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Liebe ist eine Schwäche

Shulla
von

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Erkenntnis

Warum hatte ich so starkes Herzklopfen? Es war doch nur eine einfache Antwort gewesen. Nichts weiter, Freunde sagen eben so etwas zueinander. Trotzdem fühlte ich mich jetzt glücklich, wie benebelt. Ich hoffte, dass meine Wangen nicht rot geworden waren und er meine innere Aufruhr nicht bemerkte.

Was mich so stark reagieren lassen hatte?

Ein ganz simpler Satz eines Bandkollegen. Eines Freundes.

"Weil du mir wichtig bist"

Seine Aussage schwirrte, wie eine allzu lästige Fliege, in meinem Kopf herum, während ich versuchte, möglichst unbeteiligt zu nicken.

"Dann wollen wir los?"

Er nickte auch und lächelte kurz.

Dieses Lächeln. Mein Herz nahm einen weiteren Hüpfer. Ich setzte mich mit ihm zusammen in Bewegung. Wir schlenderten äußerst zielstrebig Richtung Park, wo wir heute etwas relaxen wollten.

"Schade, dass die anderen nicht konnten"

Ich nickte und wusste dabei nicht einmal, ob ich seiner Aussage wirklich zustimmen wollte. War es denn so schlimm, dass Kaito, Sae und Ren schon etwas anderes vorhatten? Wenn ich genau darüber nachdachte, verspürte ich das Gefühl, dass es mir gerade Recht kam..

Ich erschrak. Wie konnte ich so etwas nur denken? Es war doch immer viel Spaß, wenn wir alle zusammen etwas unternahmen. Kaito, der immer den Narzissten mimte, um uns andere zum Lachen zu bringen und Sae, der meist einen Kommentar unter der Gürtellinie auf Lager hatte. Sie alle waren meine Freunde, praktisch meine Familie.

Es gab nichts Wichtigeres in meinem Leben.

Und da war noch Nagi. Wenn jemand seinen Namen erwähnte, fühlte ich mich immer ganz seltsam. Ich wusste nicht, warum. In letzter Zeit war er mir immer wichtiger geworden. Ich ertappte mich zusehends dabei, wie ich ihn bei Proben hinter dem Schlagzeug aus beobachtete, wie ich mir vorstellte, er würde meine Hand halten..

Was er übrigens auch gerade tat. Ich erschrak gottserbärmlich und wurde dadurch unsanft aus meinen Gedanken gerissen.

"Hey!" Er wedelte mit seiner anderen Hand vor meinem Gesicht herum. "Schläfst du immer mit offenen Augen? Du bist heute ja ganz schön weit weg. Wobei.." Er griff sich ans Kinn und setzte einen seiner nachdenklichen Blicke auf. "Du bist in letzter Zeit sehr häufig so abwesend.. Ist irgendetwas los mit dir?"

Sein Gesichtsausdruck änderte sich in fragend-prüfend.

Warum hatte ich mich nicht im Griff gehabt? Ich musste mich in nächster Zeit wirklich zusammen reißen.. Man durfte mir meine abnormen Gedanken nicht ansehen.

"Nein alles bestens", antwortete ich unter Kopfschütteln und der innerlichen Erkenntnis, dass das sehr wohl eine Lüge war, die ich ihm gerade aufgetischt hatte.

Nichts war OK. Gar nichts. Seit Tagen hatte ich bei Nagis Namen nur noch seine weichen Lippen im Kopf und das unbändige, schreckliche Gefühl, ihm nahe sein zu wollen, von ihm umarmt zu werden. Meine Vorfreude vor jeder unserer Proben war schon richtig abnorm..

Als wir gerade an einem kleinen Eisstand vorbeischlenderten und Nagi lautstark feststellte, dass ein Eis jetzt gar nicht schlecht wäre (seine Stimme hörte ich jedoch schon gar nicht mehr, so gedankenverloren war ich), überkam es mich siedendheiß. Diese einfache und doch so nüchterne Erkenntnis verdonnerte mich zum Anhalten. Und zwar abrupt. Den stirnrunzelnden Seitenblick, den Nagi mir dank meines äußerst merkwürdigen Verhaltens zuwarf, bemerkte ich nicht.

Nun war es mir klar. Das war also der Grund. Der Grund für alles.
 

Ich hatte mich in Nagi verliebt.
 

Es traf mich wie ein Faustschlag in die Magengegend und dementsprechend verhielt dieser sich auch; mir wurde schlecht. Mit ein paar tiefen Atemzügen versuchte ich gegen die weiter aufkeimende Übelkeit anzukämpfen. Erfolglos.

Nagi war mittlerweile auch stehen geblieben und legte mir mit einem nunmehr besorgten Blick seine Hand auf die Stirn, um zu testen, ob ich nicht vielleicht krank war.

War ich aber nicht. Obwohl.. Nein. Das stimmte nicht. Ich hatte mich in einen MANN verliebt. Also war ich sehr wohl krank. Die Krankheit nannte sich Homosexualität und war nicht heilbar. Sollte ich etwa ein Homo sein, schwul?

Nein, das konnte nicht sein. Er war doch ein guter Freund.. Da war das doch nicht so schlimm.. Trotzdem blieb er ein Mann. Keine Frau.
 

"Du siehst voll blass aus, Yuu-kun.. Komm lass uns nach Hause gehen.." Mit den Worten nahm er mich wie ein kleines Kind an der Hand und zog mich langsam zurück Richtung meiner Wohnung. Dabei warf er mir ständig beunruhigte Seitenblicke zu.

Am liebsten hätte ich laut geschrieen: "Ich bin unheilbar krank und du bist der Grund dafür!", aber meine Lippen blieben stumm.
 

~+~

Anmerkungen der Autorin:

Bevor ich jetzt Hasstriaden von Schwulen bekomme, möchte ich gerne sagen, dass ich nichts gegen sie habe [sonst würd ich ja auch nicht eine Shonen-ai-Fic schreiben u__u"]. Ich will nur Yuuichis anfägliche Schwierigkeiten, damit umzugehen, versuchen, darzustellen. Ich denke, dass es nicht einfach ist, sich sofort einzugestehen, dass man doch anders ist, wenn man bis dato sich sicher war, dass man hetero ist.

ähem.. ja.. was wollte ich denn noch sagen..

Das nächste Kapitel ist schon geschrieben (ich muss es nur noch tippen V_v")

Damit leben?

Einige Zeit war vergangen seit dem Tage, an dem mir klar geworden war, dass ich mich in Nagi verliebt hatte. Und ich hatte Stück für Stück begonnen, es zu akzeptieren. Allerdings machte das meine Lage nicht unbedingt einfacher. War es zuerst das Problem gewesen, dass ich mich in meinem Körper fremd gefühlt hatte, so war es jetzt die erneut sehr grausame Erkenntnis, dass meine Liebe unerwidert bleiben würde. Warum sollte Nagi just in dem Moment, wo ich mir über meine Gefühle zu ihm bewusst geworden war, seine Neigung über Bord werfen und es mir gleich tun? Das wäre absurd. Und wer sagte denn, dass er sich dann auch noch in mich verliebte?

Es war hoffnungslos. Dennoch blieb in mir dieser kleine Funken Hoffnung, der genährt wurde durch Aussagen, Taten seinerseits, die ich vielleicht falsch, vielleicht richtig interpretierte. Diese Ungewissheit und das Tag für Tag wachsende Verlangen nach ihm machten mich schier verrückt. Aber ich versuchte stand zu halten.
 

"Hey, kommst du?"

Ich nickte, begann hastig in seine Richtung zu laufen und stolperte. Er musste es wohl kommen sehen haben, denn als ich einen Aufprall erwartete, kam keiner. Stattdessen fand ich in seinen Armen wieder. Mir wurde heiß und ich spürte, wie sich eine peinliche Röte in meinem Gesicht ausbreitete. Gleichzeitig klopfte mein Herz wie wild, zu nahe war ich der Vorstellung, von der ich immer träumte. Vor meinem inneren Auge zogen Bilder vorbei, wie er mich jetzt küssen würde, wie er mir seine Liebe gestand, wie er mich hochhob..

Der Moment war vorbei. Er hatte mich von sich geschoben und mir auf den Kopf gepattet.

"Yuu-chan, alles OK?"

"Hai..", stammelte ich verlegen, während ich versuchte, mich wieder zu beruhigen, was jedoch nicht einfach war, da ein erneutes Glücksgefühl mich zu überlaufen drohte, als ich "chan" vernahm. Nagi verwendete es nur selten, sonst pflegte er mich "kun" zu nennen. Vielleicht war dies ein Zeichen? Ich schüttelte innerlich den Kopf. Man sollte nichts überbewerten.

Nagi legte seinen Arm um meine Schulter.

"So. Ich pass' jetzt auf, dass dir nicht weitere schier unbezwingbare Steinchen zum Verhängnis werden" Er zwinkerte mir zu und ich lachte. Ich musste mich wohl sehr dumm angestellt haben.

Da wir heute wieder Probe hatten, hatte mich Nagi wie üblich von zuhause abgeholt, damit wir zusammen hingehen konnten. Er wohnte ja nicht weit weg. Drei Straßen und 14 Häuser um genau zu sein.

Wir schlenderten also weiter zur nächsten U-Bahn Station, um diese Art von Zug zu benützen.

Während des ganzen Marsches ergab sich keine Gelegenheit, ihn zu betrachten. Zu auffällig wäre es gewesen, ihn jetzt verstohlen anzuschielen, wo sein Arm immer noch über meiner Schulter hing. Vielleicht würde sich ja in der U-Bahn eine Gelegenheit anbieten..

"Hast du am Wochenende eigentlich schon etwas vor?", begann ich nach einiger Zeit ein Gespräch. Nagi überlegte kurz und starrte dabei Richtung Himmel.

"Nein", kam es dann von ihm.

"Warum hast du was geplant?"

Er lächelte mich an dabei.

Innerlich zerfloss ich und klebte bereits als Matsch-Yuuichi am Boden.

"Hai!"

Ich smilte zurück.

"Wir könnten alle zusammen für zwei Tage ans Meer fahren.."

Sein viel zu schönes Lächeln, dass mich jedes Mal Hunderte von imaginären Ohnmachtsanfällen erleiden ließ, begleitete seine Antwort.

"Gute Idee"
 

Der Himmel leuchtete blauer, als je zuvor, als wir die U-Bahn bestiegen. Zumindest für mich. Ich musste zuerst realisieren, dass ich ein Wochenende mit meinem Angebeteten verbringen konnte. OK, die anderen waren auch da.. Aber das war egal, dachte ich mir. Hauptsache, er war dabei. Es würde sicher toll werden! Ich fühlte mich, wie in Watte gepackt, viel zu glücklich in dem Moment. "Ich will die ganze Welt umarmen" hätte mich wohl passend beschrieben.

"Hey, du strahlst ja wie ein Atomreaktor", grinste mich Nagi an.

Ich lachte und zog eine gespielte Schnute.

"Ich freue mich eben auf das Wochenende"

Damit handelte ich mir ein Lachen seinerseits ein. Er stupste mich leicht in meinen Bauch.

"Ich mich auch"
 

Als wir ein wenig später beim Proberaum ankamen, warteten Sae und Ren schon davor. Sie konnten uns nicht sehen, da sich zwischen ihnen und uns eine Art Zaun aus mannsgroßen Sträuchern befand.

Nagi blieb plötzlich stehen und ich kam verwundert dicht neben ihm auch zum Stillstand.

"Was ist denn los?", wisperte ich, unbewusst wissend, dass es wohl gerade besser war, meine Stimmlautstärke auf niedrigem Level zu halten. Als Antwort legte er einen Zeigefinger an seine Lippen und deutete auf die sich vermeintlich hinter dem Gebüsch Befindenden, Sae und Ren.

Ich verstand nicht, was er meinte.

"Sieh hin", flüsterte er mir nach einem Augenverdrehen zu. Das tat ich dann auch und keuchte laut auf.

Sah ich, was ich sah? Oder besser; waren das wirklich gerade eben Sae und Ren, die vor der Tür des Proberaumes einen langen Kuss austauschten?

"Deiner Reaktion zufolge wusstest du es genauso wenig, wie ich"

Ich nickte nur mit ausgefahrenem Mundwerk.

Nagi übernahm diese Aufgabe für mich und klappte ihn mir wieder zu, während er leise weitersprach: "Jetzt krieg dich wieder ein. Sie küssen sich ja nur. Hast du noch nie zwei sich küssende Männer gesehen?"

Doch. In Gedanken Tausende Male. Vor dem Einschlafen, wenn ich an dich dachte, das Erste, was ich geistig sah, wenn ich aufstand am Morgen..

"Nein" Ich schüttelte den Kopf. Es war ja auch sehr unüblich hier.

"Uh uh Kleiner, dann war's mal höchste Zeit, ne?"

Mit einer Hand wuschelte mir Nagi durchs Haar. Beschämend für wie naiv er mich hielt. Aber trotzdem wunderte ich mich, wie locker er mit dem Thema umgehen konnte.

"Lass uns zu ihnen gehen jetzt. Wir tun einfach so, als hätten wir nichts gesehen. Wenn es an der Zeit ist, sagen sie uns das sicher von selbst"

Damit ging er zielsicher los und ich hinter ihm her.
 

"Hey Leute!"

Nagi mimte perfekt den Unwissenden. Ich bemühte mich einfach, es ihm so gut es ging nachzutun.

Ren und Sae grüßten nicht im geringsten überrascht zurück, allerdings war mir nicht entgangen, dass der Abstand zwischen den beiden um ein großes Stück gewachsen war. Ob das Nagi wohl auch aufgefallen war?

Wir warteten zusammen auf Kaito, der wie immer den Schüssel bei sich hatte. Die Hände lässig in den Hosentaschen kam er daher und grüßte.

"Konnichi wa minna-san" Mit den Worten verbeugte er sich und wir taten es ihm gleich. Manchmal wusste ich einfach nicht, ob er wirklich so traditionell höflich war oder uns einfach nur auf intelligente Weise auf den Arm nehmen wollte. Wenn ich so nachdachte, war er mir eine durch und durch undurchsichtige Person. Und das, obwohl er so was wie meine Familie war.
 

Ich stimmte den Takt an und begann zu spielen. Nagi stand rechts vorne, so dass er schön in meinem Blickfeld war. Das hieß, ich konnte ihn grandioserweise beobachten..

Wie er seine Gitarre hielt.. Seine Finger waren richtig filigran hatte ich letztens bemerkt, als ich ihn genauer gemustert hatte, während er den Kopf in eine andere Richtung gestreckt hatte. Jetzt schloss er die Augen und..

"Yuu-kun!"

Ich wurde unsanft von Kaito aus meinen Gedanken gerissen.

"Hast du vor, heute noch zu spielen?"

Meine Augen weiteten sich, als ich auf meine Finger guggte, die sich keinen Millimeter von der Stelle bewegten. Ich hatte vor lauter Konzentration auf Nagi, das Spielen vergessen! Gott, war die Situation peinlich..

Ich senkte schuldbewusst den Kopf und murmelte: "Gomen nasai.."

Kaito zog seine Augenbraue hoch.

"Er ist in letzter Zeit öfters auf Sondertrips", witzelte Nagi von der Seite und Sae kicherte, ganz bestimmt etwas Zweideutiges denkend. Jedoch Kaito war anzusehen, dass er es nicht sonderlich lustig fand. Ich starrte scheinbar interessiert auf meine Drumsticks und hoffte innigst, man möge mir meine Röte nicht ansehen und vor allem man würde nicht zwei und zwei zusammen zählen.. Deshalb bekam ich auch nicht mit, dass Ren mir einen äußerst merkwürdigen Blick zuwarf.

Ich nahm mir fest vor, dass ich mich jetzt aufs Spielen konzentrieren würde. Musste ich Nagi eben in der Pause anschielen.
 

Kein weiterer Aussetzer passierte mehr und die Probe verlief somit gut. Nach dem Üben setzten wir uns zusammen, so wie wir es immer taten, und besprachen unsere Eindrücke.

"Yuu-kun, du musst besser auf deine Konzentration achten. So etwas! - er betonte dabei "etwas" wie wenn er über eine Kakerlake spräche - "wie heute darf auf einem Konzert auf keinen Fall passieren, hörst du?", wandte sich Kaito an mich.

Erneut auf meinen Fehler hingewiesen, nickte ich schuldbewusst.

Warum war er so streng zu mir? Ich wusste doch bereits, dass ich ein Versager war..
 

Ich durchstand noch das Geplänkel der anderen und erhob mich dann, um mich zu verabschieden. Mich förmlich verbeugend verließ ich das Gebäude und trat in die Nacht hinaus. Es war kühl durch den Wind, der jetzt ging. Ich fröstelte und versuchte, mich in meinem Pullover zu nesteln.

"Warte Yuu-kun!"

Die Stimme vernehmend blieb ich stehen. Nagi.

"Was rennst denn so?", keuchte er, als er nach seinem Sprint neben mir zu stehen kam.

Ich zuckte mit den Schultern, handelte mir einen besorgten Seitenblick von Nagi ein.

"Du nimmst das doch nicht so bitterernst, was Kaito sagt, oder? Er meint es sicher nicht so.. Hey, weißt du, was braun ist und am Straßenrand steht?"

Gespannt blickte Nagi in mein Gesicht, natürlich darauf wartend, dass ich "Ich weiß nicht" antwortete.

"Ich weiß nicht..?"

"Ein Erdnüttchen" Er lachte laut los.

Ich grinste.

"Und was ist schwarz und klopft an eine Scheibe?"

Wieder schüttelte ich mein Haupt und deutete mein Unwissen damit an.

"Ein Kind im Backofen.."

Nagi musste stehen bleiben, um den erneuten Lachanfall zu überdauern. Ich stimmte ein. Er war wirklich unverbesserlich. Wenn auch nicht Meister der tröstenden Worte.
 

~~+~~

Anmerkungen der Autorin:

Hah vollbracht. ^^V Endlich ist auch mal das Kapitel länger. [das nächste ist noch länger] Danke für die Kommis ^__^ Es ist toll, dass ich es anscheinend gut so gemacht habe. Hoffentlich seid ihr bei dem Kapitel nicht enttäuscht <_< Aber was Sae und Ren da anstellen hat auch noch seine Gründe. Zumindest für den Weiterlauf der Geschichte.

Ich hoff ma, ihr lest schön brav weiter.. *verheißungsvoll verheißungsvoll* *lach*

eure Shiya

Augenblicke

Als der Wecker klingelte, war ich bereits wach. Mit einem leisen Seufzen stellte ich ihn ab und schlurfte in die Küche.

Es war schon vorteilhaft, wenn man alleine wohnte, so wie ich. So musste man sich am Morgen wenigstens keine Sorgen machen, wie man aussah. Allerdings wäre ich lieber jeden Tag neben Nagi aufgewacht. Und da war es wieder, das Stichwort. Nagi.

Während ich mir Kaffee kochte, stellte ich mir vor mich hinlächelnd vor, wie ich ihm das Frühstück ans Bett bringen würde. Ja, er würde sicher auch lächeln, mir einen Kuss auf die Wange hauchen.

Der pfeifende Topf weckte mich aus den Gedanken.

Mit ruhiger Hand, ein Gähnen unterdrückend, goss ich eine Tasse ein und setzte mich an den Tisch.

Seit ich morgens nicht mehr frühstückte, knurrte mir jeden Tag pünktlich um zehn Uhr der Magen. Ich seufzte.

"Was soll's", dachte ich mir. Wenn ich diese verdammten drei Kilo weghaben wollte, musste ich mich eben etwas zusammenreißen.

Nach einem erneuten Gähnen begann ich zu überlegen, was ich die Woche noch alles vor hatte. Gott sei Dank begann morgen schon das Wochenende, da musste ich nicht arbeiten.

"Wochenende...? Wochenende? Ach Scheiße!"

Ich klatschte mir auf die Stirn. Im Eifer des So-schnell-wie-möglich-Verlassens der Probe gestern hatte ich ganz vergessen, die anderen zu fragen, ob sie samstags und sonntags frei hatten! Jetzt musste ich sie wohl oder übel noch vor der Arbeit anrufen. Ich blickte auf die Uhr. Eine halbe Stunde. Blieb mir nicht viel Zeit, die Anrufe zu tätigen. Schnell flitzte ich zu meinem Handy und wählte erst Kaito an, den ich gerade noch erwischte.

"Klar will ich mitkommen! Ihr könnt auf mich doch nicht verzichten. Ohne mich kommt ihr keinen Meter weit.."

Dann stammelte ich Ren hastig auf die Mailbox, nur um nachher Sae zu erklären, dass ein Kurztrip doch sicher lustig wäre. Auch er sagte mir zu. Musste ich noch auf Ren warten. Wobei mir insgeheim der Gedanke kam, dass Sae wohl nicht auf seinen Geliebten verzichten wollen würde.

Ich schüttelte den Kopf. Was für absurde Gedanken ich heute Morgen aber auch hatte..
 

Ich stand vor der Einfahrt des Blockes, in dem ich wohnte. Meine Tasche befand sich gepackt neben mir und ich wartete in freudiger Erregung auf meine Freunde. Nach etwa fünf Minuten trudelte auch schon Nagi ein. Er grüßte mich grinsend und stellte sein Gepäck neben mir ab. Ren hatte sich bereit erklärt, uns alle zu fahren, jedoch hatten wir als Treffpunkt mein Zuhause gewählt. Während Nagi und ich unsere üblichen Scherze trieben und ich wieder einmal in lautes Gelächter verfiel, stapfte Kaito mit schwerbeladener Tasche auf uns zu. Das Ding mochte gut 20 Kilogramm wiegen und ich fragte mich schon, was in Herrgotts Namen er da bloß alles mitgenommen hatte. Er platzierte sein Gepäckstück neben uns und atmete schwer.

"Kaito-kun, sag nicht, du hast die Leiche deiner Ma eingepackt?! Du weißt doch, dass Leichen sich nicht zum Reisen eignen...", jammerte Nagi gespielt.

Ich lachte laut und beide fingen wir uns einen ebenso gemimt bösen Blick ein.

"Hättet ihr das früher gesagt.. Jetzt ist meine Schwester mit der Leiche unseres Dads unterwegs.."

Nagi prustete los und klopfte Kaito auf die Schulter.

"Wenn sie beginnt zu stinken, sprühen wir sie einfach mit Saes Parfum ein.."

Unvorteilhafterweise hatte er nicht bemerkt, dass Ren und Sae mit dem Auto nun auch angekommen waren.

"Hey, das hab ich gehört!", schimpfte Sae, von hinten an ihn tretend, und boxte Nagi in die Rippen.

Wir lachten.

Als Ren aus dem Kleinbus rief, dass wir uns beeilen und das Gepäck verstauen sollten, beendeten wir unsere kleine Unterhaltung und stiegen ein. Nun konnte es beginnen!
 

Unsere Fahrt verlief ruhig und ohne Zwischenfälle, sodass wir bereits am Mittag die kleine Pension erreichten. Erst einmal stehen geblieben, sprang ich sofort aus dem Bus und rannte Richtung Meer. Das "Typisch Yuu-kun" von einem kichernden Sae ignorierte ich in Anbetracht der herrlichen Aussicht, die sich mir bot, heute ausnahmsweise. Nach meinem nicht ungewöhnlichen Freudenanfall stapften wir mit unserem Gepäck zur Rezeption, die sich klein, aber sauber gehalten gegenüber der Eingangstüre befand.

Nun kam es also auf die Zimmerverteilung an. Innerlich wurde ich nervös und hoffte im Geheimen, dass ich in einem Doppelzimmer mit Nagi schlafen konnte. Was natürlich nicht ging, da ich mir praktisch sicher war, dass Sae und Ren in einem schlafen würden und Nagi, Kaito und ich uns ein Dreibettzimmer teilen würden. Und so war es dann auch.

Wir bezogen unsere Zimmer und gingen danach runter zum Strand baden. Ich legte mein Strandtuch so unauffällig wie möglich neben Nagis und setzte mich auf das Meer schauend hin.

Nach ein paar Sekunden kam es von meiner linken Seite: "Yuu-kun.. Cremst du mir den Rücken ein..?"

Spürbare Hitze stieg in mir auf und meine Kehle wurde staubtrocken.

"Hai", krächzte ich zurück.

"Danke. Hier" Er lächelte und streckte mir seine Sonnencreme entgegen. Ich nahm sie an und begann mit zitternden Händen die zähflüssige Masse aufzutragen.

"Ah.. ah..", keuchte es unter mir. "Sugoi.."

Mein Puls stieg innerhalb von einer Sekunde auf 200 und ich lief wieder einmal peinlich rot im Gesicht an. Er stöhnte.. So musste Nagi sich wohl anhören, wenn er..

Ich dachte den Gedanken nicht weiter, wollte ein fiebriges Glühen meiner Wangen vermeiden.

"D-Du bist fertig..", stotterte ich, meine Hände, die so gar nicht von der Stelle weichen wollten, wegnehmend.

"Arigatou~", antwortete Nagi und grinste mich an.

"Soll ich dich auch?"

Ich spürte, wie mein Kopf nickte.

"Na holla~ Du bist ja ganz rot im Gesicht! Hast wohl empfindliche Haut, was?"

Gezwungenermaßen nickte ich wieder. Wenn er nur wüsste..

"Na dann warte. Ich schmier dir zuerst dein Gesicht ein"

Er tupfte sich die Hand voll und verrieb mir dann die Creme im Gesicht. Die ganze Zeit über konnte ich ihn ohne Bedenken anstarren. Mein Herz hüpfte richtig.

"Jetzt leg dich auf den Bauch"

Ich gehorchte und mein Angebeteter setzte sich ohne zu zögern auf meinen Hintern. Ich keuchte erschrocken auf.

"Hab' ich dich", lachte er und massierte das Zeugs sanft in meine Haut ein. Seine Hände waren so zärtlich.. Würde er mich nur am ganzen Körper berühren.. Notdürftig unterdrückte ich ein Stöhnen, indem ich mir auf die Lippe biss. Mir wurde so warm.. Vor allem im Bauch.. Das Gefühl lief weiter nach unten und wurde dort intensiver..

Ich erstarrte. Oh Gott, nein, das durfte doch wohl nicht war sein!

"Vollidiot!!!", schallte es in meinem Hirn.

Ich hatte tatsächlich ab seiner Massage, die ja nicht mal eine war, einen Ständer gekriegt. Toll, was tat ich jetzt? Liegen bleiben, hieß wohl die Devise.

"Und fertig!"

Nagi klatschte mir an die Seite und stieg von mir runter.

"Gehen wir ins Wasser?", sprach er weiter, diesmal voller Erwartungsfreude.

"Ach nein, lass mal. Ich will mich noch etwas sonnen.."

Er zog eine Schnute.

"Wirklich? Kein Wasser?"

Meinen Kopf hatte ich mittlerweile schon weggedreht und murmelte jetzt: "Später bitte, hai?"

"Daijoubu" Somit sprang er ohne mich los. Er ließ ein erleichtertes Yuuichi zurück.
 

Die anderen hatten ausgelassen im erfrischenden Nass getobt und kamen schnell wieder zurück zu ihrem Platz, um sich von der Sonne aufwärmen zu lassen. Meine Erektion hatte sich Gott sei Dank verflüchtigt und so konnte ich mich ins Wasser wagen, wenn ich auch jetzt alleine gehen musste.

Ich schwamm also zügig ein Stück weit raus und drehte mich dann um, um die anderen vom Meer aus zu beobachten. Was sich sah, ließ mich stutzig werden. Nagi stand erhoben vor seinem Liegetuch und quatschte gerade seelenruhig mit zwei Mädchen, die ein Stück weiter rechts von ihm ruhten. Nein, das nannte man nicht "quatschen". Das war flirten. Am liebsten hätte ich die zwei dummen Weiber auf den Mond geschossen.

Warum mussten sie gerade jetzt da sitzen? Warum existierten sie überhaupt? Warum gab es auf der Erde nicht nur Männer? Dann wäre Nagi bestimmt schwul. Und ich hätte eine reelle, kleine Chance.

Wütend kraulte ich zurück ans Ufer, stieg tropfend und salzig aus dem Wasser.

Ja, ich war eifersüchtig. Aber wer konnte er mir denn verübeln? Wer konnte mir böse sein, dass ich meinen Schwarm nicht mit der Konkurrenz am flirten sehen konnte?

Er hatte mich gesehen.

"Hey, Yuuichi! Das sind Naoko und Riku" Er deutete auf die beiden zugegeben hübschen Mädchen. Allerdings machte mich das innerlich nur noch aufgebrachter.

"Sie sind auch über's Wochenende hier! Ich hab uns mal schon ein Date für heute Abend verschafft" Während der Worte zwinkerte er den Zweien zu und sie kicherten.

Ich zuckte zusammen. Es war wie ein Faustschlag mitten in die Magengegend, der mich ein für allemal zurück in die Realität holte. Nagi hatte keinen Funken von Homosexualität in sich. Es gab kein Nagi und Yuuichi. Es gab überhaupt nichts zwischen uns. Alles, was ich hoffte, zu sehen, war pure Einbildung. Nagi hatte vorhin nicht gestöhnt, weil er erregt gewesen war. Sondern, weil ich es einfach gut gemacht hatte. Und er hatte mich auch nicht in den Armen gehalten, weil er sich unbewusst danach sehnte, sondern weil er mich schlichtweg vor einem Sturz bewahren wollte. Es war alles hoffnungslos.. Ich konnte nicht einmal das kleinste Bisschen tun..

Ich zwang mich zu einem Lächeln.
 

Der Abend brach an. Nach dem Abendessen waren wir wieder ins Zimmer gekommen und ich saß jetzt auf meinem Bett, während Kaito auf seinem lag und die Augen geschlossen hatte.

"Kai-kun, willst du nicht doch mitkommen?" meldete sich Nagi in die Stille.

Ein leises, sarkastisches "Nein, mein Schädel brummt noch genau gleich, wie vor fünf Minuten" kam von unserem Vocal zurück. Er tat mir leid. Mit einigen kurzen Bewegungen war ich von der Liege aufgestanden und hockte jetzt auf Kaitos Bettkante.

"Hey.. sollen wird das Treffen vielleicht absagen und bei dir bleiben..?"

Er schüttelte den Kopf, stöhnte dann schmerzerfüllt.

"Nein geht ruhig, ich habe sicher nur einen leichten Sonnenstich. Ich werde nachher mal zu Hirashi-san hinunter gehen und um eine Tablette bitten"

Ich nickte.

"Okay.. schlaf ein bisschen.."

Nun waren wir also nur noch zu zweit. Sae und Ren hatten angekündigt, dass sie gerne das Feuerwerk im Dorf sich ansehen würden und da Nagi und ich wussten, wie es um sie stand, hatten wir das Protestieren gelassen.
 

Nagi klopfte an die Tür der Mädchen und die Größere der beiden öffnete.

"Yo" Er grinste. Sie lachte kurz und holte die andere, sodass wir los konnten. Ich versuchte mir das Unwohlsein und die Lustlosigkeit nicht anmerken zu lassen. Dass er es dann doch bemerkte, zeugte von meinem mangelnden Schauspieltalent. Vielleicht, weil ich es auch wollte, dass er es mitbekam.

"Geht schon mal weiter, Mädels"

Er zog mich zur Seite, wandte sich dann an mich.

"Yuuichi? Was ist los? Du ziehst ein Gesicht, wie wenn man dir gerade eine Kakerlake zum Essen vorgesetzt hätte. Gefallen dir die Mädchen nicht?"

Schuldbewusst schüttelte ich den Kopf.

"Nein, nein, alles okay. Ich schätze die Hitze hat mir doch nicht ganz so gut getan.."

Es war eine Lüge. Und er wusste es, hakte aber nicht mehr weiter nach.
 

Wir setzten uns, wie am Nachmittag, an den Strand und Riku, die Schüchternere, platzierte sich neben mich. Ich hätte lieber Nagi neben mir gehabt. Dieser saß jedoch mit etwas Abstand auf einer kleinen Düne mit Naoko, die jetzt ihr Haar zur Seite strich. Ich schaute weg, musterte Riku. Sie hatte langes, schwarzes Haar und einen Pony. Ihr Kleid, welches sie trug, hatte ein Blümchenmuster und passte ihr sehr gut. Eigentlich schien sie einen sehr netten Eindruck zu machen, interessierte mich aber nicht im Geringsten. Ich begann ein Gespräch mit ihr der Höflichkeit halber. Riku antwortete immer schüchtern, zuvorkommend, stellte Gegenfragen. Währenddessen linste ich immer wieder mal zu Nagi hinüber. Mittlerweile hatte er dem Mädchen seinen Arm um die Schulter gelegt. Es beunruhigte mich. Da ich jedoch höflich war, versuchte ich dem Gespräch weiterhin zu folgen und Riku nicht vor den Kopf zu stoßen.

Jetzt küsste er sie! Ich sprang auf. Riku erschrak.

"G-Gomen, aber ich muss mal dringend zur Toilette.." Ihr Nicken wartete ich gar nicht erst ab, ich hatte nicht vor, zurück an den Strand zu kommen.

Es war zu viel gewesen. Wie konnte er sie nur küssen? Warum tat er mir das an? Nagi? Mein Angebeteter? Warum ließ er mich diese Qualen erleiden? Mein Körper zitterte und ich spürte, wie mein Sichtfeld verschwomm. Energisch wischte ich die Tränen weg.
 

Als ich das Zimmer betrat, war es dunkel und die Klimaanlage summte leise. Vorsichtig zog ich mir die Kleidung vom Leib und ließ mich aufs Bett sinken. Ich konnte den Tränenschwall, der unkontrolliert über meine Wangen floss, nicht aufhalten. Aus Angst, Kaito aufzuwecken, schluchzte ich ins Kissen. Mein Körper bebte nur stumm dabei, wie ein ertrinkendes Insekt, dass verzweifelt um sein Leben rang.

Es tat einfach nur schrecklich weh.. Wenn ich mich doch nur nie in ihn verliebt hätte. Aber es war ja klar, dass so ein Versager, wie ich, sich nicht in jemanden verlieben konnte, der dies auch erwiderte. Ich schaffte es nur, mich in einen absolut unschwulen Freund zu verguggen. Meinen besten Freund.

Ich wand mich innerlich vor Schmerz, machte mich selbst noch fertiger, als ich es schon war.
 

Eine Hand legte sich auf meine linke Schulter.

"Yuu-chan..?"

Mein ganzer Körper versteifte sich. Wann war er heimgekommen?

"Ist alle OK mit dir..?"

Nickend, während ich gleichzeitig gegen meine Tränen ankämpfte, wünschte ich mir, dass er einfach nur wegging. Zu seiner neuen Freundin. Seine Freundin, die ja so unsagbar hetero war.

"Warum weinst du dann..?"

"Tu ich nicht..", murmelte ich heiser zur Antwort.

Stille.

Auch gut. Sollte er doch in sein Bett gehen. Interessierte eh keinen, wie es mir ging. Wie konnte ich nur für kurze Zeit gedacht haben, dass er sich ernsthaft über meinen Zustand sorgte?

Schon hatte ich Nagis Arme um mich. Ein paar Sekunden später fand ich seinen warmen Körper neben dem meinen wieder.

"Yuu-chan, was machst du denn für Sachen..", murmelte er mir ins Ohr. "Haust einfach ab und lässt mich mit zwei Mädchen stehen. Und jetzt weinst du.."

Es tat so gut, seine angenehme Stimme zu hören. Unmerklich kuschelte ich mich an ihn und begann wieder zu weinen.

Nagi streichelte mir über den Rücken und murmelte leise: "Sshht.."

"Ich bleibe bei dir die Nacht, hai?"

Ich nickte schwach.

"Aber warte kurz. So ungemütlich kann man nicht schlafen"

Mit den Worten spürte ich, dass er sich neben mir bewegte. Er zog zuerst mich, dann sich bis auf die Boxershorts aus.

"So und jetzt versuch, zu schlafen. Du willst doch morgen wieder baden gehen, oder?"

Ich brauchte nicht zu nicken. Ich schlief bereits. Am wärmsten Platz in meiner Welt..
 

~~+~~

Anmerkung der Autorin: [Today about writing FFs and background]

Ich denke, dass wenn es jemanden gäbe, der mich und mein Leben gut kennen würde, er könnte wahrscheinlich viel aus meiner FF lesen bzw. mich darin an unzähligen Orten wiederfinden. Ich verarbeite viel in FFs.

Yuuichi hat ein bisschen von meinem Charakter abbekommen. [Nein, er ist nicht ein personifiziertes Shiya <_<;]
 

Diese FF wird nicht so düster werden (hoffe ich mal.. Oô), sondern eher von der Tatsache geprägt sein, dass die Realität eben nie das macht, was man sich wünscht und man sich unzählige Male mit Dingen abfinden muss, die man vielleicht nicht in dieser Form haben will. Eigentlich möchte ich sie sehr realistisch halten. Im Moment scheint das irgendwie nicht grad so, was? ^^"
 

Ah~ ich hoff, ich bekomm das hin >_<
 

Auf jeden Fall vielen Dank für die Kommentare ^__^ (es freut sich immer sehr)

Shiya

Dunkelheit

Als ich das Geräusch zum ersten Mal hörte, dachte ich zuerst, ich träumte. Durch Nagis leichtes Rütteln an meiner Schulter und seiner Stimme, die scheinbar versuchte, Worte zu bilden, die ich aber nicht verstand, wachte ich ganz auf und realisierte, dass die Töne unmöglich aus einem meiner Träume stammen konnten. Endlich registrierte ich auch, was mein Angebeteter mir zuflüsterte.

"..du wach?"

Leichtes Nicken meinerseits.

"Hörst du das auch?"

"Hai-"

Nagi kletterte aus dem Bett und ging, oder vielmehr schlich ungeschickt durch den Raum.

"Ich werde nachsehen", flüsterte er mir zu.

"Dann komme ich mit!", sagte ich entschlossen und kroch aus dem Bett.

Irgendwie konnte ich Laute hören, wie wenn.. wie wenn jemand leise schrie.. Es machte mir Angst und so beeilte ich mich, Nagi nachzuhuschen.

"Yuuichi..?"

"Kaito?"

Ich dreht mich um und sah, wie unser Vocal ebenfalls aus dem Bett stieg und sich unserer kleinen Gruppe anschloss.

"Ich weiß zwar nicht, war ihr vorhabt und was das für Geräusche sind, aber ich werde auf jeden Fall mit euch gehen..", murmelte er schlaftrunken.

Also öffnete Nagi die Tür und schlich äußerst vorsichtig auf den Gang. Dicht gefolgt von uns anderen zwei. Die Laute, die wir gehört hatten, waren jetzt lauter und kamen direkt von der rechts an unser angrenzenden Tür. Ren und Sae schliefen dort drinnen! Vielleicht waren sie in Gefahr! Nagi schien ganz ähnlich zu denken, denn er wandte sich leise an uns und flüsterte: "Wir werden die Räuber überraschen. Wenn wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben, werden wir vielleicht auch mit einer Überzahl fertig!"

Damit machte er einen Schritt, wir ihm auf den Fersen, und stieß verheißungsvoll die Türe auf.
 

Was ich dann sah, ließ mir die Scham ins Gesicht schießen. Ich hätte mich förmlich am liebsten selbst auf den Mond bugsiert. Nagi hatte immer noch seine Hand and der Türklinke und war mitten in der Bewegung wie von der Tarantel gebissen stehen geblieben. Kaito war schlicht und einfach sprachlos mit weit herunter gelassener Kinnlade. In meinem ganzen Leben hatte ich mich noch nie so geschämt.

Sae saß auf Rens Schoß, seine Händen hinten am Laken abgestützt, während Ren sich rhythmisch bewegte und keuchte. Die Laute, die wir gehört hatten, waren Rens Stöhnen gewesen..

Entsetzt hielten sie nun inne und starrten und mit einer Mischung aus Panik und tiefer Verlegenheit an.

Ich murmelte ein noch peinlicheres "Gomen Nasai" und drehte mich um. Als Kaito sich immer noch nicht vom Fleck rührte, zog ich ihn kurzerhand mit. Nagi hatte eine ganz andere Reaktion; er tat das einzig Richtige; er sprach: "Lasst euch nicht stören" und schloss die verhängnisvolle Tür.

Mit einer Miene, von der ich nicht den kleinsten Funken einer Emotion oder eines Gedankens ablesen konnte, ging er zurück in unser Zimmer. Kaito hinter mir herzerrend, folgte ich ihm. Was er wohl dachte? Ob es ihm so peinlich war, wie mir?

"Ich schätze, wir sollten jetzt alle ins Bett gehen und schlafen", war alles, was er leise und sachlich sagte.

Ich kroch in mein Bett zurück und hoffte inständig, dass Nagi sich wieder neben mich legen würde. Meine Hoffnung erfüllte sich nicht, der Platz neben mir blieb die ganze Nacht über leer.
 

Licht. Unweigerlich musste ich blinzeln. Die Sonne schien direkt ins Zimmer und hatte mich, der nahe an der Balkontür lag, geweckt. Einige Augenblicke lang genoss ich das dumpfe, träge Nachgefühl des Schlafes, bevor ich zu Nagi schielte, um zu schauen, ob er schon wach war. Er starrte an die Decke. Ich ließ meinen Blick nach links schweifen und sah Kaito noch vor sich hin dösen.

"Nagi..?", sagte ich leise.

"Ja..?"

"Was denkst du über gestern Nacht?"

Er zögerte, bevor er antwortete.

"Ich denke, es ist ihre Sache."

Plötzlich kam mir ein Gedanke. In seiner Absurdität war er schon fast wieder denkbar.. Ich musste meinen ganzen Mut zusammen nehmen. Das war eine Gelegenheit, die nie wieder kommen würde. Zitternd überlegte ich innerhalb von Sekunden, ob ich es tun sollte oder nicht. Ich wusste ja die Folgen nicht. Was tat ich, wenn er mich nachher für einen Homo hielt? Was ich ja war, aber eben nicht zugeben würde? Ich musste es trotzdem wagen..

Mit heiserer und noch leiserer Stimme als zuvor stellte ich die Frage, die mir im Moment so sehr auf der Zunge lag.

"H-Hat es dich angemacht?"

Die Zeit schien sich kurzzeitig entschlossen zu haben, sich endlos zu dehnen, denn es kam mir wie Stunden vor, bis er antwortete.

"Warum fragst du mich das?"

Mein Unbehagen wuchs, während ich nach einer plausiblen Erklärung suchte.

Ich fand keine.

"Weil mir gerade der Gedanke kam.."

"Nein", erwiderte er "Ehrlich gesagt war ich froh, dass ich keiner von beiden sein musste. Und du?"

Ich antwortete nicht.

In mir war eine niemals vorhandene Welt zusammen gebrochen. Ein riesengroßes, schwarzes Loch tat sich in meinem Kopf auf und verschlang alles. Auf einmal. Jedes Gefühl, dass ich für Nagi empfand, hatte einfach kein Recht zu existieren, hatte es niemals gehabt. Schwärze und dieser unsägliche Schmerz, etwas verloren zu haben, das unsagbar wichtig war. Ich hatte meine Hoffnung verloren.

Ich wollte weinen, ich wollte sterben, wenn jemand gekommen wäre und mir gesagt hätte, dass er mich erschießt, ich hätte einfach ohne zu zögern genickt.

Wie sollte ich damit fertig werden? Dieses unmenschliche Verlangen von ihm geliebt zu werden auf der einen Seite und auf der anderen Seite zu wissen, dass es nie, nie geschehen konnte, weil ich nur ein kleiner, dreckiger, schwuler Versager war?

Ich spürte, wie sich Tränen ihren Weg über meine Wangen bahnten.. Wenn er mich für jede einzelne Träne nur ein bisschen geliebt hätte, ich hätte geweint, bis sie versiegt wären, meine Augen außerstande, noch das kleinste Tröpfchen von sich zu geben. Ich hätte in Kauf genommen, dass ich für den Rest meines Lebens nicht mehr weinen hätte können..

Ich hätte damit leben können, am Rande der Gesellschaft, als Schwuchtel zu existieren.. Wenn er dabei gewesen wäre..

Aber mein Leben war kein Film und Nagi nicht der Prinz, der einen rettete. In der Realität gab es kein Happy End, die Realität brachte es einem auch nicht schonend bei. In der Realität bestand das Glück auch nicht daraus, dass man mit der großen Liebe bis ans Ende der Tage zusammen war, sondern aus den kurzen Zeitspannen zwischen dem ganzen Unglück, dass man ertragen musste. Durch die ganzen Rückschläge, die man einkassierte, erfreute man sich schon daran, wenn man an einem Tag, nicht wieder an den Anfang zurückgeworfen wurde..

Und ich hatte den größten Fehler gemacht, den man machen konnte: Ich hatte mir die Frechheit heraus genommen, mich zu verlieben. Dabei wusste ich doch, dass mir die Menschen, die ich liebte, nicht vergönnt waren. Wahrscheinlich würde ich den Fehler immer wieder machen, bis ich daran zugrunde ging. Vielleicht würde es so das Beste sein. Ich hatte es nicht verdient, geliebt zu werden. Ich hatte es nicht einmal verdient, von ihm beobachtet zu werden, geschweige denn wenigstens jetzt, wenn auch nur für Sekunden, das Glück zu fühlen.

Ja, gewiss, mein Leben würde weiterverlaufen. Ohne Freude, ohne Hoffnung, ohne etwas, dass mich fröhlich gemacht hätte. Ich würde jeden Morgen alleine aufwachen, alleine den Tag verbringen, alleine versuchen, mich davon abzulenken, dass ich eigentlich schon seit langem Selbstmord begehen wollte. Genauso wie immer.
 

~~+~~

Anmerkung der Autorin [heute über die Inspiration]:

Eigentlich kann ich mich ab allem inspirieren lassen O_ô dabei.. kann ich mir allerdings nicht selbst aussuchen, von was. Schräg eigentlich - mein Kopf sucht sich selbst aus, was er nützlich findet und was nicht o_ô..

Naja. Das war der kleine Teil, von dem meine "Werke" [im Moment fällt mir kein besseres Wort ein -gomen] ihren Inhalt beziehen.

Der weit größere Teil kommt von mir. Ich glaub, so ziemlich jeder Charakter in meinen Geschichten bekommt Charaktereigenschaften von mir *lach*

[Arme Leser.. ^^"]

Oh und dann hängt's noch davon ab, wann ich schreibe. Ab und zu hab ich wahre Höhenflugtage xD

Nowhere to run

Ich weiß nicht genau, wann ich das erste Mal den Gedanken mit der Magersucht hatte. Fest steht nur; es muss an einem Tag gewesen sein, an dem mir wieder einmal bewusst gemacht worden war, wie unwichtig und nutzlos ich doch bin. Natürlich hatten mir dies völlig abgemagerten Menschen schon immer fasziniert und ich hatte ihnen nicht selten einen krankhaft bewundernden Blick zugeworfen, aber an jenem besagten Tag musste ich wohl beschlossen haben, dass ich meine Probleme mit einer Magersucht kompensieren würde. Vielleicht war es auch einfach nur ein schwacher Hilferuf.
 

Als mir dieses unausgesprochene Versprechen wieder in den Sinn kam saß ich gerade vor dem Frühstück in unserer Pension. Eigentlich lächelte mich das Essen an, aber dank meiner Problemlösung, die ich jetzt, genau ab diesem Moment durchziehen wollte, verzichtete ich auf die Mahlzeit und trank stattdessen einen starken Kaffee, der mich wach machen sollte.
 

Sind wir Menschen nicht komisch? Wir trinken Kaffe, damit wir aufwachen und dabei wollen wir eigentlich nichts sehnlicher, als schlafen. Schlafen, um zu vergessen, schlafen, um dem Schmerz des Lebens zu entfliehen.
 

Während ich mein ekelhaft schmeckendes Gebräu schlürfte, beobachtete ich versteckt Ren und Sae. Sie hatten sich heute morgen nichts anmerken lassen und so getan, als wäre nicht der Hauch von etwas in der Nacht passiert. Wahrscheinlich focht jeder von ihnen, gemeinsam, vielleicht auch getrennt, den inneren Kampf mit dem Glück. Ob das Glück wohl kleiner wurde, wenn man es immer unterdrückte und nur zu geregelten Zeiten zuließ?
 

Eigentlich taten sie mir leid. Es gab in Japan keinen Platz für Schwule, wo sie Schwule sein durften. Ganz ohne Probleme. Ganz ohne tadelnde Seitenblicke. Ganz ohne die Angst, erwischt zu werden. Dennoch beneidete ich sie. Denn immerhin hatten sie sich. Sie konnten ihr Problem teilen. Hingegen ich musste alleine damit fertig werden. OK.. ich hatte auch niemanden, an dem ich meine, für den Rest der Welt abnormalen Gelüste ausleben konnte. Ich war eben Single So wie ich das wahrscheinlich mein ganzes Leben lang blieb. Ich wunderte mich nur, dass die beiden uns drei anderen nichts sagten. Nicht einmal erklären wollten. Wir waren ihre bestem Freunde, wir wussten alles von ihnen und außerdem hatten wir sie ja gesehen! Aber ich verstand sie auch; es war immer schwer, über so etwas zu reden. Sogar wenn es sich um Freunde handelte. Manchmal war es gerade deswegen am schwersten.
 

"Yuuichi?"

Ich wandte meinen Kopf, blickte direkt in Kaitos Gesicht

"Was denkst du über heute Nacht?"

Dass er unser Reinplatzen ansprach, war mir sofort klar. Dennoch nestelte ich etwas an meinem blauen Badetuch herum, bevor ich antwortete.

"Es macht mir nichts aus. Es ist okay.."

Die anderen drei waren gerade am Essen, währen Kaito und ich uns lieber in der angenehm warmen Sonne räkelten.

"Kann ich dir etwas erzählen..?" Er richtete sich auf und ich drehte mich ganz zu ihm, um ihm die volle Aufmerksamkeit geben zu können. Ich nickte. Mir war schon das Licht aufgegangen, als er das Thema angeschnitten hatte. Es beschäftigte ihn genauso sehr wie mich.

"Ich fand es faszinierend. Ganz ehrlich." Kaito senkte dabei seine Stimme, obwohl niemand in der Nähe war und die, die es verstanden hätten, nicht im Mindesten geahnt hätten, von was wir eigentlich sprachen. Meine Augenbraue zog sich wie von selbst hoch.

"I-ich weiß nicht wieso.. Aber weißt du, was passiert ist, nachdem ich wieder im Bett war?"

"Nein, was?"

"Ich hatte eine Erektion!"

Seine Stimme war nurmehr ein Flüstern.

Na toll. War das auszuhalten? Unsere ganze Band bestand plötzlich aus Schwulen. Wir hätten und "die Homos" nennen können, wenn der kleine, weiße Fleck auf unserer schwarzen Weste nicht gewesen wäre; der Mann, nach dem ich mich tagsüber verzehrte, der Mensch, der mir schlaflose Nächte des Egosexes bescherte war natürlich - wie könnte es auch anders sein - nicht homosexuell. War ja klar. In diesem Moment hasste ich mein Schicksal gleich noch drei Mal so sehr.

"Hat es dich angemacht?"

Kaito zögerte, blickte kurz aufs Meer.

"Ja. Ich denke schon. Ich habe Lust bekommen, es selbst auszuprobieren."

Ich zog scharf die Luft ein. Durfte ich meinen Ohren trauen oder verfassten sie gerade Halluzinationen für mich, damit ich besser mit meinem Schicksal klar kam?

"Selbst auszuprobieren..? A-Aber mit wem denn?"

Kaito antwortete ein bisschen verlegen: "Ich weiß es noch nicht. Mal sehen.."

"Kai-kun.. warum erzählst du mir das so offen..?"

Für diese Antwort benötigte er nicht lange.

"Weil du für mich mein bester Freund bist; ich erzähle nur dir das"

Ich lächelte und piekste ihm in die Seite.

"Danke, ich weiß dein Vertrauen zu schätzen"

Damit stand ich auf und rannte ins Wasser. Ich begann zu lachen, als ich sah, dass er mir fluchend gefolgt war.
 

Die restliche Zeit verlief normal. Ja, ich benutze das Wort "normal", weil sich nichts mehr zugetragen hat. Nicht viele Leben sind actionreich , und meins gehörte, fernab von Tourneen (die wir aber noch nicht hatten, weil wir zuerst richtig berühmt werden mussten), sicherlich nicht zu den wenigen mit viel Spannung. Wie auch immer, der Kurzurlaub verging und ehe ich mich versah, klingelte mein Wecker mich um neuen Uhr unsanft aus meinem großen Bett. Schade eigentlich, dass ich es mit niemandem teilen konnte. Bei seiner Größe hätten locker zwei, wenn ich sogar drei Leute reingepasst. Dabei dachte ich an Nagi und meine Laune sackte in den Keller. Mühevoll verdrückte ich mir die Tränen, die mich nun wieder jeden Tag begleiteten. Sie warteten, wie ein Tier auf der Lauer, um jeden Moment anzugreifen, in Ströme aus meinen Augen zu rinnen und meine Motivation mein Leben weiter zu leben, die ich mir versuchte mühevoll aufzubauen, innerhalb von einer Sekunde zunichte zu machen. Am liebsten hätte ich mich in meinem weichen Bett vergraben, der einzige Ort, an dem ich mich geliebt fühlte, und wäre ihm nie wieder entstiegen.

Mein Arbeitsplan schrieb was anderes vor.

Also schlurfte ich widerwillig in die Küche und kochte mir Kaffee, während ich zur Haustüre ging und die Zeitung reinholte. Nichts Interessantes stand drin. Die üblichen Aktienzahlen, die üblichen Verkehrstoten, ja sogar die übliche Werbung. Mein Tag begann also noch langweiliger, als der letzte. Und in meinem Bauch bereitete sich jetzt ein Gefühl aus, als würde sich jede Sekunde mein gesamter Mageninhalt, der aus einem Brot und einem Apfel von gestern bestand, da ich nichts mehr essen wollte, auskotzen. Tolle Voraussetzungen für den täglichen, morgendlichen Jogginglauf. Trotzdem zog ich mir eine etwas engere Jogginghose und ein T-Shirt an und machte mich auf den Weg. Seit neuestem hatte unser Manager uns dazu angetrieben, Sport zu betreiben, damit wir für unsere kommenden Konzerte und Tourneen fit seien. Außerdem sollten wir mehr auf unser Aussehen achten. DAS war eine glatte Beleidigung. Wenn es jemanden gab, der nie ungeschminkt auftreten würde, der sich immer genauestens überlegte, was anziehen, dann war das unsere Band. Ich war damals richtig sauer gewesen. Das war jetzt auch schon drei Wochen her. Der Ausflug gar schon vier Wochen.. Nagi hatte mich damals ganz schön beruhigen müssen.

Ja.. Nagi..

Mein Gesicht nahm einen schwärmerischen Ausdruck an, nur um dann sofort wie versteinert zu wirken, ganz ohne Emotion. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihn aus meinen Gedanken zu löschen, meine Liebe hatte verdammt noch mal keine Chance.

Jedoch klappte das nicht so recht.. Ich sah ihn zu oft. Die ganze Zeit über hatte mich immer nur ein Gedanke glücklich gemacht; dass er nichts von meinen Gefühlen wusste.
 

Plötzlich war ich da. Meine Beine hatten mich einfach dorthin getragen. Ich war in meinen Gedanken so vertieft gewesen, dass ich es nicht einmal bemerkt hatte..

Nagis Haus. Wie konnte ich nur an diesen Ort gehen, wenn ich doch wusste, dass ich ihn so wenig wie möglich sehen durfte? Wieso tat mir mein Unterbewusstsein das an?

Nagis Eltern waren reich. Nicht einfach so "Reich". Sondern richtig. Genau genommen war er der Nachfolger seines Vater, dem ein Großkonzern in Nagoya gehörte. Als er ausziehen hatte wollen von zuhause, hatten ihm seine Eltern dieses Haus geschenkt. Wir waren alle sehr überrascht gewesen, aber er hatte nicht die Spur einer Verwunderung gezeigt. Und somit wohnte er eben hier in Tokyo und seine Eltern weiter in Nagoya.

Nun stand ich also hier und schaute durch das offene Tor in den Garten. Das Wasser im Teich plätscherte. Wahrscheinlich war ein Stein hineingefallen..

"Yuuichi?"

Ich zuckte zusammen. Drehte mich dann nach rechts zu der Stimme.

"Bist du gerade am Joggen?"

Sein Grinsen zog sich fröhlich quer über sein Gesicht und ließ mein Herz heftig schlagen.

"Hai"

"Ah.. dann lass mich mitkommen! Ich zieh' mich nur schnell um!", erwiderte er schnell und eilte schon ins Haus zurück. Ich schaute ihm mit gemischten Gefühlen hinterher; einerseits freudig erregt, weil ich meine Zeit mit IHM verbringen konnte, andererseits wissend, dass meine gute Laune darüber nicht sein durfte.

Nach kurzer Zeit kam er zurück, bekleidet mit einer kurzen, schwarzen Hose und einem roten Pullover. Unwillkürlich begutachtete ich sein Outfit. Er sah einfach zu gut darin aus.. Man konnte seine weißen Beine sehen.. Ein leichtes Schaudern durchlief meinen Körper.

Nein, das durfte nicht sein. Ich sperrte sämtliche anstößige Gedanken in die dunkelste Ecke meines Bewusstseins und machte mich bereit, weiterzurennen.

Wir trabten in mäßigem Tempo durch die um die Uhrzeit noch menschenleeren Straßen unseres Viertels. Vor meinen Lippen bildeten sich kleine Wölkchen, die Sonne stand tief und die Luft war recht frisch an diesem Morgen. Es war spürbar, dass der Herbst seinen Atem über Tokyo legte. Auf dem Gehweg vor uns sammelten sich auch schon die ersten Blätter an, lagen in gelb, rot oder orange da und boten ein buntes Bild.

Die Jahreszeit machte mich immer ganz melancholisch und so war ich dankbar, dass ich nicht sprechen musste, während wir liefen. In meiner Nachdenklichkeit zog ich mich dann immer noch mehr zurück, als ich es ohnehin schon tat.

Eine Stunde nach unserem Start bei Nagis Haus beschlossen wir eine Pause auf dem kleinen Spielplatz zu machen, den wir gerade passierten. Ich nahm auf der Schaukel Platz, Nagi setzte sich einfach ins Gras vor mir und stellte seine Beine auf, während er sich zurücklehnte und mit den Armen hinten abstützte.

Er schaute mich an. Ich fühlte mich dadurch unwohl und begann leicht vor- und zurückzuschaukeln. Meinen Blick richtete ich etwas abseits auf den rostigen Zaun.

Er fixierte mich immer noch. Das verunsicherte mich total.

"Warum siehst du mich so an?"

"Darf ich denn nicht?", kam die Antwort von einem leisen Lachen begleitet.

Ich schüttelte meinen Kopf.

"Natürlich darfst du das.. I-Ich wundere mich nur, wieso.." Dabei linste ich ihn kurz von der Seite her an.

"Du bist hübsch. Vor allem, wenn du so in Gedanken bist" Nur ein Lächeln.

Wie hatte er das jetzt gemeint? Hübsch in dem Sinne von "Du geile Schnitte, spring mit mir ins Bett" oder "Komm her und lass dich küssen" oder einfach nur hübsch und das war's?

Ich stammelte ein kaum hörbares "Danke" und schalt' mich selbst einen Idioten, weil ich nichts Besseres zustande gebracht hatte. Dafür waren meine Fantasien umso fleißiger. Wieder einmal strahlte meine imaginäre Kamera Bilder von Nagi und mir händchenhaltend, in einer Umarmung und bei einem Kuss aus. Zu verlockend waren diese Vorstellungen, als dass ich ihnen hätte widerstehen können. Wahrscheinlich war ich während dieser Spielerei nicht ungewönlicherweise total weggetreten gewesen, denn als ich alle Sinne wieder beisammen hatte, stand Nagi vor mir blickte mir in die Augen.

"wo bist du bloß immer, wenn du diesen Blick aufsetzt..?"

Wie gerne hätte ich ihm geantwortet "Bei dir". Aber aus meinem Mund kam kein Ton.

Sein Gesicht mit den weichen Konturen war direkt an dem meinigen.. Wenn ich nur meinen Arm ausstreckte.. Wenn ich mich nur etwas vorbeugte, könnte ich seine Lippen mit den meinen berühren..

Warum eigentlich nicht? Was hinderte mich denn daran..?

Es dauerte nur einen Augenblick, bis ich den letzten Abstand zwischen uns überwunden hatte. Meine Lippen auf seine gelegt hatte.

Es war..

..

..warm. Sein Mund war noch weicher, als ich es mir vorgestellt hatte. Nagis Atem war ganz nahe, ich spürte ihn an meiner Wange. Und der angenehme Geruch, der ihn umgab..
 

Jetzt wusste ich, was mich daran hätte hindern sollen. Ein Wort. Hetero.

Es wurde mir auf einen Schlag bewusst, als er sich langsam, aber deutlich von dem Kuss löste. Einen Schritt zurück ging und sehr ernst wurde.

Längst hatte ich meine Augen geöffnet.

"Yuuichi..ich... was sollte das eben?", kam es verstört von ihm, während er sich mit den Fingern zögerlich, ja abtastend über seine Lippen strich.

In meinem Kopf raste es. Die Gedanken schwirrten in einem wilden Chaos durcheinander, versuchten sich dabei flehentlich zu sortieren.

Was sollte ich antworten? Wie sollte ich denn bitteschön erklären, warum ich ihn geküsst hatte? Wie machte ich ihm nur meinen Gefühlsausbruch klar..?

Ich entschied mich für die komische Tour.

"War nur ein Spaß" Mein Lachen kam wie von selbst, laut und gekünstelt.

"Deine Reaktion eben war aber auch zum Schießen" Das Lachen verwandelte sich in ein breites Grinsen, in welches er nach einem weitern Schockmoment einstimmte.

"Du hast mich ganz schön erwischt", erwiderte er kichernd. "Ich bin doch nicht schwul!"
 

Mein Herz glaubte einen Moment aussetzen zu müssen, als es diese Worte hörte. Und das, obwohl ich es immer gewusst hatte. Aber so direkt darauf hingewiesen zu werden, gab meinem ohnehin kleinen Selbstbewusstsein den Rest. Ja, wie Dreck kam ich mir erneut vor. Oder war der Sachverhalt nicht eher, wann ich mich angemaßt hatte, anzunehmen, dass ich kein Dreck war?

Wie auch immer, ich wollte nur noch nach Hause nach dieser peinlichen Aktion. Zu viel war mir das auf einmal. Ich fühlte, das sich meine Tränen bedrohlich stauten, sie wollten nur heraus und versuchen, mir die Erleichterung zu verschaffen, die man nur nach ein, zwei Stunden des Weinens empfand.

"Nagi? Ich mach' mich jetzt auf den Weg nach Hause. Mir reicht's für heute"

Ich fühlte, wie ich entschuldigend lächelte.

Er nickte langsam.

"Soll ich dich begleiten?"

Schnell schüttelte ich den Kopf.

"Nein, nein, renn' du nur weiter, du Superläufer" Ein Zwinkern meinerseits und sein Lachen.
 

Kaum war ich aus seiner Sichtweite getreten, begann ich zu rennen. Meine Tränen ließen sich auch nicht mehr länger zurückhalten und so lief ich Straßen entlang, die vor meinen Augen zu einem milchigen Brei zerflossen, während mein Atem stoßweise ging und es in meiner Seite bedrohlich pochte. Ich ignorierte das alles einfach.

Warum hatte ich das bloß getan? War nicht ich es, der keine weiteren Wunden mehr wollte? Wie konnte ich mir das antun, wo doch ich der einzige Mensch auf dieser Welt war, der es in der Hand hatte, mich nicht auch noch zu verletzen?

Als ich über die Türschwelle trat und meine Schuhe auszog, stand mein Entschluss fest. Ich würde sämtliche Gefühle für Nagi auslöschen. Es waren unreine Gefühle. Wie konnten sie auch wahr und rein sein, wo doch der Mensch, der sie nährte, ein schmutziger, dummer Verlierer war? Ein Mensch eben? Deshalb durften sie nie wieder ans Tageslicht kommen.

Niedergeschlagen blickte ich auf meine Füße. Ich war es nicht wert, ihn zu lieben. Aber waren wir doch mal ehrlich; was hätte ich ihm denn schon bieten können? Mich? Wenn es einen richtigen Zeitpunkt gab, um zu lachen, dann war er jetzt gekommen. Also lachte ich. Es schmerzte und hinterließ einen bitteren Nachgeschmack.
 

~~+~~

Anmerkung der Autorin [heute über ihr Leben]:

Momentan ist das Shiya mit Post austragen beschäftigt. <_< Dabei hat es festgestellt: es will nie einen Beruf erlangen, bei dem es anderen dienen muss oder noch schlimmer; bei dem es devot sein muss. Insofern wird es wohl kein Lustsklave <_< [Erkenntnis?]

Besonders glücklich ist es ab allen Menschen, die keine Post bekommen. Oder keinen Hund haben.

Danke für die Aufmerksamkeit~

[Anmerkungen der Autorin will continue~]

Unvorhersehbar

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Und wenn ich egoistisch bin, dieses eine Mal?

Morgen haben immer etwas Angenehmes an sich. Etwas angenehm Warmes. Wenn man zuerst nur blinzelt, noch gar nicht wirklich wach ist, dann befindet man sich genau in der Phase, wo es am schönsten ist. Man nimmt noch nicht wirklich alles wahr, und doch spürt man schon, dass man nicht mehr in einem Traum fest hängt. In dem Augenblick, wo ich die Augen aufschlage und feststelle, dass die Sonne bereits durchs Fenster scheint, fühle ich mich immer so wohl, wie sonst zu keiner Zeit. Am liebsten würde ich dann noch etwas so bleiben, aber wahrscheinlich, wenn solche Momenten lange dauern würden, würde ich sie nicht mehr zu schätzen wissen.

Als ich an diesem Morgen die Augen aufschlug und mich schlaftrunken zur Seite rollte, traf mich fast der Schlag. Mit einem spitzen Schrei drehte ich mich zurück und knallte auf den Boden.

"Autsch"

Halbtot - zumindest fühlte es sich so an - lag ich auf der Tatami und bewegte mich ein paar Sekunden nicht, um zu warten, dass der stechende Schmerz in meinem Kopf aufhören würde.

"Yuuichi..? Lebst du noch..?", kam eine Stimme von oben. Der Grund meiner Bruchlandung vom Bett.

"Ja.. alles klar hier unten..", ächzte ich hoch und dachte mir dabei genau das Gegenteil.

Als das Pochen sich etwas beruhigt hatte, rappelte ich mich hoch und lugte über die Bettkante.

Kaito.. Kaito..? Kaito..

Für meine Versuche, mein schlechtes Gewissen über die Geschehnisse des Vortags, zu besänftigen, wurde ich mit erneutem Schädelweh belohnt.

Dieser Morgen hatte wohl auch gar kein Flair.

"Hey.." Ich zwang mich zu einem Lächeln.

Sein Retourlächeln war viel strahlender als meines und wahrscheinlich auch mehr vom Herzen kommend.

Irgendwie versetzte mir das einen Stich.

"Hast du Hunger?"

Gekonnt überspielte ich mein seltsames Gefühl, ihn als erste Person am Morgen zu sehen.

Er schüttelte den Kopf, blieb kurz still, nickte dann.

Ich zog meine Augenbraue hoch.

"Okay.. du hast also Hunger.."

So drehte ich mich um und schlich in die Küche, um was zu essen zu suchen.
 

Nach einem mehr als kargen Frühstück - ich war nicht gerade der Hausmann-Typ, der immer einen vollen Kühlschrank hatte - stand Kaito auf und schaute mich etwas unschlüssig an. Ich saß noch immer am Tisch und hatte gerade meine Kaffeetasse in der Hand.

"Dann.."

Er machte eine Pause. Wohl um seine Worte noch einmal zu überdenken.

"..geh ich jetzt mal.."

Sein Blick wurde noch etwas unschlüssiger, so als passte, das was er sprach so gar nicht zu dem, was er dachte.

Mein Blick heftete sich an ihn. Jetzt war wahrscheinlich der Moment, wo ich sagen musste: "Nein, bleib doch"

Also sagte ich genau das.

Auf seinem Gesicht breitete sich ein Strahlen aus, als hätte Gott verkündet, alle Menschen dürften ins Paradies, ganz egal, wie viel Sünden sie begangen hätten.

Es machte mir Angst. Wie konnten meine simplen drei Worte, die ich mehr aus innerer Eingebung, als aus voller Überzeugung von mir gab, solch eine Wirkung auf Kaito haben?

Wirklich beängstigend, wie sich die Machtverhältnisse verschoben, wenn man Liebe zu ließ. Wie schwach man eigentlich wurde. Und andere nannten das Stärke. Ich fragte mich, auf welchem Planeten diese Idioten wohl lebten.
 

Er setzte sich wieder, schaute mir beim Trinken zu. Irgendwie musste ich ab seinem Gesicht grinsen. Er hatte wirklich etwas Süßes an sich, zugegebenermaßen.

"Was schlägst du vor? Was sollen wir heute dann tun?" Ich lächelte für ihn.

"Wir.."

Kaitos Blick wanderte aus dem Fenster. Es regnete noch immer. Die Tropfen trafen schwer die Glasscheibe und hinterließen ein dumpfes Geräusch. Sie versetzten einen in eine unwirkliche Stimmung. Unwillkürlich musste ich an eine kleine Spieluhr denken, die ich einmal besessen hatte. Sie war eine ungeschmückte, winzige Dose gewesen, die mir meine Mutter eines Tages geschenkt hatte. Ich hatte noch genau die Melodie im Kopf, die jetzt in meinem Bewusstsein erklang. Für einen Moment schloss ich die Augen. Warum sie mir gerade jetzt einfiel?

"..könnten uns einen Film ansehen..?"

Ich nickte fast sofort. Das war eine ziemlich weise Entscheidung, ich hatte nicht die geringste Lust, das Haus zu verlassen.

Ein prüfender Blick auf die Uhr seinerseits. Ich linste ihm nach.

Es war schon Zwölf Uhr. Wow, hatten wir so lange geschlafen? Ich blinzelte. War ja schon Zeit, Mittag zu essen. Aber eigentlich hatte ich keinen Hunger.

"Sollen wir einen ausleihen gehen? Eine Videothek ist mal praktischerweise ums Eck"

Er lachte kurz und bejahte dann.
 

So stand ich also auf und ging mich anziehen, in Boxershorts und Gummistiefel würde ich wahrscheinlich ein ziemlich skurriles Bild abgeben. Der Gedanke daran amüsierte mich.

Boxershorts und Gummistiefel.

Was für eine Kombination.
 

"Kaaaaiii-kun!!"

Meine Stimme hallte durch den viel zu grell erleuchteten Videoverleihladen. Mit zwei DVDs in der Hand schlurfte ich (übrigens doch mit Gummistiefeln - ich hatte nicht anders gekonnt) in die Richtung, in der ich Kaito vermutete. Da die Auswahl riesig war, hatten wir uns geteilt.

"Haii?", kam es dumpf aus einem komplett anderen Eck. (Mein Hörvermögen war wohl nur beim Drums spielen gut). Ich kehrtwendete und stiefelte in seine Richtung.

"Wie findest du die?"

Fragend streckte ich ihm einen Horrorfilm und eine Komödie unter die Nase. Mit prüfendem Blick las er die Beschreibung, schüttelte dann den Kopf.

"Ich will einen Liebesfilm" Dabei grinste er; ich wusste, worauf er anzuspielen versuchte; ich hasste Liebesfilme. Sie waren viel zu unreal und gaben eine Welt wieder, die nur aus alles eitel Sonnenschein bestand. Natürlich waren Filme nie realistisch, aber Liebesfilme erschienen mir ganz besonders weltfremd.

Ich klappte meinen Mund auf, machte ihn dann wieder zu.

Irgendwie war ich heute scheinbar nachgiebig. Sehr nachgiebig.

Mit "Titanic" verließen wir den Store. Ich, eher angepisst, er grinsend.
 

Kaito steckte die DVD in den Player und nahm die Fernbedienung vom Fernseher. Ich hatte mich bereits in eine Decke gekuschelt und meine Beine fest an den Körper geschlungen, während ich ihn beobachtete. Er setzte sich sodann neben mich und schaltete ein.

Den Blick nicht abwendend starrte er auf den Kasten, über den jetzt erst Vorschau flimmerte.

Irgendetwas daran gab mir zu denken. Dann erkannte ich, was es war.

Ich lüftete meine Decke und kroch an ihn heran, legte ihm die Überlage über die Beine. Er drehte sich zu mir, lächelte etwas schüchtern. Ich lächelte einfach zurück. Genau in diesem Moment hätte ich ihn gerne umarmt, weil der Zeitpunkt mir aus unerklärlichen Gründen für richtig erschien, aber ich behielt meine Hände stumm bei mir.

Den Augenblick nicht nutzend, begann ich mich auf den Film zu konzentrieren und wenigstens zu versuchen, dieser sicherlich auch sehr weltfremden Geschichte zu folgen.

Es war gar nicht so übel. Zumindest die Aufmachung und die Art, wie er anfing, waren echt nicht schlecht. Meine Spannung wuchs somit ein bisschen. Was ja auch nicht schwer war, wenn man von Null ausging.
 

Es war in der Mitte des Films, als er seinen Arm um mich legte. Zuerst war ich ab der plötzlichen Bewegung erschrocken, aber dann, nachdem ich die Situation einen Moment überdacht hatte, schmiegte ich mich an seine Seite und legte meine rechte Hand an seine Brust. Ich konnte seinen Herzschlag spüren, wie er, etwas aus dem Takt geraten, schlug.

Ob er wohl so lange gebraucht hatte, um sich diesen Schritt zu trauen? Oder hatte er davor einfach nicht gewollt?

Wie dem auch sei; ich richtete meinen Blick wieder auf den Fernseher. Fühlte mich jedoch ab seiner Bewegung irgendwie sonderbar wohl. Vielleicht weil es für mich nicht an der Tagesordnung stand, so etwas zu erleben.

Jack rannte gerade mit Rose davon, sie kamen durch den Maschinenraum und erreichten den "Autoraum". Zumindest fiel mir kein besseres Wort dafür ein.

Sie verschwanden in einem der Autos und was folgte, war eine Sexszene.

Warum mich das peinlich berührte, war mir nicht klar. Ich wusste nur, dass ich wegsah und meine Topfpflanze im Eck interessiert musterte. Kaito schien das bemerkt zu haben, denn er fragte mich, was los sei.

"Nichts, nichts. Ich habe mich nur gerade gefragt, ob ich meinen Gummibaum heute schon gegossen habe"

Ein Grinsen kam von ihm.

"Achja.. und das fällt dir gerade jetzt ein? Wo die beste Szene des Films kommt?"

Ich wurde rot, was ihm auch nicht verborgen blieb. Aufgrund des Schamgefühls senkte ich einfach mal meinen Blick und versuchte, an nichts zu denken.

"Du bist süß"

Mit zwei Fingern hob er mein Kinn an und küsste mich. Aus heiterem Himmel. Während im Hintergrund Jack keuchte.

Es war das erste Mal, dass wir uns küssten.

Ich genoss es in vollen Zügen, ließ meine Zunge von seiner liebkosen und dachte daran, dass er mich liebte. Ein bisschen Glück überkam mich und ich legte zaghaft meine Arme um seinen Hals. Dabei fühlte ich sein Haar an meinen Händen. Es war wirklich weich.

Kaitos ganzer Körper war von einer angenehmen Wärme, die mich anzog. Und so kuschelte ich mich noch etwas mehr in seine Arme und ließ mich einfach dahintreiben.
 

Als wir uns voneinander trennten, mussten wohl einige Minuten vergangen sein, während des Kusses hatte ich jedes Zeitgefühl verloren.

Ob das ein Zeichen war, dass er der Richtige war? Dass er es schaffte, dass ich meinen Kopf ausschaltete?
 

Wir widmeten uns wieder dem Film, Kaitos Finger meinen Arm entlang streichelnd. Langsam aber sicher fand ich "Titanic" immer interessanter. Angespannt biss ich auf meiner Unterlippe herum, während ich hoffte, dass die beiden Hauptdarsteller nicht sterben würden.

"Doch so spannend?"

Kaito lachte leise neben mir. Ich gab es widerwillig mit einem Nicken zu.

Schließlich wurde es dramatischer; als Jack starb, spürte ich, wie sich Tränen in meinen Augenwinkeln sammelten. Ich kämpfte verbissen dagegen an, schluckte sie hinunter, weil ich mich schämte, offen zuzugeben, dass ich derart mitlitt als Mann.

Trotzdem zog mich Kaito an sich und murmelte mir leise ins Ohr: "Es ist nur ein Film.."

Das musste er mir doch nicht sagen! Wer belehrte denn die anderen immer?
 

Seine Umarmung machte es nur noch schlimmer; ich begann zu weinen. Mittlerweile wohl weniger wegen dem, was wir anschauten, sondern einfach, weil ich mich elendig fühlte. So, als würde der ganze Kummer der Welt in mir stecken. Ich hatte mich in der Zwischenzeit bereits vom Fernseher abgewandt und klammerte mich nun an ihn, während meine Tränen nicht aufhörten, über meine Wange zu fließen. Zitternd dachte ich an all die Ungerechtigkeiten, die mir widerfahren waren, an all den Schmerz, der sich über die Zeit in mir aufgestaut hatte. Der Film hatte ein imaginäres Ventil an mir geöffnet, aus dem jetzt alles herausströmte, unaufhaltsam.
 

Er sprach all die Zeit, während ich weinte, kein Wort. Streichelte mir nur über den Rücken und versuchte, mir Wärme zu geben. Er wollte gar nicht, dass ich aufhörte; vielleicht wusste Kaito, dass es so besser war.
 

Nachdem ich einige Minuten so zugebracht hatte, in dem miserablen Zustand, wurde es allmählich besser. Merklich versiegten meine Tränen und schlussendlich blieb nur mein bebender Körper zurück.

Ich öffnete meine Augen nicht, ich hatte mich noch nie wohler in irgendwelchen Armen gefühlt. Also verharrte ich noch für eine Weile, während ich seinen Atem an meinem Ohr wieder wahrnahm.
 

Trotz alledem schlich sich langsam aber doch eine gewisse Reue in mein Bewusstsein. Wie hatte ich es zulassen können, dass ich ihm meine Gefühle offenbarte? Wie hatte ich gegen meine eigene Regel, niemals wieder vor anderen zu weinen, verstoßen können? Wie war das passiert? Wie konnte ich ihn bloß mit so etwas belasten..

Abgesehen davon, dass ich meine eigenen Vorsätze verletzt hatte, hielt er mich jetzt sicher für einen Psycho. Das war ja auch ziemlich naheliegend. Nachdem ich mich wie eine Heulsuse aufgeführt hatte..

Mit nun plötzlich heftigem Unwohlsein löste ich meine Arme von ihm und zog sie an mich selbst zurück, schlang sie um meinen eigenen Körper. Ich blickte Kaito nicht an, als ich sehr leise "Es tut mir leid" flüsterte.

"Es ist okay.."

Eine sanfte Berührung an meiner Wange.

"Es macht mir nichts aus.. Du kannst von mir aus immer weinen, wenn du es nötig hast"

Ich schluckte. Das klang nett. Wenn ich ehrlich war, klang es mehr nach einem Traum und nicht nach Realität, dass er das sagte.

Alle anderen Worte wären logischer gewesen. Immerhin war...ja was immerhin?

Warum versuchte ich eigentlich krampfhaft, seinen Worten die Bedeutung zu nehmen?

Er hatte mir bis jetzt nur Gutes getan, seit er da war und trotzdem stand ich bei jedem meiner Schritte vor neuen Zweifeln.
 

"Ich mach's nicht wieder", murmelte ich zur Antwort.

Und nahm mir dabei fest vor, das auch zu tun.
 

Bumm. Bumm. Bubumm. Bubumm.

Mein Herzschlag.

Wie lustig, dass es immer noch schlägt. Mein Herz.

Was treibt eigentlich ein Herz an? Warum schlägt es immerzu?

Irgendwann fängt es an und steht erst still, wenn wir sterben.

Ob es aufhört zu schlagen, wenn man es sich sehr wünscht?

Es heißt doch, Wünsche werden irgendwann wahr..?
 

Ich lag auf dem Bett. Alleine. Kaito war eine Stunde nach meinem Ausbruch gegangen. Wir haben den Film nicht zu Ende gesehen.
 

Mein Blick wanderte zum Fenster. Es regnete noch immer. Im Unterschied zu mir hörte Gott nicht auf, zu weinen. Seine Tränen begossen noch immer die Welt. Tokyo war ein Tränenmeer..

Um was er wohl trauerte? Um die vielen seiner Geschöpfe, die nicht glücklich werden konnten?

Ich fühlte mich ein bisschen schuldig.
 

Meine Gedanken ordnen. Meine Gefühle ordnen? Beides.

Wo sollte ich bloß anfangen?

Ich war der Überzeugung gewesen, dass ich Nagi liebte. In seiner Gegenwart schlug mein Herz wie wild, ich wusste nicht mehr, was sagen, war mir sicher, dass er jedes Wort falsch interpretieren würde. All seine Aussagen legte ich auf die Goldwaage und hoffte, dass er alles in die Richtung "Ich liebe dich auch" meinte. Dabei waren diese Gefühle jede einzelne Sekunde von meiner Resignation, meinem Realismus, der mir vor Augen hielt, dass ich von roten Weißwürsten träumte, begleitet.

Meine innere Zerissenheit war schier unerträglich, wenn ich mit ihm zusammen war. Dieses Dilemma vollzog sich jedoch auch im Falle Kaito. Nur auf einer anderen Ebene. Hier stand ich jedes Mal zwischen meinem schlechten Gewissen, meiner nichtvorhandenen Liebe für ihn und meinem so dringlichen Bedürfnis danach, geliebt zu werden.

Wie konnte ich Zuneigung einfach entwickeln? Wie brachte ich es dazu? Und was war, wenn sie es nicht tat?

Ich wollte Kaito nicht etwas vormachen, wünschte mir, dass Nagi mit mir zusammen war und sehnte mich zu alledem noch nach Berührung und Nähe. Dass das nicht vereinbar war, war mich auch schmerzlich bewusst.

Alles arbeitete in Richtung eines Entschlusses hin. Den Entschluss, mich für Nagi oder Kaito zu entscheiden.

Ich wählte Kaito.

~~+~~
 

[Anmerkungen]:

wow, ich habe so viele Kommentare bekommen

Das ist echt unglaublich!

Als ich sie heute alle gelesen habe, war ich richtig erschrocken, dass ich euch anscheinend so berühre. Ich hoffe, ich halte mich weiterhin gut!
 

In diesem Kapitel mag ich Yuus Gedanken sehr gerne. Sie haben etwas leicht Sarkastisches ^^

Im Moment bange ich wirklich darum, dass ich Yuuichis Welt richtig weiter führen werde.

Was auch immer "richtig" heißt.

Möchtest du mein Freund sein?

"Warum schmeckt man eigentlich Hagebutten immer heraus, wenn man Früchtetee trinkt? Alle anderen Früchte gehen neben ihrem Geschmack unter"

"Vielleicht weil sie glauben, dass sie den Tee besonders erlesen machen. Hagebutten sind wahrscheinlich eingebildet; sie halten sich für etwas Besseres. So wie manche Menschen"

Aufmerksam betrachtete er mich, während er die Worte ernst von sich gab.

"Meinst du?", erwiderte ich.

Er nickte.

"Ich kann Hagebutten nicht ausstehen"

Kaito lachte leise.

"Ich auch nicht"
 

Nachdem ich meinen Tee ausgetrunken und wir die Rechnung bezahlt hatten, verließen wir das Café. Es regnete noch immer. Das war nun der dritte Tag hintereinander, nicht einmal über Nacht hatte er sich beruhigt.

Kaito klappte seinen Schirm auf und ich tat es ihm gleich Es war nicht weit bis zu unserem Proberaum, Gott sei Dank.

Trotzdem fühlte ich mich ziemlich aufgeweicht, als wir schließlich ankamen. Die anderen Zwei und Nagi warteten schon davor. Kaito hatte ja den Schlüssel.

Nagi..

Nach drei schwärmerischen Sekunden schüttelte ich innerlich energisch den Kopf und zwang mich dazu, an das zu denken, was Kaito vor zwei Nächten mit mir gemacht hatte. Es trieb mir die Röte ins Gesicht, was, wenn man meinen Charakter in Verbindung mit dem ersten "männlichen" Mal betrachtete, keine Abnormität war.

"Rot, wie immer", feixte Nagi und kicherte dabei.

Ich verzog mein Gesicht und boxte ihm in die Rippen. Hinter mir konnte ich Kaitos Lachen hören.

"Du sperr' lieber die Tür auf!", funkelte ich ihn an.

"Ja, ja, ist ja schon gut...", beschwichtigte er mich und lachte weiter, während er den Schlüssel im Schloss drehte.
 

Die Probe verlief gut. Eigentlich sehr gut. Ich fühlte mich zum ersten Mal fit für eine Tournee.

Nachdem ich den letzten Schlag getan hatte, wollte ich meine Drumsticks gar nicht aus der Hand geben, bemerkte aber, dass Sae Ren unaufhörlich Blicke zuwarf und dieser nickte.

Ich überlegte, was da vor sich gehen könnte, wurde jedoch nicht schlau aus der Situation.

Zwei Minuten später klärte es sich ohnehin auf.

Ein offensichtlich sich unwohl fühlender Sae spielte nervös mit seinen Fingern, als er vor uns stand und um Aufmerksamkeit bat.

"Ich"

Er verbesserte sich.

"Ren und ich wollen euch etwas sagen.."

Mit einem hilfesuchenden Blick wandte er sich an Ren, der langsam hinter ihn trat und Sae seine Hand auf die Schulter legte.

"Wir sind.. anou.. wir sind.. zusammen.."

Dass beide ihre Blicke abschweifen und irgendwo im Raum rumgleiten ließen, verlieh dem Ganzen eine gewisse Skurrilität.

"I-Ich hoffe, ihr werft uns jetzt nicht aus der Band.."

Die letzten Worte hatte er kaum hörbar gesprochen.

Kaito prustete als Erster los.

"Seid ihr bescheuert, oder was? Warum sollten wir das tun? Seit wann ist Shulla intolerant?"

Mit einem äußerst schrägen Blick musterte er Sae.

Dieser schüttelte den Kopf, stotterte etwas Unverständliches daher.

Da wir alle drei von ihrem "Geheimnis" gewusst hatten, reagierten wir nicht so, wie sie es offensichtlich erwartet hatten. Ren guggte etwas perplex, als der allgemeine Schock ausblieb und Nagi die Zwei zu ihrer Beziehung beglückwünschte. Mein Lächeln machte es ihm wohl nur noch schwerer, das zu verstehen. Also half ich ihm auf die Sprünge.

"Wir haben euch gesehen.. Damals in der Pension.. Du weißt schon.."

Saes Gesicht nahm die Farbe von Nagis T-Shirt an - Kirschrot - während Ren nur nickte und, wie mir schien, wollte, dass wir das Thema künftig vom Diskussionsplan strichen.

Ich hätte mir in den Arsch beißen können, als ich kapierte, wie taktlos ich eben gewesen war. Na toll. Bravo Yuuichi.
 

Gott sei Dank war Kaito dann wenigstens so feinfühlig gewesen, ein anderes Thema anzuschneiden. Mein Schuldgefühl wurde deswegen nicht kleiner, aber wenigstens vergaß ich es für kurze Zeit.

Wie auch immer; ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich endlich den Raum verlassen konnte und mich auf den Nachhauseweg machte. Schnurstracks hatte ich mit meinem Kopf zum Abschied genickt und war aus der Tür geschlüpft. Das Kaito Anstalten gemacht hatte, etwas zu mir zu sagen, den Mund dann wieder zugeklappt hatte und mir nur stumm hinterhergeschaut hatte, hatte ich nicht bemerkt. Auch nicht den enttäuschten Glanz darin.
 

Wie beschäftigt man sich am besten selbst?

Ja, das hätte ich auch gerne gewusst.

Vollkommen gelangweilt starrte ich in meine Teetasse - ich hatte mir Tee gemacht, damit ich wenigstens für zehn Minuten eine Arbeit hatte.

Meinen besten Freund Nagi musste ich ja meiden, um nicht rückfällig zu werden. Wie hieß es so schön; aus dem Augen, aus dem Sinn? Und Kaito? Sollte ich ihn anrufen?

Der Gedanke daran ließ mein Herz nicht gerade Purzelbäume schlagen, aber eine gewisse Verlockung konnte ich auch nicht leugnen.

Ich schnappte nach meinem Handy, drehte es in meiner Hand und wog ab, was dafür und dagegen sprach, Kaito jetzt anzurufen.

Mir wäre nicht mehr langweilig. Vielleicht würde er sogar etwas ganz Bestimmtes mit mir machen. Ich wurde peinlich verlegen und machte mich rasch daran, den Gedanken abzuwehren. Das war dann wohl der Kontrapunkt; er würde sicher das tun wollen, was ich mir für Nagi auf..

Nein.

Ich zog einen gedanklichen Schlussstrich. Kein NAGI.

Es gab keinen Nagi in meinem Bett, aber einen Kaito, der genau wusste, wo er meinen Körper zu berühren hatte. Also verflixt noch Mal, zum Teufel mit Nagi!

Meine Finger tippten schneller seine Nummer, als meine Hirnzellen diesen Entschluss verarbeiten konnten.

Tuuut. Tuuut.

"Hallo?"

"Kaito? Bist du da?"

"Ja"

Im Hintergrund konnte ich sein Lachen hören. Das tat meiner Entschlossenheit allerdings keinen Abbruch.

"Kannst du vorbei kommen?"

Sein "Ja klar" kam viel zu schnell, die Freude, die seine zwei Worte ausströmten, war nicht zu überhören. Ich wusste auch warum.

"Wann kommst du?"

"Ganz wie du möchtest"

Das Bild von einem Diener, der sich vor mir verbeugte, tat sich in mir auf, als ich antwortete: "Komm gleich".

Ich schüttelte es ab.
 

Zwanzig Minuten später, für einen Weg, für den man sonst dreißig Minuten brauchte, stand Kaito vor meiner Tür. Er schien etwas atemlos, bemühte sich aber, sich das nicht anmerken zu lassen. Es entging mir trotzdem nicht, als ich ihm seinen wieder trockenen Mantel abnahm und aufhängte.

Ich wusste nicht so genau, wie ich ihn begrüßen sollte. Mit einem Kuss? Mit einer Umarmung? Mit einem "Hi"?

Ich entschied mich zerknirscht für das einfache "Hi" und hängte gleich noch ein "Willst du einen Tee? Ich hab' auch Kekse da.." dran, um allem anderen, was mir peinlich erschienen wäre, aus dem Weg zu gehen. Was er gewollt hätte, wusste ich nicht, aber meine ausgeprägte Schüchternheit ließ mich in solchen Situationen rot sehen. Sein gerade eben erwidertes Lächeln im Kopf widerhallend tappte ich voran in die Küche und goss Wasser in einen Teekessel. Kaito lehnte sich hinter mir gegen den Fensterrahmen und schaute nachdenklich hinaus.

"Siehst du etwas Bestimmtes?"

Mein Mund formte ein Grinsen.

Wie aus einem Traum aufgewacht, drehte er sich langsam um seine Achse, blinzelte.

"Dich"

Mein Grinsen verwandelte sich in einen verwunderten Ausdruck.

"Mich? Ich stehe hier und nicht dort unten"

Es kam keine Antwort mehr. Stattdessen spürte ich seine Arme um mich und seine Stimme an meinem Ohr, die leise flüsterte: Du bist so süß"

In meinem Kopf bildete sich innerhalb von Tausendsteln zig Katastrophenpläne. Schade, dass ich keinen einzigen in dieser Situation anwenden konnte.

Also stammelte ich ein dümmliches "Danke..", für das ich mich hätte ohrfeigen können. Bevor ich registriert hatte, dass auch ich eigentlich meine Arme um ihn legen hätte können, war er schon von mir getreten und deutete auf das Teewasser.

"Ich glaub', es ist fertig"

Hastig nickte ich und beeilte mich, das kochende Wasser vom Herd zu nehmen und in eine Teekanne einzuschenken.
 

Nachdem ich es geschafft hatte, ohne dabei jemanden zu verletzen, Tee in eine Tasse zu gießen, setzte ich mich neben Kaito aufs Sofa.

Was tat man jetzt in so einer Situation? Was hatte ich mit meinen Ex-Freundinnen gemacht? Okay.. das Wort "Freundinnen" sollte wohl auf "zwei Freundinnen" beschränkt werden. Und da mein Talent aus irgendeinem Grund das Führen von Fernbeziehungen war, konnte ich mir von denen nicht sonderlich viel abschauen. Vielleicht erwartete Kaito, dass wir uns küssten? Vielleicht dachte er sich ja genau in diesem Moment, wie prüde und verklemmt ich war? Ein Schrecken durchfuhr mich.

Ich war nicht verklemmt! Nein, ganz bestimmt nicht. Ich musste mich nur trauen.

"Kaito-kun..? Was würdest du gerne machen?"

"Ah, ich weiß nicht. Was willst du machen?", kam es von ihm.

Ich verdrehte innerlich die Augen; das war genau die Art von Antwort, die ich jetzt brauchte.

"Eigentlich bin ich müde", hörte ich mich selbst sagen.

Wahnsinnig sexy, muss man schon sagen. Mit dem Anmachspruch hätte ich Tote wecken können.

"Dann soll ich besser wieder gehen?", erwiderte Kaito unsicher.

"Nein! Bleib da"

Was war heute bloß mit mir los.. Mein inneres Ich hatte schon längst den Kopf demonstrativ in den Sand gesteckt, während ich an einer Antwort herumbastelte, von der ich nicht einmal wusste, wie sie aussehen sollte.

"Willst du nicht mit mir ins Bett kommen?"

Aber hallo? Was sagte ich da?

Aufgrund meiner Direktheit, die eigentlich natürlich ganz anders gemeint war, als es rüberkam, wurde Kaito verlegen und nickte nervös.

"I-Ich mein' das nicht so. Auch nicht so. Sondern so. Du weißt schon"

Ich fuchtelte wild in der Gegend herum, rief dabei nur zweideutige Gedanken auf den Plan und ließ es schlussendlich resignierend bleiben.

Na toll. Bei zwei Schüchternen auf einem Fleck lief wohl alles zig Mal holpriger ab.
 

Irgendwie fahrig schlich ich vor ihm her ins Schlafzimmer. In meinem Kopf kreisten die exotischsten Vorstellungen herum, was er jetzt wohl von mir halten würde. Aber er liebte mich ja, oder? Da durfte ich mir so was doch erlauben.. Zumindest für den Rest des Weges ins Bett beruhigte mich dieser Gedanke.

Ich entledigte mich meiner Kleider und stand etwas unschlüssig in Boxershorts und meinem T-Shirt vor dem Bett.

"Dann geh' ich mal rein..", war mein äußerst kluger Kommentar.

Er zog sich auch aus und folgte mir. Nun lagen wir also schweigsam nebeneinander im Bett und meine Müdigkeit, die bis vor ein paar Sekunden noch deutlich spürbar da gewesen war, hatte sich vertschüsst.

"Na toll. Ich schaff' es wohl immer, äußerst skurrile Situationen heraufzubeschwören..", dachte ich ernüchtert.

"Soll ich meine Arme um dich legen..?", platzte Kaito in die Stille.

Ich nickte, registrierte, dass das Licht ausgeschalten war und sprach leise: "Ja"

Seine Hände tasteten sich zu mir vor, berührten etwas ganz anderes, als meine Taille - Kaito stammelte leise "'Tschuldigung" von hinten - und ruhten schließlich auf meiner Hüfte. Nach seinem Vergriff traute er sich wohl nicht mehr, weiter nach meiner Körpermitte zu suchen. Dass diese kleine Begebenheit meinen Herzschlag bedrohlich ansteigen hatte lassen, ignorierte ich netterweise und zog seine Arme um meinen Bauch, während ich rückwärts an ihn rutschte.

Nachdem ich eine Weile so gelegen hatte, richtete ich wieder das Wort an ihn.

"Ich kann nicht schlafen"

Seine Antwort kam prompt.

"Ich auch nicht"

"Dann können wir ja etwas sprechen.." flüsterte ich zurück.

Warum redete ich eigentlich so leise?

"Über was möchtest du denn sprechen?", kam es von ihm mindestens genau so still.

"Darf ich dich etwas fragen?"

"Hai"

Ich zögerte, überlegte mir meine Worte noch mal.

"Willst du mit mir zusammen sein? Ich meine, willst du, dass ich mit dir zusammen bin?"

Das auszusprechen, fiel mir unheimlich schwer, meine Stimme wurde vielleicht deshalb gegen Ende immer leiser, bis ich kaum mehr zu verstehen war.

"Ich möchte viel Zeit mit dir verbringen"

Das hatte meine Frage nicht so beantwortet, wie ich es gerne gehabt hätte. Wie sollte ich Klarheit in unser zwischenmenschliches Verhältnis schaffen, wenn ich schon aus diesem Satz nicht schlau wurde? Meine inneren Zahnräder drehten sich, hakten aber lose ineinander und hinterließen nur eine vage Andeutung dessen, was sich zwischen uns abspielte. Wollte er nun mit mir zusammen sein, oder nicht?

"Du denkst nach", hauchte Kaito in meinen Rücken.

Ich bejahte.

"Was geht dir durch den Kopf?", flüsterte er weiter.

"Was du möchtest.. Was für eine Beziehung wir zueinander haben.. Im Moment"

Wieder verschwand meine Stimme in der Ferne. Sie klang merkwürdig verloren, so wie fast nicht da.

"Möchtest du mein Freund sein?"

Die Worte kamen so plötzlich.

Für einen Moment wollte ich einfach dem inneren Verlangen, eine Beziehung zu führen, nachgeben, zu erleichternd wäre es gewesen, mich an ihn zu schmiegen und alles zu vergessen, dann zögerte ich jedoch, ließ mir seine Frage langsam durch den Kopf gehen, auch wenn ich meine Wahl schon vor Tagen getroffen hatte.

Sollte ich wirklich? War es das, was ich wollte?

Liebe kann sich entwickeln.

Als ich meine Entscheidung festlegte, hielt ich mich an diesen Leitsatz. Die leise Stimme in meinem Ohr, die mir zuflüsterte: "Und wenn nicht?" versuchte ich, zu überhören.
 

~~+~~
 

[Anmerkung der Autorin]: diesmal:

Wer "Hagebutten" liest (eine andere FF) wird nun endlich verstehen, wie es zu dem Titel gekommen ist.

Moi liebt Wortspiele u//u

Die Wahrheit, die alles gut macht

Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass die letzten zwei Wochen schön gewesen wären. Auf einer Skala von eins bis zehn verdienten sie eine glatte Vier. Immerhin zwei Punkte besser als die Zeit davor. Ehrlich, ich hatte mich bemüht. Mein Körper schaffte nur die Umstellung schneller als mein Kopf.

Wenn ich aufwachte, versuchte ich, Kaito in meinen Gedanken zu haben und mich daran zu erfreuen. Vielleicht hätte es besser geklappt, wenn er neben mir gelegen hätte. Die Tatsache, dass er seine Eltern in Osaka besuchte, hinderte ihn allerdings daran, bei mir zu sein.

Und es stand noch immer ein Outing aus. Keiner meiner Freunde der Band wusste von uns. Nagi auch nicht..

Vielleicht war gerade deshalb der letzte Donnerstag, so schlimm gewesen. Wenn ich daran zurück dachte, zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen und ich versuchte mit aller Kraft, jede Erinnerung schnellstens wieder zu verscheuchen.
 

"Da bist du ja!"

Nagi strahlte mich an, die geöffnete Tür in der Hand.

"Komm' rein!"

Ich trat über die Schwelle und schlüpfte aus meinen hohen Schuhen, folgte ihm ins Innere des Hauses. Der gewohnte Geruch von Räucherstäbchen schlug mir entgegen, so wie jedes Mal, wenn ich sein Heim betrat. Nagis Vorliebe für die kleinen Holzdinger grenzte manchmal richtig an einen Fetisch; aber so wie alles andere an ihm, störte es mich nicht im Geringsten und ich bewunderte ihn für seine Einmaligkeit.

Wenn er etwas tat, dann war es für mich immer ein Zeichen seiner Persönlichkeit, seines Einfallsreichtums. Der Gedanke, dass meine rosa Brille ihm gegenüber diese Einstellung enstehen lassen hatte, schob ich hartnäckig in die hinterste Schublade meines Bewusstseins ab, so wie manch andere Dinge, die ich zwar wusste, dass sie existierten, aber einfach nicht akzeptieren wollte.

Selbstschutz.
 

"Playstation? Ich hab ein neues Spiel und es ist DER Hammer! Die Grafik ist unglaublich.."

Die weiteren Worte hörte ich nicht. Irgendwie drangen sie nur in mein Bewusstsein ein, um dann so schnell wie möglich wieder aus einem imaginären Loch an meinem Hinterkopf zu verschwinden. Wie wenn sie erkannt hätten, dass mein Hirn auf Stand-By war, wenn ich in Nagis Gegenwart war.

Zumindest funktionierten meine Sinne sonst einwandfrei. So sog ich jede Bewegung, jeden Gesichtsausdruck von ihm in mich auf, ich kam mir fast wie ein Ertrinkender, der ein Stück Land sieht, vor. Dabei war es nur die logische Reaktion meines Unterbewusstseins, dass sein Programm auf Entzug geschalten hatte.

All die Zeit hatte ich krampfhaft versucht, Nagi aus dem Weg zu gehen. Es hatte sich nicht einfach gestaltet, immerhin sollte es ihm nicht auffallen, denn ich wollte nicht, dass er mich fragte, warum ich seinen Kontakt mied.

Dass mich diese Querdenkerei ganz schön beansprucht und ich vor lauter psychischem Stress zeitweise nicht einmal mehr Hunger verspürt hatte, bemerkte ich jetzt durch den Stein, der mir vom Herzen fiel, als Nagi arglos und ohne etwas zu bemerken neben mir auf dem Boden saß und seinen Controller in der Hand hielt. Ich hatte meine Sache bist jetzt gut gemacht.

Höchst konzentriert ließ ich meinen Charakter durch die virtuelle Welt streifen. Höchst konzentriert deshalb, weil ich wusste, dass wenn ich es nicht war, ich meine Gedanken nicht länger im Zaum halten konnte.

Das, was dann geschah, passierte ohne Vorwarnung. Mein Leben hatte einfach einen Haufen unangenehmer Überraschungen parat.
 

"Bin gleich wieder da"

Mich erhebend, war ich gerade im Begriff zu stehen, als mich die Hand packte und zurück zog.

"Halt warte, du kannst nicht einfach mitten drin aufstehen!"

Ich knallte bereits auf den Boden, als mich die Worte erreichten.

Nicht auf das gefasst gewesen, hatte ich keine Gelegenheit den Fall abzuschwächen oder gar abzustützen und schlug frontal mit dem Gesicht auf.

Mir wurde schwarz vor Augen und mein Atem verwandelte sich in ein ersticktes Keuchen. Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen schossen und schloß schnell die Lider, um innerlich fest auf die Zähne zu beißen. Ohne einen Ton von mir zu geben lag ich da, umgekippt, wie ein gefällter Baum.

Ich hörte Nagis erschrockenen Ausruf. Sekunden später fühlte ich seine Hand an meiner Schulter, die Stimme, die erschüttert "Yuuichi! Es tut mir so leid! Yuuichi, alles OK?" sprach und der Atem, der sanft mein Ohr berührte.

Ich konnte nicht sprechen.

Nagi deutete mein Schweigen ganz falsch.

"Ich rufe den Arzt!"

Damit sprang er auf.

"Nein, bleib da.." Mühevoll hatte ich mich zu einer Antwort durchgerungen, setzte einen weiteren, noch leiseren Satz nach.

"Bleib bei mir.."

Nagi hielt inne, kam zurück und setzte sich neben mich, legte wieder seine Hand auf meine Schulter. Ich wusste nicht, ob er meine letzten Worte gehört hatte, insgeheim hoffte ich, dass sie nicht zu ihm vorgedrungen waren.

"Geht es..?"

Seine Stimme klang schuldbewusst, was jedoch nichts an der Tatsache änderte, dass mir ein Schauer über den Rücken lief, als sein Atem mich wieder traf, diesmal im Nacken.

Meine Gedanken schoben den Schmerz schneller beiseite, als alles andere es vermocht hätte.

"Ich lebe noch..", murmelte ich zu ihm hinauf.

"Es tut mir wirklich leid..."

Die Betroffenheit, die von ihm ausging, schlug förmlich wie Wellen gegen meinen pochenden Körper.

"Schon OK.. Es hört langsam eh schon auf, weh zu tun.."

"Kann ich etwas für dich tun?", kam es weiter von ihm, meine Beschwichtigung ignorierend.
 

"Umarm' mich"

Noch bevor ich mir der Worte bewusst war, hatte ich sie ausgesprochen. Dass ich in dieser Sekunde mein ganzes Hab und Gut verschenkt hätte, wenn irgendjemand meine Aussage rückgängig gemacht hätte, brachte mir leider auch nichts.

Über mir hörte ich, wie scharf die Luft eingezogen wurde.

Ich wollte gerade eine meiner zig Ausreden anbringen - im Ausreden erfinden war ich mittlerweile spitze - als Nagi leise sprach.

"Yuuichi.. warum willst du, dass ich dich umarme..?"

Sein Tonfall verriet, dass sich gerade viele Zahnräder in seinem Kopf drehten.

"Weil mir kalt ist..", nuschelte ich nach oben, hoffend, dass er mir das abkaufte.

Warum musste ich auch so blöd sein und das sagen?!

Wenn er jetzt eins und eins zusammen zählte..

"..Wirklich nur das..?"

Ich nickte.

"Ja ich beginn' jeden Moment zu zittern.. Du kannst mir aber auch eine Decke bringen.."

Hoffentlich sah er nicht, wie rot mein Gesicht war. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte er gerade beschlossen, der Sonnenoberfläche Konkurrenz zu machen.

"OK.."

Schon hatte ich seinen Körper auf mir. Er fühlte sich warm und weich an und ich revidierte meinen Gedanken mit der Sonnenoberfläche. Mittlerweile hätte ich der Hitze in meinem Inneren nach auch getrost die ganze Sonne verschluckt haben können.

Eine unbehagliche Stille legte sich in den Raum, während Nagi mich mit seinem Körper bedeckte.

Die Situation hätte nicht unangenehmer sein können. Das Störende dabei war, dass wenn die Umstände anders verlaufen wären, ich mich wie der glücklichste Mensch der Welt gefühlt hätte.

Wenn mir nicht im Nacken gesessen wäre, dass ich fast aufgeflogen war. Dass Nagi mich fast enttarnt hatte.

"Nagi.. ich glaube, ich gehe jetzt besser.. Mir ist gerade eingefallen, dass ich die Wäsche in der Waschmaschine gelassen hab. Ich bin ab und zu so ein Schussel.."

Ich quälte mir ein Lächeln ab, versuchte mich unter ihm hochzurappeln, was gar nicht so einfach war, wenn man bedachte, dass mir noch immer alles weh tat vom harten Aufprall von vorhin.

"Okay.."

Er lächelte schwach zurück und gab den Weg frei.

"Komm gut nach Hause.."

Seine Worte begleiteten mich bis ich zuhause ankam und die Wäsche in die Waschmaschine gab.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin] diesmal:

Im Moment hab' ich das Gefühl, die FF wird noch sehr lange sein, aber wie ich mich kenne, kann sich das auch schlagartig ins Gegenteil umkehren. Man weiß eben nie, wie die Dinge dann tatsächlich laufen.

Kaito und Yuuichi teilen auf den ersten Blick mehr miteinander, aber die Beziehung zwischen Nagi und Yuuichi ist viel tiefer.

Ab und zu ist es so schwer, dass rüber zu bekommen.

Aber wenn man's recht versieht; manchmal merkt man gar nicht, wie nahe man einem Menschen eigentlich steht, weil solche Prozesse so langsam voran gehen, dass es wie beim Wachsen ist; plötzlich ist man groß; plötzlich kann man sich ein Leben ohne den anderen nicht mehr vorstellen.

Also hab' ich doch wieder eine Entschuldigung dafür, dass man vielleicht nicht so gut sehen kann, wie nahe sich Yuu und Nagi stehen.

Im nächsten, beziehungsweise übernächsten Kapitel wird das deutlicher zu merken sein.

Ich will bis zum Ende durchhalten.

Da hab ich mir wohl was Ordentliches vorgenommen..

Vergessende Schmetterlinge

Nun war also Samstag. Ein Tag, wie jeder andere.

Er begann mit aufstehen, einkaufen, kochen und essen und endete..

..

Ich schüttelte meinen Kopf. Wenn ich jetzt schon aus der Tatsache, dass Samstag war, eine Depression heraus entwickelte, konnte ich mich echt gleich erschießen gehen.

Schnell wuselte ich zurück an den Herd und rührte mir eine Sauce zusammen; schließlich kochte sie sich nicht von alleine.

Sae hatte uns heute alle eingeladen, in die Stadt zu gehen. Alle.

Das hieß, dass ich Nagi unter die Augen treten musste.

Natürlich wollte ich ihn sehen, immerhin wollte ich das doch ständig. Aber andererseits wenn mir unser letztes Zusammentreffen in den Sinn kam, hätte ich auch nichts dagegen gehabt, für heute auf dem Mond zu wohnen.

Es half nichts, ich musste wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Wenn Sae etwas beschloss, dann HATTE er es beschlossen. Was konkret hieß: wir anderen MUSSTEN es tun.

Resigniert rührte ich im Spaghettiwasser rum und legte mir bereits eine Strategie für den Abend bereit.

Ich hatte eventuell mit Fragen zu rechnen. Fragen, die ich nicht beantworten konnte.
 

"Sollen wir in dieses Lokal gehen? Oder wollt ihr ins nächste? Ich kenne da noch eines.."

Sae brabbelte fröhlich vor sich hin, einen Ren neben sich, der ihn mit verliebten Blicken nur so taxierte.

"Das sieht doch gut aus", antwortete Kaito und legte dabei den Kopf etwas schief.

Eine seiner Angewohnheiten.

Nagi musterte den Hauseingang, während ich etwas abseits stand.

Mir ist nicht klar, warum ich eigentlich so oft abseits stehe, ich weiß nur, dass ich es immer tue. Absurderweise darauf bedacht, nicht dazuzugehören, obwohl ich nichts anderes will, als Teil der Gruppe zu sein.

Vielleicht tue ich es auch nur, um die Aufmerkamkeit der anderen auf mich zu lenken; darauf hoffend, dass sie mich zu sich her holen und mir damit bestätigten, dass ich doch kein Ausseinseiter bin.

Ob das wohl ein schwacher Charakterzug ist? Oder nur das Ergebnis einer langen Entwicklung?

Wir betraten das Gebäude. Drinnen schlug mir rauchige Luft entgegen und ich fragte mich bereits, wann ich wieder nach Hause gehen konnte. Abgesehen von der stickigen Atmosphäre war es jedoch sonst ganz angenehm. Vor allem die tiefen Ledersessel hatten es mir richtig angetan. Für einen Moment war ich kurz abgelenkt von meiner schlechten Grundstimmung, die sich nun schon seit Wochen dahinzog und nicht den Anschein machte, mich je wieder verlassen zu wollen.

Wir bestellten und lehnten uns zurück. Sae begann gleich wieder loszuschwafeln, was mir nur zugute kam, denn so konnte ich ihm mit gelegentlichem Nicken folgen, ohne sprechen zu müssen.

Kaitos Hand zuckte. Es war nur eine minimale Bewegung gewesen, aber dennoch war sie mir nicht entgangen. Ich wusste, dass seine Finger nach mir verlangt hatten, ganz so, wie wenn sie auf Entzug gewesen wären und danach schrien, sich auf meinen Arm zu legen.

Dies war das erste Mal, dass wir uns sahen, seit er zurück aus Osaka war.

Wir hatten nichts ausgemacht gehabt, was wahrscheinlich daran lag, dass er erst am Nachmittag in Tokyo eingetroffen war. Als wir in der U-Bahn gesessen hatten, hatte ich ihn verstohlen angeschielt, ohne es zu wissen nach Veränderungen an ihm gesucht. Ich war erleichtert gewesen, dass er der Gleiche geblieben war. Nachdem sich unsere Blicke kurz getroffen hatten und er das Lächeln, das mir gegolten hätte, unterdrückt hatte, war in mir tatsächlich das Gefühl angewachsen, ihn küssen zu wollen.

Ohne es zu merken, hatte ich ihn wirklich vermisst.

Wenn meine Unsicherheit gegenüber Nagi nicht so groß gewesen wäre, hätte für mich der Abend wunderbar angefangen.

So zog ich es vor, besser nicht viel zu sagen und zu warten, dass sich eine Gelegenheit bot, nach Hause gehen zu können.

Während sich nun Kaito, Sae und Ren in ein Gespräch über Gitarren vertieften, saß ich alleine da und versuchte interessiert an meinem Glas zu nippen.

Ein hoffnungsloser Versuch nicht ansprechbar zu sein, den Nagi sofort durchschaute und als Gelegenheit wahrnahm.

"Hey.. Yuu-chan.."

Mein Blut gefror von einer Sekunde auf die andere und in meinem Kopf kreiste nur noch ein Gedanke, der alle anderen verdrängte: "Was, wenn er mich darüber ausfragt, was, wenn er es weiß?!"

"Trinkst du nichts?"

Ich schüttelte den Kopf, atmete innerlich auf.

Meine Antworten werden seltsamerweise umso kürzer, desto schlechter meine Laune wird. Dass ich also jetzt nicht mehr sprach, ließ nur darauf deuten, dass mein Zustand sich dem Tiefpunkt näherte.

".. Ich werd' mir jetzt 'was bestellen..", erwiderte er, sagte das dabei mehr zu sich selbst und der Getränkekarte, als zu mir. Auch gut. War ja nicht mein Problem. Sollte er sich doch zusaufen.

Scheinbar wuchs mein Widerwille gegen die Situation.

Mein Freund und die anderen Zwei redeten immer noch weiter, sogar als die Kellnerin kam um Nagi einen Cocktail zu bringen. Sie redeten auch noch, als Nagi bereits beim dritten Cocktail war und ich schon zwei Mal die Toilette aufgesucht hatte, nur damit ich etwas zu tun hatte, die Langweile irgendwie vertrieb.

Nagi war ja mehr mit seinen Getränken beschäftigt. Mittlerweile schwankte sein Körper bedrohlich und ab und zu grinste er ohne Grund einem imaginären Etwas zu.

Was wollte ich eigentlich hier?

Ich war doch einfach nur im falschen Film.

Mein Freund interessierte sich mehr für seine dummen Gespräche über Gitarren und mein bester Freund neben mir trank sich die Hucke voll.

Der Abend verlief nicht wie erwartet - er verlief noch zehn Mal schlechter.

Womit hatte ich das alles eigentlich verdient?

Innerlich kämpfte ich gegen meine aufkommenden Tränen an, die bereits in den Startlöchern standen, um mir den Abend entgültig zu vermiesen. Aber ich würde sie zumindest zurück halten, bis ich zuhause war. Das Zuhause, das ich heute definitv nicht mit Kaito teilen würde.

Und mit Nagi schon gar nicht.

Leider..
 

Es war bereits Mitternacht, als wir rausgeworfen wurden.

Nagi hatte laut zu singen, beziehungsweise in seinem Fall wohl zu gröhlen angefangen und auch auf Bitten des Personals nicht aufgehört.

Der Alkohol zeigte nun scheinbar seine Wirkung und wir landeten dank unserem Gitarristen auf der Straße, in der Kälte.

Meine Laune hatte in Anbetracht Nagis Zustand von Wut auf Sorge gewechselt und so stand ich bekümmert neben ihm, nicht trauend ihn zu berühren und doch ihm helfen wollend.

Während ich mit mir selbst rang, kippte er in der Zwischenzeit um und wäre auf den Boden geknallt, wenn Ren ihn nicht im letzten Moment aufgefangen hätte.

Die anderen Zwei schimpften auf ihn ein.

Was er sich eigentlich denke.

Was das soll.

Und warum er so viel getrunken habe.

Ich hielt es nicht länger aus. Sagte ihnen, dass es alles gut werden würde und kroch dabei unter Nagis Arm, versucht ihn hochzustemmen. Dabei zog ich seinen Arm um meinen Hals.

"ICH bringe ihn nach Hause.. Macht euch keine Sorgen.. Wir sehen uns morgen, ja?"

Mit den Worten war ich schon ein paar Schritte gegangen, zwang meine Bandkollegen dazu, meine Entscheidung anzunehmen.

Den seltsamen Ausdruck in Kaitos Augen konnte ich nicht deuten. Wollte ich nicht.
 

Nachdem ich um die Ecke gebogen war, holte mich die Kälte zurück in die Realität. Zitternd schleppte ich mich voran, brach unter dem Gewicht Nagis, welches zugegebenermaßen höher war, als es den Anschein machte, fast zusammen.

Nagi brabbelte irgendetwas, aber ich konnte es wegen dem beißenden Wind, der jetzt ging, nicht verstehen. Ich hoffte einfach, dass es nicht allzu wichtig war, was auch fragwürdig war bei dem Zustand.

Ohne darüber nachzudenken, was ich eigentlich tat, quälte ich mich weiter. Schritt für Schritt gegen die Naturgewalten und die Übermacht der Tonnen von Nagi, die beide gegen mich arbeiteten, kämpfend, erreichte ich schließlich eine etwas vom Schnee geschützte Ecke mit einem Dach.

Ich konnte nicht mehr.

Es ging einfach nicht.

Mit letzten Kräften setzte ich meinen Freund so sanft wie möglich ab und ließ mich neben ihn sinken.

Mir war nur noch zum Heulen zumute. Wie konnte ein Leben schiefer laufen?

Den Kopf in meine Hände stützend schloss ich die Augen und zählte innerlich auf zehn, betend, dass dieses Konzentrieren auf Zahlen mich wieder zusammenflickte.

"Yuu... Yuuichi.."

Neben mir rumorte es, Nagis seltsam piepsige Stimme hallte im Schneegestöber wieder. Ich drehte mich zu ihm, sprach zu ihm.

"Was ist denn..? Geht es dir nicht gut? Musst du dich übergeben?"

Heftiges Kopfschütteln von ihm.

Na wenn ihm da mal nicht der Schädel dröhnte.

"Yuuichi.. Yuuichi komm her.. Yuu..."

Er klang so jämmerlich. Nein, nicht jämmerlich, sondern einfach wie ein verlorenes, kleines Kind, dass im Kaufhaus nach seiner Mutter suchte.

Eine ordentliche Portion Mitleid durchfuhr mich und ich vergaß, dass er Schuld an der ganzen Misere war. Schuldbewusst robbte ich näher an ihn heran, saß direkt vor ihm.

"Was ist denn los..? Nagi-chan?"

Noch bevor ich irgendwie Gelegenheit gehabt hätte zu reagieren, hatten sich bereits seine Arme um meinen Hals geschlungen.

"Geh' nicht weg, ja..?", jammerte er an mein Ohr, seine Stimme brüchig. Mit einer Geschwindigkeit, die ich einem Betrunkenen gar nicht zugetraut hätte, war Nagi an mich heran gerutscht und saß jetzt praktisch auf meinem Schoß.

Erschrocken hin und her überlegend, versuchte ich einen möglichst guten Krisenplan für diese Situation zu kreieren.

Es gab keinen.

Nach einem kurzen Moment der Zweifel, tat ich schließlich das, wovon ich jede Sekunde träumte, auch wenn ich es nicht zugab, es offiziell beendet hatte; ich legte meine Arme um ihn. Zuerst nur leicht, dann etwas fester. Nahm ihn in den Arm, wie er es gerade von mir verlangte.

Sogleich schmiegte er sich noch enger an mich.

"Weißt du, Yuu-chaaaan, ich liebe dich! Aber ich darf's dir nicht sagen! Nein, nein, das darf ich nicht!"

Damit begann er zu lachen.

Das irre Lachen, welches er drauf hatte, machte mir fast mehr Angst, als die Worte, die er soeben ausgesprochen hatte.

Mein Herz schien für einen Moment einfach auszusetzen. Nur um dann mit fünf-facher Geschwindigkeit weiter zu pumpen und mir die Ohren rauschen zu lassen.

Das war doch nicht wahr. Das durfte er nicht sagen. Stotternd wandte ich mich an Nagi, der jetzt seinen Kopf an meinem Hals vergrub und ihn gerade küsste. Wollte er mich noch mehr irritieren? Oder war es ihm in seiner Betrunkenheit egal, an wessen Brust er sich eigentlich warf?

"Nagi-chan.. hör' auf damit, ja? Sowas sagt man nicht. Man lügt nicht, auch wenn man sehr, sehr viel getrunken hat"

Er hielt nur einen Moment inne; um mir zu antworten, dass er niemals lüge. Dann fuhren seine Finger über meinen Körper, ertasteten sich den Weg unter meinen Mantel und mein Shirt.

"Nagi, was tust du da? Hör sofort auf damit! Nagi!"

Mein Mund sprach wie von selbst, beziehungsweise mein Verstand, der mir sagte, dass irgendetwas gerade schief lief, nicht in den Bahnen war, in die es gehörte. Und das obwohl mein Herz und mein ganzer Körper lautstark danach schrien, Nagi gewähren zu lassen, endlich in den Genuss dessen zu kommen, was ich mir immer wünschte.

Die beißende Kälte verlor jegliche Strenge ab meiner Problematik - mir war einfach nur heiß und ich merkte, dass ich bereits hin- und her überlegte, ob ich es nicht zulassen sollte.
 

Damit Kaito betrog.

Damit mir selbst ein Stück Wahrheit zurück gab.

Es riskierte, mich noch tiefer in den Morast zu stoßen, mich noch mehr zu verletzen.
 

Und Nagi war so unbekümmert. Er wusste nicht einmal, was er tat.
 

Keuchen.

Ich schloss meine Augen. Ließ ihn mich berühren, während seine Lippen gleichzeitig die meinen suchten, sie fanden. Jeden Gedanken, jeden Vorwurf ins Jenseits schiebend, öffnete ich meinen Mund und empfing seine Zunge, die sich sogleich um meine schlang. Fast schon drängend drückte er mich auf den Boden, schob seinen schmalen Körper auf mich.
 

Denn sie wissen nicht, was sie tun.
 

"Yuuichi.."

Innerhalb kürzester Zeit war ich entkleidet, lag nurmehr nackt auf meinem Mantel und rang schwer atmend nach Luft.

Diese Finger waren so anders als alles andere, dass ich jeh gespürt hatte. Sie erweckten meinen Körper zum Leben und ließen mich innerlich das ganze Geschehen noch intensiver fühlen, als ich gedacht hätte, dass ich überhaupt imstande war.
 

Manchmal wollen sie es auch einfach nicht wissen.
 

Ich legte meinen Kopf in den Nacken, bog mein Kreuz durch so gut es ging auf dem harten Betonboden und blickte dabei Nagi ins Gesicht. Er sah unheimlich konzentriert aus, ganz so, als wäre der Alkohol gar nicht in seinem Blut, als würde er dies alles mit der Leidenschaftt machen, die ich mir erträumt hatte.

Hastig streifte seine Zunge meine Brust, erfasste meinen Bauchnabel, nur um dort kurz zu verweilen und dann meinen Hals hinauf zu liebkosen. Gleichzeitig schob er sich zwischen meine Beine und umschlang meine Knie, hob mich etwas an.
 

Warum schmerzen Augenblicke mehr als die Ewigkeit?
 

Schneeflocken fielen neben mir auf den Beton. Zerschmolzen, wenn sie mein heißer Atem berührte und verschwanden somit von der Erde, wurden zu dem, was sie ursprünglich einmal waren; Wasser.

Nagi bewegte sich, nur das Rascheln seiner Kleidung war zu hören und das gelegentliche Stöhnen meinerseits, das mir entfuhr, wenn sich seine Finger in meine Haut krallten.
 

Wie Schmetterlinge verweilen wir kurz an einem Ort, um im selben Moment weiter zu ziehen, die Vergangenheit hinter uns lassen.
 

Er drückte meinen Körper an sich und zog mich in eine feste Umarmung, die mir nur die Option ließ, es ihm gleich zu tun.

Hätte ich denn anders reagiert, wenn ich die Wahl gehabt hätte?

Den Duft seiner Haare in meiner Nase saß ich auf seinem Schoß und genoss die Stöße, die von unten kamen.

Der Schnee fiel mittlerweile so dicht, dass die Dinge jenseits der Straße nicht mehr erkennbar waren. Vielleicht sah ich sie auch nicht, weil mir die Hitze die Sicht verschleierte.
 

Bleiben manchmal Schmetterlinge auch länger an einem Ort?
 

Nagi gab ein langgezogenes Stöhnen von sich und drückte mich fest nach oben. Ich klammerte mich an seinen Hals und fühlte dabei, wie es in mir warm wurde, wie schnell sich seine Brust hob und senkte, wie sehr mein Körper sich danach sehnte, in diesem Augenblick zu zerbersten.

Seinen letzten Atemzug verwendete er, um mich zu küssen. Erschöpft gab ich mich einfach seiner Zunge hin und ließ mich dabei auf ihn sinken.
 

Ab und zu wollen sie einfach nicht mehr vergessen.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin] diesmal:

Das Ende dieses Kapitels scheint nicht gerade realistisch zu sein; aber ich denke, dass es das doch ist. Immerhin trau' ich Betrunkenen fast alles zu -___-"

Heute - der hoffnungslose Versuch, Gestern besser zu machen, um morgen glücklich zu sein

Dunkelheit.

Wach auf, du Idiot.

Ich öffnete meine Augen.

Die Boshaftigkeit der Stimme verschwand nicht.

Die Welt dreht sich weiter, auch ohne dich, du Dummkopf. Oder hast du gedacht, du kannst ihr entfliehen?

Höhnisch hallte sie in meinem Kopf, wiederholte die Worte wieder und wieder.

Du hast es nicht verdient zu schlafen. Sieh an, wie schwach du warst und leide.
 

Rings um mich herum war es dunkel, obwohl ein feiner Lichtschimmer durch die Rolläden schimmerte. Es erreichte mich nur einfach nicht, das Licht.

Nagi lag neben mir.

Mit wachsender Angst bemerkte ich, dass wir beide nur leicht bekleidet waren und uns einen Fuiton auf dem Boden teilten. Bei dem Stichwort "leicht bekleidet" kamen die Erinnerungen zurück, wie fallende Blütenblätter drehten sie sich ein wenig, um sich dann sanft in meinen Gedanken nieder zu lassen, mich zittern zu lassen. Ohne ein Geräusch zu verursachen erhob ich mich und vergrub das Gesicht in meinen Händen, versuchte meine Scham, mein Entsetzen vor der Welt zu verbergen. Wenn ich einfach die Augen schloss, dann war es nicht passiert.

Ich wusste, dass er sich nicht daran erinnern würde.

Ich wusste, dass es nur ein neuer Streich meines Schicksales war, das sich darüber amüsierte, wie ich litt.
 

Von hier oben konnte ich Nagis Gesicht durch die Abstände meiner Finger sehen.

Wann waren meine Finger so dünn geworden?

Es war schön, wenn er schlief, der Raum war dann von einer Ruhe erfasst, die ich nicht einmal in Worte fassen konnte. Wahrscheinlich bildete ich mir es ein.

Seine Brust hob und senkte sich leicht und der Atem, den er ausstieß, ließ einige seiner Haare in der Stirn hin und herpendeln. Fast hätte ich mich erwischt, wie ich sie ihm zur Seite strich, aber natürlich rührte ich mich nicht.

Die Nacht änderte nichts, der Tag war kein gutes Ende ihrer.
 

Während ich mit dem üblen Nachgeschmack des Vergangenen kämpfte, der sich wie ein pilziger Flaum auf meine Zunge gelegt hatte, erwachte Nagi neben mir zum Leben.

Ich war zu langsam, um aus dem Zimmer zu verschwinden.

Als erstes zog er seine Hand weg.

Mir war klar, dass er sie benutzte, um sich die Augen zu reiben, aber als sie sich nicht mehr an dem vorigen Ort befand, fühlte es sich an, als hätte er sich wieder ein Stück weiter weg von mir entfernt.

Nicht fähig, zu sprechen, wartete ich darauf, dass er mit Entsetzen reagierte oder dass er es mit gekünstelter Haltung zur Kenntnis nähme, aber innerlich mit dem Brechreiz rang ab der Tatsache, dass ich mich ihm so nahe befand. Die Situation war in gewisser Hinsicht so eindeutig und ich war es leid, Ausflüchte zu erfinden. Wie gern hätte ich einfach alles gesagt, gebeichtet, was ich mit mir herumschleppte. Trotzdem hatte mir mein Kopf bereits eine Ausrede bereit gestellt und ich wusste, dass ich sie benutzen würde, so schwach wie ich war.
 

"Yuuichi..! W-was machst du hier?"

Mit den Worten robbte er rückwärts etwas von mir weg und zog sich das Leintuch heimlich höher, so wie wenn ich es nicht bemerken könnte, wenn er es nur langsam genug machte.

"Ich habe dich nach Hause gebracht.. Du warst gestern so betrunken, dass du nicht mehr gehen konntest"

Meine Stimme hörte sich so gelassen an - ich bemühte mich mit aller Macht, mir nicht anmerken zu lassen, wie enttäuscht ich war, obwohl ich diese Szene geahnt hatte.

"Du hast in meinem Bett geschlafen!!", schrien seine Augen förmlich, aber stattdessen nickte er nur, sprach nicht aus, was ihm so offensichtlich auf der Zunge lag.

Ich beeilte mich, von der weichen Unterlage zu kriechen, stürzte dabei fast unsanft auf die Tatami, als ich peinlich berührt versuchte, meinen Körper zu bedecken.

Ich dachte, dass es in dieser Situation besser war, wenn ich mich so gut es ging verhüllte.

"D-Dann geh' ich jetzt..", war alles, was ich rausbrachte.

Äußerst unwohl in meiner Haut fühlend suchte ich mir meine Kleidung zusammen und zog sie so schnell an wie möglich.

Nagis Kopf war Richtung Fenster gerichtet, damit er mich nicht sah, während ich mich ankleidete.

Diese Geste erfüllte mich innerlich mit noch mehr Scham als jemals zuvor in seiner Gegenwart; sie stieß mich richtig vor den Kopf - hatten wir denn nicht noch in der Nacht miteinander geschlafen? Hatte er nicht sehnsüchtig meinen Namen gerufen? Mich so nahe wie möglich bei sich haben wollen?
 

Mit brennenden Augen murmelte ich ein "Bis dann" und trollte mich.

Schloss die Tür hinter mir.

Verabschiedete ein neues Kapitel in meinem Leben, das es nicht geben hätte sollen. Das für immer vergessen war.

Dessen einziger Zeuge ich war.
 

"Wo warst du?"

Die Stimme klang eindeutig schneidend, vielleicht auch beleidigt.

"Ich habe mein Handy vergessen einzuschalten.. Es tut mir wirklich leid, Kaito.. Du musst dir keine Sorgen oder so machen..", murmelte ich mit dem schlechtesten Gewissen meines Lebens, fügte in Gedanken hinzu: "Nicht für so eine Schlampe wie mich.. Ich bin es nicht wert.."

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung war nicht zu deuten, was mich noch mehr verunsicherte und in meiner Selbstzerwürfnis bestätigte.

"Kann ich vorbei kommen?", kam es schlussendlich nach einer, wie es mir schien, halben Ewigkeit.

"Ja", antwortete ich.
 

Mit etwas zittrigen Händen öffnete ich die Tür und wartete, dass Kaito den Vorraum betrat. Er nahm ein paar Schritte in meine Wohnung und gab mir seinen Mantel, als ich ihm meine Hände entgegenstreckte. Er sagte nichts.

Während er sich aus den weißen Schuhen schälte, betrachtete ich sein blondes Haar. Heute war es stumpfer als sonst. Ob sich die Gefühle eines Menschen wohl in den Haaren wiederspiegeln? Der Gedanke huschte durch meinen Kopf und ich verbannte ihn schnell wieder, da Kaito sich erhob und mir ins Gesicht sah.

Sein Blick strafte mich, forderte mich auf, vor ihm niederzuknien und um Vergebung zu betteln.

Am liebsten hätte ich es getan.

Stattdessen murmelte ich ein leises "Hi" und hob meinen Arm kurz, um seine Finger zu fassen, senkte ihn jedoch gleich wieder, hatte noch weniger Mut als sonst, ihn zu berühren.

"Hi"

Damit wartete er. Wartete darauf, dass ich ihn hereinbitten würde, was ich mich auch beeilte zu tun.

"Setz' dich doch aufs Sofa...", gab ich tonlos von mir und sah betreten zu Boden.

Ich benahm mich so auffällig, dass er mir wahrscheinlich noch vom kleinen Zehen ablesen konnte, dass etwas nicht in Ordnung war. Aber ich konnte nicht anders, ich war nicht in der Lage, mich dazu aufzuraffen, gute Mine zum bösen Spiel zu machen.

Kaito nahm auf dem Kanapé Platz und stützte seine Ellbogen auf die Knie, betrachtete kurz den Boden.

"Yuuichi.. ich weiß, dass wir erst seit kurzem zusammen sind, aber ich merke, dass etwas nicht so läuft, wie es sollte. Du.. du.."

Er suchte nach Worten, fixierte dabei den Teppich.

"Du entfernst dich von mir. Immer mehr. Wenn mir nicht bald einfällt, wie ich dich bei mir halten kann, dann stehe ich plötzlich alleine da! Du bist mir fremder als jeh zuvor"

Aus seiner Stimme heraus konnte ich die Verletztheit hören, es gab mir einen Stich.

Schnell schüttelte ich den Kopf, setzte zu Worten an.

"Ich.."

Warum war mein Körper schneller, als mein Mundwerk? Was wollte ich denn jetzt sagen?

Dass ich mit Nagi geschlafen hatte? Dass ich Nagi irgendwie liebte? Dass es aber nur einmalig war? Dass ich nicht mehr wusste, was tun?

Wer wollte den Schwachsinn denn hören?

"Ich möchte, dass du bei mir bleibst"

Die Worte passten nicht als Antwort.

Sie waren auch nur das, was ich empfand in dem Moment. Denn zu einer Erklärung war ich nicht fähig, jeder Versuch, es ihm begreiflich zu machen, hätte ihn nur verletzt. Eine Verletzung, die ich ihm irgendwann zufügen musste.

Aber nicht jetzt.

Er sah auf und musterte mich mit einem etwas verwirrten Ausdruck in den Augen.

"..Dann komm zu mir zurück.."

Es war so leise, was er sagte, dass ich es fast nicht gehört hätte; erst als mir bewusst war, was er gerade eben von sich gegeben hatte, schossen mir die Tränen in die Augen und ich tappte zum Sofa. Stand heulend vor ihm.

Kaito zog mich zu sich herab und schloss mich in die Arme, drückte mich an sich.

"Hey.. das ist kein Grund zu weinen.. Ganz ruhig.. Sssh.. Es war nicht so gemeint.. Ich bin ja da.."

Ein bisschen überfordert mit meinem Gefühlsausbruch strich er mir über meine zitternden Schultern und schwieg dann, wusste wohl nicht, was er noch weiter sagen sollte.

"Ich bleibe bei dir", sprach ich nicht wirklich verständlich, da mein Satz von ständigem Hicksen unterbrochen war.

"Gut so..", hauchte mein Freund an mein Ohr, "dann kümmer' ich mich jetzt um dich"

Dass er damit meinen Schmerz nur noch schlimmer machte, konnte er ja nicht ahnen.
 

"Das zahl' ich dir zurück!"

Wusch.

Der Schneeball traf mich an der Schulter und ließ mich auflachen.

"Knapp daneben ist auch vorbei!", rief ich neckisch zu Kaito und streckte ihm dabei die Zunge heraus.

"Du zeigst mir deine Zunge? DU ZEIGST MIR DEINE ZUNGE?", kam es mit gespielter Geschocktheit zurück, was mir ein erneutes Lachen entlockte.

"Ja"

Kaito fing daraufhin an zu grinsen.

"Du weißt aber schon, was das heißt?"

Ich schüttelte den Kopf; von was sprach er?

Mit einem Satz war er angerauscht, hatte mich gepackt und seine Hand an meinen Rücken gelegt, um eventuelle Fluchtversuche meinerseits im Keim zu ersticken.

"Dass du mich küssen willst"

Damit hatte ich seine Lippen auf den meinigen.

"Das hast du dir nur ausgedacht..", war das Letzte, was ich nuschelte, bevor ich die Augen schloss und seinen Kuss mit wackeligen Knien erwiderte.
 

Zwei Tage brauchte es, bis Nagi sich dazu durchrang und mich anrief, um zu fragen, was in der Nacht passiert war.

Zwei Tage, in denen ich hin und hergerissen war zwischen mich mit Kaito vergnügen und der Angst davor, dass Nagi es doch mitbekommen hatte, was sich zugetragen hatte.

Immerhin war dieses Erlebnis eines der Dinge, die es leider nicht schafften, dass man sich daran erinnern wollte.

Seine Stimme war unsicher, als er sich mit einem "Yo Yuuichi" meldete.
 

"Hi. Alles klar bei dir?", versuchte ich mit gespielter Lockerheit zu erwidern.

"Alles palletti..", kam es zurück.

Ein betretenes Schweigen folgte.

"Kann ich dich etwas fragen?", rang Nagi sich schlussendlich durch und beendete damit die Stille.

"Ja klar.."

"In der Nacht.. als ich so betrunken war.. Was ist da passiert?"

Es war so offensichtlich, dass der Satz "Wie kommt es, dass wir gemeinsam im Bett lagen?" in seinem Kopf herumgeisterte.

Ich öffnete den Mund.

Schloss ihn wieder.
 

Was antwortet man auf eine Frage, die nicht gestellt werden sollte?

Was antwortet man, wenn man ehrlich sein möchte?
 

"Nichts"

Man log.

Es kam prompt von ihm, als er sagte: "Bist du dir sicher?"

Ich hatte jetzt schon ein Mal die Wahrheit verleugnet. Ob ich es ein zweites Mal tat; wer scherte sich darum?

Gibt es nicht Fragen, auf die wir lieber eine Lüge hören?

"Ja"

"Okay.. dann ist es gut.. so"

Das Zögern aus seinen Worten blieb mir nicht verborgen. Er wusste wohl nicht, was als Antwort passend war. Aber darauf kam es ja auch nicht an. Das Augenmerk lag darauf, dass alles in Ordnung war. So wie eine Woche zuvor. Und einen Monat zuvor. Und ein Jahr zuvor.

So, wie immer alles in Ordnung war, wenn man es nur von dem richtigen Standpunkt aus betrachtete.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin] diesmal:

Fühlt ihr euch auch so schlecht?

Oder liegt das einfach nur an dem Wetter? Oder der Jahreszeit?

*aus dem fenster schau*

Yuuichi leidet wegen mir noch mehr. Es würde ihm vielleicht besser gehen, wenn es mir besser gehen würde.

Ich habe nur keine Lust, alles einfach werden zu lassen.

Ganz ehrlich; wann war denn das Leben jemals einfach? Wann gab es nicht zig Hindernisse, die alles so sehr erschwerten? Vor allem Liebe ist in meinen Augen etwas von den schwersten Dingen.

Gratulation an die, die irgendetwas Produktives damit zustande gebracht haben.

Die Urkunde, die ich nie signieren wollte

Er grinste.

Drehte dabei langsam den Löffel in der Hand und schleckte ihn schließlich ab.

"Hab ich dir schon von Yumi erzählt..?"

So plötzlich in das Schweigen, das seit unserer Bestellung angedauert hatte, klang der Frauenname nicht dazupassend, fremd. Wahrscheinlich lag meine Auffassung dazu auch einfach nur daran, dass ich keine Frauennamen hören wollte. Sie waren für mich zu Feinden geworden seit ich wusste, dass sie die Wesen waren, die Nagi bevorzugte.

"Nein..?"

Ich blickte von meinem Megabecher, der immer noch mit diversen Eissorten gefüllt war, auf und musterte fragend den fröhlichen Nagi vor mir.

Wenigstens war einer von uns glücklich.

Wobei ich war es ja auch.

Seit ich mich anstrengte und Kaito jeden Tag sah, ging mein Leben schon viel leichter. Ich konnte mich super damit abfinden, dass meine Lage schlichtweg abgeschlossen war.
 

"Ich hab' sie neulich in der U-Bahn kennen gelernt.."

Er lachte leise.

"Sie ist unglaublich süß.. Wenn sie redet, dann wird sie immer rot am Ende des Satzes. Ich mag das.."

Mehr sich mit dem Eisbecher vor ihm unterhaltend, bemerkte er nicht, wie ich zwei Mal hart schluckte, wie ich mich mühevoll abmühte zu lächeln.

Es misslang mir und ich schob schnell einen Löffel voll Sahne in meinen Mund.

Sie fühlte sich wie abgelaufen an auf meiner Zunge.

"Wir sind.."

Nagi zögerte kurz, sammelte sich wohl.

"zusammen jetzt"

Nagis strahlendes Gesicht, dass sich mir erbot, ließ mir die Tränen in die Augenwinkel schießen.

"Das ist toll", erwiderte ich emotionslos und starrte dabei auf die Wand hinter ihm, kämpfte mit meinem inneren Gefühl von Schmerz, dass sich auf mich stürzen wollte.

Sie war blau. Die Wand. In den Ecken befanden sich grüne Tupfer. Wenn man genau hinsah, konnte man fast ein Muster dahinter erkennen.

Wer sich das Design wohl ausgedacht hatte? Ob der Mensch wollte, dass jemand darüber nachdachte? Ob er sich jemals vorgestellt hatte, dass es jemanden geben würde, der seine Tapete benutzte, um sich selbst damit zu retten?

"Ja, ich weiß!", sprach Nagi munter weiter und macht den Eindruck, als würde er gleich nach seinem Handy kramen, um diese "Yumi" anzurufen.

Ich war froh, dass er den Gedanken wieder verwarf und es lediglich darauf beließ, seinen Eisbesser in Rekordzeit zu futtern, um gleich wieder verschwinden zu können.
 

Yumi also.

Jetzt war es entgültig beschlossen, abgeschlossen. Es war, wie wenn man einen Vertrag untergeschoben bekam, ihn unterschrieb und erst danach erkannte, was man da signiert hatte. Aber dann war es zu spät, es zu ändern.

Warum hatte mich niemand gefragt, ob ich den Vertrag unterschreiben hatte wollen?
 

"Du.. ich muss' mal wieder..", sagte Nagi, den Löffel auf das kleine Tablett legend. Er lächelte wieder.

"Ich hab' heute noch was mit Yumi vor.."
 

Ich war nicht in der Lage, ihn über sie auszufragen. Natürlich hätte er es gewollt, wer war nicht stolz auf den Menschen, mit dem er zusammen war? Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich mein Gesicht nicht mehr lange wahren konnte, hätte ich für ihn gelächelt. Vielleicht hätte ich ihn auch beglückwünscht, ganz egal, ob es falsch war oder nicht. Da ich sein Freund bin, sollte ich seine Freude ein bisschen teilen.

Ich spürte jedoch nur einen Kloß im Hals, der unaufhörlich weiter heraufrutschte und sich danach sehnte, dass Nagi jetzt ging, damit er vollends aus mir herausbrechen konnte.

Mein Nicken sah Nagi gar nicht.

Er hatte sich bereits seine Jacke geschnappt und war zum Kellner getigert, um für sich zu bezahlen. Mein Blick folge ihm, wie sich seine schlanke Gestalt an stehenden Menschen vorbei schlängelte, wie er dem jungen Ober zulächelte, wie sein Kopf eine Verbeugung andeutete.

Nein, warte mal..

Stopp. .

Ich hatte doch Kaito.
 

Dieser Gedanke half nichts. Einfach gar nichts.
 

"Also ich bin dann mal weg.. Vielen Dank fürs Eis essen. Das hatte ich dringen nötig!", feixte Nagi und winkte mir im Gehen mit seiner weißen Hand zu.

Ich spürte, wie sich meine eigene Hand hob und kurz zum Gruß ansetzte.

Mein Körper arbeitete von ganz alleine; ab sofort konnte ich mein Hirn ausschalten und es änderte sich nichts, oder?
 

Kaum war Nagi aus der Tür verschwunden, stützte ich meinen Kopf in meine geöffneten Handflächen und vergrub das Gesicht darin.

Tränen tropften auf den Tisch.

Ich hoffte, dass das Tischtuch sie aufsaugen würde, damit sie niemand sah.

Wenn ich Glück hatte, bemerkte auch niemand, wie meine Schultern zitterten und dass das Eis langsam aber unaufhörlich vor sich hinschmolz, weil es die Person, die davor saß, nicht anrührte.

Nagi..

Warum war es so gekommen..?

Warum durfte ich nicht sie sein?
 

Nein.

Ich schüttelte imaginär den Kopf.

Ich hatte doch Kaito.

Ich durfte sowas nicht denken.
 

Aber warum tat es mir dann im Moment so sehr weh? Warum fühlte ich mich dermaßen verzweifelt, dass jeder Gedanke, den ich auffasste, nur zu einer Flut von Tränen wurde? Alles, was jetzt noch hier bei mir war, war das Gefühl, weinen zu wollen. Aufgeben zu wollen.

Während ich versuchte, nicht allzu sehr aufzufallen in dem Café, gleichzeitig schmerzerfüllt weiter vor mich hinweinte, wünschte ich mir mehr denn jeh, dass sich jetzt einfach eine Tür vor mir auftat.

Eine Tür, die ich nur aufmachen musste, damit ich hindurchtreten und somit von dieser Welt verschwinden konnte. Wenn ich mich auf der anderen Seite befände, dann würden alle Erinnerungen ausgelöscht sein. Sie waren dann für immer verloren und ich war wieder glücklich. So glücklich, wie ich es vor langer Zeit einmal gewesen war.

Mann, war das lange her..

Mein Kopf sank ein Stück tiefer und ich presste meine Augen nun zusammen. Wenn ich sie nur stark genug zusammenkniff, dann kamen vielleicht keine Tränen mehr heraus?!
 

Als ich schlussendlich meinen Körper straffte und hastig in einem, wie mir schien, unbeachteten Moment, mir die Hinterlassenschaft meiner Augen aus dem Gesicht wischte, war eine Viertelstunde vergangen.

Das Eis war flüssig geworden.

Ich ließ es stehen, winkte stattdessen schwach dem Ober.

"Sie brauchen mir kein Geld zu geben. Der Herr von vorhin hat für sie mitbezahlt", lächelte mich das Dienstpersonal an.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin] diesmal:

Ach, es ist ein Krampf.. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, wie ich weiter machen soll.. Natürlich hab ich ein Konzept, aber trotzdem fehlt mir die Begeisterung dafür. Es ist einfach noch nicht DAS. IT. Ok dieses Problem stellt sich jetzt eh erst seit dem äh 16 Kapitel..

Ich warte auf einen meiner Geistesblitze

oder magischen Momente meiner Finger

._______.

Wann das letzte Mal?

Als ich zuhause ankam und den Schlüssel ins Loch der Eingangstür steckte, war meine Laune etwas besser. Ich drehte ihn um und betrat meine kleine Wohnung.

Auf dem Heimweg hatte ich mit mir und den Tränen gekämpft, weil ich mich geschämt hatte, auf der Straße vor Fremden zu weinen. Zusätzlich war ich ja auch ein Mann.

Nicht, dass das ein Grund für mich gewesen wäre, aber Schwäche in der Öffentlichkeit oder generell vor anderen Menschen zu zeigen, war mir ein Gräuel. Die Schwächeren fraß eben das Leben und ich hatte nicht sonderlich Lust, zu den Gefressenen zu gehören.

Auch wenn mich ab und zu der Gedanke befiel, dass vielleicht gerade diese Leute, die glücklicheren waren.

Durch die ganze Bekämpferei hatte sich auf den letzten paar Metern bis vor eben meiner Haustüre ein neues Gefühl dazugesellt; Abgeschlossenheit.

Die Sache war vorbei. Ich brauchte keine Hoffnungen mehr in Nagi zu setzen.

Nagi war ver-ge-ben.
 

Kaum zwei Minuten wieder in den gewohnten vier Wänden, klingelte es. Ich schaltete den Herd aus, stellte den Topf auf eine der kalten Platten und trottete in den Wohungsflur.

Es war Kaito.

"Hi.."

Etwas unbeholfen stand er auf dem Teppich vor der Schwelle und machte den Anschein, als läge ihm noch Weiteres auf dem Herzen. Ich beäugte ihn fragend.

"..Schatz"

Von der einen auf die andere Sekunde wurde ich rot und wusste nicht mehr, was darauf sagen. Aus meinem Verlust der Worte heraus, entschied ich mich für das Erstbeste: ich zog ihn schnellstens herein und schloss die Tür.

Was, wenn die Nachbarn das jetzt gehört hatten?

"Ich.."

Wie ein Fisch auf dem Trockenen öffnete ich meinen Mund auf und zu, gab dabei aber nicht wirklich etwas Produktives von mir.

"Schon okay.. ich sag's nich wieder..", erwiderte Kaito beschwichtigend und machte sich daran, seinen Mantel abzustreifen, um die Situation zu lockern.

"Nein, das.. ich mag das eigentlich.. ich.. es hat mich nur verlegen gemacht..", murmelte ich hastig vor mich hin, fügte hinzu: "Das sagt nur niemand zu mir.. Ich muss mich zuerst daran gewöhnen"

Kaito drehte sich um.

"Dann gewöhn dich schnell daran.. Ich glaube, ich will es sehr oft sagen"

Sein Lächeln ließ mich ganz mulmig fühlen; hatte ich eben gerade das Verlangen, ihn zu küssen?

Er schien wohl den Gedanken geteilt zu haben, denn ohne noch weiter seine Schuhe auszuziehen, blickte er mich kurz an und überbrückte dann den minimalen Abstand zwischen uns und legte seine Lippen auf meine. In der Perplexheit ganz anders reagierend, als ich gedacht hatte, schloss ich einfach nur meine Augen und nach kurzem Zögern schlang ich auch meine Arme um seinen Hals, schmiegte mich merklich an ihn.

Seine Hände um meine Hüften fühlend genoss ich den Augenblick, dachte keine Sekunde an Nagi.
 

Warum auch?

Hatte das denn schon jemals Sinn gemacht?
 

"Gott.. es fällt mir so schwer, von dir abzulassen - es fällt mir überhaupt so schwer, dich nicht dauernd zu berühren", seufzte Kaito leise vor sich hin, als er den Kuss gelöst hatte.

Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, sie rutschte zurück. Ein erneutes Seufzen entwich seiner Kehle, als er den Blick in die Fernen des Spiegels schweifen ließ.

Was er auf der glatten Oberfläche wohl sah?

"Warum quält er sich eigentlich so?", schoss mir durch den Kopf. Und dann tat ich etwas, wovon ich der Annahme gewesen war, es sicherlich nie zu machen.

Ich hob zögerlich meine Hand, strich ihm das lästige Haar aus der Stirn und beugte mich langsam näher zu ihm. So nahe, bis ich knapp vor seinen Lippen war und uns so gut wie nichts mehr trennte.

Ich ließ diese Milimeter hinter mir und küsste ihn sanft.

So fühlte sich also die Initiative an..
 

Es dauerte nur kurz, aber als wir uns trennten, wirkte er mehr als erstaunt. Erstaunt und zufrieden zugleich.

"Wenn du das öfter machst, werde ich dich gar nicht mehr in Ruhe lassen können.."

"Will ich auch nicht", hörte ich meine Sprechorgane erwidern.

Ja? War dem so?

"Ich liebe dich", war das Letzte, das Kaito zu mir sagte, bevor er mich und meinen Mund erneut zu akrobatischen Meisterleistungen herausforderte.

Dieser Kuss dauerte sehr viel länger, als die vorherigen.
 

"Hey, hör' mir zu, wenn ich mit dir rede!"

"Tu' ich doch", murmelte ich zurück und verfolgte weiter gebannt das Schauspiel, welches mir der Fernseher bot. Der Held stand gerade mitten im Raum, von der Waffe seines Feindes bedroht. Jedoch zuckte er nicht ein Mal mit der Wimper, stattdessen zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab.

"Nein, tust du nich!", hörte ich Kaito dumpf irgendwo murren.

"Doch.."

"Und was hab' ich dann gesagt..?", erwiderte er mit genervter Stimme.

Ich drehte mich um.

Kaito hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und starrte mich nun mit trotzigem Gesicht an.

"...Warte.." Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern, was mein Freund mir gerade noch mal erzählt hatte.

Leider war nicht ein Fünkchen von seiner Erzählung hängen geblieben.

"..du hast von dir erzählt..?", versuchte ich es deshalb mit einem relativ sicheren Satz, wie es mir zumindest schien.

"Daneben"

Seine linke Augenbraue zog sich bedrohlich hoch, während ich seine Beleidigkeit fast schon fühlen konnte. Wie Nebel schwebte sie imaginär auf mich zu und erstickte mich fast.

"Es tut mir leid..", beeilte ich mich zu sagen, wirkliche Reue darüber empfindend, dass ich mich von dem Film so hinreißen hatte lassen und Kaito ignoriert hatte.

"Das zählt nicht als Entschuldigung", kam die schnippische Antwort.

"Es tut mir aber wirklich leid..", erwiderte ich etwas hilflos.

Was erwartete er denn?

Dass ich mich vor ihn hinkniete?

Ihm die Füße küsste?

Wobei..

Gar keine so schlechte Idee..

Noch bevor Kaito protestieren konnte, war ich zu ihm gerobbt und hatte meine Lippen auf seine gelegt.

Widerstand zwecklos.

Ein paar Minunten und einige tiefe Atemzüge später war Kaito schon um einiges besser gelaunt.

"Bist du jetzt noch böse..?", traute ich mich ihn erneut zu fragen, während ich, etwas verunsicherte von meinem erneuten Ergreifen der Initiative, meinen Freund nervös musterte.

"Gleich noch mal.."

Mit meiner Aktion hatte ich dann wohl das Tier in Kaito hervorgerufen, denn ohne sich weiter mit Schmollen zu beschäftigen, klebte er munter an meinen Lippen und, nebenbei bemerkt, seine Hand unter meinem Shirt.
 

"Was hast du mir eigentlich erzählt..?", fragte ich ihn, nachdem er sich wieder von mir gelöst hatte.

"EIGENTLICH hab' ich dich nur gefragt, ob ich 'was für uns kochen soll", kam es von Kaito zurück.

"Und nur weil ich diesen Satz nicht gehört hab' - boah, du bist sowas von fies!", erwiderte ich mit weit geöffneten Augen. Immerhin erkannte ich gerade, dass Kaito mich ganz schön hintergangen hatte.

"Klar bin ich das", grinste er zurück.

Ich warf ein Kissen nach ihm.

Er fing es geschickt auf und schnappte sich zugleich auch noch mein Handgelenk.

"Und soll ich jetzt 'was kochen, Süßer?"

"Ja"

Dass ich sehr, sehr rot wurde, konnte ich leider nicht vermeiden.
 

"Seit wann kannst du kochen?", fragte ich mein Gegenüber, nicht ganz ohne sarkastischen Unterton, während ich mit den Stäbchen nach den Nudeln langte.

"Ziehst du gerade meine Kochkünste herunter?", antwortete ein kauender Kaito.

"Nein, wie käme ich darauf", grinste ich zurück und schob mir Ramen in den Mund.

"Will ich auch hoffen - ansonsten wird's heute nichts mit romantischem Spaziergang"

Voll und ganz mit essen beschäftigt, fiel Kaito nicht auf, wie rot ich ab seiner Aussage schon wieder geworden war.

Verdammt, warum konnte man mich mit Worten so leicht verlegen machen?
 

Als wir gegessen hatten, zogen wir uns unsere Mäntel an und verließen Kaitos Wohnung. Der Spaziergang, von dem mein Freund gesprochen hatte, stand mir also kurz bevor. Während ich noch nervös vor der Haustüre stand und meine Hände in meiner Manteltasche knetete und dabei Kaito betrachtete, wie er abschloss, begann es wieder zu schneien. Die Flocken fielen weich und flaumig auf mein Haar. Ich drehte meinen Kopf dem schon dunklen Himmel zu und beobachtete, wie die kleinen, weißen Dinger scheinbar aus dem Nichts kamen.

Eigentlich war das wirklich schön..

"Hier"

Ich drehte mich zu der Stimme um und sah, dass Kaito mir seine Kappe entgegenstreckte.

Als ich nicht antwortete, fügte er betreten hinzu: "Damit du nicht ganz nass wirst.."

"Das ist süß..", hörte ich mich sagen.

Im Begriffe dessen, was mir herausgerutscht war, sah ich verlegen auf meine Schuhspitzen. Ich hatte mich nicht im Zaum.

Schon fühlte ich seine Hand an meiner Wange. Sie war warm, im krassen Gegensatz zu meiner kalten Haut. Ob es ihn fröstelte, wenn er mich berührte?

"Und auch wenn uns jetzt Nachbarn sehen, wenn sie empört über uns sind, wenn sie sich Dinge zuraunen, die einfach nur gemein sind, es ist mir egal. Jetzt, in diesem Moment möchte ich nichts mehr, als dich berühren"

"Kaito..", flüsterte ich mit heiserer Stimme, während ich das Gefühl hatte, mein Herz überschläge sich sicher jeden Moment vor Schnellligkeit, mit der es klopfte.

Warum musste er nur so etwas sagen..?

Es machte mich so verlegen, es überforderte mich schier.

Was sollte ich denn darauf antworten? Und überhaupt, wie meinte er das?

Was war an mir denn schon so besonders? Jeder andere Mensch musste sich doch gleich anfühlen.. Es gab nichts, was mich vom Rest der Welt unterschied.
 

Ich tat das Einzige, was mir einfiel.

Ich lächelte unsicher und schlich seiner Hand davon, betrat die Dunkelheit jenseits der Straßenlaterne, unter der wir uns befunden hatten.

Noch ganz peinlich berührt, versuchte ich nicht daran zu denken, was passiert war. Es brachte mein Herz so aus dem Takt, dass ich Angst hatte, dass ich vom Weg abkommen würde.

Von welchem Weg?

Seit wann gab es einen Weg in meinem Leben?

War ich denn schon jemals einer Richtung gefolgt? Einer Richtung, die ich wirklich wollte? Einer Richtung, die mir nicht mein Schicksal aufgezwungen hatte?

Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal etwas bekommen hatte, dass ich mit ganzem Herzen gewollt hatte.
 

~~+~~
 

Anmerkungen der Autorin [heute]:

Ach du liebe Zeit~

Ich hab schon bis Kapitel äh.. wartet..

18?

Geschrieben~

Es wird noch was auf euch zukommen. Jedes Mal, wenn ich zuhause bin, kann ich nichts hochladen.

Das kackt mich entschieden an.

Hoshi no Ame

"Yuuichi!"

Kaito holte auf mich und meinen kleinen Vorsprung auf, ging dann neben mir her.

Hoffentlich sprach er mich nicht darauf an. Hoffentlich vergass er es.

"Wollen wir in den Park?", plapperte es munter von rechts.

Ich nickte.

Das Schneegestöber war dichter geworden. Unzählige Flocken gingen neben mir nieder.

Wenn ich geradeaus schaute, konnte ich im Licht der Straßenlaterne sehen, wie dick sie den Boden bedeckten, das Grau des Betons versteckten, wie eine Wunde, die man nicht mehr sehen sollte, die niemand heilen sollte.
 

Hatte ich auch Wunden, die niemand behandeln sollte?

Hatte ich auch Schaden genommen von meinem Leben?
 

Kaito schob das Gatter auf und ich folgte ihm, als er hindurch trat. Wir hatten das Dunkle des Parks bei Nacht vor uns. Unheimlich.

Ich warf einen Seitenblick zu Kaitos Hand, wünschte mir, sie nehmen zu können.

Aber ich traute mich nicht; was würde denn passieren, wenn ich es tat?

Immer und immer wieder war ich damit beschäftigt, Gedanken über die Zukunft nachzuhängen. Die ganze Zeit über ließen sie mich nicht in Ruhe, machten mir Angst vor mir selbst und meinen Taten, die ich eventuell begehen konnte. Im positiven, wie auch im negativen Sinne.

Kaito erleichterte mir jedoch die Entscheidung; seine Finger glitten wie von selbst in meine Hand und umschlossen meine kalt gewordene Haut.

Erleichtert lächelte ich ihm zu, war dadurch ermuntert mich an ihn zu schmiegen.

Ich dachte nicht darüber nach, dass uns wer sehen könnte.

Wer spazierte denn schon um diese Uhrzeit in dieser Dunkelheit in einem Park herum? Die Grünfläche war riesig. Kaum möglich, dass man jemandem über den Weg lief, den man kannte.
 

Mein Schicksal hatte in diesem Punkt andere Ansichten.

Von den zwei Gestalten, die plötzlich vor uns auftauchten, war mir eine mehr als bekannt.

Es war bereits zu spät, trotzdem ließ ich sofort Kaitos Hand los und machte einen kleinen Schritt von ihm weg Richtung Dunkelheit.

Ich handelte mir Unverständnis seinerseits und einen noch ungläubigeren Ausdruck der Person vor mir ein.

"Yuuichi?"
 

"Nagi..?"

Meine Stimme klang, als würde sie die Worte nicht aussprechen wollen.

Am Gesichtsausdruck meines besten Freundes konnte ich erkennen, dass ihm nicht entgangen war, wo ich mich gerade noch vor fünf Sekunden befunden hatte. Dass er nicht übersehen hatte, was zwischen Kaito und mir geschehen war.

Dass er verstanden hatte.
 

Wie oft konnte eine Welt zusammenbrechen?
 

Alles an ihm strahlte nur eine Frage aus; Warum?

Während sein Blick mich scheinbar bis auf den tiefsten Grund der Seele durchleuchtete, merkte ich, wie ich vor ihm zusammenschrumpfte. Wie ich mich unsagbar darüber schämte, dass ich nicht normal war, dass das Paket Yuuichi einen kleinen Schönheitsfehler beinhaltete. Sein vorwurfsvolles Gesicht zu sehen, verletzte mich in diesem Moment so sehr, dass ich mir nichts mehr wünschte, als auf der Stelle zu verschwinden und nie wieder aufzutauchen.

Natürlich erfüllte mir niemand diese Sehnsucht.
 

Kaito durchbrach als Erster das Schweigen, richtete ein höfliches "Hallo" an Nagi. Dieser erwachte, so wie ich, aus seiner Starre.

"Hi"

Seine Mundwinkel zogen sich etwas hoch, als er die Person neben mir erblickte. Wie wenn er für einige Augenblicke vom Ursprung des Übels, mir, ablassen durfte. Irgendetwas in meinem Inneren zog sich schmerzhaft zusammen und ich kämpfte verbissen mit mir selbst, um irgendwelche Erklärungen abliefern zu können, um Nagi gerecht werden zu können. Als ich schließlich endlich etwas sagen wollte, kam mir die Frau, die sich die ganze Zeit hinter Nagi befunden hatte, zuvor.

"Hallo", tönte ihre Stimme fröhlich in die Runde.

"Dann seid ihr Nagis Freunde? Schön euch endlich kennen zu lernen! Ich bin Yumi!"

Ihr Lächeln war vielleicht nett gemeint, aber in diesem Augenblick war es so angemessen, wie wenn man bei einem Begräbnis laut loslachte.

Ich verspürte den starken Drang, ihr ins Gesicht zu schlagen, sie und ihr viel zu schönes Anlitz, dass mir wie eine Fratze erschien, zum Schweigen zu bringen. Die Abscheu, die ich auf mich selbst hatte, übertrug sich nun auch schon auf sie.

Dabei konnte sie gar nichts dafür.

Ich zwang mir ein mühevolles "Hallo" ab, erntete erneutes Lächeln.

Alle meine logischen Erklärungen, die ich Nagi vorbringen hatte wollen, waren innerhalb von Sekunden weggewischt von ihr. Unfähig zum weiteren Sprechen fixierte ich irgendeinen fernen Punkt in der Düsterkeit des Parks und hoffte, dass diese Begegnung bald vorbei sein würde.

Ich wusste genau, dass ich alles verdrängen würde, dass ich vor lauter Scham, nicht einmal versuchen würde, Nagi anzurufen.

Ich bekam noch mit, dass Kaito und mein bester Freund ansatzweise ein Gespräch führten, Genaueres ließ ich nicht zu, weil ich einzig und allein mit dem Gedanken beschäftigt war, so schnell wie möglich zu verschwinden. Irgendwer hatte wenigstens in Bezug auf Yumi meine Gebete erhört; sie schwieg, bis Kaito sagte, dass wir jetzt gehen würden.
 

Meinen Kopf weiterhin in eine andere Richtung gedreht, wartete ich, bis die zwei verschwunden waren, ich ihre Schritte nicht mehr hören konnte.
 

Neben mir vernahm ich jetzt meinen Freund.

"Es ist dir peinlich"

"Das ist nicht wahr", murmelte ich leise zurück, drehte mich ihm zu.

Natürlich log ich.

"Schämst du dich für mich? Oder für dich? Oder gar für uns beide? Oder alles zusammen?"

Ich spürte, wie meine Ohren trotz der Kälte heiß wurden.

"Nein, ich schäme mich nicht"

Konnte man das Zittern meines Körper sehen?

"Und warum benimmst du dich dann so?", hakte Kaito weiter nach.

Warum bemerkte er nicht, dass ich den Tränen nahe war?

"Ich.."

Meine Stimme erstarb. Schon rann das erste Wasser aus meinen Augenwinkeln und ich beeilte mich, es wegzuwischen, dabei so zu tun, als würden mir meine Augen nur wegen der Kälte tränen.

"Du weinst schon wieder", sprach mein Gegenüber weiter.
 

Die falschen Worte.
 

"Nein. Ich weine nicht. Siehst du?"

Ich blinzelte angestrengt in Kaitos Gesicht.

"Es ist nur arschkalt hier. Es war reine Macht der Gewohnheit; ich dachte zuerst, es wäre wer anderes. Noch fällt es mir schwer, mich in der Öffentlichkeit so zu zeigen. Können wir bitte nach Hause gehen? Meine Zehen sind ganz kalt.."

Meine Stärke war zurück.

Warum? Wie hatte ich es so schnell geschafft, wieder die Oberhand zu gewinnen?
 

Als Kaito, sich geschlagen gebend, "Okay" murmelte, wusste ich weshalb.

Er hatte die falschen Worte gewählt.
 

~~+~~
 

Anmerkungen der Autorin [heute]:

Ach du liebe Zeit~

Nun stehe ich also vor einem künstlerischen Tief.

Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich will, dass es weiter geht. Und das vielleicht Unangenehmste daran ist, ich nehme nicht gerne Idee von anderen an ^^

Was heißt; solange ich nicht das Gefühl habe "das will ich schreiben", geht gar nichts.

Toll, oder?

Aber für's Erste müsst ihr euch keine Sorgen machen.

Ich habe noch Kapitel auf Lager.

Abel und Kain

But unto Cain and to his offering he had not respect. And Cain was very wroth, and his countenance fell.

And the LORD said unto Cain, Why art thou wroth? and why is thy countenance fallen?

If thou doest well, shalt thou not be accepted? and if thou doest not well, sin lieth at the door. And unto thee shall be his desire, and thou shalt rule over him.

And Cain talked with Abel his brother: and it came to pass, when they were in the field, that Cain rose up against Abel his brother, and slew him.
 

Dass Nagi sich nicht meldete, hatte ich angenommen. Trotzdem verletzte es mich. Ich wusste, dass ich anderen Menschen nicht so viel bedeutete, wenn sie mich denn überhaupt wahr nahmen, aber ab und zu wünschte ich mir, dass wenigstens die wenigen Freunde, die ich hatte, mich nicht wie alle Welt behandelten.

Naja. Meine Wünsche werden gewohnterweise nicht erhört.

Also fand ich mich damit ab, dass eben wieder eine Freundschaft zerbrochen war. Dass es dieses Mal mein bester Freund war, bestätigte mich nur in meiner Einstellung, die ich irgendwann begonnen hatte, anzunehmen.

Alles mit einem Schulterzucken abzutun, weiter zu machen und nicht zurück zu sehen.

Ich hasse meine Vergangenheit. Es gibt nichts darin, an das ich mich erinnern möchte.
 

Mit viel Mühe hatte ich Kaito davon überzeugen können, dass ich mich nicht für ihn und uns schämte. Jetzt galt es nur noch, meine Worte in die Tat umzusetzen.

Da Nagi mein kleines Geheimnis, das von meiner Abnormität zeugte, nun ja kannte, konnte ich getrost meine Schwulheit auch in der Öffentlichkeit zeigen.

Wen interessierte denn schon, was Yuuichi tat? Was Yuuichi fühlte? Wer Yuuichi in Wirklichkeit war?
 

Einige Tage nach unserer Begegnung im Park hatte ich Kaito von Zuhause abgeholt und ihn in die U-Bahn gezerrt. Mein Vorwand: Ich wollte ins Einkaufszentrum.

Auf halber Strecke, als gerade sehr viele Leute zugestiegen waren, hatte ich Kaito geküsst. Oder besser ausgedrückt; ich hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes überfallen. Mein Freund hatte mich mindestens so entgeistert angeschaut, wie die umstehenden Leute empört gewesen waren. Aber ich hatte nur gelächelt und mich an ihn geschmiegt. Frei nach dem Motto: Ich fühle mich wie Zuhause.
 


 

„Wenn ich jetzt diesen Schritt mache, bespringst du mich dann wieder?“, grinste mich Kaito von der Seite an und blieb demonstrativ vor der U-Bahntüre stehen.

Ich wurde zugegebenermaßen etwas rot – so wie ich das eben immer wurde – und grinste zurück.

„Ich kann's auch gleich tun“

Damit hauchte ich ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und trat schnell in das Abteil. Ein lachender Kaito folgte mir.
 

Ich blickte zum Fenster hinaus, schaute den Häusern zu, wie sie vor der Scheibe vorbeizogen, sich mit ihrer grauen Fassade vom Boden abhoben. Ab und zu störte kurz ein Strommast die Monotonie und hinterließ das Gefühl, als hätte sich ein toter Baum an dieser Stelle befunden.

Tote Bäume brauchen kein Wasser.

Es war ein trauriges Bild, dass sich mir bot, und meine Laune befiel etwas Melancholisches, während ich weiterhin die triste Landschaft betrachtete und Gedanken nachhing.

Heute war das erste Mal wieder Probe. Es war schon zwei Wochen her seit dem letzten Mal und ich fragte mich, wie es sich anfühlen würde, meine geliebten Drum Sticks wieder in der Hand zu halten.

Als mir Nagi in den Sinn kam, verdüsterte sich meine Stimmung um einige Nuancen. Natürlich. Ihn würde ich heute auch sehen. So wie meine anderen „Freunde“, die nur noch Augen für sich selbst hatten, wo sie sich erst einmal gefunden hatten.

Na wenn schon.

Im Grunde genommen konnte mir das alles sowas von egal sein..

Vor Nagi brauchte ich mich nicht schämen, weil ich für ihn eh nicht von Bedeutung war und die anderen zwei waren stockschwul, da war's dann keine große Neuigkeit, dass ich zu ihrem „Kreise“ gehörte.

Nichts desto trotz entfuhr mir ein Seufzer und mit einer langsameren Bewegung als sonst strich ich mir das Haar aus der Stirn.

Für mein künftiges Leben würde ich mir ein dickes Fell zulegen.

Oder wohl eher mir einen Panzer umschnallen.
 

Mein leises „Yo“ ging fast unter in dem Begeisterungssturm, den Ren, Sae und Kaito aufführten. Nagi grinste nur vor sich hin.

Was er wohl dachte?

Ich zuckte imaginär mit den Schultern und betrat das Gebäude – wenn die anderen sich ihre Geschichten noch zu erzählen hatten, konnten sie das ruhig, sofern sie nicht damit rechneten, dass ich mich daran beteiligen würde.

Langsam ließ ich die Vier hinter mir und betätigte den Lichtschalter. Es wurde nicht gerade hell, eher etwas schummrig, aber trotzdem strahlte die Lampe etwas Warmes, Gelbes aus. Ich fühlte mich fast ein bisschen wohl in dem Raum. Vor allem als ich mein geliebtes Schlagzeug erblickte, hob sich meine Stimmung merklich.

Ohne noch weiter zu zögern, näherte ich mich ihm und setzte mich schließlich dahinter, ließ meine Fingerspitzen kurz über die Flächen der Trommeln gleiten. Fühlte sich immer noch gleich an, wie vor zwei Wochen. Ich grinste innerlich; natürlich hatte sich das Gefühl nicht verändert.

„Lass' mich an deinen Gedanken Teil haben – ich will auch lachen“

Ich hob meinen Kopf, sah Nagi vor mir stehen.

Was wollte er jetzt noch von mir?

Wo er sich so offensichtlich in keinster Weise für mich interessierte?

„Ich lache nicht“, erwiderte ich leise und suchte nach meinen Drum Sticks. Wo hatte ich sie bloß das letzte Mal hingelegt?

„Bist du böse auf mich?“, ließ die Stimme nicht locker.

„Nein. Du bist kein Freund von mir, also bin ich nicht sauer auf dich“, nuschelte ich irgendwo vom Boden hinauf, während ich immer noch nach den schmalen Dingern suchte.

Dabei schlug mir mein Herz bis zum Hals und meine Hände waren schwitzig. Mir wurde eben klar, dass meine Aussage kein bisschen logisch gewesen war.

Verdammt! Ich hätte mich würgen können. Warum sagte ich bloß das Falsche in so einem wichtigen Moment? Er musste mich ja für völlig dumm halten! Warum lachte er nicht? Hätte doch wirklich gepasst.

Nagi hatte jedoch meine Worte so verstanden, wie sie gedacht gewesen waren. Oder zumindest war er auf die Aussage dahinter, „Du bist nicht mein Freund“, angesprungen.

„Warum bin ich nicht dein Freund?“, kam es etwas verwundert von ihm.

„Hah, gefunden!“, rief ich, hielt zugleich die Drum Sticks glücklich in der Hand und richtete mich auf, krabbelte unter dem Schlagzeug hervor.

Nagi sah mich wartend an.

„Weil du dich nicht für mich interessierst. Aber mach' dir keine Sorgen – ich bin das gewohnt“, lächelte ich ihn an.

Meine enorme äußerliche Selbstbeherrschung war gigantisch im Vergleich meiner Krise, die ich in dem Moment psychisch gerade austrug.

Ich hätte gedacht, dass Nagi vielleicht sauer sein würde, oder eventuell beleidigt; aber nichts Dergleichen geschah. Stattdessen blinzelter er nur ein, zwei Mal, schaute mir weiter ins Gesicht, ganz so, als hätte er gehört, was ich gesagt hatte, aber verstünde es einfach nicht.

Meine Enttäuschung wuchs. Dies war seine letzt Chance gewesen, die ich, ohne es mir eingestehen zu wollen, ihm gegeben hatte. Aber er tat nicht das, was er tun hätte sollen. Keine Reue. Keine Entschuldigung. Kein „Doch, du bist mir wichtig“.

Ich wandte mich ab und spielte ein Mal probeweise auf dem Schlagzeug.

„Vergiss' es. Es ist nicht so wichtig. Leb' dein Leben weiter und kümmer dich nicht weiter um mich. Das ist okay für mich. Wirklich.“

Ende.

Schon als ich die Worte ausgesprochen hatte, hätte ich heulen können. Alles in mir schrie danach, sie nicht von mir zu geben oder zumindest zurück zu nehmen, aber meine Lippen blieben versiegelt. Sie ehrten zumindest dieses eine Mal meinen Stolz.

Ich war der Überzeugung, dass ich es mir mit Nagi nun entgültig verbockt hatte, dass ich das Ende, welches er eingeleitet hatte, selbst vollführt hatte.
 

Natürlich. Ich durfte mir nicht erlauben, es mir mit anderen zu verscherzen. Denn wenn ich es tat, zuckten sie mit den Schultern und gingen weg. Ließen mich alleine. Kamen nicht wieder. Dann war ich noch einsamer, als ich es ohnehin schon war.

Ich wurde nur geduldet. Und nicht mehr.

Aber wenn ich solche Worte von ihnen hörte, blieb ich an ihrer Seite. Ich war ja ihr Freund, ich war ja für sie da.

„Jeder hat 'mal einen schlechten Tag“

Der Gedanke, der mir die Augen verschloss für so lange Zeit.
 

Aber jetzt hatte mein Abel meinen Kain erschlagen.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Hey, ganz ehrlich, irgendwie verhaltet sich Yuuichi sehr shiyahaft; soll heißen, er nimmt merklich meine Charakterzüge an.

Ich bin auch so schnell dabei, alles abzubrechen und alle Brücken hinter mir abzureißen und dabei das nicht mal wirklich zu wollen.

Yuuichi ist gerade sehr verletzt, er erwartet eine Reaktion, die ihm beweist, dass Nagi ihn liebt. Durch seinen Bruch der Freundschaft versucht er Nagi für sich zu gewinnen. Sein innerer Kampf nimmt ziemliche Dimensionen an. Es ist ziemlich kompliziert, das alles darzustellen.

Meine inneren Kämpfe und meine Erfahrung mit solchen Dingen helfen mir, das einigermaßen hinzubekommen. ^^

Geständnisse

„Wie ich sehe, hast du dich schon eingespielt, hm?“

Saes Gesicht grinste auf mich herab. Ich grinste zurück.

Mein Herz klopfte heftig.

Nagi kam nicht dazu, etwas zu erwidern. Sicher wollte er das auch gar nicht, wo ich ihm doch gerade solche Worte an den Kopf geworfen hatte. Mit einer etwas steifen Bewegung drehte er sich um und schritt zu seinem Instrument, legte es sich um und hob seinen Blick nicht wieder an.

Sollte er doch beleidigt sein. Mich kümmerte das nicht im Geringsten; wer interessierte sich denn schon für mich? Nagi tat doch alles nur zu seinem Wohlwollen – wann hatte er je an mich gedacht? Er ahnte ja nicht einmal etwas von meinen Empfindungen!

Die Probe verlief schweigsam, in den Pausen hatte ich das Gefühl, dass ich nur die Hand ausstrecken brauchte, um die erdrückende Stille zu fühlen. Ren war der Erste, der etwas dazu sagte.

„Hey Leute.. Ist irgendetwas los..?“

Seine Augen wanderten besorgt durch den Raum und blieben an mir haften, der Quelle, wie er wahrscheinlich annahm.

Sae pflichtete ihm nur bei und forschte in Kaitos Gesicht nach, der natürlich von nichts wusste. Ich wich Rens Blick aus und musterte brav meine Drum Sticks, zog imaginäre Kreise mit ihnen und versuchte so, einfach abzuwarten, bis die drei Ahnungslosen sich wieder beruhigt hatten und weiter spielten.

Taten sie aber nicht.

Sae seufzte.

„Also gut. Yuuichi, was ist los?“

Warum gerade ich?

Ich konnte ihn nicht einfach ignorieren, also erwiderte ich leise: „Nichts“

„Lüg' mich nicht an! Wenn ich mir Nagi und dich ansehe, hab ich das Gefühl, ich habe ein verstrittenes, altes Ehepaar vor mir! Raus mit der Sprache – was ist los mit euch zwei?“

Ich machte keine Anstalten zu antworten. Sollte doch er erklären, was vorgefallen war. Aber auch Nagi schwieg verbissen, über seine Lippen kam kein Ton, er fixierte nur weiter die Risse, die die gegenüberliegende Wand enthielt.

„Na gut... Wenn ihr nicht reden wollt.. Aber ich werde nicht weiter spielen, bis ihr nicht endlich sagt, was euch für eine Laus über die Leber gelaufen ist!“

Damit legte er demonstrativ sein Instrument aus der Hand und setzte sich auf eine Kiste links von mir. Ren blieb stehen, stellte jedoch langsam die Gitarre neben sich. Sogar Kaito nahm am Boden Platz und warf mir einen hilflosen Blick zu.

Armer Kaito.

Er wusste gar nichts.

Nagi rührte sich keinen Zentimeter, ich wurde jedoch unruhig. Konnte ich meine Freunde einfach so im Dunkeln tappen lassen? Sie würden nur sauer werden..

Also richtete ich schlussendlich doch das Wort an sie.

„Ich habe eine nie bestandene Freundschaft beendet. Das ist alles“

Sae öffnete verdutzt den Mund, um etwas zu sagen, kam jedoch nicht dazu, weil sich eine leise Stimme aus dem Eck meldete.

„Das ist nicht wahr“

Mein Kopf schnellte Richtung Nagi.

„Ach ja? Warum kümmest du dich dann nie um mich? Warum bin ich dir so dermaßen egal?“

Ich wurde ungewohnt laut, bemerkte dabei nicht, wie Sae sich beeilte, verdattert aufzustehen.

„Du bist mir wichtig..“, erwiderte Nagi noch leiser und hob sein Kinn an.

„Natürlich. Deshalb verachtest du mich ja auch wegen meiner Schwulheit! Und deshalb meldest du dich auch nicht mehr. Tust du ja sowieso nie. Ich bin ja immer derjenige, der anruft, der dir deine kostbare Zeit stiehlt! Du hast keine Ahnung, wie es in mir aussieht, oder? Du weißt so absolut gar nichts!!“

Den letzten Satz spuckte ich meinem ehemals besten Freund mehr ins Gesicht, als dass ich ihn sagte. Hinter mir zogen drei Menschen scharf die Luft ein.

Achja. Sae und Ren hatten ja noch nicht von meiner „Richtung“ gewusst. Sei's drum.

Im Moment störte mich das so sehr, wie der Dreck unter meinen Fingernägeln.

„Das ist alles..

Ich habe das nicht gewollt.. Aber ich will dich doch anrufen.. Und was weiß ich denn nicht..? Du erzählst mir doch alles?“

Verblüfftheit zeichnete sich auf Nagis Gesicht ab. Der sonst so fröhliche Mensch war von mir eingeschüchtert und wirkte mehr wie ein verwirrtes Häuflein Elend, als wie ein Mann.

Seine Worte trafen mich. Glaubte er tatsächlich, was er gerade von sich gab? Merkte diese Person denn gar nichts?

„Nein, Nagi. Ich erzähle dir nichts. Mehr. Du siehst mich neben dir nicht. Du nimmst nicht wahr, was um dich herum geschieht. Du bist mein bester Freund und du hast nicht bemerkt, dass ich dich liebte“

Verbittert klang es, als ich weiter sprach. Ich spürte, wie sich etwas in mir löste. Wie ein großer Stein von meinem Herzen fiel.

Endlich. Endlich hatte ich ihm das gesagt, was ich schon so lange los werden wollte. Das, was ich wochenlang mit mir herumgeschleppt hatte und das, was mich jeden einzelnen Tag herunter gezogen hatte, wenn ich nicht schon vollkommen down aufgewacht war.

Ich musste mich nicht umdrehen, um zu sehen, dass Kaito aufgestanden war und nun den Raum verließ.

Ich hörte, wie die Tür zugeschlagen wurde.
 

Nagis Gesicht ähnelte einer Filmleinwand; es begann mit Entsetzen, wechselte über zu Verärgerung und landete schließlich bei einem traurigen Ausdruck.

„Warum tust du mir das an..“

„Achja? Ich tu' dir also 'was an? Und was tust DU mir an?“, erwiderte ich böse. Ohne es zu registrieren, hatte sich meine aufkeimende Wut während seines Gefühlswandels gesteigert und erreichte jetzt das Pensum einer Raserei. Mühevoll beherrschte ich mich, konnte trotzdem nicht verhindern, dass ich auf seine folgenden Worte, „Warum musst du so etwas fühlen..“, nur funkelnd zurückblaffte: „Ich will dich nie wieder sehen!“

Was genug war, war genug.

Es gab einen Punkt, wo es mir reichte.

Mehr ertrug ich nicht mehr. Und seine Anschuldigungen, dass ich ihm ein Problem machte, waren des Guten wirklich zu viel.

Damit erhob ich mich von meinem Sitz und schritt aus dem Raum. Ohne weitere Aussagen, ohne eines Wortes des Abschieds an Ren und Sae, ohne noch einmal in das Gesicht zu sehen, das ich am meisten liebte.

Jetzt zählte das nicht mehr.

Es würde nie mehr zählen.

Aber das hatte es auch noch nie.
 

Ich sah Kaito auf der Mauer vor dem Proberaum sitzen.

Er zog an einer Zigarette. Der Rauch, den er langsam ausblies, stieg in dünnen Schwaden in den Himmel und vermischte sich mit seiner trostlosen grauen Farbe.

Wann hatte Kaito das letzte Mal geraucht?

„Kaito..“

Die Gestalt auf dem Stein wandte mir ihr Gesicht zu, seine linke Augenbraue zog sich hoch. Ich verstand das Zeichen.

„Ich habe es dir nicht erzählt, weil es nichts gebracht hätte. Hättest du denn gewollt, dass ich dir erzählt hätte, dass ich Nagi geliebt habe?“

Es dauerte eine Weile, bis die schmächtige, blonde Person vor mir, ihre Zigarette ausgedrückt hatte und sich mir vollkommen zuwandte.

„Ja“

Es war unverkennbar eine gewisse Verletztheit herauszuhören. Tief in meinem Inneren gab es mir einen Stich, der sich schmerzlich bemerkbar machte, indem ich spürte, dass ich schon wieder den Tränen nahe war. Das alles wurde mir zu viel auf einmal.

„Es tut mir leid..“, flüsterte ich heiser, „Ich habe nicht gewollt, dass sich die Dinge so entwickeln..“

„Wolltest du denn jemals, dass sich die Dinge überhaupt entwickeln?“, kam es nach einer weiteren Pause von Kaito.

„Wie meinst du das?“

Ich musste nur in sein Gesicht sehen, um zu erkennen, was der Hintergrund seiner Aussage war.

Es fühlte sich an, wie ein Schlag in die Magengrube.

„Nein..“, war alles, was ich tonlos aus mir herauspressen konnte.

„D-das.. ich ... hör auf damit.. Ich habe keine Sekunde mit dir bereut..“

Während mir Kaito wie mein nagendes Gewissen erschien, dass jetzt in ihm personifiziert endlich eine Gelegenheit gefunden hatte, um sich vor mir deutlich zu machen, tat dieser etwas ganz anderes; er stand auf.

„Gut. Das wollte ich hören. Können wir jetzt nach Hause gehen?“

Die Fassungslosigkeit, die mich nun befiel, war noch schlimmer als der vorherige Schlag in meine Eingeweide; wenn auch von wesentlich positiverer Tendenz. Es hatte mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen, als ich hinter ihm herstolperte, während er gemächlich vor mir in die Richtung ging, in der seine Wohnung lag.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Ich bin so unkreativ wie nie zuvor.. *ächz*

Dabei mach ich wieder mal so ne schwere Phase durch in der ich normalerweise vor düsteren Gedanken nur so strotze und seitenweise schreiben kann. Aber.. saa.. *durch gegend schau*

vielleicht fällt mir ja noch was ein. Und ich mach endlich mal bei "Footprints" weiter.

Immerhin "Hagebutten" und "Liebe ist eine Schwäche" sind schon ziemlich weit. (Ist gemeinerweise nur nicht alles hochgeladen xD)
 

By the way~

Hab ich schon mal mein neurotisches Verhalten, das ich an den Tag lege, wenn ich Fehler aller Art in Texten entdecke, erwähnt?

Irgendwie.. kann ich nicht lesen, ohne nicht zu korrigieren.

Manche tragen aber auch Kreuz.

Punkt.

Schließ die Tür. Aber dann wirst du es nie wissen.

„Yuuichi, das kann so nicht weiter gehen“, sagte Sae.

Die Person am anderen Ende der Leitung war aufgebracht und bemühte sich nicht ganz so erfolgreich, Ruhe zu bewahren.

Nachdem ich nichts darauf antwortete, nicht wusste, was denn überhaupt sinnvoll war, zu erwidern, fuhr er, für einen kurzen Moment irritiert, fort.

„Nagi und du, ihr könnt euch nicht ewig angiften! Wir können nicht richtig proben, die Stimmung ist jedes Mal auf dem Tiefpunkt und die Disharmonie ist mehr als nur herauszuhören. Ganz zu schweigen davon, dass ihr doch Freunde seid! Mann, ihr zerstört die Band!“

Seine Stimme hob sich bedrohlich und ich hielt das Handy nur deshalb nicht von mir weg, weil mein schlechtes Gewissen es mir verbot.

Eine Art der Bestrafung?

„Es tut mir leid“, flüsterte ich in den Hörer, wusste zugleich, dass ihm meine Entschuldigung weniger brachte, als wenn ich Sae zu Weihnachten eine Packung Tampons kaufen würde.

Dementsprechend fiel seine Reaktion aus; er seufzte schwer und murmelte ein: „Bemüht euch wenigstens“ ins Telefon, bevor er ablegte.
 

Er verstand nicht, dass ich mit Nagi abschließen musste. Ich konnte ihm nun Mal einfach nicht mehr ins Gesicht sehen – zu sehr erinnerte es mich daran, was für schreckliche Gefühle ich bei seinem Anblick empfinden musste, was ich durchgemacht hatte.

Und außerdem war mir Kaito wichtiger.

Ja, das war er.
 

„Schatz, kommst du?“

Ich riss mich vom Anblick der Yoghurts los und schnappte mir schnell eine Milch aus dem Regal, beeilte mich, auf Kaito aufzuschließen.

„Denkst du, wir brauchen noch Zimt?“

Der fragende Blick meines Freundes traf mich und ich blinzelte verwirrt.

„Ich weiß nicht.. Ich dachte, du wärst der Fachmann?“

Seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, während ich erkennen konnte, dass sich seine Gedanken weit abseits des Supermarktes befanden.

„War's Zimt oder Kakaopulver.. Zimt – oder – Kakaopulver?“

Ich schwieg eine Weile und strengte mich selbst an, in der Hoffnung, doch vielleicht diese eine unwichtige Tatsache zu wissen, aber vergebens.

„Vielleicht sollten wir einfach beides kaufen...? Und Hälfte Hälfte machen..?“, murmelte ich nachdenklich, nicht sonderlich überzeugt von meinem Vorschlag.

„Hey, keine schlechte Idee. Wir machen einfach beides“
 

Unser Versuch, Tiramisu zuzubereiten, missglückte sowieso.

Aber nichts desto trotz hatten wir geschlagene fünf Minuten unserer kostbaren Zeit vergeudet, um über den Sinn einer Zimt oder Kakaoschicht nachzugrübeln. Und eine weitere Stunde, um das blöde Dessert anzufertigen.

Am Ende hatte ich Zimt im Gesicht und Zucker an den Fingern; das waren nicht gerade die Orte, wo die Zutaten eigentlich hingehört hätten.

Kaito amüsierte sich jedoch damit ganz prächtig.

„Jetzt bist du noch süßer“

Sein leises Lachen schallte an mein Ohr. Unwillkürlich wurde ich verlegen, murmelte etwas von „Das ist doch nicht wahr“ und verstummte schließlich einfach, als Kaito an mich trat und seine Zunge sanft über meine Wange gleiten ließ, um den Zimt wegzulecken.

„Oh doch..“

Seine Finger an meinen Hals gelegt wanderte er zu meinem Ohrläppchen und knabberte daran.

„Zum Anbeißen..“

Ich schluckte, hielt mich mit den Händen an der Holztischplatte fest. Sie fühlte sich kalt an meiner Rückseite an.

Sollte ich die Augen offen lassen oder schließen?
 

Ich musste mir die Antwort nicht selbst geben; Kaito ließ bereits von mir ab und visierte etwas hinter mir an.

„Scheiße, haben wir 'ne Unordnung gemacht“

Er lachte leise.

„Lass uns aufräumen – das Zeug klebt sonst an der Tischplatte“

Ich – bereits umgedreht und das ganze Chaos gesehen – nickte grinsend und machte mich daran, ein Abwischtuch zu suchen.
 

Veränderungen haben meist an sich, dass sie erst spät bemerkt werden. Dass sie erst offensichtlich sind, wenn sie sich bereits dem Ende nähern.

Und dann, plötzlich und unerwartet, steht man vor Tatsachen, von denen man nicht weiß, wie man sie bewältigen soll. Tatsachen, die sich nicht mehr ändern lassen, weil ihr Zeitpunkt bereits vergangen ist. Ihre Zeit der Schwäche Geschichte geworden ist.
 

Drei Wochen waren es her seit meinem Geständnis.

Dass Nagi in all der Zeit immer stiller geworden war, hatte ich nicht bemerkt. Ebenso war mir entgangen, dass sein Teint weißer denn je war. Weder war mir sein Zittern aufgefallen, noch hatte ich die Augenringe gesehen.

Zu beschäftigt war ich mit dem Ignorieren der Tatsachen gewesen. Alles, was mich an ihn erinnerte, übersah ich mit einer Sturheit, die ich bisher noch nie an mir registriert hatte. Während den Proben konzentrierte ich mich so sehr auf mich selbst und die restlichen Drei, dass Nagi fast nahtlos mit der Wand verschmolz. Der rechte Fleck neben mir blieb für mich leer, wie ein weißes Blatt Papier.
 

Umso plötzlicher kam das, was mein Leben erneut aus der Bahn warf. Es mit Füßen trat und mich aus meiner selbst zusammengebastelten Scheinwelt grob herauszerrte.
 

„Yuuichi! Gut, dass du da bist!“

„Ja..?“, erwiderte ich überrascht, musterte mich selbst verdutzt im Spiegel, während ich das Handy in der Hand hielt.

War ich über Nacht etwa sexy geworden? Oder gar unentbehrlich? Und es war mir nur noch nicht aufgefallen den ganzen Tag lang?

Sae ging auf mein „Ja?“ nicht ein.

„Du musst sofort kommen. Nagi ist weg“

Ich warf meinem Gegenüber auf der glänzenden Fläche einen skeptischen Blick zu und antwortete leicht sarkastisch: „Vielleicht wollte er nur schnell aufs Klo gehen. Zu zweit ist das natürlich eher schwer“

„Halt die Klappe Yuuichi und komm! Wir sind in Nagis Haus“, fauchte mein Freund in den Hörer und legte einfach ab.

Verwirrt starrte ich den Hörer an.

War das ein Trick von Sae, um meinen ehemals besten Freund und mich wieder zum Sprechen zu bewegen?

Wenn ja, dann würde das nicht fruchten.

Nagi war für mich gestorben.

Wenn auch nur psychisch.
 

Trotzdem hatte ich mir meinen Mantel geschnappt und war Richtung Nagis Haus getrottet. Zumindest konnte ich mir ja mal ansehen, was sie sich Schönes ausgedacht hatten.

Als ich ankam, war meine Amüsiertheit ziemlich gesunken. Saes laute Stimme schon am Tor vernehmend, die ohnedies sehr aufgebracht war, ließ meine Heiterkeit ganz verschwinden und mir wurde mulmig zumute. Als ich schließlich Ren und Sae vor mir stehen hatte und Kaitos erschrockenes Gesicht erblickte, begann ich ehrliche Angst zu fühlen.

„Was ist los..?“, sprach ich leise; unangebrachte Worte, wie mir sofort klar wurde.

„Nagi ist weg“, richtete mein Freund sich an mich. In seinen Augen ein seltsamer Glanz.

„Aber er kann doch nicht einfach weg sein..? Ich meine, vielleicht ist er nur einkaufen gegangen..“

Im selben Moment wusste ich, dass dem nicht so war.

Das Wohnzimmer war komplett leer.

Meine Augen weiteten sich entsetzt und meine Hand legte sich wie von selbst auf meinen Mund und würgte damit den scharf eingezogenen Atem ab.

„Das...

...“

„Das ist nicht wahr, ja, Yuuichi..“, beendete Sae leise meinen Satz, in seiner Stimme schwang ein bitterer Unterton mit.

„H-habt ihr schon das Haus durchsucht?“

Ren schüttelte den Kopf.

„Dann macht doch!“, rief ich unkontrolliert heftig heraus und rannte bereits in Nagis Schlafzimmer, ohne auf Antworten zu hören.
 

Alles war hier noch da. Nicht etwas hatte sich vom Fleck gerührt, jedes Möbelstück befand sich am selben Platz, wo ich es beim letzten Mal gesehen hatte. Beim letzen Mal..

Das war schon ewig her..

Ich zögerte nicht.

Hastig durchstöberte ich jede Schublade, jeden Kasten nach irgendetwas. Einem Zeichen. Einer Erklärung. Und wenn es nur ein Zettel mit einem „Auf Wiedersehen“ war.

Nichts.

Nirgendwo befand sich etwas Ungewöhnliches, nicht einmal der Hauch von etwas. Während all meinem verzweifelten Suchen, hatte ich nicht bemerkt, dass die anderen hinter mich getreten waren. Kaito legte mir die Hand auf die Schulter.

„Komm.. hör auf.. wir rufen die Polizei an..“

Bei dem Wort „Polizei“ wurde mir der Ernst der Lage erst richtig bewusst. In meinem Kopf schien es irgendwo „Klick“ zu machen, das, was danach passierte, nahm ich nicht mehr richtig wahr – es war, wie wenn ich alles durch einen Schleier beobachtet hätte.

Die Polizisten, die eintrafen, die Fragen, die sie uns stellten, wie sie die Wohnung erneut durchsuchten, wie Sae heftig zitterte, als ihn der Beamte nach besonderen Vorkommnissen befragte, wie Kaito meine Schulter streichelte, wie Ren ihnen die Telefonnummer der Eltern gab und ihnen von Yumi erzählte.

Das ganze Szenario erschien mir unwirklich, wie ich an diesem Abend nach Hause gekommen war, wusste ich nun nicht mal mehr. War es einer der Beamten gewesen, der mich zu meiner Wohnung gefahren hatte? War es Kaito gewesen, der mich begleitet hatte? Oder war ich es gar selbst gewesen, hatte ich mich alleine nach Hause geschleppt?
 

Während ich in meinem Bett lag und an die Decke starrte, hatte ich nur einen Gedanken in meinem Kopf. Ich konnnte nicht genau sagen, ob er mir gekommen war, als die Polizisten eintrafen oder ob er schon vorher existent gewesen war. Ohne Platz für irgendetwas anderes zu lassen, drehte und bog er sich in der Schwärze, drang in jede Körperzelle ein und schrie seine Botschaft förmlich heraus.

„Ich hasse dich“

Ich konnte meine Augen nicht schließen, als die Tränen kamen.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Öhm ja..

Lang, lang ist's her, was?!

Tut mir ehrlich leid, die Kapitel hatte ich wirklich schon geschrieben, mein Partner (alias Internet) hat sich nur derbst gegen mich gewehrt..

Nun. Überrascht es euch, dass Nagi abhaut?

Ich denke nicht, dass es eine große Überraschung ist. Er ist ein sehr schwacher Charakter, der mit Witz verdeckt, dass er mit vielem gar nicht so gut klar kommt.

Wolltet ihr auch schon einmal einfach weglaufen, wenn es zu kompliziert wurde? Naja, meistens tut man das ja nicht. Normalerweise (was für ein schöner Begriff).

Ich kenne Menschen, die das getan haben.

(Also ist es doch nicht so ganz aus der Luft gegriffen, was? ^^)

In meiner Glaskugel fiel kein Schnee

Immer wenn etwas Unvorhersehbares mein Leben berührt, etwas, das eine Reaktion von mir erzwingt, weil es zu den Dingen gehört, die sich nicht einfach ignorieren lassen, dann steht meine Welt für einige Momente still. Es ist nicht so, dass die Zeit nicht weiterfließen würde. Vielmehr ist nur ihr Ton verschwunden. Vom einen auf den anderen Augenblick bildet sich ein Vakuum rund um mich, welches keine Geräusche zulässt. Und ich fühle mich gefangen, wie in einer Glaskugel, zum Beobachten verdammt, damit ich die volle Bandbreite des Geschehenen mitverfolgen kann, ohne von etwas Unbedeutsamen gestört zu werden.

Erlebnisse, die diese Reaktion meiner Außenwelt hervorrufen, sind immer Geschehnisse, die ich – so sehr ich es auch versuche – nicht vergessen kann. Sie brennen sich in mein Gedächtnis ein und hinterlassen einen dumpfen Schmerz in meiner Magengrube, jedes Mal wenn ich ihrer erinnert werde oder wenn sich Dinge an sie herantasten.

Aber vielleicht sollte ich weiter zurückkehren.
 

Ich war bereits angezogen, als ich den Gedanken erst richtig erfassen konnte.

Wir hatten nur zu wenig gesucht.

Ich musste nur noch einmal gründlich nachsehen.

Da war was.

Ganz bestimmt.

Die Polizisten waren einfach zu schleißig gewesen.

Ich wusste es.
 

Wenige Minunten später nach meinem Entschluss, stand ich bereits vor Nagis Haus.

Die Wohnungstüre war mit einem gelben Plastikstreifen verklebt worden. Wie wenn ein Mord geschehen wäre. Ich schluckte schmerzhaft und managte es, ohne das Klebeband zu beschädigen, ins Haus einzusteigen. Vorsichtig kletterte ich durch den Eingang und stand schließlich, nachdem ich meine Schuhe ausgezogen hatte und über die Schwelle getreten war, im Hausflur. Kalte Luft schlug mir entgegen.

Niemand hatte geheizt.

Leise näherte ich mich mit zögernden Schritten Nagis Zimmer. Jedes Mal, wenn mein Fuß den Boden berührte, hatte ich das Gefühl, als durchstieße er gewaltsam die Stille, störte sie in ihrem Frieden. Ich bemühte mich, noch weniger Geräusche zu verursachen, ich wollte, dass die Ruhe weiterhin bestand. Ich hatte kein Recht dazu, laut zu sein.

Nagis Zimmer lag vor mir.

Nach kurzem Zögern schob ich die Schiebetür auf und trat in die Dunkelheit, die vom spärlich hereinfallenden Mondlicht scharf begrenzt wurde. Keinen weiteren Moment vergeudend sank ich auf meine Knie und begann fierberhaft nach dem Etwas zu suchen, was mir keine Ruhe lassen wollte.

Ich hätte fast aufgegeben, wenn ich nicht den etwas dunkleren Schatten unter dem Bett bemerkt hätte. Zuerst tat ich es als Halluzination meinerseits ab. Dann jedoch beschloss ich, keine Möglichkeit unversucht zu lassen und griff nach dem Ding. Es war ein Buch, fest angebracht an die Unterseit des Bettes. Es dauerte eine Weile bis ich es so weit losgelöst hatte, dass ich es herausziehen konnte.

Es fühlte sich kühl in meiner Hand an und seine schwarze, glatte Oberfläche spiegelte mich verzerrt, gab ein seltsam unwirkliches Bild der Realität wieder.

Was das wohl sein mochte?

Ich knipste meine Taschenlampe, die ich klugerweise mitgebracht hatte, an und richtete den Lichtstrahl auf den Buchrücken.
 

Ich öffnete es.

Es gab Nagis Handschrift Preis, fein säuberlich reihte sich Zeichen an Zeichen.

Zeilen.

Sätze.

Seiten.
 

September, am 2., bewölkt

Du wunderst dich wohl, dass ich dir schreibe, oder? Ich meine, ich könnte genauso gut mit meinem besten Freund darüber sprechen. Mit Yuuichi.

Aber es gibt Dinge, über die man besser schweigt. Meine Wahrheit ist eines davon. Und ich kann es nicht länger für mich behalten. Ich muss es irgendjemandem sagen. Dir.

Es existiert schon so lange, ich könnte mich sicher nicht mehr an den Ursprung erinnern, wenn er mich nicht so gezeichnet hätte, dieser eine Tag im Sommer.

Er hat so gelacht.

Wenn ich mich nicht so dumm angestellt hätte, dann wäre es wohl nicht passiert.

Seine Augen haben in diesem Augenblick unbeschreiblich geleuchtet, dass ich für einen Moment geglaubt hatte, sie würden für mich strahlen. Dieser eine Augenblick hatte mein Leben verändert. Ich hatte es gewusst.

Der Tag, an dem ich das Gleichgewicht verlor, war auch der Tag, an dem ich mein Herz verlor.
 

September, am 13., Sonnenschein

Warum scheint die Sonne? Ich wünschte, es wäre draußen so düster, wie ich mich in meinem Inneren fühle.

Ich wünschte auch, ich könnte es einfach sagen. Es ist grausam, ihn zu beobachten und so zu tun, als würde es mich kalt lassen. Als wäre ich dagegen. Ist sich selbst zu verleugnen nicht bereits eine Sünde?

Aber ich sollte wohl zuerst von vorne beginnen.

Wir sind in die Ferien gefahren. Nicht lange, nur ein paar Tage.

Wie sehr musste ich mich beherrschen, als ich ihn so sah, wie er war. Weißt du, was ich getan habe?

Ich habe Mädchen angeschleppt. Ist das nicht erbärmlich? Sie machen mich nicht an. Nichts an ihnen interessiert mich.

Aber es war meine Notlösung aus der Situation.

Natürlich weiß ich, dass es nichts zwischen uns gibt, natürlich weiß ich es..

Jede einzelne Sekunde in seiner Gegenwart ist schön und trotzdem gibt es mir einen Stich.

Verliebt zu sein ist nicht das, was ich mir gewünscht habe. Und in einen Mann verliebt zu sein, ist auch nicht das, was sich meine Welt von mir wünscht.
 

Oktober, am 25., Nicht definierbar?

Es tut mir leid, dass ich so lange nicht geschrieben habe. Es sind nur so viele Dinge passiert, die ich niemandem anvertrauen konnte. Es ist krank, aber nicht einmal einem Buch konnte ich das alles erzählen.

Ich habe beschlossen, dass ich nur noch meine Gefühle niederschreibe – nicht das, was geschehen ist.

Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. In seiner Gegenwart werde ich innerlich unruhig, mein Herz schlägt schneller als sonst und ich starre ihm auf die Lippen. Ohja.. natürlich ist es nicht auffällig, wie auch?! Ich bin scheinbar Meister des Verhüllens. Aber umso besser ich darin werde, den perfekten Homophoben zu mimen, desto mehr schmerzt es in meinem Inneren.

Bitte lass mich sagen, dass ich schwul bin.

Bitte lass mich sagen, dass ich ihn begehre.

Ich weiß, dass das alles leere Wünsche sind, denn eigentlich sollte ich es wissen, dass dieses Sehnen keine Zukunft hat. Nie eine hatte.

Aber ab und zu möchte ich einfach die Karten auf den Tisch legen.

Und mich erleichtert fühlen.

Wenn auch nur für einen Augenblick.
 


 

November, am 3., bewölkt, Nebel

Draußen kann ich jetzt schon den Nebel sehen. Seine Schwaden sind wie düstere Vorboten von etwas, das noch auf uns zukommen wird.

Es ist kalt geworden. Ich habe meinen Mantel ausgepackt und die Handschuhe, den Schal.

Es ist fast so, als würde mein Zustand sich dem Wetter anpassen; ab und zu bin ich wie erstarrt. Aber sobald ich ihn sehe, kann ich wieder der Clown sein. Es ist ganz einfach in seiner Gegenwart. Ich habe – abgesehen davon – auch gar keine Wahl; bin ich es nicht, wird der Schein nicht mehr gewahrt.

Sein Lachen ist in letzter Zeit seltener geworden. Leider habe ich mich nicht getraut, ihn zu fragen, was es für einen Grund hat. Ich glaube, er trägt Dinge mit sich herum, die ihm schwer zu schaffen machen. Wir sind uns fast schon ein bisschen ähnlich.
 

Und immer diese Hoffnungen. Wie er mich ansieht, wie er mit mir spricht. Man könnte meinen, es gäbe noch ein Glück für mich – wenn ich es nicht besser wüsste.
 

Lasst uns den Vorhang des Vergessens fallen lassen.
 


 

Dezember, am 7., Schnee

Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht.
 

Dezember, am 9., Schnee-noch immer

Warum bin ich nur so schwach geworden? Warum habe ich es getan..?

Ich habe alles kaputt gemacht.
 


 

Dezember, am 16., bewölkt

Die Hoffnung erwürgt mich fast. Dauernd gibt es dieses Gefühl in mir, dass mir sagt: „Aber vielleicht doch.. Du musst nur geduldig sein.. Nett zu ihm sein.. Irgendwann wird er es dann bemerken, dass du der Richtige bist..“

Warum lässt mich diese Illusion nicht in Ruhe?
 


 

Dezember, am 22., Schnee

Ich habe jetzt eine Freundin. Es ist nicht derwert, ihren Namen zu erwähnen, aber ich habe beschlossen, normal zu werden.

Wie das so plötzlich kommt?

Irgendwann musste ich ja eine Entscheidung treffen. Es ist nicht meine Art, da zu sitzen und zu warten.
 

Es ist schrecklich. Ich lüge. Natürlich will ich ihn. Sie bedeutet mir nicht das kleinste Bisschen, ich will, dass sie weggeht und mich in Ruhe lässt. Aber ich muss ein Mensch werden. Ich muss mein lächerliches Schwärmen vergessen.

Es ist nur Schwärmen. Nichts weiter.

Es geht sicher vorbei.

Hetero zu sein, schaffe ich auch.
 


 

Januar, am 9., Schnee

Nein.

Das ist nicht wahr.

Es ist alles eine Lüge.

Ein erneuter Trick meines Schicksals.

Er darf das nicht sagen.

Nein.

Er soll nicht lügen.

Ich möchte weinen.
 

Februar, am 23.,bewölkt

Ich halte das nicht mehr aus. Ich will einfach nicht mehr. Lasst mich einfach gehen. Du tust mir so weh.

Hörst du?

DU TUST MIR SO WEH!

Warum verstehst du einfach nicht? Warum versuchst du es nicht wenigstens?

Straf' mich nicht mit Ignoranz.. Bitte.. Es ist so schon unerträglich.. dich zu sehen und nicht zu haben..

Du entfernst dich so weit von mir.. wie Lichtjahre..

Die Distanz kann ich nie wieder einholen.. dich nicht mehr erreichen..

Es ist jetzt vorbei.

Ich sage mein stummes Auf Wiedersehen an dich, in der Hoffnung, dass du mich aufhalten wirst. Aber wie sollst du auch.

Du weißt es ja nicht.

Deine Ohren hören mich längst nicht mehr, oder?

Es tut so weh..
 


 

Ich habe dich so geliebt, Yuuichi.
 


 

Es war sein letzter Eintrag.

Die Seiten danach waren so leer, wie mein Inneres.

Zuerst blätterte ich verzweifelt weiter, auf der Suche nach etwas, nur einem weiteren Satz von ihm, aber dann erkannte ich, dass nichts mehr kam, dass hier seine Worte zuende waren. Er alles gesagt hatte.

Ich konnte sie nicht aufhalten, die Tränen, die über meine Wangen liefen, wie Sturzbäche.

Nein, das war alles nicht wahr.

Wie konnte ich nur so derart am Glück vorbeigelaufen sein?

Warum hatte ich es nicht bemerkt?

Ich begann zu weinen und während mein Körper sich wie von selbst krümmte, hallte ein einzelnder Satz in meinem Kopf wieder und wieder; „Ich habe dich so geliebt Yuuichi“

Meine Arme um mich geschlungen presste ich meine Augen zusammen und gab mich dem Schmerz hin, der jetzt wie ein unsichtbarer Prügel unbarmherzig auf mich niederschlug und mir eine Wunde nach der anderen verursachte.

„Nagi..“, war alles, was meine heisere Stimme hervorbrachte – es war als Schrei gedacht gewesen, aber es endete in einem leisen, tränenerstickten Krächzen.

Warum hatte ich alles falsch gemacht?

Warum war alles so gekommen?

Wer tat mir das an?
 

Nichts lässt sich mit meinem Schmerz vergleichen.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Wart ihr überrascht?

Über Nagis wahre Gefühle?

Also ich hätte mich sehr dumm gefühlt, wenn ich Yuuichi in diesem Moment gewesen wäre. Aber vor allem hätte ich das Gefühl gehabt, mich grün und blau schlagen zu wollen.

Yuuichi wird noch ziemlich viele Gefühle durchleben müssen.

Ich bin froh, dass ich sowas nicht mehr mitmachen muss ^^"

Ich bin Single auf Lebenszeit (haha..)

Wo die Träume enden und die Realität beginnt

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich gerannt bin. Die Straßen ziehen endlos an mir vorbei, die Dunkelheit der Nacht weicht noch nicht dem Tag. Es ist fast leise, der Asphalt und der Schnee schlucken meinen Schritte. Zurück bleiben nur Spuren – Abdrücke meiner Schuhe.

Aber auch sie werden bald verweht sein. Vergangen und vergessen.

Straßenlaternen spenden spärliches Licht.

Ich sehe es nicht.

Eigentlich sehe ich gar nichts.

Meine Gedanken haben schon längst Überhand über mein Dasein genommen.

Und während die Gegenwart an mir vorbeizieht, lebe ich noch immer in meinen Gedanken den verlorenen Traum.
 

Mein Herz raste, als ich anhielt, mich keuchend an eine kalte Mauer lehnte. Ich schloss kurz die Augen, nur um für ein paar Sekunden Luft zu holen.

Luft holen für was?

Während mein Herz hart pochte und ich fühlte, wie sich Kopfschmerzen anbahnten, versuchte ich, mich selbst wieder etwas zu beruhigen. Ich kam so nicht weiter. Ganz egal, wie dumm ich war und auf welch gemeine Art das Schicksal zugeschlagen hatte; wenn ich wie ein Idiot durch die Gegend rannte, änderte sich dadurch auch nichts.

Nach einigen Sekunden der mühevollen Versuche, mich auf den Boden der Tatsachen zu bringen, war ich im Kopf zumindest soweit wieder fit, dass ich fähig war, die Lage etwas distanzierter zu betrachten.

Nagi war weg. Nagi liebte mich, wusste aber nicht, dass seine Gefühle die ganze Zeit erwidert worden waren. Beziehungsweise er wusste es doch und jetzt war er verschwunden. Meine einzige Schlussfolgerung war, dass er mit seinen Schuldgefühlen nicht klar gekommen war und jetzt den Weg der Flucht gewählt hatte.

Fast hätte ich gelacht.

Wie ähnlich mir Nagi war.

Erneut brach eine Welle des Schmerzes über mich herein und übermannte mich in ihrer Wucht. Ein Schluchzen unterdrückend lehnte ich meinen Kopf an die kalte Mauer.
 

„Kann ich Ihnen helfen?“

Die Stimme von hinten durchbrach meinen Anfall und ließ mich meinen Kopf drehen.

Verdatter blickte ich in ein Gesicht, das mir nichts sagte.

„N-nein..“

Zu mehr ließen sich meine Beißwerkzeuge nicht bewegen. Der Mann blickte etwas verstört, öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, ließ es jedoch schlussendlich.Stattdessen senkte er seinen Kopf vor der Szenerie, die vor ihm stattfand. Ich erkannte nicht gleich, dass er sich meinetwegen schämte.

Als ich schließlich den Hintergrund seines Tuns erkannte, biss ich mir verschämt auf die Lippen.

In mir wurde der Gedanke frei, sich zusammenreißen zu müssen.
 

Nach einem letzten verunsicherten Atemzug drückte ich den Klingelknopf. Eine Glocke erklang, widernatürlich in der morgendlichen Stille der Gegend.

Es rührte sich nicht gleich jemand, erst nachdem ich einige Zeit leise vor mich hin gewartet hatte, wurde an der Tür gezogen.

„Yuuichi..? Was...“

Kaito blickte mehr als verschlafen zu mir herab, er trug nur Boxershorts und ein T-Shirt und seine Augen waren leicht rot und verquollen.

Irgendwo in meinem Kopf machte es „pling“, aber ich konnte nicht feststellen, was genau mich an dem Anblick von Kaito beunruhigte.

„Kann ich reinkommen..?“, murmelte ich zaghaft und kam mir dabei mehr als dumm vor, zumal man niemanden um so eine Uhrzeit herausholte.

„Klar.. komm rein..“

Kaum die Tür geschlossen, spiegelte sich ein gespenstisch besorgter Ausdruck auf Kaitos Gesicht wieder.

„Was ist passiert..?“

Ich schüttelte meinen Kopf, wie um mich selbst zu überzeugen und trat näher an ihn heran.

„Es ist nichts“

In Kaitos Augen blitzte es kurz ungläubig auf, aber er fasste sich sofort wieder, bevor er mich an sich heranzog und in seine Arme schloss.

„Man würde meinen, es sei einfacher für dich, wenn Nagi weg ist; aber das ist es nicht, oder?“

Ich schüttelte erneut den Kopf und versuchte seine Wärme auf mich zu übertragen. Ich brachte es nicht fertig, ihm die Wahrheit zu sagen. Das, was passiert war. Von dem Tagebuch, von Nagis Worten.

Wenn ich es einfach für mich behielt, würde alles gut werden, oder?

So standen wir eine Weile, schweigsam, ohne, dass einer noch mehr sagte, als das ohnehin schon Gesprochene.
 

„Du bist ziemlich kalt, lass uns ins Bett gehen. Ich bring dir einen Tee“

Anstatt wegen des plötzlichen Durschneidens der Stille zu erschrecken, nickte ich einfach. Kein Gedanke war in meinem Kopf, nur das Bedürfnis, jetzt endlich zu schlafen, dem kleinen Bruder des Todes einen Besuch abzustatten.

Und womöglich nie wieder aufzuwachen.

Nagis Wahrheit für die Ewigkeit zu wahren.
 

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Heute habe ich irgendwie nichts zu sagen..

Außer, dass mir Yuuichi mehr als leid tut.

Es tut mir auch leid, dass ich ihn so leiden lasse, aber irgendwie macht es das Leben einem ja auch nicht leicht, oder?
 

Als ich dieses Kapitel geschrieben habe, hatte ich etwas ganz Bestimmtest im Kopf - so wie immer. Aber leider weiß ich nun nicht mehr, was ich euch sagen wollte.

Hm.. ich kann euch raten, bei der Fanfiction den "Candidate for Goddess"-Soundtrack zu hören. Der ist wirklich schön und so stimmig.

Die Ewigkeit vor mir und keine Tür offen

Als ich aufwachte, war der Tag bereits weit fortgeschritten. Nichts erinnerte mehr an die qualvolle Nacht zuvor. Sogar der Schnee war einem grauen Matsch gewichen. Ein Blutrot hätte eher den Tatsachen entsprochen.

Ich drehte mich ein Mal ums Kreuz und sah, dass neben mir der Platz leer war. Wie es schien, war Kaito schon aufgestanden. Dieser Verdacht wurde zur Tatsache, als ich auf die Uhr, die auf dem Nachtkästchen stand, blickte.

12:39

Demzufolge hatte ich also bereits den halben Tag verschlafen. Nicht gerade ein guter Start, aber eigentlich kümmerte mich das so wenig wie der Dreck unter den Fingernägeln eines anderen. Jeder Tag würde von nun an schlecht beginnen; wer interessierte sich da noch für Uhrzeiten?

Ein wenig gequält erhob ich mich vom Bett und schlurfte in die Küche. Da ich, um in die Küche zu wollen, am Wohnzimmer vorbei musste, sah ich, dass Kaito am Schreibtisch hockte und gerade etwas in den PC tippte.

Seine Brille, die er nur Zuhause trug, war ihm etwas auf die Nasenspitze herab gerutscht, mich beschlich der Gedanke, dass er damit wirklich niedlich aussah. Diese Einsicht verweilte aber nur kurz, denn schon eine Sekunde später gesellte sich Nagi zu meinen Überlegungen dazu und meine Stimmung glich wieder einem schwarzen Loch; alle positiven Gedanken wurden ohne Ausnahme aufgesogen und erblickten nie wieder das Tageslicht.

Ein schmerzhaftes Stechen, das nicht physisch zu fühlen war, machte sich in meinem Bauch breit, während ich ein leises „Ohayô“ murmelte und weiter in die Küche schwankte.

Dass Kaito sich umgedreht und mir leicht besorgt hinterhergeschaut hatte, war mir nicht aufgefallen. Er hatte sich die Brille hochgeschoben, war aufgestanden und befand sich jetzt direkt hinter mir, als ich die Milch in den Topf goss, um sie warm zu machen.

„Lass mich das machen, Sch.. Yu.. Schatz“

Ich zuckte zusammen, starrte für einen Augenblick an die Wand vor mir.

„Komm..“

Kaitos Hand legte sich auf meinen Arm.

Die Wärme, die von seinen Fingern ausging, griff nicht auf meinen Körper über. Die Situation erinnerte mich an Nagi und meine verqueren, vielleicht sogar tölpelhaften Versuche, ihm näher zu sein und dabei trotzdem nicht zu zeigen, wie wichtig mir solche Augenblicke waren. Warum blieb in meinem Kopf nichts als Nagi zurück?

Ich trat etwas zur Seite, um Kaito Platz zu machen. Nach ein paar Sekunden des ihm Zuschauens setzte ich mich schließlich an den Küchentisch und starrte Löcher auf die weiß lackierte Holzplatte – mich psychisch auf etwas zu fokussieren klappte weit weniger gut.

„Du hast sehr viele Gefühle für Nagi .. oder.. ?“

Kaitos Genuschele überraschte mich nicht; es war förmlich in der Luft gelegen, dass jemand von uns beiden früher oder später etwas sagen musste. Dass mein Freund die Stille zuerst durchbrach, lag nur daran, dass er sie weniger gut vertragen hatte.

„Ja..“

Sekunden vergingen – weder er noch ich wussten, wie man das Gespräch weiterführen sollte. Ich nahm mir schlussendlich ein Herz und versuchte, mich ihm zu erklären.

„Ich weiß nicht so genau, welcher Art diese Gefühle nun sind.. Wie sie sich entwickelt haben..Ich weiß noch nicht mal, ob nicht ich Schuld an Nagis Verschwinden bin. Die Erleichterung, die ich verspürte, als ich es ihm gestanden habe, ist so schnell verschwunden wie der Schnee über den Tag. Alles, was jetzt davon übrig ist, ist ein nagendes, schlechtes Gewissen. Ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn vielleicht überfordert habe. Und dabei war doch ich der Leidtragende..“

Meine Laute hörte sich gegen Ende tränenerstickt an – mühsam versuchte ich, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich kurz vor dem Weinen war.

Kaito blieb es nicht verborgen. Und anstatt auf Distanz zu mir zu gehen, weil ich es ihm so schwer machte mit meinen vagen Andeutungen und meinem Alles-in-der-Schwebe-Haltens, stellte er den Topf auf eine kalte Herdplatte und trat von hinten an meine im Stuhl sitzende Gestalt und schlang seine Arme um meine Schultern. Legte seinen Kopf auf meine Schulter und küsste meinen Hals. Diesmal schmiegte ich mich an Kaito. Nein, eigentlich an meinen Freund.
 

Was tut man, wenn das Herz beschließt, seine Sachen zu packen und an einen anderen Ort zu ziehen? An einen Ort, der womöglich schöner ist?

Und was tut man, wenn man so lange sicher war, dass der eine Platz, wo das Herz so lange lebte, der schönste Fleck auf der Erde sei?

Soll man alles aufgeben? Das Alte zurück lassen? Oder es wiederbeleben? Dem Neuen eine Chance geben? Oder sich den Gefühlen hingeben, die immer da waren und irgendwann verdrängt wurden, weil sie keinen Nährboden fanden, um sich zu entwickeln?

Und was ist mit den tausend Türen, die einem offen stehen? Warum schließen sie sich automatisch mit der Tür hinter einem?
 

Kaito hatte mich für eine knappe Stunde alleine gelassen. Nicht, weil er sonderlich erpircht darauf gewesen war oder vor mir fliehen wollte, sondern weil es nicht anders ging. Essen wuchs eben nicht im Kühlschrank. Zumindest nicht, wenn man es vor dem Ablaufdatum aufgegessen hatte.

So war ich nun alleine mit mir selbst und dem Fernseher. Wieder einmal. Der einzige Unterschied war, dass die Einsamkeit ein Ende haben würde. Während ich auf der Suche nach etwas Aufmunterndem im TV war, hing ich nebenbei meinen Gedanken nach.

Wo Nagi jetzt wohl war?

Ob er jemals wieder zurückkehren würde?

Ob es ihm auch gut ging?

Und warum er eigentlich fort gegangen war..

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffente, wurde dies von einem dumpfen Pochen im Schädel und einem fahlen Geruch in meiner Mundhöhle begleitet. Wie lange ich so dagelegen hatte, wusste ich nicht sofort, nur dass Kaito mich zugedeckt haben musste, als er nach Hause gekommen war. Irgendwie schlapp gähnte ich und blickte suchend durchs Zimmer. Meine Augen blieben an der Gestalt in der Ecke vor dem Computer hängen.

„Kaito..?“

„Ja?“

Mein Freund drehte sich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen zu mir um, in seinem Gesicht war nicht die geringste Spur von Überraschung wegen meines Aufwachens. Ob er wohl darauf gewartet hatte, dass ich endlich wach wurde?

„Wie spät ist es?“

Ziemlich nüchtern erklang meine Stimme.

Kaito blickte auf seine Armbanduhr, antwortete dann: „Siebzehn Uhr“

Er war taktvoll genug, mir nicht zu sagen, dass ich nun wirklich den ganzen Tag verpennt hatte.

„Was machst du gerade? Arbeitest du?“, sprach ich weiter und straffte dabei etwas meinen Oberkörper.

„Im Moment nicht mehr, nein. Ich bin schon fertig“

Erneut wurden seine Worte mit einem kaum merklichen Lächeln begleitet, als würde er sich darüber freuen, dass seine Arbeit für heute erledigt war.

„Dann kannst du ja herkommen zu mir“

Ich hatte schneller gesprochen als gedacht und nun wunderte ich mich über mich selbst. Kaito scheinbar auch, denn es blitzte kurz irritiert in seinen Augen, bevor sie einen warmen Glanz annahmen. Eine Antwort war nicht nötig, mein Freund hatte sich schon erhoben und setzte sich nun neben mich.

„Brauchst du Ablenkung..?“

Seine Stimme war deutlich lasziv und herausfordernd. Weiter unten regte sich etwas bei mir, und das, obwohl ich alles andere als in der Verfassung war, überhaupt an so etwas zu denken. Alles, was ich wollte, war, möglichst schnell alles zu vergessen. Diesen Schmerz und diesen Hass auf mich selbst zu vergessen, wenn ich an Nagi dachte. Und während ich krampfhaft versuchte, die wieder die überhand gewinnenden Gedanken an Nagi zu unterdrücken, dem unbarmherzigen Pochen zu entkommen, war Kaito bereits über mich gestiegen und verwickelte mich nun in einen intensiven Kuss.
 

Diese Sekunden, Minuten gehörten ganz mir und Kaito, denn Kaito hatte sie zu unseren einfach gemacht.

Vielleicht..

Während mein Freund sich über mir befand, meinem Körper Reize abgewann, verschwand Nagi Schritt für Schritt aus meinem Bewusstsein.

So sehr er auch in meinen Gedanken präsent war, in diesem Moment konnte ich ihm entfliehen.

Ich konzentrierte mich auf den Körper vor mir und vergass nur für diese kurze Zeit, was mich belastete. Ließ mich einfach treiben, um der Realität zu entfliehen.

Dafür riskierte ich auch, dass der Schlag danach umso härter werden würde.

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die moralisch richtig handeln können in solchen Momenten. Es ist viel einfacher, sich mit etwas zu beschäftigen, was weniger Schmerz verursacht und ablenkt - auch wenn es falsch ist.

Elegie eines Verlorenen

Kaito beugte sich langsam über mich, verwickelte meine Zunge dabei in weitere Küsse. Mir blieb nichts anderes, als einfach zu genießen und mich dabei an ihn zu klammern, wie ein Verlorener an seinen letzten Strohhalm. Seine Finger waren überall, strichen ein Mal sanft über mein Rückgrat, berührten ein ander Mal leicht meine Oberarme, nur um sie eine Sekunde später mit seinen Lippen zu liebkosen. Die Zeit verstrich und ich dachte nicht einen Augenblick daran, dass diese Zweisamkeit auch ein Ende haben würde. Vielleicht wollte ich nicht daran denken. Vielleicht wollte ich auch einfach ein bisschen in diesem Traum leben, nur weil die Realität zu anspruchsvoll war, um ihr lange Stand zu halten.

Ohne irgendwelche Fragen zu stellen, ob ich bereit oder ob dies alles für mich in Ordnung war, schälte mich mein Freund langsam aus meiner Kleidung. Ich fühlte mich zu schlapp, um ihn von seiner zu befreien. Er erledigte es für mich, saß schließlich nackt vor mir. Es tat gerade so gut, meine passive Rolle, dass ich nur irgendwie erwartend zu ihm hochsah und still liegenblieb.

„Komm hoch“, flüstere Kaito mir zu, aus seinem Tonfall war nicht zu erkennen, was er vorhatte.

Ich tat, was er verlangte und erhob mich, war seinem Gesicht so um Einiges näher. Die angenehme Stille verbot mir, auch etwas zu sagen. Musste ich auch gar nicht, denn Kaito offenbarte mir soeben seine Pläne, indem er mich anhob und mich auf seinen Schoß setzte. Ich stütze mich an seiner Schulter ab, spürte dann eine Wärme, die sich zwischen meinen Beinen ausbreitete.

Ich schüttelte den Kopf.

„Gleich..“

Zwar handelte ich mir dadurch einen verwunderten Blick von meinem Freund ein, aber der stellte sich sogleich ein, als er erst einmal in mich eingedrungen war.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich mein Gesicht schmerzvoll verzogen, aber in diesem Moment war der Schmerz Balsam für meine Seele. Ohne weitere Sekunden verstreichen zu lassen, presste ich mich an ihn, legte meinen Kopf auf Kaitos Schulter. Zuerst langsam beginnend stoß er in mich vor, wurde dann etwas schneller. Seine Hände legten sich an meinen Hintern, krallten sich in mir unbekannten Takten in die weiche Haut. Jedes Mal sah ich diese Bewegung wieder nicht vorher und keuchte teils erschrocken, mehr aber lustvoll auf. Das ging so eine Weile. Eine Zeit, in der wir haltlos Richtung Höhepunkt trieben, wie verlorene Kinder, die nicht wussten, was ihre Taten anrichten würden.
 

Wie grausam die Wirklichkeit doch ist.

Unermüdlich spinnt die Zeit ihre Fäden, webt das Schicksal. Sekunde um Sekunde ein Wort, eine Tat, eine Entscheidung. Welchen Weg wir auch wählen, wir können nicht entfliehen. Und immer wieder gehen die Kinder daran zu Grunde.

Wie grausam die Wirklichkeit doch ist.
 

Ich sank auf die feuchte Oberfläche des Sofas zurück, lauschte den raschen Atemzügen Kaitos, der auf die andere Seite sank und seine Augen nun geschlossen hatte.

In meinem Körper pochte es und während ich noch in meinem Traum festhing und das erlösende Gefühl nicht gehen lassen wollte, tauchte Nagi in meinen Gedanken auf. Und plötzlich war es da, das schlechte Gewissen, das nagende Loch in meinem Magen. Mit einem Schlag empfand ich, als hätte ich einen großen Fehler begangen. Eine Untat, die irgendwie nicht richtig war und alles ins Chaos stürzte. Ich überlegte, ob es an Kaito lag, dass ich ihn einfach zu wenig mochte, als dass ich mit ihm schlafen hätte sollen, aber im selben Moment noch wurde mir bewusst, dass dies ganz und gar nicht der Fall war. Genau genommen hatte ich nun eben unbändige Lust, ihm nahe zu sein. Und das traf auf diesen Augenblick genauso zu, wie auf die gesamte Stunde davor. Aber irgendetwas war trotzdem falsch an der ganzen Sache.

Als ich schließlich entdeckte, was es war, erschrak ich so sehr, dass es auch Kaito, der sich scheinbar im Halbschlaf befand, auffiel.

Die Tatsache, dass Nagi mich liebte, ließ sich nicht mit der Tatsache verbinden, dass ich mit Kaito schlief. Es war wie wenn man wollte, dass zwei Mal zwei fünf ergibt. Ein Ding der Unmöglichkeit.

„Yuuichi?“, flüsterte es von der gegenüberliegenden Seite. Mein Freund hatte seine Augen geöffnet und blickte mir nun ganz und gar nicht mehr weggetreten ins Gesicht.

„Ich ich..“

Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte.

„Du siehst nicht unbedingt zufrieden aus.. War ich…“, er zögerte kurz, „nicht gut..?“ Auf sein Gesicht mischte sich ein leichtes Rot.

Die Aussage brachte sogar mich in Verlegenheit.

Ich beeilte mich „Nein, nein, das ist es nicht!“ zu stammeln. Fügte dann „Ich.. Ich habe ein schlechtes Gewissen..“ hinzu.

„Waru..“

Kaito verstummte.

„Du weißt etwas, was wir nicht wissen, oder?“

Meine Augen weiteten sich ganz von selbst. Wie konnte er..?

„Ja“, gab ich schlussendlich treuherzig zu.

Kaito schwieg mich an, forderte mich indirekt an, weiter zu sprechen.

Das tat ich dann auch.

„Nagi liebte mich. Es steht in seinem Tagebuch“

Kurz und schmerzlos?

Ich hörte, wie Kaito scharf die Luft einzog, sie erst nach einer Ewigkeit wieder ausstieß. Ganz langsam. Als würde er gerade in diesem Moment alle Geduld der Welt brauchen.
 

„Du wirst zu ihm zurückkehren, wenn er wieder da ist, oder..“

Die Stimme meines Freundes ließ nicht zu, dass ich feststellen konnte, ob er es als Feststellung, rhetorische Frage oder tatsächlich als richtige Frage meinte. Deshalb verzichtete ich auf das Kopfzerbrechen und antwortete.

„Ich weiß es nicht. Weißt du, ich habe ihn so lange geliebt und nun, als es erwidert wird, bin ich, statt mich darüber zu freuen, verwirrt. Und eigentlich weiß ich nicht, was genau ich tun soll, was von mir verlangt wird. N-nagi ist doch weg, oder? Aber du bist da und du warst es die ganze Zeit, aber trotzdem habe ich ihn so lange geliebt, dass ich nicht weiß, ob ich das einfach aufgeben kann. Von heute auf morgen. Und ob das auch eine gute Entscheidung ist. Und andererseits bist du mir auch wichtig. Wenn ich daran denke, dass ich dich enttäuschen müsste, dann wird mir schlecht. Aber Nagi..

Ich kann ihn nicht einfach vergessen und so tun, als hätte es all meine Gefühle nie gegeben“

Bei meinem letzten Wort stand Kaito auf und suchte seine Kleidung zusammen, zog sie rasch über und ging ins Bad. Ich blickte ihm mit einem miserablen Gefühl hinterher, streifte mir selbst meine Hose und den Rest über. Als er widerkam, hatte er nicht viel zu sagen.

„Ich halte das nicht aus. Geh zu Nagi oder komm zu mir, aber ein Dazwischen gibt es nicht. Es tut mir leid, aber das schaffe ich nicht einfach so. Ich weiß, dass ich der Verletzte sein werde, also bitte lass es uns gleich beenden“

Damit hätte ich eigentlich rechnen sollen, aber als ich Kaito so vor mir stehen sah, wie sein Gesicht ernst bei den Worten blieb und alles an seinem Körper darauf hindeutete, dass er mit dem Schmerz kämpfte, erstarrte ich. Fühlte zugleich, wie irgendwo eine Übelkeit in mir hochstieg, eine Übelkeit, die nur von unzähligen Erinnerungen kam. Kaito war nicht die erste Person, die mir ins Gesicht sagte, dass sie Schluss machen wollte.

Ich merkte, dass Tränen in mir hochstiegen, aber ich unterdrückte sie, nickte und antwortete mit belegter Stimme auf Kaitos Bitte.

„Du hast Recht.. Ich mache alles falsch.. Tut mir leid, dass du wegen mir bis jetzt so viel gelitten hast.. Ehrlich.. es tut mir leid..“

Und ohne noch einmal in die Augen meines Freundes zu blicken, nahm ich meine restlichen Sachen und verschwand.
 

~~+~~
 

[Anmerkung der Autorin]

Ich hoffe, es ist mir gelungen, zu zeigen, dass die Situation für beide schwer ist und beide darunter leiden. Obwohl Kaito Yuuichi nun für sich hat, ist es ein Pyrussieg.

Manchmal kann man sich gar nicht mehr freuen, wenn der Gewinn auf so viele Verluste aufgebaut ist.
 

Ich weiß gar nicht, wie viele traurige Lieder ich gehört habe, als ich diese ganze Geschichte geschrieben habe. Fakt ist, dass ich damit besser schreiben kann. Es ist, als würde ich mich dann besser erinnern können, was für Gefühle einen in solchen Situationen befallen.
 

Vielen Dank, dass ihr trotzdem immer weiter lest. Anfangs dachte ich, es würden nur noch ein paar Kapitel werden, aber wie ich merke, werden es wohl noch ein paar mehr werden. Es gibt noch viel Gefühle aufzuarbeiten.

Ist eine Beziehung nicht der schönste Alptraum, den man haben kann?

Wenn es einen Hauptpreis oder eine Auszeichnung gäbe für besonderes Unglück, dann hätte ich ihn jetzt verdient.

Noch bevor ich die Tür hinter mir geschlossen und die Jacke auf die Garderobe gehängt hatte, brach es aus mir heraus. Wie ein Schwall Blut spuckte ich Schmerz, Pein, Gram, irgendetwas aus mir heraus und stand schließlich gebeugt im Flur, die Arme um meine Körpermitte geschlungen.

Ich weinte.

Nicht, dass dies das erste Mal seit langem war, aber im Moment hatte ich gerade mein Schmerzpensum erreicht und kroch an einer Grenze herum, die ich gehofft hatte, so schnell nicht wieder zu erreichen. So unglaublich viel war gerade grundlegend falsch gelaufen in meinem Leben, dass ich wünschte, ich könnte eine Klappe über mir schließen und somit die Welt vor mir wegsperren.

Natürlich schloss sich weder eine Luke über mir, noch tat sich eine Tür vor mir auf.

Ich steckte alleine in meinem Leben fest.

Wie schaffte man es, innerhalb kürzester Zeit gleich zwei der wichtigsten Menschen zu verlieren? Wie ging man damit um?

Es war mir unmöglich, mich vollends für Kaito zu entscheiden, weil ich ihn unweigerlich anlügen hätte müssen. Und Nagi? Was war mit der Option Nagi? Er war einfach ganz verschwunden, war weggerannt vor sich, seinem Leben, mir, der Band, allen, die ihn liebten. War das etwa mutig? Mit welchem Gewissen konnte ER das eigentlich verantworten? War Nagi nicht tausend Mal schwächer als wir?

Zorn stieg in mir hoch, als ich mir der Bandbreite dessen bewusst wurde, was Nagi selbst angerichet hatte. Wütend war ich, auf diesen Vollidioten, der mir das Chaos hinterließ und mich an all meinen Gefühlen für ihn zweifeln ließ.

Hatte er denn überhaupt eine Ahnung, was es hieß, zurückgelassen zu werden? War es nicht immer viel schwerer für die Hinterbliebenen der Opfer, als für die Opfer selbst? Diejenigen, die die Last des Gewissens zu tragen hatten und das womöglich ein Leben lang?

Ich merkte, wie ich in ein Stadium der Wut hineinschlitterte, das womöglich nicht so gesund enden würde, deshalb schloss ich die Tür hinter mir und betrat das Badezimmer, schälte mich erneut aus der Kleidung, in die ich mich doch gerade vor nicht allzu langer Zeit hineingequetscht hatte. Heißes Wasser beruhigte mich immer ungemein und bei meiner Laune war es dringend nötig. Während ich den Wasserhahn aufdrehte und das Badewasser einließ, verebbte meine Aggression langsam mit dem plätschernden Geräusch.

Zurück blieb nur das ernüchternde Gefühl der Hilflosigkeit, als ich schließlich nackt in der Wanne saß und die Fliesen an der gegenüberliegenden Wand anstarrte.

Was war aus meinem Leben passiert? Wann hatte sich das Gleichgewicht zugunsten der anderen Personen an meiner Seite entschieden? Wann hatte ich die Hauptrolle stillschweigend abgegeben, mich in die nichtssagende Position eines Statisten drängen lassen..?

Bevor ich mir dessen richtig bewusst war, war ich mit einem inneren Drang von „Ich habe es satt“ befallen. Allmählich hatte sich diese Tendenz von Minute zu Minute, Stunde, ja, vielleicht sogar Tagen gesteigert, um jetzt ans Tageslicht zu kommen.

Ich hatte alles so satt. Dieses ganze Theaterspiel, das sich Leben nannte und in dem es nur Versagen oder noch mehr Versagen gab. Wie konnte man etwas positiv absolvieren, von dem die einzige Regel war, dass man nicht gewinnen konnte?

Ich stieg aus der Wanne, setzte meinen Fuß auf den Boden und schnappte mir ein Handtuch.

Genauso harsch, wie ich mir das Frottee gekrallt hatte, war ich auch überzeugt, von nun an die Dinge zu regeln.

Nagi war verschwunden. Na und? Wen interessierte das? Sollte dieses Arschloch doch in der Wüste verrecken.

Kaito war sauer? Spitze. So fiel gleich noch eine Last weg.

Ich würde keinem von beiden eine Träne nachweinen, denn im Grunde war ich alleine immer am glücklichsten gewesen, oder? Und ganz genau das wollte ich auch wieder werden. Alleine. Und ein freudloses Kapitel abschließen, um eine vielleicht auch nicht schöne, aber dafür sinnvollere Zukunft zu beschreiten.
 

Ja, genau. Ein Abschluss für immer. Diese lächerlichen Gefühle für noch lächerlichere Männer loswerden.

Damit würde vielleicht nicht alles gut werden, aber besser denn je.
 

Meine erneuten Tränen straften meine Worte Lügen.
 

Es war Montagmorgen, als ich durch den Supermarkt ging und die nötigsten Dinge für die nächsten beiden Tage einkaufte. Ich stapfte schnell durch die Reihen, auf der Suche nach einer frischen Packung Reis, in der Hand bereits diverse Säcke mit Gemüse.

Kochen war jetzt mein neues Hobby, seit ich mich nicht mehr mit meinen Freunden beschäftigte. Kochen hatte auch mein Essverhalten zugunsten meines Körpers verändert.

Als ich gerade um ein Eck bog und dabei mit einem Röntgenblick die Regale nach eben meinem gewünschten Reis absuchte, klopfte mir eine Person ziemlich hastig auf die Schulter. Von hinten hörte ich Keuchen.

Ich drehte mich um, mehr als zwiegespalten über diese äußerst unfreundliche Art, mich auf sich aufmerksam zu machen, und merkte, wie ich erstarrte beim Anblick, der sich mir bot, sogleich mich aber eines Besseren besinnte und irgendwie auf lässig tat.

„Hi“

Die Person mir gegenüber lächelte unsicher, schnaufte weiter vor sich hin, was wohl nicht von sexueller Erregung kam, wie ich befürchtet hatte, sondern von schnellem Rennen.

Ich nickte leicht, tat, als wäre es mir gleichgültig, wer vor mir stand.

„Hi Kaito“

„Mann, du hast echt ein Tempo drauf..“

Als Antwort zog ich etwas meine Augenbraue hoch und schwieg. Nachdem Kaito keine Anstalten machte, weiter etwas zu sagen, rang ich mich doch dazu durch, ihn wenigstens zu fragen, was er wollte.

„Was möchtest du von mir?“

Offensichtlich war meine Wortwahl ziemlich harsch gewählt, denn man konnte deutlich sehen, wie Kaito zusammenzuckte.

Irgendwo in meinem Inneren schrie etwas schmerzlich auf, ich musste an ein Tier denken, dass man quälte. Jedoch ließ ich mich von dem nicht abbringen und blickte stur weiterhin Kaito ohne irgendeine Regung an.

„I-ich..“, begann er zu stottern.

„Ich habe dich vermisst“

Er war so unglaublich leise, als er das sprach, dass ich ihn nur deshalb verstand, weil nicht viel im Laden los war und wir in Stille gehüllt waren.

Das schmerzhafte Schreien in meinem Inneren wurde lauter, nahm die Dimension eines Tieres in unerträglicher Folter an.

Ich ging nicht darauf ein und schüttelte innerlich den Kopf, um dieses Gefühl los zu werden. Dezent ignorierte ich die Tatsache, dass ich seit drei Wochen jeden Kontakt zu Kaito vermieden beziehungsweise ihn sogar abgeblockt hatte. Unsere Band stand am Ende. Von unseren Beziehungen untereinander gar nicht erst zu sprechen.

„Warum?“

Abermals zuckte Kaito zusammen. Diesmal hatte er sich nicht so gut im Griff und sein Gesicht überzog sich mit einem dunklen Schatten.

„Yuuichi.. Tu das nicht.. bitte..“

Der Laut seiner Stimme war gerade zu einem Flehen geworden. Ich registrierte es, ohne seine Mimik sehen zu müssen. Das hielt mich jedoch nicht von meinen bösen Worten ab, die ich jetzt sprach.

„Ich habe die Schnauze voll. Nagi haut ab, ja? Er ist ein egoistischer Bastard, wenn er mir so etwas aufhalst, obwohl er wusste, dass ich ihn liebte. Du verlässt mich? Okay, von mir aus, kannst du ruhig tun. Lebt alle euer eigenes Leben. Aber dann erwartet nicht von mir, dass ich noch etwas mit euch zu tun haben will. Ich habe keine Lust mehr auf eure bescheuerten Anwandlungen!“

Die letzten Worte hatte ich geschrien.

An Kaitos geöffnetem Mund, aus dem kein Wort durchdrang, war zu erkennen, dass ich ihn schwer getroffen hatte.

Punkt für mich.

Die Wut stand mir immer noch ins Gesicht geschrieben, während ich den Reis gewalttätig in meinen Einkaufskorb warf, als ginge es darum, wer seine Packung schneller zerstören konnte.

„Bitte komm zu mir zurück“

Fast verloren wirkte diese Aussage von Kaito, die im Meer der agressiven Laute, die ich von mir losgegeben hatte, drohte unterzugehen.

Meine gerade eben noch zur Faust geballte Hand sakte kraftlos neben meiner Hüfte hinab. Das Schreien in meinem Inneren hatte das Level eines Orkans angenommen und ich spürte, wie ich bereits zitterte.

Wenn ich mich nicht beeilte, das Gespräch zu beenden, würde der Widerstand, den ich so verzweifelt in den letzten drei Wochen versucht hatte, aufzubauen, niederbrechen und alle meine Gefühle würden einfach wie durch ein Loch im Staudamm herausfließen, ohne Halt.

„Warum stößt du mich von dir, wenn du mich zurück willst..“

Ich flüsterte, damit er nicht erkennen konnte, wie meine Stimme unsicher war, kämpfte mit aller Macht gegen den Wunsch an, von Kaito in den Arm genommen zu werden. Wieso musste mir genau in diesem Moment erst so richtig klar werden, dass ich den Menschen vor mir trotz alledem, was vorgefallen war, liebte? Warum hatte ich es nicht geschafft, in der von ihm getrennten Zeit, diese Tendenz, deren ich mir durchaus bewusst geworden war, abzuwürgen? Weshalb war ich so ein schwächlicher Versager, der nicht einmal das auf die Reihe brachte.. Warum lenkte mich das Leben von einer Kompliziertheit in die nächste..?

„Geh nicht weg. Ich will dich nicht gehen lassen! Wenn du mich einfach zurück lässt, dann folge ich dir! Du bist nicht nur ein Freund, den ich nicht verlieren will, sondern auch der Mensch, der mir schon so lange wirklich wichtig ist“

Kaito wurde verzweifelt und die Lautstärke seiner Stimme war mittlerweile so laut, dass man es ihm Geschäft überall hören konnte, der Ladenbesitzer irritiert zu uns herüber starrte. Ich nahm es nicht wahr. Alles, was zählte, stand direkt vor mir.

Bevor mein eiserner Vorhang Maßnahmen treffen konnte, hatten meine Gefühle Überhand gewonnen.

Ich weinte. Stand mitten im Laden und heulte, als hätten alle Staudämme der Welt ihre Schleusen geöffnet. Mich in einem so weit fortgeschrittenen Stadium befindend, dass ich nicht realisierte, wie peinlich ich mich als Mann, als Mensch benahm.

Durch den Schleier meiner Tränen sah ich, dass Kaito an mich getreten war. Seine Arme schlossen sich um meinen bebenden Körper.

Ich drückte mich an ihn und presste mein Gesicht an seinen Hals. Die Verbissenheit und Wut, die mich die letzten drei Wochen begleitet hatten, fiel von mir und ich konnte nur daran denken, dass ich ernstlich verleugnen hatte wollen, dass ich Kaito liebte, dass ich den Weg der Einsamkeit gewählt hätte, nur um nicht weitere Probleme zu wälzen.

„Ich liebe dich irgendwie.. Aber ich weiß nicht, warum – nur weil Nagi weg ist..? Das ist alles nicht logisch.. Nichts passt zusammen..“, weinte ich tränenerstickt in seinen Nacken. Der Griff rund um meinen Körper verstärkte sich, ich spürte die Wärme, die von ihm ausging.

„Niemand hat je gesagt, dass Liebe logisch ist. Oder dass es keine Opfer gibt. Liebe ist die grausamste Art, jemanden zu verletzen. Und der schönste Weg, jemanden glücklich zu machen“

Aus Kaitos Antwort war kein Urteil zu hören, er hatte mir lediglich die Realität mitgeteilt, mir damit gezeigt, dass es nicht komplett meine Schuld war, wie ich fühlte.

Ich schob meine Beine noch näher an ihn heran und schloss meine Augen.

„Dann gehe ich jetzt wohl den unlogischen Weg, was?!“
 

~~+~~

Ich persönlich finde nicht, dass es peinlich ist, wenn Männer weinen. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich dennoch dafür schämen.

Jeder hat so seine Grenzen und wenn er sie überschreiten muss, ist es nicht leicht. Ich denke, dass Yuuichi innerlich so fertig ist, dass er es nicht kontrollieren konnte, im Laden nicht loszuweinen.
 

Ach ja, wie gefällt euch eigentlich der Gedanke, dass Yuuichi Kaito liebt? ^_^

Genuss der Normalität

Ich spielte ein paar Schläge auf meinen Drums, blickte dabei mit einem prüfenden Blick in die Luft, um auf den Klang zu hören und so herauszufinden, ob auch alles meinen Ansprüchen entsprach. Dass Kaito mir lächelnd dabei zusah, während er das Mikrofon einstelle, entging mir so natürlich, aber Sae blieb es nicht verborgen. Mit einem erleichterten Ausdruck stellte er die Worte in die Runde.

„Es ist schön, euch so glücklich wieder zu sehen. Ich dachte, dass unser aller Freundschaft den Bach hinabfließen würde. Der Gedanke war nicht angenehm, euch und die Band zu verlieren“

Als ich die Worte mehr unbewusst zwischen den Schlägen vernahm, hielt ich für einen Moment mit meinem Testen inne. Aus dem Gesicht unseres Freundes war weit mehr als nur Bedauern, sondern auch ziemlich dunkle Augenringe und leicht eingefallene Wangen zu sehen, ja eine Ernsthaftigkeit, die erkennen ließ, dass die Aussage nicht so locker lässig war, wie sie klang. Ich wusste, dass es Ren und vor allem Sae mitgenommen hatte, dieses ganze Hick-Hack. Und dass Nagi immer noch keinen Deut von sich hören lassen hatte beziehungsweise wir nicht einmal wussten, ob er überhaupt noch lebte, nagte scheinbar sehr an den zweien. Man konnte es ihnen nicht verübeln; sie waren so etwas, wie meine schweigsamen Ersatzeltern. Sie sprachen die ernsten Dinge nicht gerne an, aber sie litten mehr, als man auch nur erahnen konnte. Schuldbewusstsein befiel mich und ich fühlte mich gezwungen, was darauf zu sagen.

„Es tut mir leid, Sae.. Wenn ich darüber nachdenke, wie kurz wir vor dem Zusammenbruch waren, dann will ich mich in Zukunft noch viel mehr bemühen..“

Ein Lächeln von Ren, der gerade seinem Freund die Hand scheinbar als Stütze auf die Schulter legte, folgte.

„Ihr habt keine Ahnung, was für Sorgen sich Sae euretwegen gemacht hat. Die Aussicht auf den Verlust von gleich zwei Freunden ist nicht gerade lustig“

Ich wusste, dass nicht nur Sae besorgt gewesen war und blickte betreten zu Ren zurück.

Kaito kam mir zu Hilfe.

„Leute, wir sollten nach vorne schauen. Ich werde Yuuichi nicht mehr gehen lassen. Und wer auch immer kommen mag und ihm etwas antun will, der wird schon sehen, zu was ich fähig bin. Ich sollte nicht schlecht über Nagi sprechen, immerhin ist er ein Freund“, das ‚Freund’ betonte Kaito irgendwie auf eine leicht seltsame Art, wie ich fand, „aber Yuuichi in diesem Gefühlschaos zurück zu lassen, ist mehr als unverantwortlich. Um ehrlich zu sein; das werde ich diesem Idioten nicht verzeihen“

Das Statement war wohl mehr an mich gerichtet, zumindest die letzten Worte. Ohne zu wissen warum, breitete sich ab dieser Aussage eine angenehme Wärme in meinem Bauch aus und ich hatte das Bedürfnis zu lächeln. Was ich dann auch tat.

„Du hättest es nicht besser sagen können“, antwortete Ren sanft. „Allerdings dürfen wir nicht zu hart über Nagi urteilen, wir wissen seine Beweggründe nicht genau und vielleicht mögen unsere Ansichten mehr von der Wahrheit entfernt sein, als wir glauben“

Ich schluckte hart und versuchte bei dem Gedanken an Nagi, keinen Schmerz zu empfinden.

Es klappte nicht.

Sae erwiderte meinen traurigen Gesichtsausdruck und faltete dabei seine Hand in Rens. Ich ließ meine Gedanken auf Nagi ruhen und wurde mir dadurch bewusst, was für gemischte Gefühle er in mir losgetreten hatte; Verzweiflung, Angst, Schmerz, Wut und zuletzt auch sehr viel Liebe. Die letzten Wochen waren erschöpfend gewesen, sowohl für meine Nerven, als auch für die meiner Freunde. Wenn ich Nagi in mein Bewusstsein rief, dann klaffte da immer noch ein großes, schwarzes Loch, das in allen Momenten, die mich an Nagi erinnerten, ungnädig schmerzte und mir wieder diese Bandbreite von Gefühlen vor Augen führte. Zumeist waren diese von einem schlechten Gewissen begleitet. Ja, das schlechte Gewissen, das seit ich mit Kaito nun wirklich zusammen war, mit mir herumtrug. Das schlechte Gewissen, von dem ich glaubte, dass es mich daran mahnte, dass meine Zuneigung für Nagi noch nicht von dannen gezogen war, sondern nur versperrt in einer Schachtel darauf wartete, wieder erweckt zu werden.

Ich hatte Angst, vor diesem schlafenden Löwen.

Zumal ich mir mehr als sicher war, dass es sehr, sehr viel sinnvoller, für mich wohltuender und Früchte tragender war, meine Gefühle für Kaito zu unterstützen.
 

Meine zwei Freunde waren schon weggelaufen, Rens Hunger folgend (Sae hatte sich verlegen entschuldigt) und ließen Kaito und mich zurück. Kaito schloss die Tür des Proberaums ab und stopfte den Schlüssel danach in seine Hosentasche. Auf seinem Gesicht bildete sich ein Lächeln, als er sich von dem Getanen abwandte und zu mir sah.

„Wollen wir nach Hause gehen?“

Ich gab meine Finger in seine ausgestreckte Hand und nickte, schob meinen Körper etwas näher an ihn, sodass man nicht auf den ersten Augenblick sah, was wir taten. Irgendwie musste ich bei dem Wort „Zuhause“ an die Wohnung meines Freundes denken. Mein Gedanke sponn sich von selbst weiter und ich landete bei der Vorstellung, jeden Morgen neben ihm aufzuwachen. Für einen kurzen Moment überraschte es mich, dass ich dabei von einem angenehmen Gefühl durchflutete wurde; dann wurde mir klar, dass ich nicht ewig davon ausgehen konnte, dass niemand außer Nagi etwas in mir rühren konnte. Ich verspürte den Drang, mich Kaito mitzuteilen, während ich so neben ihm herging, einen Fuß vor den anderen setzte und dabei nasse Spuren im Schnee hinterließ.

„Sag mal, Kaito.. Bist du dir auch schon mal begrenzt vorgekommen? Ich meine, erkanntest du auch bei irgendwas, dass du die ganze Zeit einem Irrglauben hinterhergerannt bist?“

Ich hätte erwartet, dass mein Freund sich Zeit lassen würde bei der Antwort, aber ganz im Gegenteil, er erwiderte fast sofort etwas.

„Ja“

„Wann? Und bei was?“

Auch jetzt antwortete er ohne zu zögern.

„Als du aus der Tür verschwunden warst, fand ich heraus, dass es ein Irrglaube war, zu meinen, alles würde besser werden, wenn du weg bist. Zuerst dachte ich die ganze Zeit über, dass es sinnvoll wäre, die Situation mit Nagi zu ignorieren und weiter an dir fest zu halten. Dann glaubte ich, zu begreifen, dass dies niemals klappen würde und wollte mich von dir lösen. Aber irgendwann wurde mir klar, dass es zwar richtig war, dir zu sagen, dass ich mit all dem nicht klar komme, aber ich dich auch nicht einfach aufgeben durfte. Wollte..“

Neben mir ging ein sehr ernster Kaito, keine Spur von Spaß war in seiner Stimme zu hören, während er mir von dem erzählte, was ich nicht gewusst hatte. Ich betrachtete ihn schweigsam von der Seite und bevor ich mich versah, war meine Zuneigung zu ihm nochmals um Weiten gewachsen. Dass Kaito begehrenswert war, hatte ich schon zu einem viel früheren Zeitpunkt in meinem Leben registriert, aber dass er ein Mensch war, den ICH nun begehrte, wurde mir erst in diesem Moment so richtig bewusst. Ein seltsam erleuchtendes Gefühl machte sich in mir breit und ich spürte, wie ich mich merklich fester an Kaitos Hand klammerte, fast, als könnte ich ihn dadurch so fest halten, dass er sich nicht von mir lösen können würde.

Oder ich mich nicht von ihm.

Ich handelte mir einen etwas fragenden Gesichtsausdruck von dem Mann neben mir ein.

Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt und setzte schweigsam einen Fuß vor den anderen, sog seltsam beruhigt die Abendluft ein.

~~+~~
 

[Anmerkungen der Autorin]

Juhu! Yuuichi liebt Kaito!

Erkennt man, dass ich mich freue? *lach*

Es ist alles nicht so einfach und auch wenn man Schläge einkassiert, muss man doch weiterleben. Ohne sich davon runterziehen zu lassen, ohne diesen Vorfall sein Leben dominieren zu lassen.

Ich denke, wir Menschen wählen immer den Weg, der uns die schönsten Gefühle beschert.

Das tut Yuuichi auch.

It's gonna rain

Alles verändert sich ständig, oder?

Man verliert aus den Augen, wer man einmal war und befindet sich schließlich an einem ganz anderen Punkt. Und wenn man ehrlich ist, stört es einen oft nicht, oder? Man ist teilweise sogar zufrieden mit dem, was man geworden ist. Weil man nicht stehen geblieben ist, am gleichen Ort. Weil man ständig Veränderung BRAUCHT, um das Gefühl zu haben, etwas erreicht zu haben.

Der Punkt, an dem ich mich jetzt wiederfand, sagte mir nichts darüber aus, ob meine Veränderung gut oder schlecht gewesen war. Ob es positiv war, den Gefühlen für Nagi den Kampf anzusagen und sie durch Ignoranz vergessen zu wollen.

Er verriet mir auch nicht, ob ich mit meinem jetztigen Freund Kaito dem Glück einen Schritt näher war.

Alles, was ich in Erfahrung brachte, was sich förmlich wie ein Reklameschild über der Situation abzeichnete, war, dass nichts mehr war wie zuvor.

Dass ich wieder ein neues Kapitel im Leben betreten hatte.
 

„Wie findest du den?“

Ich lag gerade auf der Couch in meiner Wohnung mit Kaito zwischen meinen Beinen, der sich an mich gelehnt hatte.

„Hm?“, erwiderte ich und legte dabei meine Unterlagen etwas zur Seite.

„Der da“, Kaito deutete auf das Foto auf dem Blatt Papier in seinen Händen, „Scheint recht interessant, was er da schreibt..“

Ich blinzelte über seine Haare hinweg und betrachtete das ausgefüllte Formular genauer, murmelte dabei den Namen des jungen Mannes.

„Rei Murasaki“
 

Nagi war nun seit fast zwei Monaten verschwunden und obwohl wir unsere Sorge um ihn und unsere Hoffnungen, dass er zurückkehren würde, nicht aufgegeben hatten, mussten wir an das Fortbestehen der Band denken. Deshalb war auch Sae gestern bei Kaito vorbeigekommen und hatte uns (Er wusste, dass ich neuerdings ziemlich oft dort schlief und er mich, wenn er mich treffen wollte, bei Kaito finden würde.) einen Stapel Formulare in die Hand gedrückt. Er hatte sich die Woche zuvor um einen neuen Gitarristen gekümmert und die ausgefüllten Zettel waren Bewerbungen von Leuten gewesen, die sich offensichtlich um den Platz, der wegen Nagi frei geworden war, bemühten.

Als ich die Papiere gesehen hatte, hatte sich ein dicker Kloß in meinem Hals gebildet und anstatt irgendwas zu sagen, hatte ich nur genickt und versucht, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mich belastete, dass Nagi nicht mehr hier war.

Nun befassten wir uns also mit den Kandidaten und deren Lebensläufen beziehungsweise Bewerbungen. Sie würden vorspielen und wir dann entscheiden, ob wir bald wieder zu fünft waren.
 

Ich las den Text von Rei Murasaki durch und legte dann meinen Kopf schief.

„Klingt nicht schlecht. Vielleicht hat er ja so viel drauf, wie auf dem Zettel steht“

Kaito nickte und legte das Papier auf die Seite. Gemeinsam blätterten wir weiter in den zwei Stößen, die wir hatten.

Nicht, dass es so unglaublich viele gewesen wären, die sich beworben hatten, aber wir entschieden uns gerne unabhängig für Favoriten, um nachher zu vergleichen. Das war mehr so eine Art Spiel für uns.

„Honda..“, flüsterte ich leise und blieb dabei an einer Bewerbung kleben. Ich sah, wie das Formular merklich zitterte, als ich es in der Hand hielt. Dieser Name.. Wann hatte ich ihn zuletzt gehört?

War das Absicht..? Ein Zeichen?

„Hm?“

Die Stimme meines Freundes durchdrang meine Starre und ich blickte ihm in die Augen, die er mir nun zugewandt hatte.

„Hier ist ein Honda dabei“

Meine Hand ließ sich nicht schütteln, obwohl ich das Papier hatte schwenken wollen.

Kaitos Gesicht überzog kurz ein Schatten, bevor er gleich wieder die Fassung über es gewonnen hatte.

„Was für ein Zufall..“, erwiderte er leise. „Das ist fast schon Ironie“

Sein kurzes Lachen hörte sich nicht fröhlich an, die Bitterkeit war daraus zu hören.

Ich nickte und legte meine Hände, die ich immer noch nicht im Griff hatte, neben mich, damit es nicht allzu sehr auffiel.

Es war nicht so, dass es nicht viele Japaner gegeben hätte, die Honda hießen. Aber dass der junge Mann, der sich für den Part des Gitarristen beworben hatte, genau gleich hieß wie Nagi, tat einfach ungemein weh.
 

Ich küsste Kaito.

Langsam ließ ich meine Zunge über seine Lippen gleiten, bevor ich sanft seine eigene Zunge berührte, an ihr entlang strich. Er erwiderte meine Berührungen und spielte zärtlich mit mir. Alles, was ich spürte, war der Kuss, sein Körper war so seltsam weit entfernt.

Als ich mich von ihm löste und die Augen aufschlug, stand Nagi vor mir. Ich hätte erschrocken sein sollen, aber das Einzige, was ich tat, war, das Lächeln Nagis zu erwidern. Immerzu zu strahlen, als hätte ich alles Glück der Welt in meinen Händen, jetzt wo Nagi wieder hier war.

Mit einem Male bewegte er sich jedoch von mir weg. Ohne einen Schritt zu tun, entfernte er sich Sekunde für Sekunde ein Stück weiter von mir weg und ich merkte, wie mich Panik überkam, wie ich verzweifelt versuchte, ihm zu folgen, meine Beine sich aber keinen Schritt vom Fleck bewegten. Erst als er fast aus meinem Blickfeld verschwunden war und ich nur noch einen winkenden Punkt sah, lösten sich meine Gliedmaßen aus ihrer Starre und ich rannte wie besessen los, wollte Nagi erreichen. Das war mein einziger Gedanke; dass ich Nagi um keinen Preis aus den Augen verlieren durfte.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich ihn aufgeholt hatte und vor ihm stand.

Nagi lächelte immer noch.

Und schloss mich in seine Arme.
 

Ich wachte auf.

Nicht wie aus einem Alptraum, sondern als hätte ich soeben einen der friedlichsten Momente in meinem Leben erlebt.

Ich starrte an die Zimmerdecke und ballte lautlos meine Hände zu Fäusten. Warum musste ich diesen Traum haben? Nagi hatte mich zurückgelassen! Und das mit solch einer Entschlossenheit, dass ich es nicht einmal gewagt hatte, ihn zu suchen. Aber wir befanden uns ja auch in der Realität. Da jagte man nicht seinem verlorenen Schwarm hinterher, um ihn zu zurückzuholen. Sofern das überhaupt jemand tat, war es die Polizei. Ich schluckte bitter. Ich hatte nie Anstalten gemacht, ihn zu suchen. Aber wo hätte ich denn anfangen sollen?

Leise seufzend schloss ich für einen Moment die Augen, bevor ich aufstand und in die Küche tappte. Den schlafenden Kaito hatte ich nur kurz angesehen, weil sich bei mir das schlechte Gewissen schon gerührt hatte, als ich nur einen kurzen Moment an ihn und den Traum im Zusammenhang gedacht hatte.

Ohne weitere Geräusche zu machen, öffnete ich den Kühlschrank und holte eine Flasche kaltes Wasser heraus. Ich nahm einige Schlucke und drückte mir dann das kühle Gefäß auf die Stirn. Vielleicht ließen sich damit ja meine Fantasien vertreiben.

Aber ganz im Gegenteil. Als ich so in der Küche stand mit geschlossenen Augen, wurde ich das glückliche Gefühl nicht los, das ich bei Nagis Anblick empfunden hatte. Es klebte förmlich wie flüssiges Pech an mir.
 

An diesem Morgen war ich mit gemischten Gefühlen unterwegs, ich befand mich in einem temporären Status der Verwirrtheit. So gut es ging versuchte ich es zu verbergen, denn ich wollte die anderen drei nicht irritieren, wo wir heute doch einen Ausflug in die Berge geplant hatten. Ja, richtig, B-E-R-G-E. Diese wunderbare Idee war Rens Hirn entsprungen und ich hätte ihm dafür in seinen Hintern treten können, denn Sae war natürlich sofort Feuer und Flamme gewesen; das war er immer, wenn es sich um Vorschläge seines Lovers handelte. Dass Kaito sich auch mehr als einfach hatte überzeugen lassen, lag einfach an seiner viel zu gutmütigen Art und ich.. ja.. ich.. war nur auf Betteln eben dieser Drei mitgekommen.

Nun gingen wir also seit einer Stunde einen Pfad im Wald entlang und ich konnte nicht umhin, es zu genießen. Die ersten Bäume blühten bereits, was einen wunderbaren Anblick darbot und die Luft war dank der noch nicht so hohen Temperaturen frisch und roch irgendwie gesund. Sofern Luft überhaupt gesund riechen konnte.

Aber das Schönste war vielleicht der Ausblick, den man hatte, wenn man sich umsah. Mein Frust über das Wandern – ich bevorzugte andere Sportarten – hatte sich ziemlich bald verflüchtigt und ich hatte nun nur noch die vom Traum ausgelösten Selbstzweifel im Hinterkopf.

Meine Beine langsam mit mehr Spaß bewegend, versuchte ich meine verwirrenden Gedanken zu verdrängen und mich einfach auf die Landschaft zu konzentrieren. Das endete letztlich darin, dass ich Sae und Ren etwas versteckt beobachtete.

Wie sie miteinander umgingen, konnte ich nur bewundern.

Bei ihnen war kein Zweifel vorhanden, alles was sie taten, mussten sie nicht mit diesen am Gewissen nagenden Gedanken tun. Alles war für sie frei von Zwang, ihr Handeln nur davon geleitet, wie viel Zeit seit der letzten Liebkosung vergangen war. Seit sie von unserer Dreiecks-Geschichte erfahren hatten, konnten sie sich zumindest nun auch semi-publik berühren und nutzen dies aus, so gut es ging.

Ich ertappte mich dabei, wie ich neidisch auf sie war. Neidisch auf ihr simples Glück zu zweit.

Warum waren für alle anderen diese Dinge nur so einfach? Warum war es für diese keine Last, sondern ganz im Gegenteil, eine mehr als relevante Verschönerung des Alltags?

„Yuuichi, alles in Ordnung?“

Ich schreckte hoch, ich hatte Kaito gar nicht bemerkt, wie er nun nahe neben mir ging und mich von der Seite her musterte.

„Ich bin heute etwas in Gedanken, aber es ist nichts weiter. Ich schätze, jeder hat wohl mal solche Tage“, gab ich zurück, unsicher darüber, ob er mir glauben schenken würde und er mir nicht ansehen konnte, welcher Natur diese Gedanken war.

Er lächelte.

„Du wirkst richtig seriös, wenn du so ernst schaust“

Es war sein Charakter, Komplimente dieser Art zu machen, und ich, der dies mittlerweile gut wusste, boxte ihm verlegen in die Rippen.

„Mach mich nicht mit solchen jugendfreien Worten an“, konterte ich.

Kaitos Lachen war offen.

Sein Arm, der sich um meine Taille schlang, gab mir mehr Halt, als ich ihm zugetraut hätte. Ich lehnte mich unwillkürlich an den Körper neben mir und gemeinsam gingen wir dem Ziel entgegen.
 

„Wir gehen schon hinein“

Sae winkte mir zu und folgte dabei Ren in die Hütte hinein, welche sie glorreichererweise für eine Nacht gemietet hatten, um den Ausflug auf zwei Tage auszudehnen. Kaito blieb stehen und blickte mich erwartend an. Er wippte leicht auf seinen Fußballen.

„Kommst du auch?“

Ich schüttelte merklich langsam den Kopf.

„Ich komme gleich nach. Gib mir noch ein paar Sekunden“

Den orientierungslosen Ausdruck in seinem Gesicht sehend, beeilte ich mich, meinen Worten ein Lächeln nachzuschicken. Es war halbherzig und ich wusste es.

Trotzdem drehte sich Kaito beruhigt um und tat es meinen Freunden gleich, indem er das Haus betrat und leise die Tür hinter sich schloss.

Wie behutsam konnte man eine Tür schließen?

Gab es dafür ein Maß?
 

Ich drehte mich um und blickte in den Himmel, der jetzt bereits dämmerte und die Sonne von ihrem gewohnten Platz vertrieb. Hinein in die Nacht.

Es würde fast zwölf Stunden dauern, bis sie wieder auftauchen würde. Wie unermesslich lange konnte so eine Zeitspanne sein, die für andere viel zu kurz war?

„Für die Liebenden gibt es keine Zeit“

Ich wusste nicht, warum mir diese Zeile eines Gedichtes genau in diesem Moment einfiel. Ich wusste auch nicht, warum sich ein schmerzhaftes Stechen irgendwo in mir – unlokalisierbar – ausbreitete und mir das Gefühl gab, an etwas zu leiden, was sich nicht einfach so vertreiben lassen würde.

Starr weiterhin dem Sonnenuntergang folgend tauchte in meinen Gedanken Nagis Bild auf. Es war so klar und ich brauchte nicht einmal meine Augen zu schließen, um seine feine Gesichtskonturen sehen zu können, die Lippen, die ich weicher in Erinnerung hatte, als sie wahrscheinlich waren, seine Augen, die in meiner Fantasie einen Glanz darin hatten, der nur für mich bestimmt war. Natürlich war ich mir bewusst, wie verzerrt und fern jeder Realität dieses Bild war. Und wäre ich gerade nicht in dieser mir undefinierbaren Stimmung gewesen, hätte ich über mich selbst gelacht, aber in diesem Moment störte mich meine verdrehte Sicht der Dinge überhaupt nicht und ich fragte mich lieber, was gewesen wäre, wenn Nagi nicht verschwunden wäre. Ob dann alles anders gekommen wäre. Ob ich mich dann wirklich glücklich gefühlt hätte. Ob ich…

Ich ließ den Folgegedanken nicht weiter zu, sondern schüttelte kurz fast schon hysterisch den Kopf, versuchte, mit Schütteln die Dinge in meinem Kopf zu blocken, die gerade ihren Weg aus irgendwelchen Tiefen meines Selbst gefunden hatten.

„Nein!“, sagte ich zu mir selbst. Starrte konzentriert in den dunklen Himmel. Ich musste der Sache entgültig einen Riegel vorschieben, wenn mich diese kurzen Augenblicke, an denen ich mich an Nagi, die Situation, an alles erinnerte, schon so mitnahmen und mir meine Laune auf einen Schlag kaputt machen konnten.

Ich atmete tief ein, ließ die Luft dann langsam aus meinem Mund strömen, bevor ich meine Hand hob und zaghaft dem Bild vor mir winkte, mich umdrehte und den Ort verließ.



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Von:  UmbrellaXD
2008-11-25T11:33:35+00:00 25.11.2008 12:33
DIe FF ist wirklcih schön, aber auch oft deprimierend XD

Bin gespannt wie sich das ganze weiterentwickelt und hoffe, dass Yuu mit Kaito zusammen bleibt >O<

Lg
Von: abgemeldet
2008-11-23T11:38:23+00:00 23.11.2008 12:38
Oh mein Gott, ich hätte nicht gedacht, dass du noch weiterschreibst ^^ Waah, wie es mich freut. Wie lang ist das jetzt her? 1-2 Jahre?
Und ich kann mich immernoch an die Geschichte erinnern. Das muss was heißen, bei meinem Gedächtnis :P

Du schreibst immernoch schön.
Der Anfang gefällt mir total gut.

Ich hoffe, du schreibst jetzt wieder regelmäßiger ;_;
Von:  Kaorus_Plektrum
2007-06-09T07:48:56+00:00 09.06.2007 09:48
ein weiters tolles kapitel
so langsam kommt wohl klarheit in die story~
das ist so toll~
bin gespannt wies weiter geht
^-^b
Von: abgemeldet
2007-05-22T13:50:20+00:00 22.05.2007 15:50
Bin ich die einzige, die das nicht gut findet? XD

Ich glaube Yuiichi liebt Nagi. Immernoch.
Vielleicht liebt er auch Kaito, aber nicht, weil er Kaito ist, sondern weil er ihm Wärme, Nähe und Liebe gibt. Es ist mehr so etwas, an dem er sich festhalten kann, und es ist auch Liebe, aber nicht auf die Art und Weise, wie er Nagi liebt.
Davon bin ich überzeugt. Das ist MEINE Ansicht.
Ich bin schon sehr gespannt, was passiert, wenn Nagi zurückkommt XD (Ich hoffe, das ist bald XD )
Und ich frage mich, wo er war.

Toll geschrieben und so <3
Von: abgemeldet
2007-05-22T13:40:05+00:00 22.05.2007 15:40
Es is toll, toll, toll.
Wieder einmal hast du meinen Tag gerettet :D

Ich finde die Szene toll.
Yuiichis innerlicher Kampf. Stolz gegen Gefühle. Verletztheit gegen Liebe. Angst gegen Zuneigung.
Es ist toll, was Kaito sagt. Es ist so wahr. Besonder der Satz, dass Liebe die grausamste Art ist jemanden zu verletzen. Der Satz is soooo toll <3 Dafür liebe ich dich so sehr, das glaubst du gar nicht ^^
Und ich finde aber ehrlich gesagt die Vorstellung SCHRECKLICH dass Yuiichi Katio liebt XD
Ich will, dass er mit Nagi zusammenkommt.
Das wollte ich von Anfang an, will es immernoch ^.^

Bin gespannt wies weitergeht :p
Von: abgemeldet
2007-05-21T22:55:35+00:00 22.05.2007 00:55
wunderschoen *~*
und ich freu mich tierisch das yuu sich zu kaito hingezogen fuehlt ... nun auch bewusster
die entwicklung deienr figuren is wunderbar
immer wieder ein erlebnis und die spannung bleibt =^__^=b
Von: abgemeldet
2007-05-21T20:47:11+00:00 21.05.2007 22:47
ich hab zwar gesagt,dass mir nagi irgendwie gestohlen bleiben kann,abe rirgendwie...
irgenwie würd es mich doch interessiren,o die spacke abgeblieben ist.
er wird ja nicht ewig im untergrund beleiben denk ich~DRAMAAA
XDD;;; aber mit kaito-love ist das ganze iweder perfect!
Von: abgemeldet
2007-05-21T18:37:21+00:00 21.05.2007 20:37
und aus ist mein vorwand nicht so schnell zu mexx wieder zurückzukommen *lol*
ich muss eben lesen,wenn was von dir da ist ^^
das kapitel hat mir gut gefallen~es zeigt mal gnaz gut,dass man sich nicnt einfach was einreden kann.
man glaubt zwar es wäre möglich,aber in wirklichkeit ist oft genau das gegenteil der fall.
man redet sich ein nicht mehr verliebt zu sein,nur weil der partner einen schlecht behandelt?
man soll ihn nicht mehr lieben sagt man sich,aber so einfahc ist das eben doch nicht~
alles braucht eben seine zeit zum 'heilen' würd ich mal sagen,aber oft heilt es auch nicht so richtig und es bleibt imemr noch ein leichter nachgeschmack zurück~
ich fand den satz sehr schön:„Niemand hat je gesagt, dass Liebe logisch ist. Oder dass es keine Opfer gibt. Liebe ist die grausamste Art, jemanden zu verletzen. Und der schönste Weg, jemanden glücklich zu machen“
er trifft es einfahc auf den punkt fidne ich ^^
mehr kann ich auch nicht weiter zu sagen
ich geh gleich weiterlesen XD;;;
Von: abgemeldet
2007-05-21T18:36:58+00:00 21.05.2007 20:36
und aus ist mein vorwand nicht so schnell zu mexx wieder zurückzukommen *lol*
ich muss eben lesen,wenn was von dir da ist ^^
das kapitel hat mir gut gefallen~es zeigt mal gnaz gut,dass man sich nicnt einfach was einreden kann.
man glaubt zwar es wäre möglich,aber in wirklichkeit ist oft genau das gegenteil der fall.
man redet sich ein nicht mehr verliebt zu sein,nur weil der partner einen schlecht behandelt?
man soll ihn nicht mehr lieben sagt man sich,aber so einfahc ist das eben doch nicht~
alles braucht eben seine zeit zum 'heilen' würd ich mal sagen,aber oft heilt es auch nicht so richtig und es bleibt imemr noch ein leichter nachgeschmack zurück~
ich fand den satz sehr schön:„Niemand hat je gesagt, dass Liebe logisch ist. Oder dass es keine Opfer gibt. Liebe ist die grausamste Art, jemanden zu verletzen. Und der schönste Weg, jemanden glücklich zu machen“
er trifft es einfahc auf den punkt fidne ich ^^
mehr kann ich auch nicht weiter zu sagen
ich geh gleich weiterlesen XD;;;
Von:  KyokaiKodou
2007-05-21T16:33:57+00:00 21.05.2007 18:33
Ja, man merkt sehr deutlich, dass du dich freust ^^.
Yu weiß nun langsam was er will, das ist toll und auch fair Kaito gegenüber. Die beiden könnten so ein schönes Paar abgeben, sie ergänzen sich so gut. Spenden sich Kraft und davon brauchen beide eine Menge ^^ !
Sie haben sich scheinbar weiter entwickelt.


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