisch. Klasse finde ich es wirklich, dass du sie "Nachts" ganz anders sein lässt: Süßigkeitenliebend, nicht auf ihre Frisur und Figur achtend (dabei legt sie sonst immer so großen Wert darauf, nicht), unperfekt und sogar intellektuell. Mal Ino ganz anders... Ob sich das bis zum Morgen wieder ändert?

Hohes Niveau hatten teilweise die Dialoge^^ Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen. Besonders die Zustimmungs-Sache von Shikamaru und die wirklich fiese Anspielung, Frauen seien Wesen mit einem lediglich zweistelligen IQ.

Rechnest du mit Klischees ab? War mal Zeit. Ich liebe sie, wenn sie wohlproportioniert eingesetzt werden... Deshalb war dieses Kapitel wieder einmal ein Genuß.

Ich hab mir diesmal Mühe gegeben, ein wenig Kritik aufzustöbern. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist. Ich hoffe, es wirkt nicht allzu gräßlich.

Bis dann also

june
Von:  Norexan
2008-10-23T09:56:30+00:00 23.10.2008 11:56
Ich finde dioe FF sehr lustig. Das beste ist Teil mit Tenten und Neji. Wenn du eine Kurzfassung davon geschjrieben hättest wäre sie auch nicht so gut geworden wie jetzt.
mfg Norexan
Von:  moonlight_005
2008-10-22T21:47:13+00:00 22.10.2008 23:47
Herzlichen Glückwunsch zur Fertigstellung :)

Zufälliger Weise stolpere ich immer genau am Tag der Entstehung eines neuen Kapitels darüber. Muss wohl Schicksal sein, aber ich bereu es nicht XDD

Nun ... jetzt zum Kapitel... irgendwie sitze ich jetzt immer noch mit megabreitem Grinsen vorm PC und kämpfe damit mir das Lachen zu verkneifen. Ich liebe einfach deine Wortwahl und diesen leisen, sarkastischen Unterton XDD Charaktere sind super dargestellt und die Harmonie zwischen Romantik und Humor könnte nicht besser sein. Ich finde, dass dieses Kapitel ein wirklich schöner Schluss ist, du bist dir bis zum Ende treu geblieben, egal , ob das jetzt viele gelesen haben oder nicht. Für mich ist dies eine der besten Fanfictions, die ich je gelesen habe. Unter den Lustigen, bist du auf jeden Fall ganz vorn mit dabei ^^
Und du hast sogar etwas Tiefgang drin. Den letzten Satz finde ich einfach schön, mit diesem 'so' Das ist doch mal ne Aussage ^^

Also ist es wohl doch nicht ganz so sinnlos wie du gedacht hast, es gibt zumindest viel sinnlosere Klischee-ff, dieses hier ist was ganz Neues ^^

Ach ja, besonders diese sarkastischen Gedankengänge von Neji fand ich genial und er ist dabei trotzdem nicht ooc geraten XDD Der letzte Abschnitt war auch genial ^^

Ich werde deine FF wirklich vermissen, sie war immer ganz große Klasse und ich habe mich wirklich über jedes Kapitel gefreut ^^ Ich weiß ja, dass du keine ENS verschickst, aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn du mir Bescheid sagst, wenn du noch mal was schreibst. Vor allem NejiTen, da bin ich ein hoffnungsloser Anhänger ^^

hdl
moony
Von:  moonlight_005
2008-07-20T21:08:31+00:00 20.07.2008 23:08
Hey ^^

Ich freu mich, dass es endlich weiter geht. Ehrlich, ich habe viele ffs gelesen, aber keine, die Romantik und Humor so toll verbindet. Es ist eben eine ganz andere Story als die meisten.
Da du nun auch noch Happy End schreiben willst, finde ich es natürlich doppelt toll XD Klar, ich hab auch schon Bad - Ends gelesen, aber zu 'Summer in Konoha' passt es einfach nicht. Das heißt, es wird eine Fanfiction von einer sehr guten Länge und tollem Inhalt.

Ich würde dir gerne konstruktive Kritik schreiben, bin aber so begeistert, dass ich diesmal einfach nichts finde ^^ Sie gehört einfach zu meinen Lieblingsgeschichten.

Danke zur Aufklärung der Frage nach der Kino ... ich weiß das Wort nicht mehr ^^ ---> Also diese Zweideutigkeit ...XD

Bis zum nächsten Mal

moonlight_005
Von:  Otakuplant
2008-07-14T14:35:38+00:00 14.07.2008 16:35
Yay! Endlich gehts weiter ^^ Super, das du ein happy End ins Auge gefasst hast *sowas mag* Also, das war mal wieder ein supertoll geschriebenes Kappi, ich kann das nächste gar nicht erwarten ^_^ Lass deine Fans bitte nicht zu lange warten, ok? ^^
Achja, und... ERSTE!


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