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Leseprobe Schattenschlund Drama, Fantasy, Leseprobe

Autor:  NathalieWojta
So, da man als Autor hier keine Leseproben in die offiziellen Galerien hochladen darf, muss ich eben auf den Weblog ausweichen. ^^

Bluttraum

Träume, die mit der Dunkelheit begangen, waren nie gut. Es war die Ruhe vor dem Sturm. Die angespannte Stille vor der Flut dunkelster Erinnerungen, die jene Zeit ausnutzen, in der unser Geist am angreifbarsten ist. Im Schlaf fallen alle Mauern, egal wie sorgsam unser Verstand sie errichtet hat.
Zähneknirschend wurde Albiana sich dessen wieder bewusst. Sie hatte diese anfangs stummen Träume weit aus ihrem Gedächtnis verbannt, doch hatten sie in der hintersten Ecke auf eine neue Chance gewartet.
„Warum?“, hauchte eine Stimme leise aus der Dunkelheit.
„Nein, sei still! Verschwinde!“, zischte die junge Frau und presste sich die Hände auf die Ohren, doch keine Macht der Welt würde die Worte aussperren.
„Warum? Warum warst du nicht da?“ Ein Zittern hatte ihren Körper ergriffen, das Herz schlug laut bis zum Hals. „Warum warst du kein echter Sohn? Warum hast du uns nicht gerettet?“ Aus der einen Stimme waren viele geworden, die in einem ständig ansteigenden Crescendo schier auf sie niederprasselten. Darunter mischte sich nun der Geruch von Rauch und verbranntem Fleisch.
„Bitte …“ Albianas Stimme war nicht mehr, als ein zittriges Flüstern. „Bitte, ich hab euch hinter mir gelassen! Lasst mich endlich in Ruhe!“
Tatsächlich schwiegen die Stimmen, doch Albiana wusste, dass es schlimmer werden würde. Der Rauch brannte ihr schon bald in den Lungen. Sie konnte nicht husten. Der Schmerz des Fremdkörpers breitete sich im Körper aus. Das Fauchen einer Feuersbrunst umgab sie plötzlich. Hitze brannte auf ihrer Haut, fraß sich tiefer bis zu den Knochen.
„Du hast uns verraten“, zischten die Flammen. „Du bist schuld an unserem Tod.“
„Wenn du die Prüfung schneller bestanden hättest.“
„Deine Lüge hat uns umgebracht.“
Das Feuer verzehrte ihre Augenlider, sodass sie den grausigen Bildern nicht mehr entfliehen konnte. In den hell erleuchteten Flammen krümmten sich unzählige Gestalten. Ihre Schreie fuhren tief in Albianas Gebeine und erschütterten sie bis ins Mark. Verzweifelt wollte sie zu ihnen, aber konnte sich nicht mehr bewegen.
„Nein, Mutter, Vater! Irina, Sephia, Junipa, Herienne!“
Albianas Hals brannte vom Schreien. Ihr Körper verging vor Schmerz und Qual, doch konnte sie nichts dagegen tun. Das Feuer verzehrte die Körper und die Flammen zerfielen, zerflossen zu einem See aus Blut, durch den Albiana suchend watete.
„Vater! Mutter! Antwortet, oh bitte, sagt etwas!“ Die Zeit schien still zu stehen. Ihre Bewegungen wurden langsamer. Verkohlte Hände schossen aus dem Meer hervor und griffen nach ihren Gliedmaßen.
„Deine Schuld!“ Sie versuchte sich loszureißen, doch der Griff war bärenstark. Vor ihr schoss der Kopf ihres Vaters aus der Flüssigkeit, aufgespießt auf einer Lanze. „Du bist schuld!“
Nein!Nein, das ist nicht wahr! Was hätte sie tun können?
„Du bist schuld!“
Nein!
„… auf.“
„Wegen dir sind wir gestorben!“
Das ist nicht wahr.
„... wach auf!“
„Wärst du nicht gewesen, wäre das nicht passiert!“
Aufhören!
„WACH AUF!“
Kalte Flüssigkeit traf sie, wie ein Hammerschlag, vertrieb das Blut und die Hände. Albiana schreckte heftig atmend hoch. Panisch schloss sie die Augen und rollte sich zusammen. „Albiana, komm zu dir!“ Eine bekannte Stimme, und was wichtiger war, eine lebendige Stimme. Sie riss die Augen auf und suchte angsterfüllt durch die Nacht, bis sie Orions blasses Gesicht vor sich sah. Etwas Lebendiges, nach der Flut des Todes. Die brennenden Klauen zogen sich langsam aus ihrer Seele zurück.
Besorgnis schwappte über die Verbindung zu ihr rüber. Bei allen Göttern, hatte er den Traum miterlebt?
„Keine Sorge, es war nicht so schlimm. Ich hab nur Bruchstücke gesehen. Hier, das wird dir gut tun“, antwortete Orion. Er reichte ihr den Wasserschlauch, Albiana aber griff zu ihrer Schnapsflasche und genehmigte sich einen Schluck. Orions missbilligendes Stirnrunzeln wurde ignoriert. Sie brauchte etwas für ihre Nerven.
Ihr Partner sank neben ihr zu Boden. „Magst du reden?“
„Nein“, schnappte sie und bereute den Ton, als sie die Enttäuschung spürte. „Bitte, lasse mir noch was Zeit.“ Orion schnaubte, doch sie fühlte, wie er nickte.
„Und morgen schlagen wir zu?“, wechselte er das Thema. Albiana atmete auf und genehmigte sich noch einen Schluck. „Jap, morgen schnappen wir uns den Mistkerl und streichen die Belohnung ein.“
Da sie auf der Flucht vor dem Sajan-Orden inkognito bleiben wollten, hatte Albiana sich vom Söldnerdasein zurückgezogen und wieder den verpönten Job des Kopfgeldjägers angenommen. Die Einnahmen waren unregelmäßiger, doch niemand stellte Fragen und man kam leichter an Informationen. Was wollten sie mehr? Orion nickte grimmig und schluckte trocken. „Und ich muss danach wirklich …?“
Albiana leerte die Flasche und grinste schief. „Oh ja.“


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