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Der helfende Engel

In Zusammenarbeit mit: Mariko999, domo arigato goizamasu, o-nee-san *Knuddel*
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Angst um einen geliebten Menschen

Angst um einen geliebten Menschen
 

Plötzlich war Winry alles egal, ihr eigenes Schicksal hatte nach der Todesnachricht von Ed an Bedeutung verloren. Eine undurchdringliche Finsternis legte sich auf ihre Seele, liebkoste sie und umschlang sie mit weichem Griff. Aber es war eine bösartige Dunkelheit, die dem Toben des Sturms glich mit seinen unzähligen feurigen Zungen, die sich dem aufgeweichten Erdboden näherten und tiefe eiternde Wunden in die feuchte Erde rissen. Unbarmherzig schlugen ihr die Regentropfen ins Gesicht, die so fest waren, dass sie auf der Haut brannten. Der wütende Wind trieb das glitzernde Nass fast senkrecht durch die Luft. Neben den gefährlich herumwirbelnden Ästen und Zweigen bildete das sonst so erfrischend kühle Nass eine ebenfalls ansteigende Gefahr. Die blonden durchgeweichten Haare klebten sich an die Wangen des Mädchens, als sie langsam den Kopf hob. Ihr trüber Blick schweifte umher. Plötzlich klärte er sich und ihre Augen blieben starr an einer roten Telefonzelle haften, die in der Nähe undeutlich und verwischt zu erkennen war.

Das Gespräch, das sie am vorherigen Abend mit Alphonse geführt hatte, rückte in den Vordergrund. >Al hat kein bisschen besorgt geklungen, nur aufgeregt und ein wenig zurückhaltend, so wie immer eben. Hätte Edo zu diesem Zeitpunkt schon im Sterben gelegen, hätte ich es sofort an Al’s Stimme gehört!< Ein Schimmer Hoffnung glomm in den azurblauen weichen Augen Winrys auf. >Kann es möglich sein? Lebt Ed vielleicht doch noch? Sonst hätte man o-baa-chan und mich sofort informiert, wenn es etwas Ernstes wäre…andererseits…< sie seufzte gequält auf, ihre Schultern ließ sie ermattet hängen. >Josh wird mich doch nicht belogen haben, oder?< Forschend neigte sie ihr Antlitz hinunter und ihr hellblauer sanfter Blick schweifte über seine feinen Züge, einige Tropfen hingen wie funkelnde Sterne in seinen weichen langen Haarsträhnen, die frech über seine geschlossenen Lider fielen.

Unwillkürlich lächelte das blonde Mädchen auf, als sie ihm diese zart aus dem Gesicht strich. Aus einem ihr unerfindlichen Grund hatte dieser junge Mann sehr viel Ähnlichkeit mit einem kleinen blonden Jungen, der ihr sehr am Herzen lag. >Nein, dieser überaus nette und zuvorkommende junge Mann würde mich niemals belügen, das steht für mich fest!< grübelnd rieb sie sich über die weichen Lippen. >Hat er vielleicht die falschen Informationen erhalten? Ist das möglich? Aber…warum sollte sein Onkel ihm die Unwahrheit erzählen?< Irgendetwas stimmte doch da nicht und sie würde den Grund dafür schon herausfinden.

Entschlossen griff sie Joshua unter die Achseln, zerrte ihn ächzend und stöhnend hinter ihren verwaisten Koffer, der dem Sturm kämpferisch die Stirn bot. So war der blauhaarige Mann durch ihr Gepäckstück vor den wütenden Angriffen der Äste und Zweige ausreichend geschützt. Der Koffer war schwer genug, selbst diesen, an Stärke noch zunehmende Orkanböen, mutig zu trotzen. Ein klein wenig unsanft ließ sie den – für sie – schweren Körper des bewusstlosen Blauhaarigen direkt in eine kalte, leicht bräunlich gefärbte Pfütze gleiten. Kurz gluckerten sanft einige Blasen in dem Wasser und zerplatzten mit leisem Plitschen. Dann fuhr Josh erschrocken prustend auf, hustete das kühle Nass aus seinem nun feuchten Mund und blickte verwirrt in das schöne Antlitz des hübschen blonden Mädchens, das sich über ihn gebeugt hatte.

„Wa-…was…wieso…liege ich auf dem Boden?“ Fröstelnd setzte er sich schwungvoll auf, mit einem leisen Zischen, das zwischen seinen Lippen hervorkam, rettete er auch seinen völlig durchweichten Hemdsärmel vor dem unheimlich aussehenden Nass. Als er seinen Oberkörper ganz aufrichten wollte, zog sich blitzartig ein höllischer Schmerz durch sein Rückgrat. Rötliche Schleier legten sich auf seine Augen. Der rote Nebel formte sich zu Bildern, die ihm die Momente der letzten paar Minuten ins Gedächtnis riefen. Kurz schloss er seine golden durchwirkten Augen, atmete tief ein und aus, seine Glieder entspannten sich langsam. Als er die Pupillen wieder öffnete und die ihren suchte, bemerkte er eine große Entschlossenheit in dem tiefen und unendlichen Blau. Eine innere Stärke flammte aus diesem Blick hervor, eines warmen Scheins einer Kerze gleich, die die Dunkelheit mit seinem sanften Licht erhellte. Suchend schweiften ihre glänzenden Augen die Straßenabzweigungen ab, hoffend einen bekannten Namen auf den Schildern lesen zu können. Aber wegen des ununterbrochenen Regens verwischten die Wegweiser im grauen Licht bis zur Unkenntlichkeit.

„Winry…“, wisperte er beunruhigt. „Was hast du vor?“ Keuchend quälte er sich auf seine wackeligen Beine, die sich unter ihm anfühlten wie Wackelpudding und starrte das Mädchen prüfend an. Die Entschlossenheit in ihren Augen wurde stärker, sanft lächelte Winry den Blauhaarigen an. „Ich werde ihn suchen gehen. Er ist nicht tot, Josh, ich weiß, dass er es nicht ist“, die Zuversicht und der Glauben, der aus ihrer zarten Stimme kam, ließen ihn fast selbst an der Nachricht seines Onkels zweifeln.

„Danke für deine Hilfe und alles. Ich weiß das sehr zu schätzen, was du für mich getan hast, aber...ich muss jetzt gehen. Ich hoffe, du kannst mich verstehen.“ In Windeseile wandte sich die Blonde um, schockiert bemerkte Joshua einige Tränen in ihren wunderschönen und strahlenden Augen. Leise plätscherten ihre schnellen Schritte über das feuchte Nass, als sie sich von ihm entfernte. Fast schmerzhaft zog es ihm sein Herz zusammen. >Nein, das kann ich absolut nicht verstehen!< schrie eine melancholische Stimme in seinem Inneren auf.

„Winry!“ schrie er aus Leibeskräften gegen den Sturm an. „Winry! Bleib stehen! Bei dem Wetter ist das viel zu gefähr...aaaaaaahh!“ Eiligen Schrittes wollte er dem Mädchen hinter her, sie aufhalten, damit ihr nichts geschah. Doch war wohl Winrys Koffer anderer Meinung, denn dieser stand dem jungen Mann frech im Weg. Die Füße in den weichen Stiefeln knallten gegen das harte Leder und mit einem heiseren Schrei flog er buchstäblich mitsamt der braunledernen Bestie in eine noch größere Pfütze, die daraufhin über den Beiden als kalte Wasserfontäne zusammenschlug. Nass wie ein begossener Pudel blickte er der davonlaufenden Winry hinterher, die nur noch schemenhaft in dem undurchdringlichen Regen zu sehen war. Sanft wippte der Pferdeschwanz auf und ab. Seufzend kratzte sich der junge Mann durch das schon dreckstarrende Haar. Wenn er jetzt einen Spiegel dabei gehabt hätte, würde er sich selbst wahrscheinlich nicht mal mehr wieder erkennen, denn in seinem Gesicht gab es kein Eckchen mehr, welches nicht schwarz und dreckig war. Nur die goldenen Augen glänzten sauber aus seinem Antlitz hervor und funkelten in dem Licht der vielen Blitze verdattert auf, da ihn der schnelle Abgang Winrys mehr als nur verwunderte. Triefend vor Nässe rappelte sich der Mann mit den blauen Haaren, die nun eher die Farbe von feuchter frischer Erde besaß, langsam in die Höhe. In Gedanken immer noch bei dem Mädchen, wischte er sich mit dem schlammbeschmierten Ärmel über die aufgeschlagene Nase, die eine kleine unfreiwillige Verabredung mit dem asphaltierten Boden genossen hatte.

>Weiber<, resigniert mit den Schultern zuckend setzte er sich auf das Kofferungetüm, schüttelte leicht genervt seinen Kopf, so dass der Dreck in alle Richtungen geschleudert wurde. >Ich werde sie wohl nie verstehen!< Den Kopf auf die schmutzigen Hände abstützend, ließ er sich vom laut prasselnden Regen das Haupt waschen, leicht glänzten auch schon die blauen Strähnen aus dem Dreck hervor. Unbeschwert lächelnd dachte er an die sehr reizende Begegnung mit diesem schönen blondhaarigen Wesen. >Dieser Junge mit den Automails ist wirklich ein Glückspilz. Hoffentlich weiß er das auch zu schätzen.< Gedankenverloren rollte er den Kopf auf die linke Hand, die rechte plumpste mit einem leisen knautschigen Geräusch auf das Leder des Gepäckstücks. Mit einer nach oben gezogenen Augenbraue grübelte er kurz über etwas nach und stierte seine Sitzgelegenheit angestrengt an.

>Moment Mal, was zum…< wie von einer Tarantel gestochen hüpfte der schmale, aber muskulöse Körper des jungen Mannes hoch, landete sanft und sehr elegant neben dem Gepäckstück. >Der Koffer!<

„Winry!“ schrie er nochmals gegen den heftig wütenden Sturm an. „DU HAST DEINEN…Koffer vergessen…“, die letzten beiden Worte redete er mehr zu sich selbst als zu dem blonden Mädchen, die höchstwahrscheinlich schon über alle Berge, nein, eher hinter allen Straßenverzweigungen verschwunden war.

Ein wenig hilflos sah er sich um, doch weit und breit war nirgends eine Menschenseele zu erblicken. Diese hatten sich vermutlich schon in ihren Häusern verbarrikadiert, den Schutz genießend und sich an ihren Ofen wärmend.

>Nur ich Trottel renne hier draußen noch herum<, schoss es ihm durch den Kopf und verdrehte leicht angenervt die Augen. Mit hängenden müden Schultern schlich er träge vom Bahngleis, drehte sich jedoch an dem eisernen, mit dicken Dornen bewehrten Tor, das in die dunkle Innenstadt führte, herum. Mit seiner goldenen Iris betrachtete er eingehend den einsamen Koffer des Mädchens, der allein im tobenden und fauchenden Sturm stand und diesem trotzig die mutige Stirn bot. Widerstrebend seufzend und sich mit der Hand in den Haaren kratzend wandte er sich langsam um, kehrte mit samtweichen eleganten Schritten zu seinem stummen ledernen Gefährten zurück.

„Na ja“, begann er das einseitige Gespräch mit dem knarzenden Gepäckstück und legte sanft eine braungebrannte Hand auf das Rindsleder. „Wenn sie zum Krankenhaus läuft, werde ich sie ja theoretisch wieder sehen. Also kann ich dich auch gleich dorthin mitnehmen, denn ich denke, dass du dort noch gebraucht wirst, nicht wahr?!“ Leise lachend umfasste er die Halterung des Koffers und mit darauf folgendem keuchendem Atem hob er ihn hoch, ächzend ging er fast in die Knie, als das lederne Monster ihm fast den Arm auskugelte. „Wie hat sie dich nur tragen können…hmmm?!“ Aber der Koffer gab ihm leider keinerlei Auskunft, er knarzte nur leise vor sich hin. Ungläubig schüttelte er wegen dem Gewicht des Gepäckstücks das hübsche Haupt und machte sich nun wirklich auf den Weg zum Ausgang. Das Gebiet rund um den Bahnhof glich einem Katastrophengebiet. Noch immer knickte der tollwütige Sturm Äste und Zweige um, die vom Wind mit dem größten Vergnügen herumgewirbelt wurden und schickten sich zum Angriff gegen den jungen Mann. Doch das störte den Blauhaarigen nicht. Gekonnt und mit Reflexen einer Katze fegte er die Wurfgeschosse des Orkans mühelos beiseite, bevor sie überhaupt in seine unmittelbare Nähe kamen. Eine noch nie da gewesene Härte glühte aus seinen honiggoldenen Augen hervor, seine ebenmäßigen Züge verfinsterten sich, als er durch das Tor trat und die finstere Stadt vor sich betrachtete. „Nun hast du mich wieder, Central City, Stadt der verlorenen Seelen.“
 

Die Tränen, die ihr von den zarten Wangen tropften, vermischten sich unaufhaltsam mit dem eiskalten Regen, der sie unwillkürlich frösteln ließ. Ihre klamme Kleidung klebte fest an ihrem schlanken Körper, die unangenehme Kälte schlich sich langsam in ihre Glieder. Bibbernd schlang sie ihre Arme vor den Oberkörper. Keuchend und nach Luft ringend blieb sie stehen, lehnte sich an einen Pfosten, der sich als Schild entpuppte. Sie blickte zu dem Wegweiser an ihrer Seite hinauf, kniff die Augen ein wenig zusammen um den Namen darauf entziffern zu können, aber die Sicht war wegen des unaufhörlichen Regens so verschwommen, dass sie nichts erkennen konnte. Panisch sah sich das Mädchen um, vielleicht war hier etwas, an das sie sich erinnerte. Ein Gebäude oder ein Wahrzeichen, das sie noch vom letzten Besuch her kannte, aber da war nichts…rein gar nichts!

Resigniert aufseufzend lehnte sich an die nasse Wand eines alten abgebröckelten Hauses. Winrys hellblauer, trauriger Blick wandte sich in die bösartige Schwärze des Himmels. Die giftiggrauen Wolken hingen sehr tief über der Stadt, so dass die höchsten Gebäude in ihnen verschwanden. Plötzlich fuhr ein grell leuchtender Blitz in die Kirchturmspitze. Der rollende Donner grummelte bitterböse durch die Luft. Krachend purzelten die Dachschindeln vom Dach herunter und knallten mit lautem Getöse auf den Boden, genau vor Winry. Die Schindeln zerbrachen in tausend Stücke. Mit einem erschreckten Laut und einem ängstlichen Sprung nach hinten, wich das Mädchen in einen kleinen Vorhof aus.

Zwei aufmerksame Augen, die beim nächsten Blitz leuchtendrot auffunkelten, musterten Winry skeptisch und kalt, als sie sich zitternd wieder hinauswagte. Unsicher presste sich die Blonde an die eiskalte Wand und rieb sich mit den Händen ihre Arme warm, oder sie versuchte es zumindest. >Was bin ich doch für eine dumme Pute…< schalt sie sich und klopfte sich mit eiskalten Fingern auf die Stirn. „Wieso bin ich nur alleine losgelaufen?“ stöhnte sie erschöpft und strich sich die klitschnassen Strähnen aus der Stirn. „Ich weiß doch nicht einmal, wo das Krankenhaus ist, geschweige denn, wie es dann weitergeht, sollte ich tatsächlich dort ankommen.“ Sie würgte einen unangenehm dicken Kloß ihren trockenen Hals hinunter. Eine überwältigende Traurigkeit schwemmte über ihr Herz und ertränkte es fast. Ein Bild legte sich vor ihren inneren Blick. Ein kleiner blonder Junge, der sie bittend und Hilfe suchend mit seinen gold schimmernden Augen ansah. Flehendlich reckte sich ihr der schmächtige, aber muskulöse Körper des Blonden entgegen. Dann verblasste das Bild, so schnell wie es gekommen war. Schluchzend hielt sie sich die Hände vor die tränenüberströmten Augen und rutschte langsam weinend das spröde Mauerwerk hinunter auf den kalten feuchten Straßenbelag. Wütend fauchte der Wind durch ihr blondes glänzendes Haar, das sie mit einem blauen Band zusammenhielt. Die eisigkalten Böen zerrten an diesem und rissen es dem jungen Mädchen aus den Haaren, so dass ihre Strähnen samtweich und federleicht, wie ein großer Vogel, der nun die Freiheit genoss über ihre feuchten roten Wangen streichelten. Fast schien es so, als würde es ihr Trost spenden wollen.

Leise schluchzend winkelte das Mädchen die schlanken Beine an und umschlang sie mit den heftig bibbernden Armen. Erst ein lautes knirschendes, zerberstendes Geräusch ließ ihren Kopf nach oben rucken. Mit einem angstvollen Blick erstarrte sie augenblicklich. Der erzürnte Sturm hatte einen riesiggroßen Ast, von der Dicke eines Elefantenbeins, vom unruhig aufbäumenden Stamm getrennt. Dieser würde nun genau auf Winry stürzen. Mit der furchtbaren Erkenntnis, nicht mehr rechtzeitig fliehen zu können, riss sie mit einem klagenden Laut die Arme nach oben, schützend vor ihr Gesicht. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit krachte der riesige Ast auf sie zu und wollte sie unter seinem Gewicht zermalmen.
 

Nicht weit von dieser unglaublich erschütterten Begebenheit entfernt, schreckte ein blonder Junge schwer fiebrig, schweiß gebadet und laut schreiend vor Panik auf. Die stählerne Gestalt, die die ganze Zeit fürsorglich die Hand des Blonden gehalten hatte und den nassen kalten Umschlag auf seiner Stirn jede Minute wechselte, zuckte erschrocken auf und starrte entsetzt seinen Bruder an. Der feuchte Lappen fiel auf die schon sehr nass geschwitzte Decke. „Nii-san!“ erschrocken weiteten sich die Augen des Jüngeren, seine Stimme zitterte hörbar. Seine Stahlhand wollte sich auf die Wange des Älteren legen und ihn sanft beruhigen, als er zu seinem großen Entsetzen einen Namen aus dem trockenen Mund Edwards hörte. Er flüsterte ihn ganz leise und alle seine Muskeln im schlanken Körper spannten sich in höchster Anstrengung. „Winry…“, wisperte er zu Tode geängstigt. Seine goldenen Augen, die steif und trüb auf die Wand vor ihm starrten, waren weit aufgerissen. Doch schien es, als würde er durch die Mauer hindurch sehen, einen Punkt betrachtend, den Alphonse nicht erkennen konnte.
 

Plötzlich schoss der linke Arm des blonden Jungen nach oben, öffnete und schloss sich sehr schnell, als wolle er Jemanden beschützen, vor Unheil bewahren und von einer Gefahrenquelle wegziehen. Leise keuchend flüsterte er immer wieder den Namen, seine gequälte Stimme wurde immer lauter, bis er nur dieses eine Wort hinausschrie. Voller Panik und schierer Todesangst hallten die Schreie durch das karg eingerichtete Zimmer, brachen sich an den Wänden und schlichen sich durch alle Ritzen hinaus in den dunklen Flur des Krankenhauses.

Die verängstigten Rufe des Älteren drangen tief in die Seele des Jüngeren ein, umschlangen sie und legten sich als dunkle Wolke auf diese. Schluchzend hielt sich Al den Kopf und wimmerte leise auf. Es tat ihm unglaublich in der kindlichen Seele weh, was sein Bruder für Qualen und Schrecken durchstehen musste. „Nii-san…nii-san, was ist mit dir? Nee-san…“, weinte der Stählerne und starrte Hilfe suchend auf die Wand, das dem Zimmer seiner Schwester zugewandt war. >Aber sie darf nicht kommen, wenn sie ihre Kräfte benutzt…nein…< Sein gepeinigter Blick glitt wieder zurück zu dem schreienden Körper seines Bruders.
 

„Nee-san…“ Ich schreckte von meinen schläfrigen Gedanken auf. Der Sturm wütete wie zuvor und zerstörte die Natur mit seinem harten, erbarmungslosen Wesen. Meine gerade noch müden, doch nun hellwachen Augen ruckten in die Richtung Eds Zimmer, als ich die Schreie hörte. Kalte Schauer strichen mir den schweißnassen Rücken hinunter. Zitternd hüpfte ich vom Sessel, schritt blitzschnell zur Tür. Legte gerade eine bebende Hand auf die Klinke, als hektische klackende Schritte draußen ertönten, die mich erschrocken erstarren ließen. >Ob das wohl der Colonel und seine Mannschaft ist?< Verängstigt näherte ich mich daher der Wand. Sanft legte ich eine kalte Hand auf die Tapete. „Al-chan…Ed-chan…was ist nur los…“, panisch krallte ich meine Nägel in die Mauer, als ich wieder die Rufe hörte. „Verdammt, was ist nur los…VERDAMMT!“ schrie ich wütend und voller Pein auf. Schlug meine rechte Hand brutal in die Wand, das es kurz aufknirschte und der feine Putz sich löste. Betroffen schaute ich mir die Bescherung an, aber jetzt war nicht die Zeit, um sich über dieses Missgeschick Gedanken zu machen, sondern darum, ob etwas mit meinem Bruder war. „Gott…bitte, warum kann ich ihm nicht helfen…warum nicht auch dieses Mal?“ Tränen verschleierten meinen Blick und mit einem lauten kummervollen Schluchzer rutschte ich auf den kalten Boden. Ein wenig Blut von meinen Fingern tropfte auf die sauber geputzten Kacheln.
 

Draußen auf dem Flur näherten sich rasche und laute Schritte dem Zimmer von Edward. Zur gleichen Zeit zerplatzte mit heftigem Knirschen die Glühbirne der kleinen Nachtischlampe neben Eds Bett. Verängstigt schreckte Alphonse von seinem Stuhl auf. „Nii-san…“, schluchzte das stählerne Kind auf und versuchte hektisch etwas zu erkennen, doch es war zu dunkel im Raum.

Einen Moment später wurde die Türe heftig aufgerissen, die mit donnerndem Getöse an die Wand knallte. Ein funkensprühender Blitz fuhr plötzlich vom Himmel herab und mit einem fauchenden Geräusch zischte er in einen der Bäume, der einen ächzenden Todeslaut von sich gab. Das grelle Licht erhellte den Rahmen des Eingangs, in dem zwei Personen mit schussbereiten Pistolen standen.

Al vernahm entsetzt das Klicken eines gespannten Revolverhahns. Eine sonst angenehm weiche, doch nun harte Stimme zerriss die Geräuschkulisse des zornigen Sturms, der noch immer durch die Stadt tobte. „Waffen fallen lassen und mit erhobenen Händen herauskommen! Dann passiert Ihnen nichts!“ „Lieutnant Hawkeye!“ schniefte es verschreckt aus einer Ecke des dunklen Zimmers, der Ton war sehr kindlich und leicht metallisch. „Alphonse? Ist alles in Ordnung bei euch beiden? Wir haben deinen Bruder laut schreien hören.“ Eiligen Schrittes betrat die hübsche Blonde den Raum, ihre funkelnden Augen hatten sich schon an die herrschende Finsternis gewöhnt und sahen sich prüfend um. Hinter ihr stand der schwarzhaarige Colonel. Er trug in der einen Hand eine Kerze, die andere hielt einen Silber gebeizten Revolver, der nun wieder gesichert wurde und in der Uniformtasche verschwand. Stumm näherte er sich dem kleinen Tisch und stellte wortlos die Kerze darauf und entzündete sie rasch mit einem leisen Schnipsen. Die Flamme labte sich wie ein Verdurstender an dem Docht der Kerze und beleuchtete fröhlich wärmend die bedrückte Atmosphäre. Die beiden Erwachsenen und der stählerne Junge brauchten einige Sekunden um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Mit einem keuchenden Laut weiteten sich die rötlichbraunen Pupillen der attraktiven Blonden, als sie auf die kleinere Gestalt eines Jungen starrte, die nahe des Fensters saß und eine blasse Hand vorgestreckt hatte, um eine imaginäre Person zu ergreifen.

„Edward!“ Mit einem panthergleichen geschmeidigen Sprung war sie an Eds Seite und ergriff ihn sanft an den Schultern. Der Kleine starrte ausdruckslos und mit trüben Augen an die Wand, sein schweißnasser Arm zitterte vor Anstrengung, aber immer noch öffnete er die Finger und schloss sie wieder. Seine trockenen Lippen bebten, seine panischen Schreie waren zu einem leisen Flüstern verklungen, wispernd drang der Namen eines Mädchens, die seinem Herzen sehr nahe stand, aus seinem ausgedörrten Mund. Angstvoll strich ihm die junge Frau die nassen Strähnen aus dem schwitzigen Gesicht. Ihr rötlichbrauner Blick wandte sich dem Stählernen zu, der aber zuckte nur sehr hilflos mit den metallenen Schultern.

Auf einmal entspannten sich die Armmuskeln des kleinen Jungen, mit einem erleichterten Seufzer schloss er erschöpft die Augenlider. Ein letztes Wort kam wie eine leichte Sommerbrise zwischen den trockenen, rissigen Lippen des Blonden hervor. Riza hatte den Eindruck, dass er sich bei Jemandem bedanken würde. Von einer Sekunde auf die andere erschlafften die restlichen Glieder des Kleinen und er fiel, wie ein frisch abgeschlagener Baum, dem Bett entgegen. Mit der Agilität einer geschmeidigen Katze griff die junge Frau blitzschnell nach ihm und hielt somit den Sturz ab. Im selben Augenblick waren zwar die beiden männlichen Personen im Raum hinzugesprungen, aber sie wären trotz allem zu spät bei Ed gewesen. Sanft und liebevoll wie eine Mutter bettete die attraktive Blonde den heißen Körper des Jungen in die weichen, aber nassen Kissen. Sorgenvoll blickte sie auf die Decke, die bereits wie die Polster nass und klamm war. >Er ist vollkommen durchgeschwitzt. Armer Ed!<

Colonel Mustang runzelte beunruhigt die Stirn und strich sich in Gedanken über die leichten schwarzen Bartstoppeln, die sein Gesicht bedeckten. >Der Tag war echt hektisch…erst das mit Full Metal, dann das mit dem Mädchen…und nun wieder der Kleine.< Dann ruckten die Onyxaugen zu dem stählernen Giganten hinüber. „Alphonse, was ist hier passiert? Wieso hat der kleine Full Metal wie am Spieß geschrieen?“ neugierig leuchteten die schwarzen Pupillen auf. Der metallene Junge stand erstarrt wie eine Salzsäule neben dem Ruhelager seines Bruders und blickte sorgenvoll zu diesem hinunter. Es dauerte eine ganze Weile, bis er zu einer Antwort ansetzte. Ich…ich…weiß es nicht genau. Er hat…immer wieder dasselbe geschrieen“, stammelte er schluchzend, leise schniefend zog er die Nase hoch. „Und das wäre?“, eine leichte Wut packte den jungen Mann in der Uniform, seine Blicke waren wie tausend eisige Messer, als er den Jungen streng musterte. Alphonse zuckte bei diesem Anblick heftig zusammen. Einen dicken Kloß den Hals hinunterwürgend, flüsterte er: „Winry…er hat immer wieder ihren Namen gerufen…nichts anderes.“ Erstaunen durchfuhr das Antlitz des schwarzhaarigen Mannes, eine Augenbraue glitt ungläubig in die Höhe.

„Winry?“ mischte sich nun auch die junge Frau ein, die immer noch beruhigend die Wange des Blonden streichelte. „Ist das nicht dieses Mädchen, mit dem du und Ed aufgewachsen seid?“ wissbegierig wandte sich der sanfte Blick des First Lieutnant dem metallenen Koloss zu. Dieser nickte schüchtern, ein kleiner Schimmer Rot bedeckte die Wangen des Jungen. „J-ja, so ist es.“

„Hmm, eigenartig…“, bemerkte Mustang mit einer gewissen Beunruhigung. „Wieso hat er ihren Namen geschrieen? Hat er vielleicht schlecht geträumt?“ „Das ist doch jetzt wirklich nicht wichtig“, warf Riza fast ein wenig wütend ein und legte dem kleinen Jungen das kalte feuchte Tuch zurück auf die nass geschwitzte Stirn. Edward warf sich keuchend vom vulkanisch heißen Fieber, das in seinen Adern wütete, hin und her. Die Kühle schien ihm nicht wirklich zu helfen. „Wir sollten lieber einen der Ärzte verständigen, sein Fieber scheint weiter gestiegen zu sein. Ich verlasse dieses Zimmer jedenfalls nicht, bevor jemand etwas dagegen unternommen hat. Ist Doktor Brown noch hier? Taisa…?“

Der Angesprochene reagierte nicht, er starrte nur sehnsüchtig auf die hübsche Frau und den leise hustenden Hagane. >Sie pflegt ihn mit solch großer Hingabe…irgendwie würde ich jetzt gerne mit Full Metal tauschen…< Melancholisch seufzend kratzte er sich den Hinterkopf, die Haarsträhnen räkelten sich in verschiedene Richtungen, aber glitten nach wenigen Sekunden wieder brav zurück. Der Colonel plumpste schwer auf den einsamen Stuhl, der bisher nur nutzlos im Raum gestanden hatte.

„COLONEL!“ Erschrocken fuhr der Schwarzhaarige wie eine Rakete von seiner Sitzgelegenheit auf, vor lauter Verblüffung setzte er sich im gleichen Moment wieder. Aber er verfehlte den Stuhl um wenige Zentimeter, so dass er sich, nicht gerade elegant, mit einer Hand auffangen konnte. Blitzschnell sprang er auf und räusperte sich kurz und ziemlich verlegen. Er unterdrückte die Röte, die sich seiner Wangen bemächtigen wollte. „Taisa…“, die ausdrucksstarke Stimme seiner attraktiven Kollegin hallte durch das Krankenzimmer. Hawkeye kniete noch immer vor Edwards Bett, tupfte ihm das fiebrige Gesicht ab und beruhigte zur gleichen Zeit liebevoll Alphonse, der neben ihr verzweifelt zu schluchzen begann.

„Wa-…was ist denn, Hawkeye? Warum schreien Sie denn so?“ Er bemühte sich verzweifelt, seinen theaterreifen Abgang ein wenig zu vertuschen und blickte die junge Frau fragend an. Seine Augen waren so groß wie Autoscheinwerfer.

Riza Hawkeye starrte ihn verständnislos an, seufzte leicht genervt auf und schüttelte echauffiert den Kopf. Zerknirscht sah der Colonel seine Untergebene an. >Sie ist ganz schön wütend, aber wirklich süß…und sie macht sich sehr große Sorgen um den Jungen…<

„Wissen Sie, ob Doktor Brown noch hier ist? Er weiß doch über den Jungen Bescheid.“ Die warme Stimme klang verängstigt und leicht gehetzt. Die schönen Gesichtszüge der Blonden lagen im Dunkeln, die der Schein der flackernden Kerze warf. Aber auch ohne seinen First Lieutnant anzublicken, wusste der Schwarzhaarige, was in Riza Hawkeye vorging und was sie empfand. Auch er war in größter Besorgnis um den kleinen Jungen. „Er ist vor einer Stunde nach Hause zu seiner Frau gefahren. Er sagte mir, dass er zum Abend hin noch Besuch von einem Verwandten bekäme und ihn wenigstens empfangen wollte“, musste der junge Mann die Blonde enttäuschen, sein Augen waren traurig auf den Kleinen gerichtet. Aber sein Antlitz hellte sich ein wenig auf. „Aber er wies mich darauf hin, sollte es Komplikationen geben, ihn sofort zu benachrichtigen. Ich werde mich gleich auf die Suche nach einem Telefon machen.“ Mit diesen Worten wandte er sich sofort um und schritt geschmeidig zur Tür. Bevor er die Klinke herunterdrücken konnte, wurde er plötzlich noch von seiner Kollegin zurückgehalten. „Der Arme…er ist schon fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen gewesen und nun klingeln wir ihn aus seinem wohlverdienten Feierabend.“ Mit erschöpfter Miene sah sie ihren Vorgesetzten an. Sie hatte kaum einen erholsamen Schlaf gefunden, nachdem sie das Krankenhaus in der vorherigen Nacht verlassen hatte.

Ihre Gedanken waren immer wieder zu den beiden Elric-Brüdern gewandert, als sie sich völlig übernächtigt im Bett herumwälzte. Ein schnüffelndes und leise winselndes Geräusch ließ sie erschreckt zur Seite blicken. Nass legte sich die feuchte Hundeschnauze ihres kleinen Black Hayate liebevoll an ihre Wange, warm leckte seine raue Zunge über ihr Antlitz, als er ihre innere Unruhe spürte. Der schwarze Welpe wollte seine Herrin mit dieser Geste beruhigen und aufmuntern.

Traurig sah die junge Frau zu Boden, als der uniformierte Mann sie mit nachdenklich gerunzelter Stirn anblickte. „Soll das etwa heißen, ich soll ihn nicht anrufen? Oder was wollen Sie mir damit sagen?“

Bei diesen Worten ruckte der hübsche Kopf von Riza missverstanden in die Höhe. „Nein, nein, ich meinte nur damit, dass...ach, egal.“ Rasch winkte sie mit den überaus zarten langen Fingern ab. „Es wäre schön, wenn Sie ihn anrufen könnten, taisa. Ich werde hier bei den Jungs bleiben.“ Zart strich sie dem stählernen Jungen über die kalte eiserne Wange und drückte seinen Kopf sanft an ihre Schulter. Dankbar kuschelte sich Alphonse an die zierliche Frau und schluchzte kummervoll in ihren Armen. Leise summte Riza ein fröhliches Kinderlied, das ihre eigene Mutter sehr gerne gesungen hatte.

Ein entspanntes Lächeln glitt über die Lippen des schwarzhaarigen Mannes, als er diese liebevolle Szene betrachtete. >Sie wünscht sich mit Sicherheit auch mal Kinder, wenn sie den passenden Mann dazu gefunden hat<, seine Augen wurden voller Sehnsucht weich, grinsend schüttelte er den Kopf und verließ vorsichtig wie auf leisen Samtpfoten den Raum.
 

Eine Katastrophe folgt der nächsten...was wird aus Ed? Und Winry? Tja, das gibt es beim nächsten Mal, also dran bleiben *grins*

Eine schöne Woche wünschen euch

Mariko und Lina



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mondvogel
2006-09-10T10:39:32+00:00 10.09.2006 12:39
Eine Katastrophe folgt der nächsten... Wie recht ihr habt! Eine ganze Lawine von Katastrophrn wurde ausgelöst.

Und dieser heftige Sturm will einfach nicht aufhören. Ed muss ja eine starke Bindung zu Winry haben, wenn er merkt, dass sie in Gefahr ist.
Und Josh hat es auch nicht gerade leicht, der ärmste.

Mal sehen, wie sich das alles wieder gerade biegen wird. ^^
Von:  Hotepneith
2006-09-06T19:21:17+00:00 06.09.2006 21:21
Sadisten.
Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Josh und Winry, Ed, Alphonse und Co...das gesamte Krankenhauspersonal...ihr weidet euch hinlänglich ...

Mal sehen, wie es weiter geht. Woher weiß jemand im Fiebertraum, dass eine Verwandte in Problemen steckt?

Ich werde es erwarten können, müssen..

bye

hotep


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