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Left Past

Die Vergangenheit ist grausam
von

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Che

von Lacrimre
 

Mein Name ist Che und ich bin 16 Jahre. Früher, als ich noch ein Mensch war, hatte ich auch einen Nachnamen, aber wer braucht den schon als PlusAnima? Meine ganze Geschichte begann vor nunmehr fünf Jahren, ich werde sie euch erzählen.
 

Es war Sommer und das Klima war schwül. Es zogen bereits vereinzelte Wolken auf, als ich nach der Schule zu unserem verabredeten Treffpunkt am See ging. "Hey Daboo!", rief ich fröhlich, als ich meinen besten Freund unter einem Baum sitzend erkannte. Er war etwas älter als ich. Seine Eltern hatten sich früh getrennt und seine Mutter verfiel dem Alkohol. Ich erwischte ihn gerade dabei, als er sich einen Joint drehte. "Was machst du gerade?" Ich setzte mich zu ihm.

"Ich weihe Suzi ein, die Ernte war dieses Jahr prachtvoll.", murmelte er monoton. Er leckte das Longpape an der klebrigen Seite an und vollendete sein Werk mit einem verhaltenen Lächeln. "Zum Glück fragst du mich nicht, ob ich mal ziehen möchte.", lachte ich und setzte mich zu ihm, als Daboo das Tütchen an der Krone anzündete und genüsslich daran zog. "Du fasst mein Weed ja nicht mal an." Daboo stieß den Rauch durch die Nase aus. Ich beobachtete ihn dabei, wie er die Augen schloss und sich entspannt zurücklehnte. Oft tat er hart und unantastbar, aber ich wusste, dass es tief in ihm anders aussah. Er machte sich oft Sorgen um mich. Mein Vater hasste meine Mutter und mich dazu, weil ich schon seit meiner Geburt irgendwie anders war. Um genau zu sein war ich zur Hälfte ein Otter, weshalb ich in der Schule oft Spott und Prügel erntete. Mein Vater war der Meinung, meine Mutter hätte ihm ein Kuckucksei ins Nest gelegt, schließlich war ich ihm in keinster Weise ähnlich. Er war ein cholerischer, mürrischer Kerl wärend ich eher fröhlich und mit rosaroter Brille durchs Zimmer ging. Ich träumte vor mich hin und ehe ich mich versah, hatte Daboo schon seinen zweiten Joint angezündet. "Hey, Leute..", hörte ich eine Stimme hinter mir. Es war Kevin, mein zweiter bester Freund. Er trug den Spitznamen "Kiff", warum könnt ihr euch sicher denken. "Hey, Alter!" Daboo und Kiff begrüßten sich mit einem Handschlag. Kiff war etwas jünger als Daboo, aber auch um einiges älter als ich. Mit meinen elf Jahren war ich das Nesthäkchen, ich war nur froh, dass die beiden damit kein Problem hatten. Sie suchten sich ihre Freunde nicht nach Aussehen oder Alter aus, für sie zählte der Charakter und damals kam ich wirklich nicht so rüber, als wäre ich erst elf Jahre alt!

"Oh, mein Herz, bekomme ich auch einen?" Kiff ließ sich neben Daboo auf den Boden fallen. "Klar, mein Schatz.", witzelte Daboo. "Ich bau dir einen."

Seit ich denken konnte waren die beiden für mich da gewesen. Die anderen Mitschüler behandeln mich wie Dreck. Daboo sagt oft, sie sind nur eifersüchtig auf meine seltene Fähigkeit. Aber ich weiß es besser. Sie verachten mich, weil ich anders bin...

"Hey Che!"

Ich erwachte aus meinen Tagträumen und sah Daboo in sein fahles Gesicht. "Hm?"

Mein bester Freund warf einen Jointstummel in den See, Kiff war schon dabei ihm seinen dritten zu bauen. "Geh zum Arzt.", sagte der Ältere ohne mich anzusehen. Mit einem dankenden Nicken nahm er Kiffs Joint entgegen. "Warum?", fragte ich ihn und rutschte etwas näher. Daboo deutete auf mein blaues Auge und einige Prellungen an Armen und Hals. "Dein Gesicht ist viel hübscher, wenn es nicht so zertrümmert ist. Wer war das? Die Schüler oder dein Daddy?" - "Eine gesunde Mischung aus beidem.", erwiderte ich leise. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Daboo mich auf meine Verletzungen ansprechen würde. Wenn mein Vater ausrastete, lief ich nachts manchmal fort und schlief in Daboos Bett. "Die sind bloß neidisch." Daboo wiederholte sich. Ich nickte bloß. "Daboo hat Recht, Shorty.", meinte Kiff und zerwühlte mein braunes Haar. "Hau schon ab und geh zum Arzt, das ist ja nicht mit anzusehen."

"Aber...", wollte ich erwidern, doch Daboo war schneller. "Kein >Aber<, mein Freund. Damit ist nicht zu scherzen. Bis achtzehn Uhr hat Dr Green offene Sprechstunde." Ich sah abwechselnd zu Kiff und Daboo. Schließlich resignierte ich nickend und stand auf. "Wenn's sein muss."

Mit schweren Schritten entfernte ich mich von meinen Freunden, eher widerwillig auf dem Weg zum Arzt. Ich wollte lieber bei den beiden bleiben. Seit Daboo mit seiner Freundin Vicky zusammen war hatte er viel weniger Zeit für mich. Als ich schon an der Straße angekommen war, hörte ich wie Kiff einen Lachflash bekam. "Ich hau ab zu Vicky!", hörte ich Daboo mit genervter Stimme sagen. Ich beschleunigte meine Schritte. Wirklich eifersüchtig war ich nicht auf Vicky. Ich fand es nur schade, dass mein bester Freund sie mir vorzog. Vicky war das hübscheste Mädchen der Schule und ich war mir ziemlich sicher, dass sie Daboo eigentlich nur ausnutzte.

Der Besuch beim Arzt war schnell erledigt. Die Verletzungen waren nur oberflächlich. Er gab mir die Nummer einer Selbsthilfestelle für Vergewaltigungsopfer und misshandelte Kinder. Auf dem Weg zurück zum See schmiss ich die Nummer jedoch in den Müll. Sowas brauchte ich nicht. Ich kam besser alleine klar. Fröhlich und voller Vorfreude auf meine Freunde lief ich die Straße hinab, bis ich plötzlich jemanden weinen hörte. Ich sah mich um. "Vicky!", rief ich und lief auf sie zu. Als das Mädchen mich erspähte wischte sie sich einige Tränen aus dem Gesicht und sah mich an, als hätte ich was gewaltig ekliges auf dem Hemd. "Ich hasse dich...", zischte sie und lief an mir vorüber. "Es ist alles deine Schuld!"

Ratlos sah ich ihr nach. Ob Daboo und sie einen Streit hatten? In Gedanken versunken schlurfte ich die Straße entlang und lief dabei fast in eine Gruppe Schlägertypen. Sie waren von der Gesamtschule am anderen Ende der Stadt und sehr berüchtigt. Rechtzeitig schaffte ich es noch auf die andere Straßenseite, auf eine Schlägerei hatte ich weniger Lust. In der Hoffnung wenigstens Kiff am See anzutreffen, ging ich also zu unserem Treffpunkt. Auf den ersten Blick konnte ich niemanden erkennen, dann sah ich Daboo. Sein Shirt lag neben ihm. "Daboo!", rief ich fröhlich und umarmte meinen Freund von hinten. Ich zuckte leicht zusammen, als ich bemerkte, dass seine Arme notdürftig verbunden waren. Etwas Blut sickerte durch. "Warst du mein Arzt?", fragte der Ältere leise. Ich nickte. "Ja. Ist etwas passiert?"

Daboo mied meinen Blick. Er sah aufs Wasser. Die untergehende Sonne spiegelte sich auf der Oberfläche. Langsam färbte sich der See rosa, wie der Himmel über uns. "Es ist aus.", murmelte mein Freund. Ich setzte mich neben ihn und sah ihn erschrocken an. "Häää?"

"Vicky hat Schluss gemacht." Er wirkte niedergeschlagen. "Das tut mir schrecklich Leid!", sagte ich und hoffte, dass es aufrichtiger klang, als ich es gesagt hatte. Eigentlich war ich unglaublich froh darüber. Aber warum war Vicky dann eben so traurig gewesen? War es meine Schuld? Ich roch Marihuana und wusste, dass Daboo mal wieder versuchte seine Probleme wegzukiffen. "Che...?", fragte er schließlich, langsam wurde es dunkel. "Ja?"

Ich sah ihn an und wusste, dass er etwas auf dem Herzen hatte. "Hast du schonmal einen Jungen geküsst?"

Ich öffnete den Mund, bekam aber nur ein erschrecktes Quieken heraus. Er nahm meine Hand. "Es war nur... so eine Frage." Ich zitterte am ganzen Körper. "Nein... ich..." Unschlüssig stand ich auf. "Ich glaube, ich gehe jetzt lieber...!" - "Nein, Che! Ich..."

Nach ein paar Schritten hielt ich an, drehte mich jedoch nicht um. Sollte ich lachen oder weinen? "Daboo..." Eine Frage brannte mir noch auf der Zunge. "Warum hat Vicky mit dir Schluss gemacht?"

Ich wusste die Antwort. Vielmehr ahnte ich sie, trotzdem wollte ich sie aus seinem Mund hören. Daboo stand nun ebenfalls auf und ging zu mir. "Sie konnte die Wahrheit nicht ertragen."

Er sah auf seine Arme. Immer neues Blut schien us den Wunden zu treten und färbte den Verband rot. "Ich war verdammt deprimiert... hab sogar versucht mich umzubringen..." - "Welche >Wahrheit<?!" Tränen stiegen mir in die Augen. Warum fragte ich ihn? Ich wollte das nicht hören. Ich wollte nur noch weg, weit weg von Daboo und allem, was mit ihm zu tun hatte. Ich wollte ihn vergessen. "Die traurige Wahrheit..." Er näherte sich mir. "..mich in meinen besten Freund verliebt zu haben..." Er schlang seine Arme um meinen Oberkörper und hielt mich fest. Ich schniefte leise. Träne um Träne lief meine Wangen hinab und tropfte auf seine kaputten Arme. Ich versuchte seinen Griff zu lösen. "Dboo...", schluchzte ich hilflos. "Sht... Alles wird gut..."

Ich schloss meine Augen, spürte wie ich zu Boden fiel und Daboos schweren Körper auf mir. Er griff nach meinen Händen, hielt sie fest. Mit seinen Lippen liebkoste er meinen Hals. "Hör auf... hn... Daboo...!" Es hatte keinen Sinn. Erschöpft und verwirrt rekelte ich mich unter ihm. Spürte seine Lippen auf den meinen und wie er seine Zunge in meinen Mund drückte. Mit der linken Hand fuhr er in meinen Schritt. "Ich will dich, Che..."

"Nein!", rief ich erschöpft. "Halt still." - "Ich will das nicht!"

Mit einem Mal spürte ich, wie Energie in mir hochstieg. Zwischen meinen Haaren wuchsen Otterohren, zwischen meinen Händen Schwimmhäute. "Lass mich los! Nimm deine Finger weg!" Ehe ich mich versah, hatte ich meinem besten Freund, der immer für mich da war und mir so oft geholfen hatte, ins Gesicht geschlagen. Daboo ließ mich los. Ich rappelte mich auf. So schnell mich meine Füße trugen lief ich davon. So schnell wie möglich nach Hause, das war mein einziger Gedanke. Ich hörte Daboo meinen Namen rufen, zu seinem Glück blieb er wo er war. Immer mehr Wut, Enttäuschung und Trauer kochten in mir hoch und brachten neue Tränen hervor. Ich lief die ganze Zeit, ohne eine Pause zu machen. Nach etwa einer viertel Stunde war ich an unserem Haus angekommen. >Hier wohnen Ernesto, Gina und Che Kataka<, stand auf einem kleinen Messingschildchen an der Wand. Die Haustür war nur angelehnt, so konnte ich eintreten ohne zu klingeln. Mit rasendem Herzen wischte ich mir die Tränen aus den Augen. "Mommy, ich bin wieder da..." Stille. Ich ging durch den Flur. Als mein Blick in die Küche fiel, stockte mir der Atem. "Mommy!!" Ich stürzte nach vorne, wurde aber von meinem Vater zurückgehalten. Eine gewaltige Blutlache bedeckte den Boden. In der Ecke, blutbenetzt und leblos, lag meine Mutter. Immer neues Blut trat aus ihrem Bauch. Mein Vater hielt ein Messer in der Hand. "Das Baby...", keuchte ich. Alle Kraft verließ mich wieder. "Mommy war doch schwanger... du Monster!" Ich versuchte gegen die starken Arme meines Vaters anzukämpfen. Dort lag sie. Mit weit aufgerissenen Augen, Blut trat aus dem Mund. "Warum hast du das getan, Dad?!" - "Ich bin nicht dein Vater!!", grollte der Mann. "Ich kann unmöglich der Vater eines solchen Biestes sein...!" Er packte mich am Hals. Ich wand mich, fuchtelte mit meinen Armen. Mein Vater hielt mir ein Messer an die Kehle. "Dad!", keuchte ich, nach Luft schnappend. "Halt die Klappe! Du kleines Ungeheuer..."

Er lockerte seinen Griff etwas. "Sieh dir das an." Er wies auf den Küchentisch, auf dem einige Ultraschall-Bilder lagen. "Deine Schwester.... sollte genau so ein... ein Untier wie du werden!! Glaubst du ich lasse ein zweites Mal zu, dass deine verdorbene Mutter mir ein Kind unterschiebt!?" Wieder schnürte er mir die uft ab. "Zu dumm, dass du das mit ansehen musstest! Besser du vergisst es... Hörst du?"

Ich schloss die Augen. Wollte es vergessen. Das Blut, Daboo, Kiff, Mommy, meine Schwester, Vicky.... Ich spürte ein Stechen in der Magengegend. Mein Vater hatte mir da Messer tief ins Fleisch gestoßen. Ein leises Lächeln lag auf meinen Lippen, als ich Blut spuckte und zusammenbrach. Ich würde alles vergessen. Sicher würde auch ich bald vergessen sein...
 

Als ich erwachte, war mir kalt. Ich bekam kaum Luft. Alles um mich herum war dunkel und stank nach Morast. Verwirrt wühlte ich mich durch die Erde, bis ich an Luft stieß. Wo war ich? Und vor allem... wer war ich? Wie war ich hier hingekommen? Ich konnte mich an nichts erinnern. Nach kurzer Verschnaufpause wühlte ich mich ganz aus dem Dreck und fand mich in einem Wald wieder. Durstig kroch ich zum Fluss und füllte meine Hände mit Wasser. Schwimmhäute? Richtig! Wie konnte ich nur vergessen, dass ich ein PlusAnima war? Als ich mir das Gesicht wusch, konnte ich mich auc wieder an meinen Namen erinnern. Mit einem weiteren Blick ins Wasser, sah ich einen Fisch. Hunger plagte mich. Geschickt packte ich den Fisch und warf ihn an Land. "Let's fish!", rief ich fröhlich und sprang ins Wasser.

Einige Zeit konnte ich mich so durchschlagen. Noch immer konnte ich mich an nichts erinnern und mein Gedächtnis schien ohnehin sehr gelitten zu haben. Wäre mein Kopf nicht angewachsen gewesen, hätte ich ihn wohl ständig irgendwo vergessen.

Eines Tages, ich war gerade mal wieder auf Fischjagt, sah ich etwas im Wasser treiben, dass einem Fisch überhaupt nicht glich. Ein Junge. Anscheinend war sein Kopf verletzt. Schnell sprang ich ins Wasser und fischte meinen neuen Freund aus dem kühlen nass. "Nanu, warum schläft der denn?", fragte ich mich selbst und trug ihn ans Feuer, wo ich seine Wunden versorgte und seine Kleider zum trocknen aufhängte. Lange sah ich ihn an. Die Suppe köchelte vor sich hin.

Es war bereits dunkel als der Junge erwachte. "Moin!", begrüßte ich ihn fröhlich. "Du bist wach! Das wurde aber auch Zeit! Ich habe dir was zu Essen gekocht, deine Klamotten getrocknet und deine Wunden versorgt! Ich bin übrigens Che und wie heißt du?" Der Junge setzte sich auf. "Ray... Che Guevara?" - "Wer ist das denn?"

Ich lachte. Ray war ein lustiger Zeitgenosse und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir gute Freunde werden würden.
 

~~Written by Lacrime~~



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