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Das Zentrum des Heckenlabyrinths

Neu: Chapter 13
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Chapter 10

Chapter 10
 

Nacht 37

Als Alan bemerkte, dass er sich nicht mehr umdrehen und weiterschlafen konnte, stöhnte er leise genervt. Er hatte unruhig geschlafen, weil ihn die Vorstellung, mit Damon im selben Bett zu schlafen, irgendwie bis in seine Träume verfolgt und dort verkorkstere Formen angenommen hatte, als Alan sich im wachen Zustand vorstellen konnte. Außerdem waren seine Erinnerungen an die Träume bloß bruchstückhaft, so dass er insgesamt das Gefühl hatte, nur ein paar Stunden geschlafen zu haben. Darum fehlte es ihm auch am entscheidenden Antrieb, das inzwischen herrlich warme Federbett zu verlassen.
 

Damon blieb noch eine ganze Stunde in dem gemütlich warmen Bett liegen, bevor er aufstand. Er wusste es nicht genau, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er heute mit dem Cellisten verabredet war. Er sollte sich solche Dinge aufschreiben, dachte er leicht verärgert und rappelte sich gezwungenermaßen auf. Eigentlich hatte er keine große Lust, durch den hohen Schnee in die Stadt zu laufen, aber da blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Er zog sich um und schlüpfte in seinen dicken Mantel. Kurz spielte er mit dem Gedanken, nach Alan zu sehen und ihm bescheid zu sagen, dass er weg war, ließ es dann aber bleiben und verließ das Zimmer durch die Terrassentür. Er ging schnellen Schrittes in die Stadt und hoffte, dass er sich nicht irrte, da er den ganzen kalten Weg sonst umsonst hinter sich gebracht hatte.
 

Heute war es also soweit. Sollte Damon ihm heute endlich einen Teil des Geldes geben, dann würde er es zum ersten Mal, seit er das Konzertcello bekommen hatte, aus der Hand geben. Hoffentlich kümmerte sich der Instrumentenbauer gut um sie, hoffentlich klang sie nach der Reparatur nicht zu anders, er mochte die Stimme seines Cello' doch so sehr. Den großen schwarzen Koffer neben sich an die Wand gelehnt saß Janis im Hauseingang des Instrumentenbauers und wartete. Dieser hatte ihm zwar versprochen, ihm seinen Schatz heute noch abzunehmen, falls Janis die Anzahlung brachte, doch ewig würde er sicher auch nicht darauf warten.
 

Damon war nach kurzer Zeit eingefallen, dass er das Geld in seinem Zimmer hatte liegen lassen. Fluchend hielt er an und rannte zurück, war froh darüber, dass es ihm rechtzeitig eingefallen war. Als er in der Villa angekommen war, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und knöpfte den Mantel auf. Dann suchte er das Geld heraus und knallte die Tür ins Schloss, als er rauslief. Er konnte sich schließlich denken, dass Janis nicht ewig warten würde, wenn er ihn überhaupt erwartete.

So langsam fiel ihm auch wieder ein, dass sie sich vor dem Laden des Instrumentenbauers hatten treffen wollen. Er wurde sich immer sicherer, dass er wirklich einen Termin mit dem Cellisten hatte. Er war froh, dass Janis ihm die Adresse gegeben und er sich schon vorher nach dem Standort dieses Ladens erkundigt hatte. Er hetzte in die Stadt und kam erst zur Ruhe, als er das Stadttor passiert hatte. Das einzig Positive an der Rennerei war gewesen, dass ihm jetzt mehr als warm war. Er eilte schnellen Schrittes in die Gasse des Musikalienhändlers und entdeckte Janis schon vom Weiten. Als er ankam, blickte er den anderen entschuldigend an. "Tut mir leid, ich hatte das Geld vergessen." brachte er heraus und war noch ganz außer Atem. Er kramte in seiner Manteltasche und zog den Geldbeutel heraus.
 

Janis sah ihn von unten herauf abschätzig und leicht missbilligend an. Wenn das die ganze Zeit so weiter ging, dann würde er die Zeit einfach von den Stunden abziehen, obwohl Damon ja für sie bezahlt hatte. Er hätte doch einfach zeitiger losgehen können, anstatt ihn hier in der Kälte versauern zu lassen. Ging man so mit seinem Lehrer um?

Noch einmal strich er mit der behandschuhten Hand über den Cellokasten, dann öffnete er den Beutel, zählte das Geld nach und hob sich das Cello wieder auf den Rücken.

Die Ladenglocke hatte einen angenehm goldenen Klang, warm und volltönend, als Janis am Klingelstrick zog. Einige Sekunden später öffnete ein weißhaariger, untersetzter Mann die Ladentür. Er lächelte kurz, nickte und hielt den beiden die Tür auf, aus der sich ein Schwall Wärme über die Wartenden ergoss.
 

Damon bemerkte den abschätzenden Blick von Janis und konnte sich denken, dass dieser nicht sehr begeistert darüber war, dass er erst so spät hier auftauchte. Aber er war schließlich so früh es ging losgegangen und der andere konnte froh sein, dass es ihm noch früh genug eingefallen war, dass er sein Geld vergessen hatte. Er knöpfte den Mantel wieder zu, auch wenn er sich als Vampir keine Erkältung zuziehen konnte, dann trat er in den warmen Raum und rieb sich die Hände.
 

Janis nahm höflich die dunkle Mütze ab, die er wie immer getragen hatte, und setzte das Cello wieder ab. Beinahe ein wenig ehrfürchtig öffnete er die Schnappverschlüsse des Koffers und nahm das Tuch von den Saiten. "Wie ich dir gesagt habe, es ist wirklich in einem schlechten Zustand." Bekräftigte der weißhaarige Mann sein Urteil und hob das Instrument aus seiner Verpackung. "Ich weiß nicht, ob zwei Wochen reichen, um das aufzuarbeiten, schließlich muss ich noch einige andere reparieren." Janis' Augenbrauen hoben sich enttäuscht und ein wenig erschrocken. Er brauchte seinen Schatz doch, um wieder Geld zu verdienen, außerdem konnte er Damon doch sonst keinen Unterricht geben. Der Geigenbauer bemerkte den unsicheren Blick und versprach, ihm die Instrumente noch so lange auszuleihen, wie die Reparatur dauern würde, er kannte ja Janis' Situation.
 

Damon hielt sich im Hintergrund und beobachtete bloß das Geschehen. Er wurde in seiner Vermutung bestätigt, dass dem anderen wirklich viel an seinem Cello lag. Ob Janis überhaupt ein Dach über dem Kopf hatte? fragte er sich mit einem Mal. Vielleicht sollte er ihm anbieten, dass er in dem Zimmer wohnen konnte, das er sich im Gasthof genommen hatte. Er bezahlte es ja so oder so, dann konnte dort auch jemand wohnen. Andererseits fragte er sich, wie er Janis darauf ansprechen sollte. Dieser schien, was Höflichkeit anging, noch spitzfindiger zu sein als Alan, auch wenn er nicht so viel redete.
 

Direkt ein Höflichkeitsfanatiker, oder auch nur annähernd so an die Etikette gebunden wie Alan, war Janis nicht. Er hasste es nur, in der Kälte zu warten und mal wieder das Gefühl zu haben, vergessen worden zu sein. Außerdem hatte er die Erfahrung gemacht, dass er die Leute, auf die er gerade angewiesen war, eher über seine schäbige Kleidung und seine Armut hinwegtäuschen konnte, wenn er Manieren bewies und sich nicht auch noch so benahm, als würde er auf der Straße leben. Janis beobachtete, wie der Musikalienhändler sein Instrument auf die Werkbank legte, im Austausch dafür bekam er einen Schlüssel. "Die Celli liegen schon im Probenraum." Erwähnte der alte Mann noch.
 

Damon lehnte sich vorsichtig an einen der Holzbalken an, welche die Decken stützten, und versuchte, das Gespräch zu verstehen. Als Janis den Schlüssel in die Hand gedrückt bekam, stellte er sich jedoch richtig hin, da er das Gefühl hatte, dass sie nun den Ort wechseln würden. Währenddessen überlegte er, wie er die Frage, ob Janis ein Dach über dem Kopf hatte, am höflichsten gestalten konnte.
 

Janis drehte sich nach Damon um, um sich zu vergewissern, dass er ihm folgte und stieg dann eine enge Treppe hinauf. Diese mündete in einen nicht weniger schmalen Gang mit Türen zu beiden Seiten. Scheinbar ohne jedes Kriterium wählte Janis eine aus und schloss den Raum auf. Raum war schon zu viel des Guten, das Zimmer war ein Schlauch. Darum hatte man das Bett so an der Wand aufgehängt, dass man es zur Seite klappen konnte. Daran lehnten zwei Instrumentenkoffer, die Janis' verdächtig ähnlich sahen, zwei Notenständer standen im Raum. "Ach ja.... Noten brauchen wir ja auch irgendwann..." seufzte der junge Mann mit dem dunkelbraunen Haar und zog seinen verschlissenen Mantel aus.
 

Damon sah sich alles skeptisch an und betrat dann den Raum. Neugierig sah er sich um und fragte sich, ob er nicht Beklemmungen bekommen würde, wenn sie hier jetzt die ganze Zeit üben würden. Er blickte ein wenig zweifelnd auf das Bett. "Schläfst du hier?" fragte er dann nach und fand, dass das die beste Gelegenheit war, um diese Frage loszuwerden. Je länger er in diesem Raum stand, umso mehr überkam ihm das Gefühl, dass er tausendmal lieber in dem Gasthaus üben würde. Und dass es Janis hier gefiel bezweifelte er irgendwie auch.
 

"Nein." Antwortete der Dunkelhaarige verblüfft. Wie kam Damon denn darauf? Er musste doch gesehen haben, dass er den Schlüssel eben erst erhalten hatte, es war einfach nur ein Raum, den der Geigenbauer ihm zur Verfügung gestellt hatte, weil er die geliehenen Instrumente nicht mitnehmen durfte. Zu leicht würden sie verschwinden können.

Und wieso fragte er, wo er schlief? War er letzten Endes vielleicht doch ein Perverser, wenn er schon nach seinem Bett fragte?
 

Damon fiel dann auch auf, dass er wohl ein wenig vorschnell gefragt hatte. "Ich frag bloß, weil ich ein Zimmer in einem Gasthause habe, aber es eigentlich kaum benutze. Wenn du möchtest, kannst du es haben, jedenfalls im Moment, dann wüsste ich, wo ich dich finden kann und du müsstest nicht immer in der Kälte auf mich warten." erklärte er sich dann, obwohl er sich ein wenig darüber im Klaren war, dass sich das nicht gerade seriös anhörte. Aber er wollte bloß freundlich sein und helfen.
 

Na klasse, das hörte sich ja erst recht pervers an... grollte Janis im Stillen, wenn dieser Typ dann am Ende zu jeder Zeit, die ihm passte, dort auftauchen konnte. Er schüttelte die unangenehme Vorstellung ab und zog sich einen Stuhl neben die Celli heran. Mit bedächtigen Bewegungen legte er die Kästen auf den Fußboden und ließ die Verschlüsse aufschnappen. Fachkundig glitten seine Blicke über die geschwungenen Hälse der Instrumente, dann zog er einen Bogen heraus und prüfte die Spannung des Rosshaars.
 

Damon war ein wenig verwirrt, da der andere so gar nichts zu seinem Angebot sagte, schloss daraus dann aber, dass dieser wohl kein Interesse hatte, oder ihm zumindest bescheid sagen würde, wenn er eine Bleibe brauchen würde. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben den anderen, sah ihm abwartend zu und ließ ihn sonst in Ruhe die Instrumente begutachten.
 

Schließlich holte er das Cello, dessen Bogen er betrachtet hatte aus dem Koffer und spielte einige Tonleitern. Das Instrument war, wie nicht anders zu erwarten, hervorragend gestimmt und Janis freute sich über die klare Reinheit der Töne. Erst wenn er so etwas hörte, fiel ihm auf, wie sehr die Witterung seinem Schatz zu schaffen gemacht hatte. Es hatte zwar seine ganz eigene Stimme, gegen die auch Wind und Wetter nichts ausrichten konnten, aber sie hinterließen trotzdem ihre Spuren. Dann prüfte er das andere Instrument nicht weniger kritisch und übergab endlich wahllos eins Damon. Da dieser nicht wusste, wie man es hielt, platzierte Janis sämtliche Arme und Beine (XD) in der korrekten Haltung.
 

Damon ließ sich nur zu bereitwillig von Janis helfen, obwohl er sich ein wenig blöd dabei vorkam, da er schließlich ein paar Jahre älter war und sich wie ein kleines Kind vorkam. Dennoch war er sich im klaren darüber, dass das wohl immer der Fall war, wenn man ein neues Instrument lernte und noch nicht so geübt im Umgang mit diesem war. Ein wenig abwartend blickte er schließlich zu Janis. Irgendwie war das Schweigen des anderen ansteckend, zumindest verspürte er immer weniger das Bedürfnis oder die Lust die Stille zu unterbrechen.
 

Zuletzt gab Janis ihm den Bogen in die Hand. Er hatte überlegt, wie er Damon das Spiel am besten beibringen konnte, doch er war zu keinem richtigen Ergebnis gekommen. So führte er Damons Hand, die den Bogen hielt, über die erste Saite, erzeugte einen klaren Leersaiten-Ton, denn Damons zweite Hand hielt zwar den Hals des Instrumentes, griff dabei aber nicht in die Saiten. Dann forderte er Damon auf, ihn selbst zu wiederholen, während er nach dem zweiten Instrument griff.
 

Damon tat wie Janis ihm geheißen und wiederholte die Bewegung und stellte fest, dass das gar nicht mal so schwer war, wenn man sich konzentrierte. Kurz hielt er zögernd einen Moment inne. Hatte Janis wirklich gesagt, dass er nicht so recht wusste, wie er ihm das Spielen beibringen sollte, oder hatte er sich das nur eingebildet, in der Hoffnung, der andere würde ein wenig mehr sagen als nötig. Er runzelte ein wenig die Stirn und schob das Ganze dann auf Einbildung, da er es nicht laut gehört hatte, eher wie etwas, das recht weit weg war.
 

Janis nickte halbwegs zufrieden und zog den Stuhl neben Damon, um ihm am eigenen Instrument die nächste Saite zu zeigen. Zuerst strich er die Saite an, zeigte ihm den Klang, wenn man sie sauber anstrich, dann wiederholte er die Bewegung im Trockenen und machte Damon auf die Unterschiede zur vorherigen Bewegung aufmerksam. Dann sollte Damon sie nachahmen. So tastete Janis sich langsam an die Aufgabe heran, dem Rothaarigen die Grundbegriffe zu erklären, konzentrierte sich, um sich an die eigenen ersten Stunden zu erinnern. Es fiel ihm recht schwer, sie waren doch schon so lange her.
 

Damon war eigentlich recht zufrieden mit Janis. Es war ihm klar gewesen, das er keine hohen Ansprüche stellen konnte, wenn er einen Straßenmusiker um Hilfe bat, aber Janis schien sich dennoch sehr große Mühe zu geben, es ihm anständig beizubringen und allein das zählte in den Augen des Vampirs eine Menge. Dementsprechend versuchte er es Janis auch nicht allzu schwer zu machen, indem er sich zu dumm anstellte und konzentrierte sich. Nach einer kurzen Zeit musste er den Bogen jedoch kurz beiseite legen und rieb sich über die Schläfe. Irgendwie kamen ihm die ganze Zeit Bilder in den Kopf, die er überhaupt nicht einordnen konnte.
 

Auch Janis blickte auf und warf Damon einen fragenden Blick zu. Doch er wartete geduldig ab, ohne die Frage zu stellen. Ging ihn sowieso wahrscheinlich nichts an. Stattdessen juckte es ihm die ganze Zeit schon so in den Fingern, seit er die Ausweichinstrumente erhalten hatte. Während sein Schüler sich also die Schläfen massierte, spielte Janis eine leise Melodie auf seinem Cello. Er vermisste das Spiel wirklich, obwohl es ja nur wenige Stunden her war, dass er seinen Schatz in Reparatur gegeben hatte. Es war seine Sucht und die Flucht aus der Sucht, er konnte gar nichts anderes tun als Cello zu spielen, es war sein Leben.
 

"Ich glaube, ich werde krank, ich hab irgendwie Kopfschmerzen." erklärte Damon nach einer Weile, während der er dem schönen Spiel gelauscht hatte. Man musste Janis nur genau beobachten und man sah, wie viel ihm das Spielen bedeutete. "Wenn du magst, kannst du mir etwas vorspielen, vielleicht wird es dann ein wenig besser und wir können weitermachen." schlug er deshalb vor. So konnte er sich entspannen und überlegen, was der wirkliche Grund für dieses Drücken in den Schläfen, die seltsamen Bilder und Stimmen, war und Janis konnte für ein paar Minuten das tun, wonach er sich nur zu deutlich sehnte.
 

Janis warf ihm einen schwer deutbaren Blick zu. Er spielte nie jemandem etwas vor, er spielte eigentlich stets für sich selbst. Mental die Achseln zuckend wandte er sich wieder dem Cello zu und entlockte ihm eine neue Melodie. Schade, dass es nicht sein Schatz war, die Stimme gefiel ihm so viel besser. Sicher war das hier auch nicht schlecht und in sehr viel besserem Zustand als seines, aber es fehlte ihm doch irgendwie.
 

Damon fragte sich, warum der andere anscheinend eine so große Abneigung gegen Gesellschaft hatte, dass er noch nicht einmal anderen etwas vorspielte. Er betrachtete den Dunkelhaarigen eine Weile, als wolle er so die Antwort auf seine Frage ergründen, dann blickte er wieder aus dem Fenster und stockte kurz. Moment mal... der andere hatte doch mit keinem Ton erwähnt, dass er eigentlich niemandem etwas vorspielte, sondern wenn überhaupt für sich selbst spielte. Ein wenig verwundert zog er die Augenbrauen hoch. Wurde er jetzt etwa verrückt? Oder konnte es sein, dass er langsam begann die Gedanken von anderen zu hören.

Zu dumm, dass er Janis nicht einfach fragen konnte, und Alan konnte ihm da wahrscheinlich auch nicht groß weiterhelfen. Denn der kleinere Vampir schien seine Gedanken nicht mehr lesen zu können und so schien es ihm nur logisch, wenn auch er Alans Gedanken nicht lesen konnte. Er beschloss Julian und Ernesto in dieser Sache um Hilfe zu bitten und betrachtete Janis beim Cellospiel.

Er konnte nicht verhindern, dass sein Blick immer wieder zu dem feinen langen Hals glitt, der im Moment recht frei von jeglichem Stoff war. Unwillkürlich überkam ihm ein Verlangen, das Blut des anderen zu kosten, obwohl er erst gestern gegessen hatte und somit eigentlich keinen Hunger oder Bedarf nach Blut hatte. Er versuchte den Blick abzuwenden, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Da er aber nicht unbedingt über seinen Lehrer herfallen wollte, erhob er sich abrupt und hielt sich täuschend die Hand vor den Mund. "Ich muss an die frische Luft." murmelte er und legte das Cello vorsichtig hin, beeilte sich dann aus dem Raum, nach draußen zu kommen.
 

Janis bemerkte, dass sein Schüler ihn von Zeit zu Zeit lange musterte, doch er versuchte, es so perfekt wie möglich zu ignorieren. Vielleicht, griff er die anfängliche Vermutung wieder auf, war es ja beides: ein Perverser, der Cello lernen wollte. Na toll.

Und jetzt starrte er ihn erst recht an, beinahe hungrig. Wenn er sich damit nicht vor sich selbst so lächerlich gemacht hätte, hätte Janis jetzt beinahe um seine rückwärtige Unschuld gefürchtet. Da war es doch absolut der Gipfel, dass sich Damon nun die Hand vor den Mund schlug und, eine Entschuldigung murmelnd, aus dem Raum stürmte. War ihm jetzt einer abgegangen oder war er, Janis, so unansehnlich, dass man sich davon übergeben musste? So spontan konnte sich Janis nicht entscheiden, was von beiden jetzt schmeichelhafter für ihn war. Verdrossen packte Janis die Celli ein und stellte sie wieder an die Wand.
 

Damon lehnte sich gegen die Hauswand und atmete die kalte Winterluft ein. Er wollte gar nicht wissen, was Janis jetzt von ihm dachte, aber leider blieb ihm dieser Wunsch verwehrt. Benahm er sich denn wirklich wie ein Perverser?

Er seufzte leise und strich sich durch die Haare. Sollte er jetzt einfach zurück gehen? Irgendwie hatte er das Gefühl, dass dieser Heißhunger dann nicht lange auf sich warten lassen würde. Aber jetzt einfach verschwinden konnte er ja nun auch nicht.
 

Janis nahm ihm die Entscheidung ab, indem er fertig angezogen neben Damon aus dem Hauseingang trat. Ein dicker Schal verdeckte seinen Hals. "Warum sehen Sie mich die ganze Zeit so an?" fragte er direkt. Er hatte beschlossen, die Sache jetzt sofort zu klären, sonst würden sie nie eine vernünftige Stunde zusammenbekommen. Auch wenn er dafür reden musste und er sich doch selbst so überhaupt nicht gern reden hörte.
 

Ein wenig erschrocken drehte Damon den Kopf in Janis' Richtung, da er damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Mit der Frage, die dann folgte, hatte er noch weniger gerechnet, er hätte er gedacht, dass der andere ihm Vorwürfe machen und dann ihr Zusammentreffen beenden würde. Er wusste nicht, ob er Janis wirklich sagen konnte, was er war, aber irgendwie wirkte der andere recht vernünftig und nicht wie jemand, der gleich schreiend durch die Stadt rennen und eine Horde aufgebrachter Bauern auf sie hetzen würde. Andererseits wusste er auch nicht, was Alan dazu sagen würde... obwohl irgendwie konnte er es sich ja schon denken. "Nun... es ist auf jeden Fall nicht, weil ich irgendein Perverser bin, der außer an Unterricht noch an etwas anderem interessiert ist." fing er dann an, "Wenn das auf dich so gewirkt hat, dann tut es mir leid. Es ist nur so..." führte er seine Erklärung weiter, brach dann jedoch wieder ab, "Du hast doch sicher schon mal von Vampiren gehört?"
 

Hätte Alan mitbekommen, was Damon gerade tat, hätte er sich noch stärker, als er es ohnehin schon tat, vorgenommen, sich den Gefallen an Damons Gesellschaft ganz schnell wieder abzugewöhnen. Und er hätte ihm einen ziemlich wütende Standpauke gehalten, was Damon sich denn bitte dabei dachte, das Ganze so breitzutreten? Erst mit der Einladung in das gerüchteweise spukende Haus und nun mit dem direkten Geständnis.

"Warum fangen Sie jetzt mit diesen Geistergeschichten an? Sie lenken vom Thema ab." Konstatierte Janis nüchtern und blieb beim "Sie", obwohl der andere ihn duzte.
 

Auch Damon kam langsam dahinter, dass es vielleicht gar keine so gute Idee war, das Ganze Janis zu erzählen. Es würde auf jeden Fall sein jetzt so gutes Verhältnis zu Alan vollkommen zerstören, wenn der kleine Vampir das jemals herausfinden sollte. Ein wenig im Grübeln darüber, was er Janis nun antworten sollte, bis er sich leicht auf die Unterlippe. "Na ja... das ist ein wenig komplizierter." antwortete er dann ausweichend, //...aber eigentlich ganz einfach//. Er blickte zu Janis und war sich mit einem mal gar nicht so sicher, ob der andere ihm das mit dem Vampirsein überhaupt glauben würde. Vielleicht würde er ihn ja für komplett übergeschnappt halten.
 

"Dass es Ihnen nur um den Unterricht geht, ist zwar erst einmal in Ordnung, aber den Grund haben Sie mir immer noch nicht gesagt." Beharrte Janis hartnäckig. Er sah zwar an der Mimik des Rothaarigen, dass er ihn ziemlich unter Druck setzte, aber er wollte das aus der Welt haben, denn er hasste es, angestarrt zu werden. Es verunsicherte ihn enorm. Besonders wenn es von einem Mann kam.

Obwohl, vielleicht sollte er das Ganze ein wenig ernster nehmen? Schließlich hatte Damon auch irgendwann mal am Rande erwähnt, dass er in der spukenden Villa im Wald leben würde. Aber eigentlich war beides viel zu abwegig, um darüber nachzudenken.
 

Damon blickte zu Janis und seufzte leise. Warum konnte der andere nicht einfach von selbst darauf kommen? Dann hätte er vor Alan zumindest behaupten könnten, dass er das nicht gewollt hatte und Janis einfach zu schlau gewesen war. "Nun ja...ich bin eben ein...ein Vampir." flüsterte er leise und blickte dann zur Seite.
 

Janis verengte die Augen zu Schlitzen. "Hören Sie, das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!?" fauchte er, allerdings ohne den Ton seiner Stimme dazu übermäßig zu verändern. "Ich bin nicht so viel jünger als Sie, als dass ich mir von Ihnen irgendwelche Gruselgeschichten auftischen lassen muss, die Ihre vielleicht vorhandenen Neigungen rechtfertigen." Das konnte ja wohl nicht wahr sein!? Obwohl bei genauerer Betrachtung merkwürdig viel dafür sprach. Dass sie sich stets abends trafen und Damon einmal meinte, er würde die ganze Nacht Zeit haben, zum Beispiel.
 

Damon hatte ja schon damit gerechnet, dass Janis ihm nicht glauben würde, aber ein wenig ärgerte es ihn jetzt schon, dass Janis ihn dauernd als pervers bezeichnete. Er blickte Janis ein wenig verärgert an. "Ich lass mir ja viel gefallen, aber ich lass mir nicht am laufenden Band von dir vorwerfen, dass ich pervers wäre. Ich zwinge dich nicht mir zu glauben, aber es ist nun mal so wie es ist. Aber wenn es dir so unangenehm ist, mich zu unterrichten, dann können wir das auch gerne lassen." Er versuchte ruhig zu bleiben, aber der Ärger war in seiner stimme nur zu deutlich zuspüren.
 

"Verdammt noch mal, ich kann es mir aber nicht anders erklären, wenn Sie nachts um vier durch die Straßen laufen und einen vergleichsweise jungen Straßenmusiker nach Unterricht fragen. Dass Sie mich erst in diese Ruine im Wald und dann in ein Gasthauszimmer einladen wollten, ließ sich auch nicht wirklich anders deuten." Verteidigte er sich nun doch etwas wortreicher, als er sonst antwortete. "Ich hasse es, wenn man mich die ganze Zeit anstarrt. Ich unterrichte Sie, wenn Sie das in Zukunft lassen und nicht ständig komische Sachen sagen!" Auf der Straße musste Janis eben aufpassen, an welche Leute er geriet. Vielleicht war er ja übervorsichtig geworden und tat Damon wirklich unrecht, aber wenn er ständig Äußerungen machte, die man sehr gut in diese Richtung deuten konnte, konnte Janis doch gar nicht anders, als ihn für pervers zu halten.
 

"Komische Sachen?" Ein wenig verwirrt hob er eine Augenbraue. "Ich habe lediglich versucht, freundlich zu sein und zu helfen, aber gut, wenn dir das nicht passt, dann werde ich das lassen. Wenn du aufhörst, mich dauernd als pervers zu bezeichnen. Es geht dich zwar überhaupt nichts an, aber mein Leben ist in dieser Hinsicht vollkommen erfüllt, sodass ich mich nicht an Straßenmusikanten vergreifen muss." erwiderte er und kreuzte die Arme vor der Brust. Irgendwie war ihm die Lust auf Unterricht vergangen, wenn auch nur für diese Nacht. Er stritt sich nicht gerne, aber es war wohl besser, wenn sie die Sache ein für alle mal klärten.
 

"Wahrscheinlich drücken Sie sich einfach sehr missverständlich aus." Murrte Janis, der nicht einsah, dass er an allem schuld sein sollte. Aber sein erfülltes Liebesleben nahm Janis ihm insgeheim nicht ab. Man sah es nicht sofort, aber Damon schien Kummer zu haben, auch wenn er ihn vor sich und anderen zu verstecken versuchte.

Wieso hatte er ihn eigentlich dauernd als pervers bezeichnet? Janis rechnete nach und kam auf zwei Mal. Das war nicht dauernd. Er hatte es zwar öfter gedacht, aber ausgesprochen eben nur diese beiden Male. Der Dunkelhaarige atmete noch einmal tief durch und seufzte leise. "Wann wollen Sie Ihre nächste Stunde?" fragte er Damon dann.
 

"Na ja, das mit dem Zimmer war unglücklich formuliert, das weiß ich selbst, aber es war ganz bestimmt nicht so gemeint, wie du es offenbar verstanden hast, wirklich." erklärte Damon noch einmal und seufzte dann auf Janis' Frage hin. Er dachte darüber nach und fand, dass Übermorgen wohl das Beste war. So hatten sie beide Zeit, sich von einander zu erholen. "Übermorgen." schlug er dem anderen vor und blickte ihn fragend an.
 

"Und wann?" gab er zurück. Er hatte hier ja nicht die Entscheidungsfreiheit, schließlich wurde er bezahlt und nicht umgekehrt. Außerdem hatten Straßenmusiker ja nicht wirklich einen vollen Terminkalender. Und da war noch die Sache mit dem Vampir... Vielleicht sollte er sich mit Amelie darüber beraten, ob dort etwas dran sein konnte, sie hatte ihm schließlich mal von einem weißhaarigen Adligen in seinem Alter erzählt, der immer erst nach Einbruch der Nacht zu ihnen in den Laden kam, so wie Damon.
 

Damon horchte auf und hätte sich ohrfeigen können. Es war ja klargewesen, dass der andere nicht still sein würde, das hätte er sich doch denken können. Aber wer hätte denn ahnen können, dass Janis mit der Gehilfin von Alans Schneider befreundet war. "Na ja, um sieben." antwortete er dann, als er darüber nachgedacht hatte, wann die Sonne unterging. Er seufzte leise. Wenn er Janis jetzt nochmals auf den Vampir ansprach, dann würde dieser wohl erst recht darauf kommen, dass er ein Vampir war. Er gestand es sich nicht gerne ein, aber offenbar hatte er da gerade einen sehr, sehr großen Fehler gemacht und er konnte nur hoffen, dass das keine Konsequenzen haben und Alan es nie herausfinden würde.
 

Wieder ein Treffen im Dunkeln. Womöglich meinte Damon das ernst, wenn er sagte, er sei ein Vampir. Vampire mochten keine Sonne. So hatte Janis es zumindest gehört. Im Wirtshaus hatte der Rothaarige weder etwas gegessen, noch etwas getrunken, erinnerte sich der Straßencellist. Aber das konnte auch Zufall sein. Und das Damon vorhin die ganze Zeit seinen Hals angestarrt hatte? Das hatte er schließlich mit der Aussage, er sei ein Vampir, rechtfertigen wollen. Schwierig. Eigentlich gab es doch keine Vampire.

Janis nickte und verabschiedete sich, während er noch darüber nachdachte. Er musste das irgendwie herausbekommen, aber jetzt konnte er wohl nur abwarten und Damon beobachten.
 

Damon verabschiedete sich ebenfalls und drehte sich dann um. Er blickte kurz zum Himmel und entschied dann, dass er genug Zeit hatte, um gemütlich hinauf zur Villa zu kommen. Er wickelte den Schal wieder fester um seinen Hals und stiefelte dann zurück nach Hause. Auf den Weg dorthin überlegte er sich, was er Alan sagen sollte, falls dieser das rausbekommen würde.
 

Alan stand am Fenster, betrachtete den Garten und ärgerte sich über den Ausgang des Duells vor zwei Tagen. Natürlich war die Wunde längst wieder verheilt, aber bei einem Menschen wäre sie das noch nicht. Und da er wollte, dass man ihn weiterhin für einen hielt, durfte er von niemandem so gesehen werden. Demnächst würde er mit einer Schlinge um den rechten Arm durch die Stadt spazieren, aber heute musste er so tun als würde er sich schonen. Und Damon war schon wieder weg. Wohin ging er nur die ganze Zeit? Irgendwie kam Damon ihm ziemlich beschäftigt vor. Zum Beispiel, als er sich wegen seinem Verhalten bei Leander entschuldigt hatte, da musste er auch ganz schnell weg. Eigentlich hätte er sich gern mit ihm unterhalten, denn ohne Damon kam ihm das Haus so groß und leer vor. Es reichte schon, zu wissen, dass er irgendwo darin herumlief, um dieses Gefühl zu mildern. Er vermisste Damons Stimme, wenn er ihm mal wieder etwas erklären wollte, sein Lachen, seine einfache Gegenwart. Wie immer in solchen Situationen keimte auch jetzt wieder seine Wut auf den Rothaarigen, der ihn soweit gebracht hatte, das zu denken und dann nicht mal da war, um den Erfolg seiner Arbeit zu genießen. Oder um Alans Sehnsucht mal ein wenig einzudämmen.

Oder war es einfach zu spät? Hatte er zu lange Angst davor gehabt und Damon hatte sich Ersatz gesucht?
 

Damon war dann doch etwas erleichtert, als er die Villa sah und er nach einigen Minuten schon vor der Haustür stand. Inzwischen hatte er nämlich das dumme Gefühl, das seine Finger erfroren waren. Ein wenig mühsam öffnete er die Tür und seufzte erleichtert auf, als ihm die Wärme des Hauses entgegen schlug. Er schloss die Tür hinter sich und wickelte sich den Schal vom Hals. Während er in sein Zimmer zurückstiefelte, öffnete er die Knöpfe des Mantels, was ganz schön mühsam war, da seine Finger immer noch wehtaten. Er öffnete die Zimmertür und ließ den Mantel und den Schal auf einen der Stühle fallen. Er zündete ein Feuer im Kamin an und begann dann seine Hände über dem Feuer zu wärmen. Was Alan wohl gerade machte? Es war noch nicht so spät und eigentlich würde er noch hinaufgehen können. Er seufzte leise, irgendwie vermisste er den kleinen Vampir ja...
 

Es gefiel Alan nicht, dass seine Gedanken immer in ähnlichen Bahnen verliefen, seit Damon wieder hier war und seit er von sich wusste, dass er wollte, dass der Rothaarige hier war. Ebenso wenig gefiel es ihm, dass er auch nichts dagegen unternehmen konnte. Er machte einige Schritte rückwärts und drehte sich vom Fenster weg. Wenn Damon zurückkam, sollte es bloß nicht so aussehen, als hätte er nach ihm Ausschau gehalten. Er wollte nicht, dass Damon wieder dachte, er würde ihm nachspionieren, auch wenn er es gern wieder getan hätte, aber irgendwie verbot ihm das inzwischen sein Stolz. Wer war er denn, dass er Damon die ganze Zeit nachschlich, bloß weil der keine Lust hatte, sich mit ihm abzugeben? Geschah ihm sowieso ganz recht, was trampelte er auch so auf dem Jüngeren herum, wenn er doch längst wusste, was er für ihn fühlte. Oder zumindest gefühlt hatte, wer wusste denn, ob Alan das nicht langsam zerstört hatte. Er setzte sich auf sein Bett und zog die Knie an. Er war traurig, weil er das Gefühl hatte, durch sein Wesen, das sich im Laufe der vielen Jahre eben so entwickelt hatte, in seinen Reaktionsmöglichkeiten völlig eingeschränkt zu werden. Er hatte das Gefühl, dass er sich kaum noch bewegen konnte.
 

Damon merkte, wie langsam das Gefühl in seine Finger zurückkehrte und nahm die Hände vom Feuer weg. Er stand auf und räumte den Mantel und den Schal ordentlich weg. Er blickte erneut aus dem Fenster und beschloss doch noch nach Alan zu sehen. Er schloss langsam die Fensterläden und überlegte, ob es wohl besser war, einen Grund zu haben, warum er Alan besuchte. Es konnte ja sein, dass der andere ihn nicht haben wollte, er hatte immer das Gefühl gehabt, dass Alan seine Gesellschaft nicht mögen würde, aber das hatte sich in letzter Zeit ja doch geändert. Er zuckte mit den Schultern und beschloss doch hinauf zu gehen, wenn es Alan nicht passen würde, dann könnte er ihn ja immer noch rausschmeißen. Er gab sich einen Ruck, bevor er noch zu lange hin und her überlegen würde und ging die Treppe hinauf. Ein wenig zögerlich klopfte er an die Tür des Vampirs.
 

Alan hob überrascht den Kopf, als er das Klopfen vernahm. Erst wollte er sich einreden, dass es sowieso nicht Damon war, schon weil er hoffte, dass es so war, ließ es dann aber. Er ging an einem Wandspiegel vorbei zur Tür und kam nicht umhin, einen Blick hineinzuwerfen. Schwarze, schmal geschnittene Kleidung betonte seine helle Haut und die weißen Haare, ließen die meerfarbenen Augen nur umso deutlicher wirken. Unwillig schob er den Schal, der sich immer wieder von seinem Hals wickeln wollte, zurück über die Schulter, schüttelte den Kopf über seine Anfälle von Eitelkeit und öffnete die Tür. "Hallo." Meinte er leise, überrascht vom Klang seiner Stimme in der vollkommenen Stille. Auf Höflichkeiten legte Damon ja sowieso nie wert.
 

Damon war doch überrascht, als der Vampir ihm die Tür öffnete, bisher hatte er das immer selbst tun müssen. "Hallo." meinte er lächelnd und trat einige Schritte in den Raum hinein. Er musterte den anderen und fragte sich, für wen der Vampir sich wohl so schick gemacht hatte, denn dass Alan dieser Anzug wirklich gut stand, war kaum abzustreiten. Vielleicht war er heute wieder auf einem seiner Bälle gewesen. Ob es wohl unhöflich wäre, danach zu fragen? Er war sich nicht sicher und obwohl es ihn interessierte, ließ er es dann doch sein. Es ging ihn ja schließlich nichts an, was Alan die Nacht über trieb.
 

Aber Alan hatte es für niemanden angezogen, er war ja auch nirgendwo gewesen und selbst ob er Damon heute sehen würde, hatte er noch nicht gewusst. Doch Alan mochte unbestreitbar schöne Sachen und er trug sie auch gern. Und weil ihm gerade so nach schwarz gewesen war, hatte er es angezogen. Flüchtig erwiderte er Damons Lächeln und kuschelte sich auf das rote Sofa. "Und, macht dein Mantel Fortschritte?" riet er Damons Grund für den Stadtgang ins Blaue hinein, versuchte ein Gespräch in Gang zu bekommen, damit sie nicht anfingen, sich wieder schweigend zu belauern. Alan war aufgefallen, dass sie dann viel eher anfingen, sich zu streiten, als wenn sie sich einigermaßen gut unterhielten.
 

Damon zog sich einen Stuhl heran und setzte sich gegenüber von Alan hin. Er war kurz verwirrt, wie Alan auf den Mantel kam, dann merkte er jedoch, dass Alan wohl dachte er wäre bei dem Schneider gewesen. "Ja, ich denke schon, zumindest ist jetzt alles soweit geändert, dass er nun richtig geschneidert werden kann." erzählte er dann lächelnd. Es war schon seltsam wie gut sie sich verstanden, seit er für drei Wochen ausgezogen war und es freute ihn ungemein, auch wenn es ein wenig schade war, dass so drastische Maßnahmen dazu nötig gewesen waren. Er blickte zu Alan und schien kurz ein wenig zu zögern. "Und was hast du heute gemacht?" fragte er dann nach. Er hielt es für besser, Alan erst gar nichts von dem Cellisten zu erzählen.
 

Alan runzelte leicht die Stirn, ein undefinierbarer Ausdruck bewölkte seine Augen einen Moment lang. So viel war daran also zu ändern gewesen? Wollte Damon ihm jetzt noch einmal klar machen, wie er über sein Verhalten an diesem Abend dachte? Wollte er ihm jetzt wieder einen Vortrag halten oder eine seiner Erziehungsmaßnahmen ansetzen? Irgendwie war Alan nach dem erneuten Abend in völliger Einsamkeit ziemlich verbittert, aber das war er ja eigentlich sowieso.

"Nichts." Antwortete er dann, "Nachdem ich das Duell verloren hab, wäre es unpraktisch, wenn mich heute schon jemand draußen herumspazieren sieht." Fügte er als Erklärung an.
 

Damon hatte Alan damit auf gar nichts hinweisen wollen, er hatte Alan ja lediglich die Antwort auf seine Frage gegeben. Als das Nichts von Alan kam, hob er ein wenig überrascht die Augenbraue. "Da hast du schon recht, aber du warst sonst ja auch nicht immer weg und hast trotzdem etwas gemacht." erklärte er. Er wusste nicht wieso, aber Alan schien mit einem mal wirklich schlecht gelaunt. Vielleicht wollte er ihn ja gar nicht sehen und hatte bloß nicht unhöflich sein wollen. Ein wenig unsicher blickte er zu dem Vampir. Irgendetwas hatte dieser doch.
 

"Ich bin durchs Haus getigert." Ergänzte Alan seine einsilbige Antwort widerwillig, sagte damit aber auch nicht mehr aus als vorher. Seine Gedanken eben hatten ihm schon wieder die ganze Ruhe zerhackt, indem sie seine Wut auf Damon und sein Verhalten zurückgerufen hatten. Er wich den grünbraunen Augen mit der unübersehbaren Frage darin aus und starrte an die Wand. So viel zu der Aussage, wenn er ein Gespräch anfing, würden sie sich weniger schnell streiten, als wenn er schwieg. Noch stritten sie zwar nicht, aber eigentlich war er schon wieder sauer.
 

"Was ist denn los mit dir? Ist irgendetwas passiert?" fragte Damon ein wenig unsicher nach, da er merkte, dass Alan seinem Blick auswich. Alan war heute eindeutig komisch, aber er wusste nicht woran das liegen könnte, wenn der Vampir doch angeblich nichts gemacht hatte. Der einzige Grund für Alans miese Laune konnte dann ja eigentlich nur er selbst sein, beantwortete er sich dann still seufzend selbst, als Alan ihm nicht sofort antwortete. Das hätte er sich ja eigentlich denken können. Er erhob sich und blickte immer noch recht unsicher zu dem Vampir. Einen Moment lang hatte er wirklich geglaubt, so etwas wie Freude in den Augen Alans gelesen zu haben, als dieser ihm die Tür öffnete, aber offenbar hatte er sich das wohl eingebildet. "Ich geh dann wohl besser mal." murmelte er leise und ging dann in Richtung Tür.
 

"Nein, es ist nichts passiert." Antwortete Alan ihm neutral, wenn auch nicht sofort. Vielleicht war ja gerade das das Problem, obwohl Alan auch mit sich selbst heute eins hatte. Er konnte sich heute ja selber nicht mal leiden. Das war so eine Sache mit Tagen, an denen man zu lange mit sich selbst allein war, zumindest bei Alan. Weil Damon schon wieder einfach ging, so wie immer, wenn etwas offenkundig nicht in Ordnung war, es war ja auch so schön einfach und bequem, schickte Alan ihm einen heftigen, verletzt-wütenden Blick hinterher.
 

Damon spürte die Blicke des anderen in seinem Rücken oder zumindest glaubte er sie zu spüren und so drehte er sich um und erhaschte einen Blick auf Alan, fand sofort Bestätigung in seinem Denken. "Hör endlich auf mir die Schuld an deiner schlechten Laune zu geben. Wenn du mich nicht sehen willst, dann sag es mir einfach, das wäre wenigstens ehrlich." sagte er nach einer kurzen Pause ruhig und öffnete dann die Tür. Er ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Irgendwie war er erleichtert aus dem Zimmer 'entkommen' zu sein, aber gleichzeitig überkam ihm ein Gefühl der Trauer. Es war dumm gewesen, es war absolut dumm gewesen sich irgendwelchen Hoffnungen hinzugeben. Er sollte sich Alan endlich aus dem Kopf schlagen und aufhören einem Hirngespinst hinterher zu jagen. Ein wenig wütend über sich selbst ging er die Treppe hinunter in sein Zimmer.
 

"Erstens hast du zum Teil Schuld an meiner Laune, schon weil du immer sofort den Schwanz einziehst und abhaust, wenn mal irgendwas nicht hundertprozentig in Ordnung ist. Und zweitens stimmt es überhaupt nicht, dass ich dich nicht sehen wollte!" schnauzte Alan vernehmlich die geschlossene Tür an. Sollte Damon doch abhauen! Er würde ihm bestimmt nicht ständig hinterherlaufen, das hatte er die vergangene Woche oft genug tun müssen, irgendwann reichte es auch mal. Irgendwie hatte Alan schon durch diesen Ansatz eines Streites so schlechte Laune, dass er jetzt gern irgendetwas an die Wand geworfen hätte, um sich abzureagieren, möglichst etwas, das davon kaputtging. Ein Glas zum Beispiel.
 

Damon hatte die letzten Worte des Vampirs nicht mitbekommen und so blieb er weiterhin in dem Glauben, dass er sich das mit Alan wohl besser ganz schnell aus dem Kopf schlagen würde. Ein Vorhaben, dass er sich schon lange vorgenommen hatte, aber jedes Mal wenn ihm der andere über den Weg lief, verschob er es auf unbestimmte Zeit. Er seufzte und schloss die Tür hinter sich ab, ließ sich dann enttäuscht auf sein Bett fallen. Warum?...warum, verdammt noch mal, musste das alles so kompliziert sein? dachte er frustriert.
 

Alan war so aufgewühlt, auch weil Damon keine Anstalten machte, zurückzukommen, obwohl er das doch gehört haben musste, dass er eins der kleinen, schlichten Gläser griff, die auf dem Fensterbrett standen und in die er manchmal Teelichter tat, und mit aller Kraft gegen die Tür warf. Das Splittern, das eisige Klirren der Scherben klang unheimlich befriedigend in seinen Ohren, er erschauderte wohlig und beruhigte sich etwas. Warum, verdammt noch mal, lief es denn immer wieder so? Gerade wenn er glaubte, dass sie endlich besser miteinander umgingen, kam wieder so ein Zwischenfall!? Was floh Damon aber auch immer sofort, wenn er mal ansatzweise keine gute Laune hatte? Alan war doch auch nur ein ,Mensch', na ja eben ein Vampir, er konnte doch auch nicht konstant gute Laune haben, aber das hieß doch nicht, dass es immer wegen Damon war und dass er ihn deshalb nicht mehr sehen wollte. Lag es vielleicht an der Nacht, als Alan auf dem Balkon gesessen und Damon versucht hatte, ihn zu trösten, als er den Rothaarigen beinahe ein wenig schroff zurückgewiesen hatte? Befürchtete Damon das jetzt auch, wenn er auf Alans Stimmung einging? Dabei würde Alan das nicht mehr tun, nie mehr wahrscheinlich.
 

Damon hob ein wenig verwirrt den Kopf. Hatte er sich das jetzt eingebildet oder war da eben wirklich etwas zu Bruch gegangen? Er runzelte die Stirn und nahm dann an, dass Ernesto wahrscheinlich etwas hinuntergefallen war, so schlecht wie Alan gelaunt gewesen war, würde das wahrscheinlich ziemlichen Ärger geben.

Er seufzte leise und ließ sich wieder auf das Kissen sinken. Warum er eben gegangen war, wusste er selbst nicht so genau, obwohl.. eigentlich wusste er es schon. Er hatte einfach das Gefühl gehabt, dass Alan sauer auf ihn war, oder zumindest seine Gesellschaft nicht haben wollte. Dieses Gefühl war so ernüchternd und beklemmend gewesen, dass er einfach hatte gehen müssen.

Schließlich hatte Alan ihm gesagt, dass er wütend auf ihn war, bloß weil der Vampir nicht mit seinen Gefühlen klar kam. Was konnte er denn bitte dafür, dass Alan sich zu fein dafür war, wenn er merkte, dass er ihn(d.) mochte und sich so sehr dagegen sträubte.
 

Es war doch eigentlich alles total verkorkst. Alan war traurig und verletzt, weil Damon so oft nicht da, obwohl er sich insgeheim nach ihm sehnte, und das führte dann dazu, dass Damon extra ging, wenn er dann schon einmal kam. Das war doch ungerecht!

Alan schnappte sich die Pfeife samt Tabak vom Kaminsims und rauchte Vanilletabak. Den Effekt des Nikotins spürte er zwar nicht in der Intensität wie ein Mensch, aber er war noch vorhanden, so dass auch das half, dass Alan sich beruhigte. Vorausschauend rauchte er vor einem offenen Fenster. So war es zwar kalt, aber dann musste er nicht den widerlichen Geruch von kaltem Rauch ertragen.

//Bitte, Damon, komm wieder her...!// flehte er im Stillen, obwohl Damon es sowieso nicht hören konnte, und hasste sich dafür. Aber er konnte ihm nicht schon wieder nachlaufen.
 

Damon richtete sich auf und starrte wütend an die Wand. Das war doch wirklich zum Haare raufen, kaum dass er sich vornahm, nicht an Alan zu denken, Kreisten all seine Gedanken so unaufhörlich um diesen Vampir, das er ganz genau wusste, dass er keine Ruhe finden würde, wenn er das nicht klären würde. Missmutig stand er auf und ging aus seinem Zimmer. Er hatte langsam das Gefühl, genau so launisch zu werden, wie der Vampir und das fand er nicht wirklich positiv. Aber er wollte nicht, dass das, was eben geschehen war, so einfach im Raum stand. Morgen würde er sich noch weniger aufrappeln können, wieder zu Alan zu gehen und so war es das Beste, wenn er ihn heute noch einmal besuchte. Er seufzte erneut und klopfte dann gegen die Tür.
 

"Ja?" fragte Alan von drinnen. Das war sicher Ernesto, der gehört hatte, dass er das Glas gegen die Tür geworfen hatte und nun sehen wollte, ob noch alles in Ordnung war. Die Scherben klirrten leise, als die Tür sie zur Seite schob und Alan blickte überrascht den Eintretenden an. "Damon...?" entschlüpfte es ihm leise. War er jetzt hier, weil es zwischen blutsverwandten Vampiren doch eine Verbindung gab, so dass er das gehört hatte? Gott, dann konnte er ihm nie wieder in die Augen sehen, sein armer Stolz.
 

Damon blickte ein wenig verwundert von Alan zu den Scherben auf dem Boden und schloss daraus, dass es wohl nicht Ernesto gewesen war, dem etwas zu Bruch gegangen war. Offenbar war Alan eben wirklich wütend gewesen. Er wusste nicht wieso, aber dieses "Damon" klang seltsam, so als hätte der Vampir geradezu gehofft, dass er wieder auftauchen würde. "Ich hoffe bloß, du hattest nicht vor, mich mit dem Glas zu treffen." meinte er dann mit einem leichten Lächeln und schloss die Tür hinter sich.
 

"Nein." Erwiderte Alan kleinlaut. "Woher hätte ich denn wissen sollen, dass du wieder kommst?" Irgendwie freute er sich aber darüber. Damon war zwar eben mal wieder einfach abgehauen, aber er war immerhin wiedergekommen, das war auch sehr viel wert. Der Weißhaarige nahm die letzten Züge aus der pfeife, sah dem Rauch, den er durchs Fenster blies, zu, wie er davon wirbelte, klopfte die Pfeife an der Fensterbank aus und schloss das Fenster dann wieder, bevor die Raumtemperatur allzu sehr sank. Das Kaminfeuer loderte kurz auf und warf rote Schatten an die Wände.
 

Damon hob erstaunt den Kopf, als er hörte wie kleinlaut Alan auf einmal war. So hatte er ihn bisher nur selten erlebt, höchstens ein oder zwei Mal. "Wir sollten es wegräumen, sonst schneidet sich noch jemand daran." meinte er dann und bückte sich hinunter, um die größeren Scherben aufzusammeln. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Er wusste ja nicht einmal selbst, warum er wieder hoch gekommen war, außer dass es vielleicht doch ein wenig übertrieben gewesen war, gleich zu gehen. Aber wer gab das schon gerne zu?
 

"Mach das lieber nicht mit den Händen." Warf Alan ein, ging damit auf Damons Einwand ein, "Sonst ziehst du dir noch einen Splitter ein." Schließlich zerbrachen ja Gläser auch immer in sehr kleine Glassplitter und die bekam man sehr schlecht wieder aus der Haut, man sah sie kaum. Was nun? Da sein Versuch, die Initiative zu ergreifen, oder wenigstens ein Gespräch anzufangen, für ihn selbst so nach hinten losgegangen war, wollte er am liebsten gar nichts mehr tun. So verstaute er die Pfeife und sah Damon dabei zu, wie er das Opfer seiner Wut beseitigte.
 

"Hm." meinte Damon zustimmend und betrachtete die Scherben in seiner Hand. "Vielleicht wäre es dann ganz praktisch, wenn du einen Besen und etwas zum aufkehren und einen Mülleimer holen würdest." meinte er dann mit einem leichten Lächeln und blickte zu Alan hinauf. Schließlich konnte Alan auch ein wenig helfen, und außerdem war es ihm wesentlich lieber, wenn der Vampir irgendetwas tat, anstatt am Fenster zu stehen und ihn die ganze Zeit mit so einem undefinierbaren Blick anschaute.
 

Alan holte einen Besen und eine Kehrschaufel aus einem Schrank im Flur, ließ dabei aber nur ungern zu, dass Damon ihn hier so anstellte. Aber einen Mülleimer holte er nicht. Stattdessen wartete er, bis der Rothaarige aufgekehrt hatte und warf die Scherben dann einfach aus dem Fenster, sodass sie in der Dachrinne landeten. Damit war das nun auch erledigt. Alan beharrte auf seinem Standpunkt und tat gar nichts mehr, weil er keine Lust hatte, schon wieder Steine loszutreten.
 

Damon hob ein wenig die Augenbraue als er sah wohin die Glasscherben von Alan entsorgt wurden. Seiner Meinung nach hatten diese nichts in der Regenrinne zu suchen, aber er wollte Alan nicht noch belehren, wo dieser doch schon Besen und Kehrschaufel geholt hatte. Wenn er ein wenig besser mit Alan befreundet gewesen wäre, dann hätte er jetzt "und nun?" gefragt. Aber so lehnte er sich an die Wand und überlegte, was er jetzt sagen könnte.
 

"Und nun?" war ja eigentlich Alans Frage, zumindest hatte er sie an den vergangenen Tagen oft gestellt und das wollte er jetzt nicht schon wieder. Und wenn sie jetzt eine Stunde darauf warteten, dass der andere etwas sagte, sei's drum, er würde nicht schon wieder die Chance nutzen, in eins von Damons oder seinen Fettnäpfchen zu treten. Außerdem war Damon doch sicher mit einer gewissen Absicht zurückgekommen, oder?
 

"Geht's dir wieder besser?" fragte er nach einer Weile, nur um überhaupt etwas zu sagen. Immerhin schien Alan nun wirklich wieder besser gelaunt zu sein, was ihn irgendwie freute. So war die Gefahr, dass sie sich anmeckern würden, viel geringer. Er blickte an Alan vorbei an den Himmel und seufzte leicht, als er feststellte, dass es gar nicht mehr solange bis Sonnenaufgang dauern würde.
 

"Denke schon." Meinte Alan und bewegte mit einer bestimmten Geste den Kopf, so dass es aussah, als würde er Damon von unten herauf ansehen, ohne dass er es wirklich tat. War Damon am Ende nur gegangen, um abzuwarten, bis Alans Wut wieder etwas abgekühlt war? Das würde heißen, er hatte die ganze Zeit vorgehabt, wieder zukommen. Das würde Alans Anschuldigung, dass Damon immer einfach flüchtete, um einiges sinnloser machen.
 

"Das ist schön." antwortete Damon und blickte lächelnd zu Alan. Vielleicht war es ganz gut gewesen, dass er gegangen war. So hatten sie beide sich wieder ein wenig abkühlen können und konnten sich jetzt normal unterhalten. Er stieß sich von der Wand ab und ging ein wenig auf Alan zu, ließ sich dann auf das Sofa sinken, das um einiges gemütlicher war als die Wand.
 

Oha, Damon war wirklich erleichtert? Oder froh, oder erfreut? Wie auch immer. Alan wusste nicht genau, wie er gerade jetzt darauf kam, aber vielleicht liebte Damon ihn ja immer noch? Und warum dieser Gedanke _ihn_ ungemein erleichterte, wusste er auch nicht.

Obwohl es für Alan ja eher ungewöhnlich war, nahm er es dem Jüngeren nicht übel, dass er sich setzte, ohne dass Alan es ihm angeboten hatte. Der Weißhaarige selbst blieb dort wo er war und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Fensterbrett ab.
 

Damon blickte kurz zu Alan, dann ließ er den Blick an diesem hinaus aus dem Fenster gleiten. Es war schon erstaunlich, wie schnell er sich an das Leben bei Nacht gewöhnt hatte. Er hatte geglaubt, dass er viel länger um die Sonne trauern würde, offenbar hatte er sich da wohl in sich selbst getäuscht.
 

Obwohl Alan damit nun schlussendlich doch gegen sein eben auferlegtes Dogma verstieß, hörte er sich fragen: "Worüber denkst du gerade nach?" Dabei war es eigentlich nicht so, dass er die Stille nicht aushielt, aber Damons Gesichtsausdruck und sein Blick hatten sich einfach aufgedrängt, danach zu fragen.
 

Obwohl Alan damit nun schlussendlich doch gegen sein eben auferlegtes Dogma verstieß, hörte er sich fragen: "Worüber denkst du gerade nach?" Dabei war es eigentlich nicht so, dass er die Stille nicht aushielt, aber Damons Gesichtsausdruck und sein Blick hatten sich einfach aufgedrängt, danach zu fragen.
 

Damon drehte überrascht den Kopf zu Alan und musste kurz seine Gedanken sortieren, da Alan ihn doch ein wenig heraus gerissen hatte. "Ich habe mich darüber gewundert, wie sehr ich mich an das Leben bei Nacht gewöhnt habe." antwortete er ehrlich und lächelte dann leicht. "Ich hatte vorher immer gedacht, dass mir die Sonne viel mehr fehlen würde."
 

"Warum? Hältst du dich jetzt für eine treulose Tomate?" grinste Alan, der so langsam wieder seine sprachliche Sicherheit zurückgewann. "Sei lieber froh, die Zeit, in der dir die ewige Dunkelheit einfach nur noch auf die Nerven geht, kommt ganz bestimmt. Das kann ich dir versprechen." Schließlich sprach er aus Erfahrung. "Hast du als Mensch - bevor ich es dir angeboten habe - denn mal darüber nachgedacht, wie es wäre, Vampir zu sein?" fragte Alan neugierig, da er etwas in Damons Antwort so aufgefasst hatte.
 

"Na ja...hin und wieder schon. Ich glaube, es ist nur zu natürlich, wenn man mit einem Vampir unter einem Dach wohnt, dass man sich vorstellt, wie es wohl wäre einer zu sein." antwortete Damon ehrlicherweise. Er machte es sich auf dem Sofa nun richtig gemütlich und lächelte dann. "Ich konnte mir das früher nie so vorstellen...vor allem nicht, dass ich mal wirklich Leute einfach so umbringen würde."
 

Alan wusste nicht so ganz, ob er nicht ein klein wenig enttäuscht sein sollte, denn irgendwie hatte ein Teil von ihm schon gehofft, dass Damon sich das ausgemalt hatte, weil er versucht hatte, ihn besser zu verstehen. Aber man konnte wohl nicht alles haben. "Ich glaube, unsere Art, Menschen zu töten, ist etwas, das man sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht selber tut." Tat Alan seine Meinung kund. Immerhin schien das Töten seiner Schöpfung nicht mehr so viel auszumachen wie zu Anfang. Ob er wohl jetzt ein Straßenkind beißen würde? Fragte Alan sich unwillkürlich, entschied sich instinktiv aber dagegen. Als er sah, wie sich der Rothaarige genüsslich auf seinem roten Sofa räkelte, ertappte er sich bei dem Gedanken, wie es wäre, da mit ihm zu kuscheln.
 

"Da hast du recht." erwiderte Damon und blickte zu Alan. Ein wenig schade fand er es schon, dass der andere so weit weg stand, aber es war wohl besser so, so taten sie sich gegenseitig nicht unnötig weh. "Man kann es sich als Mensch nun mal nur schwer vorstellen, wie man einfach nur aus Notwendigkeit töten kann, weil man nie in so eine Situation gekommen ist und auch nur höchst selten kommen wird." erklärte er.
 

"Und du hast mich dafür verurteilt." Schnaubte er leise. Er hatte Damon damit keine Vorhaltungen oder nachträglich ein schlechtes Gewissen machen wollen, doch Alan war jemand, der Kritik im Allgemeinen nicht unbedingt gut vertrug und die vom Menschen Damon war heftig und andauernd gewesen, sie hatte ihn sehr mitgenommen. Mehr als er vor ihm zugegeben hatte. Er wäre schon gerne näher an Damon gewesen, aber schon daran, dass er sich nicht einfach auf den Sessel setzte, konnte man sehen, dass ihm selbst dieses augenblicklich nichts bedeutende Auf-Damon-zugehen unheimlich schwer fiel, von der übertragenen Bedeutung von "Aufeinander zugehen" ganz zu schweigen.
 

Damon seufzte leise. "Ich wusste es nun mal nicht besser." antwortete Damon, obwohl es ihm schwer fiel, das zu zugeben. "Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht mehr böse." setzte er dann an und blickte ihn leicht bittend an. Er konnte das, was er gesagt hatte nicht mehr rückgängig machen, aber er hoffte, dass Alan ihm das nicht nachtragen würde.
 

Alan schüttelte den Kopf. "Nein, schon gut." Sagte er und sah aus dem Fenster. Dank der Winterzeit und der länger werdenden Nächte, würde es noch eine ganze Weile dunkel bleiben.
 

Damon seufzte erleichtert auf und war wirklich froh, dass Alan ihm das nicht nachtrug, da es ein weiteren Streit heraufbeschworen hätte. Und vom Streiten hatte er inzwischen genug. "Und wann kannst du wieder draußen herumlaufen?" fragte er dann ein wenig neugierig nach und nickte in Richtung von Alans Arm.
 

"Morgen. Allerdings erst mal nur mit Alibi-Armschlinge." In Gedanken strich sich Alan über den rechten Arm. Das eben war so etwas wie eine Entschuldigung für Damons Verhalten damals gewesen und die tat Alan gut. Denn, auch wenn Damon es manchmal so hinstellte, Alan war "damals" zwar noch verkorkster als jetzt gewesen, aber Damon hatte mit seiner ewigen Kritik und der Verurteilung von Alans Verhalten auch viel zu Alans Benehmen beigetragen und dazu, dass er schließlich versucht hatte, ihn zu töten, weil er mit dem Ganzen einfach nicht mehr klarkam.
 

"Sonst würde man bestimmt misstrauisch werden." antwortete Damon mit einem leicht undefinierbaren Lächeln auf den Lippen. Hoffentlich würde alles gut gehen, was Janis Besprechung mit dem Lehrling von Alans Schneider anging. Er hatte nicht viel Hoffnung, dass diese nicht auch noch ihren Meister darin einweihen würde, aber es würde ja noch lange dauern, bis Alan wieder den Schneider besuchen würde. Er seufzte leise und spielte mit dem Saum von seinem Hemd. Irgendwie hätte er ja Alan gerne von der Sache erzählt, einfach um ihn nicht anzulügen und das Ganze loszuwerden, aber andererseits hatte er große Angst, dass Alan ihn dann einfach hinauswerfen würde. Eine Handlung, die er zu allem Ärger auch noch allzu gut nachvollziehen könnte.
 

Alan nickte und beobachtete Damons Gesicht eine ganze Weile, fühlte sich zunehmend unwohler unter dessen Blick. "Warum siehst du mich so an?" fragte er schließlich befremdet.
 

"Was?" verwirrt blickte Damon den anderen an. "Entschuldige, ich wollte dich nicht so anschauen." meinte er dann. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er Alan bei seinen Überlegungen angeschaut hatte. Damit Alan sich nicht weiterhin unwohl fühlte, blickte er zur Seite aus dem Fenster.
 

Alan runzelte die Stirn und warf ihm einen wenig überzeugten Blick zu. "Und wen dann?" Danach blieb der Kleinere eine ganze Weile still. "Warum streiten wir uns eigentlich so oft?" fragte er plötzlich.
 

Damon hob überrascht eine Augenbraue und fuhr sich nachdenklich durch die Haare. "Ich weiß nicht.." murmelte er dann ehrlich, "Ich hab manchmal das Gefühl, dass es einfach daran liegt, das wir uns in irgend etwas hineinsteigern und dann einfach aneinander vorbeireden. Weil wir nicht versuchen den anderen zu verstehen." fügte er dann nachdenklich hinzu. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass dies der Hauptgrund dafür war. Denn wenn sie ruhig miteinander sprachen, dann hörten sie einander aufmerksamer zu und versuchten auf den anderen einzugehen. Aber vielleicht waren sie beide einfach viel zu aufbrausend, wenn ihnen etwas gegen den Strich ging.
 

Alan blieb still und starrte, mit den Ellenbogen am Fensterbrett lehnend, ins Nichts. Vielleicht hatte Damon recht, dass sie sich einfach zu sehr in einen Sachverhalt verbissen, ihn immer wieder im Kopf abspulten, ihre Wut pflegten und daneben nichts mehr gelten ließen, so dass sie sich zwangsläufig in die Haare bekommen mussten. Aber daran dachte der Kleinere eigentlich nur oberflächlich, eigentlich fühlte er sich genauso leer, wie der Blick, mit dem er die gegenüberliegende Wand anstarrte.
 

"Was hast du?" fragte Damon zögerlich nach und blickte ein wenig unsicher zu Alan. Der andere schaute irgendwie traurig, fand er, und er hätte ihn nur zu gerne in die Arme genommen und ihn getröstet. Aber er hatte Angst wieder eine Abfuhr zu erhalten, und so blieb er auf dem Sofa sitzen und blickte Alan bloß besorgt an.
 

"Ich weiß nicht, ich..." antwortete Alan rau, "Vielleicht liegt es einfach am Wetter." Trost und Wärme suchend schlang er die Arme um seinen Körper, blickte immer noch in den Raum, ohne etwas davon wirklich zu sehen. Die Sehnsucht nach Damon und seiner Wärme wurde beinahe übermächtig. "Damon..." flüsterte er kaum hörbar, scheu und gleichzeitig ohne zu wissen, wie er ihn jemals darum bitten konnte oder sollte.
 

Damon beobachtete den anderen genau und war der Meinung, das Alan genauso aussah wie jemand, der jetzt in den Arm genommen werden wollte, warum auch immer. Er hätte jetzt gerne die Arme geöffnet und 'Komm her..' gesagt. Aber er war sich nicht sicher, ob Alan das wirklich wollte. Ein wenig unsicher blickte er den anderen an und öffnete dennoch ein wenig die Arme und setzte sich so hin, dass er Alan in die Arme nehmen konnte, wenn dieser es wollte. "Ja?" fragte er leise und ein wenig aufmunternd, damit Alan sagte, was er wollte.
 

Alan machte zwei Atemzüge. Ihm war kalt, äußerlich und innerlich. Sehr kalt. Er konnte es nicht mehr ertragen. "Bitte komm her..." flüsterte er leise, hoffnungslos und voller Angst, jetzt zurückgewiesen zu werden. Es war so kalt und dunkel hier. So kalt...
 

"Warum kommst du nicht zu mir?" flüsterte Damon fragend. Dennoch stand er auf, da man sah, dass es dem Vampir überhaupt nicht gut ging. Vielleicht war der Kleinere einfach noch nicht so weit, und er konnte sich ja freuen, dass Alan sich zumindest getraut hatte, das zu sagen. Vorsichtig ging er auf den anderen zu und zog ihn sanft an sich und schloss die Arme um ihn.
 

Als sich die warmen Arme des Größeren um ihn legten, schloss Alan beruhigt die Augen und seufzte leise. Schutzsuchend schmiegte er an ihn, hielt sich an ihm fest. "Ich... kann einfach nicht..." antwortete er leise. Sein Gesicht hatte er an Damons Halsbeuge gelegt, mit einer Geste, als fürchtete er sich vor der Bewegung. Die Wärme und der sanfte Geruch des Jüngeren beruhigten ihn ganz langsam.
 

Damon lächelte, als er die ehrliche Antwort vernahm und strich dem auf einmal so handzahmen Vampir sanft übers Haar. "Schon gut." flüsterte er leise und hob den anderen dann einfach hoch. Vorsichtig trug er Alan zum Sofa und ließ sich dann mit ihm in den Armen darauf sinken. So war es um einiges gemütlicher und er konnte den Vampir besser im Arm halten. Er strich ihm weiterhin sanft durchs Haar und auch die Hand an Alans Rücken strich beruhigend über diesen.
 

Der Ältere entspannte sich allmählich unter den sanften Händen und seine Atemzüge wurden tiefer. Er hatte sich auch nicht gewehrt, als Damon ihn zum Sofa getragen hatte. Jetzt saß er dicht an ihn geschmiegt und den Kopf noch immer an seiner Halsbeuge vergraben auf Damons Schoß und lauschte den Atemzügen, die der Rothaarige ohne darüber nachdenken zu müssen ausführte, obwohl er es gar nicht mehr brauchte. Erst jetzt schien ihm aufzufallen, wie fest er die Hände um Damons Hemd geschlossen hatte, denn er löste sie und legte sich flach und unverkrampft auf den Oberkörper des Jüngeren.
 

Damon merkte wie der Kleinere sich langsam entspannte und ruhiger wurde. Er machte das vor allem an den Händen fest, die sich jetzt locker auf seinen Oberkörper gelegt hatten. Ein wenig unwohl fühlte er sich doch, da er die Lippen des anderen so nah an seiner Haut verspürte und sie sich in der ganzen Situation so nahe waren, obwohl Damon wusste, dass diese Nähe nur von kurzer Dauer sein würde. Er war sich sicher, dass das im Moment nur ein kleiner 'Anfall' von Alan war und dass er sich nichts darauf bilden sollte und umso weher tat es. Denn eigentlich sehnte er sich nach solchen Momenten mit dem Vampir. Einfach mit ihm dazusitzen und ihn in den Armen zu halten. Er wandte den Blick aus dem Fenster, während er weiter über den zarten Körper in seinen Armen strich.
 

Er wusste nicht, wie lange sie so dasaßen, aber es musste eine ganze Weile gewesen sein, denn Alan sah aus den Augenwinkeln, dass sich das Licht draußen veränderte. Damons Wärme tat ihm gut und die sanften Berührungen vertrieben die Leere in seinem Inneren, ließen ihn stattdessen Dankbarkeit und Sympathie und auch aufrichtige Zuneigung zu dem Vampir, den er geschaffen hatte, empfinden. Er legte die Arme um Damon und bettete den Kopf auf seine Schulter. Vielleicht, so überlegte er fantasievoll, war die Kälte von vorhin seine eigene kalte Wand zwischen ihm und der Außenwelt mit Damon gewesen. Und weil er sie nicht mehr ertragen hatte, hatte er Damon gebeten, noch einmal auf ihn zuzukommen. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn Damon darauf beharrt hätte, dass er zu ihm kommen sollte. Aber wahrscheinlich wäre es das Ende jeder Beziehung zu ihm gewesen.

Ganz sachte, tröstend streichelte er Damons Nacken. Alan spürte die große, vertraute Nähe zu dem Rothaarigen mindestens so deutlich wie er selbst und er wusste, dass ihm so etwas wehtat, dass er ihm damit wehtat, so wie der Kuss wehgetan hatte. Nur war es diesmal etwas anderes, diesmal würde es Alan nicht gelingen, danach wieder so distanziert von Damon zu sein wie vorher. Das ging nicht mehr, nicht nachdem er sich ihm soweit geöffnet hatte.
 

Damon zuckte zusammen, als er auf einmal die Hand in seinem Nacken spürte und versteifte sich ein wenig. Er wusste einfach nicht, wie er damit umgehen sollte. Ob das mal wieder nur einer dieser seltenen Momente war, in denen Alan sich ihm öffnete, oder ob Alan wirklich langsam anfing, sich ihm zu öffnen.

Er blickte ein weiterhin aus dem Fenster, bemerkte dass es langsam hell wurde. "Es wird langsam hell..." stellte er unnötigerweise fest, aber er wusste nicht, wie er Alan anders sagen sollte, dass er langsam wieder gehen musste, wenn er sein Zimmer noch erreichen wollte.
 

Alan nickte an Damons Schulter. Dass der Größere eben leicht zusammengefahren war, hatte ihm gezeigt, dass Damon nicht wusste, wie er das Ganze einordnen sollte. Wie seltsam, denn sonst war es doch immer andersherum, Damon wusste, was das Ganze zu bedeuten hatte und Alan stand unwissend da. Aber diesmal eben nicht. Und deswegen musste er es Damon irgendwie begreiflich machen, was er davon zu halten hatte. "Du könntest hier bleiben, wenn du willst." Bot er leise an, mal wieder überrascht, wie seltsam seine Stimme in völliger Stille klang.
 

Damon fragte sich, ob der Vampir es heute darauf anlegte, ihn am laufenden Band zu überraschen. Ein wenig unsicher dachte er über Alans Vorschlag nach und nickte dann. "Also gut, von mir aus." antwortete er nach kurzem Zögern.

Vielleicht war der Vampir ja doch dabei, langsam aufzutauen und brauchte einfach ein wenig mehr Zeit als andere. Und da Alan sich im Moment so offen und ehrlich zeigte, wollte er den anderen nicht abweisen, aus Angst dass sich Alan wieder verschloss.
 

Damon hatte wohl recht mit der Befürchtung, dass Alan sich schlimmer zurückziehen würde als vorher, wenn er ihn jetzt zurückwies, denn Alan bewegte sich auf für ihn sehr, sehr unsicherem Terrain und wenn Damon ihm dann zeigte, dass ihn das nicht interessierte oder er es nicht zu schätzen wüsste, dann wäre das für Alan wohl mehr als ein Schlag in die Magengrube gewesen.

So seufzte der Weißhaarige zufrieden und lehnte sich wieder an. Die Frage, warum Damon so gezögert hatte, ließ sich erstaunlich leicht aus seinen Gedanken verdrängen, er wollte jetzt nicht denken, denn dann hätte er angefangen zu zögern und in unausweichlicher Folge einen Rückzieher gemacht.
 

Damon seufzte leise und strich dem anderen sanft weiterhin durchs Haar und über den Rücken. Ganz allmählich entspannte auch er sich, was wohl daran lag, dass Alan immer noch auf seinem Schoß hockte und sein Angebot hier zu bleiben auch nicht mehr zurückgenommen hatte. All das waren für Damon Zeichen, dass der Vampir das alles vielleicht doch ein wenig ernster meinte und es nicht wieder einer dieser flüchtigen Augenblicke war, in denen Alan solche Nähe zugelassen hatte. Er blickte weiterhin aus dem Fenster, um rechtzeitig die Fensterläden schließen zu können.
 

Alan schmiegte sich an den warmen, jungen Vampir und ließ nun doch die Gedanken schweifen. Es war längst zu spät für einen Rückzug, diesmal hatte er Damon zu weit dafür in sich hineinsehen lassen. Doch er wollte eigentlich auch gar nicht zurück, sondern öffnete sich im Geiste, um noch mehr von dieser wohligen Wärme zu erreichen. Anscheinend hatte Damon es diesmal endgültig geschafft, dass Alan anfing, sich für ihn zu öffnen und darüber war er irgendwie froh, denn er spürte, dass er sich bewegen konnte. Das Gefühl, in seinem eigenen Wesen eingesperrt zu sein und sich nur in eine Richtung, von Damon weg bewegen zu können, war verschwunden.

Draußen wurde es sichtbar heller, doch Alan kümmerte sich nicht darum.
 

Damon jedoch wurde langsam ein wenig besorgt, ob es nicht doch besser war, die Fenster jetzt schon zu schließen. Er war hin und her gerissen zwischen der Wahl, die Fenster zu schließen oder hier weiter mit Alan zu sitzen. Andererseits wollte er noch weiter in den Genuss des Lebens kommen, anstatt hier darauf zu warten, dass die Sonne sie beide töten würde. Er nahm die Hände von Alans Rücken und schob ihn dann sachte ein Stückchen von sich. "Wir sollten die Fenster lieber zumachen." erklärte er dann lächelnd.
 

Notgedrungen ließ Alan sich vom Schoß des Größeren schieben und stand auf, um die Fensterläden auf der anderen Seite des Raumes zu schließen. Irgendwann hatte er mal Ösen daran und kleine Löcher in den Fensterrahmen anbringen lassen, so dass sie nur an einer Kordel ziehen mussten, damit der Fensterladen von außen zuschwang. Nur die Balkontür musste man noch von Hand verdunkeln, was auch Alan übernahm, da es ja sein Zimmer war und er mit den Mechanismen besser vertraut war.

Alan war nun eigentlich müde und störte sich nicht daran, dass es nun bis auf das Glimmen des Feuers stockdunkel hier war, sondern begann sich neben seinem Bett bis auf die dunkelgrauen Shorts zu entkleiden. Er bewegte sich gemessen und völlig natürlich, so als hätte er vergessen, dass Damon überhaupt anwesend war. Die Sachen glitten sachte auf den Boden.
 

Damon kam nicht umhin, seine Blicke über den porzellanweißen Körper gleiten zu lassen. Als er merkte, dass er Alan regelrecht anstarrte, wandte er das Gesicht ab und zog sich stattdessen die Stiefel aus. Er schlug die dicke Tagesdecke vom Sofa auf und setzte sich darauf. Er nahm an, dass er auf dem Sofa schlafen sollte. Was ja auch nur logisch war.
 

Alan schlüpfte behände, scheinbar ohne Damons Blicke zu bemerken, unter seine riesige Steppdecke und rollte sich auf der Seite zusammen. Erst als er einige Augenblicke so gelegen hatte und Damon immer noch nicht wieder in seinem Blickfeld aufgetaucht war, stützte er sich auf und blickte suchend durch den Raum. "Willst du wirklich auf dem Sofa schlafen?" fragte Alan verwirrt. "Das ist doch zu klein für dich." Das stimmte tatsächlich, der rote Diwan war nicht besonders lang, brauchte er auch nicht, es gab ja genügend zusätzliche Sitzgelegenheiten im Raum.
 

Dass das Sofa zu klein für ihn war, hatte Damon auch gemerkt und als er Alans Worte hörte, richtete er sich wieder auf. "Wo soll ich denn sonst schlafen?" fragte er den Vampir ein wenig verwirrt. Er blickte auf Alans Bett und runzelte die Stirn. Er sollte doch nicht etwa...?
 

"Um sich gegenseitig nicht zu beharken ist das Bett doch groß genug." Meinte Alan. "Und so einen unruhigen Schlaf habe ich nicht." Das Bett war quadratisch und somit zwei Meter breit und bot damit mehr als genug Fläche für zwei. Der Weißhaarige war sich sicher, dass Damon die letzten zwei Stunden nicht zu Nichte machen würde, indem er wieder über ihn herfiel. Eigentlich hatte er überhaupt keine Bedenken, dass Damon mit in seinem Bett schlief, das hatte er bereits gewusst, als er ihm angeboten hatte, hier zu bleiben.
 

Damon dachte darüber nach und nickte dann zögerlich. Er stand vom Sofa auf und blickte dann schmunzelnd zu Alan. "Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, du versuchst mich zu verführen." meinte er dann lächelnd und legte sich neben den Vampir. Er wusste selbst nicht, warum er diesen Gedanken ausgesprochen hatte, aber er hatte das Gefühl, dass diese leicht bedrückte Stimmung irgendwie aufgelockert werden musste. Er legte sich unter die Decke und war dann doch froh über Alans Angebot, da das Bett weitaus gemütlicher war als das Sofa.
 

"Dann schlaf doch auf dem Sofa." Maulte Alan, weil Damon seine Absichten so verkannte und drehte ihm den Rücken zu. Aber so richtig sauer war er nicht, das ging gerade irgendwie nicht. Stattdessen kuschelte er sich tief unter die Decke und legte den Kopf auf einen seiner angewinkelten Arme.
 

"Das war doch bloß ein Scherz." murmelte Damon und blickte kurz ein wenig bekümmert auf den Rücken des Weißhaarigen. War Alan jetzt wieder sauer?

Er seufzte leise und drehte sich dann ebenfalls herum, so dass sie Rücken an Rücken dalagen. Er blickte an die Wand und merkte, dass er eigentlich noch gar nicht müde war. Er hoffte bloß, dass das Sonnenlicht bald sein Übriges tun würde und er einschlief.
 

Nun doch ein wenig neugierig blickte Alan über die Schulter hinter sich und sah aber nur Damons Rücken. Deswegen drehte er sich gleich wieder um. Lange lauschte er den Atemzügen des Größeren. Er war es nicht mehr gewöhnt, das Zimmer oder vielmehr eigentlich das Bett mit jemandem zu teilen und so ließen ihn die leisen Geräusche nicht richtig einschlafen. Alan glitt so allmählich in leichten Schlaf hinüber, dass er es selbst gar nicht mehr bemerkte.
 

Damon entdeckte, warum er nicht schlafen konnte. Es ging einfach nicht, zu schlafen und nicht zu wissen, was der Vampir in seinem Rücken tat oder nicht tat. Er seufzte also und drehte sich dann um. Er lächelte, als er bemerkte, dass Alan sich ebenfalls umgedreht hatte und musterte die feinen Gesichtszüge. Er hob die Hand und strich ihm einige der feinen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er zog die Hand vorsichtig zurück und schloss dann ebenfalls die Augen, döste langsam ein.
 

Alan hatte nicht mit der Macht der Gewohnheit gerechnet, denn es war immer so, dass er sich einmal umdrehte, wenn er einschlief. Und da er vorher mit dem Rücken zu Damon gelegen hatte... Aber davon bekam er gar nicht mehr viel mit, denn er schlief schon halb und Damon hatte sich noch nicht umgedreht.

Damons zarte Berührung nahm Alan mit in seine üblichen, diffusen Träume.
 

Nacht 38
 

Damon schlief dann doch relativ schnell tief und fest und wachte erst am nächsten Abend auf. Da er wusste, dass er heute nicht weg musste, blieb er liegen und hielt die Augen geschlossen. Nach ein paar Sekunden öffnete er dann doch die Augen, um zu überprüfen ob er sich den gestrigen Abend vielleicht nur erträumt hatte oder ob er wirklich mit Alan in einem Bett lag. Lächelnd stellte er fest, dass ihn seine Erinnerungen nicht täuschten.
 

Alan, der gewöhnlich etwas länger schlief, war auch heute noch nicht aufgewacht. Der Kleinere lag beinahe auf dem Bauch, den Kopf wieder auf eine Hand gelegt, das Gesicht Richtung Damon. Die Hand, auf der er seinen Kopf gebettet hatte, lag auf Damons Hand. Allerdings so, als wäre die größere Hand gar nicht vorhanden, Alans Hand lag genauso, als würde sie auf einem Kissen liegen, als hätte er die Wärme darunter noch gar nicht mitbekommen, so dass man annehmen musste, dass die Geste tatsächlich ein süßer Zufall war.

Draußen peitschte ein Schneesturm dicke Schneeböen gegen die Fensterläden.
 

Damon kicherte leicht und entzog seine Hand dann der von Alan. Er hörte, wie der Schneesturm an den Fensterläden rüttelte, und als er den Arm bewegte, registrierte er, dass es eisigkalt im Zimmer war. Er maulte leicht. Die einzige Möglichkeit, das zu ändern, bestand darin, das Kaminfeuer zu entfachen, aber dazu müsste er dann das warme Bett verlassen und durch das eiskalte Zimmer gehen. Unentschlossen blickte er zu dem Kamin und dann zu Alan. Ob er den anderen wohl damit wecken würde?
 

Die Frage war eigentlich unnötig, denn er hatte Alan bereits damit geweckt, dass er ihm seine Hand weggenommen hatte. Die musste wohl so schön warm gewesen sein, dass Alan sie sofort vermisste. Verschlafen stützte der Weißhaarige sich auf die Unterarme und öffnete die schlafverklebten Augen. Als er Damon neben sich entdeckte, schien er zuerst ärgerlich die Stirn zu runzeln, was durch sein total verpenntes Aussehen etwas abgemildert wurde, man sah deutlich, wie es hinter seiner Stirn arbeitete und dann so was wie Verständnis der Situation in dem verknitterten Gesicht. Fürs erste zufrieden damit, überhaupt zu wissen, was hier los war, kuschelte er sich wieder ein.
 

Als Damon kurz den verständnislosen, leicht verärgerten Blick in Alans Augen sah, wurde er erst ein wenig unsicher. Eins war sicher, wenn Alan ihn jetzt wütend anfahren würde, dann würde er wohl nie wieder auf den anderen zugehen. Als der erwartete Schimpfkanonade jedoch ausblieb, lächelte er und strich dem Vampir sanft durchs Haar. Warum er das tat, wusste er selbst nicht, aber er mochte es, das weiche Haar des anderen durch seine Finger gleiten zu lassen. "Guten Abend." murmelte er leise und kuschelte sich dann ebenfalls wieder in die Decke, da es außerhalb dieser einfach zu kalt war.
 

Alan brummte irgendwas, das man mit ein wenig Fantasie für die Erwiderung auf "Guten Abend" halten konnte, und rieb sich über die Augen, während er es sich wieder bequem unter der Decke machte. Er wollte noch nicht aufstehen und als er hörte, wie der Wind an den Fensterläden rüttelte, hatte er noch viel weniger Lust dazu. Allmählich fielen ihm die letzten paar Stunden von gestern Nacht wieder ein und insgeheim war er erleichtert, dass er das wirklich getan hatte. Objektiv war es nichts Weltbewegendes gewesen, von Damon im Arm gehalten zu werden und mit ihm im selben Bett zu schlafen. Aber Alan, der immer vermieden hatte, anderen nahe zu kommen, tat es gut, sich einzugestehen, dass es endlich wieder jemanden gab, dem er zu vertrauen begann.

Die sanfte Hand, die plötzlich durch seine Haare strich, schien zu bestätigen, dass auch Damon wusste, wie schwer es war, über seinen Schatten zu springen.
 

Damon zog die Hand wieder zurück und legte den Kopf seufzend darauf. Es war schon ganz angenehm, aufzuwachen und bei so einem Wetter nicht vor die Tür zu müssen und einfach in diesem gemütlichen, warmen Bett liegen zu können. Dass Alan mit in diesem Bett lag, hob das Ganze noch mal um ein paar Stufen.
 

Alan überlegte, ob er jetzt einfach noch einmal einschlafen wollte, aber irgendwie war ihm nicht mehr so richtig danach. Nur noch nach Dösen. Draußen war es sowieso zu ungemütlich. Prüfend zog er die Decke ein Stück herunter, entblößte damit seine Schulter, die er aber ganz schnell wieder zudeckte, weil sie postwendend eine Gänsehaut bekam. "Ganz schön kalt..." murrte er noch immer ein wenig verschlafen. Einer von ihnen musste jetzt da raus und den Kamin anzünden, sonst würden sie die ganze Nacht nicht aufstehen können. "Manchmal wäre ich gerne ein Bär, dann würde ich den ganzen Winter einfach verschlafen." Seufzte Alan.
 

"Nun ja, der Winter kann ja auch recht schön sein, aber zumindest würde man morgens dann nicht mehr so stark frieren." erwiderte Damon und öffnete die Augen wieder. Da Alan jetzt wach war, konnte er ja eigentlich aufstehen und den Kamin anzünden. Und da er, im Gegensatz zu Alan, seine Sachen noch anhatte, würde er wahrscheinlich auch nicht so frieren. Er genoss noch eine Sekundelang das warme Bett, dann richtete er sich auf und schlug die Decke beiseite, stieg aus dem Bett und ging zum Kamin. "Wo hast du denn Schwefelhölzer?" fragte er nach und drehte den Kopf fragend zu Alan.
 

Wie nett von Damon, sich dafür zu opfern. Aber er hatte ja auch noch mehr an. Alan schlief nicht gern in Sachen, weil sie ständig zerknüllt an seinem Kinn gelandet waren, wenn er aufwachte. Er drehte sich auf den Bauch und stützte sich ab, so dass er zu Damon hinübersehen konnte. "In der Schachtel auf dem Sims..." Da es keine Sicherheitszündhölzer waren, konnte man sie gut getrennt von der eigentlichen Verpackung aufbewahren, man konnte sie ja an allem anzünden. Gleichzeitig zündete Alan einige Altarkerzen an, die neben dem Bett auf einem Beistelltisch standen. Sofort nistete sich das goldene Licht als warmer Schimmer auf Damons Haaren ein. Alan lächelte zufrieden.
 

Damon nickte und suchte ein Zündholz heraus. Dieses zündete er am Kaminsims an und legte es an die Hölzer. Er beobachtete es eine Weile, damit es auch wirklich die Hölzer in Brand setzte. Als einer der Holzscheite anfing zu glühen, rückte er ihn zurecht und als er sich sicher war, dass das Feuer nicht mehr ausgehen würde, drehte er sich um. Er bemerkte das zufriedene Lächeln auf Alans Lippen und fragte sich, woher es kam. Wahrscheinlich, weil es jetzt wärmer wurde. Er löste sich von dem Kamin und beeilte sich wieder zum Bett zu kommen, da die Zimmertemperatur immer noch nicht wärmer geworden war. Er legte sich wieder ins Bett und kuschelte sich unter die Decke.
 

Auch Alan hatte sich wieder eingekuschelt, nachdem er die Kerzen angezündet hatte, und dachte über gestern Abend nach. Im Nachhinein war es Damons Zögern, über das er am meisten nachdachte. Wieso hatte er gezögert? Vorher hatte es für den Kleineren so ausgesehen, als hatte Damon immer gehofft, dass es mal so kommen würde. Aber dann hätte er nicht zögern müssen...

Befürchtete Damon weiterhin, dass er ihn wieder abweisen würde? Wie sehr musste er das fürchten, um so zu reagieren... Und Alan konnte es nur seinem eigenen Verhalten zuschreiben, so bitter das auch war. Wenn er nicht so mit ihm umgegangen wäre, dann... dann würde Damon jetzt nicht so auf einen Schritt in seine Richtung reagieren. So misstrauisch. Und es war alles seine Schuld...
 

Damon drehte den Kopf in Alans Richtung und lächelte leicht. "Geht es dir wieder besser?" fragte er nach. Langsam begann die Angst, dass Alan ihn wieder zurückweisen würde, zu sinken. Der andere schien wirklich Zeit zu brauchen und wenn es helfen würde, dann würde er ihm diese auch geben.
 

"Ja.." Bekräftigend nickte Alan und sah zu dem Jüngeren hoch, "Danke... für gestern Abend." Obwohl gestern Abend dafür eigentlich der falsche Ausdruck war, "Oder gestern früh oder wie auch immer." Verwirrt zog er die Nase kraus, weil er bei genauerem Nachdenken nicht wusste, wie er die Zeit, bevor sie wieder ins Bett gingen nennen sollte. Morgen? Abend? War das dann noch derselbe "Tag", wie wenn sie wieder aufstanden? Verzwickte Frage.

Aber eigentlich war er Damon wohl noch etwas anderes schuldig. "Und dafür, dass du es überhaupt manchmal mit mir aushältst."
 

"Heute Morgen." klärte Damon den anderen auf und musste bei diesem niedlichen Gesichtsausdruck unwillkürlich schmunzeln. Sie forderte einen geradezu dazu auf, auf Alans Nase zu stupsen, aber er ließ es vorsichtshalber. Bei Alans Anhang lächelte er "Wenn man sich an deine Launen gewöhnt hat, kann man es eigentlich ganz gut mit dir aushalten."
 

Alan nickte zwar, zum Zeichen, dass er verstanden hatte, fragte aber trotzdem sofort "Wieso? Ich meine..." er kratzte sich kurz am Kopf und versuchte dann in Worte zu fassen, was er nicht verstand, "Dann rechnest du ja noch in den Tagen, mit denen du als Mensch gerechnet hast und dann fängst du plötzlich mitten, während du wach bist, einen neuen Tag an. Aber wenn man davon ausgeht, dass es "Tag" ist, wenn wir wach sind und "Nacht", wenn wir schlafen, dann wäre es doch gestern Abend gewesen. Oder?"

Damons andere Aussage ließ er unkommentiert, man musste dazu nichts mehr sagen, ohne dass es schroff wirkte, und Alan musste auch nicht immer das letzte Wort haben.
 

Damon hörte Alan verwirrt zu und runzelte die Stirn. Aufstöhnend ließ er das Gesicht in die Kissen sinken. "Das ist doch viel zu kompliziert... da bleibe ich lieber bei der alten Zeitrechnung." tat er seine Meinung kund. Er fand es so viel praktischer. Schließlich hatte er ja auch noch mit Menschen zu tun, nachher würde er nur durcheinander kommen.
 

Alan grinste, weil Damon jetzt auch verwirrt war, aber er hatte das Gefühl, dass sie gleich wieder ein Loch im Gesprächsstoff finden würden und darum überlegte er, womit er den Tag oder die Nacht, Damons Meinung nach, verbringen konnte. Draußen tobte immer noch der Schneesturm, da wollte er nicht hin. Als unmittelbare Beschäftigung fiel ihm spontan nur Damons Blut ein, aber so unglaublich es war, er hatte keinen Appetit darauf und wollte es nicht zu einem bloßen Zeitvertreib degradieren, dazu war es einfach zu köstlich.
 

"Irgendwie würde ich schon gerne ein Fenster öffnen und mal hinausschauen." murmelte Damon und blickte zum Fenster hinaus. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Schneesturm gesehen und es sah bestimmt schön aus, wie der Wind die weichen Flocken durch die Luft durcheinander wirbelten. Das einzige Problem war, dass er dann wieder aus diesem warmen Bett steigen musste.
 

"Warum denn das?" Sofort war Alans Neugierde geweckt, denn für seine gut 150 Jahre war er eigentlich verdammt neugierig, auch wenn er sie meistens mit irgendeinem Zweck rechtfertigen konnte. Und bei Damon konnte er sie ja dummerweise nicht durchs Hinhören befriedigen... schon blöd. Aber da Damon jetzt viele Sachen selbst lernte, verstand er ihn besser, das hatte er zugegeben und Alan war der Ansicht, dass auch das dazu beitrug, dass sie sich besser verstanden als vorher.
 

"Ich habe dir doch schon erzählt, dass es bei uns nie sehr viel Schnee gab, erst recht keine Schneestürme. Es sieht bestimmt schön aus, wie der Wind die Flocken durch die Luft wirbelt." stillte der Rothaarige Alans Neugierde ein wenig und streckte dann eine Hand aus dem Bettzeug. Langsam wurde es wärmer, also konnte er sich ja vielleicht doch aus dem Bett wagen.
 

Im Gegenzug verkroch sich Alan noch tiefer unter dem Bettzeug. "Dann mach' doch, sieh es dir an..." gewährte er ihm, "Lass' ruhig das Bisschen Wärme wieder raus, das hier im Raum ist." Konnte er sich nicht verkneifen, sarkastisch anzufügen. Gleichzeitig grinste er, was den Vorwurf zu einer Witzelei abmilderte. Außerdem tröstete er sich mit dem Gedanken an ein Bad, das er nehmen würde, wenn ihm das Aufheizen des Raumes heute zu lange dauerte. Durch den Schneesturm war die Temperatur draußen stark gesunken, bei weniger radikalen Temperaturschwankungen war es morgens nicht so kalt hier.
 

Damon war sich nicht ganz sicher, was er tun sollte, aber er stand doch auf, da er einfach zu neugierig war. Er erhob sich aus dem Bett und ging zu einem der Fenster. Er öffnete es und schob den Fensterladen auf, dann schloss er das Fenster sofort wieder und blickte hinaus. Es war wirklich genauso schön, wie er es sich vorgestellt hatte.
 

Er beobachtete Damon eine ganze Weile dabei, wie er den Schneesturm beobachtete, dann entschied er sich doch dafür, sich ein bisschen vom Wasser verschrumpeln zu lassen und hüpfte eilig aus dem Bett, um nicht zu lange im Kalten bleiben zu müssen, während das Wasser einlief. Alan blieb nicht im Bad, um dabei zuzusehen, sondern kam in einen weißen Frotteebademantel gehüllt wieder in sein Zimmer zurück und steckte die nackten Füße zurück unter seine Bettdecke.
 

Damon blickte auf als Alan zurückkehrte und musste bei der Farbe des Bademantels unwillkürlich an Schnee denken. "Ist dir kalt?" fragte er ein wenig irritiert, da er mit den Gedanken nicht ganz anwesend war. Und da das Badezimmer nicht direkt nebenan war, hörte er das Rauschen auch nicht.
 

"Nur ein wenig." Alan lächelte unwillkürlich. "Aber ich will baden, da lohnt es sich doch gar nicht, sich vorher richtig anzuziehen." Das Kaminfeuer knisterte gemütlich, erhellte den Raum aber nicht genug, so dass Alan eine der Petroleumlampen anzündete, die mit kleineren Spiegeln an der Wand montiert waren. Allmählich breitete sich Wärme im Raum aus, aber kühl war es trotzdem noch. Pfeifend fegte der Wind draußen um die Ecken und trieb den Schnee zu dicken Verwehungen zusammen.
 

Damon nickte leicht, da Alan ja durchaus recht hatte. "ich möchte jetzt nicht da draußen sein" stellte er seufzend fest als er die Verwehungen im garten bemerkte. Ob der See wohl zugefroren war? Unwillkürlich wanderten seine Gedanken wieder zu Janis, ob der andere wohl ein geschütztes Plätzchen gefunden hatte. Nicht das dieser nachher erfror.
 

Alan lachte leise. "Musst du doch auch nicht." Dann fiel ihm jedoch ein, dass Damon so oft in der Stadt war, vielleicht weil er jemandem zu kommen versprach. "Oder?" er wusste gar nicht so recht, was er davon halten sollte. Ein wenig eifersüchtig war er ja schon, obwohl er nicht mal wusste, ob er Grund dazu hatte. Aber sicher war es bloß irgendwas ganz Harmloses und es gab überhaupt keinen Grund dafür. Auf jeden Fall würde er den Jüngeren nicht danach fragen. "Ich gehe jetzt in die Wanne." Verkündete er dann, wartete jedoch noch auf die Antwort auf sein ,Oder?', bevor er das Zimmer verließ.
 

"Nein, nein, zum Glück nicht." winkte Damon ab und lächelte. Er blickte Alan hinterher und murmelte etwas, das sich nach "tu das" anhörte. Er hoffte bloß, dass sich dieser Sturm bis Morgen gelegt haben würde. Er hätte keine große Lust, durch meterhohe Schneetürme zu wandern und sich einschneien zu lassen.
 

Alan nickte zum Zeichen, dass er Damons Antwort im Hinausgehen mitbekommen hatte, und tappte barfuss zum Bad. Einen Moment lang überlegte er, ob es ihm recht war, Damon allein in seinem Reich zu lassen, doch dann fiel ihm auf, dass er eigentlich nichts zu verbergen hatte, dort gab es nichts, das Damon irgendetwas gesagt hatte, mal von seiner Vorliebe für Bücher und Kleidung abgesehen, aber die war dem Rothaarigen wahrscheinlich sowieso schon aufgefallen. Und dafür, sich zu überlegen, dass sein Bett eben sein und nur sein Bett war, dass Fremde da nichts zu suchen hatten, war es a) ein wenig spät und b) war Damon ihm nicht mehr so fremd, obwohl er ihn noch nicht so lange kannte.

Alan hängte den Bademantel über den Korbstuhl im Bad und ließ sich ins dampfende Wasser gleiten. Ja, schnurrte er in Gedanken, das war genau das Richtige bei einem Schneesturm. So langsam taute er auf und bemerkte, dass er eigentlich doch ein wenig Appetit auf Damons Blut hatte. Vielleicht sollte er ihn nachher darum bitten? Oder lieber doch nicht... er hatte das Gefühl, dass er zu schnell zu anhänglich wurde, er wollte Damon nicht lästig werden.
 

Damon sah dem anderen nach und holte sich dann einen Stuhl an das Fenster heran. Er machte es sich darauf gemütlich und seufzte glücklich auf. Es war schon um einiges angenehmer zu wissen, dass der Besitzer dieses Hauses nicht mehr so schlecht auf ihn zu sprechen war und dass sie sich langsam besser verstanden. Denn auf die Dauer wäre es nicht besonders angenehm, mit einem streitsüchtigen Vampir unter einem Dach zu leben, mal ganz von seinen Gefühlen abgesehen.
 

Die vollkommene Wärme ließ Alan doch wieder wegdämmern, da auch sein Kreislauf noch nicht so in Schwung gekommen war, dass er ihn wach gehalten hatte. So döste er vor sich hin und ließ seine Gedanken treiben. Damons Umarmung hatte sich wunderbar angefühlt, wenn er ehrlich war. Er hatte sich so sicher gefühlt in seinen Armen, gehalten und eingehüllt von Damons angenehmer Körpertemperatur, so... geborgen. Eigentlich sogar noch geborgener, als er sich bei seinem Meister gefühlt hatte, soweit er sich noch daran erinnern konnte. Außerdem hatte sein junger Vampir gut gerochen.
 

Nach einer Weile wurde es Damon dann aber doch ein wenig langweilig, die ganze Zeit hinaus in das Schneetreiben zu starren. Stattdessen bekam er Lust hinauszugehen, um sich das Ganze aus der Nähe anzuschauen, so würde er auch seinen Kreislauf ein wenig in Gang bekommen. Da Alan bestimmt länger badete, fand er wirklich keinen Grund dafür, es nicht zu tun, außer vielleicht die Kälte, aber er musste sich ja nicht stundenlang da draußen aufhalten. Er zog also seine Stiefel und die Überjacke wieder an und ging hinunter in sein Zimmer. Dort zog er Schal, Handtusche und seinen mehr oder weniger warmen Mantel an und öffnete die Terrassentür seines Zimmers. Er erschauderte, als ihm eiskalte Luft und Schnee entgegen wirbelte, trat aber trotzdem hinaus und ging einige Schritte in den nun völlig weißen Garten hinein.
 

Alan sperrte sich zwar halbherzig dagegen, dass seine Gedanken zu ähnlich emotionalen Gesten von Damon wanderten, aber sie taten es trotzdem. Zu dem Kuss, den er Damon im Austausch für sein Blut gewährt hatte, und nach einer Weile sogar bis zu der Nacht, als Damon ihn auf der Straße entdeckt und ihn plötzlich geküsst hatte. In diesem Moment war Alan entgangen, wie sehnsüchtig der Kuss gewesen war, aber jetzt im Nachhinein fiel es ihm auf. Damon musste wirklich bedauert haben, dass er gegangen war und geglaubt hatte, dass er nicht mehr zurück konnte. Aber irgendwann schlief Alan doch noch ganz ein und schlief etwa eine halbe Stunde lang, die Arme auf dem Wannenrand verschränkt und den Kopf darauf gelegt.
 

Damon war erstaunt, wie lange er es in der Kälte aushielt. Vielleicht lag es auch daran, dass der Wind langsam nachließ und die Flocken nicht mehr ganz so durch die Luft wirbelte. Er lief durch den Garten, zu dem angrenzenden Wald und fand es hier draußen richtig schön. Zumal er die Kälte in den Fingern gar nicht spürte und der Meinung war, dass er sich keine Gedanken darüber machen musste, dass er möglicherweise hier draußen erfrieren würde. Er war schließlich schon tot. So ging er eine Weile durch den stillen Wald und schweifte mit den Gedanken ab.
 

Netterweise weilten seine Gedanken nicht mehr unmittelbar bei Damon, als er wieder aufwachte, weil das Badewasser so kalt geworden war. Eilig quälte er sich aus dem kalten Wasser, hüllte sich erst in ein Handtuch, tauschte das dann gegen den Bademantel und ging zurück in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Damon war nicht mehr da. Aber wie sollte er es ihm verübeln, wenn er sich einfach zum Baden verkrümelte. Wenig später hatte er eine weiche, dunkelgraue Hose und einen blaugrünen Rollkragenpullover an und sah damit nicht mehr so düster aus wie gestern. Die Kleidung erinnerte ihn daran, dass er versprochen hatte, Damons Wintermantel zu bezahlen. ,Auch das noch...' der Weißhaarige trat an das Fenster, bei dem Damon den Fensterladen geöffnet hatte und starrte hinaus in die Dunkelheit. Der Schnee reflektierte immerhin das spärliche Licht, so dass Alan einen Schemen erkennen konnte, der gerade den Waldrand erreichte. Damon sah sich wohl den Schneesturm, der sich allmählich ausgetobt hatte, aus der Nähe an, schlussfolgerte Alan schmunzelnd.
 

Damon zog den Mantel enger um sich und musste feststellen, dass es doch recht angenehm war, sich keine Gedanken darüber machen zu müssen, ob man erfrieren würde oder sich eine Erkältung zu zog. Er ging weiter durch den Wald, genoss die Ruhe und Stille und blieb dann schließlich an dem See stehen. Vorsichtig ging er zu dem Rand und stellte fest, dass seine Oberfläche zugefroren war. Allerdings nicht so fest, dass man darauf hätte gehen können. Aber Mitte Dezember würde man darauf bestimmt ohne Gefahr laufen können. Er hockte sich wieder auf einen der großen Steine und seufzte leise. Er erinnerte sich daran, wie er hier immer geschwommen war, er vermisste das wirklich und gleichzeitig kam ihm wieder diese Situation in den Kopf, als Alan am Ufer gestanden und ihn beobachtet hatte.
 

Alan stand noch ein wenig länger am Fenster und sah dem Schemen nach, bis er verschwunden war. Also so langsam bemerkte selbst er, dass er wohl ein Faible dafür hatte, Damon zu beobachten, wenn er schon nicht direkt an seinem Leben teilnahm. Andererseits hatte er auch das Gefühl, dass es wichtig war, Damon zu beobachten, damit er ihn besser verstand, es half ihm manchmal wirklich dabei. Oder er fühlte sich wie ein feiger, kleiner Spitzel, es wechselte sich ab.

Hände und Stirn an die kühle Fensterscheibe gelehnt, überlegte er, ob er dem Rothaarigen vielleicht folgen sollte, bis das Kaminfeuer die Kälte endlich ganz aus seinen Räumen vertrieben hatte. Er wunderte sich schon darüber, dass er allmählich begann, anhänglich Damon gegenüber zu reagieren und er wusste nicht, ob er das so toll finden sollte.
 

Damon hockte derweilen auf seinem Stein und hatte mit den Füßen den Schnee von der dünnen Eisfläche geschoben. Er blickte darauf hinab und bemerkte nach einer Weile, dass solch eine Eisdecke recht unpraktisch war, wenn man die Gewohnheit hatte, Steinchen in den See zu schmeißen. Er schmunzelte leicht. Julian und Ernesto hatten ihm prophezeit, dass er das nächste Frühjahr wahrscheinlich nicht überleben würde...und irgendwie hatten sie ja recht. Auf eine ganz komische Art und Weise. Was die beiden wohl gerade machten?
 

Nach zwanzig Minuten entschied Alan, dass der Schneefall nun schwach genug war, um eine Runde durch den Garten zu machen, und machte sich gleichzeitig über seine eigene Spitzfindigkeit lustig, die darauf bestand, dass er es wegen des Gartens und nicht wegen Damon tat. Trotzdem beharrte er für sich selbst darauf, dass er erst ausgiebig den verschneiten Garten betrachtete, bevor er Richtung Seerosenteich ging, wo Damon sich wohl aufhielt, wenn er noch nicht wieder in seinen Räumen war.

Julian und Ernesto wussten, dass Alan sie nicht in die Villa zwang, wenn er keine _essenden_ Gäste hatte und es draußen so stürmte wie jetzt und so vergnügten sie sich eher miteinander, als an die beiden im Herrenhaus zu denken und den freien Tag dadurch nur noch halb so frei zu machen. Demnächst würde Alan Julian wohl einem befreundeten Adligen und Restaurantbesitzer als Koch empfehlen, damit auch er Arbeit hatte, einen "Unnützen" konnte schließlich auch Alan mit seiner Erbschaft nicht ewig bezahlen.
 

Damon hatte seine Hände in den jeweils gegenüberliegenden Mantelärmeln vergraben, da er doch ein wenig zweifelte, ob sie ihm doch nicht abfrieren würden. Er zog die Beine an und merkte, dass er leicht zitterte, aber er wollte noch nicht rein. Die Luft hier draußen war angenehm frisch und im Wald war es schön ruhig.
 

Alan schlenderte langsam durch seinen weitläufigen Garten, durch seine Handschuhe war ihm auch weniger kalt als Damon. Schließlich kam er in die Nähe des Teiches und erblickte die zusammengekauerte Gestalt seines Untermieters. Da er nicht wusste, ob Damon allein sein wollte, wollte er ihn nicht stören. Er gab sich zwar keine Mühe, das Geräusch seiner Schritte im Schnee zu unterdrücken, aber er sprach ihn nicht an, sondern lehnte sich an die Birke, die nun völlig kahl war und ihn deswegen auch nicht mehr mit ihren hängenden Ästen vor Damons Blick verbarg, so wie als er hier gestanden und ihn beim Schwimmen beobachtet hatte.
 

Damon hörte die Schritte und da das nur Alan sein konnte, blickte er erst nach einer Weile auf und suchte die Umgebung nach dem Vampir ab. Als er den Kleineren bei der Birke entdeckte, fühlte er sich unweigerlich an diese seltsame Situation erinnert, als Alan ihn im frühen Herbst von dort aus beobachtet hatte. Er blickte zu dem anderen und lächelte. Er war wirklich erstaunt, dass der andere in die Kälte hinaus gekommen war. Er zog eine Hand aus seinem Ärmel und winkte dem anderen zu.
 

Alan beobachtete, wie Damon seine Hand sofort wieder in den anderen Ärmel steckte und schickte ihm als Antwort ein scheues Lächeln zurück. Dann fiel ihm etwas ein und er zog, plötzlich fröhlich feixend, ein zweites Paar Handschuhe aus einer seiner Manteltaschen und machte eine Geste, mit der er sie Damon anbot.
 

Damon hob die Augenbraue und deutete dem anderen dann an, dass er zu ihm kommen sollte. Er brauchte die Handschuhe nicht unbedingt, seine Mantelärmel waren warm genug. Er blickte zu Alan und fragte sich, warum der andere hier wohl aufgetaucht war. Ob er ihn vermisst hatte?
 

Bedächtig löste Alan sich vom Stamm der Birke und ging auf den Größeren zu, er sollte bloß nicht anfangen zu glauben, dass er ihn herumkommandieren konnte. Ein zweites Mal bot er Damon die Handschuhe wortlos an, es gab eigentlich gar nichts zu sagen und es war doch gerade so schön still.
 

Damon nahm die Handschuhe entgegen und hatte ebenfalls nicht vor, die Stille zu durchbrechen. Stattdessen beugte er sich vor und küsste den anderen dankbar auf die Wange. Er glaubte zwar nicht, dass Alan extra für ihn das zweite Paar Handschuh mitgebracht hatte, aber dennoch fand er die Geste, dass er ihm sie angeboten hatte, recht süß.
 

Um Alans Mundwinkel spielte ein zartes Lächeln und er errötete beinahe unmerklich, als Damon ihn auf die Wange küsste. Seit wann stellte er sich eigentlich so an? Aufmerksam betrachtete er Damons schön geschnittenes Gesicht. "Du hast ganz blaue Lippen. Frierst du nicht?"

Damit er Damon und sich von seinem Verhalten ablenken konnte, wandte er sein Gesicht in die Richtung, in die Damon vorhin gestarrt hatte, um herauszufinden, was seine Aufmerksamkeit gefesselt hatte.
 

Damon fuhr sich verwundert über die Lippen und stellte verwundert fest, dass sie tatsächlich eiskalt waren. "Ich weiß nicht... ein wenig friere ich schon, aber ich glaube, nicht so sehr, wie ich als Mensch gefroren hätte. Oder ich nehme es nicht mehr so wahr, weil ich ja eigentlich gar nicht erfrieren kann. Oder nicht?" stellte er dann seine Vermutung fest und blickte den anderen fragend fest.
 

"Kannst du nicht." Bekräftigte Alan, "Selbst wenn du Erfrierungen bekommen solltest, die verheilen in weniger als zwei Tagen wieder." Weil Damon auf das Regenerationsvermögen der Vampire zu sprechen kam, fiel ihm eine Geschichte ein. "Mein Meister hat mir mal von einem fünfzehnhundert Jahre alten Vampir erzählt. Aus Liebeskummer wollte er sich das Leben nehmen und blieb an einer Dachkante stehen, bis die Sonne kam. Sein völlig verbrannter Körper stürzte vom Dach in eine vor der Sonne geschützte Spalte und dort erwachte er in der nächsten Nacht wieder. Weil seine ganze Haut geschmolzen war, konnte er sich nur mit Mühe bewegen, doch nachdem er den erstbesten Menschen getrunken hatte, konnte er sich soweit regenerieren, dass er fast wieder normal, aber braungebrannt wie ein Südländer aussah. Ein paar Tage später sah er wieder wie früher aus." Alan selbst fand die Geschichte ziemlich unglaublich, aber er bezweifelte nicht, dass so alte Vampire sogar die Sonne überleben konnten. "Nur Körperteile ganz zu verlieren solltest du vermeiden. Wenn dir jemand einen Arm beim Duellieren abschlägt, wächst dir kein neuer."
 

Damon hörte dem anderen aufmerksam zu und fand die Geschichte durchaus spannend und interessant. "das habe ich mir schon gedacht" erwiderte er auf die Sache mit dem Arm hin und lächelte. So schwer und kompliziert, wie er am Anfang gedacht hatte war dieses ganze Vampirzeug ja doch nicht.

Ganz allmählich merkte er wie ihm doch kalt wurde, oder zumindest begann er sich langsam nach einem warmen Kaminfeuer zu sehnen. Er erhob sich und blickte zu Alan. "Ich glaube, ich geh doch wieder rein, langsam wird es wirklich kalt."
 

"Hast du deinen Kamin denn schon angezündet?" erkundigte sich Alan stirnrunzelnd, denn sonst hatte Damon ja herzlich wenig davon, wenn er in seine Räume zurückging. "Vielleicht solltest du dich gleich in die Wanne packen, dann siehst du nicht mehr so erfroren aus." Um Damons Gesundheit musste er sich ja keine Sorgen mehr machen, auch wenn er es unwillkürlich tat, weil Damon so einen erbärmlichen Anblick bot. Er sah wirklich halb erfroren aus, so weiß und mit den blauen Lippen.
 

Damon schüttelte den Kopf. "Nein... an den Kamin habe ich gar nicht gedacht." antwortete er ehrlich und leicht bekümmert, dann aber kam ihm eine Idee. "Ich glaube, ich gehe wirklich baden, dann kann sich das Zimmer in der Zeit schon mal aufwärmen." meinte er lächelnd und blickte zu Alan. "Danke." fügte er dann an, da er eigentlich ja nur durch Alan auf diese Idee gekommen war. Er lächelte und blickte zum Haus. "kommst du mit, oder bleibst du noch hier draußen?"
 

"In die Wanne?" fragte Alan verständnislos und völlig verblüfft nach, um zu sehen, ob er das gerade richtig verstanden hatte.
 

"Nein!" antwortete Damon, ein wenig entrüstet darüber, dass Alan ihn für so plump hielt. "Natürlich nicht." fügte er dann hinzu. "Ich wollte damit eigentlich fragen, ob du mich zurück zum Haus begleitest." erklärte er dem Vampir die eigentliche Bedeutung seiner Worte.
 

"Aha." Alan machte mit seinem Tonfall deutlich, dass er nicht davon überzeugt war, dass Damon das nicht gefallen hätte. Er schmunzelte vergnügt.

Was hätte er wohl geantwortet, wenn Damon das wirklich so gemeint hätte?

Einerseits hätte er kein Problem damit gehabt, mit ihm zu baden, andererseits wollte er ihm keine Hoffnungen machen, die er im Moment noch nicht erfüllen konnte. Welches Argument war denn jetzt das wirkungsvollere?

Anstatt zu antworten bot er ihm mit einer ins Lächerliche überzogenen Geste seinen Arm an, um mit ihm zum Haus zurückzuspazieren.
 

Damon beobachtete mit hochgezogener Augenbraue die Geste und den am Schluss dargebotenen Arm. Er wusste nicht warum, aber durch dieses Übertriebene kam er sich ein klein wenig veralbert vor. Er seufzte leise und ergriff dann doch Alans Arm, auch wenn er mit ein paar schnellen Handgriffen dafür sorgte, dass Alan sich bei ihm unterhakte und nicht andersherum.
 

Alan musste darüber lächeln, dass Damon so entschieden die Rollenverteilung korrigierte. Bereitwillig hielt er sich an seinen Arm und spazierte mit seinem Schützling durch den weitläufigen Garten. Ein angenehmes Gesprächsthema, irgendetwas nettes, worüber man sich ruhig und flüssig miteinander unterhalten konnte, wäre jetzt die absolute Krönung gewesen... oder etwas von Damons Blut, aber das ging im Laufen nicht gut, außerdem war ihm doch kalt und Alan wollte ihn nicht davon abhalten, sich aufzuwärmen. Mit Damons normaler Körpertemperatur schmeckte es sowieso am besten.
 

Auch Damon überlegte, ob es nicht ein Thema gab, über das man sich unterhalten konnte, aber da ihm nichts so rechtes einfiel, ließ er es lieber bleiben, bevor er die Situation mit dem plumpen Versuch, ein Gespräch zu beginnen, zerstörte. Stattdessen blickte er hin und wieder lächelnd zu Alan hinab und wieder zum Haus. Je mehr er in Gedanken zu der warmen Wanne und seinem warmen Zimmer abdrifteten, umso bewusster wurde ihm, wie kalt ihm eigentlich war.
 

"Damon... ich hab Durst." Kleinlaut gab Alan schließlich doch sein zweites Anliegen preis. Damit meinte er zwar nicht, dass sie jetzt sofort hier draußen stehen bleiben mussten, damit er an sein geliebtes Blut kam, aber er wollte zumindest schon mal bescheid sagen, dass er zu gern etwas davon gehabt hätte. Außerdem wollte Damon ja vielleicht wieder eine Gegenleistung, dann war es ja auch gut, wenn er Zeit hatte, sich seelisch und moralisch darauf einzustellen.
 

Damon blickte ein wenig verwundert zu dem anderen hinunter und kurz war er versucht nein zu sagen, andererseits hatte er das Gefühl, dass er damit wieder eine gewisse Distanz zwischen sich und dem Vampir aufbauen würde und eigentlich fand er es ja auch gar nicht so schlimm. Er nickte bloß und sah wieder zum Haus. "Na gut...aber erst in meinem Zimmer." antwortete er leise, denn im Moment wollte er nichts lieber, als aus der Kälte raus.
 

Vielleicht lag es daran, dass sie so nah nebeneinander herliefen, aber Alan bemerkte, dass Damon im ersten Moment in Versuchung kam, nein zu sagen. Das war zwar sein gutes Recht, aber etwas eingeschnappt wäre Alan wohl trotzdem gewesen, obwohl er dazu gar kein Recht hatte. Der Kleinere nickte verständig. Mit der Aussicht auf den versprochenen Genuss konnte er sich gut so lange gedulden. Er beschleunigte das Tempo, da Damon langsam ziemlich zitterte und so kamen sie bald bei seiner Terrassentür an. "Ich komme nachher irgendwann wieder herunter, wenn du wieder aufgetaut bist. In Ordnung?" Weil Damon ihn damit in der Hand hatte, musste Alan sich zwingend vergewissern.
 

Damon nickte. "In Ordnung." meinte er und man hörte ihm die Verwirrtheit an, als er die Terrassentür wieder öffnete. Wollte Alan jetzt trinken oder nachher, wenn er runterkam? Er trat hinein und ließ die Tür offen, damit Alan hineinkommen konnte, wenn er wollte, und begann damit, das Holz im Kamin anzuzünden.
 

Da Alan annahm, dass Damon den Kamin anzünden und dann so schnell wie möglich in die sehnlichst erträumte Wanne hüpfen würde, schloss er die Tür von außen sachte und ging gemächlich um das Haus herum und durch den Haupteingang zurück zu seinen Räumen. Mit der Aussicht auf das Blut konnte er sich schwer auf etwas anderes konzentrieren und so rollte er sich auf dem riesigen Bett zusammen, um noch etwas vor sich hin zu dösen oder sogar ein wenig zu schlafen.
 

Es wunderte ihn ein wenig, dass Alan diesen Umweg nahm, aber es störte ihn nicht weiter. Er war im Gegenteil froh, dass er sich erst ein wenig aufwärmen konnte. Als er sicher war, dass das Feuer im Kamin nicht wieder ausgehen würde, nahm er sich seine Sachen und ging aus seinem Zimmer in das Badezimmer in seinem Flur. Dort ließ er das heiße Wasser einlaufen, während er sich ein Handtuch heraussuchte, alles zurechtlegte und sich dann auszuziehen begann.
 

Zur selben Zeit schlief Leander, übermüdet von einem der manischen Anfälle, der ihn die letzten beiden Tage und Nächte durcharbeiten lassen hatte, auf einem Stuhl in der Schneiderwerkstadt ein.

Janis drehte sich auf die Seite und rutschte aus der alten Decke, die ihm nur leidlich Wärme spendete. Er öffnete missmutig die Augen und sah sich um, betrachtete die heruntergekommene Pracht des verfallenden Hauses, in dem er Unterschlupf gefunden hatte. In dem Gasthauszimmer, das ihm sein neuer Schüler angeboten hatte, wäre es immerhin warm und sauberer gewesen... aber das hatte er vergeigt.

Ernesto warf das Taschentuch beiseite, mit dem er gerade sich und seinen Liebsten von den Überresten der heißen Nacht gesäubert hatte, und kuschelte sich halb auf den Blonden, strich ihm den Schweiß aus dem Gesicht und küsste ihn erschöpft und verliebt, nur um gleich darauf wieder einzuschlafen.
 

Lucael saß zur selben Zeit an seinem Schreibtisch und kümmerte sich um seine Finanzen, während er darüber nachdachte, Alan zu besuchen. Von einer Bekannten hatte er von der Niederlage des Weißhaarigen gehört. Er machte sich zwar keine Sorgen um Alan, da er wusste, dass die Wunde wahrscheinlich schon seit gestern verheilt war, aber dennoch konnte er sich denken, dass es sehr langweilig sein musste, so an das Haus gefesselt zu sein. Überlegend drehte er die Feder in seinen Fingern. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass es zu spät war, um den anderen heute noch zu besuchen, aber er nahm sich vor, Alan morgen zu sehen.

Nachdem Damon eine ganze Stunde die wohltuende Wärme des Badewassers genossen hatte und langsam das Gefühl hatte sich aufzulösen, erhob er sich und trocknete sich ab. Er schlüpfte in die neue Kleidung und seufzte zufrieden. Es war wirklich ein guter Entschluss gewesen, ein Bad zu nehmen, er fühlte sich richtig wohl und zufrieden. Er nahm die alten Sachen mit auf sein Zimmer und räumte sie weg, bis er Alan fragen konnte, wer sie waschen würde. Er legte noch ein paar Holzscheite nach und ließ sich dann auf sein Bett sinken.
 

Nach anderthalb Stunden ruhigen Zeitvertreibs gelangte Alan zu der Überzeugung, dass er jetzt nach unten gehen könnte, ohne Damon auf die Nerven zu fallen oder ihn bei etwas zu stören. Außerdem hatte das Warten seinen Appetit nur noch gesteigert. Er wusste nicht, ob Damon ihn jetzt noch mit dem Wunsch einer Gegenleistung überraschen würde, aber falls nicht, dann wusste er nicht, ob er ihn darauf aufmerksam machen wollte. Einerseits fand er es in Ordnung, Damon dafür, dass er ihm sein Blut ab, einen Gefallen zu tun, andererseits befürchtete er immer noch, damit Versprechungen zu machen, die er nicht halten konnte, auch wenn es vielleicht gar nicht mehr so war.

Leise klopfte er an Damons Tür und wartete auf ein Zeichen, eintreten zu dürfen.
 

Damon richtete sich auf, als er das Klopfen hörte. "Herein." meinte er und blickte zu der Tür. Er hatte sich überlegt, keine Gegenleistungen mehr von Alan zu fordern, denn damit machte er sich nur falsche Hoffnungen und tat sich selbst weh. Er setzte sich ordentlich hin und wartete darauf, dass der kleinere Vampir näher heran kam.
 

Das Schweigen, wenn er aus dem offensichtlichen Grund das Zimmer betrat, ließ ihn betreten beiseite schauen. Alan beeilte sich, aus der unmittelbaren "Schusslinie" musternder Blicke zu kommen und setzte sich neben Damon aufs Bett. Auch diesmal wusste er nicht, was er sagen sollte, obwohl es ja gar nichts zu sagen gab, er wollte einfach das Schweigen brechen. "Darf ich...?" brachte er schließlich hervor und sah von etwas weiter unten in Damons grün-braune Augen hoch.
 

Damon blickte hinunter in Alans Augen und kam nicht umhin zu schmunzeln. So niedlich wie der Vampir jetzt aussah, hatte er ihn eigentlich noch erlebt und allein deswegen antwortete er nicht sofort. Er wartete jedoch auch nicht solange, dass Alan denken würde, er kostete dieses kleine Machtgefühl aus. Er nickte, immer noch lächelnd und strich sich die noch feuchten Haare aus dem Nacken. Er neigte den Hals und schloss dann abwartend die Augen.
 

Selbstvertrauen war schon eine komplizierte Sache, sobald es Alan interessierte, was der andere von ihm dachte, sobald es ihm wichtig war, dass er eine gute Meinung von ihm hatte, wurde er unsicher, so wie jetzt. Das Dumme war nur, dass der Weißhaarige ja nie so genau wissen konnte, was Damon von ihm dachte. Er beugte sich zu dem Jüngeren und legte die Hände auf seine Schulter und seinen Oberkörper. Den Moment genießend beugte er sich über seinen Hals. Er konnte den Badezusatz riechen, den Damon eben benutzt hatte. Sanft legte er die Lippen auf seine Halsbeuge und begann dann zu trinken.
 

Damon legte die Hände auf die Hüften des kleineren Vampirs, um ihn so ein wenig zu stützen und seufzte genießend auf, als er spürte, wie Alans Zähne in seinen Hals einstachen. Er wusste selbst nicht, warum es ihm so gefiel, von dem Vampir gebissen zu werden, vor allem, warum es ihm immer noch gefiel, denn so oft wie Alan ihn gebissen hatte, sollte man meinen, es wäre zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
 

Alan lehnte sich an, um sich ganz auf den Geschmack seiner Lieblingssorte Blut zu konzentrieren. Wieder kam er nicht umhin, sich darüber Gedanken zu machen, warum es gerade Damons Blut war, das er so liebte. Der süßlich-herbe Geschmack mit seinen vielen Nuancen faszinierte ihn jedes mal aufs Neue, schimmernd und vielschichtig wie ein besonderer Teppich, es schmeckte sogar ein bisschen so, wie Damon roch... ein Geruch, an dem Alan immer mehr Gefallen fand.

Er trank eine ganze Weile, bevor er sich seiner Gedankenlosigkeit bewusst wurde und langsam absetzte; er sollte wirklich lernen, sich zu mäßigen. Alan leckte kurz über die Bissstelle und hauchte dann aus einer spontanen Neigung einen Kuss darauf. Irgendwann würde er Damon sagen können, dass er sich zu ihm hingezogen fühlte und die Angst, ihn zu enttäuschen oder zu verletzen, ihn davon abhielt, sich ihm zu nähern.
 

Damon war mit den Gedanken abgeschweift und so war auch ihm nicht bewusst gewesen wie lange Alan getrunken hatte. Als der Vampir sich löste, drehte er den Kopf in seine Richtung, ließ es aber leise aufstöhnend dann doch bleiben. Ihm war mit einem Mal total schwindelig und schlecht geworden und irgendwie hatte er das Gefühl, dass jemand von innen gegen seinen Kopf hämmerte, wenn er diesen zuviel bewegte. Offenbar war man auch als Vampir nicht gegen die Gefühle des Blutsverlusts immun, wie er leidig feststellte.
 

Alan sah an den unsicheren Bewegungen und dem unsteten Blick des Größeren, dass er sich im wahrsten Sinne des Wortes zu viel herausgenommen hatte. "Entschuldige..." meinte er mit hörbarem Bedauern in der Stimme, auch weil er sich lieber besser im Griff gehabt hätte, als er es anscheinend tat. "Möchtest du etwas zurückhaben?" Es war ja nur gerecht, wenn er einen Teil wieder hergab, damit Damon nicht mehr so schlecht war.
 

Damon ließ sich gegen die Wand sinken und wollte schon nicken, als ihm einfiel, dass das wohl keine so gute Idee sein würde und so ließ er ein leises, eher gehauchtes "Ja" vernehmen. Er öffnete die Augen einen Spalt weit, und stellte fest, dass er nun ein wenig besser sehen konnte. Er blickte kurz zögernd zu Alan, dann griff er nach dessen Handgelenk und blickte den Vampir fragend an. Er wollte schließlich vorher sichergehen, dass es dem Vampir recht war, wenn er ihn in die Pulsadern biss.
 

Alan schüttelte sanft den Kopf und öffnete die Knöpfe, die seitlich angebracht den Rollkragen verschlossen. Er mochte das Gefühl nicht, ins Handgelenk gebissen zu werden, es war ihm irgendwie unangenehm und erinnerte ihn daran, wie er Damon davon trinken lassen hatte, um ihn zu seinesgleichen zu machen. Deswegen setzte er sich neben Damon an die Wand und drehte sich zu ihm, Damon musste sich jetzt nur noch ein wenig herbeugen und dann konnte er sich ein wenig Blut zurückholen.
 

Damon wusste nicht wieso, aber er hielt Alans Handgelenk weiterhin sanft umschlossen. Vielleicht, weil es ihm im Moment einfach ein wenig Halt gab, wo sich der Rest seiner Umgebung zu drehen schien. Er beugte sich vor und versuchte sich zu konzentrieren, um Alan nicht wehzutun, dann biss er, so zärtlich es eben ging, da er sich im Moment vorkam wie ein ausgehungertes Raubtier, zu und nahm begierig das warme Blut auf, das alsbald aus Alans Wunde trat.
 

Hilfsbereit hielt Alan ihn mit der freien Hand fest, unterstützte seine Bewegung, damit er nicht so taumelte. Er musste wirklich ganz schön viel getrunken haben, sein schlechtes Gewissen plagte ihn. Darum machte es ihm auch nicht viel aus, dass Damon so schnell trank, er hatte es doch verdient. Außerdem war der Biss nicht direkt unangenehm und die warme Hand, die sein Handgelenk umschloss, strahlte bezwingende Ruhe aus, so dass Alan sich entspannte und die Augen schloss, während er Damons Tun im Geiste mitverfolgte.
 

Damon wurde langsam etwas ruhiger und als er merkte, dass zumindest dieses andauernde Schwindelgefühl verschwunden war, ließ er von Alan ab. Er seufzte leise und ließ sich dann ganz gegen die Wand sinken. Das hieß wohl, dass er morgen wirklich früh losmusste. Denn mit solch einem Durst konnte er wohl kaum in Ruhe mit Janis Cello lernen. Und er wollte den anderen auch nicht so lange warten lassen, deswegen musste er früh los, das nächstbeste Opfer nehmen und sich beeilen. Er seufzte leise, das würde ein ganz schön stressiger Morgen oder Abend werden, wie er betrübt feststellte.
 

Alan bemerkte, dass seine Schöpfung mit den Gedanken woanders war, und zog leicht gekränkt einen Schmollmund, obwohl er sich eingestehen musste, dass er überhaupt keinen Grund zu so einer Reaktion hatte. Es zog ihn trotzdem irgendwie herunter und schmälerte den Genuss von eben. Aber er wollte jetzt nicht einfach aufstehen und gehen, er wusste zwar, dass er Damon ausnutzte, obwohl es ihm nicht gefiel, aber so deutlich zeigen wollte er es erst recht nicht. Lieber hätte er noch ein wenig die ruhige Gegenwart des Rothaarigen genossen, aber wenn er geistig abwesend war, war es nicht das Gleiche. Alan fand es bescheuert, dass er selbst wollte, dass Damons Gedanken sich mit ihm beschäftigten und so vertrieb er sich die Zeit, bis sie es tatsächlich wieder taten, damit, dieser kleinen Stimme irgendwie das Maul zu stopfen.
 

Damon hatte sich schließlich ganz aufs Bett gelegt und für einen kurzen Moment wünschte er sich einen Kaffee. Bis ihm einfiel, dass er nun kein Mensch mehr war und er als Vampir leider nicht mit so einfachen Mitteln seinen Kreislauf auf Fordermann bringen konnte. "Tut mir leid, irgendwie..." erfuhr sich über die Stirn, "fühlt sich mein Kopf vollkommen leer an." stellte er dann fest, da er meinte Alan anzusehen, dass er sich zu Tode langweilte.
 

Alan kaute ein oder zwei Minuten auf dem Satz herum. "Und was willst du mir damit sagen?" gab er sein Unverständnis dann zu, während er Damon ansah, weil er gerade so praktisch vor ihm lag. Theoretisch hätte er erwartet, dass er das nicht tun wollte, aber er hatte nicht das Gefühl, dass Damon ihm irgendetwas ansah, von dem er nicht wollen könnte, dass Damon es wusste. Er selbst wusste zwar, dass er sich zu Damon hingezogen fühlte, aber noch war es seine Sache und er konnte entscheiden, was er damit anfing, ohne sich vor Damon eine Blöße zu geben.
 

"Ich weiß auch nicht." antwortete Damon seufzend, "du siehst nur so gelangweilt aus, da dachte ich mir, es ist besser, ich sage dir, dass mir kein Gesprächsthema einfällt." antwortete er dann und schloss die Augen. Hoffentlich wurde das morgen alles nicht noch schlimmer.
 

"Aha... na dann reden wir eben nicht." Schlussfolgerte er überaus geistreich die naheliegendste Konsequenz. "Soll ich wieder gehen?" Irgendwie sah Damon ja so aus, als brauchte er ein wenig mehr Ruhe, obwohl es Alan wunderte, dass er diesmal so durchhing, so viel hatte er ja nun auch wieder nicht getrunken, außerdem hatte er Damon doch etwas von seinem Blut abgegeben. Vielleicht lag es ja noch an irgendetwas anderem... Unterschwellig hatte Alan plötzlich das Gefühl, dass Damon ihm etwas verschwieg, doch er versuchte das Gefühl zu vertreiben, denn er hatte nicht das Recht zu verlangen, dass Damon jede Handlung bis ins Detail vor ihm rechtfertigte. Aber das Gefühl, dass Damon sich langsam ein wenig von ihm entfernte, tat ihm doch weh, auch wenn er diesen Wunsch nach Nähe weder gewollt hatte noch zeigen konnte.
 

Damon öffnete die Augen und blickte zu Alan "Nein nein, bleib ruhig. Ich mag deine Gesellschaft." antwortete er dann lächelnd. Es war doch etwas anderes, ob man alleine in einem Raum war oder man Gesellschaft hatte, obwohl man sich nicht unterhielt. Und im Moment wollte er nicht alleine sein. Langsam ging es ihm auch wieder ein wenig besser, sodass er sich wieder aufrichtete.
 

Also blieb Alan eben. Träge angelte er sich ein Kissen, lehnte es hinter sich an die Wand und kuschelte sich dagegen. Dann schweigen sie eben... bevor sie nur sinnlos herumpalaverten und sich am Ende wieder stritten... Da war das immer noch besser. Aber es gefiel Alan nicht so recht, hier so still auf dem Bett zu liegen, je länger er Damon betrachtete, weil er das Zimmer ja schon längst kannte, umso größer kam ihm die Distanz zwischen ihnen vor.
 

Damon blickte zu Alan hinauf und hatte das Gefühl, dass sich dieser nicht sonderlich wohl fühlte. "Aber wenn du nicht magst, dann musst du natürlich nicht bleiben." antwortete er deswegen sofort, da er nicht wollte, dass Alan nur blieb, um ihn einen Gefallen zu tun. Aber irgendwie glaubte er nicht, dass Alan das so unbedingt tun würde. Auch er merkte langsam, dass die Distanz zwischen ihnen gar nicht so gering geworden war, wie er gedacht hatte.
 

"Doch, ich möchte schon..." Alan ließ das Satzende unvollendet in der Luft hängen und schüttelte den Kopf. Er wollte ja bleiben, nur die Distanz störte ihn plötzlich so, obwohl er sie doch früher absichtlich aufrechterhalten hatte. Noch so ein Fehler...! Aber er hatte ja auch nicht wissen können, dass sich seine Einstellung dazu so ändern würde. Ein wenig fühlte er sich wie auf dem Rückweg vom Schneider; er wollte den Abstand zwischen ihnen gern verringern, doch er wusste nicht recht, was er tun sollte, wenn er tatsächlich in Damons Nähe kam.
 

Damon lächelte und seufzte leise. "Das ist schön." meinte er glücklich und zufrieden und richtete sich wieder auf. So schnell wie dieser seltsame 'Anfall' gekommen war, genauso schnell war er anscheinend wieder vorbei, denn er fühlte sich nun wieder vollkommen gesund und munter, obwohl es wohl besser war, wenn er morgen Abend erstmal ein Opfer fand. Er lehnte sich mit dem Rücken zur Wand und blickte zu Alan.
 

"Das geht so nicht mehr." Meinte Alan plötzlich unvermittelt. "Jedes Mal hab ich ein wenig mehr das Gefühl, dich auszunutzen und ich hasse es, wenn ich dir nicht mehr in die Augen sehen kann. Früher war das ja in Ordnung, wenn man aus der Übung kommt, ist es ja relativ einfach, Menschen bloß als Nahrungsmittel anzusehen..." Er rieb sich den Nacken und sah einen Moment zur Seite, bevor die blaugrauen Augen wieder auf Damon ruhten, "Aber jetzt sind wir beinahe gleich. Ich möchte, dass es wieder ein richtiger Handel ist." Bat er, bemerkte nicht, dass seine Augen beinahe flehendlich die Bitte unterstrichen.
 

Damon war doch sehr überrascht und erstaunt darüber, dass Alan so plötzlich und so unerwartet etwas von seinem Gefühlsleben preisgab. Normalerweise kam man ja nur sehr schwerlich an den anderen heran. Ein wenig unsicher blickte er zurück. "Ich wüsste aber nicht was du mir als Gegenleistung geben könntest." antwortete er dann vorsichtig. "Einerseits habe ich nicht das Gefühl, dass du mich ausnutzt, wirklich nicht. Ich gebe dir mein Blut schließlich freiwillig, weil ich es in Ordnung finde. Andererseits würde mir nur einfallen das ich dir keine miete mehr zahlen müsste, aber das erscheint mir nicht als guter Ausgleich und dann würde ich das Gefühl haben dich auszunutzen." er seufzte leise und blickte dann wieder direkt in Alans Augen "Es ist in Ordnung so wie es ist."
 

Alan hörte zu und sah auf seine Hände. "Aber _ich_ finde es nicht in Ordnung, wenn du leer ausgehst." Protestierte er matt, schließlich konnte er kaum dagegen sprechen, wenn Damon einfach keine Gegenleistung wollte. Aber warum denn nicht? Es musste doch etwas geben...

Damon hatte schon Recht, er brauchte die Miete. "Vielleicht fällt dir ja doch noch was ein, wenn du darüber nachdenkst." Äußerte er noch hoffnungsvoll, bevor er wohl oder übel das Thema wechseln musste.
 

"Mir fällt aber nichts ein, das genau so nichtig und gleichzeitig bedeutend wäre, wie das Blutsaugen." antwortete Damon, obwohl er wusste, das er Alan damit keinen Gefallen tat. Aber er wollte wirklich nichts. Er hätte irgendwo doch gerne geantwortet, das er dafür gerne einen Kuss bekommen hätte, oder das Alan mit ihm hin und wieder das Bett teilen würde, aber irgendwie wollte er das nicht mehr. Er wollte sich nicht mehr Illusionen hingeben und er hatte auch das Gefühl, das er das langsame Näher kommen von ihnen verfälschen oder gar verhindern würde.

Nein, wenn dann wollte er, das Alan all das tat, weil er ihn liebte oder ihm nahe sein wollte und nicht weil er sein schlechtes Gewissen beseitigen wollte. "und wenn es dich so stört... es zwingt dich schließlich keiner mein Blut zu trinken."
 

Das wirklich Dumme war nur, dass Alan genau das gerade versuchte. Er wollte Damon wieder näher kommen und deswegen hatte er versucht, über den Handel einen Vorwand dafür zu bekommen. Er hatte gehofft, dadurch irgendwie rückgängig machen zu können, dass er sich Damons Berührungen und kleine Zärtlichkeiten verboten hatte. Nur fürchtete er, wenn er es auf direktem Wege versuchen würde, dass er Damons Erwartungen vielleicht nicht erfüllen und ihn damit verletzen würde. Alan wusste einfach nicht, in wie weit er sich bei wirklich aufrichtiger Zuneigung schon selbst trauen konnte. Zumindest hatte er schon dahingehend Fortschritte gemacht, dass er sich Damon und dem Bann seiner Berührungen nicht mehr so hilflos ausgeliefert fühlte.

Man sah recht deutlich die Betrübnis über diese Antwort in Alans Gesicht, bevor er sie harsch verscheuchte, um sich jetzt nicht dem Selbstmitleid hinzugeben. "Das kann ich nicht und ich will es auch nicht."
 

Damon glaubte einen Augenblick lang Betrübnis in den Augen des älteren Vampirs zu lesen, aber er konnte sich nicht recht erklären woher diese stammte. Hätte Alan ihm den Handel, das er Blut gegen einen Kuss tauschen würde angeboten, so hätte er wohl kaum nein gesagt, zumindest nicht sofort. Aber ihm waren Alans Worte das er ihn beim nächsten Kuss beißen würde noch gut im Gedächtnis. Zwar hatte er keine Angst vor dem gebissen werden aber er wusste zu deutlich welche eigentliche Aussage in dem Satz steckte und er ging nicht davon aus das es sich groß geändert hatte. "dann wird sich die Situation wohl nicht groß ändern. Aber wenn mir etwas geeignetes Einfällt können wir ja nochmals darüber reden"
 

Alan traute sich einfach nicht, das auszusprechen, obwohl er tatsächlich daran gedacht hatte, denn objektiv betrachtet, klang das mehr als billig und es hätte wohl nicht mehr erreicht, als dass Damon dann glaubte, dass ihm diese Zärtlichkeiten nicht allzu viel bedeuteten. So seufzte er nur, mit dem Ausgang des Versuchs mehr als nur unzufrieden. Aber eigentlich hätte er das doch erraten können, überlegte er sich im Nachhinein, denn es hörte sich so ähnlich an, wie als er ihm damals im Bad den Kuss angeboten hatte und das hatte er ja tatsächlich nur getan, um sein Gewissen zu beruhigen, nicht weil es ihm etwas bedeutet hatte.

"Was könnten wir noch machen? Ich werde irgendwie gerade so hibbelig." Ließ er nach einer ganzen Weile, während der sie einfach nur geschwiegen hatten, verlauten.
 

Damon kam nicht umhin über den plötzlichen 'Ausbruch' des anderen zu lachen. "ich weiß nicht, um raus zu gehen ist es viel zu kalt" antwortete er. Er hatte noch nicht viele Abende in Alans Nähe verbracht. Jedenfalls noch nicht viele in denen sie sich so nahe gestanden hatten wie jetzt, daher wusste er auch nicht was man jetzt groß tun könnte. Er wusste auch gar nicht welche Möglichkeiten Alan in diesem Haus hatte, er kannte es schließlich nicht so genau.
 

"Dann gehen wir eben nicht raus." So langsam fiel auch Alan auf, dass er sich gerade ziemlich kindisch verhielt, doch neuerdings war er der Meinung, dass man sich nicht immer erwachsen und kontrolliert verhalten musste, ein bisschen Entspannung tat ihm eigentlich ganz gut. "Lass uns... etwas spielen." Er suchte in seinem Gedächtnis nach etwas, das er mit Damon spielen könnte. "Kannst du Schach spielen? Das hab ich schon lange nicht mehr gemacht und da wir unsere Gedanken nicht kennen, ist es auch nicht so sinnlos, wie mit jemand anderem."
 

"Schach?" Damon sah Alan etwas ratlos an, denn er wusste nichts mit diesem Wort anzufangen. Er konnte sich zwar denken das es ein spiel von adeligen war und das es wohl was mit denken zutun hatte, aber mehr wusste er nicht. Andererseits war es ihm auch ein wenig unangenehm, vor Alan zugeben zu müssen, dass er nicht so viel wusste wie dieser. "Ich... ich weiß nicht, was das ist. Ich meine, in meinem Stand hat man keine Zeit für Spiele. Und wenn man Zeit hat, dann verbringt man sie mit Singen oder zusammen mit der gesamten Familie, wenn du verstehst, was ich meine." antwortete er nach einer Weile zögernd.
 

"Nicht?" Alan sah ihn total erstaunt an. Dass man als Angehöriger eines unteren Standes kaum Gesellschaftsspiele kannte und dazu auch gar keine Zeit hatte, hatte er nicht erwartet. Er biss sich ein wenig schuldbewusst auf die Lippe, denn er schien Damon mit seinem Vorschlag doch ziemlich brüskiert zu haben. Je mehr er sich mit Damon ernsthaft auseinander setzte, umso mehr Bildungslücken schienen sich auch bei Alan selbst aufzutun, denn mittlerweile konnte er zwar von sich sagen, dass er eine menge Wissen angehäuft hatte, aber was das Soziale anbelangte, war sein Wissen wohl doch mehr als lückenhaft. "Hättest du denn Lust, es dir erklären zu lassen?" versuchte er es vorsichtig, lenkte dann aber ein, dass sie genauso gut auch etwas anderes tun könnten, als zu spielen.
 

"nun ich kenne es ja nicht, aber ich bin zumindest bereit es mir erklären zu lassen. dann kann ich immer noch entscheiden ob ich es spielen möchte oder nicht" antwortete Damon lächelnd. Er war schließlich auch keiner der alles was vom Adel kam kategorisch ablehnte. Er hoffte nur dass das nicht allzu langweilig war und er es begreifen würde.
 

"Dann lass uns in die Bibliothek gehen..." Schlug Alan, den der Eifer packte, vor und zog Damon einfach an den Händen hinter sich her. In der Bibliothek angekommen, ließ er ihn auf dem grünen Sofa zurück, auf dem er Damon damals auch verboten hatte, ihn ständig zu berühren, und kam nach einer Weile mit einer großen Schachtel zurück. Vorsichtig stellte er sie auf den Couchtisch und klappte den schwarz-weiß gemusterten Deckel auf, klaubte sämtliche Figuren heraus, und stellte sie dann zwischen Damon und sich auf das grün gepolsterte Sitzmöbel. "Also, Schach ist ein Strategiespiel, das man zu zweit spielt. Alle schwarzen Figuren stehen auf der einen Seite des Bretts und die weißen stehen ihnen gegenüber." Er grinste und sah zu Damon auf. "Ziel des Spiels ist, diese Figur" Er suchte die Könige aus dem Figurenberg heraus und stellte sie auf das Brett, "So durch die eigenen Figuren zu bedrohen, dass er sich nicht mehr bewegen kann, ohne geschlagen zu werden."
 

Damon hatte es sich auf dem grünen Sofa gemütlich gemacht und hörte Alans Erklärungen geduldig zu. Bis jetzt hörte es sich nicht sehr kompliziert an, was ihn sehr freute, aber er war sich sicher, dass der schwierige Teil noch kommen würde. "verstanden" murmelte er um Alan zu zeigen, dass er weiter erklären konnte. er musterte den ganzen Haufen an Figuren und fragte sich, wozu sie alle gut sein sollten. Wenn das wirklich ein Strategiespiel war, so würde es bestimmt lange dauern, durch die Figuren an die Figur heranzukommen, die leichte Ähnlichkeit mit einem König hatte.
 

Alan sortierte behände die Figuren nach Farbe und stellte sie auf dem Brett auf, so wie sie stehen mussten. "Wenn du dir vorstellst, dass du der König bist, dann ist der Rest sozusagen dein Hofstaat. Und am Hofstaat gibt es die verschiedensten Leute. Zuerst einmal hast du viele Bauern." Er tippte einen an und nahm ihn vom Brett, "Pro Spielzug kannst du ihn um ein Feld vorwärts bewegen. Außer beim ersten Mal; wenn der Bauer auf seinem Startplatz steht, kannst du ihn auch um zwei Felder vorziehen..." Fantasievoll und mit sichtlichem Elan erklärte der Kleinere seinem Schüler auch die anderen Figuren und Zusammenhänge, was sie konnten, was sie nicht konnten. "Es gibt auch noch Spielzüge, bei denen man ausnahmsweise mehr als eine Figur bewegen darf, aber die lassen wir am besten erstmal weg. Das wird zu kompliziert." Alan stellte alle Figuren auf ihre Ausgangspositionen zurück. "Willst du es probieren?"
 

Damon versuchte sich alles zu merken und war wirklich erleichtert darüber, dass Alan weitere Regeln erstmal auslassen würde. Er betrachtete das Spielfeld und ging noch einmal alles im Kopf durch. Es würde bestimmt nicht gut sein, Alan im Spiel nach den einzelnen Möglichkeiten der Figuren zu fragen, da dieser so vielleicht seine evtl. vorhandene Strategie durchschauen könnte. "Wir können es ja mal versuchen." erwiderte er dann und lächelte leicht. "Es klingt bis jetzt eigentlich ganz gut."
 

Alan lächelte erfreut. "Ich nehme mal nicht an, dass du unbedingt anfangen möchtest, oder?" Außerdem spielte der Ältere lieber mit Weiß, er konnte seine Vorliebe nicht erklären, er mochte die weiße Seite einfach mehr. Er kuschelte sich tiefer in die Kissen und bewegte seinen ersten Bauern. Er erwartete nicht, dass Damon sofort zog und richtete sich auf ein gemächliches Spiel ein, ohne dass er Damon durch die Züge hetzen würde. Die Nacht war immerhin noch lang genug und Damons Mimik gab einstweilen genug für die Beschäftigung zwischen den Zügen her.
 

Damon kam zu dem Schluss, dass das ein Spiel war, wie es sich nur Adelige hatten ausdenken können. In seiner Schicht hatte man so wenig Zeit miteinander und für einander, sodass man die Abende nicht damit verbrachte, stillschweigend über einem Spiel zu verbringen. Stattdessen wurde gesungen, gelacht, erzählt und die wenige Zeit zusammen genossen. Er blickte kurz zu Alan, irgendwie konnte er sich den Kleineren so nicht vorstellen, ob er als Kind auch schon so schweigsam und still gewesen war? Damon streckte die Hand aus und setzte einen seiner Bauern.
 

Umgekehrt konnte Alan sich schlecht in die Art der Ärmeren einfühlen, es fiel ihm schwer, sich selbst ausgelassen zu sehen, weil er sich nur an wenige Momente erinnern konnte, in denen er es gewesen war. Der Adel wusste doch vor lauter Standesbewusstsein und Würde gar keine Umgangsformen mehr, auf der man sich so benehmen durfte, ohne einen Fauxpas selbst im familiären Bereich zu riskieren. Aber so war er eben erzogen worden, vielleicht fiel es ihm deswegen so schwer, etwas aus sich heraus und auf Damon zuzugehen. Er hatte immer das Gefühl, sich damit angreifbar zu machen oder der Kritik anderer, Damon eingeschlossen, auszusetzen.

Sie spielten gelassen und Alan bemerkte, wenn Damon zögerte und sich an die Funktionen einer Figur zu erinnern versuchte, aber trotz der kleinen Fallen, die Alan ihm stellte, schien er den Überblick zu behalten und sich kleinere Zugfolgen auszudenken.
 

Damon merkte mit der Zeit, dass ihm dieses Spiel gar nicht mal so schlecht gefiel. Es war bestimmt ein Zeitvertreib, mit dem man sich hin und wieder beschäftigen konnte, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, Stunden damit zu verbringen. Es lag wohl auch zum Teil daran, dass er hin und wieder kleine Erfolge erzielte, dass ihm das Spiel ein wenig gefiel und nicht langweilte. Auch dass Alan nicht ungeduldig dreinblickte, wenn er mal was länger brauchte, ermunterte ihn und er konnte sich vorstellen, diesen Abend zu wiederholen, auch wenn er merkte, dass er wohl am Verlieren war.
 

Alan baute langsam, Zug um Zug seine Strategien aus, zog allmählich die Schlinge enger, wenn er es auch nicht so plötzlich tat, dass Damon sich einer Wand gegenüber sah und entmutigt wurde. Vielmehr genoss er dieses nicht zu aggressive Spiel, denn die meisten spielten ja nur auf den schnellstmöglichen Triumph hin. Jetzt bemerkte er nicht einmal, wie die Zeit verging, er genoss das ruhige Schweigen, die kurzen Blicke im Einvernehmen zwischen ihnen. Damon einfach so beim Spiel beobachten zu können, tat ihm aus unerklärlichen Gründen wirklich gut.
 

Damon merkte langsam, dass Alan sich eine Strategie ausgedacht hatte, der er jetzt unmöglich entkommen konnte. Aber aufgeben kam nicht in Frage, auch wenn der Sieg hoffnungslos war, aber es ging ja ums Spielen und nicht um das Gewinnen. Überlegend setzte er einen Bauern, auch wenn er im nächsten Moment gewahr wurde, dass er diesen wahrscheinlich gleich verlieren würde. Auch ihm tat es gut, einfach mit Alan zusammen zu sitzen und sich nicht zu streiten.
 

Alan schien sich zunächst nicht für den preisgegebenen Bauern zu interessieren und zog einen Turm, so dass er mit dem nächsten Zug das erste Mal Schach geben konnte. Gleichzeitig brachte er sich seinem zweiten Ziel näher, Damons Dame endlich zu beseitigen, nachdem sie ihm so oft in die Parade gefahren war und ihm einige wichtige Figuren geschlagen hatte, die er unvorsichtig platziert hatte. Vielleicht konnten sie ja öfter den Abend auf diese Weise verbringen.
 

Damon wunderte sich, warum Alan seinen Bauern nicht angriff, doch dann erkannte er, dass seine Dame in Gefahr war und brachte sie in scheinbare Sicherheit. Er blickte kurz zu Alan, dem das Spiel wohl ebenso zu gefallen schien, und das freute ihn, denn es zeigte ja, dass er sich gar nicht so doof anstellte, wie er hin und wieder gedacht hatte.
 

Erwartungsvoll bewegte Alan den Springer und brachte ihn in die entscheidende Position. Wenn Damon jetzt nicht eine Möglichkeit entdeckte, die er übersehen hatte, dann gehörte die Dame mit dem nächsten Zug ihm und außerdem stand er dann im Schach. Gespannt wartete er darauf, dass Damon sich zu den Figuren vorbeugen, mit der linken Hand die hervor gerutschte Haarsträhne aus dem Gesicht streichen und geräuschlos eine Figur über die schwarzweißen Felder schieben würde.
 

Damon hatte das Gefühl, dass er gar keine Möglichkeiten mehr hatte, irgendetwas zu tun, dass es egal war, welchen Zug er machte, Alan würde gewinnen. Er machte sich daraus aber nichts, beugte sich nach vorne und setzte einen seiner Läufer.

Er lehnte sich zurück und strich sich eine Haarsträhne zurück hinter das Ohr.
 

So fixiert auf den finalen Zug, der Damon seine Dame kosten würde, zog Alan ohne noch einmal alles nachzuprüfen und übersah, dass er zwar die Dame bekam, gleichzeitig aber eine andere Figur, die der Springer vorher unabsichtlich gedeckt hatte, dem eben bewegten Läufer preisgab. Das bemerkte er erst, als er sich wieder aufrichtete. Das Spiel lief allmählich fließender, vor allem von Damons Seite aus, da er so langsam die Spielregeln zu verinnerlichen schien und nicht mehr bei jedem Zug darüber nachgrübeln musste, und darüber freute er sich, denn falls ihm das Spiel gefiel, würden sie sich nicht mehr so stur anschweigen, wenn Alan sich mal wieder nach ihm sehnte und sie aber nicht nur miteinander reden wollten.
 

Damon bemerkte es. nicht sofort, aber spätestens dann, als Alan so seltsam guckte. Er lächelte und setzte seinen Turm, klaubte die Figur vom Bett und strahlte. Er konnte nicht verhehlen, dass es ihn freute, Alan noch eine Figur gestohlen zu haben, auch wenn er vielleicht nicht gewinnen würde. Er wusste, dass das ein wenig kindlich, wenn nicht gar kindisch war, aber schließlich sollte das Spiel ja Spaß machen.
 

Alan runzelte die Stirn und sah ihn erstaunt an. Das war ja gemein ausgenutzt, aber es war schon richtig. Und es sah niedlich aus, wie Damon sich über das Erfolgserlebnis freute. Jetzt musste er sogar umdenken, um Damon trotzdem zu besiegen, auch wenn er allmählich immer erfolgreicher darin wurde, Damon ins Schach zu drängen. Lange würde das Spiel nicht mehr dauern.
 

Damon versuchte immer wieder Alans Fallen zu entkommen, aber er war noch zu ungeübt, um darin Erfolg zu haben. Und so kam es, wie es kommen müsste, Damon war Schachmatt und Alan hatte gewonnen. Obwohl Damon nun wirklich kein schlechter Verlierer war, zumindest nicht in solchen Dingen, ärgerte es ihn ein wenig. Aber er tröstete sich damit, dass er einfach noch blutiger Anfänger war und gegen einen Vampir mit Jahrhunderten langer Erfahrung wohl kaum eine Chance haben konnte.
 

Neugierig beugte sich Alan vor und versuchte Damon ins Gesicht zu sehen. "Schmollst du jetzt?" fragte er grinsend. "Falls du irgendwann mal gegen mich gewinnst, kannst du dir was wünschen." Stellte er nebenbei in Aussicht und räumte die Schachfiguren in die Kassette zurück. Das Morgengrauen hatte bereits begonnen und Alan gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Ich glaub, ich geh ins Bett." Meinte er. Ob Damon noch wach blieb? Er wollte nicht zu neugierig erscheinen und so erhob er sich, ohne danach gefragt zu haben.
 

"Ich schmolle zwar nicht, aber ich nehme dein Angebot trotzdem dankend an." erwiderte Damon lächelnd und blickte hinaus zum Fenster. Erschrocken bemerkte er, dass es schon fast Morgen war. Das hatte er gar nicht bemerkt, wie doch die Zeit verflog. Hätte ihn jemand gefragt, so hätte er ihm geantwortet, dass Schach bestimmt kein Spiel war, mit dem man sich über so einen langen Zeitraum beschäftigen konnte. Als Alan sich erhob, stand er ebenfalls auf. "Gute Nacht." meinte er an den anderen gewandt, als sie an die Treppe kamen, die Damon hinunter gehen musste, um zu seinen Räumen zu gelangen. Sicher, jeden Abend würde er dieses Spiel nicht spielen können, aber es war doch eine recht spannende Abwechslung gewesen.
 

"Dir auch eine gute Nacht." Erwiderte Alan und ging nach oben. Es war wirklich ein friedlicher Abend gewesen. So ganz ohne Streit kam erst zur Geltung, dass Damon trotz des deutlichen Bildungsunterschieds eine gute Gesellschaft war. Und sie hatten viel Zeit, so dass Alan ihm noch eine Menge beibringen konnte. Ohne darauf zu achten hatte er das Zimmer verdunkelt, sich entkleidet und lag im Bett.

Er war zwar ein wenig müde, doch auch ziemlich neugierig, was der nächste Tag bereithalten würde, ein Gefühl, das er lange nicht mehr verspürt hatte.
 

Damon hatte das Gefühl, das erste Mal, seitdem er hier war, wirklich zufrieden mit dem Ablauf eines Tages zu sein. Zufrieden und irgendwie innerlich ausgeglichen dunkelte er sein Zimmer ab und zog sich Stiefel und Oberteile aus, legte sich dann in sein Bett. Und zum ersten Mal fand er es doch ein wenig schade, dass er morgen wieder Cello spielen musste und Alan alleine lassen würde. Irgendwie seltsam, wo er doch die Cellostunden genommen hatte, um Abstand von dem Kleineren zu bekommen. Aber irgendwie schienen sie sich seitdem näher zu kommen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2006-07-21T22:41:28+00:00 22.07.2006 00:41
hab grad eure story entdeckt und find sie echt supermegatoll *in begeisterung ausbrech*
ihr müsst gaaaaanz schnell weiterschreiben ^^ *anfleh*

*wink*
Von:  silvermoonstini
2006-04-04T11:57:32+00:00 04.04.2006 13:57
Die beiden sind ja jetzt richtig lieb zueinander! Wie süß! *Alan und Damon durchknuddel* was das mit Janis wohl noch werden wird? ich bin auf jeden fall schon seeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehr gespannt auf den nächsten Teil, den ihr doch wohl hoffentlich pflichtschuldigst bald abliefern werdet, Oder? *Augenbraue heb*
Ihr könnt mich( und die anderen doch nicht so auf glühenden Kohlen sitzen lassen!!!!(da verbrennt man sich ja noch!!!!!!)
Also ihr beiden, macht bitte schnellstmöglich weiter, damit uns(die leser) die Entzugserscheinungen nicht allzu schlimm plagen!!!!!!!*auf Knien anfleh*
*Handkuss* dat stini
Von:  SJSummer
2006-03-18T08:00:10+00:00 18.03.2006 09:00
Hey, eine echt klasse Story!!!
Hab sie FAST in einem Ritt durch gelesen. Sie ist so spitzenmäßig, dass ich regelrecht am Bildschirm klebte.

Bitte bitte bittee schreib schnell weiter, ich fiebre jetzt schon dem nächsten kapi regelrecht entgegen.

Bitte sei so lieb und schick mir ne ENS, wenn's nächste on ist!!!

Byebye
Von:  Quistis_Trepe
2006-02-12T18:19:13+00:00 12.02.2006 19:19
also ich find die geschichte einfach klasse.so eine, die süchtig mach.konnte gar nicht aufhören mit lesen.....ich hoffe du schreibst bald weiter.ich will unbedingt wissen wie es mit alan und damon weitergeht...und bei janis hab ich ein komisches gefühl....na ja freu mich riesig auf den nächsten teil

greetz Tanne


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