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Kurzgeschichten feat. MiKu

Archiv für Ficlets/Drabbles/Shortstorys
von

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Sie.

Sie.
 

Er saß in seinem Auto, der Motor war längst aus, er hatte den Schlüssel gezogen. Um ihn herum war Stille. Noch immer war er sich unsicher, ob es richtig gewesen war, ob er sich nicht vielleicht ganz umsonst so sorgte. Aber es hatte ihm niemand das erklären können, was jetzt in seiner großen Hand klein und zerknittert ruhte. Seit Minuten starrte er auf den Fetzen Papier. Die Worte darauf waren unregelmäßig, einige Buchstaben kaum erkennbar. Diese Nachricht war untypisch, für den der sie angeblich geschrieben hatte. Viel zu unsicher, viel zu schwunglos. Gerade so als hätte er sie unter Tränen geschrieben. Bei diesem Gedanken zuckten die Brauen des blonden Mannes nach oben. Trotz das er die Schrift nicht wiedererkannte wusste er jetzt, dass es nur einer sein konnte. In kaum eines anderen Schrift war er in der Lage, dessen Stimmung oder Situation abzulesen. Niemanden außer ihn kannte er so gut.

Er fasste also einen Entschluss, zerknüllte die Nachricht beinahe völlig und steckte sie in seine Hosentasche. Ihm wehte ruhige Seeluft entgegen, als er aus dem Auto ausstieg. Statt wie vor seiner eigenen Haustür das nahe Brummen eines Traktors und das verträumte Zwitschern der Vögel umgaben ihn vor der seines Freundes das so ferne Hupen der Schiffe und das gleichmäßige Geräusch der an die Betonmauern der Docks schwappenden Wellen. Ein Lächeln schlich sich über seine Lippen. So war es schon immer gewesen. Sie waren unterschiedlicher als Tag und Nacht und kaum einer verstand wohl, wie sehr sie diese gegenseitige Andersartigkeit liebten. Das Papier raschelte, als er eine Hand in die Hosentasche stecken wollte. Rasch suchte er die richtigen Schlüssel von seinem Bund aus, betrat erst den Flur und öffnete im obersten Stock des Altbaus direkt unterm Dach die Wohnungstür. Warum er nicht vorher klingelte wusste er nicht. Er hatte noch nie vorher geklingelt, nicht bei ihm. Warum sollte er auch jetzt damit anfangen?

In seiner Wohnung schien auf den ersten Blick alles wie immer. Auf Regalen an den Wänden stapelten sich die verschiedensten Souvenirs, Actionfiguren, Bücher, CDs, Postkarten und Bilderrahmen mit Fotos. Und dennoch fehlte ihm etwas. Es herrschte absolute Totenstille. Weder lief Musik, noch war einer der Fernseher eingeschaltet und nirgends vernahm er Stimmen. Schnell versicherte der Blonde sich, dass er auch wirklich zu Hause sein musste. Aber Schuhe und Mantel, die er in den letzten Tagen getragen hatte, waren beide im Flur, er hatte den schwarzen Audi draußen auf seinem gewohnten Platz stehen sehen und der Schlüsselbund, etwas kleiner als sein eigener, lag in einer der Glasschalen auf dem Schuhregal. Durch die große Fensterfront flutete warmes Licht das Wohnzimmer, als gehörte es zum Meer, das nur ein paar Schritte entfernt glitzerte, doch weder dort noch in der Küche fand er irgendein Lebenszeichen des anderen. Vor der Schlafzimmertür hielt er inne, spürte langsam, wie sich ernsthafte Sorgen schwer in seinen Magen legten, dort die Wände hoch krochen. Er wusste zwar, dass der Kleinere ein Langschläfer war oder zu mindest sehr nachtaktiv, aber dem bekritzelten Zettel, den er im Studio gefunden hatte zu Folge, war er doch heute schon auf den Beinen gewesen.

Lautlos öffnete er die Leichtholztür, spähte vorsichtig durch den immer größer werdenden Spalt auf das ungeordnete schwarz bezogene Doppelbett und musste lächeln, war zuerst einmal sehr erleichtert. Die halblangen Haare flossen über den Satinstoff des Kissens, darunter vergraben sein Nacken und weil er den nackten Arm oben aufliegen hatte, schob sich seine Schulter leicht nach oben. Der Jüngere konnte nicht erkennen, ob er sich bewegte, sah nicht einmal eine Regung, die auf einen regelmäßigen Atem hindeuten konnte. Langsam trat er näher, ging um das Bett herum, bis er sein Gesicht sehen konnte, bis er ihm gegenüber stand. Beim ersten Blick hatte er geglaubt, der Kleinere würde einfach schlafen, aber seine Augen waren träge halb geöffnet und seine rechte Hand griff ein bisschen in den Rand seiner Daunendecke. Er wollte gern fragen, was mit dem anderen los war, warum er immer noch oder schon wieder im Bett lag, obwohl er ja gar nicht schlief. Doch der reagierte nicht einmal auf eine Anwesenheit oder darauf, dass er jetzt seit einigen Minuten sehr aufmerksam gemustert wurde. Bis zum Bauchnabel war er von seiner Decke geschützt, wahrscheinlich war er nackt. Seine Haut hatte diese ebenmäßige Farbe, die sein Freund so mochte, darauf flossen Tattoos über die Muskeln seiner Oberarme, die verschlungene große Brandnarbe wirkte dabei wie eines von ihnen. Die schwarzen halblangen Haare fielen ihm sanft ins Gesicht, lagen in Wellen auf dem Kopfkissen hinter ihm.

Leise hauchte der große Mann seinen Namen, setzte sich an den Bettrand, betrachtete sein regungsloses Gesicht. Doch plötzlich spannten sich seine Mundwinkel etwas an, er blinzelte, drückte den Kopf halb ins Kissen. Durch den Stoff drang ein tiefes, düsteres Murren:

„Ich seh´ scheiße aus, ich weiß...“ Der Blonde setzte fast dazu an, heftig den Kopf zu schütteln, belies es aber dann bei einem amüsierten Schnauben. Er legte sein Kinn in die linke Handfläche und schob dem Kleineren mit der Rechten einige Strähnen hinters Ohr.

„Was´n los?“ Erst jetzt, während er sich auf den Mann vor ihm konzentrierte, fielen ihm in seiner Wohnung ein paar wichtige Details auf, die nicht wie immer waren. Im Flur standen nur Belas Schuhe, hing kein einziger kleinerer Mantel und das Bett wirkte groß, unpassend, zu leer mit nichts als der deprimierten Seele darin.

„Sag mal, wo is eigentlich...“

„Blitzmerker!“ Knurrte der Schwarzhaarige ihm mürrisch entgegen, sein Freund legte den Kopf schief und lächelte ganz sachte. Er hatte den traurigen Glanz, der für kurze Zeit in den großen grünen Augen aufgetaucht war gesehen. Seine Hand glitt wieder in die Haare des anderen. Sein Daumen strich tröstend über die hohe Schläfe. Wieder ein Murren, er schien sich nachdringlich verschließen zu wollen, doch in diesem Punkt hatte der Jüngere einmal viel Geduld. Es vergingen Minuten, bis er spürte, dass der andere Körper sich seiner Berührung neigte, ihm buchstäblich seinen Kopf in die Hand legte. Wieder einmal überwog wohl das Herz dem Verstand, das Bedürfnis der Beherrschung, denn der Kleinere schien diese Streicheleinheiten jetzt zu brauchen. Und es war ihm wohl relativ egal, von wem er sie bekam. Er rollte sich etwas ein, streckte den Körper dann durch und drehte sich, ohne dabei die große warme Hand von seinem Nacken zu verdrängen auf den Rücken, seine Augen schweiften über die geweißte Decke.

„Ich dacht diesmal, sie wär’s echt.“

Ein müdes Lächeln überkam ihn, dass seinen Freund einen sachten Schmerz spüren lies.

„Ich dachte, ich hätt sie doch noch gefunden... aber...“

Der Blonde sah ihn an, strich hinter seinem Ohr, an den schmalen Kotletten entlang.

„Ich dachte, wir wärn perfekt... so richtig mein ich...“

Der Jüngere seufzte unhörbar. Er war froh, dass der andere von allein angefangen hatte zu reden, aber er musste es einfach genauer wissen:

„Und... warum jetz nich mehr? Auf einmal?“

Ein Lachen stieß durch die zusammengebissenen Zähne, spöttisch und doch unsicher, schmerzvoll.

„Zu unzuverlässig...“ murmelte er dann, lehnte den Kopf etwas mehr in die große haltgebende Hand. Sein Freund hob eine Augenbraue, Misstrauen schwang in seiner Stimme mit.

„Weil du zu spät zum Essen kommst?“

Ein mattes Kopfschütteln, die Mundwinkel des Älteren sanken ein Stück weiter hinab.

„Shows... Krone, Echo und so...“

Die Hand in seinen Haaren blieb stehen, er spürte den Blick auf sich, biss die Zähne wieder zusammen.

„Wat?!“, der Blonde räusperte sich, „Also... ich mein... das...“

„Ich seh scheiße aus, oder?“ Unterbrach ihn die heisere Stimme. Er schloss die Augen, drehte das Gesicht dem anderen zu, sah ihn dann offen an. Dessen Lippen umspielte ein Schmunzeln, er deutete ein Kopfschütteln an und wusste, wie sehr sein bester Freund durch sein eigenes Gefühl von Liebe bestimmt wurde. Er kannte diese Untergangsstimmung und hatte sich schon oft gefragt, woher der Ältere die Kraft nahm, immer wieder aufs Neue an diese ewige Liebe, vom ersten Blick für immer, zu glauben. „Sie hat gesagt, nichts hält uns auf... der Altersunterschied nich, ihre Show nich, meine Musik nich... sie wollt heiraten und Kinder.“ Zum ersten Mal trafen die verträumten Augen auf die des Blonden. „N´Kind, Jan. Mein Kind. Unsers.” Der Jüngere sah längst seine Tränen, nickte sanft, strich ihm mit dem Daumen über einen Augenwinkel. „Ich glaub dir ja, Felse...“ Wieder schmiegte der so hilflos wirkende Bela seine Wange eng an Farins Handfläche. „Ich glaub dir ja...“ Sie wussten beide nicht, wie lange sie so verharrten, bis sich von den trockenen schmalen Lippen des Älteren wieder ein Gedanke löste. „Was glaubst du, warum... warum es keine mit mir aushält?“ Der andere richtete den Blick wieder auf ihn, seine Miene wurde zärtlicher, doch einige Augenblicke blieb er still. Bis Bela ihn dann fragend ansah, den Kopf schief legte in seiner Hand. Wie ein kleiner Junge. Neugierig, erwartungsvoll und doch viel zu gezeichnet, zu melancholisch für ein Kind. Langsam tastete er mit den rauen Fingerkuppen über Belas Wange, flüsterte beim letzten Wort nur noch: „Ich hab... echt keine Ahnung.“ Er schob das markante Kinn etwas nach oben, so dass das Licht eigenartige Schatten auf den scharfkantigen Hals warf, den er nun gesenkten Kopfes mit zärtlichen Küssen behauchte. Ein Lächeln schlich sich erneut über den unregelmäßigen Mund, eines, zu dem ihn, wie Bela selbst überzeugt war, einzig und allein Jan bringen konnte. Dessen Lippen befühlten und umrundeten zaghaft seinen Kehlkopf, dann die Halsgrube, wie er es schon manchmal getan hatte um den Kleineren zu trösten, ihm Mut zu machen und sein Selbstbewusstsein zurück zu rufen, denn auch wenn ein Bela B. Felsenheimer es niemals zugeben würde,

Jans Freund Dirk war sehr, sehr verletzlich. Vielleicht gerade weil er sich immer wieder so traumhafte, romantische Hoffnungen machte, wie sie Farin selbst das letzte Mal mit 16 gehabt hatte. Er wurde so leicht angreifbar, wenn er liebte. Bela hingegen erlebte intensiv den einen Moment, ließ sich gern so berühren, schob eine Hand in seine kurz geschnittenen Haare, begann ihn abwesend zu kraulen, genoss die Aufmerksamkeit, die er von Jan bekam. Er war der einzige, der ihn immer wieder so zu verwöhnen mochte, sich ihm immer wieder zärtlich zuwandte. Nach jedem Streit, nach einem halben Leben, eine Verbindung, die Bela wie für die Ewigkeit schien. Als ihm dieser Gedanke kam, schluckte er hart, griff sachte an Farins Hinterkopf, zog ihn vorsichtig nach vorn und sah ihm tief in die Augen. In seinen eigenen flackerte eine völlig neue Erkenntnis wie eine aufgegangene Flamme, sein Mund war ein wenig geöffnet, als wollte er etwas sagen, wusste aber nicht, wie. Es waren einfach zu viele Worte, die sich ihm in den Kopf drängten, er fühlte sich fast überfordert mit seinem eigenen Denken. Die grauen Augen sahen ihn sanft an und Bela glaubte in seiner Tiefe, den schwarzen Schatten unter den Lidern, ein wenig wankende Hoffnung zu erkennen, sah, wie sich Farins Brauen und Nasenflügel sachte anspannten.

„Jan... bist du...“ doch weiter kam er nicht, denn ein schlanker Finger legte sich quer auf eine Lippen. Er verstummte, die Haut war kalt, wie bei Menschen, die langsam, von den Spitzen bis in die Tiefe ihrer selbst gefroren waren. Doch Farins Lächeln war warm und Bela spürte, wie sein gegenüber jetzt endlich begann, wieder aufzutauen, wenn nicht zu schmelzen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Slythericious
2008-12-22T23:57:15+00:00 23.12.2008 00:57
miku?
was muss ich anstellen, bzw. wen muss ich töten, damit du wieder zeit zum weiterschreiben hast?
;)
Von:  Jimmey
2008-04-16T15:38:48+00:00 16.04.2008 17:38
...

...

...


das ist si toll...
ich liebe deine Geschichten und sorry, dass ich nicht zu jeder kurzgeschichte einen kommentar schreibe :_:

Aber ich sagst mal so:
Die sind alle total genial *_*

Von:  zitroneneis84
2007-07-28T07:59:57+00:00 28.07.2007 09:59
Toll!
Und so schön *schmelz*
Hach, echt geil geschrieben! *schwärm*
Wow!
Von:  Alex_Fischer
2007-07-19T09:20:57+00:00 19.07.2007 11:20
*sabber*
geil *.*
ich will meeeeehr
*fleh*

Von:  BlastedKing
2007-07-09T19:28:31+00:00 09.07.2007 21:28
Ohh
Mein
gott!

Wie unglaublich scheiß geil ist das denn?
Ich will ja nichts sagen aber es scheint möglich gewesen zu sein das du sogar noch besser geworden bist!!!
Diese Beschreibungen *wegschmelz*
*blinka*
Und diese Story....(bzw. die Handlung)
*ohnmächtig werd*

*sprachlos werd*
...


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Geil!
MEHR!!!!!!!!
*tot umfall* Geili geili...
(ach ja: SONNENBLUMEN XDDDD)

So toll


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