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It's called destiny

von

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Tell me - What's wrong?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Blinded by the pain

Hallöli! ^^

Zuerst einmal will ich mich ganz lieb für die Kommis zum ersten Kapi bedanken. So richtig damit gerechnet, dass es unter adult fallen würde, hatte ich allerdings nicht. Riri versteht es ganz und gar nicht und Nad sagt, weil es eben Männer sind und es bei Heteros lockerer gesehen wird. XD Besonders die zweite Option gefällt mir. *lol*

Für alle, die das erste Kapi wegen eben Erwähntem nicht lesen konnte, gebe ich hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung. Aber wer es genauer wissen will, kann sich gern bei mir melden. ^^
 

Was bisher geschah (*das schon immer mal schreiben wollte*):

Shuichi wachte glücklich in Erinnerung an die vorherige Nacht auf und Yuki behandelte ihn zur Abwechslung mal ungewöhnlich nett, obwohl Shu ihn eigentlich kurz bei seiner Arbeit unterbrochen hatte. Später erfuhr der geneigte Leser, dass Yuki einfach nur ein stärkeres Antidepressivum erhalten hatte, weshalb er zu seiner Ärztin ging und die Behandlung abbrach, was sein Geliebter allerdings nicht erfahren hat. Ohne die stimmungshebenden Mittel wurde Yukis Stimmung logischerweise auch nicht gehoben, sondern sackte in den Keller. Was wiederum Shuichi zu deutlich bei einer Begegnung im Bad spüren musste, als der Autor ihm ohne seinen Willen - na, sagen wir mal, 'einen Dienst verrichtet' - hat. XD

Das fand der Sänger allerdings gar nicht witzig. Als er dann auch noch die Einladung zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung fand, die an sie beide adressiert war, und Yuki ihm ein ziemliches unfreundliches Nein gab, hing der Haussegen endgültig schief.
 

~ Blinded by the pain ~
 

Es waren inzwischen einige Stunden vergangen, seitdem sie diese Auseinandersetzung auf dem Flur gehabt hatten, als Yuki das erste Mal von seinem Schreibtisch aufstand. Sein Kopf war förmlich kurz vor dem Explodieren und wenn er nicht schnellstens ein Aspirin bekam, würde er noch umkippen.

Eiri ging in das Bad und griff in dem Medikamentenschrank, wobei er die Packung mit den gewünschten Kopfschmerztabletten herausholte. Inzwischen konnte er kaum noch in sinnvollen Bahnen denken, so stark war der Druck auf seinen Kopf. Zusammen mit einem Schluck Wasser nahm er zwei Aspirin und wartete einige Minuten, aber die Wirkung war so geringfügig, dass es kaum einen Unterschied machte. Von Sekunde zu Sekunde fühlte er sich dreckiger. Kalter Schweiß brach auf seiner Stirn aus und die Welt begann vor seinen Augen und unter seinen Füßen zu schwanken. Was war das nur?

Wieder griff er in den Schrank, dieses Mal, um ein stärkeres Mittel herauszunehmen. Seine Finger fanden ein schmales Döschen und er blickte auf das Etikett, das ihm verriet, dass es sich um ein Antidepressivum handelte. Genauer gesagt um das, welches ihm sein Ärztin erst vor kurzem verschrieben hatte. Er wusste, durch nur eine dieser Pillen würde es ihm gleich viel besser gehen. Yukis Hand umklammerte das Medikament fester. Ja, nur eine einzige...

Verdammt! Wütend öffnete er das Röhrchen und kippte den Inhalt in die Toilette, woraufhin er ihn hinunter spülte. Er wollte nie wieder von diesen Dingern abhängig sein, nie wieder!

Yuki warf das Döschen auf den Boden und wankte dann in das Wohnzimmer. Dort ließ er sich zitternd auf dem Sofa nieder. Schwach presste er sich Zeige- und Mittelfinger an je eine Schläfe, doch seine Kopfschmerzen blieben hartnäckig.

So elend hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Erinnerungen kreuzten seine Gedanken. Blut, Tod, der Geruch von Wein, der sich langsam auf dem Teppich ausbreitete... Das Zittern wurde schlimmer. "Sensei!", keuchte er und kniff die Augen zusammen. Nein, er wollte jetzt nicht daran denken, aber er hatte keine Wahl. Mit jedem weiteren Moment, der verstrich, wurde die Erinnerung intensiver. "Hör auf..."

Mühsam öffnete er die Augen wieder und griff schnell nach dem Telefon. Wie von selbst tippte sein Daumen die Nummer ein. Er hielt den Hörer an sein Ohr und nach dem zweiten Klingeln nahm jemand ab.

"Eiri, bist du`s?"

"Kannst du bitte schnell kommen, Tohma?"
 

Innerhalb einer Viertelstunde hatte Seguchi Tohma die Wohnung des Schriftstellers erreicht und klingelte. Ihm öffnete ein blasser Yuki, der nur noch mit Mühe auf beiden Beinen stand.

"Komm rein..."

Besorgt packte Tohma ihn an den Schultern. "Eiri, du siehst ja furchtbar aus! Lass uns in die Küche gehen." Mit einem Fuß schloss er die Tür hinter sich, dann schob er seinen Schwager in die Küche, wo er ihn gleich auf einen Stuhl drückte.

"Fühlst du dich krank?", fragte er weiter und hockte sich vor den Jüngeren.

Yuki lachte nur tonlos. "Scheiße, ich würde am liebsten auf der Stelle tot umfallen!"

Behutsam legte Tohma eine Hand auf die Stirn seines Gegenübers. "Fieber scheinst du keins zu haben, aber du bist total blass und verschwitzt. Soll ich nicht besser einen Arzt rufen?"

"Ein Arzt wäre jetzt wirklich das Letzte", murmelte Eiri. "Hätte ich so einen Pfuscher gewollt, hätte ich nicht dich angerufen, sondern einen von denen."

"Also bist du nicht krank?", fragte Seguchi und hob eine Augenbraue, musterte ihn jedoch weiter kritisch. "Denn genau so einen Eindruck machst du auf mich."

"Mir geht es nur nicht so besonders", meinte Yuki knapp und fuhr sich durch das Haar. "Die beschissenen Aspirin helfen nichts."

"Dann hole ich dir ein anderes Kopfschmerzmittel aus dem Bad." Tohma stand auf und verließ die Küche.

Tunlichst hatte der Schriftsteller es vermieden, seinen Freund davon abzuhalten, da der es sowieso getan hätte und es vielleicht doch etwas brachte, noch etwas anderes zu nehmen.

Nach einer Minute kam der Chef von N-G wieder zurück und hielt das leere Pillenröhrchen in der Hand. "Eiri, hast du die genommen?" Seine Stimme klang gehetzt und besorgt zugleich.

Der Angesprochene seufzte nur genervt und wischte sich mit dem Ärmel über die feuchte Stirn. "Nein, denn hätte ich auch nur eins von diesen Dingern genommen, würde es mir jetzt nicht so gehen."

"Dann sag mir doch endlich, was los ist!", verlangte Tohma eindringlich und stellte sich vor ihn. "Du hast mich angerufen, ängstigst mich zu Tode und willst mir nicht sagen, was es ist, dass es dir so schlecht geht."

"Ich hab die Behandlung abgebrochen." Seine Kehle fühlte sich trocken an, als er sprach. Also stand er auf und ging zur Spüle, wo er sich ein Glas mit Wasser füllte.

Seguchi starrte ihn nur überrascht an und musste kurz schlucken, bevor er erwiderte: "Du hast alles abgebrochen? Auch die Medikamente?"

"Deswegen bin ich ja so mies drauf. Ich glaube, das sind die ersten Entzugserscheinungen. Schöner Mist..." Er knickte zur Seite, doch sein Schwager war sofort da und hielt ihn fest. Das Glas Wasser zersprang auf dem Boden.

"Besser, wir gehen ins Wohnzimmer. Ich mache das dann später weg", erklärte Tohma und brachte ihn ins Wohnzimmer.

"Willst du dich nicht lieber auf das Sofa setzen, Eiri?"

"Nein." Vorsichtig löste sich Yuki von seinem Freund und schaffte es, wieder festen Halt auf seinen Beinen zu gewinnen.

"Ich weiß nicht, ob das gut war, dass du die Behandlung abgebrochen hast. Diese Ärztin ist gut."

Wieder fuhr er sich durch das blonde Haar und fühlte den plötzlichen Drang, sich eine Zigarette anzustecken. Dennoch unterließ er es. "Ich bin kaputt. Der einzige, der mir jetzt noch helfen kann, bin ich selbst."

Seguchi sah wenig überzeugt aus. "Kannst du das denn?"

"Die ganzen Jahre Behandlung haben mir doch nichts gebracht", sagte Yuki leise. "Ich muss die Sache von damals überwinden, nicht vergessen."

Der Andere fühlte sich nun etwas hilflos angesichts dessen, was auf Yuki zukommen konnte, würde er wirklich diesen Kurs verfolgen. Seine Augen verengten sich etwas.

"Warum Kitazawa?"

"Was?", fragte Tohma leise. Er verstand nicht, worauf sein damaliger Schützling hinauswollte.

"Warum hast du ihn als meinen Lehrer ausgewählt?", wollte Yuki erneut wissen und bedeckte seine Augen mit der rechten Hand etwas. "Ich frage mich, warum ausgerechnet er. Wäre es ein anderer gewesen, dann wäre ich nicht hier und er nicht..."

Sanft legte Tohma eine Hand an Eiris Wange und mit der anderen zog er seine Rechte von dessen Gesicht. Die hellen Augen Yukis waren feucht. "Es war Schicksal. Du weißt nicht, welche Faktoren noch hinein gespielt haben. Aber du hast Recht. Im Großen und Ganzen war es allein meine Schuld..." Es tat ihm so unendlich Leid und er wollte nicht weiter in Yukis leidvolles Gesicht blicken, also tat er das Einzige, das ihm in diesem Moment einfiel. Er küsste den Jüngeren.

Eiri war erschrocken, als er die Lippen Tohmas auf seinen eigenen spürte. Aber er wollte ihn nicht wegstoßen, ihn somit nicht glauben machen, dass er tatsächlich all die Schuld trug. Das stimmte in seinen Augen nicht, auch wenn es eben so geklungen hatte. Er konnte ihn nicht einfach von sich von sich drücken, das kam ihm falsch vor. Folglich tat er nichts, schloss die Augen und wartete, bis der Andere den Kuss schließlich löste. Dann öffnete er die Augen wieder und sah einen überraschten Tohma an, der wiederum nicht auf ihn, sondern zur Tür starrte. Yuki folgte seinem Blick. Oh nein.

Shuichi konnte nicht glauben, was er eben gesehen hatte. Sein Herz schien stillzustehen. Seguchi und Yuki... sie... Am liebsten hätte er laut geschrieen, doch seine Wut entlud sich auf andere Weise. Ehe er richtig wusste, was mit ihm geschah, war er schon bei den Beiden, holte mit der rechten flachen Hand aus und schlug zu. Die Ohrfeige war nicht für Tohma gewesen und dieser hatte sie folglich auch nicht erhalten. "Ist es dir wirklich so egal?!", rief Shuichi verzweifelt und rannte im nächsten Moment schon aus der Wohnung. Er wollte nur weg, so weit wie möglich. Einfach weg.

"Shu..." Yuki wollte ihm folgen, sich erklären, doch bereits nach dem ersten Schritt geriet er ins Wanken und musste erneut von Seguchi gestützt werden.

"Lass ihn laufen", sagte dieser leise. "Momentan wird er ohnehin nicht auf dich hören."

"Scher dich zum Teufel."

Tohma ließ ihn los. "Es tut mir Leid." Danach verließ auch er die Wohnung.

Nun gab Yuki die jämmerlichen Versuche zu stehen auf und lehnte sich an die Wand, an der er herunter rutschte. Verdammt.
 

Dass er lief, erkannte Shuichi nur daran, dass er bemerkte, wie er sich fortbewegte. Sein ganzer Körper schien taub zu sein, völlig gefühllos. Wie Yuki. Er lachte trocken bei diesem Vergleich.

Es war schon eine ganze Weile her, seit er Hals über Kopf aus der Wohnung gestürmt war. Auf die Uhr hatte er nicht gesehen, aber es wurde langsam dunkel, also musste es sich schon um ein paar Stunden handeln. Zu Hiro konnte er nicht gehen, da der Ayaka zu Besuch hatte. Und wenn ihm etwas wirklich fern lag, dann eine andere Beziehung zu stören. Also ging er ziellos durch die Straßen Tokyos. Hauptsache nicht zu Hause sein müssen.

Wie konnte Yuki ihm das antun? War das der Grund, dass er sich in letzter Zeit so seltsam benommen hatte? Hatte er eine Affäre mit... Tohma? Gott, es war alles so irreal! Aber Shuichi hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie sich geküsst hatten. Er war durch die Tür gegangen und das erste, was er gesehen hatte, waren Yuki und sein Chef, wie sie dastanden und sich küssten. Allein die Erinnerung daran trieb ihm die Tränen gefährlich nahe an die Augen. Beinahe wünschte er sich, sie nie erwischt zu haben.

"Ich Idiot", flüsterte er zu sich selbst und blieb stehen. Nun war er in einem sehr belebten Stadtteil Tokyos angekommen, der besonders nachts aktiv war. In einem Club würde er weniger auffallen, als er es jetzt tat.

Dummerweise hatte er nur eine Sonnenbrille auf und seine Haare waren schon recht einmalig. Er konnte von Glück reden, dass ihn bisher keine Fans erspäht hatten. Doch in Clubs und Diskotheken herrschten ohnehin andere Lichtverhältnisse und das war ein Vorteil.

Also ging er in einen Club - an dem Türsteher war er trotz seiner gewöhnlichen Kleidung sofort vorbei gekommen - und setzte sich dort an einen Tisch. Die Musik war nicht zu aufdringlich und das tat gut. Shuichi hatte nicht Lust zum Tanzen und in lauten Discos bekam er ohnehin schnell Kopfschmerzen, woran auch nicht zuletzt die raucherfüllte und aufgebrauchte Luft ganz unschuldig war.

Sofort kam eine hübsche Bedienung mit schwarzem Haar und beugte sich ein wenig über den Tisch. "Nicht so traurig gucken, Süßer! Die Nacht ist noch jung und du wirst schon in die richtige Stimmung kommen. Was darf es denn für dich sein?"

Wahllos bestellte er einen alkoholischen Drink und sie ging davon. Keine zwei Minuten später war sie wieder da und gab ihm seine Bestellung.

Er bedankte sich und trank einen Schluck. Dann betrank er sich eben, jetzt war ihm das auch egal.
 

Eine Stunde später war er zu. Hackedicht bis zum Anschlag.

"Und ich hätt' ihm richtig eine reinschlag'n solln...", nuschelte Shuichi und schlug leicht mit der Faust auf den Tisch, um die an sich selbst gerichteten Worte zu untermalen. "Der weiß gar nich', was er an mir hat, weiß er nich'..."

Der Club war inzwischen belebter geworden und damit auch voller. Das hatte zur Folge, dass die Sitzplätze knapp wurden.

Ein Jugendlicher mit kurzem schwarzem Haar kam zu Shuichi. "Sorry, kannste dich nich' an nen anderen Tisch pflanzen? Meine Freunde und ich brauchen den hier."

Doch Shuichi war viel zu sehr damit beschäftigt, vor sich hin zu murmeln und mit dem Strohhalm seinen Drink umzurühren.

"Hörste mir zu?"

Wieder keine Reaktion darauf.

Nun wurde der Junge langsam sauer und packte Shuichi hart an der Schulter. "Mensch, Alter! Mach endlich die Fliege!"

Aus trüben Augen blickte der Sänger ihn an und murmelte: "Ja, richtig eine donnern hätte ich ihm soll'n..."
 

"Das war ein toller Abend!", quiekte der Sänger und sah seine Begleiterin breit lächelnd an.

Sie liefen die Straße entlang, die sich inzwischen mit jeder Menge junger Menschen gefüllt hatte, da jetzt das Nachtleben Tokyos in Schwung kam.

"Ja, das war mal wieder schön", stimmte sie zu. "Da kommt man sich wieder wie ein Teen vor."

"So, fühlst du dich denn sonst alt?"

"Na ja, es ist nicht mehr so wie damals. Manchmal komme ich mir total eingerostet vor."

Ryuichi kicherte. "Mann, schade, dass Tohma nicht mitkommen konnte. Der hätte das sicher gern gehört!"

Mit beleidigtem Gesicht gab Noriko ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. "Baka!"

"Menno, du sollst das nicht immer machen!", beklagte er sich, während er sein Basecap wieder in die richtige Position schob. "Wenn du mir nicht gerade meine Tarnung zerstörst, dann tust du das mit meiner Frisur."

"Zum Sänger mit dem meisten Sexappeal in Japan gekürt und so eitel wie eine Diva", lästerte sie grinsend. Sie genoss es, zu sehen, wie er wegen diesem blöden Titel, den ihm eine Teeniezeitschrift gegeben hatte, rot wurde. Und auch dieses Mal wurde sie nicht enttäuscht.

"Du bist gem..."

Die Tür des Clubs, an dem sie gerade vorbei liefen, wurde geöffnet und der Türsteher warf einen Jungen direkt vor die Beiden. "Und bleib ja draußen!", warnte der Mann, bevor er wieder im Club verschwand.

"Da hat wohl jemand eine Schlägerei angefangen", kommentierte die Keyboarderin mit einem Blick auf den jungen Mann, der noch immer vor ihnen kauerte.

Plötzlich ertönte ein würgendes Geräusch und Ryuichi verzog das Gesicht. Der Typ hatte ihm knapp vor die Schuhe gekotzt. "Der ist dicht."

Nun fuhr sich der Junge durch das Haar, gab ein leises "verdammt" von sich und sah dann auf. "Entschuldigen Sie..."

Die Mitglieder von Nittle Grasper schoben überrascht gleichzeitig ihre Sonnenbrillen ein Stück nach oben. "Shuichi?"
 

tbc...

Will you help me, when I´m down to my knees?

Lalihooooooo,
 

Ich muss leider zugeben, dass ich das Hochladen des neuen Kapis verschwitzt hatte. ^^° Sollte schon vor Tagen geschehen. Aber jetzt mach ich das (oder habe es gemacht, wenn ihr das hier lest). Danke für die lieben Kommis und jetzt geht es los mit Ryu-Action. XD
 

Viel Spaß, wie immer.

Kat =^.^=
 

~ Will you help me, when I'm down to my knees? ~
 

Helles Licht fiel durch das große Balkonfenster und Shuichi musste lange blinzeln, bevor sich sein Blick völlig geklärt hatte. Langsam drehte er den Kopf zur Seite, um zu sehen, wo er war, gab aber einen gequälten Laut von sich, als sein Kopf mit heftigen Schmerzen protestierte.

"Guck mal, Kumaguro, Shu-chan ist aufgewacht!"

Erschrocken fuhr er hoch und sah zum Ende des Bettes, auf dem Ryuichi saß, der seinen Stoffhasen im Schoß hatte und ihn neugierig beobachtete. "Sakuma-san!" Beiläufig fiel sein Blick auf seinen Oberkörper, der nun nicht mehr von der Bettdecke verhüllt wurde, und er schrie kurz auf.

"Suchst du dein T-Shirt?" Der andere Sänger kicherte und wechselte mit Kumaguro einen wissenden Blick. "Wir haben es in die Waschmaschine geworfen."

"Oh Mann..." Shuichi legte eine Hand auf seinen dröhnenden Kopf und sah sich um. Sie befanden sich in einem geräumigen Schlafzimmer, das lediglich mit einem Schrank, einem Bett, einer Kommode und einer Stereoanlage ausgestattet war. An der Wand hing ein großes Foto von Nittle Grasper. Langsam begriff er, wo er war. "Wie bin ich hierher gekommen?", wollte er wissen und errötete leicht.

Wieder kicherte Ryuichi. "Shu-chan hat alles vergessen, na no da. Du hast gestern Abend eine Schlägerei in einem Club angefangen und Noriko-chan und Ryu-chan haben dich gefunden."

Mühsam versuchte der Pinkhaarige sich zu erinnern, doch alles war viel zu verschwommen. "Ich weiß nur noch, wie ich wohl einen über den Durst getrunken hab."

"Das haben wir gesehen", bemerkte Sakuma und kniff belustigt die Augen zu. "Als dich der Türsteher rausgeworfen hatte, hast du gekotzt und dann gleich noch mal auf der Fahrt hierher. Noriko hätte dich fast umgebracht, als du ihre Rücksitze versaut hast!" Das alles erzählte er mit so einer Begeisterung, dass Shuichi annahm, dass es für ihn lediglich ein riesiger Spaß gewesen war. Kumaguro war inzwischen auf seinen Kopf gewandert und hüpfte bei jeder Bewegung seines Besitzers mit.

Shuichi zog die Bettdecke höher und starrte darauf. "Wie peinlich. Tut mir Leid, dass ich euch solchen Ärger gemacht habe..."

Ohne sich irgendwelche Gedanken darüber zu machen, krabbelte der Sänger von Nittle Grasper näher auf ihn zu und lächelte wie ein Honigkuchenpferd. Woher nahm er nur immer diese gute Laune? "Shu-chan ist unser Freund, und wenn es Freunden schlecht geht, dann hilft man ihnen!"

Inzwischen war dem Anderen die Situation erst richtig bewusst geworden. Er war hier im Apartment seines großen Idols und saß halbnackt in dessen Bett. Irgendwie schaffte es sein Gesicht, noch einen Farbton tiefer zu werden. "Sakuma-san, das..."

"Ich bin Ryuichi oder Ryu-chan!", fiel er ihm ins Wort. Dann deutete er auf das rosa Plüschtier. "Und das ist Kuma-chan!"

Nun begann Shuichi heftig zu stottern. Er konnte ihn doch nicht einfach beim Vornamen nennen! Andererseits wusste er auch nicht, wie Ryuichi reagieren würde, würde er dessen Aufforderung nicht folgen. Der ältere Sänger konnte in manchen Dingen sehr eigen sein. "Sak... äh... Ryu-ichi... a-also..."

"Warum ist Shu-chan denn so schüchtern?", fragte er mit ratlosem Gesicht und sah den Hasen an, als würde er ihm eine Antwort geben können.

"Es tut mir Leid, dass ich euch solche Umstände gemacht habe."

Schnell schüttelte Ryuichi den Kopf. "Macht doch nichts! Ich frage mich nur, warum du dich so betrunken hast. Die ganze Zeit im Auto über hast du was von ,jemanden schlagen' erzählt."

Die Erinnerung brach über dem Jüngeren zusammen wie eine unerbittliche Welle und er musste schlucken. Er konnte Sakuma nicht erzählen, was passiert war, denn immerhin war Tohma dessen Freund. Und sein Problem war es auch nicht, also wäre es unfair gewesen. "Hatte bloß `nen schlechten Tag", nuschelte er daher. Ein besonders guter Lügner war er nie gewesen, weshalb er auf seine Hände starrte, die sich in die Decke gekrallt hatten.

Der andere Sänger spürte das natürlich, beließ es aber dabei. Wenn Shuichi nicht darüber reden wollte, dann wollte er ihn auch nicht zwingen. "Brauchst du ein Aspirin? Dann geht es dir sicher gleich besser."

"Danke. Und ähm..." Dieses Mal schaffte er es endlich, seinen Gastgeber anzusehen. "Hast du auch ein T-Shirt oder Pullover für mich?"

"Klar!" Mit einem Satz war Ryuichi vom Bett gesprungen und am Schrank, den er gleich öffnete.

Shuichi bot sich ein seltsamer Anblick. Aus dem Inneren des Möbelstückes sprangen einem sofort sämtliche Farbtöne entgegen, aber dies nicht in einer wirren Mischung, sondern pro Fach eine Farbe. Für so ordentlich hatte er sein Idol nicht eingeschätzt.

Schließlich hatte der Leader von Nittle Grasper ein dunkelblaues T-Shirt gefunden und warf es ihm zu. "Da, das dürfte dir passen. Wir haben ja sowieso fast die gleiche Größe. Aber dusche dich vorher lieber." Dann grinste er und verließ zusammen mit Kumaguro das Zimmer.

Shuichi stand auf und musste kurz stöhnen, als sein Kopf sich wieder mit aller Kraft bemerkbar machte. Zuerst wankte er noch ein wenig, doch als sich seine Füße wieder an den festen Erdboden gewöhnt hatten, verließ er das Schlafzimmer.

Nun stand er in einem kurzen Flur und überlegte scharf, welche der anderen drei Türen, die nicht offensichtlich die Wohnungstür waren, die zum Bad sein konnte. Eine stand offen und aus ihr konnte er das Klappern von Geschirr hören. Offensichtlich war Ryuichi in der Küche. Blieb also nur noch die Wahl zwischen zwei anderen, fünfzig zu fünfzig.

Er entschied sich für die, die gegenüber vom Schlafzimmer war, und gelangte dadurch ins Wohnzimmer. Einige Sekunden stand er da und ließ den Eindruck auf sich wirken. Ein riesiges Panoramafenster erstreckte sich über die gegenüberliegende Front und verdeutlichte Shuichi, in welcher Höhe sich die Wohnung befinden musste. Die Aussicht war atemberaubend, es musste mindestens der vierzehnte Stock sein. Yuki hatte auch ein großes Fenster, aber der wusste das nicht zu schätzen und zog lieber die Dunkelheit seines Arbeitszimmers vor. Des Weiteren befand sich in dem Raum ein gemütliches rotes Sofa, auf dem bequem acht Mann Platz hatten, ein nicht zu klein geratener Fernseher, eine Stereoanlage und ein CD-Regal. Dieses imponierte Shuichi am meisten, da es bis zur Decke hinauf reichte und die Größe eines Bücherschrankes hatte. Eine so große Sammlung hatte er wirklich noch nie gesehen. An den Wänden hingen Pop-Art-Bilder und in einer Ecke, nahe dem CD-Schrank, erkannte er eine goldene CD, die zusammen mit dem Cover von Ryuichis Soloalbum, das er in Amerika produziert hatte, eingerahmt war. Hätte er sich nicht genau umgesehen, wäre sie ihm überhaupt nicht aufgefallen. Er wusste, dass Nittle Grasper duzende goldene und Platinum-CDs gesammelt hatten im Laufe der Jahre. Aber die hingen alle im N-G Gebäude.

Und das alles war in solch einer Ordnung, dass er sich zu fragen begann, ob Ryuichi vielleicht ein Hausmädchen hatte, auch wenn ihm das unwahrscheinlich erschien. Nur ein unordentlicher Haufen Notizen und Notenblätter lag auf dem kleinen Glastisch vor dem Sofa, zusammen mit einem Discman und einer aufgeklappten leeren CD-Hülle. Beim genaueren Hinsehen wurde Shuichi rot. Es handelte sich um die neue Single von Bad Luck. Jetzt, wo er sich mit den Tatsachen konfrontiert sah, erkannte er, dass er nie wirklich geglaubt hatte, dass Ryuichi sich je auch nur eine CD von ihnen angehört hatte. Dabei war es doch gar nicht so abwegig, oder?

Als er endlich die Augen von diesem Anblick abgewendet hatte, drehte er sich um, ging zurück in den Flur und nahm die letzte Tür. Endlich war er im Bad angelangt und auch das hatte einen gewissen Charme. Sowohl Fließen als auch die Badausstattung waren in Dunkelbau gehalten.

Shuichi zog sich aus und stieg in die Duschkabine. Erleichtert seufzte er, als er das Wasser aufdrehte und es warm auf ihn niederprasselte. Es tat so gut, sich den Schmutz der letzten Nacht abzuwaschen, dass er die Augen schloss und wieder zu summen begann. Es handelte sich um den Song ,Be there', der sein Lieblingssong von Nittle Grasper war. Langsam steigerte sich seine Laune und er fing an, leise zu singen. Dann fiel ihm ein, dass er ja nicht zu Hause war, wo sich jemand durch seinen Gesang gestört fühlen konnte. Also wurde er lauter, bis er sich richtig wohl fühlte und an nichts mehr denken musste, was ihm bis vor ein paar Minuten noch Sorgen bereitet hatte. Er hatte ganz vergessen, wie wunderbar es sich anfühlte, unter der Dusche aus ganzer Seele zu singen, ohne sich um etwas anderes Gedanken machen zu müssen.

Nach knapp zwanzig Minuten kam er fertig angezogen und mit feuchten Haaren aus dem Bad und machte sich auf den Weg zur Küche. Im Türrahmen blieb er stehen und beobachtete Ryuichi, der etwas am Herd briet und dabei eine Zeile aus einem Shuichi unbekannten Song immer wieder sang, bis er der Meinung war, dass sie gut genug rübergebracht war, und zur nächsten überging. Dem jungen Sänger kam der Gedanke, dass es sich womöglich um den neusten Song von Nittle Grasper handelte und einen Moment lang fühlte er sich in seine alte Fanzeit zurückversetzt, als er jede CD seiner Lieblingsband in- und auswendig kannte, die Worte schon beinahe in umgekehrter Reihenfolge aufsagen konnte.

Nun sang Ryuichi den gesamten Song, schwenkte Spiegeleier in der Pfanne und platzierte sie schließlich auf den beiden Tellern, direkt neben dem gebratenen Speck und den warmen Brötchen. Nachdem er die Pfanne zurückgestellt hatte, sah er zu Shuichi und lächelte.

"Gefällt dir unser neuer Song? Wir stellen ihn auf dem nächsten Konzert vor."

Leicht schüchtern kratzte er sich am Hinterkopf und grinste schief. "Ich finde ihn toll. Wird sicher mal wieder eine Nummer Eins."

"Möglich." Ryuichi deutete auf einen der Stühle am Küchentisch. "Setz dich, ich hab uns Frühstück gemacht. Ich kann leider japanisches Essen nicht so gut, deswegen hab ich amerikanisches gemacht. Ich hoffe, das stört dich nicht."

"Das macht nichts", antwortete er und setzte sich. "Ich kann selbst absolut nicht kochen und außerdem ist es mal eine Abwechslung." Shuichi lächelte, als er Kumaguro auf dem Stuhl neben sich sitzen sah.

Der Sänger von Nittle Grasper stellte sich und ihm einen Teller hin und setzte sich ihm gegenüber. "Bis ich nach Amerika kam, konnte ich auch nicht kochen, aber wenn man K als Manager hat, dann muss man es lernen, weil man sonst verhungert." Er kicherte wieder und aß ein Stück Spiegelei. "Ist auch nicht so viel Fett drin, du kannst also ruhigen Gewissens essen."

"Hm, ja", meinte er nickend, drehte den Speck jedoch nur gedankenverloren mit der Gabel hin und her. Er starrte einfach nur auf seinen Teller und schob das Essen von links nach rechts und wieder zurück. Sein Appetit war wie weggeblasen und hatte den Erinnerungen vom Vortag Platz gemacht. Tohma und Yuki, das war es also. Deswegen war Yuki so komisch gewesen. Nur deswegen...

So vergingen einige Minuten, bis Ryuichi zuerst etwas sagte: "Ich habe dich unter der Dusche singen gehört."

Langsam sah der Pinkhaarige auf. Er wollte einen dummen Witz darüber machen, dass er den Song absolut verschandelt hatte, vergaß dieses Vorhaben allerdings sofort, als er sah, dass sein Gegenüber auf seinen eigenen Teller starrte und selbst nichts aß. "Mir war danach."

Leise seufzte Ryuichi und zerstach mit seiner Gabel das Ei. "Du hast dich dabei besser gefühlt, auch wenn dein Gesang traurig klang."

Shuichi zuckte leicht zusammen und blickte beschämt zur Seite. Wie konnte sein Idol nur so leicht in ihn hinein schauen? Er blieb stumm.

"Es ist Yuki-san, habe ich Recht? Es ist immer Yuki-san", murmelte Ryuichi "Eigentlich wollte ich es dir nicht erzählen, aber gestern Abend, als wir her kamen, hast du geweint. Ich habe dich kaum ruhig gekriegt." Noch immer starrte er auf seinen Teller.

Shuichi legte die Gabel weg und drückte beide Hände in den Schoß. Plötzlich fühlte er sich wie ein Blatt Papier, auf dem alles fein säuberlich geschrieben stand, so dass jeder es lesen konnte. Es war ihm so unglaublich peinlich.

"Möchtest du es mir erzählen, Shu-chan?"

Schnell schluckte er und schüttelte den Kopf. Er konnte es ihm einfach nicht erzählen, Tohma war sein Freund! Und außerdem... "Es tut mir Leid."

Ryuichi sah auf und blickte ehrlich überrascht drein. "Wieso denn? Es ist schließlich eine Sache zwischen dir und ihm. Aber wenn du ein offenes Ohr brauchst, dann kannst du immer kommen, Shuichi."

"Danke", flüsterte er und starrte auf seine Hände. "Ich habe nicht so besonders großen Hunger..."

"Das macht nichts, du kannst ja bei der Arbeit was essen." Dann stand Ryuichi auf, nahm beide volle Teller, leerte sie in den Mülleimer und legte das dreckige Geschirr in die Spüle.

Als Shuichi endlich aufsah, hatte der Ältere wieder ein Grinsen im Gesicht, packte eine seiner Hände und zog ihn vom Stuhl hoch.

"Komm, Kuma-chan und ich fahren mit dir zu N-G, na no da!"

Shuichi beneidete ihn um diese immer glückliche Seite, die er ein- und ausschalten konnte, wie es ihm beliebte. "Okay."
 

"Und ich sage dir, das wird ein richtig cooles Konzert!", erzählte Ryuichi munter in einer nicht gerade niedrigen Lautstärke, als er und Shuichi durch die Gänge von N-G Records gingen. Er war bei seinem Lieblingsthema und quasselte fröhlich vor sich hin, da er endlich jemanden gefunden hatte, der seine Position als Leadsänger einer erfolgreichen Band verstehen konnte.

Shuichi lief neben ihm, hörte konzentriert zu und nickte eifrig. Jemand hatte ihm einmal gesagt, er hatte die weibliche Fähigkeit, Leuten Stunden lang aufmerksam zuzuhören und das auch deutlich zeigen zu können. Nein, das stimme nicht. Nicht ,jemand' hatte ihm das gesagt, sondern Yuki. Doch den Gedanken an ihn verdrängte er und konzentrierte sich stattdessen auf das einseitige Gespräch mit Ryuichi.

Gerade war der an einer Stelle angekommen, wo er die Bühne beschrieb und die Arme so weit ausbreitete, wie es seine Anatomie zuließ, als er plötzlich in der Bewegung erstarrte und vor sich auf den Flur blickte. Dann quiekte er: "Tohma-chan!" und hüpfte auf seinen Freund zu, um kurz vor ihm stehen zu bleiben. "Guten Morgen!"

Tohma lächelte sein typisches Lächeln und erwiderte den Gruß.

"Hey, Shu-ch...", begann Ryuichi, verstummte jedoch, als der Angesprochene wortlos an ihnen vorbei ging, den Kopf leicht gesenkt. "Aber..."

Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und sah zu Tohma, der ihn mit unverändertem Gesichtsausdruck ansah. "Ich habe noch ein bisschen an den Arrangements gearbeitet und ich bin mir sicher, sie werden dir gefallen." Mit sanftem Druck schob er ihn zurück in die entgegen gesetzte Richtung und unterhielt sich weiter mit ihm.
 

"Guten Morgen, Shindou-kun", begrüßte Sakano seinen Schützling und strahlte, als hätte er einen Sechser im Lotto. "Du bist ja pünktlich!"

Shuichi seufzte. "Liegt daran, dass mich Sakuma-san hergefahren hat. Der ist in der Beziehung professioneller als ich."

"Ach, da warst du!", stellte Hiro fest und kam zu ihm. "Junge, ich habe mir echt Gedanken gemacht." Um seine Worte zu bekräftigen, gab er seinem besten Freund eine Kopfnuss. "Echt, mach das nie wieder!"

Nun sah Shuichi heillos verwirrt aus. "Wieso hast du dir Gedanken gemacht? War nicht Ayaka-chan bei dir?"

"Oh, er hat dich also nicht erreicht wie es scheint. Na ja, wer vermutet dich auch schon bei Sakuma-san?"

Langsam wurde Shuichi gereizt. Die Begegnung mit Tohma im Gang hatte seine Laune nicht unbedingt gefördert und nun musste man Hiro auch noch alles aus der Nase ziehen. "Kannst du mir bitte sagen, was nun los war?"

Der Gitarrist zuckte die Schultern. "Gegen um zehn abends hat Yuki-san bei mir angerufen und gefragt, ob du bei mir bist. Als ich sagte, dass du es nicht wärst, hat er wortlos aufgelegt. Ich habe daraufhin versucht, dich auf dem Handy zu erreichen, aber du bist nicht rangegangen."

Zögerlich griff der Sänger in seine Hosentasche, holte sein Handy hervor und blickte auf das Display. Zwei entgangene Anrufe. Einer von Hiro kurz nach zehn des vorangegangenen Abends und einer von halb acht von - sein Finger zitterte, als er die Anzeige nach unten drückte - ,zu Hause' stand da. Just in diesem Augenblick begann das Handy zu vibrieren und er starrte weiter auf das Display. ,Zu Hause'. Er hatte solch eine Angst, ranzugehen. Die Ungewissheit, was ihn da erwarten würde, fraß ihn regelrecht auf.

"Willst du nicht rangehen?", fragte Suguru.

Erschrocken ließ Shuichi das Handy fallen, wo es hart aufschlug und sofort aufhörte zu vibrieren.

"Mann, Shuichi!" Hiro hob das Handy auf und besah es sich. "Das ist jedenfalls jetzt hin. Was ist denn nur los?"

"Schon wieder Stress mit Yuki-san?", seufzte Suguru, wobei er die ersten beiden Worte besonders dehnte.

Doch der Sänger schwieg nur und starrte auf das Handy in Hiros Händen. ,Zu Hause'. Das klang so befremdlich und irreal, als wäre es ein Fremder gewesen, der angerufen hatte. War Yuki ein Fremder für ihn geworden? Ja, entschied Shuichi. Und in gewisser Weise war er das auch immer gewesen.

"Wenn du ihn zurückrufen willst, kannst du mein Handy haben", bot sein Freund an.

"No time! Wir haben ein Album zu produzieren", mischte sich K ein, der soeben das Studio betreten hatte.

Im Stillen dankte ihm Shuichi, da ihm eine Antwort auf Hiros Frage unangenehm gewesen wäre. Das Thema ,Yuki' wollte er im weiteren Verlaufe des Tages unangesprochen lassen. "Dann machen wir uns mal an die Arbeit!", meinte er mit falschem Enthusiasmus und schlug die Hände zusammen.
 

"Und du willst gleich nach Hause?", fragte Hiro noch einmal, als sie in der Eingangshalle der Plattenfirma standen.

Shuichi nickte lächelnd und kniff die Augen zusammen. "Ja, das heute Morgen war doch halb so wild. Ich habe halt überreagiert, weil wir mal wieder ein bisschen gestritten haben. Heute sieht sicher wieder alles anders aus als gestern."

"Na gut, dann..." Der Dunkelhaarige schlug seinem besten Freund leicht auf die Schulter und verschwand dann durch die Eingangstür.

Einen Moment lang wartete Shuichi, bis er aus seinem Sichtfeld verschwunden war, dann fiel seine Miene sofort wie eine morsche Mauer in sich zusammen, in die man mit einer Abrissbirne geschlagen hatte. Er wusste genau, es würde absolut nichts besser sein. Denn es war kein einfacher Streit gewesen. Und nach Hause gehen wollte und würde er schon gar nicht. Eigentlich fühlte er sich mies, dass er Hiro so belogen hatte, aber er wollte seine Sorgen nicht wieder bei seinem Freund abladen, zumal er wusste, dass Ayaka noch in Tokyo war.

Seufzend ließ er sich auf eines der blauen Sofas sinken. Wohin sollte er nur gehen? Vielleicht zu seinen Eltern? Nein, das würde zu anstrengend werden. Seine Mutter verehrte immerhin Yuki wie keinen zweiten Autor und wenn er dort hin kam und seine Situation erklärte, würde alles im Chaos enden. Wahrscheinlich würde seine Mutter - von der er das Talent überzureagieren hatte - das Haus niederbrennen oder so.

Zum Verzweifeln. Shuichi schloss erneut die Augen und legte den Kopf zurück. Er hatte keinen Zufluchtsort, so war die Lage. So und nicht anders. Wie ein Kaninchen, das es verpasst hatte, sich ein eigenes Loch zu buddeln. Und wen frisst der Wolf zuerst? Haha...

"Shu-chan!"

Sein Kopf ruckte blitzartig hoch und er sah Ryuichi vor sich stehen, der wiederum leicht vornüber gebeugt dastand und ihn anstarrte, so dass sich ihre Nasen fast berührten.

"Sakuma-san!"

Ryuichi zog einen leichten Schmollmund und Kumaguro auf seinem Kopf rutschte gefährlich nach vorn. "Sag das nicht, da fühl ich mich so alt!"

"Verzeihung, Ryu... chan."

Sofort hellte sich dessen Gesicht auf. "Warum sitzt Shu-chan denn hier so alleine rum?"

"Ah, wir haben für heute Feierabend", murmelte Shuichi und regte sich unbehaglich. "Und irgendwie wollte ich noch nicht nach Hause."

"Sieht übel aus, hm?"

Überrascht sah der Jüngere nun in das ernste Gesicht des Anderen. "Äh... Ja", gab er leise zu. "Ich kann einfach nicht nach Hause."

"Und jetzt sitzt du hier und weißt nicht, wohin", stellte Ryuichi fest.

Wieder fühlte sich Shuichi unwohl. Wollte er sich über ihn lustig machen? Das fehlte ihm noch. Wenn sich ausgerechnet Sakuma Ryuichi über seine Dummheit amüsierte, dann würde ihm das einen herben Stoß versetzen. "Kann man so sagen."

"Dann komm mit zu mir!", bot er sofort an und lächelte wieder sein unschuldiges Lächeln, das eher einem Kind als einem Erwachsenen gehörte. "Shu-chan soll nicht auf der Straße übernachten müssen und ich habe ein Sofa frei."

Shuichi war hin und her gerissen. Einerseits kam ihm dieses Angebot sehr gelegen und Ryuichi war ja auch irgendwie sein Freund, andererseits wollte er ihn auch nicht ausnutzen. "Du musst das nicht für mich..."

Wieder trat dieser schmollende Ausdruck auf das Gesicht seines Gegenübers.

"Na gut, aber nur, wenn es dir wirklich keine Umstände macht."

Fröhlich quietschend sprang der Sänger von Nittle Grasper auf, wobei er Shuichi an den Händen mit hochzog. "Oh ja! Wir werden viel Spaß haben, na no da!"
 

tbc...

The way things turn

Lalihooo ^^
 

Na, wie geht es euch? Ich weiß, der letzte Teil liegt etwas länger zurück, aber jetzt geht es weiter mit Ryu-Action. XD Sogar eine kleine Rückblende ist mit drin. ^^ Viel Spaß beim Lesen.
 

Anmerkungen:

XXX = Küsschen, Küsschen, Küsschen (bzw. Kuss, Kuss, Kuss)
 

~ The way things turn ~
 

Als sie Ryuichis Wohnung betraten, atmete Shuichi tief durch und stellte sich vor, dass er zum ersten Mal in seinem Leben hier wäre. Dass er ein einfacher Fan war, der das geschafft hatte, was den meisten nie gelingen würde - er war in der Wohnung seines Idols. O ja, er verdankte ihm viel und Ryuichi selbst wusste gar nicht, *wie* viel. Ohne ihn hätte Shuichi womöglich nie mit Singen angefangen und wäre ein ganz anderer Mensch geworden. Hätte Yuki nie kennen gelernt und vielleicht sogar ein süßes Mädchen getroffen. Womöglich wäre er dann jetzt glücklicher - oder unglücklicher. Wer wusste das schon?

"Hast du heute was gegessen?", erkundigte sich der Ältere, zog seine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe.

Einen Moment überlegte Shuichi, ob er die Wahrheit sagen sollte. Aber wenn er schon bei solchen kleinen Dingen anfing zu lügen, dann würde er sich bald selbst nicht mehr mögen - dessen war er sich sicher. "Nein, hatte keinen rechten Appetit."

"Super!", strahlte Ryuichi und machte einen Luftsprung, der für den rosa Plüschhasen, auf seinem Kopf, auf dem Fußboden endete. Er hob ihn einfach wieder auf und setzte ihn zurück an seinen Stammplatz. "Dann koch ich uns was ganz tolles! Ahhhh... Pizza! Makkaroni mit Käse! Taccos! Hackbraten! Was immer du möchtest, Shu-chan!"

"Du musst dir nicht solche Mühe geben", murmelte er leicht beschämt. "Ich habe sowieso keinen besonders großen Hunger."

"Dann muss ich dir wohl eine Geschichte erzählen!", meinte der andere Sänger in belehrendem Ton und stemmte die Arme in die Hüften. "Als Nittle Grasper noch keinen Plattenvertrag hatten, habe ich vor einem etwas wichtigeren Auftritt den gesamten Tag davor nichts gegessen. Und dann hinter der Bühne wurde mir schlecht. Du hast keine Vorstellung davon, wie es ist, wenn es dir den Magen umkrempelt, obwohl du nichts drin hast."

"Ich soll also essen, damit ich mich dann besser übergeben kann?", fragte Shuichi und kicherte bei der Vorstellung. "Bei dem Argument fällt mir ehrlich keine Erwiderung ein. Du hast wohl gewonnen."

"Juchu!", jauchzte er und zog ihn sofort an einem Arm in die Küche. "Okay, dann... dann... Dann mach ich uns Nudeln mit Käse! Ja, das wird dir schmecken." Und schon war er am Kühlschrank und holte den Käse heraus. "Setz dich, ich brauche nur zwanzig Minuten."

Der Sänger von Bad Luck setzte sich also an den Küchentisch und sah ihm beim Arbeiten zu. "Danke", flüsterte er ganz leise.

Auf einmal drehte sich Ryuichi um und lächelte. "Nichts zu danken."
 

Im Wohnzimmer herrschte absolute Ruhe.

Ryuichi zog es vor, Songtexte zu schreiben, ohne dass er im Hintergrund Musik hörte. Er sagte, das würde ihn zu sehr ablenken, da er einen freien Kopf brauchte, in dem keine fremde Musik herumschwirrte. Daher hatte sich Shuichi seinen Discman geliehen, sich eine CD aus der beachtlichen Sammlung ausgesucht und dann neben seinen Gastgeber auf das Sofa gesetzt.

Einer schrieb Songtexte, der andere hörte Musik.

Shuichi konnte sich nicht helfen, er musste einfach Ryuichi aus dem Augenwinkel beobachten. Wie er dort da konzentriert auf das linierte Blatt vor ihm starrte, die Zunge zwischen die Lippen geklemmt, mal eine Zeile schrieb, etwas durchstrich, wilde Kringel an den Rand malte, damit die Farbe in der Kugelschreibermine nachrutschte. Als er noch ein junger Teenie gewesen war, hatte er immer geglaubt, Sakuma Ryuichi wartete, bis ihm eine Eingebung kam, dann griff er sich ein Blatt und schrieb einen perfekten Songtext. Und dass es Profis genauso ging wie ihm, war sehr beruhigend.

Er selbst hatte sich ein limitiertes Album von Nittle Grasper aus dem Schrank gegriffen und hörte es sich auf dem Discman an. Es war das erste Album, das er überhaupt je besessen hatte. Seine Schwester hatte es ihm zu seinem zehnten Geburtstag geschenkt, als Nittle Grasper gerade groß im Kommen gewesen waren. Natürlich hatten sie schon davor existiert, aber es war ihr erstes Album gewesen. Was für ein Zufall. Als sie erfolgreich wurden, begann er, sich für ihre Musik - für Musik überhaupt - zu interessieren.

Shuichi lehnte den Kopf zurück gegen das weiche Polster und schloss die Augen. Einfach der Musik zuhören, an nichts denken. Mit den Lippen formte er die gesungenen Worte stumm synchron mit. Tatsächlich fühlte es sich so an, als hätte sich nie etwas in seinem Leben geändert. Er konnte sich regelrecht selbst sehen, wie er auf seinem Bett lag, das Album in der Stereoanlage, ein aufgeklapptes Schulbuch auf dem Bauch. Damals hatte er jedes Album von Nittle Grasper aufmerksam angehört, nichts anderes nebenbei getan und dazu gesungen.

Ein sanfter Stoß in den Oberarm ließ ihn seine Augen öffnen und er nahm die Kopfhörer ab, während er zu Ryuichi sah. "Hm?"

"Ist zwar toll, dass dir unsere Musik so gefällt", grinste dieser, "aber wenn du so laut singst, kann ich mich schwer konzentrieren."

Sofort lief Shuichi knallrot an und schaltete den Discman aus. "Das tut mir Leid. Der Fan in mir ist wohl zu sehr durchgegangen."

"Halb so schlimm, na no da." Dann nahm er den Block und den Kugelschreiber und hielt beides Shuichi entgegen. "Möchtest du einen Songtext schreiben? Das lenkt dich sicher ab." Von was es ihn ablenken sollte, verschwieg er allerdings.

Shuichi nahm das ihm Dargebotene, blickte es jedoch hilflos an. "Ich weiß nicht, worüber ich schreiben soll."

"Aber Shu-chan!", kicherte er und legte kurz - als wäre sie nie da gewesen - seine Hand auf dessen Schulter. "Schreibe dich selbst."
 

-- 7 Jahre zuvor --
 

Seichte Musik erfüllte den Saal, vermischt mit den eifrigen Gesprächen der geladenen Gäste. Draußen war es Herbst, braune Blätter wehten durch kühle Luft, doch das nahm innerhalb des Hotelsaals keiner wahr. Zu feierlich war der Anlass, als dass irgendetwas die Stimmung hätte trüben können.

Ein blonder junger Mann bahnte sich seinen Weg durch die Menge, bedankte sich für Glückwünsche, die ihm verschiedene Leute aussprachen. Schließlich war er an seinem Ziel angekommen: Eine langhaarige Brünette.

Sie unterhielt sich angeregt mit einem Paar und hielt sich bei jedem Lachen ihre schlanke Hand vor den Mund. Für diese kleine Geste und noch vieles mehr liebte er sie und das war auch der Grund, weshalb sie heute geheiratet hatten.

Tohma unterbrach das Gespräch dezent, indem er ihr eine Hand auf die Schulter legte. "Liebling, kannst du kurz mitkommen? Ich will dich jemandem vorstellen."

Einen Moment lang sah sie ihn überrascht an, dann lächelte sie und nickte. Schnell verabschiedete sie sich von ihren Gesprächspartnern, danach ergriff er ihre Hand, um sie zielgerichtet zu einer Ecke des Saales zu ziehen.

Kaum waren sie bei den beiden Anderen angekommen, rief auch schon der dunkelhaarige Mann: "Tohma-chan, da bist du ja endlich!"

"Ja, tut mir Leid, dass ich so lange gebraucht habe", entschuldigte er sich lächelnd und legte einen Arm um die Hüfte seiner Gattin. "Aber dafür habe ich euch meine Mika aufgetrieben."

"Was für ein hübsches Kleid!", meinte die andere Frau ehrlich. "Was für eine hübsche Frau, nebenbei bemerkt."

Tatsächlich war sie wunderschön in ihrem weinroten Kleid mit den schmalen Trägern und dem schwarzen Muster. Wenig hatte es nicht gekostet, aber Tohma hatte für ihre Hochzeit nicht gespart und schon gar nicht bei ihr. Natürlich hatte sie zur eigentlichen Trauung einen traditionellen Kimono in weiß mit aufgestickten Kirschblüten getragen.

Er nickte. "Ja, sie ist wirklich wunderschön. Mika, das sind meine Freunde Sakuma Ryuichi und Ukai Noriko."

Mika streckte Noriko die Hand entgegen und lächelte auf eine besonders hinreißende Art, wie er fand. Seine Bandkollegin schüttelte die Hand und sah sehr angetan von der Frau ihres Freundes aus.

Gerade wollte sich die Brünette Ryuichi zuwenden, als der sie umarmte und ein glückliches quiekendes Geräusch von sich gab. Überrascht riss sie die Augen auf und sah Hilfe suchend zu ihrem Mann, der jedoch nur mit Noriko um die Wette grinste. Stimmt, Tohma hatte erwähnt, dass der Sänger hin und wieder ein wenig überdreht war.

Endlich war die Umarmung vorbei und sie fand ihr vorheriges Lächeln schnell wieder. "Es freut mich, Sie kennen zu lernen."

"Ryuichi freut sich auch, Mika-san kennen zu lernen. Tohma hat eine nette Frau, na no da."

"Da stimme ich dir vollkommen zu, Ryu-chan", sagte Noriko und sah dann wieder den Blonden an. "Ich gratuliere euch beiden sehr. Ihr seht so süß zusammen aus. Pass gut auf sie auf, so eine Frau findest du nicht überall."

"Das musst du mir nicht sagen."

Gerade wollte Mika etwas hinzufügen, als sie ein leichtes Zupfen am Saum ihres Kleides bemerkte. Der Ursache dafür konnte sie vorerst jedoch nicht auf den Grund gehen, da ihr jüngerer Bruder soeben zu ihnen gekommen war.

"Guten Abend", begrüßte er sie und verbeugte sich.

"Hallo, Eiri-kun", erwiderte Tohma mit einem helleren Lächeln. "Na, hattest du bisher einen schönen Abend?"

"Ja." Der blonde Junge nickte eifrig und sah dann neugierig zu den beiden anderen Mitgliedern von Nittle Grasper.

"Das ist mein Bruder Eiri", stellte Mika ihn vor und wuschelte ihm kurz durch das Haar. "Er wird später der Tempelvorsteher und so unseren Vater ablösen."

"Na, da hast du ja was vor dir!", stellte die Keyboarderin beeindruckt fest.

"Oh, ich bin da eigentlich ganz zuversichtlich", meinte der Junge freundlich. "Tohma-san will mich diesen Winter mit nach Amerika nehmen und dort kann ich mich ganz auf das Lernen konzentrieren."

"Wirklich?" Ryuichi grinste breit. "Das ist wirklich nett von Tohma-chan. Und wer ist das da hinter Mika-san?"

Mika vernahm einen erstickten Laut hinter ihrem Rücken und warf einen flüchtigen Blick über ihre Schulter. "Tja, wo Eiri ist..."

Dieser griff hinter sie und zog einen schwarzhaarigen Jungen hervor, der wohl der jüngste auf der gesamten Veranstaltung war. "Komm schon, Tatsuha!"

"Eiri!", protestierte dieser errötend, konnte sich jedoch nicht aus dem Griff befreien, da seine rechte Hand bereits eine CD hielt.

"Das ist mein kleiner Bruder Tatsuha", stellte Eiri ihn vor. Gleichzeitig schob er ihn noch ein Stückchen nach vorn. "Na, komm schon!"

Der Junge öffnete nur stumm den Mund und schloss ihn wieder, so dass er aussah wie ein Fisch. Er presste die CD fest an seine Brust und sah zu Noriko und Ryuichi auf, als würde jeden Moment ein Blitz zu seinen Füßen einschlagen.

"Was hat er denn?", fragte Mika ihren anderen Bruder und machte einen ratlosen Eindruck. "Er ist doch sonst nie um Worte verlegen."

Inzwischen hatte Ryuichi die Lage erkannt und kicherte. "Tatsuha ist ein Fan, richtig? Zeig doch mal!" Er griff nach der CD und bekam sie ohne Probleme, da Tatsuha wie gelähmt dastand und seine Hände kaum merklich zitterten. "Schau mal, Noriko!", quietschte der Sänger fröhlich und zeigte ihr die CD. "Unser erstes Album."

"I-ich... habe...", stotterte der Jüngste mühsam und kniff die Augen zusammen.

"Er hat beide Alben", kam ihm sein Bruder zu Hilfe. "Und er wollte Sie um ein Autogramm bitten."

"Tatsächlich?" Verwundert blickte Mika zu ihrem jüngsten Bruder. "Ich wusste ja gar nicht, dass du die Alben hast."

Nun war es Eiri, der verwundert guckte. "Nein? Das ist die Musik, die bei ihm ständig läuft und die du so lieb als ,Rockgejaule' bezeichnest."

"Eiri!", mahnte sie ihn und wurde gegen ihren Willen ein wenig rot.

Tohma lachte. "Halb so schlimm, Liebes. Du hast mich ja nicht wegen der Musik geheiratet."

Indes hatte Tatsuha ausführlich seine Füße betrachtet, da er die Blicke der beiden anderen Bandmitglieder regelrecht auf sich spürte.

"Ryuichi mag junge Fans ganz besonders!", erklärte Ryuichi überglücklich und sah aufgeregt von Noriko zu Tohma und wieder zurück.

"Also, was möchtest du, Tatshua-kun?", erkundigte sich Noriko lächelnd, auch wenn Eiri es schon längst erwähnt hatte.

Der Angesprochene sah auf und hatte große Augen. Nervös rieb er sich den linken Unterarm. "Ich hätte g-gern ein A-A-Autogramm... bitte!"

"Da können wir doch nicht Nein sagen!", meinte Ryuichi fröhlich, klappte die CD Hülle auf und zog das Booklet heraus. Danach wühlte er kurz in den Innentaschen seiner Jacke, bis er einen schwarzen Signierstift gefunden hatte. Einen Augenblick lang schien er zu überlegen, dann zog er mit dem Mund die Stifthülle ab und schrieb etwas auf das Bookletcover.

Als Nächste nahm Noriko es entgegen und grinste, als sie die Signatur ihres Kollegen sah. "Du bist unmöglich!" Sie schrieb ihre eigene Signatur kurz darunter und gab alles an Tohma weiter, der ebenfalls grinste, dasselbe tat und schließlich die CD und das Booklet seinem jüngsten Schwager in die Hand drückte.

Tatsuha las die Widmungen und verbeugte sich wieder errötend. "Danke, Sakuma-sama, Ukai-san und Tohma-san!" Und schon hatte er sich umgedreht und war verschwunden.

"Sakuma-sama?", wiederholte Ryuichi perplex und sah dem Jungen hinterher. Dann lächelte er wieder. "Ein witziger Schwager, den du da hast, Tohma-chan!"

Sanft stupste Mika ihren Mann an und fragte im Flüsterton: "Was hat denn Ryuichi-san drauf geschrieben?"

Tohma lächelte wieder. " ,Für unseren jungen Fan Tatsuha. XXX - Ryuichi'."

"XXX?" Eiri lachte leise. "Kein Wunder, dass er so rot geworden ist."

"Und du Eiri, freust du dich schon auf Amerika?"

"Ja, Tohma-san!" Nun strahlte der Junge über das ganze Gesicht. "Ich freue mich schon sehr auf New York. Vielen Dank, dass du mir diese Möglichkeit gibst."

Der Andere erwiderte das Lächeln warm und legte eine Hand auf seine Schulter. "Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird. Ich habe auch schon einen Lehrer für dich gefunden. Kitazawa Yuki heißt er."
 

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Als Ryuichi wieder das Wohnzimmer betrat, erkannte Shuichi sofort an seinen nassen Haaren, dass er geduscht haben musste.

Er selbst saß noch immer auf dem Sofa und hielt den Block in der Hand, auf dem er seinen Songtext niedergeschrieben hatte. Und irgendwie hasste er es, dass Yuki so einen Einfluss auf die Texte hatte, die er verfasste. Sich selbst schreiben... Wie sollte das gehen, wenn man immer nur eine andere Person im Kopf hatte?

"Uiii, zeig mal, Shu-chan!"

Noch ehe er sich richtig aus seinen negativen Gedanken befreit hatte, hatte der andere Sänger ihm schon den Block entrissen und blickte auf die Zeilen, die er in den letzten zwanzig Minuten notiert hatte.

"Nein...", protestierte der Jüngere leise, doch da war es schon zu spät. Ryuichis Gesicht hatte sich verfinstert.

"Das tut weh, Shuichi..."

"Es tut mir Leid!", meinte er hektisch und riss das Blatt an sich. "Ich kann keine Songtexte schreiben, ich habe einfach kein Talent." Da war es wieder. Kein Talent... Genau das hatte ihm auch Yuki gesagt, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Warum musste ihn aber auch alles an Yuki erinnern? Yuki, Yuki, Yuki...

Ruhig legte Ryuichi ihm beide Hände auf die Schultern und schüttelte den Kopf. "Nein, Shuichi. Ich meinte, dass es dir weh tut. Was auch immer er dir angetan hat, es hat dich sehr verletzt." Shuichi wollte seinem Blick ausweichen, doch er verhinderte es, indem er seinen Kopf festhielt. "Ich sehe deine Tränen, auch wenn sie nicht aus Wasser sind."

Ja, das war es. Tränen. Er weinte durch die Musik und er hätte schon vorher wissen müssen, dass Sakuma derjenige sein würde, der es zuerst bemerkte. Oh, er kam sich so unendlich dumm vor. Wem machte er hier etwas vor? Es ging nicht mehr um diesen lächerlichen Kuss, schon lange nicht mehr. "Ich kann nicht mehr...", flüsterte er. "Verdammt, ich wünschte, ich hätte es nie gesehen!"

"Shu-chan..." Langsam senkte er die Hände und sah den verzweifelten jungen Mann vor sich an, dem bereits die ersten Tränen über die Wangen rannen. "Erzähle es mir."

"Das kann ich nicht!", schluchzte Shuichi verzweifelt und kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, so den Tränenfluss unterbinden zu können. "Ihr seid doch Freunde!"

"Tohma", stellte der Dunkelhaarige trocken fest. Er hatte es geahnt, bereits am Morgen, als Shuichi sich Tohma gegenüber so abweisend verhalten hatte. Warum hatte er das Thema nicht schon früher zur Sprache gebracht? "Aber du bist auch mein Freund, also erzähl es mir bitte."

Nun schluchzte Shuichi heftiger. Er konnte es nicht mehr länger für sich behalten. Es war wie eine Lawine, die sich unaufhaltsam ihren Weg suchte und dabei keine Rücksicht auf Verluste nahm. "Ich habe gesehen, wie sie sich geküsst haben", murmelte er und wandte betreten den Blick ab. "Tohma und Yuki haben sich geküsst. Ich komme mir wie der letzte Idiot vor." Shuichi lachte trocken, was jedoch durch seine brüchige Stimme wie ein Stein klang, den man auf Schleifpapier rieb. "Es war abzusehen, ja. Wer bin ich denn schon? Ein Sänger, der sein eigenes Leben nicht gebacken kriegt, aber das natürlich bei dem Menschen schaffen will, den er liebt." Langsam schüttelte er den Kopf, wischte sich mit dem Arm über die Augen, doch neue Tränen kamen nach. "Niemals hätte ich Yuki das geben können, was ihm hilft, was ihn vergessen lässt. Ganz im Gegenteil. Ich habe ihn sogar ins Krankenhaus gebracht! Ich sollte gehen..."

Mehr brachte er nicht zu Stande, denn seine Kehle versagte und alles, was seinen Mund verließ, war lautes Schluchzen. Verzweifelt vergrub er das Gesicht in beiden Händen und weinte, ohne auch nur einen Versuch zu machen, die Kontrolle über sich wieder zu erlangen. Alles war verloren, vorbei. Er hatte es gesagt.

Ryuichi legte beide Arme um ihn und zog ihn an seine Schulter. Worte waren hier fehl am Platz und erst recht von ihm. Er war nicht derjenige, der Shuichis Schmerz lindern konnte, auch wenn er es gern gewesen wäre. Also hielt er ihn einfach.
 

Der Abend war hereingebrochen und Dunkelheit hatte sich über den Himmel gelegt, doch die Straßen Tokyos waren noch hell erleuchtet.

Ryuichi stand an dem Panoramafenster und blickte nach draußen. So viele Menschen lebten da draußen, Millionen, und er war sich sicher, dass auf seinem Sofa der Unglücklichste unter ihnen lag. Im Hintergrund hörte er die Geräusche des Fernsehgerätes, in dem irgendeine Diskussionsrunde zwischen Zeitungsredakteuren lief. So richtig hörte er nicht hin.

Er warf einen Blick über seine Schulter hinüber zu Shuichi, der eine Decke fest um seinen Körper gezogen hatte und mit blutunterlaufenen Augen auf die Mattscheibe sah. Der Jüngere hatte erst vor knapp einer halben Stunde aufgehört zu weinen. "Brauchst du irgendwas, Shu-chan?"

"Nein, danke", murmelte dieser tonlos. So schlecht hatte er sich selten gefühlt.

Gerade setzte Ryuichi zu einem neuen Satz an, als das Klingeln an der Tür beide zusammenzucken ließ. Sofort setzte er sich in Bewegung, blieb jedoch neben dem Sofa stehen und sah auf seinen Gast hinunter. "Was soll ich tun, wenn es Yuki-san ist?"

Einen Moment lang blieb es still.

"Ich will ihn nicht sehen. Ich *kann* es einfach nicht."

Stumm nickte Ryuichi, dann verließ er das Wohnzimmer und öffnete die Wohnungstür. Seine Vermutung hatte sich bestätigt. "Eiri-san."

"Ich weiß, dass er bei dir ist", erklärte der Blonde ohne große Umschweife.

Ryuichi fand, dass er schrecklich aussah, und eine seltsame Art von Mitleid überkam ihn. Der Schriftsteller war ungewöhnlich blass und ein leichter Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn ab. Die Sachen waren zerknittert und ungeordnet. "Sorry, aber du solltest besser wieder gehen. Shuichi will nicht mit dir reden."

Doch Yuki schnaubte nur und grinste schief auf eine Weise, dass es - Ryuichi fand diese Beschreibung am besten - grotesk aussah. "Shuichi weiß nicht, was er will. Seine Meinung schwankt praktisch ständig."

"Dieses Mal ist es ernst."

Einen Augenblick lang schwieg er, doch seine Augen verrieten nicht, was in dem jungen Autor vorging. "Ich werde ihn jetzt mit nach Hause nehmen und da lasse ich mir nicht reinreden." Mit diesen Worten wollte er sich an dem Älteren durch die Tür vorbei drücken, doch dieser packte ihn hart am Arm und stieß ihn zurück.

"Ich habe gesagt, dass du gehen solltest, und ich habe dir definitiv nicht erlaubt, meine Wohnung zu betreten!", knurrte er.

Yuki sah ihn kurz verwundert an, dann kehrte das Grinsen zurück. "Da spielt sich wohl jemand als der große Beschützer auf? Hat's dir die Nervensäge so angetan?"

Zornig ballte der Sänger von Nittle Grasper eine Hand zur Faust. Er fühlte sich, als wäre er im falschen Film. "Rede nicht so einen Mist! Shuichi ist hier, weil er nicht mehr zu dir wollte. Und wenn du nicht langsam mal raffst, dass du was tun musst, dann verlierst du ihn."

Nun verloren Yukis Züge jegliche Fassung.

"Shuichi hat mir von dem Kuss erzählt." Er unterbrach ihn mit erhobener Hand, als er sah, dass der Schriftsteller Widerspruch einlegen wollte. "Ich weiß, dass du nichts mit Tohma hast. Und ich glaube auch, dass Shuichi dir das ohne weiteres abnehmen würde. Aber darum geht es hier nicht. Shuichi glaubt, dass Tohma einfach besser für dich ist als er. Verständlich, schließlich war Tohma damals da, als du diesen Kitazawa umgebracht hast. Und daran geht Shuichi kaputt. Dieses Mal ist es nicht mit einer simplen Entschuldigung getan, tut mir Leid."

Yuki ging zwei Schritte zurück und starrte ihn stumm an. Er schien nun mehr zu schwitzen als zuvor und kniff leicht das linke Auge zusammen. Wortlos drehte er sich um und ging.

Read the letters...

Ich weiß, es ist unglaublich, aber nach... LAAAANGER Zeit habe ich die FF zuende geschrieben. Es überkam mich einfach. O.o Wunder geschehen also doch noch manchmal.
 

In diesem Part wieder ein bisschen Nittle Grasper Momente, aber natürlich nicht ausschließlich. XD
 

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Read the letters
 

Es war zwei Uhr morgens und das N-G Gebäude war wie ausgestorben. Fast alle Angestellten waren bereits nach Hause gegangen und nur in einigen Proberäumen übten noch Acts oder nahmen Songs auf. Die oberste Etage war jedoch vollkommen leer, bis auf ein Raum: Das Büro von Seguchi Tohma.

Der Blonde saß an seinem Schreibtisch und arbeitete ein paar Hefter durch, die sich unter anderem mit diversen Konzerten von seinen Musikern, aber auch Nittle Grasper beschäftigten. Zudem stand ein neues Album seiner Band an und es musste noch einiges wegen der Veröffentlichung und Vermarktung geklärt werden.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufsehen. Wer wollte ihn denn noch zu so später Stunde sprechen? „Herein.“

Ryuichi trat ein und schloss die Tür wieder leise hinter sich. „Hallo, Tohma.“

„Ah, Ryuichi. Ich arbeite gerade an dem Tourneeplan.“

„So spät noch da? Schlechtes Gewissen Mika gegenüber?“

Überrascht sah Tohma seinen Bandkollegen an. Dann erinnerte er sich daran, dass Ryuichi und Shuichi am vorigen Morgen gemeinsam zur Arbeit erschienen waren. Ein leicht zynisches Lächeln schlich sich in sein Gesicht. „Shindou hat es dir erzählt, nicht wahr?“

Ryuichi sah ihn nur ernst an und ging dann auf den Schreibtisch zu. „Ich könnte dich jetzt fragen, warum du Eiri-san geküsst hast, aber das tue ich nicht. Viel mehr will ich wissen, ob du es Mika erzählen wirst.“

Der Blonde stand auf und trat an das Fenster. „Als ich sie geheiratet habe, habe ich ihr geschworen, immer ehrlich zu ihr zu sein.“

„Oh, super. Dass du Eiri-san nicht küssen wirst, hast du ihr natürlich nicht geschworen. Von daher geht das schon in Ordnung“, lachte er trocken.

Tohma fuhr herum und fixierte ihn scharf. „Bist du hergekommen, um mir eine Predigt zu halten? Danke, aber ich kann meine Zeit wirklich sinnvoller nutzen.“

In diesem Moment rutschte Ryuichi die Faust aus und traf den anderen am Unterkiefer.

Der Keyboarder taumelte etwas zurück und hielt sich geschockt das Gesicht. „Was sollte das?“

„Das frage ich dich. Du küsst Eiri-san, ihr werdet von Shindou erwischt und damit war es das für dich? Hast du dir auch nur einmal überlegt, was du ihnen damit antust?“

Inzwischen hatte Tohma seine Fassung wieder erlangt und sein übliches kühles Lächeln aufgesetzt. „Ich weiß, dass du und Shindou euch gut versteht, aber…“

„Ich meinte nicht Shuichi!“, unterbrach er ihn scharf. „Nicht nur. Wenn du es Mika wirklich erzählst, dann verletzt du sie. Dieser Kuss hat keine Bedeutung und das weißt du. Du und Eiri-san, ihr habt keine Affäre, nicht einmal mehr das brüderliche Verhältnis von damals. Warum willst du es dann so kompliziert machen?“

„Ryuichi, das ist meine Sache.“

„Es ist auch meine Sache, denn du bist mein bester Freund!”

Der Blonde öffnete den Mund etwas, doch seinem Verstand entglitten die Worte wie ein Fisch im Wasser. Er kannte diesen Blick von Ryuichi nur zu genau und wusste, dass es ihm todernst war.

„Willst du nicht versuchen, dich Shuichi gegenüber etwas besser zu verhalten? In der jetzigen Situation kann ein Wort von dir reichen und er verlässt Eiri-san. Aber wenn er das tut, wird der dir das nie verzeihen und das weißt du. Im Endeffekt kannst du sowohl Mika, als auch Eiri-san verlieren, wenn du so weitermachst.“

Tohma war überrascht, wie sehr sich Ryuichi auch nach Jahren noch um ihn sorgte. Bisher hatte er immer geglaubt, er würde auf Shuichis Seite stehen, doch das rückte alles in ein vollkommen anderes Licht.

Ryuichi sah betrübt aus, als er fortfuhr. „Tohma, was ist nur passiert? Ich erkenne dich kaum wieder. Du bist nur noch ein Schatten im Nebel, den ich von dem Jungen sehe, dem ich mit acht Jahren einen Ball an den Kopf geschossen habe. Seit du mit Eiri-san aus New York zurückgekommen bist, hast du dich so sehr verändert, dass es mir Angst macht. Als wäre dir alles egal.“

Langsam senkte der Angesprochene den Blick und, obwohl er nicht ausgesprochen worden war, lag eindeutig dieser eine Satz im Raum: Ich kenne mich selbst nicht mehr.

„Findest du nicht, dass es langsam Zeit ist, mit der Sache von damals abzuschließen? Eiri-san will weiter gehen, warum bleibst du dann stehen?“

„Und wenn ich das nicht kann?“, fragte Tohma leise und sah erst wieder auf, als sein Freund nun direkt vor ihm stand.

„Du bist nicht allein, Tohma.“ Ryuichi hob seine rechte Hand und streckte ihm die offene Handfläche entgegen, als würde er sie an eine unsichtbare Glassscheibe legen.

Tohma erinnerte sich an etwas, das schon sehr lange zurück lag, und musste lächeln, als er sah, dass der Sänger es nach all den Jahren nicht vergessen hatte. Schließlich hob er seine eigene linke Hand und legte sie an die des Anderen.

Nun lächelte auch Ryuichi.
 

-- 15 Jahre zuvor --
 

Das Ticken der Wanduhr bohrte sich durch das leere Schulzimmer, in dem der Musikunterricht für gewöhnlich abgehalten wurde, und wurde schließlich durch das leicht metallische Geräusch einer leeren Dose unterbrochen, die auf einer Bank abgesetzt wurde.

„Sieht so aus, als können wir nicht auf dem Schulfest auftreten“, erklärte der blonde Siebzehnjährige nüchtern und lehnte sich gegen die Schulbank.

„Auf keinen Fall!“, protestierte sein Freund und wedelte dabei mit den Armen, woraufhin er ein schmerzerfülltes Keuchen ausstieß.

„Du solltest deinen Arm nicht so belasten, Ryuichi“, sagte Tohma und grinste leicht. „Sonst verheilt der nie.“

Der Sechzehnjährige sah ihn vorwurfsvoll und mit Schmerzenstränen in den Augenwinkeln an. „Du bist gemein, dich über meinen Schmerz lustig zu machen!“

Nun lachte der Blonde bei diesem Anblick. „Tut mir Leid, aber das hast du dir ja auch selbst eingebrockt.“

„Aber Treppenhüpfen macht riesigen Spaß!“, widersprach Ryuichi lautstark. „Wusste ja nicht, dass man sich da den Arm brechen kann.“

Manchmal fragte sich Tohma, warum ausgerechnet der aufgedrehte und laute Sakuma Ryuichi sein bester Freund war, wo er doch selbst als sehr ruhig und bedacht bezeichnet wurde. Aber vielleicht war es gerade diese Gegensätzlichkeit, die sie beide zusammenschweißte wie zwei unterschiedlich geladene Pole. Und hätte ihm Ryuichi nicht damals, als er neun gewesen war, einen Ball an den Kopf geschossen, hätten sie sich nie kennen gelernt und er wäre sicher nie so geworden, wie er nun war. Und da war noch etwas, das sie verband: Die Musik. Sie waren eine kleine Schülerband und hatten eigentlich vorgehabt, auf dem Neujahrsfest der Schule zu spielen, aber dann hatte sich Ryuichi bei einem unglücklichen Sprung von der Treppe den linken Arm gebrochen. „Wie willst du denn so singen, Ryu?“

„Oh, sind die Stimmbänder im Arm?“, fragte dieser und zeigte durch seinen ratlosen Blick, dass diese Frage ernst gemeint war.

Erneut musste Tohma lachen und schüttelte den Kopf. „Nein, da sind sie nicht. Aber ich glaube einfach, dass es dich zu sehr anstrengen würde, in einer Woche aufzutreten.“

„Quatsch, na no da!“ Er sprang von dem Stuhl, auf dem er eben noch gesessen hatte, und stand nun direkt vor seinem Freund. „Ich singe nicht mit dem Arm, sondern mit dem Mund und der ist noch gesund.“

„Bist du dir denn da sicher, dass du das tun willst?“

Energisch nickte er. „Ja, bin ich! Kein Armbruch würde mich je daran hindern, mit dir auf dem Fest zu spielen. Wir hatten uns doch geschworen, jede Gelegenheit zu nutzen.“

„Und irgendwann berühmt zu werden“, fügte Tohma hinzu. „Zusammen.“ Er hob seine linke Hand und streckte ihm die Handfläche entgegen.

„Zusammen“, wiederholte Ryuichi und drückte seine gesunde rechte Hand gegen die seines Freundes. „Als Freunde.“

„Klopf klopf.“

Beide sahen gleichzeitig zur Tür und damit auch zu dem Mädchen mit den zwei langen Zöpfen, das dort keck im Türrahmen lehnte.

„Du bist doch Noriko-san aus Klasse B, richtig?“, sagte Tohma und legte den Kopf leicht schief.

Ryuichi starrte sie nur ahnungslos an. Sie war ihm schon ein paar Mal auf dem Schulhof aufgefallen, aber nur, weil sie hemmungslos mit den älteren Schülern flirtete.

„Hi, guys! Ja, die bin ich.“ Lächelnd gab sie ihnen das Peace-Zeichen. Dann stieß sie sich vom Rahmen ab und schlenderte zu ihnen hinüber.

„Können wir dir helfen?“, erkundigte sich der Blonde.

„Vielleicht umgekehrt“, flötete sie und tätschelte Ryuichi den Kopf. „Ich hab gehört, ihr sucht noch jemanden, der Gitarre spielen kann.“

„Cool, das kannst du?“, meinte der Jüngste begeistert und sah sie mit großen Augen an.

Doch sie schüttelte nur den Kopf und ging auf das Klavier zu. „Das nicht, aber ich kann Klavier und Keyboard spielen.“

„Aber das kann Tohma doch auch!“

„Mit zwei Keyboards kriegt man ziemlich viel hin“, erklärte Noriko. „Und eine Band mit einem Sänger, einem Keyboarder und einem Gitarristen ist total abgegriffen.“

Ryuichi sah zu seinem Freund und blickte ihn fragend an. „Was sagst du, Tohma-chan?“

Er zuckte nur mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das kann ich erst beurteilen, wenn ich gehört habe, wie Noriko-san spielt.“

„Kein Problem!“, erklärte sie sofort und drehte sich zum Klavier um. Zuerst spielte sie die Tonleiter, um ihre Finger zu lockern, dann begann sie zu spielen. Es war eine sehr schnelle Melodie und hätte besser zu einem Keyboard gepasst.

Dennoch begann Ryuichi schon nach kurzem begeistert zu grinsen und klatschte nach der Demonstration. „Das war superklasse!“

„Da kann ich Ryuichi nur zustimmen“, meinte auch Tohma und lächelte sie an. „Wenn du auf dem Keyboard genauso gut spielst, würde ich sagen, dass unsere Band komplett ist.“

„Ich wusste, es würde euch gefallen.“ Sie kam wieder zu ihnen. „Und wehe, wir werden nicht mal megaerfolgreich!“

„Das kannst du aber wissen, na no da!“
 

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Shuichi wachte wieder mit höllischen Kopfschmerzen auf und drückte daher sein Gesicht noch tiefer in das Kissen, welches ihm Ryuichi gegeben hatte. Ob er jetzt jeden Morgen so aufwachen würde? Er hoffte es nicht.

„Aufstehen, Shu-chan!“

Langsam drehte er den Kopf und schielte mit dem rechten Auge nach oben, um zu seinem Gastgeber aufzusehen. Dieser stand mit fröhlichem Gesicht da und Kumaguro hatte wieder die khakifarbene Haarpracht erobert.

„Guten Morgen“, nuschelte er in das Kissen und kratzte sich müde am Hinterkopf.

„Shuichi ist gerade rechtzeitig zum Mittagessen aufgewacht, na no da.“

Schnell setzte sich der pinkhaarige Sänger auf und blickte auf seine Armbanduhr. „So lange habe ich geschlafen?“

Ryuichi nickte fröhlich und zog ihn am Arm vom Sofa. „Ich habe Essen gemacht. Komm, bevor es kalt wird!“ Danach hüpfte er glücklich aus dem Wohnzimmer.

Shuichi folgte ihm und roch bereits im Flur, dass es sich um eine gewöhnliche Tiefkühlpizza handeln musste, doch das machte ihm nichts. Sein Hunger hielt sich nach wie vor in Grenzen. Irgendwie fühlte sich sein gesamter Körper taub an, was ja auch nicht verwunderlich war, da er am Vortag seine gesamte Energie zusammen mit Tränen vergossen hatte.

In der Küche wurde ihm auch sogleich ein Stück Pizza vor die Nase gesetzt und er nahm einen kleinen Bissen. Ryuichi hingegen schien sein ganzes Stück mit einem Biss verschlingen zu wollen und hatte schon nach wenigen Minuten die Hälfte der Pizza verputzt.

„Du hast ja heute so gute Laune, Ryuichi“, stellte der Jüngere fest und lächelte ein wenig

„Ja, denn heute Abend ist Ryuichi zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung eingeladen!“, antwortete er und strahlte über das ganze Gesicht.

Stimmt ja, das hatte Shuichi völlig vergessen. Die Veranstaltung, die teilweise live im Fernsehen übertragen wurde und zu der er und Yuki eingeladen worden waren. Er hatte dem blonden Schriftsteller gesagt, wenn er nicht mitkommen wolle, dann würde er eben allein gehen. Und an diesem Vorhaben würde er festhalten. „Ich bin da auch eingeladen.“

„Cool!“ Ryuichi sprang von seinem Stuhl auf und legte seinen Teller in die Spüle. „Du, sag mal…“

Der Leader von Bad Luck sah ihn an und blinzelte. „Ja?“

Noch immer hatte Sakuma ihm den Rücken zugewandt und es sah auch nicht so aus, als würde er sich in den nächsten Sekunden umdrehen. „Willst du Yuki-san wirklich verlassen?“

Shuichi musste schlucken und starrte betreten auf das Stück Pizza in seiner Hand. „Ich glaube schon…“

„Warum kämpfst du nicht?“

Der Unterton in der Stimme des Anderen ließ Shuichi schaudern. Es war kein Vorwurf darin gewesen, aber es hatte so traurig geklungen…

„Ich denke, dass er dich braucht. So sehr, wie du ihn brauchst“, fuhr Ryuichi fort, sah ihn jedoch immer noch nicht an. „Weißt du, Leute wie wir haben es nicht besonders leicht, was die Liebe angeht. Freunde finden wir überall durch unsere offene und fröhliche Art, aber die Liebe…“

Nun fühlte sich Shuichi noch unbehaglicher. Ryuichi redete nicht mehr nur von ihm und Yuki, er gab auch ein Stück von sich selbst preis.

„Mein Leben lang habe ich überall Freunde gewonnen, aber wenn es darum geht, mehr als nur Hobbies oder Gedanken zu teilen, ziehen sich alle von mir zurück. Sie denken, ich wäre ein lustiger Kerl, aber wer will schon eine Beziehung mit einem Kind, das nichts ernst nimmt? Ich will mich nicht verbiegen lassen und das solltest du auch nicht, Shuichi. Und die Tatsache, dass wir berühmt sind, macht alles nur viel schwerer. Jeder sieht in einem nur den Sänger, das Idol vieler, aber nie den Menschen selbst. Ich würde alles… einfach alles dafür geben, von jemandem so geliebt zu werden, wie Yuki-san dich liebt. Ein Mensch, der einen nicht einfach nur erträgt, sondern auch die Macken liebt.“ Endlich wandte er sich wieder Shuichi zu und zu dessen Überraschung waren seine Augen nicht ernst, sondern groß und glänzend und ein sehnsüchtiges Lächeln lag auf seinen Lippen. Sehnsucht nach etwas, das er womöglich nie kennen gelernt hatte. „So jemanden darfst du nicht mehr hergeben. Sonst endest du irgendwann wie ich, der die Ausfahrt verpasst hat, als alle anderen abgebogen sind.“

Shuichis schlechtes Gewissen meldete sich. Womöglich hatte Ryuichi Recht und mit einer Trennung würde er nur vor seinen Problemen flüchten. Und wollte er Yuki wirklich so kampflos aufgeben? Nein, das sicher nicht. Aber noch konnte er sich nicht endgültig entscheiden, weswegen er beschloss, sich erst einmal um Sakuma zu kümmern. Er stand auf und ging auf seinen Freund zu. In seinen Augen lagen Mitgefühl und das Wissen, was es für den Älteren bedeutet hatte, sich jemandem mitzuteilen. „Es gibt keine richtige Ausfahrt“, sagte er leise. „Selbst ich bin eigentlich im Straßengraben gelandet. Und ich glaube fest daran, dass das Schicksal für jeden etwas Großes bereithält. Auch wenn man es nicht mehr vermutet.“

Ryuichi lächelte. „Das sind weise Worte, Shuichi. Ich werde sie mir merken und du wirst es hoffentlich auch. Komm, ich gebe dir ein frisches T-Shirt.“
 

Wieder löste sich ein wenig Asche von der Spitze der Zigarette, die er in der rechten Hand hielt, und fiel auf die weißen Badfliesen. Seine Finger hielten die Kippe nur noch, da sie zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt war.

Die Lampe tauchte den Raum in kühles Licht und inzwischen hatte die Kälte auch von seinem Körper Besitz ergriffen. Yuki wollte nicht aufstehen, mit niemandem reden. Es fühlte sich so an, als hätte man ihm ein lebenswichtiges Organ herausgerissen und nun würde er langsam und qualvoll verbluten.

Tohma war nicht schuld an seiner Situation und auch nicht die Medikamente, die er nicht mehr einnahm. Diesmal war es ganz allein seine eigene Schuld und das wusste er. Mit welchem Recht hatte er es verdient, glücklich zu sein? Viel zu spät hatte er erkannt, wie viel Shuichi ihm tatsächlich bedeutete und das hier war seine Strafe.

Wie ein Schlag in den Magen hatte es ihn getroffen, als Ryuichi ihm am Vorabend zu verstehen gegeben hatte, dass er um Shuichi kämpfen müsse, wenn er ihn wirklich zurück wollte. Doch er hatte keine Kraft mehr. Alles, was ihn zum Leben und Weitermachen animiert hatte, war mit einem Mal gegangen. Shuichi war mit gutem Grund verschwunden und Tohma hatte er auf eine mehr als ungerechte Art vertrieben.

Yuki ließ die Zigarette fallen und strich sich durch das Haar. Nun war das eingetreten, wovor er all die Jahre Angst gehabt hatte – Er hatte sich vor der Welt zurückgezogen. Weshalb ging er nicht in die Küche, nahm sich ein Messer, und schnitt sich einfach die Pulsadern auf? Aber es wäre eine recht feige Art gewesen, aus dem Leben zu treten. Und die Möglichkeiten, als was er dann wiedergeboren wurde, wollte er gar nicht erst durchgehen. Er sollte leiden, an dem Schmerz vergehen und somit für alles büßen, was er Kitazawa, Shuichi und seiner Familie angetan hatte. Nicht einmal Tränen standen ihm zur Verfügung, mit denen er seiner Trauer um das Verlorene Ausdruck verleihen konnte.

Alle hatten ihn verlassen und vielleicht war es gut und richtig so. Es gab nichts mehr, auf das er in diesem Leben noch hoffen konnte.

Plötzlich vernahm er das leise Quietschen der Badezimmertür und dann ein paar Schritte. Langsam blickte er zu der Person auf, die nun vor ihm stand.

Sein Gegenüber stemmte die Hände in die Hüften und grinste schief. „Mann, was ist denn hier los?“
 

In drei Stunden würden er und Ryuichi sich auf den Weg zu dieser Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten krebskranker Kinder machen, doch Shuichis Enthusiasmus hielt sich stark in Grenzen. Ohne Yuki würde es einfach nicht dasselbe sein, nur langweilig und vielleicht ein wenig beängstigend. Bei Live-Übertragungen im Fernsehen hatte er sich nie besonders klug angestellt, also wieso sollte es dann diesmal anders sein?

Nervös nagte er am Ende des Bleistifts und überflog noch einmal den Songtext vom Vortag, an den er eine weitere Strophe angefügt hatte. Möglicherweise versuchte er, sich durch diese Worte selbst Kraft zu geben, aber es gelang nicht. Handys luden sich ja schließlich auch nicht von allein auf, wenn man sie nicht an ein Ladegerät anschloss.

Mit einem Seufzen legte er das Blatt auf den Wohnzimmertisch und lehnte sich zurück in das rote Polster. Selbst wenn Yuki ihn mit Tohma betrogen hatte, so wusste er, dass er ihm verzeihen würde, sobald sie sich wieder gegenüberstanden. Deswegen hatte er Ryuichi auch gebeten, ihn wieder fortzuschicken. Shuichi hatte Angst, dass er so das Falsche tun und weiteren Schmerz heraufbeschwören würde.

Er hörte das Klingeln an der Wohnungstür und stand auf. Ryuichi war unter der Dusche, also blieb ihm nichts anderes übrig, als selbst zu öffnen. Die Chancen, dass es wieder Yuki war, der vor der Tür stand, waren verschwindend gering, dennoch schlug sein Herz etwas heftiger, als er in den Flur ging. Es klingelte erneut. Eine Vorahnung keimte in ihm auf, auch wenn er nicht genau bestimmen konnte, was seine Nervosität auslöste. Nur eines war plötzlich glasklar für ihn: Die Person da draußen wollte zu ihm.

Seine zittrigen Finger schlossen sich um die Türklinke und mit einem letzten Schlucken öffnete er.

„Hallo, Shuichi!“

Überrascht blinzelte er zweimal, bevor er überhaupt ein Wort herausbrachte. „Tatsuha?“

Der Junge deutete mit dem Daumen auf sich und grinste selbstsicher. „The one and only.“

Shuichi wusste wirklich nicht, was er davon halten sollte, dass Yukis Bruder hier vor ihm stand. „Was machst du denn hier?“

„Weißt du, eigentlich wollte ich mich ja eine Woche bei Onii-san einnisten, aber so richtig Laune hatte ich schon dann nicht, als ich die Wohnung betreten habe und ihn im Bad sitzen sah“, erzählte er munter und fuhr sich dabei durch das schwarze Haar. „Ich meine, der sieht aus wie eine wandelnde Leiche, ganz blass und so.“ Bei diesen Worten blickte er nicht besonders angetan drein. „Echt, der Medikamentenentzug tut ihm nicht gut.“

„Medikamentenentzug?“, wiederholte Shuichi verwundert und packte unbewusst mit der linken Hand den Türrahmen.

Tatsuha begegnete seinem Blick nicht minder erstaunt. „Was, das wusstest du nicht? Schon seit drei Tagen, soweit ich weiß. Das war auch der Grund, den ich für Eiris schlechten Zustand vermutet hatte, aber nach ewigen Gesprächsversuchen hat er mir endlich die Story erzählt. Ihr seid echt nicht das Glückspärchen unter den Sternen.“

Ohne es zu bemerken, wechselte Shuichi sein Gewicht fortwährend von einem Bein auf das andere. „Es geht ihm schlecht?“

Der junge Mönch nickte. „Glaub mir, es geht ihm wirklich schlecht. So hab ich ihn noch nie gesehen und ich hab wirklich verdammt lange gebraucht, um von ihm die Adresse hier zu kriegen. Normalerweise mische ich mich ja nicht in die Angelegenheiten anderer ein, aber immerhin ist er mein Bruder und Tatsuha rennt jetzt rum und spielt Beziehungskitter. Und das kostenlos, bin ich nicht nett?“

„Ich weiß nicht, ob ich bei ihm bleiben will“, gab Shuichi nach drei Sekunden des Schweigens zu.

„Willst du es so wie jetzt lassen? Ein Häkchen dahinter machen und das Papier mitsamt Klemmbrett im Archiv verschwinden lassen? Da kenn ich aber einen ganz anderen Shuichi. Und zwar einen, der mitten auf einem Konzert ins Mikro brüllt, dass mein Bruder ihm gehöre, und auf unserer Tempelanlage in Weiberklamotten auftaucht.“

Der junge Sänger sah ihn unsicher an und fühlte sich ein wenig hilflos. „Ich bin nicht gut genug für ihn…“

Müde sah Tatsuha auf ihn hinunter und verdrehte kurz die Augen. „Hat er dir das so gesagt? Hat er wortwörtlich gesagt: ‚Du bist nicht gut genug für mich’? Nein? Dann krieg dich wieder ein und rede mit ihm!“

„Warum tust du das, Tatsuha?“

„Weil es auf dieser Welt so etwas gibt wie Geschwisterliebe gibt und ich keinen Bock auf die nächste Familienkrise hab. Außerdem bin auch ich ein Verfechter der Liebe, auch wenn es nicht so aussieht.“ Sein Grinsen wurde breiter und er hielt ihm einen Motorradhelm entgegen, den er die ganze Zeit über unter den Arm geklemmt hatte.

Zögerlich nahm Shuichi ihn entgegen und starrte darauf. Sollte er zu Yuki gehen?

„Shu-chan, wer ist denn da?“, fragte Ryuichi und trat neben ihm.

Der Pinkhaarige glaubte nicht, dass er je einen Menschen gesehen hatte, der seinen Oberkörper so schnell in die Horizontale bringen und dabei einen perfekten Neunzig-Grad-Winkel zu den Oberschenkeln bilden konnte wie Tatsuha. Und rot wurde er auch noch. Ein leichtes Grinsen huschte über Shuichis Gesicht, als er sich daran erinnerte, wie sehr Yukis Bruder Sakuma Ryuichi vergötterte.

Nach einigen Sekunden richtete sich Tatsuha wieder auf und seine auffällige Gesichtsfarbe war wieder etwas verschwunden. „Guten A-Abend.“

„Ah, Tatsuha-kun, richtig?“, quiekte Ryuichi und musterte ihn aufmerksam. „Du bist ja gewachsen wie verrückt, seit der Hochzeit damals! Aber stammeln tust du noch immer, na no da.“

„Normalerweise macht er das nicht“, versicherte Shuichi ihm.

„Shuichi“, sagte Tatsuha, der sich langsam wieder von dem Schock erholte, nichts ahnend an der Tür von dem leibhaftigen Sakuma Ryuichi geklingelt zu haben. „Kommst du nun mit?“

Wieder starrte Shuichi auf den Helm in seinen Händen. Konnte er Yuki einfach kampflos aufgeben? Seit wann tat er so etwas? Nie hatte er sich unterkriegen lassen und jetzt würde er sicher nicht damit anfangen. Wenn es so etwas wie eine zweite Chance für sie gab, dann wollte er sie nutzen. Er wusste, würde er es nicht tun, dann würde er sich den Rest seines Lebens fragen, ob er wirklich aus der Pokerrunde ausgetreten war, ohne vorher einen Blick in sein Blatt zu werfen.

Shuichi drückte Tatsuha den Helm in die Hände und rannte dann einfach los.

„Hey, ich hätte dich doch gefahren!“, protestierte der Schwarzhaarige, doch der Sänger war bereits den Hausflur hinunter verschwunden.

„Shu-chan macht das schon.“ Ryuichi öffnete die Tür noch ein Stück weiter und lächelte breit. „Willst du eine Cola?“
 

Ein kalter Schauer durchlief Shuichi, als er die Wohnungstür öffnete. Alles war still und dunkel, also ging er gewohnheitsmäßig auf das Arbeitszimmer zu, blieb jedoch vor der Tür stehen, als er nicht die üblichen Geräusche hörte, die Yukis Finger auf der Tastatur verursachten. Überhaupt strahlte die Wohnung diese verlassene Atmosphäre aus und er fragte sich, ob Tatsuha ihm doch nicht alles erzählt hatte und hier schon keiner mehr wohnte. Aber das bezweifelte er.

Er ging zum Schlafzimmer, doch auch hier zeugte ein ungemachtes Bett davon, dass an diesem Ort wohl mindestens eine Nacht lang keiner geschlafen hatte. Eine Gänsehaut zog sich über seinen Rücken und leichte Panik gab ihm das Gefühl, seine Kopfhaut würde sich zusammenziehen. Was war hier geschehen, seit er aus der Wohnung gestürmt war?

Sein nächstes Ziel war das Bad, dessen Tür nur angelehnt war, weshalb er den viel zu grellen Lichtstrahl sah, der sich durch die Öffnung aus dem Raum zwängte. Wie in Zeitlupe schob er die Tür mit der rechten Hand auf und betrat das Bad.

Mit einem Mal schien die Luft im Raum dünner geworden zu sein, weshalb er ein wenig schneller atmen musste und sich der Rhythmus seines Herzens beschleunigte. Yuki stach einem regelrecht ins Auge, wie er dort neben dem Waschbecken auf dem Boden saß und die Stirn schwach an den Wannenrand lehnte.

Shuichi glaubte, den leicht sauren Geruch von Erbrochenem wahrzunehmen, doch sicher war er sich da nicht. Wie gebannt starrte er auf den Blonden, der keine Zeichen von Leben von sich gab, die Augen geschlossen hielt und extrem blass war.

„Tatsuha, hau endlich ab“, sagte der Schriftsteller schließlich, sah jedoch nicht auf. Seine Stimme war rau, dennoch war keine Gefühlsregung aus ihr heraus zu erkennen. Als wäre ihm alles egal.

Am liebsten wäre Shuichi auf dem Absatz umgedreht und hätte die Flucht ergriffen. Aber irgendetwas in ihm sagte, dass er es sowohl sich, als auch Yuki und vielleicht sogar Tatsuha und Ryuichi schuldig war, mit ihm zu reden. Sofern reden überhaupt möglich war.

Langsam ging er auf den Mann zu, den er liebte, und blieb schließlich kurz vor ihm stehen. Sein Hals fühlte sich ungewöhnlich trocken an, doch er schaffte es, seine Stimme fest klingen zu lassen. „Ich bin es.“

Einen Augenblick lang glaubte er, dass Yuki das nicht mitbekommen hatte, bis dieser langsam den Kopf hob und schwach zu ihm aufsah. Er sagte nichts.

Eiri wusste nicht, was er denken oder glauben sollte. Wieso stand da Shuichi vor ihm, obwohl er ihn so verletzt hatte? Wäre er nicht derjenige gewesen, von dem der erste Schritt kommen musste? Seine Beine waren zu schwach zum Weitergehen und doch war er an dieser Stelle angekommen. Selbst, wenn Shuichi ein T-Shirt trug, das nicht ihm gehörte, und es verdammt wehtat. „Shuichi…“

Das Herz des Jüngeren krampfte sich schmerzhaft zusammen, als er unfreiwillig in diese leeren hellgrünen Augen blickte. Der Blonde sah nur noch wie ein Geist aus, ein lebloses Wesen, das sich von der Welt nicht verabschieden und sich mit dem Himmel nicht anfreunden konnte. Gott, wie gern wollte er ihn jetzt in die Arme nehmen und ihm ein wenig von seinem eigenen Leben schenken! Stattdessen stellte er nur diese Frage. „Soll ich gehen?“ Gehen, gehen – ein endgültiges Gehen! „Liebst du mich?“

Yuki wandte den Blick ab und legte eine Hand auf die kühlen Fliesen, die den Boden bedeckten. „Ich liebe Tohma…“

Diese Worte bohrten sich tief in Shuichis Seele und gegen seinen Willen gab er einen erstickten Laut von sich.

„Ich liebe ihn wie einen großen Bruder, wie einen Vater. So wie ich Mika und Tatsuha liebe.“ Wieder sah er zu dem Sänger hoch und seine Augen wurden feucht. „Sie sind meine Familie und in einer Familie kümmert man sich um einander. Und das macht jeder auf seine Weise, wobei es egal ist, wie viel man für einander tut, das verstehst du doch?“

Wie von selbst formten Shuichis Lippen das Wort „Yuki“. Noch immer stand er regungslos da und wusste nicht, was geschehen würde. Womöglich war das hier die Sackgasse, zu englisch auch Dead End genannt – Totes Ende. Ja, jetzt konnte Yuki ihn mit seinen nächsten Worten sterben lassen.

Der Blonde sprach leise weiter und es fiel ihm zusehends schwerer. „Ich liebe meine Familie, aber ich liebe sie nicht auf dieselbe Weise, wie ich dich liebe. Ich…“ Er musste abbrechen, da nun die ersten Tränen ihren Weg aus seinen Augen gefunden hatten. Wie sehr er es doch hasste, schwach zu sein. Nur jetzt ging es nicht anders und das wussten beide. Zu lange hatte sich alles aufgestaut und nun forderte es seinen Tribut.

Kraftlos richtete er seinen Oberkörper auf und nahm vor Shuichi eine leichte Demutshaltung ein. Dinge, wie Stolz und Unnahbarkeit, waren ihm in diesem Moment mehr als egal. „Ich will nicht wie Yuki werden!“, schluchzte er. „Ich will nicht den Menschen verletzen, der mich liebt! Warum kann ich nicht vergessen?“

Shuichi ertrug diesen Anblick einfach nicht mehr und so hockte er sich hin und zog seinen Geliebten ihn eine schützende Umarmung. „Weil man Verstorbene nicht vergessen darf, egal was für Menschen sie waren.“

Der Schriftsteller weinte nun heftiger und klammerte sich verzweifelt an den Jüngeren. „Bitte geh nicht! Vielleicht ist es ja mein Schicksal, ewig allein zu sein, aber…“

„Das Schicksal – Was ist das schon?“, flüsterte Shuichi und strich ihm beruhigend durch das blonde Haar. „Ich breche doch sowieso alle Regeln, wieso sollte ich da vor dem Schicksal klein beigeben?“

Mit brüchiger Stimme versicherte Eiri ihm: „Ich habe nichts mit Tohma!“

„Ich weiß“, murmelte Shuichi und er musste sich eingestehen, dass es so schon immer ganz deutlich vor ihm gelegen hatte. Er hatte es nur nicht gesehen. „Das weiß ich, wirklich.“

Es klang, als würde Yuki jedes einzelne Wort unendlich schwer fallen, und er drückte sich fester an Shuichi, wobei er die Augen zusammenkniff. „Wenn… Wenn du was mit Sakuma hattest, dann sag es mir bitte nicht… Es würde mich umbringen…“

Sofort begriff Shuichi und lächelte nur leicht, als er ihm sanft über den Nacken streichelte. „Mein eigenes T-Shirt war schmutzig, deshalb hat er mir eines geliehen. Ich kann dich doch gar nicht betrügen.“

Yuki antwortete nicht, sondern weinte nur noch. Der Damm, der seine Seele so lang umgeben hatte, war gebrochen.

Sachte strich der Sänger über seinen Rücken und hielt ihn einfach nur. Vielleicht war heute der Zeitpunkt gekommen, wo er der Starke in dieser Beziehung war - und sollte es nur für diesen einen Tag sein.
 

Es war bereits dunkel, als sie gemeinsam in Yukis Wagen zu dem Hotel fuhren, in dem die Wohltätigkeitsveranstaltung stattfand. Wie der junge Autor zugegeben hatte, hatte er sie beide bereits angemeldet, bevor Shuichi die Einladung gefunden hatte.

Hin und wieder warf Shuichi einen besorgten Blick auf den Fahrer, der eine halbe Stunde lang nur geweint und danach zwei Aspirin genommen hatte. Er hatte ihm verziehen, denn er hatte begriffen, dass sein Geliebter jemanden brauchte, der ihm bei der Überwindung aller schmerzlichen Erinnerungen und dem Beginn eines neuen Lebensabschnittes beistand. Und sie beide brauchten einander wie ein Wüstenbewohner das Wasser zum Leben.

Der Sänger lächelte leicht, als er Yukis entspannte Züge musterte. Vielleicht war ein Öffnen seines Herzens alles gewesen, was er gebraucht hatte. Zumindest sah der Blonde inzwischen um einiges gesünder aus. Er trug einen dunklen Anzug und darunter ein weinrotes Hemd und Shuichi fand wie immer, dass er unverschämt gut aussah.

Er selbst hatte sich eine schwarze Lederhose, ein weißes Hemd und ein schwarzes Jackett angezogen, welches Yuki gehörte, diesem aber nicht mehr passte. Eigentlich hatte Shuichi sich etwas anderes anziehen wollen, doch der Schriftsteller war sofort eingeschritten und hatte ihm gesagt, welche Kleidung er passend fand. Und er hatte Recht gehabt, Shuichi sah gut aus.

„Ich liebe dich, Yuki“, sagte Shuichi leise, während er den Blonden aus halboffenen Augen ansah.

Eiri lächelte ein wenig und erwiderte den Blick. „Wir sind da.“

Langsam kam der Wagen vor dem Hotel zum Stehen und ein Portier nahm den Autoschlüssel entgegen, als sie ausgestiegen waren, um das Auto zu parken. Früher hätte Yuki nie jemandem den Schlüssel für sein Auto gegeben, doch offensichtlich war ihm das heute egal.

Gemeinsam betraten sie das Hotel und wurden sofort zu den offenen Türen des Saales geführt, in dem die Veranstaltung stattfand.

Kaum hatten sie diesen betreten, ergriff Yuki die Hand des Jüngeren und sah sich um. Es waren jede Menge bekannte Personen aus allen möglichen Medienbereichen anwesend und einige Meter von ihnen entfernt trieben sich ein Kamerateam und eine Moderatorin herum, die einzelne Gäste begrüßten und sie einige Worte an die Zuschauer richten ließen.

Schon hatte die blonde Moderatorin sie erspäht und Shuichi drückte sich enger an seinen Geliebten, als sie mit sensationslüsternen Blicken auf sie zukamen. Er wollte seine Hand der Yukis entziehen, doch der andere packte sie nur fester.

Überrascht sah er zu dem Autor auf, der ihn nur leicht angrinste.

„Du wirst dich doch nicht für mich schämen?“, murmelte Eiri.

Nun war die Blonde bei ihnen angekommen und lächelte breit in die Kamera. „Soeben sind der berühmte Liebesromanautor Yuki Eiri und sein Lebensgefährte Shindou Shuichi, der Bandleader der Gruppe Bad Luck, eingetroffen.“ Sie drehte sich zu den Beiden und hielt Yuki sofort das Mikro unter die Nase. „Es ist das erste Mal, dass Sie seit Ihrem gemeinsamen Outing zusammen in der Öffentlichkeit auftreten.“

„Die Einladung wurde an uns beide geschickt, also liegt es natürlich nahe, dass wir auch gemeinsam auftauchen“, antwortete Eiri wahrheitsgetreu und schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. „Und wie ich bereits sagte, ist unsere Beziehung nichts, wofür wir uns schämen müssten.“

Sie nickte und schwenkte das Mikro vor Shuichis Gesicht. „Möchten Sie noch etwas hinzufügen, Shindou-san?“

Der junge Sänger grinste. „Ist doch viel besser, mal in der Öffentlichkeit aufzutauchen, ohne dass man selbst dafür bezahlt wird, sondern dass das Geld mal in was Sinnvolles fließt.“

Erneut nickte sie, dann zog sie mit ihrem Team wieder los, um die nächsten Gäste zu quälen.

„Sag, hab ich mich arg blöd angestellt?“, fragte Shuichi seinen Lebensgefährten unsicher.

„Es gab schon Situationen, wo du dümmeres Zeug geredet hast.“

Sie gingen weiter durch den Saal und Shuichi registrierte, wie sein Geliebter immer wieder den Blick hierhin und dorthin wendete, als kannte er diesen Ort bereits. Und womöglich war das auch der Fall. Gerade wollte er ihn darauf ansprechen, als eine andere Stimme das Wort ergriff.

„Hallo, Eiri.“

Überrascht sah der Sänger den blonden Chef von N-G an, der gerade zusammen mit seiner Frau vor sie getreten war.

„Guten Abend, Shindou“, begrüßte Tohma auch ihn und lächelte freundlich. So, als wäre nie etwas geschehen. Er hatte den Arm um die Hüfte von Mika gelegt, die ein schwarzes, dezentes Abendkleid trug. „Wie geht es euch? Ich hatte schon befürchtet, ihr würdet nicht kommen.“

Eiri erwiderte ein zynisches Lächeln. „Ist doch eine praktische Abwechslung zu der ständigen Arbeit daheim.“

„Da seid ihr ja!“, rief plötzlich jemand und kam auf sie zugeflitzt. Es war Ryuichi, der mit seiner Garderobe etwas aus dem Rahmen fiel. Er hatte auf einen Anzug verzichtet und sich schwarze Jeans und ein blaues Shirt übergezogen. Auf seinem Haupt ruhte eine Sonnenbrille, die um diese Tageszeit völlig unangemessen war.

Shuichi lächelte kurz. Offenbar konnte man sich so etwas erlauben, wenn man dermaßen bekannt war.

„Das weckt Erinnerungen!“, meinte der andere Sänger euphorisch und ließ seinen Blick schweifen. „Nur damals war es deine Hochzeit, Tohma-chan.“

Der Zweiunddreißigjährige lächelte und legte den Kopf leicht schief. „Ist aber auch schon ein paar Jahre her.“

Ryuichi stemmte einen Arm in die Seite und sah seinen Freund grinsend an. Von einer Sekunde auf die andere hatte er sein Auftreten von dem eines Kindes in das eines erwachsenen, selbstischeren Mannes verwandelt. „Können wir kurz unter vier Augen reden? Ich habe eine Bitte an dich.“

Der Produzent entschuldigte sich bei den anderen und die beiden verschwanden aus ihrer Sicht.

Mit einem leisen Seufzen verschränkte Mika die Arme und sah ihren Bruder an. „Dass du wirklich aufgetaucht bist, ist ja wie ein Wunder.“

„Komm schon, Mika“, meinte der Autor und bedachte sie mit einem amüsierten Blick. „Bin ich denn so unmenschlich, dass ich nichts Wohltätiges tun will? Und es wurde auch mal Zeit, dass ich mich mit Shuichi in der Öffentlichkeit blicken lasse.“

Mika schienen im ersten Moment die Worte zu fehlen. Sie hatte immer geglaubt, dass ihr Bruder den Medienrummel so verachtete, dass er es nie zulassen würde, sie beide je wieder im Fernsehen zeigen zu lassen. Gerade, wo doch Stress Yukis absolutes Gift war, das bei zu hoher Dosierung einen sechzehnjährigen Jungen hervorzauberte. „Wenn du das meinst…“

Vorne auf der Bühne, wo die Jazzband spielte, ging ein Tumult los, von dem jeder auf der Veranstaltung unweigerlich Notiz nehmen musste.

Die Musiker bauten schnell ihre Instrumente ab, verschwanden von der Fläche und es wurden ein Klavier darauf geschoben und ein Mikro aufgestellt. Alle fragten sich, was geschehen sollte, aber Mika, Shuichi und Eiri hatten da schon eine Vermutung, in der sie sich bald bestätigt fühlen sollten.

Ryuichis Sprung auf die kleine Bühne wurde durch einen dumpfen Knall seiner Schuhe auf dem Holzparkett begleitet und spätestens da hatten ihn alle bemerkt. Auch das Kamerateam wandte sich ihm zu und die Reporterin sagte eilig in ihr Handy, man möge doch wieder auf Live-Übertragung schalten.

„Guten Abend!“, sagte Ryuichi mit heller stimme ins Mikro und sofort kehrte Ruhe ein. Selbst dieses Publikum, das nicht aus Fans bestand, war sofort in seinen Bann gezogen. Eine Eigenschaft an Ryuichi, die Shuichi sehr bewunderte.

„Nittle Grasper wollen sich natürlich auch an dem ganzen Spendending beteiligen und daher möchten wir heute einen Song vorstellen“, begann der Sänger zu erzählen. „Er wird gemeinsam von Bad Luck und Nittle Grasper produziert werden und zwei Drittel der Gesamteinnahmen gehen in die Spendenbüchse.“

Applaus folgte, der an einer Stelle besonders heftige Anflüge annahmen.

Dann setzte sich Tohma an das Klavier und platzierte ein paar Notenblätter in seinem Blickfeld.

„Der Songtext ist von Shindou Shuichi“, erklärte Ryuichi noch, bevor er die Augen schloss und sich von den Klängen des Klaviers, das das Intro spielte, einhüllen ließ.

„Ihr habt einen Song zusammen produziert?“, fragte Mika verwundert, da sie davon absolut nichts wusste. Für gewöhnlich erzählte ihr Mann von etwas außergewöhnlicheren Projekten.

Shuichi hingegen fühlte sich wie von einem Tanklaster überfahren. Wann hatte er denn bitte einen Song geschrieben, der von Ryuichi als singenswert betrachtet wurde? Und von was für einer Single und von welcher Kooperation hatte er gesprochen? Das alles lag außerhalb seiner Begriffsfähigkeit.

Ryuichi beugte sich vor zum Mikro und begann zu singen:
 

The words remain in pain unspoken

Everything left – a silent cry

Tears fall on the black ground. Broken

Darken the streets, will never dry.

Hear the sound of falling tears
 

I’m looking for better days to come

But I am blinded by those tears

No place where light might come from

There’s no hope, just hate and fears

Can you feel it weakens our heart?
 

The rain is black

Pouring down on the streets

Of my vulnerable soul

It washes my life away

The letters on it - unreadable

That tell you who are me and you
 

Dark clouds still cover the sun

Wishes unfulfilled at night

No place to hide, no place to run

Stop this silence! It ain’t right!

Where is your voice that is so free?
 

The rain is black

Pouring down on the streets

Of my vulnerable soul

It washes my life away

The letters on it unreadable

That tell you who are me and you
 

Ryuchi hatte offenbar ein längeres Zwischenspiel für Piano eingefügt, das er dazu nutzte, Shuichi zuzuwinken und ihm so zu bedeuten, dass er nach vorn kommen und den Rest seines Songs performen sollte. Zuerst zögerte der Jüngere, doch als er einen leichten Schubs in den Rücken von seiner Begleitung erhielt, überwand er sich und hechtete nach vorn, bevor das Pianosolo verklungen war. Kaum hatte ihm Ryuichi das Mikro gegeben, war seine Stimme auch schon gefragt.
 

The sky is cracking open wide

Rays of sun wipe away all pain

We spread our wings and feel the light

Dry our tears from fading rain

Hear the voice coming right from your heart!
 

The rain has been black

No more pouring down

On my soul that gained strength

My saved life will start today
 

Read the letters that tell you

I have the power to go on!
 

Die letzten Töne wurden gespielt und danach setzte eine Stille ein, in der keiner ein Wort zu sagen wagte. Dann hob ein anerkannter Schauspieler dir Hände und begann zu applaudieren. Schnell setzten auch die restlichen Besucher der Feierlichkeit ein und der Saal war von dem Geräusch des Beifalls erfüllt.

Shuichi wurde rot und zog den Kopf etwas ein, doch sein dunkelhaariger Freund klopfte ihm lachend auf die Schulter und meinte: „Ich liebe besonders die letzten Strophen.“

Zögerlich nickte er. „Ich auch…“
 

„Es ist so dunkel hier.“

„Stört dich das?“ Eine hellgraue Dunstwolke stieg in den Nachthimmel auf.

„Nein, es ist sehr schön.“ Shuichi kicherte, als das kühle Meerwasser um seine Füße spülte. „Ich liebe es, wenn der Mond sich im Meer spiegelt.“

Eiri zog wieder an seiner Zigarette und blickte nun auch auf die Spiegelung. Kühle Nachtluft strich um sein Gesicht und dabei fiel eine Haarsträhne in sein Gesicht. Doch das störte ihn nicht. „Ich wusste, dass du diesen Ort hier mögen würdest. Du bist ein unverbesserlicher Romantik-Freak.“

„…sagt der Liebesromanschreiber“, kam es mit amüsiertem Unterton zurück. „Und dass wir hier raus gefahren sind, zeigt doch nur, dass du auch einen Sinn dafür hast.“

Obwohl die Zigarette nur zur Hälfte aufgeraucht war, warf Yuki sie in den Sand und schob mit dem Schuh ein wenig mehr Sand darüber. „Irgendwie haben diese Todessalzstangen auch mal besser geschmeckt.“

„Wer weiß, vielleicht hörst du ja demnächst mit dem Rauchen auf?“

„Erst Medikamentenentzug und dann auch noch mir Rauchen aufhören? Herrje, eine Sucht brauche ich doch.“ Er legte die Hand auf den Rücken seines Partners und genoss einfach den Kontakt. Manchmal brauchte er keine großen Gesten, um seine Zuneigung zu zeigen. Und er war sich sicher, dass Shuichi das auch genau so zu deuten wusste. „Dieser Song, den du und Sakuma gesungen habt…“

Shuichi drehte sich zu ihm um verzog etwas das Gesicht. „Das war wirklich nicht geplant. Diesen Song habe ich… naja, gekritzelt. Ich weiß, dass er grottenschlecht ist.“

„Okay, es ist wohl an der Zeit, dass ich dir jetzt die Weisheit eines Schriftstellers anvertraue.“

„Will ich die hören?“

Nun musste Yuki grinsen und legte den Arm um ihn. „Ein Text kann noch so ausgefeilt und wortgewandt sein, wie er will. Wenn er keine Gefühle vermitteln kann, ist er schlecht. Aber der Song heute… Ich glaube, jeder auf dieser Veranstaltung hat etwas gespürt.“

Langsam lehnte sich Shuichi an ihn und schloss die Augen. Die Wärme, die von dem anderen Körper ausging, ließ ihn eine bisher kaum gekannte Geborgenheit fühlen. „Normalerweise stößt du mich an dieser Stelle weg.“

„Es ist dunkel, da lass ich das mal durchgehen.“

„Yuki?“

„Hm?“

Vorsichtig, sodass er sich nicht aus der Umarmung lösen musste, drehte sich Shuichi zu ihm um und sah ihm in die Augen. „Wird es jetzt anders werden?“

Yuki schloss nun die Augen und lehnte seine Stirn an die seines Freundes. „Weißt du, ich bin jahrelang zum Arzt gegangen und hab Medikamente geschluckt. Und nie hat sich etwas verändert. Vielleicht sollte ich mich einfach auf eine Shindou-Therapie einlassen.“

Sanft lächelte der Jüngere und kraulte seinen Nacken. „Das wird ein steiniger Weg.“

„Was könnte schlimmer sein als das, was ich dir in den letzten Tagen angetan habe?“

Zu seiner Überraschung kicherte Shuichi nur. „Ich sage ja: Du wirst leiden.“
 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (15)
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Von: abgemeldet
2009-04-29T20:21:16+00:00 29.04.2009 22:21
wow!!!!!!!! die geschichte ist richtig gut! wahnsinns schreib stil.
schreib noch mehr!!! BITTE!!!!!!!!!
Von: abgemeldet
2007-04-24T14:34:50+00:00 24.04.2007 16:34
Ey was issn des für a tolles Handy?? LOL
Fällt einmal runter und scho den Geist aufgeben....sowas will ich auch *lach* sorry, den Kommentar konnt ich mir net verkneifen.....*LOL*
Von: abgemeldet
2006-03-14T22:36:30+00:00 14.03.2006 23:36
Die Geschichte ist richtig gut und du beschreibst die Gefühle der Personen so gut das man sich richtig gut hinein versetzen kann.
Da du aber schon seit Monaten nicht weiter geschrieben hast wollte ich mal nachfragen ob du noch weiter schreibst, denn ich würd echt gern wissen wies weiter geht. Oder könntest du die Geshichte mir schicken? Wäre echt nett.
Von:  AkikoKudo
2006-01-20T18:06:19+00:00 20.01.2006 19:06
Kannst du mir deine FF schicken?*ganz lieb frag*
wär echt lieb von dir
schick an AkikoKudo@gmx.de oder als ENS
vielen Dank
AkikoKudo
Von:  Sinia
2005-11-05T23:55:01+00:00 06.11.2005 00:55
*sabber*
schreib weiter und vor allem, bring noch was von thoma und mika rein *saber*
Von: abgemeldet
2005-10-13T19:52:14+00:00 13.10.2005 21:52
woha^^
Oh erst mal Konnichi wa^^
Bin mal wieder aus den Ferien zurück xD
Tjaha also was soll ich groß dazu sagen?
Dein Schreibstiel ist besser geworden, irgendwie, das ließt sich viel schöner als vorher xD und das soll schon was heißen wo es doch vorher auch schön war xD
nyo, dieses Kapi hat mir sehr gut gefallen^^
Vorallen wie du die Gedanken von den Personen rübergebracht hast und auch ich bin gespannt, was Yuki nun machen will.
Der Rückblick war auch klasse xD
Vorallem erkennt man da den Unterschied von Yuki von Früher zu heute xD
Mach weiter so und sag mir bitte bscheid, wenn das nächste Kapi on ist.
Sayounara Shinn
ps: guck mal bitte bei meinem Stecki unter Fanarts xD Würde mich sehr freuen.
Von:  Magic_fairy
2005-10-09T11:10:57+00:00 09.10.2005 13:10
interessant, schreib schnell weiter. ich möchte zu gern wissen was eri jetzt gedenkt zu tun.
sehr interessant fand ich auch den rückblick.

bye Magic_fairy^^
Von: abgemeldet
2005-09-15T16:57:20+00:00 15.09.2005 18:57
*waii*
*zu dir komm und dich umarm*
Dieses Kapitel war einfach kawaii
Ich kann mir das alles so gut vorstellen, die Szene wo Shuichi aufwacht, den Schmollmund von Ryuichi, wie Kuma-chan auf seinem Kopf sitzt und mit rumhüpft, einfach genial.

Das hast du richtig gut beschrieben, so richtig schön in Bildern erzählt
Nyo, ich mag die STory, da kann man nichts anderes sagen
*zu favos setzt*
So, und da hast du also deinen Kommi für dieses Kapi xD

Nyo warte ich habe noch was für dich
*in meinem uns schon bekanntem Rucksack wühl*
...
*weiter such*
...
*immernoch rumwühl*
äh...
+weiter such*
wo ist es denn, müsste doch eigentlich hier drin sein?

*Glühlampe anknipps* Mir ist ein Licht aufgegangen xD
*glühlampe wieder ausschalt* (stromkosten sind so hoch-.-* xD)
Ich habs in meiner Hosentasche
*ein extra schön eingepacktes, mit schleifchen verziertes , schillerndes, im Licht in vielen Farbe leuchtendes, wunderbar duftendes, leider nicht essbares ~Lob~ raushol*
Hier ist für dich^^
*dir das (oben schon alle adjektive gannant xD) Lob in die Hände drück*
Hast du dir verdient xD

Also, bis zum nächste Kapitel xD
Saoyounara Shinn
Von:  Magic_fairy
2005-09-13T22:40:25+00:00 14.09.2005 00:40
Ryu-chan mit seinem schmollmund das ist kawaii XD
das hast du wieder toll geschrieben.

bis zum nächsten kapi wart
lg Magic_fairy
Von:  Magic_fairy
2005-09-04T22:35:36+00:00 05.09.2005 00:35
tja das der liebe shu aber auch immer alle falsch interpretiert *aber was hätte man wohl sonst denken sollen ne*
Ich hoffe mal das renkt sich wieder ein.
super kapi, schreib schnell weiter ^_^

bye bye Magic_fairy


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