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Ai No Kiseki

Wunder der Liebe
von

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Three Lights

Ende April veranstaltete Mrs. Tenô eine Grillparty in ihrem Garten. Sie lud die Kaious und einige andere Nachbarsfamilien dazu ein. Schon am frühen Morgen schleppten Lieferanten Kartons durchs ganze Haus in den Garten, ein Büfett wurde aufgebaut und Mrs. Tenô hastete von einem zum anderen und kommandierte alle herum. Fiffi sprang den Lieferanten zwischen die Beine und bellte sich die Seele aus dem Leib.

Haruka wurde von ihrer Tante dazu verdonnert, ein rückenfreies kurzes, hautenges schwarzes Kleid mit dünnen Trägern anzuziehen, in dem sie sich vorkam wie die Wurst in der Pelle. Aber sie sagte nichts. Inzwischen hatte sie herausgefunden, daß es sinnlos war, sich mit Himeko Tenô zu streiten. Die Tante hatte den selben Sturkopf wie sie.

„Und wehe, du benimmst dich wie ein Junge und nicht wie eine junge Dame!“ drohte Himeko Tenô. Sie trug ein dunkelblaues langes Abendkleid und war wie immer stark geschminkt. An ihren Ohren baumelten lange Ohrgehänge. Haruka fragte sich, wie sie es schaffte, stets wie eine Dame von Welt zu wirken.

„Hast du gehört, Haruka?“ Die Tante ließ nicht locker.

Haruka verdrehte die Augen. „Jaaa“, murmelte sie genervt.

Michiru und ihre Familie kamen zuerst. Mrs. Kaiou sah wie immer klasse aus und Mr. Kaiou, den Haruka bis jetzt noch nicht gekannt hatte, wirkte wie ein engagierter Geschäftsmann. Michiru sah – wie immer – bezaubernd aus. Haruka beobachtete sie heimlich. Sie trug ein langes weißes Kleid, das mit weißen Rosen verziert war. Es war recht weit ausgeschnitten und hatte dünne Träger. Ihre zierliche Figur und ihre schmalen Schultern kamen perfekt zur Geltung. Die langen türkisfarbenen Locken hingen ihr offen den Rücken herunter, lediglich durch eine Spange aus dem Gesicht gehalten. Ihre meerblauen Augen leuchteten, und sie hatte eine kleine Goldkette um den Hals, die auf ihrer weißen Haut schimmerte.

Nachdem Michiru Mrs. Tenô begrüßt hatte, wandte sie sich Haruka zu. Sie musterte sie von oben bis unten und stieß dann einen anerkennenden Pfiff aus. Das kam so spontan, daß sie rot wurde, und als sie Harukas Blick begegnete, mußten beide lachen. „Du siehst aber wirklich toll aus“, versicherte Michiru bewundernd. „Richtig sexy. Das Kleid steht dir perfekt und sitzt wie angegossen.“

„Danke, aber ich fühl mich schrecklich eingeengt“, stöhnte Haruka. Sie sah Michiru an. „Aber ich kann das Kompliment zurückgeben, Michiru, du siehst super aus.“

Michiru wurde rot und wandte den Kopf. Ihre Locken fielen ihr ins Gesicht, und sie sah unheimlich süß aus.

„He, Michie-Chan, willst du uns deiner neuen Freundin nicht vorstellen?“

Haruka hatte gar nicht bemerkt, daß noch andere Gäste gekommen waren. Darunter waren ein junges Mädchen, das etwas älter als Haruka und Michiru schien, und drei junge Männer, die Haruka von irgendwoher bekannt vorkamen.

Michiru drehte sich nach ihnen um. „Hallo“, grüßte sie. „Sieht man euch auch mal wieder? Ich dachte, ihr wärt auf Tournee.“

„Eine Pause ist immer mal nötig“, sagte einer von ihnen.

Haruka runzelte die Stirn. Sie konnte sich nicht helfen, aber irgendwo hatte sie die drei schon mal gesehen. Sie warf Michiru einen fragenden Blick zu.

Michiru lachte. „Ich sehe, du kennst sie“, bemerkte sie belustigt.

„Kennen ist übertrieben, aber von irgendwoher kommen sie mir bekannt vor...“

Der Schwarzhaarige verschränkte die Arme. „Ts!“ meinte er. „Und ich dachte, wir wären bekannt...“

„Three Lights“, erklärte Michiru. „Das sind Seiya, Yaten und Taiki von der Popgruppe Three Lights.“

Haruka sah sie ratlos an. „Three Lights?“ echote sie verwirrt. „Das kommt mir bekannt vor, aber im Augenblick... sorry.“

„Ts!“ wiederholte der Schwarzhaarige wieder und sah demonstrativ in die andere Richtung.

„Ich bin Kaiou Taiki“, sagte der Braunhaarige lächelnd. „Es sieht meinem Schwesterchen ähnlich, nicht zu erwähnen, daß ihr Bruder zu Three Lights gehört.“

Verblüfft starrte Haruka den gutaussehenden jungen Mann in dem sandfarbenen Anzug an. Ihr Blick schweifte zu Michirus Vater, der das gleiche braune Haar und die gleichen dunklen Augen und den selben ehrgeizigen Ausdruck im Gesicht hatte. Dann ging ihr ein Licht auf. „Ihr... seid die bekannte Popgruppe Three Lights, die Todokanuomoi gesungen hat?“

„Sind wir“, erklärte der Schwarzhaarige eingeschnappt. „Und du bist die, die uns nicht sofort erkannt hat!“

„Und du hältst die Klappe!“ warf der dritte von ihnen ein. Er sah Haruka an. „Entschuldige bitte, aber Seiya ist manchmal etwas kindisch. Nimm’s ihm nicht übel, er kann nicht anders. Übrigens, ich bin Yaten. Ich spiele Keyboard in der Gruppe.“

„Hi“, grüßte Haruka.

„Kou Seiya ist der Frontsänger der Three Lights“, erklärte Michiru. „Er kann es auf den Tod nicht leiden, wenn ihn jemand nicht kennt. Stimmt’s, Seiya?“ Sie lachte.

„Worauf du dich verlassen kannst, Schätzchen!“ konterte Seiya, legte einen Arm um ihre Schultern und zwinkerte ihr zu.

Haruka war leicht irritiert, als sie das sah, sagte aber nichts. Sie bemerkte den Blick, mit dem Seiya Michiru von der Seite ansah, und aus unerfindlichen Gründen konnte sie ihn nicht ausstehen.

„Tut mir leid, daß ich dir nichts von Three Lights erzählt habe, Ruka“, sagte Michiru. „Aber weißt du, ich hasse es, wenn die Leute nur wegen meines Bruder mit mir befreundet sein wollen. Das ist mir schon oft passiert, und am Anfang hieß es überall in der Schule nur „das ist die, deren Bruder zu Three Lights gehört“. Und plötzlich wollte jeder mit mir befreundet sein und alle kamen „zufällig“ vorbei, wenn Taiki Zuhause auf Besuch war.“

„Ich bin acht Jahre älter als Michie“, erklärte Taiki, der Harukas verwirrten Blick bemerkte. „Wir sehen uns kaum. Eigentlich sind wir Halbgeschwister. Ich lebe bei meiner leiblichen Mutter.“

Er sagte nicht, daß er das Kind einer Affäre von Mr. Kaiou mit einer anderen Frau war, aber es war auch so offensichtlich, was er meinte und warum Michiru es vermieden hatte, von ihrem Halbbruder zu sprechen.

Plötzlich räusperte sich jemand. Es war das junge Mädchen an Taikis Seite.

„Das ist Meio Setsuna“, stellte Michiru sogleich vor und wandte sich aus Seiyas Umarmung. „Sie ist die Freundin von Taiki. Setsuna studiert an einer Universität in Amerika Design. Ihre Eltern wohnen hier in der Straße, und wir kennen uns gut.“

Setsuna lächelte Haruka freundlich an. Sie war groß und schlank und hatte eine Figur wie ein Model. Ihr langes grünschwarzes Haar hing ihr offen den Rücken herunter, und sie trug ein hübsches, dunkelrotes Kleid, das ihr gut stand.

Mrs. Tenô kam zu den jungen Leuten hinüber. „Wie ich sehe, habt ihr euch schon miteinander bekannt gemacht“, sagte sie. „Ich hoffe, Sie und Ihre Kollegen bleiben eine Weile hier in Tokio, Taiki.“

„Oh ja, wir haben vor, ein paar Monate auszuspannen“, erwiderte Taiki freundlich lächelnd und legte seinen Arm um Setsunas Schultern.

„Auch ich werde einige Zeit hierbleiben“, sagte diese. „Taiki und ich sehen uns so selten, und wir wollen endlich mal wieder etwas Zeit für einander haben.“

„Das ist schön“, sagte Mrs. Tenô. Sie deutete auf den Grill und das Büfett. „Es ist angerichtet.“

„Das lasse ich mir nicht zweimal sagen“, rief Seiya. Er nahm Michirus Hand. „Komm, Schätzchen, sonst ist nachher alles weg! Oh, und einen Tanz mußt du mir auch noch reservieren, versprochen?“

„Versprochen“, lachte Michiru.

Yaten und Taiki blieben mit Mrs. Tenô und einigen anderen Nachbarn auf dem Rasen zurück. Haruka ging ein paar Schritte, aber sie hatte auf einmal keinen Hunger mehr. Statt dessen beobachtete sie, wie Seiya und Michiru am Büfett standen und zusammen über irgend etwas lachten und sich anscheinend königlich amüsierten. Michiru strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn, warf den Kopf zurück und blinzelte ins Sonnenlicht. Ihre Augen glitzerten. Haruka konnte nichts dafür, sie mußte immer wieder zu ihr hinsehen.

„Hübsches Mädchen, nicht wahr?“ fragte plötzlich jemand neben ihr.

Erschrocken wandte Haruka den Kopf. Meio Setsuna lehnte an dem Pfosten, der den Balkon abstützte und sah sie seltsam wissend an.

„Ja und?“ erwiderte Haruka patzig und drehte sich weg. Während sie zum Büfett ging, fragte sie sich, warum sie eigentlich so reagiert hatte. Was hatte Meio Setsuna anderes gesagt als Hübsches Mädchen, nicht wahr? Haruka verfluchte sie, und sie verfluchte Three Lights – ganz besonders Kou Seiya – und die ganze Grillparty.

Seiya und Michiru kamen mit ihren Tellern zu ihr hinüber. „Möchtest du was abhaben?“ fragte Michiru und hielt ihr auffordernd den Teller hin. „Der Kartoffelsalat schmeckt großartig. Probier mal.“

„Nein danke.“ Haruka hatte keinen Appetit mehr. Sie wollte Michiru ganz für sich allein, wie sie sich selbst eingestehen mußte. Aber Seiya machte dies ganz unmöglich. Den ganzen Abend schwänzelte er um Michiru herum, erzählte schmutzige Witze, schilderte das Showbiz und gab damit an, wieviel Liebesbriefe er täglich von seinen Fans bekam. Haruka mochte ihn von Minute zu Minute weniger.

Yaten, Taiki und Setsuna hatten sich wieder zu ihnen gesellt. Yaten unterhielt sich eine Weile mit Haruka, aber die beiden waren wohl zu verschieden, um befreundet zu sein. Yaten verabscheute jegliche körperliche Anstrengung, wie sich herausstellte, und sein großes Interesse galt dem Fotografieren und natürlich seinem Keyboard. Auch Taiki war eher der etwas ruhigere, introvertierte Typ. Er und Setsuna lächelten sich ständig verliebt an und hielten Händchen.

Seiya war sportlich, und er war hitzköpfig und stur, genau wie Haruka. Vielleicht waren sich die beiden einfach zu ähnlich, um wirklich Freunde zu werden. Michiru schien Seiya zu mögen, die beiden unterhielten sich den ganzen Abend. Aber Seiya sprach nicht mit Haruka und Haruka nicht mit Seiya.

Setsuna, die auch eher etwas ruhiger war, sah Haruka immer wieder mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an, so als wisse sie etwas, daß Haruka selbst noch nicht erkannt hatte.

Als Seiya von einer Nachbarin in ein Gespräch verwickelt wurde, zog Michiru Haruka beiseite.

„Du magst ihn nicht, oder?“ fragte sie leise.

„Wen?“ fragte Haruka zurück, obwohl sie sehr genau wußte, wen Michiru meinte.

„Tu nicht so. Ich meine natürlich Seiya. Ich merke, daß du ihn nicht magst. Das spüre ich. Schon allein der Blick, mit dem du ihn ansiehst...“

Haruka verschränkte die Arme. „Du hast recht“, gab sie zu. „Ich mag ihn nicht. Wenn ich dich wäre, würde ich mich von ihm fernhalten. Seiya ist gefährlicher als der Wolf im Schafspelz!“

„Was für ein Vergleich!“ spottete Michiru.

„Schon allein die Art, wie er sich an dich ranmacht, ist mehr als plump“, fuhr Haruka unbeirrt fort.

Michiru sah sie verblüfft an. „Wie er was?“

„Das mußt du doch merken“, wunderte sich Haruka. „Er sieht dich an, als wolle er dich im nächsten Augenblick küssen, und dazu schafft er es keine Minute, dich mal nicht zu umarmen oder „zufällig“ zu berühren.“

„Ach, du beobachtest uns also, ja?“ fragte Michiru spitz.

„Das fällt selbst dem größten Idioten auf“, erklärte Haruka kühl. „Aber bitte, das ist deine Sache und geht mich nichts an.“

„Das stimmt“, sagte Michiru ruhig. Da kamen Taiki und Setsuna zu ihnen und sie sprachen nicht weiter über die Sache.

Und doch – irrte sich Haruka oder wich Michiru Seiyas Umarmungen wirklich aus?

Nach dem Essen sollten Three Lights auftreten. Die drei bauten ihre Kulisse auf, während sich Haruka, Michiru und Meio Setsuna ins Gras setzten.

„Vielleicht hattest du ja recht“, meinte Michiru leise zu Haruka. „Möglich, daß Seiya mich tatsächlich angemacht hat. Aber du weißt ja – no chance.“

Haruka runzelte die Stirn. „Wie dem auch sei, ich mag ihn trotzdem nicht“, knurrte sie.

„Seiya?“ warf Setsuna ein und streckte sich lang auf dem Rasen aus. „Na, komm! Ich kenne Seiya jetzt schon seit einiger Zeit, und er ist und bleibt nun mal ein Casanova, aber er ist schwer in Ordnung, wirklich!“

Na großartig, dachte Haruka, dann soll er sich doch auch so benehmen.

Michiru stand auf, um ihrem Bruder beim Tragen des Schlagzeugs zu helfen. Yaten spielte sich auf dem Keyboard ein, und Seiya schloß das Mikro an.

Setsuna lehnte sich zu Haruka hinüber. „Seiya... war schon immer in Michie verliebt“, erzählte sie. „Schon als er sie das erste Mal gesehen hatte, war es um ihn geschehen. Er betet sie an. Weißt du, auf den ersten Blick sieht es vielleicht nicht so aus, als ob er tiefere Gefühle empfinden könnte, aber er tut nur immer so oberflächlich und cool. In Wahrheit ist er ganz anders.“

Diese Nachricht baute Haruka nun auch nicht gerade auf, im Gegenteil. Sie beobachtete mit zusammengekniffenen Augen, wie Michiru sich nach einer Kabelrolle bückte und Seiya sofort zu ihr hin rannte und sie ihr aus der Hand nahm. Michiru sah auf und lächelte ihn an, und Seiya lächelte zurück. Seine dunkelblauen Augen funkelten in der Sonne. Die Kabelrolle fiel ins Gras, und Seiya fixierte Michiru, als habe er noch nie ein hübsches Mädchen gesehen. Dann wurde er rot und bückte sich, um die Rolle aufzuheben. Michiru bückte sich ebenfalls, und ihre Hände berührten sich.

Haruka wandte den Kopf zur Seite. Sie konnte das nicht mit ansehen. Michiru war ein kluges Mädchen, wieso fiel sie auf diesem Schleimer herein?

Setsuna, die sie beobachtet hatte, lachte. „Kopf hoch“, flüsterte sie. „Michie weiß schon, was sie tut. Vertrau ihr einfach.“

Überrascht sah Haruka sie an, aber Setsuna sagte nichts mehr, sondern fing an, mit ihren langen Haaren herumzuspielen.

Michiru kam zurück und warf sich neben Haruka ins Gras. „Paßt auf, sie fangen gleich an“, rief sie aufgeregt.

„Someday... somebody?“ fragte Setsuna, und Michiru nickte.

Taiki saß am Schlagzeug und Yaten am Keyboard. Seiya stand vorne am Mikro und fing an zu singen.

„In meinem Zimmer kann ich den ersten Hauch des Frühlings spüren, den Tanz der Sonnenstrahlen in der Luft, der Wind, der über meinen Schreibtisch saust, und durch die Seiten meines Buches fährt. Meine Melancholie weicht einem Lächeln.“

„Eins muß man ihm lassen, singen kann er“, wisperte Haruka.

Setsuna grinste, und Michiru zischte: „Pst! Ich will das Lied hören!“

Seiya fuhr fort: „Dreaming – ich träume von einer Chance für die Liebe. Tell me – sag mir, daß so etwas nicht im Lexikon steht! Ich klappe meine Hefte zu. Dreaming – der Wind bläst mir die Haare ins Gesicht. For you – für dich habe ich ein Shampoo mit Frühlingsduft benützt. Ich hab ein gutes Gefühl für heute.“

Das Lied gefiel Haruka, obwohl sie sich aus Liebesliedern eigentlich nichts machte und Boygroups bisher „zum Kotzen“ und „nur was für Groupies“ gefunden hatte.

„Immer, wenn ich sonst die Straße entlang gehe, kommen mir Liebespaare entgegen. Sie lächeln sich an, und flüstern sich zärtliche Worte ins Ohr. Eines Tages wird jemand kommen, der genauso meinen Namen flüstert und ich werde ihm mit einem Lächeln antworten. Dreaming – ich träume vom Zauber der Liebe. Tell me – sag mir, daß ich mit dir eine Chance habe! Ich wünsche es mir so sehr. Dreaming – heute kann ich mich nicht aufs Lernen konzentrieren. For you – ich empfinde so viel für dich! Komm ganz schnell zu mir! Heute ist der Tag, an dem sich alles für mich verändert hat. Was denkst du, wie würde ich wohl in einem weißen Kleid aussehen? Heute möchte ich mich so richtig verlieben...“

Als Seiya geendet hatte und der Klang des Schlagzeugs und des Keyboards verklungen waren, klatschten die Gäste. Seiya, Yaten und Taiki verbeugten sich.

„Jetzt brauch ich erst mal was zum Trinken“, rief Yaten und nahm sich eine Flasche Mineralwasser vom Tisch. Setsuna stand auf und half Taiki beim Aufräumen. Seiya kam zu Harukas Mißmut auf Michiru zu und hielt ihr eine Flasche Sekt unter die Nase. „Laß uns anstoßen, Schätzchen“, rief er.

Schätzchen, dachte Haruka grimmig und runzelte die Stirn.

Michiru hakte sich bei Seiya unter und ging mit ihm an Haruka vorbei. Seiya sah Haruka an. „Huch“, spottete er, „wenn du noch länger so grimmig dreinschaust, wird dein Gesicht faltig, Schätzchen!“

„Halt die Klappe“, knurrte Haruka.

Seiya wollte etwas erwidern, aber Michiru zog ihn weiter und warf Haruka einen entschuldigenden Blick zu.

Yaten gesellte sich zu Haruka. „Ich hab gehört, du spielst Klavier?“ fragte er.

„Woher weißt du das schon wieder?“

„Von deiner Tante. Willst du mal was auf meinem Keyboard spielen?“

Haruka seufzte, als sie sah, wie Michiru und Seiya eine Sektflasche öffneten. Um sich abzulenken, nickte sie und ging mit Yaten zu dessen Keyboard. Taiki und Setsuna gesellten sich dazu, und bald waren sie in ein Gespräch über Musik vertieft. Haruka gelang es sogar, Michiru und Seiya für eine Weile zu vergessen.

„Wo ist eigentlich mein Schwesterchen abgeblieben?“ fragte Taiki nach einer halben Stunde plötzlich.

„Seiya“, knurrte Haruka, allerdings so leise, daß niemand es hörte.

„Ich glaube, sie ist mit Seiya zusammen“, antwortete Setsuna.

Sie fanden die beiden hinten im Park. Seiya hielt eine leere Sektflasche in der einen Hand und eine halbvolle in der anderen. Michiru saß im Gras und hatte ein leeres Glas neben sich stehen. Sie wirkte seltsam müde und hatte rote Wangen.

„Da seid ihr ja“, bemerkte Yaten. Er und Seiya fingen ein Gespräch über die bevorstehende Tournee an, an dem sich Taiki und Setsuna beteiligten.

Haruka beugte sich zu Michiru hinunter. „Hey, alles okay mit dir?“ erkundigte sie sich besorgt. „Du bist so still.“

„Klar... al... alles ok...ay...“, murmelte Michiru.

„Michiru, wieviel hast du getrunken?“ fragte Haruka mißtrauisch.

„Wieviel... eins Glas... zwei, drei... fünf, vier, sieben... ach, ich habe... vergessen... ich weiß nicht... Ruka, mir ist schlecht!“

Michiru hielt sich am Zaun fest und wollte aufstehen, verlor aber das Gleichgewicht und fiel gegen Haruka, die sie festhielt.

Haruka stöhnte. „Michiru, du bist sturzbetrunken“, schimpfte sie leise. „Warum hast du soviel Sekt getrunken?“

„Ich bin nicht... betrunken“, lallte Michiru und klammerte sich an sie. „Aber Ruka, warum dreht sich denn alles? Überall! Der Boden wackelt so... alles ist so... durcheinander...“

Haruka warf Seiya wütende Seitenblicke zu. Das war also dein feiner Plan, Mr. Schleimer, dachte sie grimmig. Du wolltest sie betrunken machen, um sie rumzukriegen.

„Ruka, halt mich... fest!“ Michiru schrie auf, als sie erneut das Gleichgewicht verlor. Haruka fing sie gerade noch auf und hielt sie fest.

Erschrocken hatte sich Taiki umgedreht. „Michie-Chan, was ist los mit dir?“ fragte er besorgt.

„Tai-Chan, mir ist so schlecht“, stöhnte Michiru und hielt sich den Kopf. „Ich glaube, ich muß... muß mich übergeben... übergeben... uhhh...“

„Um Gottes Willen!“ entsetzte sich Taiki. „Du bist ja total betrunken! Seiya! Du weißt doch wohl sehr gut, daß sie keinen Alkohol verträgt!“

„Das hab ich vergessen, tut mir leid.“ Seiya wirkte ehrlich zerknirscht.

„Zum Streiten ist später Zeit“, unterbrach Setsuna. „Hilf mir, sie rüberzubringen, Taiki, bevor die Gäste was merken. Oh, Michie, stütz dich nicht so an mir ab, du bist schwer.“

Taiki und Setsuna führten Michiru behutsam durch das Hintertor zur Straße, um sie ungesehen nach Hause zu bringen. Als sie außer Sichtweite waren, wandte sich Haruka mit blitzenden Augen an Seiya. „Du Mistkerl, das hast du mit Absicht getan!“ fauchte sie.

„Reg dich ab, Schätzchen, war doch nur Spaß“, grinste Seiya und lehnte lässig gegen den Zaun.

Vermutlich hätte Haruka nicht so ausfällig reagiert, hätte Seiya sie nicht mit „Schätzchen“ angesprochen. Sie haßte es, wenn man sie so nannte. Wütend stürzte sie sich auf ihn und riß ihn zu Boden.

„Wollt ihr wohl aufhören!“ schimpfte Yaten.

Haruka war kräftig und durchtrainiert. Sie hätte es locker geschafft, gegen drei Jungs anzukommen. Aber Seiya war stärker, als sie angenommen hatte. Er warf sie mit einer erschreckenden Leichtigkeit zurück und stürzte sich nun seinerseits auf sie. Keuchend wälzten sich die beiden am Boden.

„Seid ihr eigentlich noch ganz dicht!?“ schrie Yaten und packte Seiyas Arm. „Seiya, laß Ruka sofort los! Seiya, hast du was mit den Ohren? Ruka ist ein Mäd... Seiya!“

Seiya hatte Haruka einen Faustschlag in die Magengegend verpaßt. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Körper, und sie krümmte sich und preßte die Hände gegen den Bauch. Seiyas Faust traf ihr Auge, dann ihre Nase, und sie fühlte klebriges Blut über ihre Wange rinnen. Sie wehrte sich und trat ihm mit voller Wucht in die Leistengegend. Seiya schrie auf, ließ sie aber nicht los. Seine Arme hielten sie fest und schlugen erneut auf sie ein. Schritte und Stimmen ertönten. Haruka glaubte, ihre Tante zu hören. Sie konzentrierte sich ganz auf ihren Gegner, aber Seiya verpaßt ihr einen Kinnhaken. Sie glaubte, ihr Kiefer würde zerbrechen. Sie glaubte, jeden einzelnen Knochen im Leib zu spüren. Ihr war schlecht. Sie ließ sich auf den Rasen zurücksinken. Ihr war alles egal.

„Seiya, verdammt, HÖR AUF!“ brüllte Yaten und riß Seiya von Haruka weg.

„Diese verdammte Zicke hat angefangen!“ schrie Seiya.

Haruka fühlte sich am Arm ergriffen. Sie öffnete die Augen und blickte in Mrs. Tenôs wutentbranntes Gesicht. „Sofort auf dein Zimmer!“ tobte sie.

Haruka fühlte, daß ihr ganzer Körper schmerzte. Sie wollte aufstehen, schaffte es aber nicht einmal einen Millimeter weit.

„Hast du nicht gehört? Auf dein Zimmer! Wir sprechen uns noch!“ herrschte Himeko Tenô sie an.

Nach einiger Mühe gelang es Haruka sich aufzurichten. Ihr blaues Auge schwoll stetig an. Mit ihrem anderen Auge fixierte sie Seiya haßerfüllt, während sie sich an den Gästen vorbei ins Haus schleppte. Der Abend war für sie gelaufen.

Drinnen war es angenehm kühl. Für einen Augenblick blieb Haruka im Flur stehen und horchte auf die aufgeregten Stimmen, die von draußen hereindrangen. Und ihr wurde erst jetzt richtig bewußt, daß es Kou Seiya gelungen war, sie zu besiegen.



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