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Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III

von

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Kapitel 9

Kapitel 9
 

Weit waren sie an diesem Tage nicht mehr gekommen.

Der alte Tratechp hatte ihnen die Hälfte seines Wasservorrates dagelassen, bevor er weitergezogen war, um auch seine anderen Schriften zu überbringen.

Der Pharao und sein Gefolge jedoch mussten in eine andere Richtung und so trennten sie sich mit dem Versprechen, dass sie sich bald wiedertreffen wollten.
 

Seit er den Brief in den Händen hielt, war in ihm das unbändig Verlangen entbrannt, ihn sofort zu lesen.

Schon seit sieben Jahren schrieb er Seth nun Briefe und bekam auf jeden eine Antwort. Zwar dauerte es Wochen bis die versiegelten Rollen den Weg durch die Wüste gemeistert hatten, aber das Warten darauf war ebenso gespannt wie das Gefühl, die frischen Worte nun endlich in den Händen zu halten.

Zwischen der vielen Tagespost waren diese besonderen Briefe niemals jemandem ins Auge gestochen, denn Botschaften aus Tempeln waren nicht ungewöhnlich. Die meiste Post wurde zwar von vornherein aussortiert, gelesen und beantwortet, ohne dass der Pharao sie jemals zu Gesicht bekam, aber diesen Rollen wurden von dem Wachszeichen eines der sieben Haupttempel geschützt und niemand hätte es jemals gewagt, des Pharaos persönliche Post zu öffnen, in der vermutlich heilige Dinge standen. Post aus den Haupttempeln waren in der Wichtigkeit ganz oben, denn die Religion war dem ägyptischen Volke immer nahe verbunden. Diese Briefe gehörten zu den wenigen Exemplaren, die tatsächlich den Weg durch viele Hände des Palastes ungeöffnet bis zum höchsten aller Menschen im Reiche fanden.

Und von dem Moment an, in dem Atemu seine Antworten darauf in den Postkorb legte, wartete er gespannt darauf, dass in unendlich langen Wochen ein neuer Brief für ihn dabei war.
 

Briefe von Seth.
 

Als sie an diesem Abend ihr schlichtes Lager aufgeschlagen hatten, nahm er in seinem kleinen Zelt Platz, während seine Begleiter noch immer draußen am Feuer saßen und den morgigen Tag planten, bevor auch sie sich zur Ruhe legten. Nur er alleine hatte sich heute schon früh zurückgezogen, um in Ruhe den lang ersehnten Brief zu lesen, der ihn nun doch auf so ungewöhnliche Weise erreicht hatte.

Endlich bekam er nun endlich auch Gelegenheit, die heiligen Bänder um die Rolle zu lösen und die Wachszeichen mit einem sehnsüchtigen Knacken aufzubrechen.
 

Sofort erblickte er die schöne, geschwungene Handschrift, welche sich von oben bis unten auf der langen Rolle erstreckte. Er sah täglich so viele Hieroglyphen und doch waren diese hier unverkennbar, kunstvoll, voller Mühe aufgemalt und mit schönen Zeichnungen rund um den Blattrand verziert.

Es war als könne er Seths Hände spüren, der dieses Papyrus selbst berührt hatte. Bis vor kurzer Zeit noch hatte er seine blauen Augen darauf gerichtet und jedes einzelne Wort hervorfließen lassen.

Die einzigen Lebenszeichen, die er von ihm bekam.
 

Er beruhigte sein schlagendes Herz, welches laut gegen seine Brust polterte, zwang seine zitternden Hände zur Ruhe und seine Augen zur Klarheit, damit er endlich lesen konnte, was sein verbotener Göttertraum ihm zu sagen hatte:
 

„Mein geliebter Pharao,

teurer Atemu,

als ich Euren letzten Brief erhielt, war hier im Tempel bereits ein rauschendes Fest im Gange. Die Kunde hat sich schneller herumgetan, als Eure Worte mich selbst erreichen konnten. Und doch bin ich froh, Euch selbst sagen zu können: Herzlichen Glückwunsch zur Geburt Eurer Tochter. Ich hoffe, sie und die Königin haben die Geburt so wohl überstanden, wie es zu dem Moment Eurer Schrift den Anschein machte. Sie ist sicher ein wunderschönes Mädchen, denn viele Gerüchte sagen, sie hätte Euren Liebreiz und Euer einnehmendes Lächeln.

Nun habt Ihr schon zwei Kinder und ich freue mich, dass Ihr von solch einem Glück gesegnet seid. Euer Sohn Trimantep wird sicher einst ein würdiger Erbe Eures Thrones sein und Eure kleine Piatra wird der Schatz des Reiches sein, so hell und strahlend wie die Sonne selbst. Ich wünsche Euch und unserer Königin Abunami weiter eine so wohle Gesundheit und auch Euren Kindern ein Leben in Frieden und Frohsinn. Ich werde für Euer Wohl und das Euerer Familie beten, auf dass es ewig währen möge.

Was mich angeht, habe ich Euch heute etwas Schönes zu berichten. Nach sieben Jahren nun hat mich der Tempelvorsteher für die Priesterweihe vorgeschlagen und alle wichtigen Männer haben eingenickt. Das harte Lernen und Arbeiten der letzten Jahre macht sich wirklich bezahlt. Ich kann Euch nicht ausdrücken, wie dankbar ich Euch bin, dass Ihr mir dies möglich gemacht habt. Ich weiß, ich wiederhole mich in jedem meiner Briefe, aber meine Dankbarkeit zu Euch kennt keine Grenzen. Ihr habt an meinen Traum geglaubt, noch bevor ich selbst daran glauben konnte und ich schwöre Euch bei all unseren Göttern, dass ich Euch und dem Palast ewig ergeben sein werde.

Atemu, Ihr glaubt nicht, wie aufgeregt ich bin! Es ist nur noch wenige Zeit bis zum Ehrentag des Imhotep, an dem ich in den Priesterstand erhoben werden soll. Ausgerechnet am Tage des großen Imhotep, dem Gott der Gelehrten, der selbst einst ein Mensch war und mit seiner übermenschlichen Leistung ins höchste Reich erhoben wurde. Die Zeichen stehen gut und auch die Orakel meines Mentors verheißen gute Hoffnung.

Ich danke Euch mehr als ich es in tausend Worten beschreiben kann. Ihr habt mir den Weg geebnet, durch den mein Traum wahr werden kann. Ich werde Euch und meinem Vater alle Ehre machen und mich von der Religion leiten lassen, für das Wohl aller Menschen. Wenn ich erst in den Stand eines vollwertigen Priesters erhoben bin, werde ich versuchen, so viel Gutes zu tun, wie auch Ihr Gutes tut.

Für mein Brandmal habe ich eine Verbindung zu Euch gesucht, Atemu. Ich habe mich dafür entschieden, aus Dankbarkeit zu Euch, das Zeichen des Atum auf meiner Schulter zu tragen. Atum, von dem Ihr Euren Namen habt. Atum, der Gott der Schöpfung. Er ist die Abendsonne, welche nachts den Weg durch die Unterwelt zurücklegt und ich glaube, dass er dabei auch verlorene Seelen ins Licht zurückbringt, so wie Ihr mir ein neues Licht schenktet. Ich habe auch überlegt, mir das Zeichen des Seth aufbrennen zu lassen, nachdem ihr mir sagtet, er sei Euer liebster Gott und nachdem Ihr mir seinen Namen gabt. Aber ich möchte Euch lieber direkter meine Treue und meine Liebe ausdrücken, wenn Ihr dies erlaubt. Meine Shinasa ist zwar der Meinung, dass ich mir entweder Hathor oder noch lieber gar keinen festen Gott suchen sollte, aber Ihr wisst ja, wie sie ist. Ich kann ihr schlecht erklären, warum mir die Verbundenheit zum Atum so wichtig ist, aber es reicht mir auch, wenn Ihr meine Wahl versteht, mein Pharao. So werde ich ihr diesen Wunsch leichten Herzens abschlagen können.

Was ich nach meiner Weihe machen werde, weiß ich noch nicht genau. Ich habe einige Pläne, die aber alle noch nicht spruchreif sind. Vielleicht weiß ich in meinem nächsten Brief mehr zu berichten, wenn ich einen Weg gefunden habe, der mich weiterführt. Vielleicht werde ich wie mein Vater in eine kleine Stadt ziehen und dort im Tempel bleiben oder auf Wanderschaft gehen, um das Reich und die Menschen kennen zu lernen. Auf Wanderschaft kann ich jedoch meine Shinasa kaum mitnehmen und das würde nicht nur ihr, sondern auch mir das Herz brechen. Außerdem würde ihr Vater es kaum zulassen, dass sie mit einem Jungspund wie mir durchbrennt. Ich werde also sehen, was sich ergibt.

Vorerst fliegen meine Gedanken nur dem Tage zu, an dem ich in einen neuen Stand aufsteige und endlich meinem alten Ich entfliehe, um ein neuer Mensch zu sein.

Atemu, ich wünschte bei allen Göttern, Ihr könntet an meinem Ehrentage bei mir sein, damit ich Euch selbst danken kann für alles, was Ihr für mich getan habt und noch immer tut.

Als Ihr mir damals sagtet, Ihr würdet mich unter Euren Schutz nehmen, habe ich nicht geahnt, wie Ihr diese Worte wirklich meintet. Dass Ihr damit meintet, Ihr schafft mir ein neues Leben, schützt mich vor allem, was mich bedrohen will, das habe ich nicht geahnt. Dass Ihr so viel Geld für meine Ausbildung fließen lasst und von mir nicht mehr Dank erwartet, als einen regelmäßigen Brief, der mir mehr eine Ehre als ein Dank scheint ... Atemu, was kann ich Euch sagen?

Als Dank kann ich Euch nur ein Versprechen geben, welches ich vom Grunde meiner Seele auf völlig ernst meine. Ich verspreche Euch, wenn Ihr oder Eure Familie jemals einen Priester an Eurer Seite braucht, so werde ich für Euch da sein. Ich werde stark sein für Euch, für Euch und Eure Ehre kämpfen. Sagt mir nur einen Wunsch und ich werde ihm folgen. Nicht, weil ich es muss, sondern weil ich es will. Die Priesterlehre hat meinen Willen befreit und Eure wundervollen Briefe stärkten meinen Glauben daran, dass mein Leben doch mehr Wert haben muss als eine Hand voll Kupfermünzen.

Nicht nur den Göttern will ich bis in alle Ewigkeit frei dienen, sondern auch meinem Pharao, der mich mit seiner Güte befreite aus Verzweiflung und Leere.

Ich danke Euch für mein Leben, geliebter König, welches Ihr von Euren Händen zurück in meine gegeben habt und von welchem ich doch wünsche, dass ich es nun mit tiefer Religion in Euren Hände zurücklege.

Wenn ich spüre, wie das Mal des Atum auf meine Haut gebrannt wird, so werden meine Gedanken bei Euch sein, wo auch immer Ihr gerade weilen mögt.

In tiefer Liebe und Dankbarkeit,

Euer zukünftiger Atumspriester Seth.“
 

Er konnte es kaum glauben.

Endlich kam die große Nachricht, dass sein Seth zum Priester geweiht wurde. Sicher hätte Seth den Brief anders geschrieben, wenn er nicht fürchten müsste, dass ihn jemand las. Wenn jemand herausbekam, dass der Priesterschüler eigentlich nur ein Lustsklave war, so würde er gehängt werden für den Versuch, in die Religion einzutreten und ein heiliger Mann zu werden. Also musste er es auch in seinen Briefen verschweigen und doch drückte er durch so rosige Worte seine Dankbarkeit aus.

Atemu faltete den Brief zusammen, drehte sich herum und ließ ihn in seiner Satteltasche verschwinden, in der er auch eine Flasche Wasser und etwas Gold bei sich trug. Seths Briefe gehörten ebenso zu den teuersten Dingen im Leben und würden für ihn ewiglich mehr Wert haben als alles Wasser und Gold in ganz Ägypten.

Er würde den Brief von nun an bei sich tragen und ihn erst verbrennen, wenn er einen neuen hatte. Die Briefe zu sammeln, wäre zu auffällig und würde sein Geheimnis gefährden. Den vorigen hatte er verbrannt, bevor er nach Tschad aufgebrochen war, aber diesen hier würde er vorerst behalten und ihn später sicher noch zig Male lesen.

Nachdem der Brief sicher versteckt war, legte er sich zurück und blickte an die leicht befleckte Stoffabsperrung seines kleinen Schlafbereiches. In diesem Zelt schliefen sie zu viert, aber sein Bereich war mit hellen Laken etwas sichtgeschützt, um ihm trotzdem ein wenig Privatsphäre zu geben.

Er seufzte und zog die Decke über seine Beine, welche langsam von der Kälte der Nacht überzogen wurden. Den Kopf auf seine Satteltasche gelegt, lauschte er in die Stille der Nacht hinein und sah den Schein des Feuers draußen die verzerrten Umrisse seiner Begleiter an die Stoffwand werfen.

Obwohl er so gerne nun ein wenig schlafen würde und hoffte, dass Seth ihn des Nachts in seinen Träumen besuchte, so wenig konnte er die Augen schließen.

Die Worte hallten ihm durch den Kopf und er sah seinen geschriebenen Namen noch auf dem tempelhaften Papyrus prangen. Seinen Namen zu schreiben, war zwar verpönt, aber nicht verboten.

Ob Seth ihn noch mal aussprechen und nicht nur schreiben würde?

Er hörte die anderen drei draußen am flackernden Lagerfeuer laut auflachen und wünschte sich, er wäre einer von ihnen. Auch wenn sie ihn freundschaftlich behandelten, so gehörte er trotzdem niemals zu ihnen. Selbst Fatil, der wie ein großer Bruder für ihn war, behandelte ihn mit mehr Respekt als jeden anderen. Wenn er die anderen draußen sprechen und lachen hörte, so hörte er die Töne heraus, welche sie sich in seiner Gegenwart niemals erlauben würden.

Sie mochten ihn, sicher hegten sie auch dieselben freundschaftlichen Gefühle für ihn wie er für sie - aber er war ihr König.

Er sprach sie an mit Fatil, Penu und Faari ...

... sie nannten ihn Pharao, König, Majestät, Herr.

Trotz so vieler großer Nennungen, war er namenlos. Sein Name war jedem bekannt und doch wurde er nur bei seinem Titel genannt.
 

Atemu war nichts.

Der König war alles.
 

Er hatte keinen Namen.

Er war kein Mensch.
 

Und doch würde sein Seth bald den Ursprung seines Namens mit stolz in seine Haut brennen lassen. Niemand sprach den Namen Atemu aus und Seth entschied sich dafür, ein Priester des Atum zu werden.

Sein einst namenloser Sklave würde den Namen Atum mit Stolz tragen ...

... und dabei immer an Atemu denken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Fynnian
2008-08-06T18:54:42+00:00 06.08.2008 20:54
Huch?
Seth hat ne Freundin?
o.o
*staun*
Ne, wie störend XDD


Ich mag diese Fanfic seht^-^
Sie liest sich so schön.


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