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Die Tochter eines Diebes

die Vergangenheit kann man nicht ändern
von

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Eine zufällige Herausforderung

Es war stockdunkel. Die ganze Stadt schlief schon tief und fest. Nur eine dunkle Gestalt zog leise durch die Straßen. Seine langen, grau-weißen Haare wehten im Wind. Um den Hals leuchtete schwach ein seltsamer, goldener Ring.

Er wusste, wo sich sein Ziel befand. Er wusste genau, was er wollte.

Denn er war der größte Dieb aller Zeiten!

Ein siegessicheres Grinsen erschien auf seinen Lippen.

Heute Nacht wird es ihm gehören!

Er hatte schon lange seine Augen auf dieses kleine Ding geworfen. Seitdem hatte er alles sorgfältig geplant. Nichts konnte schief gehen!
 

Plötzlich durchbrach der Lärm der Sirenen die nächtliche Stille.

<Polizei..> schoss ihm durch den Kopf.

Aber er ließ sich nicht stören - was kümmerte ihn Polizei? Sein Plan war genial. Wie immer.

Doch je näher er seinem Ziel kam, desto unruhiger er wurde.

Die Polizisten rannte herum, alle waren wach. Das Haus summte wie ein gestörter Bienenstock.

Etwas war offensichtlich schief gelaufen.
 

"Hey, Junge!" plötzlich wand sich einer der Polizisten an ihn, "Darf ich mal fragen, was du hier um diese Uhrzeit machst?"

"Spaziere," antwortete er gelassen.

Der Polizist hob erstaunt eine Augenbraue hoch.

"Ich spaziere oft Nachts."

"Wenn das so ist..."

Man konnte nicht sagen, ob der Mann ihm geglaubt hat, doch verdächtig wurde er auch nicht.

"Es wäre besser für dich jetzt nach Hause zu gehen," sagte der Polizist schließlich.

"Warum?" fragte er mit einer gespielt naiven Stimme.

"Wir suchen einen Dieb. Er kann gefährlich sein."

<Ein Dieb also... Jemand hat es gewagt mit mir anzulegen!> dachte er bei sich.

Er merkte wie ein schon lange vergessenes Konkurrenzgefühl in ihm aufstieg.

<Desto besser! Ich habe schon lange auf eine Herausforderung gewartet!>

"Können Sie, vielleicht, auch sagen, was genau gestohlen wurde?"

Er konnte sehr höflich sein, wenn er wollte.

"Ich denke, dass geht dich überhaupt nicht an, Junge!"

"Da habe ich aber ganz andere Meinung, Freundchen!" sagte er teuflisch grinsend und packte den Mann am Kragen.

Sein Ring leuchtete mit voller Kraft auf.

"Sei willkommen im Reich der Schatten!" lachte der Weißhaarige und sah den erschrockenen Mann mit einem eiskalten Blick an.

"Und jetzt wirst du mir alles erzählen..!"

Hallo, ich bin deine Mutter

"Gute Arbeit, Korin!"

Soroke nahm das Paket, wo sich das kleine Ding befand, das ich für sie heute Nacht stehlen musste.

Ich nickte stumm, nahm die dunkle Maske ab und fuhr mit der Hand durch meine langen, braunen Haare.

"Jetzt aber würde ich gern schlafen gehen, wenn du, natürlich, nichts dagegen hast," sagte ich ironisch und gähnte demonstrativ hinzu.

Ich war hundemüde und wollte, dass sie mich einfach in Ruhe ließ.

"Natürlich, meine Liebe!"

Soroke lächelte mich süß an.

Oh, wie ich dieses süße Lächeln doch hasste!

"Du hast morgen ja auch einen sehr anstrengenden Tag."

Ich starrte sie an.

Was noch hatte diese Frau ausgedacht?

"Schule, meine Süße, Schule. Morgen ist Montag, wenn ich dich, natürlich, daran erinnern darf!"

Sie machte meinen Ton perfekt nach und verließ lachend das Zimmer.

"Arggh!"

Wütend machte ich die Tür mit einem Knall zu.

Niemand konnte mich, Korin Ringo, so einfach in der Schule einsperren! Nicht mal diese Soroke Yuka, die sich als meine Mutter ausgab. Na und, dass sie die Dokumente besaß, die unsere Verwandtschaft bewiesen? Keh! Sie konnte tausendmal mich geboren haben, aber das macht eine Frau noch lange nicht zur Mutter!

Und Soroke war genau der Fall...

Sie war eine Frau, die allein ihre Zwecke verfolgte.

Und jetzt wollte sie, dass ich ihr vertraue? Ha!

Der einzige, dem ich je vertraut hatte, war Arituro Ringo - der Mann, der mich groß gezogen und mir seine Liebe geschenkt hatte. Mein Vater. Obwohl auch diesen Fakt hatte Soroke unter Zweifel gestellt.

Arituro war ein Meisterdieb gewesen, und alles, was ich wußte und konnte, hatte er mir beigebracht, obwohl er niemals wollte, dass ich auch eine Diebin wurde.

Ich weiß noch immer nicht, in welcher Beziehung er und Soroke standen, aber er war wie überrascht, sowohl auch wütend gewesen, als sie eines Tages plötzlich an der Schwelle unserer kleinen Wohnung erschien.

Soroke war schon damals eine gut versorgte Frau gewesen, trotzdem wollte sie einem reichen Mann etwas sehr wertvolles stehlen. Und dafür brauchte sie den Besten, nämlich, Arituro Ringo.

Nach vielen Streitereien, Drohungen und Erpressungen von Soroke's Seite hatte mein Vater schließlich nachgegeben und nahm die Arbeit an. Das hatte mein Leben für immer verändert.

Arituro hatte mich in ein Waisenhaus außer der Stadt gebracht, wo ich vier Tage bleiben sollte, bis er wieder kam.

Doch er kam nie zurück, für mich aber begann das bittere Leben eines Waisenkindes...
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

Ich saß gerade auf meinen Lieblingsbaum, als Frau Koraja - die 67-jährige Leiterin des Waisenhauses in Domino City - mich zu sich gerufen hatte.

Dieses war schon das siebte Waisenhaus in letzten 6 Jahren.

Warum ich so oft die Lebensorte wechselte? Nun, die Antwort war sehr einfach - ich versteckte mich. Genau so, wie mein Vater es in seinem Brief gebeten hatte. Dieser Brief war das einzige, was mir von ihm noch übrig geblieben war.

Soroke Yuka durfte mich nicht finden! Mindestens, bis ich volljährig war!

"Es gibt gute Neuigkeiten, Korin!" sagte die alte Frau, als ich mich in ihrem Arbeitszimmer bequem gemacht hatte, "Du bist adoptiert worden!"

Im Gegensatz zu ihrem strählenden Gesicht, verfinsterte sich meine Miene augenblicklich.

"Adoptiert?!" rief ich aus und sprang auf die Beine.

Das trat gar nicht in meine Pläne ein! Das war überhaupt nicht möglich! Keiner wollte mich je adoptieren, weil ich kein kleines Baby war. Und bisher passte es mir auch perfekt.

"Keine Sorge, mein Kind!" beruhigte mich Frau Koraja.

Ich sah Überraschung in ihren Augen. Sie verstand nicht, warum ich so entrüstet war.

"Aber... Ich bin schon 17!" versuchte ich ruhiger zu sprechen "Wer will denn einen schon fast erwachsenen Menschen adoptieren?"

"Korin, das ist deine Chance ein normales Leben anzufangen!" fuhr sie fort.

Ihre Stimme, ihr Gesichtsausdruck, ihr Verhalten - alles sollte mich überzeugen, dass diese Situation für mich das Beste war.

"Aber ich habe eines! Ich will hier nicht weg, Frau Koraja!"

Und das stimmte auch. In diesem Waisenhaus befand ich die letzten 2 Jahre meines Lebens. Es gefiel mir hier. Das war der erste Ort, wo ich Freunde gefunden hatte.

"Keine Angst, ich bin mir sicher, Frau Yuka wird eine gute Stiefmutter sein. Außerdem ist sie auch sehr gut versorgt."

"Yuka?" schrie ich überrascht "Soroke Yuka?"

<Wie ist es ihr gelungen mich zu finden? Anscheinend, bin ich hier wirklich zu lange geblieben.>

Frau Koraja hob die Augenbraue hoch und beschenkte mich mit einem erstaunten Blick.

"Du kennst sie?"

"Ob ich sie kenne?!" rief ich wütend auf "Sie hat meinen Vater auf dem Gewissen!"

Obwohl ich das nicht beweisen konnte, tief in meinem Inneren wusste ich, dass ausgerechnet sie daran schuld war.

"Nun, das ist eine ernste Anschuldigung, mein Kind," meinte Frau Koraja und schüttelte den Kopf, "Vielleicht irrst du dich?"

"Also," sagte ich kühl und verschränkte meine Arme, "Wie viel hat sie Ihnen gegeben, Frau Koraja?"

Es war schwer diese Frage zu stellen, denn ich hatte sie als meine Großmutter betrachtet, doch ich sah keine andere Wahl.

"Nichts," ertönte plötzlich eine strenge Frauenstimme hinter mir.

Ich drehte mich blitzschnell um. Vor mir stand eine schlanke Frau, knapp über 40, mit schulterlangen blondgefärbten Haaren. Sie hatte alles in schwarz an, was ihre Haut noch blasser machte.

"Soroke!" zischte ich und ballte die Fäuste "Du..!"

"Ich bin so froh, dass du noch immer an meinen Namen erinnerst, Töchterchen!" sagte sie mit einer fröhlichen Stimme.

Anscheinend, wollte sie eine gute Mutter vorspielen. Na warte!

"Ich bin nicht deine Tochter!"

"Da kann ich dir leider nicht zustimmen," sagte sie nun weniger freundlich und nahm eine Mappe aus ihrer Tasche "Das hier beweist, dass du wirklich meine Tochter bist."

Soroke reichte mir die Dokumente.

"Ja, klaro!" schnaubte ich, sie annehmend.

Tja, nun war ich wirklich in eine unhöfliche Situation geraten. Da ich mein ganzes Leben ohne Mutter wuchs, konnte ich mich an sie gar nicht erinnern. Und der erste Dokument präsentierte, dass Soroke Yuka vor 17 Jahren ein Mädchen geboren hatte, das Korin genannt wurde. Doch der Name des Vaters, ebenfalls wie mein richtiger Nachname fehlten.

"Was soll das?" fragte ich wütend "Wem willst du hier was mit diesem Stück Papier beweisen? Hältst du mich für dumm oder was?"

"Falls du zweifelst, ob dieser Dokument echt ist, keine Sorge, das hier ist echter als echt!" sagte Soroke und ein siegessicheres Lächeln umspielte ihre Lippen "Und wenn du noch immer nicht überzeugt bist, schau mal den Nächsten an. Das ist ein DNS Test."
 

"Ok," gab ich zu, nachdem ich die ganze Mappe durchschaut hatte, "nehmen wir an, ich bin deine Tochter. Doch, was soll das ganze Theater hier?"

Ich sah Soroke gereizt an, aber sie lächelte mich nur falsch an. Tja, solche Wendung hatte ich nicht erwartet. Dass genau die Frau, die ich am meisten hasste und gleichzeitig auch mied, gerade meine Mutter war!

"Willst du mich glauben, dass du dich nach so viele Jahren plötzlich an deine fast erwachsene Tochter erinnert hast?" fragte ich sauer, nachdem Soroke meine erste Frage nicht beantwortet hatte.

"Dein Vater, oder besser gesagt," fing Soroke endlich an, "dein Stiefvater schuldet mir noch etwas."

Ihr breites Grinsen gefiel mir keinerlei. Sie wusste Dinge, die mich betrafen, von denen ich nicht mal die leiseste Ahnung hatte. Und das machte mich nervös, sogar sehr nervös.

Ich schaute sie fragend an.

"Das alles erfährst du, wenn wir zu Hause sind."

"Ich gehe nirgendwo mit dir!" sagte ich entschlossen.

"Da irrst du dich wieder, Korin!" erwiderte sie grinsend.

"Was willst du von mir?"

"Wie ich schon erwähnt habe - Arituro schuldet mir etwas. Und, da er, leider, nicht mehr erreichbar ist, wirst du seine Schulden abarbeiten müssen."

"Du kannst mich nicht zwingen!" zischte ich, als mir klar wurde, was sie unter den Wort 'abarbeiten' meinte.

Sie wollte mich für sie stehlen.

"Doch, doch," sagte Soroke schmunzelnd.

Ihr süßes Parfüm traf meine Nase, als sie sich über mich beugte, um mir ins Ohr zu flüstern:

"Du willst doch nicht, dass deinen kleinen Freunden etwas zustößt, nee?"

Sie hatte meine Schwachstelle gefunden.

"Du..!"

"Ich freue mich sehr, dass wir uns schon jetzt so gut verstehen!" sagte Soroke.

Plötzlich lachte sie auf:

"Aber ich muss zugeben, du bist ein schlaues Mädchen!"

"Anscheinend, nicht genug," murrte ich zurück.

"Wir sehen uns heute Abend," verabschiedete sich Soroke "Und wage es nicht zu fliehen!"

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

Seufzend lief ich zum Badezimmer.

Das hatte doch keinen Sinn! Soroke hatte mich im Griff. Sie war die Herrin in jetziger Situation.

Schon in der nächsten Nacht, nachdem Soroke mich zu sich gebracht hatte, musste ich mit der Abarbeitung anfangen.

Wütend schlug ich mit der Faust gegen die Wand.

"Verdammt!" zischte ich und verräterische Tränen traten mir in die Augen.

Ich fühlte mich verzweifelt und allein wie noch nie. Niemand war in der Lage mir zu helfen.

Soroke hatte mich gefunden und mit seinen Dokumenten zusammen gebunden. Ohne sie konnte ich fast gar nichts machen.

Von Seite sah alles, natürlich, sehr nett aus - die reiche Mutter, die endlich ihre lang verschwundene Tochter gefunden hatte. Einfach wie in einem schönen Märchen! Ich wohnte in einem Haus, das eher ein Palast war, bekam die beste Nahrung, die teuerste Kleidung und... die beste Ausrüstung für die Diebstähle.

"Na warte, du, Schlange!" fluchte ich, während ich mich zum Bett begab "Ich werde einen Weg finden, um dich zu vernichten!"

Da war ich mir ganz sicher - solange ich Soroke für mich nicht unschädlich gemacht hatte, konnte ich meine Ruhe vergessen! Tja, und die erste Unruhe, von Diebstählen abgesehen, hatte sie mir schon besorgt. Die Schule! Keh!

Aber ich war zu müde, um mich noch mehr darüber aufzuregen. Heutiger Diebstahl hatte mir viele Kräfte genommen. Und in eins behielt Soroke trotzdem Recht - morgen wird für mich ein sehr anstrengter Tag sein. Besonders, weil ich nur noch gute vier Stunden zum Schlafen übrig hatte.

Der erste Auftritt...

Ich stand vor die Klasse mit etwa 25 Schüler, und das war mein erster Tag in der Domino Oberschule.

Alle starrten mich verblüfft an, was mich gar nicht überraschte, weil es schon die Mitte des Semesters war. Oktober, um genauer zu sein. Und hab ich schon erwähnt, dass es eigentlich der vierte Unterricht war?

Verfluchte Formalitäten!

Meine Kleidung fiel jedenfalls heftig aus. Alle hatten die Schuluniformen an, nur ich war in ein scheißteueres blaues Kostüm angezogen. Die allmächtige Frau Yuka hatte noch nicht die Schuluniform für mich besorgt! Bah!

Knielanger Rock, weiße Bluse, schwarze Schuhe - ich fühlte mich so erbärmlich!

Was wollte Soroke mit dieser Nummer erreichen? Vielleicht, mich blamieren? Oder jedem zeigen, dass ich zu einer reichen Familie gehörte? Oder beides zusammen?

Na ja, was auch immer ihr Plan war, ich musste gehorchen. Da war keine andere Wahl.

"Wirst du dich, bitte, vorstellen?" fragte Frau Himawari, und riss mich somit aus den Gedanken.

"Ähm, ja..." murmelte ich verlegen und sah sie kurz an.

Frau Himawari, die Mathe Lehrerin war so um 25, mit langen, roten Haaren, die in einen Zopf gepflochtet waren. In ihrem langen grauen Rock, hellrosa Bluse und Brillen sah sie wie eine perfekte Lehrerin aus.

"Hallo," wand ich mich der Klasse zu, "mein Name ist Korin Ringo."

"Aber hier ist doch..." sagte die Lehrerin unsicher und zeigte ins Klassenbuch.

"Mir doch egal, was da geschrieben ist!" antwortete ich frecher als ich ursprünglich wollte.

In das Klassenbuch hatte ich nicht mal einen Blick geworfen.

"Ich heiße Korin RINGO!"

Ich hasste es mit falschem Namen genannt zu werden.
 

Gewöhnlich raste ich mich nicht so schnell aus, doch heute war ich stinksauer - wegen Soroke, ihres blöden Kostüms, dieser Schule - und dazu noch war ich gar nicht ausgeschlafen.

"Na gut," meinte Frau Himawari schließlich, "setz dich neben Bakura."

Sie zeigte auf den freien Platz neben einem zuckersüßen Jungen mit langen grau-weißen Haaren.

<Na, wenn es unbedingt sein muss...> dachte ich gereizt und ballte meine Hand unbemerkt zur Faust.

Ich musste gar nicht hier sein! Das alles war ein schreckliches Missgeschick, das ich allein Soroke zu verdanken hatte! Erst wollte sie mich für sie stehlen und jetzt schickte sie mich in die Schule!

"Hi, Korin! Sei willkommen in unserer Klasse!" sagte Bakura freundlich, als ich mich zu ihm setzte, "Ich bin Ryou!"

"Ja, ja..." antwortete ich gelangweilt und fing an die nötigen Sachen für den Unterricht auf den Tisch herauszulegen.

"Wo kommst du eigentlich her?" fragte er leise.

Anscheinend wollte er nicht aufgeben. Und dieses süße, freundliche Lächeln! Der Junge ging mir langsam auf die Nerven!

"Von... einen anderen Ort," antwortete ich widerwillig und gab den Schein, als ob ich sehr aufmerksam das Geometriebuch studierte.

"Du magst ja Witze machen!" lächelte er, "Aber ernst?"

Ich drehte mich blitzschnell zu ihm. Ryou zuckte ein bisschen zusammen.

"Was geht dich das an?" fragte ich fast drohend.

Warum ließ er mich einfach nicht in Ruhe?

"Fräulein Ringo! Benehmen Sie sich, wenn ich bitten darf!" sagte Frau Himawari in einer strengen Stimme, "Dass Sie hier neu sind, heißt noch lange nicht, dass Sie den Unterricht stören dürfen!"

Die Wut stieg in mir hoch, doch ich musste sie unterdrücken. Unnötige Schwierigkeiten brauchte ich heute nicht.

"Entschuldigung..." murmelte ich.

Die Lehrerin setzte mit dem Unterricht fort und ließ mich damit zurzeit in Ruhe.

Ich seufzte lautlos und fing an aus dem Fenster zu schauen. Da draußen war so schön! Die Sonne, der Wind, die Freiheit... Aber ich befand mich hier, in der Domino Oberschule! Ganz abgesehen davon, dass ich neben irgendeinem Klugscheißer sitzen musste!

Ich schaute kurz zu Ryou rüber. Er war gerade mit einer von den Aufgaben beschäftigt, die Frau Himawari mit ihrer makellosen Handschrift auf der Tafel geschrieben hatte.

So was hatte ich noch nie in meinem ganzen Leben gesehen! Irgendwelche Linien, Graden, Buchstaben, Zahlen... wie war das grade im Buch genannt? Stereometrie? Wie konnte dieser Ryou das verstehen?! Nicht das ich in Waisenhausschulen keine Geometrie hatte, aber..

"Wenn du willst, kann ich es dir später erklären," sagte Ryou freundlich, nachdem ich für längere Weile erstaunt sein Heft angestarrt hatte.

"Tse!" schnaubte ich verächtlich.

Ich brauchte keine Hilfe! Wenn er das verstehen konnte, dann durfte es auch für mich nicht allzu schwer sein!

Ich drehte meinen Kopf zum Fenster, und schon wieder befand der Anblick des blauen Himmels vor meinen Augen. Langsam kehrte ich in den Gedanken ein paar Tage zurück...
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

"Korin-chan, wo bist du?"

Ein kleiner Junge lief im Garten und schrie fast die Seele aus dem Leibe.

"Ich bin hier... unter dem Tisch."

"Was machst du da?" fragte er lächelnd.

"Mich sonnen!" antwortete ich zickig.

Der Junge fing sofort an zu lachen, ich dagegen blieb still wie zuvor.

"Ich bin adoptiert..." sagte ich leise, als er sich beruhigt hatte, "Schon heute Abend muss ich los..."

Die Wahrheit wollte ich ihm nicht erzählen.

"Was? W-wie..wieso?" stotterte er und seine Unterlippe fing an zu zittern.

"Nicht weinen, Dani-chan!" lächelte ich gezwungen.

Ich musste stark bleiben! Für ihn.

"Du bist schon 11!" sagte ich und fuhr ihm sanft durch die Haare.

Er hatte schöne, kohlschwarze Haare. Einmal hatte ich einen Jungen mit gleichen Haaren gekannt, aber jetzt konnte ich mich nicht mehr an seinen Name erinnern.

Dani-chan nickte, doch ich hatte ihn trotzdem schluchzen gehört.

"Deswegen sitzst du hier?" fragte er nach einiger Zeit.

Ich nickte stumm.

"Vielleicht finden sie dich hier nicht?"

Dani war wieder voller Hoffnung.

<Ach, Dani-chan! Wenn du nur wüsstest!> dachte ich und lächelte traurig <Aber keine Angst, Kleiner! Ich werde mir was einfallen lassen!>

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

"Hey, Korin!"

Ryou's Stimme hatte mich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen.

"Was?" fragte ich leicht verwirrt und nun bemerkte, dass der Unterricht schon vorbei war.

"Alles klar bei dir? Du hast dich nicht berührt, seit..."

"Lass mich einfach in Ruhe!" schnitt ich ihm das Wort ab und verließ schnell das Klassenzimmer.

Der Junge hatte mir nur mit einem erstaunten Blick nachgeschaut.

<Jetzt habe ich die Möglichkeit zu fliehen!> dachte ich grinsend und machte mich auf den Weg zum Ausgang.

Ich war schon fast im Freien, als ich plötzlich eine weiße Limousine bemerkte. Das Auto war vor dem Schuleingang stehen geblieben, und ein Mann im Schwarz stieg raus.

<So ein Mist!> fluchte ich innerlich <Sie hat keinen Recht mich so zu behandeln! Ich bin mit allem einverstanden, doch, anscheinend, ist das nicht genug für sie! Sie will mich gefangen halten. Aber das werden wir ja noch sehen! So leicht mache ich es dir nicht, Soroke! Das schwör ich dir!>
 

Ich tauchte in die Menge der Schüler ein, damit mich die Leute von Soroke nicht bemerkten, und begab mich zum Stadium, wo ich mein Glück ausprobieren wollte.

<Vielleicht merkt niemand, wenn ich über den Zahn klettere...> dachte ich und sah mich um.

Doch aus meinem Vorhaben wurde nichts - kaum hatte ich die Schulgebäude verlassen, da kamen zwei Oberschüler frech grinsend gerade auf mich zu. In einem hatte ich sofort meinen neuen Klassenkamerad erkannt.

"Hey, Kleine! Wo willst du denn hin?" fragte er frech grinsend.

<Na toll!> dachte ich gereizt und verdrehte die Augen.

Anscheinend, hatten sie vor mich zu beklauen. Und ich hatte Soroke doch von Anfang an gesagt, dass es keine gute Idee war das Kostüm anzuziehen!

"Es ist gefährlich alleine in einer unbekannten Gegend herumzulaufen!" schmunzelte sein Kumpel und wollte mich bei der Hand packen.

"Fass mich bloß nicht an!" zischte ich ihn an und wich seinem Griff aus, "Oder du wirst es teuer bereuen!"

"Was du nicht sagst!" lachten die beide vergnügt auf.

"Rück dein Geld raus!" befahl mir der Anführer, "Und wir lassen dich in Ruhe!"

"Für 'ne Weile!" fügte mein neuer Klassenkamerad lachend hinzu.

Jetzt war ich an der Reihe in Lachen auszubrechen. Ja, das war wirklich gut, dass ich auf sie gestoßen war! So konnte ich meine schlechte Laune loswerden.

"Tja," sagte ich fies grinsend, "da habt ihr aber die Falsche ausgesucht!"

<Geld habe ich keins, als ob Soroke mir irgendwelches geben würde!> dachte ich bei sich <Aber was anderes könnt ihr gerne haben! Ihr wisst ja nicht, mit wem ihr euch grad anlegen wollt!>

Doch plötzlich ertönte ein lauter Schrei:

"Hey, ihr! Lasst sofort das Mädchen in Ruhe!"

<Na Klasse!> dachte ich genervt <Das hatte mir noch gefehlt!>

Ein blondhaariger Junge rannte auf uns zu, von einem braunhaarigen Mädchen und einem seltsam aussehenden Jungen verfolgt. Sie waren ohne Zweifel auch Oberschüler. Der zweite Junge war zwar klein, aber seine Frisur - hohes, scharfes lila Haar mit rot-gelben Strähnen - war wirklich bemerkenswert. Auch die goldgefärbtene, umgekehrte Pyramide, die ihm um den Hals hing, fiel mir sofort ins Auge.

"Mal Glück gehabt!" grinste mich der Anführer an, "Wir sehen uns noch..."

Mit diesen Worten machte er sich mit seinem Kumpel aus dem Staub.

"Ist alles klar bei dir? Haben sie dir nichts getan?" fragte der Blonde besorgt und wollte schützend seine Arme um mich legen.

"Du, Trottel!" schrie ich voller Wut und zwang ihn damit zurückzutreten, "Wer hat denn dich was gefragt?!"

"Wie bitte..?"

Erstaunt sah er mich an.

"Jetzt, dank dir, werden sie mich nicht mehr so leicht in Ruhe lassen!" brüllte ich weiter.

"Hey, Joey, ist alles in Ordnung?" ertönte eine weibliche Stimme hinter mir.

Oh je, ich hatte diese zwei schon völlig vergessen!

"Die Kerle sind weg," war die knappe Antwort des Blondhaarigen, der anscheinend Joey hieß.

"Bist du immer so hilfreich?" fragte ich ironisch und kreuzte die Arme vor der Brust.

"Was?!"

Joey wörtlich kochte vor Empörung.

"Die wollten dich doch bestehlen! Du solltest dankbar sein, dass ich..."

"Das weißt du nicht," schnitt ich ihm das Wort ab, "und, übrigens, ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen!"

"Sie ist nicht gerade freundlich," ertönte plötzlich eine mir schon bekannte, freundschaftliche Stimme.

<Ryou..> dachte ich und drehte mich zu ihm.

"Wie ich sehe, hast du schon Yugi, Tea und Joey kennen gelernt!" lächelte er.

Wieder dieses Lächeln!

"Hab ich dir nicht schon einmal gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst?" murrte ich ihn an.

"Hey, warum benimmst du dich so?" meldete sich nun auch Tea, "Wir haben dir nichts getan!"

"Noch nicht," meinte ich gelassen und machte mich auf den Weg zurück ins Klassenzimmer.

Ich hatte wirklich keine Lust mich noch länger in dieser Gesellschaft aufzuhalten.

Ich war eine Einzelgängerin, und so sollte es auch weiter bleiben. Es reichte mir schon, dass Soroke mich mit Dani-chan erpressen konnte.
 

"Arghh!" ärgerte sich Joey, als das Mädchen dem Blick verschwunden war, "Wer ist sie überhaupt? Denkt sie, dass, wenn sie die teuren Lappen hat, ist ihr jetzt alles erlaubt?!"

"Reg dich nicht auf, Joey!" versuchte Yugi ihn zu beruhigen, "Vielleicht hat sie einfach überreagiert..."

"Überreagiert?!"

Joey schrie fast.

"Wenn sie nicht ein Mädchen wäre..!" brüllte er weiter und fuchtelte mit den Fäusten herum.

"Sie ist merkwürdig..." sagte Tea nachdenklich, "Ich meine, ihre Klamotten und ihr Benehmen kommen einfach nicht zusammen."

"Da kann ich dir nur zustimmen," meldete sich nun auch Ryou.

"Ach," winkte Joey schließlich ab, "vergessen wir sie einfach!"

"Wenn es so leicht wäre!" lachte Ryou auf.

Drei seine Freunde sahen ihn fragend an.

"Sie geht in meine Klasse," erklärte Bakura.

"Was?!" riefen Tea und Joey gleichzeitig auf.

"Sie ist die neue Schülerin. Korin Ringo."

"Tja..." Joey fuhr sich durch die Haare, "Irgendwie erinnert sie mich an Kaiba."

"Wieso das denn?" fragte Yugi verwundert.

"Vielleicht, weil sie zickig, arrogant, stinkreich..." fing an der Blondhaarige alle ihm bekannten Eigenschaften aufzuzahlen.

"Habe ich eigentlich schon blöd erwähnt?"

"Wem hast du hier blöd genannt, Wheeler?" ertönte plötzlich eine eiskalte Stimme.

"Oh, wenn das nicht Kaiba höchstpersönlich ist! Gehst du auch noch in die Schule?" entgegnete Joey streitsüchtig.

"Oh, nö!" stöhnten Yugi, Tea und Ryou.

"Wir müssen sie schnell voneinander trennen oder wir können die Schule für heute vergessen!" sagte Tea entschlossen und packte Joey am Ohr.

"Autsch, Tea! Was soll das?" protestierte dieser laut.

"Wir gehen, Freundchen!"

"Du solltest deinen gewissenhaften Freunden sehr dankbar sein!" lachte Kaiba spöttisch auf, "Denn ohne sie würdest du nie den Weg zur Schule finden können!"

"Du, arroganter...!" rief ihm Joey nach, doch Tea ließ ihn nicht ausreden.

"Es klingelt schon zum Unterricht!" sagte sie und zog ihn hinter sich her in Richtung Klasse.

"Wir sehen uns später, Ryou!" verabschiedete sich Yugi und lief schnell seinen Freunden hinterher.

...fällt schwer

<Warum lassen sie mich einfach nicht in Ruhe?> dachte ich, während ich mich dem Schuleingang näherte.

<Vielleicht war ich trotzdem zu scharf gewesen?>

<Wir haben dir nichts getan!> erinnerte ich mich an die Worte des braunhaarigen Mädchens.

Tea, wenn ich mich nicht irrte.

<Ach, egal!> schüttelte ich den Kopf <Schon bald werde ich Soroke loswerden! Und dasselbe geht auch für diese Schule!>

"Heya!" hörte ich plötzlich eine männliche Stimme hinter mir, "So sieht man sich wieder!"

"Ihr schon wieder!" sagte ich genervt, als ich mich umdrehte und die Kerle von vorhin sah.

"Wollen wir unser kleines Gespräch nicht beenden?" fragte der Anführer höhnisch.

Er hatte mich mit seinem Kumpel so umkreist, dass ich nicht weg konnte.

"Diesmal wird dir dein Freundchen nicht helfen können!" lachte einer.

"Ihr wollt es also auf die harte Weise?" fragte ich grinsend.

Die beide warfen mir einige überraschte Blicke zu.

"Was kannst du gegen uns?"

"Lasst euch überraschen!"

Sie konnten ja nicht wissen, wieso mich alle Jungs in Waisenhausen mieden!

Der Anführer versuchte mich von hinten anzugreifen, aber so was hatte ich schon vermutet. Ich bog mich hin, drehte mich um und trat ihm mit dem Fuß in den Magen, sodass er keuchend auf den Boden plumpste. Der Zweite starrte für einen Moment ein, doch dann griff er mich mit von Zorn verzerrter Miene an. Aber, während er zögerte, hatte ich schon längst meine Position geändert und, als seine Faust mir nah genug war, fasste ich sein Handgelenk um und schickte ihn mit dem Kopf gerade in die Schulwand.

"Arrr!"

Der Anführer hatte sich gefasst und griff mich erneut an. Doch ich war bereit.

Schon bald leistete der Anführer seinem Kumpel, der sich neben der Wand krümmte, Gesellschaft.

"Tja, bis zum nächsten Mal, Jungs!" sagte ich grinsend und winkte ihnen noch zum Abschied.

Gut gelaunt lief ich zum Klassenzimmer, als ob gar nichts passiert wurde. Jetzt, wenn ich denen eine Lektion erteilt hatte, fühlte ich mich viel besser.

<Ich wette, die sehe ich nicht so bald wieder!> lachte ich in mich hinein. <Nächstes Mal werden sie eh denken müssen!>
 

Bakura, der alles geheim beobachtet hatte, näherte sich den besiegten Kerlen.

"Das ich nicht lache! Ihr habt euch von einem kleinen Mädchen niederkriegen lassen!"

"Ab-ber.." stotterte beide verlegen.

"Ich denke, ihr lässt es nicht so bleiben, oder?" fragte Bakura grinsend und begab sich zum Klassenzimmer.

<Diese Korin ist nicht schlecht..> dachte er bei sich und lachte auf <Mal sehen, wie sie damit fertig wird!>
 

Es klingelte und ich verschleunigte meinen Gang, um nicht zu spät zu kommen. Doch plötzlich rannte ein Schulkind in mich und wir fielen beide zum Boden.

"Hey! Pass auf wo..."

Ich stockte und starrte den Jungen mit weit gerissenen Augen an.

"Dani-chan?"

Der Junge machte gerade den Mund auf, als eine eiskalte Stimme im Gang ertönte:

"Mokuba!"

"Ich komme, großer Bruder!" hörte ich den Jungen, der mich zum Boden geworfen hatte, antworten.

"Mokuba? Großer Bruder?" stotterte ich überrumpelt, noch immer auf dem Boden sitzend.

<Aber er sieht genauso aus wie Dani-chan! Und Dani hat keinen Bruder!>

"Entschuldige, bitte!" sagte der Kleine, verbeugte sich schnell und lief in Richtung Ausgang.

<Was war das grade?>

Langsam erhob ich mich und machte meine Kleidung ordentlich.

"Entweder gibt es zwei Dani-chans," murmelte ich leise, "entweder das, oder..."

"Oder was anderes!" hörte ich jemanden hinter mir sagen.

Ich drehte mich um und erblickte Bakuras lächelndes Gesicht.

"Komm, wir sind bereits spät!" sagte er und schob mich leicht nach vorne.
 

Als wir in die Klasse herein kamen, hatte Frau Himawari mit dem Unterricht schon angefangen. Mein "netter" Klassenkamerad war nicht da, aber das kümmerte mich wenig. Viel mehr machte ich mir Sorgen um das unzufriedenen Gesicht der Lehrerin.

"So, so.." sagte sie und kreuzte die Arme vor die Brust, "erstes Mal und schon mit Verspätung!"

"Verzeihung..." sagten Ryou und ich zusammen.

"Na gut," sagte Frau Himawari, als ob sie uns einen Gefallen tat, "dieses Mal könnt ihr euch setzten."

Na ja, vielleicht war das auch ein Gefallen... Ich kannte sie doch nicht! Aber ich schloss es vor meinen Platz schneller einzunehmen, als ich Ryou erleichtert ausatmen hörte.

"Also," fing die Lehrerin an, "nächste Woche schreiben wir eine Kontrollarbeit..."

In der Klasse waren sofort die Stöhne zu hören.

"Ja, genau. Das Thema ist euch schon bekannt, deshalb nehme ich an, das sollte nicht schwer für euch sein!" und sie sah die Klasse mit strählendem Gesicht an. "Natürlich, wenn ihr in den vorigen Unterrichtstunden aufgepasst habt!"

Schien es mir nur so oder machte es ihr wirklich Spaß die Schüler zu quälen?

"Was?" ertönte eine beleidigte Stimme.

"Wollen Sie sagen, dass wir Stereometrie schreiben?" fügte die andere hinzu.

"Genau!" bestätigte Frau Himawari, "Also, diese Woche bereiten wir uns vor!"

Sie ging zurück zu ihrem Platz, nahm das Buch, um nach kurzer Zeit die richtigen Aufgaben zu finden. Ein paar davon schrieb sie auf der Tafel, die andere verteilte. Das hieß also, dass 2 oder 3 Schüler die Aufgaben vor der Klasse lösten, die Anderen dagegen - die von der Lehrerin gegebenen.

<Oh, nö...> stöhnte ich lautlos, als ich meine sah <Das löse ich doch nie!>
 

Obwohl ich gedacht hatte, dass die Mathe nie zu Ende wird, klingelte es endlich zur Pause. Und auch die Aufgaben hatte ich irgendwie geschafft. Ob richtig oder nicht - das wusste ich leider nicht.

"Hey, Korin!" hörte ich eine Mädchenstimme, "Ich bin Zane! Du bist vorher so schnell gegangen..."

"Oh, hallo.." entgegnete ich und sah sie an.

Zane war blond, mit grau-blauen Augen und ich konnte behaupten, dass sie eine der Schulschönheiten war.

<Was sie wohl von mir will?> dachte ich <Eindeutig nicht die Freundschaft!>

Zanes Augen funkelten mich bedrohlich an.

"Also, was willst du?" beschloss ich sie direkt zu fragen.

Zane lächelte mich an und setzte sich an meinen Tisch.

"Du bist hier neu und kennst die Regeln nicht," fing sie an.

<Also, ich hatte Recht...> dachte ich und wartete, was sie als nächstes sagte.

"Wir werden dir jetzt einige sehr wichtige Dinge beibringen," setzte Zane fort.

"Wir?" fragte ich nach.

"Ja," nickte sie und rief drei andere Mädchen zu uns.

"Daina, Yura und Marika," machte sie mich mit ihren Freundinnen bekannt, "Yura und Marika sind von der Parallelklasse."

Daina war auch blond, hatte aber, im Gegenteil zu Zane, einen kurzen Schnitt. Ihre blauen Augen sahen mich auch nicht gerade freundlich an. Yura hatte schulterlange schwarze Haare und graue Augen. Marika - über ihre Haarfarbe fiel es mir schwer etwas zu sagen. Dunkelblond mit roten und schwarzen Strähnchen. Und grüne Augen. Sie alle, wie wohl jeder in dieser Schule, hatten die dunkelblauen Schuluniformen an.

"Jetzt hör gut zu," sagte Zane harsch, anscheinend war sie die Anführerin dieser Gruppe, "wenn du keine Schwierigkeiten willst, halte dich von unseren Jungs fern!"

Ich schaute Zane, Daina, Yura und Marika für eine Weile aufmerksam an.

Es kam mir so vor, als ob die ganze Schule allein aus Gruppen bestand.
 

"Oh, hallo Mädels!" hörte ich Bakura's Stimme.

"Ryou!" piepste Daina und stellte sich "zufällig" ihm in Weg.

"Kann ich, bitte, zu meinem Platz?" fragte der Angesprochene lächelnd.

"Natürlich!"

"Danke, Futaya!"

Ich beobachtete, wie das Mädchen buchstäblich vor meinen Augen dahinschmolz. Ich verdrehte die Augen. Das also meinten sie!

"Asaka!" rief ein Junge, "Komm schnell!"

Zane drehte sich zu dem in der Tür stehenden Jungen.

"Siehst du nicht, ich bin beschäftigt?"

Der Junge zuckte ein bisschen zusammen, doch trat nicht zurück.

<Er hat also Angst vor ihr,> dachte ich, <aber die Sache ist wohl noch furchtbarer.>

"Es geht um Shiro..."

Ich beobachtete wie sich Zane's Gesicht verfinsterte.

"Mit dir sprechen wir später," sagte sie schnell zu mir, um dann zusammen mit Daina, Yura und Marika zu verschwinden.

"Hüte dich, Korin," hörte ich plötzlich eine tiefe Stimme, "Shiro ist der jenige, den du verprügelt hast."

<Was..?>

Ich drehte meinen Kopf zu Ryou, denn die Stimme schien aus seiner Richtung zu kommen, doch er saß wie immer, sich in ein Buch vertieft.

<Bilde ich es mir ein? Ich habe doch nur 3 Nächte nicht genug geschlafen!>

Meine Gedanken wurden von dem Klingeln unterbrochen. Es musste jetzt die letzten zwei Unterrichten sein - Englisch. Daina kam ins Klassenzimmer genau vor der Lehrerin. Zane erschien nur zum letzten Unterricht. Sie sah mich so an, als ob ich jemanden umgebracht hätte.
 

Endlich war es so weit - die Schule für heute war aus! Ich seufzte erleichtert und packte meine Sachen ein. Nur noch eine Kleinigkeit zu regeln und ich konnte nach Hause! Als ob mich da was fröhliches erwartete!

Ich verließ das Klassenzimmer und begab mich zum Sekretariat. Das Missverständnis mit meinem Nachnamen musste geklärt werden!

Ich klopfte an die Tür und wartete.

"Hinein!" hörte ich die grelle Frauenstimme.

Ich trat ein.

"Verzeihung, ich bin die neue Schülerin und da ist ein Problem mit meinem Nachnamen."

"Wirklich? Wie ist dein Name?" fragte die Sekretärin.

"Korin Ringo," antwortete ich.

"Also, Korin..."

Sie fing an am Computer zu tippen, wandte sich aber dann den Pappen zu, die unordentlich auf ihrem Tisch lagen.

"Ja," sagte sie schließlich, "Korin haben wir. Aber mit Nachnamen Kaiba."

"Wie?!"

Der Schlag mit einer Falle

<Kaiba..!> fluchte ich innerlich.

Hatte Soroke ihren ganzen Vernunft verloren? Nein, unmöglich. So, wie ich sie kannte, war alles, was sie tat, sorgfältig geplant. Sie war eine Frau, die allein ihre Zwecke verfolgte.

Aber das klärte diese Situation gar nicht auf.

"Heute," sagte ich fast zischend und ballte die Fäuste, sodass meine Nagel tief in die Handfläche reinbohrten, "heute wirst du dein Versprechen halten, Soroke, und mir alles erzählen!"

Fest entschlossen wie ich war, verließ ich das Schulgebäude.

Doch weit kam ich nicht.
 

"So, so..." hörte ich eine höhnische und irgendwie schon bekannte Stimme, "Wenn das nicht unser kleines Karategirl ist!"

Ich schaute mich um und stellte fest, dass ich von 5 Oberschülern umkreist wurde. Zwei von denen kannte ich schon.

"Shiro, nicht wahr?" wand ich mich zum Kerl, der mich gerade angesprochen hatte.

Nachdem ich dachte, dass er von mir fern halten würde!

"Hältst dich wohl für sehr schlau, ne?" spottete er.

Doch ich wusste, dass ich richtig erraten hatte.

"War es dir nicht genug?" fragte ich herausfordernd und verschränkte die Arme.

Shiro und seine Kumpel starrten mich unglaublich an.

"Frech, die Kleine," kommentierte einer.

"Umso besser!" lachte der andere und versuchte mich bei der Hand zu packen.

Ich wich mich aus und beschenkte ihn mit einem tötenden Blick.

"Was soll das Ganze?" fragte ich harsch.

"Noch nicht kapiert?"

"Niemand verprügelt Shiro ohne dafür büßen zu müssen!"

"Ach so.." sagte ich und schaute mich um, um meine Chancen einzuschätzen. "Eine Revanche?"

"Gut erkannt!" lachte Shiro auf.

Die Kerle umkreisten mich noch enger.

"Fünf zu eine, ist das nicht ein bisschen unfair?" schaffte ich noch eine rhetorische Frage zu stellen kurz bevor sie sich auf mich stürzten.
 

Kaibas Handy lag neben dem Fahrersitz und klingelte wie verrückt.

"Verdammt!" fluchte sein Besitzer leise und suchte mit den Augen nach einem Platz, wo er halt machen konnte.

Arbeitete für ihn nur alberne Idioten, oder was? Er hatte doch eindeutig klar gemacht, dass er nicht gestört werden sollte!

Heute wollte er die Zeit allein mit seinem kleinen Bruder verbringen.

Seto blickte kurz in den Spiegel, um in Mokubas schlafenden Gesicht zu sehen. Der Kleine schlief am Rücksitz tief und fest. Das klingelnde Handy schien ihn nicht im Geringsten zu stören.

Ein zufriedenes Lächeln erschien auf Kaibas Lippen, um dann schlagartig in eine zornige Miene zu wandeln.
 

"WAS?!" brüllte der junge Firmenchef ins Handy, als er das Auto parkiert hatte und ausgestiegen war.

"Ver-verzeihung, He-herr Kai-ba.." stotterte eine unsichere Frauenstimme.

Kaiba verdrehte genervt seine Augen.

<Unwürdige Idiotin! Wofür bezahle ich sie?>

"Was?" wiederholte er die Frage, diesmal ein bisschen ruhiger.

"Hie.. hier ist eine Frau, die Sie unverzüglich sehen will..."

"Heute bin ich nicht.."

"Ja, dasselbe habe ich ihr auch gesagt, doch sie hat.."

"Du wagst es mich zu unterbrechen?!" unterbrach er sie zornig.

<Diese unerzogene Idiotin!>

"Sagen Sie Herrn Kaiba, dass ich etwas habe, dass sein Leben und das der KC für immer verändern wird!" hörte der junge Firmenchef eine strenge Frauenstimme.

"Wer ist da?" fragte er eiskalt.

Kaiba nahm einen merkwürdigen Schall wahr, als ob an der anderen Seite der Linie ein Kampf ums Telefon stattfand.

<Was zum Teufel geht hier vor sich?> fragte er sich in Gedanken.
 

"Ich bin Yuka, Herr Kaiba, Soroke Yuka," hörte er eine selbstsichere Frauenstimme, "Ich will Sie persönlich treffen."

"Sie sind äußerst überheblich, Frau Yuka," entgegnete Kaiba kühl, aber noch höflich, "Ich bin ein sehr beschäftigter Mann. Sie werden eine Anmeldung machen müssen."

"Ich mache sie jetzt."

"Wie, bitte?"

Plötzlich ertönte ein Lachen.

"Sie lachen?" fragte Kaiba wütend.

"Wie ich schon sagte," setzte die selbstgefällige Frauenstimme endlich fort, "ich habe etwas, was Ihr Leben verändern wird. Und sogar sehr schnell."

"Ach, ja?" fragte Kaiba, doch in seiner Stimme war keine Überraschung zu hören.

"Es ist in Ihrem Interesse mich so schnell wie möglich zu treffen."

Kaiba verlor langsam die Geduld. Ihn ärgerte Yuka's Art mit ihm zu sprechen.

Wer war sie eigentlich und was erlaubte sie sich überhaupt!

"Was macht Sie daran so sicher?" fragte er in reserviertem Ton.

"Ihr Interesse an KC!" folgte die freche Antwort.

Schien es ihm nur so, oder machte sich diese Frau wirklich über ihn lustig?

"Hören Sie, ich weiß nicht wie es Ihnen gelungen ist.."

Doch er wurde unverschämt von Soroke unterbracht.

"Ich warte auf Sie in Ihrem Büro," sagte sie in einem befehlenden Ton und hing auf.
 

"Was erlauben Sie sich? Ich werde die Wache sofort.." versuchte die junge Sekretärin die Situation noch zu retten.

"Halt besser den Mund, Mädchen!" schnitt Soroke ihr das Wort ab.

"Ich werde Herr Kaiba," dabei lachte sie höhnisch auf, "in seinem Büro erwarten."

Soroke Yuka drehte der perplexen Sekretärin den Rücken zu und begab sich zur Wand, die gegenüber der Bürotür war.

<Du hast hier alles hübsch umgebaut, Kaiba,> dachte sie bei sich und grinste, <doch einiges hast du trotzdem vergessen!>

Die junge Sekretärin atmete laut aus und setzte sich, als die freche Frau in dem kleinen Geheimgang verschwunden war.

<Ich bin entlassen. Eindeutig,> stellte sie fest und fing langsam an ihre Sachen mit zittrigen Finger zusammen zu packen.
 

"Soroke Yuka!" zischte Kaiba, während er wie ein Verrückter durch die Stadt fuhr, "Inkompetente Idioten!"

Musste so was gerade an dem Tag passieren, als er endlich extra die Zeit befreit hatte, um mit Mokuba zu sein?

Heutzutage konnte man sich auf niemandem verlassen, nicht Mal die leichtesten Aufgaben konnten diese möchtegern Arbeiter richtig machen!

Wie konnte diese Frau Yuka so einfach in KC reinkommen?

Wie war es ihr möglich gewesen?

"Wenn ich den kriege, der dafür verantwortlich ist..!"

Irgendjemand musste ihr geholfen haben, daran bestand kein Zweifel! Und Kaiba war fest entschlossen den Schuldigen zu finden.

"Großer Bruder?" hörte er plötzlich eine verschlafene Stimme hinter sich, "Warum fährst du so schnell? Sollten wir nicht schon längst zu Hause sein?"

"Es gibt Schwierigkeiten, Mokuba," antwortete Seto schnell, "Es tut mir leid, aber wir fahren zurück in KC."
 

"Sie ist verdammt schnell!" hörte ich den Kerl, den alle Timo nannten, stöhnen.

Ich glaubte ihn vor einige Zeit zum Boden gekickt zu haben. Oder war das ein Anderer?

Obwohl ich mich als eine gute Kämpferin bezeichnete, die Situation, in welcher ich mich jetzt befand, schien für mich doch zu schwer zu sein.

"Kya-a-a!"

Ich beugte mich in letzter Sekunde und der Tritt ging über meinen Kopf.
 

<Sie ist gut..> dachte jemand in den Büschen neben den Kampfplatz sitzend und grinste teuflisch. <Sogar sehr gut...>

Von seinem improvisierten Kontrollpunkt konnte er alles genau beobachten.

<Aber sie braucht noch Training..> fügte er in Gedanken hinzu, als Korin ein paar Tritte verpasst hatte und zum Boden fiel.
 

"Ahh!" stöhnte ich leise und sprang schnell auf die Beine wieder.

Sehr rechtzeitig, denn in nächstes Moment griffen mich drei Kerle gleichzeitig an.

<Ich halte es nicht mehr lange durch,> schoss mir durch den Kopf, während ich mich auswich <ich muss es beenden!>

Meine Kräfte waren schon am Ende, diese Drei - Gynt, Birk und Fisto - waren dagegen noch relativ fitt.

"Da kommt jemand!" hörte ich plötzlich Shiro schnell ausdrücken.

Er war außer Puste und atmete schwer. Das machte mich unwillkürlich zum lächeln. Es war doch nicht so hoffnungslos, wie es schien!

"Wer?" ertönte Timos hustende Stimme.

<Wirklich, wer?> dachte der geheime Beobachter und schaute die Gegend um.

"Keine Sorge," entgegnete Shiro, "das ist nur dieser Kartenwurm Mutou!"

<Mutou?> Bakuras Augen weiteten sich, als er die scharfe Frisur des kleinen Jungen erblickte, <Was macht er noch hier?>

"Dann werden wir ihn auch eine verpassen!" lachte Gynt auf und griff nach einem riesigen Stock.

<Das ist doch dieser Yugi!> dachte ich überrascht, <Allein...>

"Ne-ein!" schrie ich und fiel über Gynt her, "Das lass ich nicht zu!"

<Verdammter Pharao!> fluchte Bakura <Muss er immer alles versauen!>

Dabei verließ er die Büsche und verschwand in unbekannter Richtung.

"Du, Miststück!" rief Gynt auf, als ich ihn zu Boden geworfen hatte.

Der Stock flog dabei zur Seite.

"A-a-a!" stürzten sich Birk und Fisto auf mich.

Ich nahm die Verteidigungsposition ein und... plötzlich wurde alles hell um mich, ich spürte schrecklichen Schmerz im Nacken und sank zum Boden.
 

"Sie soll sich ein bisschen ausruhen!" lachte Shiro auf, den Stock in der Hand haltend.

Die andere unterstützte ihn mit lautem Lachen.

"Jetzt aber werden wir dies.. a-a-a..!"

Shiro flog plötzlich zur Seite.

"He? Was soll das?" schrie Timo erschreckt auf, als er den Boden nicht mehr unter den Beinen spürte.

"Was geht hier vor sich?" schrie ebenfalls überraschter Fisto und beobachtete, wie sein Kumpel auf Shiro landete.

"Ohh.." stöhnten die beide, als noch Gynt auf ihnen landete.

"Was zum Teufe-ee..!"

Auch Birk wurde zum anderen geschickt.

Fisto trat ein paar Schritte zurück, als der Junge mit merkwürdiger Frisur sich zu ihn drehte.

<Der Kartenwurm Mutou?> schoss ihm durch den Kopf <Ist es wirklich er?>
 

"Also, ich will wissen, WAS IN MEINER FIRMA VORGEHT!!"

Der Leiter der KC spie Gift und Galle!

Irgendeine Frau konnte in sein Büro hereinspazieren, ohne dass jemand es verhinderte!

"Stumpfsinnige Idioten!" schrie Kaiba den Verantwortliche für die Wache an, dabei kam es ihm vor, dass das einzige Schimpfwort, das er noch sagen konnte, 'Idiot' war.

Kaiba deckte sein Gesicht mit der Hand ab und machte einen tiefen Atemzug. Er war der Explosion nahe.

"Ist sie wirklich in meinem Büro?" fragte er nach einiger Zeit.

"Ja, Sir! Das ist, nein, Sir!" murmelte der Unglückliche.

"Wie ist das denn möglich?!"

"Sie konnte in Ihr Büro durch einen Geheimgang geraten... zumindest so sagt Ihre Sekretärin, die alles gesehen hat..."

"Geheimgang..!" zischte Kaiba.

Es war das einzige, was er nicht zerstört hatte, als die KC umgebaut wurde. Geheimgang wurde benutzt, damit der Chef schnell und ohne unnötige Schwierigkeiten in sein Büro gelingen konnte. Niemand wusste von seiner Existenz. Niemand außer ihn, Mokuba und...

<Gosaburu!> schoss die Offenbarung wie ein Pfeil durch Kaiba's Gedächtnis, <Aber wie ist das möglich?>

Das Schicksal musste ihm einen Streich gespielt haben!
 

"Verschwindet!" hörte ich eine strenge, respekteinflößende Stimme und öffnete langsam meine Augen.

Ich setzte mich aufrecht und sah mich um. Der Stock, mit dem ich offensichtlich geschlagen wurde, lag unweit von mir. Was die Kerle anging, da war keine Spur von ihnen zu sehen.

Ich hob meinen Blick und traf zwei wundervolle lila Augen. Man konnte glauben, dass er in der Lage war gerade in meine Seele hineinzuschauen. Ich konnte seinen Blick nicht länger aushalten und senkte meinen.

Ich spürte, dass er mich noch für eine Weile angeschaut hatte, drehte sich dann um und verließ den Schulhof.
 

<Wir sollen ihr doch helfen!> rief kleiner Yugi in Yamis Gedanken empört auf, <Was machst du?>

Und er versuchte den Größeren aufzuhalten.

<Sie braucht unsere Hilfe!> bestand Yugi auf seiner Meinung.

<Nein,> war die unnachgiebige Antwort, <jetzt will sie lieber allein sein.>
 

"Danke..." flüsterte ich leise und sah ihm nach, bis er meinem Blick verschwunden war.

Ich war wirklich dankbar, dass er mir keine weitere Hilfe angeboten hatte. Ich wollte ihm nicht noch mehr schuldig sein...

Déjà vu

Kaiba stand vor dem großen Fenster und versuchte seine Gedanken einzuordnen.

Das, was diese Frau ihm gerade erzählt hatte, das konnte doch nicht wahr sein! Gosaburus außereheliche Tochter!

Aber die Dokumente, die Yuka auf seinem Tisch gelassen hatte, zeigten das Gegenteil.

Kaiba seufzte und massierte seine Schläfen.

Nein, unmöglich!

Er schaute aus dem Fenster in die dämmerige Stadt. Der Himmel war mit dunklen Wolken überzogen und einzelne Regentropfen fielen schon herunten.

<Es wird Regenschauer,> dachte der junge Firmenchef unwillkürlich und seufzte erneut.

Gosaburus Geist schien ihn aufs Neue zu verfolgen! Diesmal hatte er die Gestalt eines unbekannten Mädchens angenommen, das Frau Yuka als seine außereheliche Tochter ausgab.

<Nein,> schüttelte er den Kopf, <es ist wieder eine Lüge! Nur um meine Firma zu übernehmen!>

Es war plausibel, weil einige Tatsachen, wie, zum Beispiel, warum er nichts von diesem Mädchen früher gehört hatte, sofort klar wurden. Aber dieser Gedanke konnte nicht allen Fakten gegenüberstehen.

Kaiba warf den Blick auf den Tisch, um sich wieder zu überzeugen, dass alle Dokumente noch immer darauf lagen.

<Ich war Gosaburus Geliebte,> erinnerte er an Sorokes Worte, <Korin ist das Ergebnis unserer Beziehung! Und, im Einklang mit Gosaburus Testament, hat sie alle Rechte...>

Die Wut stieg sofort in ihm hoch. Wo hatte sie dieses Testament nur her?

Er konnte es einfach nicht glauben! Nachdem er dachte, dass alles, was mit Gosaburu zu tun hatte, endlich begraben wurde!
 

Plötzlich öffnete sich die Tür ein wenig, und der Kopf eines kleinen Jungen guckte durch die entstehende Spalte.

"Großer Bruder?" fragte er leise, "Alles in Ordnung mit dir?"

"Und was glaubst du?" stellte Kaiba die Gegenfrage.

Mokuba näherte sich schweigend seinem aus dem Fenster schauenden Bruder.

"Heißt es," fing er vorsichtig an, "dass wir eine Schwester haben?"

Kaiba atmete schwer aus, während er in Gedanken den Augenblick verfluchte, als er Mokuba in den Kontrollraum zu schicken beschloss. Jetzt wusste der Kleine alles, worüber Frau Yuka und er geredet hatten.

"Das ist absolut unmöglich," sagte er nach einiger Zeit.

"Und Dokumente?" folgte die nächste Frage.

"Fälschung!"

"Und der Geheimgang?"

Mokuba wollte nicht zurücktreten.

"Du hast doch gehört, dass sie in einer engen Beziehung mit Gosaburu war. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie die Wahrheit erzählt!"

Mokuba nickte stumm, doch der Glanz in seinen Augen zeigte, dass er nicht aufgeben wollte.

"Aber, Seto, was, wenn diese Frau trotzdem die Wahrheit gesagt hat.."

"Mokuba," unterbrach ihn Kaibas strenge Stimme, "ich verstehe deinen Wunsch sehr gut, aber das hier ist eine Lüge! Und diese Lüge wurde allein für einen Ziel geschafft - um KC zu übernehmen!"

"A-" versuchte Mokuba zu widersprechen.

"Ich will, dass du nicht mal daran denkst, dieses Mädchen allein zu finden!" sagte Kaiba in einem Ton, der keine Widerrede duldete, "Hast du mich verstanden, Mokuba?"

"Ja," antwortete er und begab sich langsam zur Tür.

"Ich will nur das Beste für dich," Seto drehte sich zu ihm, "Und, wie es mir scheint, ist diese Frau zu allem fähig. Ich versprech's dir, dass, falls diese Dokumente wirklich etwas an sich haben, werden wir dieses Mädchen finden!"

Mokubas Gesicht hellte sich für eine Weile auf, er lächelte seinen Bruder an und verließ den Raum.
 

Die Tür wurde leise verschlossen, und Kaiba blieb allein in dunklem Büro. Genau wie er es vermutet hatte, ging der kleine Staubregen unmerklich in eine heftige Regenschauer rüber. Der Anblick aus dem Fenster ließ ihn wieder und wieder zum Gespräch mit Soroke zurückzukehren...
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

Soroke Yuka saß im Sessel und schaute aus dem Fenster, als Kaiba eintrat.

"Was erlauben Sie sich?" fragte er eiskalt.

"Sie haben sich gut eingerichtet," meinte Soroke ohne sich umzudrehen, "Sehr bequem."

"Sicher," spottete Kaiba, "Und jetzt, befreien Sie mein Büro."

"Nachdem ich so vieles durchmachen müsste?" fragte die schlanke Frau, sich erhebend und sah den jungen Firmenchef hasserfüllt an.

"Wer sind Sie und wie sind Sie hierher geraten?" stellte Kaiba die Gegenfrage.

Statt eine Antwort zu geben, deutete sie eine Mappe an, die auf dem Tisch lag.

"Dokumente beweisen, dass Gosaburus Tochter, Korin Kaiba, die rechtmäßige Besitzerin dieser Firma ist," erklärte sie reserviert, nachdem Kaiba sie für eine Weile schweigend angeschaut hatte.

"Wollen Sie mir weismachen, dass Gosaburu eine Tochter hatte, über die niemand je gewusst hat?" fragte Kaiba zornerfüllt, als er die Dokumente mit den Augen übergeflogen hatte.

"Nicht niemand," entgegnete Soroke mit einem Lächeln, "nur Gosaburu und ich."

<Und Arituro,> fügte sie in Gedanken hinzu, <dieser Narr!>

"Außerdem," setzte sie fort, ehe Kaiba seinen Mund zu öffnen schaffte, "es war ihm doch gelungen auch die Tatsache zu verheimlichen, dass er einen Sohn hatte..."

Sie lächelte ihn wieder süß an.

"Er war schon damals so gut wie tot," meinte Kaiba eiskalt, "Ich würde aber gern wissen, woher.."

"..ich das alles so gut weiß?"

<Will sie mich absichtlich erniedrigen?> schoss Kaiba durch den Kopf, während er Sorokes selbstzufriedenes Gesicht beobachtete.

"Ich war Gosaburus Geliebte," schmunzelte sie und neigte leicht den Kopf, "nicht die Einzige, selbstverständlich. Aber was werde ich es Ihnen jetzt erzählen!"

"Nicht als ob mich die Einzelheiten interessierten," sagte Kaiba gereizt und kreuzte die Arme vor der Brust, "Warum sagen Sie es erst jetzt?"

Ja, diese Frage hatte ihn schon am Anfang an beschäftigt und misstrauisch gegenüber all dieser Sache gemacht. Diese Korin war auch 17, was hieß, dass Soroke schon längst ihre Ansprüche erheben konnte, als Gosaburu noch am Leben war. Doch sie hatte es nicht getan...

"Es gab einige Gründe, die jetzt aber nicht mehr wesentlich sind," gab sie eine ausweichende Antwort.

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

"Gosaburus Tochter..!" zischte der Leiter der KC leise.

Warum jetzt? Wieso gerade ein Mädchen? Und was, zum Teufel, hatte diese Frau Yuka noch im Zusammenhang mit der Schule erwähnt?

Kaiba seufzte und stützte seine Stirn auf das kalte Fensterglas. Wegen all der Fragenmenge hatte sein Kopf schon angefangen zu summen.

"Unglaublich!" flüsterte er verärgert.

Eine Stiefschwester.. eine richtige Kaiba. Er konnte sie nicht so einfach ausschalten, wie im Noas Falle, auf sie musste man Rücksicht nehmen. Und auf Soroke umso mehr! Tja, etwas war eindeutig faul an dieser Frau. Sie verhielt sich ihm gegenüber so frech, selbstsicher und hatte keinerlei Angst davor, dass er sie einfach rauswerfen konnte. Sie wusste von dem Geheimgang und Gosaburu, ihr waren sogar einige Dinge aus seiner Vergangenheit bekannt!

Kaiba seufze erneut, bevor er sich umdrehte und das Licht einschaltete.

"Ich will meinen Anwalt sofort sehen!" sagte er in den Hörer.
 

Mokuba fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten.

<Eine Schwester...>

So sehr er auch versuchte, darüber nicht zu denken, kehrten seine Gedanken ständig zu diesem Thema wieder.

<Es ist möglich, dass wir eine Schwester haben...>

Sein Bruder wollte es nicht glauben, er dagegen war fast völlig sicher, dass Frau Yuka die Wahrheit sagte. Wieso?

Vielleicht, weil er sich danach so sehr sehnte...

Ja, Seto war sein ein und alles, aber seitdem er Noa - Gosaburus echten Sohn - getroffen hatte, wurde sein Leben unwiederbringlich verändert. Ein bisher unbekannter Gefühl kam in ihm zum Vorschein.

Er musste feststellen, dass seitdem hatte er öfters darüber nachgedacht, was wäre wenn... sie Geschwister hätten.

<Du sagst, dass du nur das Beste für mich willst.. Warum siehst du dann nicht, dass ich nur eine Familie haben will..>

Die Tränen traten ihm in den Augen, wobei er gar nicht weinen wollte.

"Weg!" schluchzte Mokuba und trocknete die ungebetene Tränen mit dem Ärmel ab. "Ich werde nicht weinen!"

Doch die Tränen wollten nicht so einfach zurücktreten.

<Warum hast du gesagt, dass es eine Lüge ist? Wieso willst du nicht mal versuchen?>

Die Gedanken rannten wie verrückt durch seinen Kopf.

"Seto..." flüsterte der jüngere Kaiba und schloss die Augen.

<Warum bist du immer nur mit der Firma beschäftigt? Willst niemanden an dich ranlassen? Ich habe gehofft, dass du dich auch veränderst, nach all dem, was wir während Battel City Turniers zusammen erlebt hatten...>

Der Stopp des Fahrstuhls brach den Lauf seiner Gedanken für kurze Zeit ab.

<Es tut mir leid, großer Bruder,> dachte er, <aber ich werde es mir nie verzeihen können auch noch diese Gelegenheit verpasst zu haben..!>

Und, fest entschlossen alles Mögliches über die mutmaßliche Schwester herauszufinden, verließ er die kleine Liftkabine.
 

"Autsch!" rief ich auf und zog meine Hand hastig von dem Nacken zurück.

Tat das aber weh!

Ich saß noch immer am Schulhofsboden, ein bisschen verwirrt und betrachtete meine Hand.

"Mist!" fluchte ich leise und wich das Blut gegen meine Seite.

Mein Kopf summte und das machte mir die Freude auch nicht. Als ich mich erhob, musste ich eine Zeitlang mit zugeschlossenen Augen stehen, damit die Schwindeligkeit sich zurückzog.

"So, und jetzt..." sagte ich mir selbst und hielt kurz den Atem an, als ich meine Wunde wieder berührte.

Es schmerzte sehr, aber alles war halb so schlimm. Ich musste nur das Wasser finden und meine Wunde desinfizieren. Deswegen machte ich mich langsam auf den Weg zu meinem neuen Zuhause.

<Tja,> dachte ich seufzend, <und ich hatte doch noch vor Dani-chan zu besuchen...>

Der heutige Vorfall in dem Schulgang ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Der Junge, der mich überrannt hatte, warum sah er Dani-chan so verblüffend ähnlich? Doch diese Frage war nicht die einzige, die mich beschäftigte... Dieser Mutou..

Ich musste nicht mal meine Augen schließen, um seine lilane Augen wieder vor mir zu sehen. Sein Blick.. so durch..

<Halt!> befahl ich mir <wer immer das auch war, das war nicht Yugi, auf keinen Fall!>

Vielleicht sahen sie unglaublich ähnlich aus, und vielleicht war das auch der Grund, warum Mutou mich so plötzlich interessierte, aber eins war klar - Yugi und der, der Shiros Bande besiegt hatte, - es waren zwei verschiedene Menschen, obwohl auch erstaunlich ähnlich.
 

Plötzlich angefangener Regen brach den Lauf meiner Gedanken ab und zwang mich meinen Blick hochzuheben. Der Himmel war völlig mit dunklen Wolken überzogen, und kein Zweifel bestand daran, dass es bald in Strömen gießen wurde.

"Oh, Mann!" stöhnte ich gereizt und verschleunigte meinen Gang, "Besser konnte es wohl gar nicht kommen!"

Wie der Baum, so Frucht

Mokuba verließ die kleine Liftkabine. Er befand sich ziemlich tief unter der Erde. Das ganze riesige Gebäude der KC war über ihn. Die Luft hier unten war stickig, es war feucht und kühl. Die wenigen Leuchten gaben nicht genügend Licht, und Mokuba sah sich nach einer Taschenlampe um. Sie hatte er auch relativ schnell auf einem kleinen Tisch neben der Liftkabine gefunden.

Mokuba leuchtete mit der Taschenlampe in den langen Korridor, es war niemand da. Der Weg zum Archiv war frei! Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er sich der massiven Tür näherte. Mokuba lächelte erwartungsvoll auf und fuhr mit der Karte durch die spezielle Spalte.

"Identifikation!" ertönte die Stimme des Computers.

Mokuba stand wie festgebannt und starrte verzaubert das rote Licht an.

"Netzhautkontrolle!" folgte die Stimme des Computers, sobald das rote Licht sich ins grüne wechselte.

Mokuba schaute in eine kleine Kamera hinein, die seine Netzhaut scannte.

"Identifikation abgeschlossen... Guten Tag, Mokuba Kaiba."

Mokuba grinste und hüpfte erregt, als er das bekannte Klicken wahrnahm, nach dessen die eiserne Tür sich langsam geöffnet hatte.

Er rannte los. Seine Laufschritte hallten im Korridor, während das Licht vom Taschenlampe sich schnell von einer Tür zur anderen bewegte.

"Battle City Turnier, Geschäften mit.." las Mokuba vorbeilaufend.

Dabei suchte er mit den Augen den nötigen Titel.

"Gosaburu Kaiba," las er und blieb hastig stehen.
 

"Mokuba! Mokuba!"

Kaiba sprach in kleines Mikrofon, das in seinem Mantel eingebaut war.

"Mokuba? Antworte mir! Mokuba?"

Doch es folgte keine Antwort.

<Wo ist er denn?> fragte sich Seto in Gedanken <Was macht er, dass ich ihn nicht erreichen kann?>

"Mokuba?" versuchte er noch mal.

<Was ist nun los?>

Kaiba war gerade mit dem Anwalt fertig und wollte nun schnell seinen Bruder finden, um endlich nach Hause zu fahren.

"Computer, such nach Mokuba!" gab er den Befehl und verfolgte mit den Augen die Arbeit seines Laptops.

"Das gesuchte Objekt befindet sich zurzeit im Sektor.."

"Oh, nein!" rief Seto überrascht auf, den Computer nicht mal zu Ende gehört "Was hat er dort verloren?"

Seto machte den Laptop schnell zu und, erraten, was sein kleiner Bruder vorhaben konnte, eilte sich zum Ausgang.
 

Es war schon ganz dunkel geworden, als ich, bis auf die Haut nass, in die zweistöckige Villa hereinstürzte.

"Soroke!" rief ich laut und, ohne auf eine Antwort zu warten, begab mich in ihr Arbeitszimmer, nasse Fußtapfen auf dem Boden hinterlassend.

"Korin?" ertönte plötzlich aus der Küche die Stimme der Köchin, "Bist du es?"

Marie - so hieß die Köchin - war eine wohlbeleibte Frau, in mittlerem Alter und die Einzige in diesem Haus, die ein rein menschliches Interesse für mich bekundete, und die ich respektierte.

"Was ist passiert?"

Ich schaute zurück. Sie stand in der geräumigen Türöffnung der Küche, hielt einen Teller und ein Geschirrtuch in den Händen und betrachtete mich mit vor Schreck geweiteten Augen.

"Spar dir dein Mitleid.." brummte ich, mich abwendend, "Wo ist Soroke?"

"Sie ist noch nicht zurückgekehrt," antwortete Marie und kam an mich heran, "Kannst mir auch nicht sagen, was vorgefallen ist, aber du nimmst sofort ein heißes Bad, Lady!"

Das Letzte hatte sie in so einem Ton gesagt, dass ich es nicht wagte ihr zu widersprechen.
 

"So ist es doch viel besser!"

Marie beschmierte meine Wunde am Nacken mit irgendwelcher Salbe, die sie aus ihrem Zimmer ins Bad gebracht hatte. Um die kleinere Wunden am meinen Körper hatte ich selber gekümmert.

"Wenn du fertig bist, komm nach unten in die Küche, das Abendessen wartet schon auf dich," sagte sie noch, bevor sie das Badezimmer verließ.

Mir war es aus irgendeinem Grunde peinlich von dieser Frau umsorgt zu sein. Sie verhielt sich so freundschaftlich zu mir, obwohl ich das keineswegs verdient hatte. Schon am ersten Tag, als Soroke mich zu dieser Villa gebracht hatte und ich sofort mit dem Stehlen anfangen musste, war sie ganz freundlich zu mir gewesen, ignorierte meine giftigen Anmerkungen, die ich am Anfang ständig vor mich gab, und machte einfach ihre Arbeit. Sie lächelte mich nie so süß und belogen an, wie es Soroke tat, doch auch sie schien etwas zu verbergen. Und auch wenn sie ein ziemlich geduldiger Mensch war, hatte sie es mir schon sehr bald klar gemacht, dass sie meine Ausfälle nicht gefallen lassen wurde...
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

Es war schon der dritte Tag, als ich bei Soroke wohnte. Eher gesagt - schuftete. Ich kam gerade aus ihrem Arbeitszimmer, da ein anfallender Diebstahl abgeschlossen war, und machte mich auf den Weg zur Küche. Ich wollte noch was zwischen die Zähne kriegen, bevor ich mich aufs Ohr legte.

<Arituro hat besser gearbeitet! Du bist Nichts im Vergleich zu ihm!> Sorokes ungerechte Worte hallten noch in meinem Kopf.

"Du, du..!" zischte ich leise und ballte meine Hände zu Fäuste.

Ich war zum Zeitpunkt auf die ganze Welt böse, wenn's nur in meiner Macht stünde, würde ich das gesamte Universum in die Luft sprengen!

Wer war diese Frau, um mit mir so umzugehen? Meine Mutter, keh..! Von wegen! Und wer hatte ihr das Recht gegeben mich mit meinem Vater zu vergleichen! Arituro war wirklich ein Meisterdieb gewesen und genau sie trug die Verantwortung dafür, was passiert war. Nämlich, dass ich ins Waisenhaus kam, nachdem mein Vater verschwand.
 

Wütend wie eine Furie betrat ich die Küche. Mein Appetit war zum Augenblick schon vergangen, doch da ich mich schon in der Küche befand, beschloss ich trotzdem etwas zu essen.

"Willst du was bestimmtes?" fragte mich die Köchin, die ich zuerst gar nicht bemerkt hatte.

<Was macht sie denn hier noch?> dachte ich gereizt, <Es ist doch schon nach Mitternacht..>

Ich wollte zurzeit niemandem sehen, geschweige denn mit jemandem sprechen.

"Nö," antwortete ich mürrisch und griff nach der Klinke des Kühlschranks, "ich mach mir was selber."

"Brauchst du nicht," entgegnete sie ruhig und deutete einen Teller an, der auf dem Tisch war, "Ich habe dir schon alles vorbereitet."

"Wieso hast du mich dann gefragt?" fragte ich harsch.

"Ich wusste nicht, was du magst, also ist hier von allem ein bisschen," setzte die Köchin fort.

Meine Frage schien sie ignoriert zu haben.

Ich drehte mich zum Tisch und betrachtete das Essen. Es waren Frikadellen mit Bratkartoffeln und Salat aus verschiedenem Gemüse. Es sah sogar sehr lecker aus.

"Ich hab kein Hunger," sagte ich schließlich.

"Es scheint aber anders aus," entgegnete die Köchin.

Ich sah sie verärgert an, aber setzte mich trotzdem hin und begann zu essen.
 

"Danke würde reichen," sagte die Köchin leise, als ich fertig war und weggehen wollte, "zudem kannst auch deinen Teller waschen."

"Warum sollte ich?" schoss aus mich heraus, eher ich das Gesagte bedenken konnte.

"Vielleicht, weil das deine Pflicht ist?"

"Hä?"

Hatte ich es jetzt richtig gehört? Ich musste hier auch noch die Teller abwaschen?

"Und tu nicht so überrascht! Ich weiß sehr gut, dass du aus dem Waisenhaus kommst," sagte sie ruhiger, als ich erwartet hatte. "Dich zu verdanken und den Teller abzuwaschen muss für dich keine große Arbeit sein."

Meine Augen weiteten sich. Woher wusste sie, dass ich in Waisenhaus gewohnt hatte? Hatte Soroke ihr das erzählt? Nein, unwahrscheinlich...

"Woher..?"

"Ich sehe es in deinen Augen."

Ich starrte sie perplex an. Zum etwas anderem war ich jetzt einfach nicht imstande.
 

"Ich bedanke mich fürs Essen.." sagte ich nach einiger Zeit ganz leise "..aber ich werde die Teller hier nicht abwaschen! Und mein Leben geht dich einen Dreck an!"

Mit flammenden Augen sah ich die Köchin an. Doch sie war die Ruhe selbst. Das erste Mal hatte meine Taktik versagt...

"Wenn du denkst, ich habe Angst vor dir oder mir ist egal, was mit dir vorgeht, irrst du dich."

Sie sah mich ernst an.

"Du bist noch ein Kind und brauchst Hilfe."

"Was?" raste ich mich aus, "Wer bist du denn, um mir das zu sagen?"

"Vater hast du keinen, was aber deine Mutter betrifft.."

Sie schüttelte leicht den Kopf, ihre Stimme klang leise und traurig.

"Halt die Klappe!" rief ich wütend aus, "Das ist allein meine Sache!"

"Du glaubst allein zu Recht kommen zu können," setzte sie fort, "aber Korin, mein Mädchen.."

"Nenn mich so NIE WIEDER!" schrie ich sie an und stoß mit einer hastiger Handbewegung den leeren Teller vom Tisch herunter.

Augenblicklich erschallte das Klirren des heruntergefallenen Geschirres und der Teller zersprang in tausend Scherben.

"So, so..." sagte die Köchin leise.

Sie blickte die Küche über, dann schaute mich mit traurigem Blick an.

"Du musst lernen die Arbeit der Anderen zu schätzen."

"Was willst du?" fragte ich zornerfüllt.

Diese Köchin brachte mich aus der Fassung! Sie hatte meine eigene Taktik gegen mich eingesetzt und hatte es geschafft, die Situation in ihre Hände zu übernehmen. Und das versetzte mich in Wut umso mehr!

"Du denkst, dass, wenn du Probleme hast oder dir etwas nicht gefällt, kannst du deine Wut an den anderen auslassen. Aber das gibt dir kein Recht mich zu beleidigen."

"Tze!" schnaubte ich verächtlich und kreuzte die Arme vor die Brust "Ich hab dich um gar nichts gefragt!"

"Wir alle haben unsere Obliegenheiten und müssen unseren Pflichten nachkommen."

"Was weißt du von meinen Pflichten?" ließ ich eine Bemerkung fallen.

"Korin, wir kennen uns gar nicht, doch du verhieltst dich mir gegenüber so, als ob ich deine größte Feindin wäre!" rief sie auf.

Das war das erste Mal, als ich sie ihre Stimme erhoben hörte.

"Ich bin hier gegen meinen Willen, ich will keine besondere Behandlung," sagte ich und bog einen Finger nach dem anderen, "und ich habe nicht vor mich mit jemandem hier zu befreunden oder so!"

Plötzlich lächelte mich die Köchin merkwürdig an und drehte sich um. Ich hob eine Augenbraue hoch, als sie irgendetwas aus der Ecke holte und sich mir wieder zuwand.

"Sammle die Scherben auf," sagte sie gelassen und reichte mir einen Besen und eine Kehrschaufel.

"Hö?"

"Du wolltest doch keine besondere Behandlung..."

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

"Korin!"

Sorokes verärgerte Stimme hatte mich schnell zurück in die Realität gebracht. Ich drehte mich rasch zu ihr und sah, dass sie irgendwelche Kleidung dabei hatte.

"Hier," sagte sie und warf mir den dunkelblauen Rock und die blau-rosa Bluse entgegen, "das ist deine Schuluniform. Hoffentlich, wirst du auf dich nachher besser aufpassen, denn ich habe nicht die Absicht sie jeden Tag wieder neu zu kaufen!"

"Ich hab dir doch am Anfang an gesagt, dass diese Idee mit Kostüm voll Scheiße ist!" entgegnete ich höhnisch. "Mich wollte beklauen und ich.."

"Mich interessieren deine Probleme gar nicht!" schnitt Soroke mir das Wort ab, "Ich will lieber deine Erklärungen anlässlich des Nachnamens hören."

Sie verschränkte die Arme und sah mich erwartungsvoll an.

"Ich. Bin. Ringo." sagte ich jedes Wort betonend "Und nicht Kaiba."

"Da irrst du dich wieder, mein Mädchen!" lächelte mich Soroke süß an, wovon mir ganz übel wurde.

"Sei so lieb und erklär's mir!" spottete ich, ebenfalls schief lächelnd.

"Mit dem größten Vergnügen!"

"Tu mir den Gefallen."
 

"Was machst du hier, Mokuba?" ertönte eine strenge Stimme.

Mokuba, der am Boden im Haufen der Dokumente saß, drehte sich um und sah in die eisblauen Augen seines größeren Bruders.

"Seto?" fragte er überrascht und hätte wohl umgekippt, wenn er nicht schon gesessen hätte.

"Ich habe dir eine Frage gestellt."

Der Ton, in welchem er sprach, zeigte, dass er eindeutig wütend war.

"Ich dachte.."

"Mokuba, was habe ich dir gesagt?"

"Dass ich nichts unternehmen soll..." gab Mokuba zu und senkte seinen Kopf.

"Und was soll das?" fragte Seto gereizt, und mit einer hastigen Handbewegung deutete er die Unordnung, die Mokuba angerichtet hatte, an.

"Ich suche nach Beweise.."

Seto seufzte und hockte sich vor dem Kleineren hin.

"Hör zu," sagte er und legte seine Hand auf Mokubas Schulter, "ich habe gerade mit meinem Anwalt gesprochen. Er wird mit dieser Sache klar werden."

"Aber, Seto.." versuchte Mokuba zu widersprechen.

"Kein 'aber'," entgegnete sein Bruder und fuhr ihm durch die Haare, "ich verstehe deinen Wunsch, doch wir müssen sehr vorsichtig sein. Wir können es uns nicht leisten Sorokes Geschichte so leicht abzukaufen."

Mokuba nickte stumm.

"Lass uns alles wieder in Ordnung bringen und dann fahren wir nach Hause!" schlug Seto vor und fing an dieumherliegende Papiere aufzusammeln.

Familienanlegenheiten

Ich lehnte mich an den Rand der Wanne und fixierte Soroke mit den Augen.

<Jetzt oder nie!> dachte ich und drückte meine neue Schuluniform, die ich noch in den Händen hielt, verkrampft zusammen, <Die Stunde der Wahrheit ist geschlagen!>

"Also gut," fing Soroke in einem höhnischen Ton an, als ob sie mir einen großen Gefallen tat.

"Wie ich schon einmal erwähnt habe, ist Arituro nicht dein leiblicher Vater. Obwohl, wie ich sehen kann, hat er dich trotzdem für seine Tochter gehalten, dieser Narr!"

Sie lachte boshaft auf.

"Hör auf ihn zu erniedrigen!" rief ich beleidigt aus, "Mein Vater IST Arituro, und du weißt es genauso gut wie ich!"

"Willst du sagen, dass ich nicht mehr weiß, mit wem ich geschlafen habe?"

Soroke senkte ihre Stimme, jetzt klang sie noch drohender als zuvor.

"Und wer war dann der Glückliche?" fragte ich mit Verachten in meiner Stimme.

"Gosaburu Kaiba," antwortete Soroke erstaunlich ruhig.

Für einen kurzen Moment glaubte ich etwas wie Schmerz oder Traurigkeit in ihren Augen zu sehen, doch sie war genauso schnell wieder verschwunden.

"Und ich soll es dir glauben?" rief ich spöttisch aus, "Ich bin sogar nicht sicher, ob du wirklich meine Mutter bist! Mir ist das scheißegal, wer dieser Gosaburu war!"

Augenblicklich erhob Soroke ihre Hand und gab mir eine heftige Ohrfeige.

"Wage es NIE so über ihn zu reden!" zischte sie mich an.

Ich fasste meine brennende Wange an, ohne mich von ihr abzuwenden.

"Ich habe ihn geliebt," sagte sie nach einiger Zeit und sah mich direkt an.

Ihre Stimme war ganz leise und klang irgendwie traurig.

"Und du warst auch so dumm ein Kind von ihm zu bekommen!" sagte ich sauer, mit Absicht sie weiter zu provozieren.

Doch zu meiner Überraschung regte sie sich nicht auf, sondern beschenkte mich nur mit einem schmerzvollen Blick.

"Deine Bemerkung ist absolut unnötig gewesen," meinte sie schließlich.

Ich musterte sie schweigend und emotionslos: wollte sie mit ihrer Liebesgeschichte in mir etwa Mitleid erwecken? Das ich nicht lachte!

"Wie ich schon gesagt habe, mir ist es total egal, wer Gosaburu war," sagte ich entschlossen.

<Mein Vater ist Arituro, und das kannst sogar du, Soroke, nicht ändern! Denkst du, du kannst mich für dumm verkaufen?>

"Ich will wissen, was du von mir eigentlich willst! Erst muss ich für dich stehlen, dann schickst du mich in die Schule und jetzt bestehst du darauf, dass ich zu Kaiba Familie gehören soll! Was soll das Theater?!"

So, jetzt war es soweit. Ich hatte alle Fragen gestellt, die für mich lebenswichtig waren. Ich wurde sie nicht mehr ausweichen lassen! Um meines und Dani-chans Willen!

Soroke seufzte fast unbemerkt, ihr Gesicht wurde wieder zu einer Steinmaske.

"Du wirst auch weiterhin stehlen," fing sie an, "Wegen Arituro habe ich eine runde Summe verloren, und du wirst es abarbeiten."

Sie fasste mich ins Auge, als ob sie sicher sein wollte, dass ich ihr aufmerksam folge.

"In die Schule gehst du, weil du Ausbildung brauchst. Außerdem musst du lernen, wie man mit den Menschen umgeht," setzte sie dann fort.

<Tze!> dachte ich <Als ob ich das nicht von früher kenne! Ich habe sechs Jahren meines Lebens in Waisenhausen verbracht! Und wofür?>

"Du bist Gosaburu Kaibas Tochter," wiederholte sich Soroke und brach damit den Lauf meiner Gedanken ab, "Und da du die Einzige wahre Kaiba geblieben bist.."

"Du bist doch reich genug!" unterbrach ich sie, als mir klar wurde, worauf sie hinaus wollte.

Nicht umsonst kam mir der Nachname Kaiba so bekannt vor!

"Ich habe es geschworen, dass seine Firma meinem Kind gehören wird!"

Soroke ballte ihre Hände zu Fäusten.

"Nämlich, dir."

"Ach so!" rief ich gespielt überrascht aus und pfiff leise.

Sowas hatte ich schon vermutet. Die Familie Kaiba war sehr bekannt, besonders in Domino. Sie hatte es also auf KC abgesehen! Als Waisenkind hatte ich mich nie wirklich dafür interessiert, aber mir war es bewusst, dass KC der größte Spielkartenkonzern war. Diese Firma war ein fetter Bissen, das konnte ich nicht leugnen.

"Du kannst ruhig zugeben, dass du diese Firma ganz allein für dich haben willst, Mütterchen!" lächelte ich sie scheinfreundlich an, "Mich brauchst du nur, um dein Ziel erfolgreich zu erreichen, stimmt's? Vor mir musst du dich nicht verstellen!"

Soroke stützte ihre Hände in die Hüften und betrachtete mich mit zufriedenem Lächeln. Oh, wie gern hätte ich gewusst, was in ihrem Kopf vorging!

"Kluges Mädchen!" lachte sie dann aus, "Dich brauch ich wirklich nur, damit ich KC ganz legal übernehmen kann. Außerdem lässt es mich auch an der Familie Kaiba Rache nehmen!"

<Kaiba!> rief sie in Gedanken aus <Du wirst für alles, was du mir angetan hast, teuer bezahlen! Deine Stiefsöhne werden einen hohen Preis zahlen, dass du deine einzig wahre Tochter einst zurückgewiesen hast!>

Dabei wurde ihr Lachen ganz unangenehm.
 

Das war der schrecklichste Tag ihres Lebens gewesen. Damals wurden alle ihre Träume unwiederbringlich zerstört. Vom Mann, der ihr unglaublich wichtig war, den sie liebte..
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

"Schatz!" rief sie besorgt aus und lief zum Mann, der in großem Sessel vor dem riesigen Fenster saß.

Sie näherte sich von hinten und umarmte ihn sanft. Doch er brach keinen Ton vor sich und starrte nur weiterhin mit leerem Blick aus dem Fenster.

"Ist.. bist du.." fing sie unsicher an, als der Mann auf ihre Umarmung in kleinster Weise reagiert hatte.

"Du.." zischte er plötzlich, befreite sich vor ihrer Umarmung und sah sie wütend an, "DU!"

Seine Stimme war voller Hass, Schmerz und Verzweiflung.

"Du hast ihn umgebracht!"

Soroke starrte ihn perplex an. Was redete er da für einen Unsinn? Wahrscheinlich lag es an dem Schock, den er bekam, als er über den Tod seines Sohnes erfuhr.

"Du bist eine Mörderin!" schrie sie Gosaburu an und stieß sie hastig von sich weg.

Dabei verlor sie das Gleichgewicht und viel rückartig auf den Boden.

"Was ist los mit dir, Schatz?" fragte sie erschrocken und erhob sich langsam wieder.

Gosaburu blickte sie nur hasserfüllt über.

"Wieso beschuldigst du mich? Ich habe erst gestern nach Domino zurückgekehrt!" versuchte Soroke ihn zum Vernunft zu bringen.

"Du hast Noas Unfall arrangiert!" brüllte er ohne ihr überhaupt zuzuhören weiter.

"Ja?" regte sie sich nun auch auf, "Und welchen Grund hatte ich deiner Meinung nach?"

"Du bist eine Mörderin!"

Dieser Satz klang nicht nach einer Beschuldigung, sondern nach einem Feststellung.

"Bringt sie weg!" befahl Gosaburu seinen Wachen, "Ich will diese Frau nie wieder sehen! Weder in meiner Firma, noch in meinem Haus."

Soroke schaute ihn an. Etwas zerbrach in ihr. Sie zitterte am ganzen Körper. Beleidigung, Schmerz, Verzweiflung, Wut... das, was in diesem Moment in ihrem Inneren vorging, konnte sie nicht mehr kontrollieren. Der Mann, den sie über alles liebte, hatte sie verraten! Nie im Leben wurde sie ihm Schmerzen bereiten, nie wollte sie ihn leiden sehen.. Sie hatte so vieles für ihn geopfert. Sie liebte ihn von ganzem Herzen. Und das wusste er!

"Du wirst es noch bereuen!" sagte sie fest entschlossen und drehte sich zum Ausgang, "Das schwör ich dir!"

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

<Du bist derjenige, der mich zu der gemacht hast, wer ich jetzt bin! Du hast mein Leben ruiniert!> dachte Soroke wütend <Du allein bist schuld daran!>

"Tja," wand sie sich plötzlich an mich, " verliert man das eine, findet man das andere. So ist nun das Leben."

"Hä?"

Ich verstand nur Bahnhof.

"Mein Glückwünsch, Korin!" lachte sie auf, "Du hast eben zwei Stiefbrüder bekommen!"

"Bitte, was?"

Ich staunte nicht schlecht. Stiefbrüder? Hat sie den Rest ihrer Vernunft verloren?

"Und mit einem habe ich mich vor kurzem unterhalten!"

Meine Reaktion schien sie wirklich amüsieren zu haben.

"Ach, übrigens, er heißt Seto," sagte Soroke ungewöhnlich nett und fuhr mit der Hand durch meine feuchten Haare.

Ich versuchte mich auszuweichen, aber brach sie damit nur zum lächeln.

Plötzlich klopfte es an der Tür und Marie trat ein.

"Korin, das Essen.."

Sie stockte und sah Soroke überrascht an.

"Oh, Verzeihung, Frau Yuka, ich wusste nicht, dass Sie schon zu Hause sind.."

Soroke entgegnete ihrem Blick mit einem Lächeln.

"Korin, du hast sie gehört," sagte sie schließlich und ließ mich mit Marie im Badezimmer zurück.
 

"Yami..?"

Es war schon ziemlich lange her, als Yugi sich hingelegt hatte, aber der Schlaf wollte ganz und gar nicht zu ihm kommen.

"Schläfst du schon?" flüsterte Yugi und klopfte leicht ans Puzzle, das auf seinem Nachttisch lag.

"Was ist los?" ertönte Yamis verschlafene Stimme.

Er materialisierte sich auf der Bettkante und schaute den Kleineren gähnend an.

"Wieso bist du noch wach? Du sollst schlafen..."

"Mir geht diese Korin nicht aus dem Kopf..." bekannte sich Yugi.

"Oh, komm schon!" lächelte ihn Yami müde an, "Sie wird schon klar kommen!"

"Aber.."

"Hör mal, wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich tatsächlich denken, dass du dich verknallt hast!" scherzte der Größere.

"Was?" fragte Yugi und fing an nervös an der Bettdecke zu zupfen.

Yami lachte nur verschlafen auf und schüttelte den Kopf.

"Geh schlafen und red kein Blödsinn!"

Danach verschwand er in seinem Puzzle wieder.

"Ich hab mich nicht verknallt..." flüsterte Yugi und plumpste seufzend zurück ins Bett, "Ich mach mir nur Sorgen..."
 

"Jemand muss an dich gerade denken!" lächelte mich Marie an, als sie mich schlucken hörte.

"Was?" fragte ich nach.

Ich saß schon in meinem Bett und versuchte die Stereometriebuch zu lesen. Nach der Konversation mit Soroke konnte ich sowieso nicht einschlafen. So viele Fragen standen noch offen, so viele Antworten fehlten!

"Na, man sagt doch, wenn jemand den Schluckauf hat, denkt eine andere Person an ihn," erklärte die Köchin.

"Wirklich?"

"Ja," antwortete sie weiterhin lächelnd, "und, um vom Schlucken los zu kommen, musst du dich nur an die Person erinnern, die an dich denkt."

<Wer könnte denn über mich denken? Dani-chan, vielleicht?> dachte ich und schluckte wieder.

Plötzlich spürte ich, dass meine Wangen ungewöhnlich heiß wurden, als ich mich unwillkürlich an den Besitzer der violetten Augen erinnerte. Wie gut, dass ich vor kurzem ein Bad genommen hatte und sowieso ganz rot war!

<Was ist bloß los mit mir?>

Doch merkwürdigerweise schluckte ich nicht mehr.

"Du hast wohl richtig geraten?" fragte mich die Köchin neugierig.

"Nein," schüttelte ich den Kopf, "es muss ein reiner Zufall sein."

"Wie auch immer," winkte Marie ab, "du sollst jetzt schlafen."

"Ich bezweifle, dass ich..."

"Du wirst früher eingeschlafen sein, als du denkst!" sagte die Köchin und nahm mir das Buch ab, "Du musst dich gut erholen!"

Marie hatte Recht. Das musste ich zugeben. Und trotzdem...

"Schlafen!" hieß sie mir freundschaftlich und schaltete das Licht aus.

"Na gut," gab ich nach.

"Gute Nacht, Korin!" wünschte sie noch und verließ mein Zimmer.

"Tja," seufzte ich und schloss meine Augen zu.

<Morgen wird ein harter Tag...> dachte ich kurz bevor ich ins Reich der Träume entgleitete.
 

Kaiba öffnete die Tür zum Zimmer seines kleinen Bruders und trat behutsam ein. Er wollte doch Mokuba, der in aller Ruhe auf seinen Arm schlief, nicht aufwecken.

"Gute Nacht, Kleiner," flüsterte Seto und bedeckte seinen Bruder, "Träum was Schönes!"

Er drehte sich noch mal an der Schwelle um, um einen letzten Blick auf Mokuba zu werfen. Der schlief so friedlich, dass Seto sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen konnte.

<Ach, Mokuba!> seufzte er in Gedanken <Ich weiß genau, wonach dein kleines Herzchen sehnt.. Und wie ich es weiß..>

Er seufzte erneut und schloss die Tür leise hinter sich. Ob er es wollte oder nicht, aber die Gegenwart zog ihn zurück zu sich. Er konnte nicht träumen, noch nicht.

Diese Frau Yuka und ihre Tochter Korin... Das, was heute vorgefallen war, ließ ihn einfach nicht los.

Wieso musste Gosaburu wieder in sein Leben eintreten? Konnte er ihn nicht einmal in Ruhe lassen?

Warum? Warum nur?

Seto ging in sein Zimmer, schaltete die Tischlampe ein und warf einige Dokumente vor sich hin, die seine Aufmerksamkeit im Archiv auf sich gezogen hatten.

"Korin!" schnaubte er "Was ist das für einen Name?"

Doch seltsamerweise kam ihm dieser Name verdächtig bekannt vor.

<Mal sehen, was wir hier haben..> dachte er und stellte sich auf die Dokumente um.

Er öffnete die Mappe und..

"Wohou!" rief er überrascht aus und pfiff leise dazu, "Das habe ich aber nicht erwartet!"

Das Dokument, das vor ihm auf dem Tisch lag, war nichts anderes als eine Schenkungsurkunde auf Yukas Namen!

"Tja, Stiefvater.. Mal wieder hast du mir einen Bärendienst erwiesen."

Er überflog schnell die Papiere. Sie zeigten, dass Gosaburu Kaiba Soroke Yuka mit einer Juweliergeschäftskette beschenkt hatte. Also, hatte Frau Yuka doch nicht gelogen - Gosaburu musste tatsächlich in einer gewissen Beziehung zu ihr gestanden haben.

"Aber wieso hast du ihr gerade dieses Geschäft gegeben?" sprach Seto leise mit sich selbst, "Was steckt dahinten?"

Voller Reinfall

Die hellen Sonnenstrahlen lichteten Joey ins Gesicht und zwangen ihn seine Augen zu öffnen.

"Wahh!" gähnte er und streckte sich genüsslich.

Er drehte sich auf die andere Seite mit Vorhaben noch ein kleines bisschen zu schlafen, doch ein seltsam beunruhigendes Gefühl ließ ihn nicht los. Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Joey setzte sich im Bett auf und schaute sich um, bis ein auf dem Boden liegendes Gerät seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war klein, es war rund und.. es piepte!

"Ahh!" schrie Joey erschrocken auf, als er zum Boden fiel und mit seinem Gesicht genau vor dem Zifferblatt landete.

Joey blinzelte, um kleine Sternchen los zu werden, und musterte das piepende Gerät.

"Ich bin wieder zu spät!"

Er zog sich blitzartig an, griff nach seiner Schultasche und, mit einem halbfertigen Sandwich im Mund, stürzte rasend aus dem Haus.
 

Yugi, Tea und Tristan durchquerten langsam den Schulhof, als Joey ihnen vorbei sprintete.

"Hei, Joey!" rief ihm Tristan nach, "Wo brennt's?"

Der Angesprochene machte hastig halt und drehte sich zu seinen Freunden.

"Oh, hallo, Tristan!" keuchte er und wich einige Schweißperlen vom Stirn, "Yugi, Tea!"

"Hallo, Joey!" entgegneten sie.

"Was macht ihr denn hier?" fragte Joey überrascht, "Der Unterricht hat doch schon angefangen!"

Die Drei starrten den Blondhaarigen für eine Weile an, dann tauschten die Blicke miteinander und brachten schließlich im lauten Lachen auf.

"Was? Warum lacht ihr?"

"Die erste Stunde fällt heute aus," erklärte Yugi.

"Wusstest du das nicht?" fragte Tea ironisch.

"Der Lehrer hat es gestern mindestens dreimal gesagt," nickte Tristan.

"Wi-wirklich?"

Joey kam sich als der größte Idiot vor.

"Naja, zumindest wirst du einmal pünktlich sein!" sagte Yugi und legte aufmunternd die Hand auf seiner Schulter.

"Auch wahr!" stimmte Joey zu und lachte auf.

"So was Gemeines!" rief er dann aus, "Ich hab's nicht geschafft ordentlich zu frühstücken!"

"Ja.. Der wichtigste Teil des Tages!" merkte Tea kopfschüttelnd an.

"Du denkst ja immer nur ans Futter!"

"Ich teile mein Mittagessen mit dir, wenn du willst!" schlug Yugi vor.

"Wir auch!" schließen sich Tea und Tristan an.

"Oh, Freunde!" rief Joey berührt aus, "Ihr seid die besten!"
 

Ich näherte mich langsam der Schule. Eine Menge von Fragen drehten sich in meinem Kopf. Vor allem - was sollte ich nun machen?

Plötzlich lenkte mich ein freundschaftliches Lachen von meinen Gedanken ab. Ich blickte in die Richtung und sah vier Oberschüler. Den mit dem Punk-Frisur kannte ich nicht, aber die anderen hatte ich gestern kennen gelernt - der Blonde hieß Joey, das einzige Mädchen war Tea und der kleinste, mit merkwürdiger Frisur und goldener Pyramide um den Hals, war Yugi.

<Yugi Mutou...>

Ich erinnerte mich an den vorgefallenen Kampf, an den, wer diesem kleinen Yugi so sehr ähnelte und trotzdem ganz anders wirkte, an den, in wessen Schuld ich stand.

<Ich muss es tun! Ich muss ES tun! ICH MUSS ES TUN!> befahl ich mir selbst.

Das war unvermeidlich, außerdem konnte ich nicht anders. Sonst wäre es gegen meine Prinzipien gewesen. Deswegen nahm ich all meinen Mut zusammen und näherte mich der fröhliche Gruppe.

"Ähm... Yugi.." ertönte meine ein bisschen unsichere Stimme.

Sie drehten sich um und sahen mich überrascht an. Vielleicht, weil ich heute in Schuluniform war, wahrscheinlicher aber, weil ich sie angesprochen hatte, nachdem was gestern geschah.

"Oh, du bist in Ordnung! Das freut mich!" sagte Yugi lächelnd.

Er war der Einzige, der nicht besonders überrascht schien.

"Was kann ich für dich tun?"

Ich hatte viel nachgedacht, und kam nur zu einem Schluss:

"Sag, bitte, deinem Bruder, dass ich ihm dankbar bin und dass ich meine Schuld nachzahlen werde.." sprach ich ohne Halt zu machen.

Mir war's peinlich, aber es ging nicht anders.
 

Teas Augen weiteten sich, auch Joey und Tristan staunten nicht schlecht.

"Bruder?" ging ihnen durch die Köpfe <Dankbar?>

Die Freunde tauschten die erstaunte Blicke miteinander.

<Schuld?>

Sie waren ganz verwirrt.

<Was geht hier vor sich?> dachte jeder und sah Yugi fragend an.
 

Währenddessen drehte sich Korin hastig um und begab sich schnell in Richtung Schule.

"Korin, warte!" rief Yugi ihr nach, aber sie war schon verschwunden.

<Yami!> rief er in Gedanken <Yami, tausch mit mir!>

<Was willst du, Yugi?> erschien der verschlafene Pharao nach einiger Zeit.

<Korin! Du musst mit ihr reden! Sofort!> erklärte Yugi und versuchte den Größeren wachzurütteln.

<Lass mich in Ruhe,> winkte dieser müde ab, <deinetwegen habe ich fast die ganze Nacht nicht geschlafen!>

<Aber, Yami..!>

<Was Yami?> entgegnete der Pharao mürrisch <Ich hab dir doch am Anfang an gesagt, dass mit ihr alles in Ordnung sein wird! Was willst du noch von mir?>

<Yami...> rief Yugi aus, aber der Größere wand ihm den Rücken zu und verflog.

Yugi blieb nur perplex das Puzzle anstarren übrig.
 

"Yu-gi?!"

Teas Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück. Sie klang verärgert und ungeduldig.

"Wie sollen wir das denn, bitteschön, verstehen?"

Sie stützte ihre Hände in die Hüften und sah Yugi erwartungsvoll an.

"Ja, Kumpel!" stimmte auch Tristan zu, "Was meinte dieses Mädel? Wer ist sie überhaupt?"

An seinem Gesicht war Neid zu erkennen - warum bekam immer Yugi die besten Mädchen?

"Du kennst sie nicht.." schnaubte Joey unzufrieden, "Sie ist die Neue in Bakuras Klasse. Echt ein freches Stück, sag ich dir!"

Er hatte ihr nicht vergeben, dass sie ihn gestern für seine Hilfe beleidigt hatte.

"Also," ergriff Tea nach dem Wort, "was meinte sie mit großem Bruder, Hilfe, Nachzahlen?"

Ihre Augen funkelten gefährlich, sie verlangte nach Antworten.

<Ich lass es nicht zu, dass irgendwelche Gernegroß ungestraft meinen Yugi..!>

"He-he.." lächelte Yugi verlegen und riss Tea damit aus den Gedanken, "siehst du, gestern war etwas vorgefallen.."

"Das hab ich schon bemerkt," sagte Tea, ihn weiterhin fest anschauend.

"Ähm.."

Yugi dachte panisch nach. Wie sollte er alles genau erklären, damit Tea nichts falsch verstand?

<Hatte Yami trotzdem Recht?> raste ihm in Gedanken vorbei <Bin ich wirklich ver..?>

Nein, es war unmöglich! Ja, Korin gefiel ihm, das gab er zu, irgendetwas Unerklärbares an ihr zog ihn an, aber verliebt? Nein! Und wieso kümmerte ihn plötzlich Teas Meinung? Yugi schüttelte den Kopf und setzte fort:

"Nun, jemand," dabei deutete er Joey an, "hat plötzlich in höchster Eile nach Hause gerannt.."

"Sorry, Kumpel.." lächelte dieser verlegen.

"Und was hat es mit Korin zu tun?" fragte Tea ganz ungeduldig.

<Mädchen..> dachte Yugi und seufzte unbemerkt.

"Diese Woche sind Joey und ich an die Reihe Klassendienst zu machen," setzte er mit der Erklärung fort, "Und da Joey mir nicht half, dauerte es länger, bis ich fertig war. Als ich endlich nach Hause ging, sah ich, dass Shiros Bande Korin überfallen hatte. Ich hab ihr geholfen... Das ist alles."

Tea sah ihn verblüfft an.

"Aber.."

Doch sie schaffte es nicht, die Frage zu stellen.

"Sie war bewusstlos geschlagen, als ich ihr zur Hilfe kam. Vielleicht hat sie mich einfach nicht erkannt oder so.. wir kennen uns doch nicht!" rechtfertigte sich Yugi.
 

Ich bog um die Ecke, lehnte mich an die Wand und atmete tief durch. Wie ich doch hasste jemandem schuldig zu sein!

Schon Soroke's Auftragen machten mich fertig.. die ganze Sache war einfach zu viel für mich. Ich konnte nicht mal mit diesen Oberschüler normal reden. Aber was nannte ich schon 'normal'?

Ich zweifelte schon, ob ich das Richtige getan hatte - was wenn dieser Yugi gar nichts mit dem Jungen von gestern zu tun hatte? Aber.. die beide sahen sich so ähnlich aus, dass ich es mir nicht vorstellen konnte, dass sie keine Geschwister waren. Außerdem, warum noch wurde der kleine Yugi "Oh, du bist in Ordnung! Das freut mich!" sagen?

Ich schüttelte den Kopf und seufzte.

<Wenn die Situation sich bald nicht ändert, drehe ich mich total durch!>

"Oh, wenn das nicht unsere kleines Karategirl ist!" ertönte plötzlich Shiros Stimme.

Mit ihm waren noch drei Kerle.

"Du wiederholst dich, findest du nicht?" entgegnete ich spöttisch und kreuzte die Arme vor der Brust.

Ich hatte absolut keine Lust nette Gespräche zu führen.

"Frech wie eh und je!" schloss sich Timo dem Gespräch an.

"Sag mal, Shirolein," fing ich herausfordernd an, "spazierst du immer mit deinen Jungchen?"

Der Angesprochene wurde schlagartig rot vor Wut und näherte sich mir, doch ich rührte mich nicht vom Fleck und beschenkte ihn nur mit einem frechen Grinsen.

"War dir denn gestern nicht genug?" fragte Shiro mit bestimmter Stimme.

"Wir können es gern wiederholen!" schlug Gynt vor.

Anderen lachten vergnügt auf.

"Was wollt ihr diesmal?" fragte ich und schaute sie an.

"Hör genau hin," sagte Shiro und stützte sich mit einer Hand an der Wand neben meinen Kopf ab, "du hast Glück, kleines Karategirl."

Er grinste mich frech an, ich blieb aber auch weiterhin unberührt an der Wand angelehnt.

"Irgendwie mag ich dich.. du bist stark, eigensinnig, lässt dich von anderen nichts sagen.."

Seine andere Hand näherte meiner Wange.

"Trete in meine Bande ein, wir können solche Leute gebrauchen.." flüsterte er mir ins Ohr.

"Ich bin eine Einzelgängerin," entgegnete ich fest und schob seine Hand mit meiner beiseite.

"Alles kann sich ändern," sagte Shiro und entfernte sich von mir, "Überleg's dir, mein Angebot dauert nicht ewig."

Ich antwortete nicht, nur sah ihn zornerfüllt an, als er doch über meine Wange strich.

"Bis dann, Karategirl!" lachte er noch auf und verschwand mit seinen Kumpel.
 

"Unglaublich!" flüsterte ich verärgert und begab mich langsam in die Klasse.

Dachte er wirklich, ich war interessiert in seine Bande einzutreten?! Und was fiel ihm ein, mich Karategirl zu nennen? Ich platzte fast vor Wut und Empörung.

Ich war schon neben die Klassentür, als ich noch mal angesprochen wurde. Heute schien ich verlangt zu sein...

"Morgen, Korin! Ich sehe, Shiro.."

"Halte du dich da raus, Bakura, ja?" sagte ich leicht genervt und blickte ihn abwesend an.

Er hatte mir noch gefehlt.. er und sein immer freundschaftliches Lächeln!

"Ok, ok.. Ich wollte nur sagen, dass Shiro eigentlich alle Mädchen in der Schule anmacht."

Und er zuckte mit den Achseln.

"Außerdem ist er zusammen mit Asaka. Also, wenn du keine Schwierigkeiten willst.."

"Ich kann sehr wohl auch allein klar kommen," entgegnete ich.

"Wirklich?" fragte Bakura und lächelte mich ganz seltsam an, wovon ich eine Gänsehaut bekam.

"Wirklich," antwortete ich bestimmt und trat in die Klasse ein.

Schien es mir nur so oder war Bakura ganz anders als er den Schein gab?
 

Kaiba schaltete sein Arbeitscomputer aus und verließ das Büro. Er hatte vor kurzem den erwarteten Anruf von Roland bekommen: Korins Standort wurde lokalisiert. Schon heute war es ihm möglich, sie zur Rede zu stellen!

Er drückte die Fahrstuhltaste und stieg in die Tiefgarage aus.

<Sie wird alle meine Fragen beantworten!> dachte er unterwegs <Und wehe Frau Yuka hat gelogen und ich mach den Weg umsonst!>

Kaiba startete den Motor, und das Auto stürzte mit einem Gebrüll los.
 

Die zwei Unterrichtsstunden in Japanisch waren schon vorbei und auch die Literaturstunde näherte sich dem Ende. Nur noch ein kleines bisschen und es klingelte! Dann wurden sich alle wie ein verrücktes Pack rausstürzen und schreiend durch die Schule laufen...

Ich seufzte unbemerkt und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster. Was war mir lieber: in der Klasse zu sitzen und zu lernen, mich mit den Mitschülern zu streiten oder die ganze Pause nach einem ruhigen Ort zu suchen? Wie ich doch die Schule verachtete!

"Nächstes Mal werden wir vom klassischen chinesischen Text "Dao de Jing", der dem Lao Zi zugeschrieben ist, sprechen."

Die Stimme der Frau Nagareboshi holte mich zurück in die Klasse.

"Der Text ist nicht lang, aber sehr wichtig. Auch für Abschlussexamen."

"Müssen wir den ganzen Text lesen?" fragte ein Mädchen.

Ihr Name, wie ich gehört hatte, war Ayame Rikou, und sie war eine der klügsten, fleißigsten und lerneifrigsten in der Schule.

<Ganz im Gegenteil zu mir,> dachte ich und konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

"Ja, Rikou," antwortete die Lehrerin, "und danach wird ein Aufsatz geschrieben."

"Oh, nö!" ertönte leise, aber eindeutig unzufriedene Stöhnen.

Aus irgendwelchem Grund amüsierte mich das Ganze, und, damit niemand meine fröhliche Stimmung wahrnahm, drehte ich meinen Kopf zum Fenster.

"Schluss jetzt!" befahl Frau Nagareboshi, "Sie haben genau eine Woche, um den Text zu besorgen und durchzulesen!"

Und schon klingelte es zur Pause. Alle nahmen ihre Sachen und verließen den Raum. Ich kritzelte noch schnell den Titel auf und räumte meine Sachen in die Schultasche. Als ich schon weg gehen wollte, rief mich jemand leise, aber beharrlich an.

"Man sieht sich auf den Stadium!" sagte Bakura, als ich zur Tür schaute.

In seinen Augen leuchtete eine wilde Flamme, es kam mir vor, als ob er plötzlich zu einem ganz anderen Menschen geworden war.

<Er verhält sich ganz seltsam..> dachte ich und sah ihm verwirrt nach.

Bakura drehte sich noch mal in der Türöffnung um und zwinkerte. Wenn sein Ziel war mich aus der Fassung zu bringen, hatte er es glanzvoll geschafft!

"Was soll das?" rief ich ihm wütend nach.

<Na warte! So leicht kommst du mir nicht davon, Freundchen!> dachte ich und verließ jedenfalls den Klassenraum.

Auf die Plätze, fertig, los!

Als ich in den Korridor rauskam, war niemand mehr da. Bakura war spurlos verschwunden.

<Na gut,> dachte ich wütend, <Das bekommst du zurück!>

Ich schaute mich um, um mich zu erinnern, in welcher Richtung sich die Umkleideräume befanden. Das dauerte nicht sehr lange, und bald war ich schon auf dem Weg dorthin.

"Korin Kaiba, wenn ich mich nicht irre?" sprach mich plötzlich eine männliche Stimme an.

Mein Herz machte einen hastigen Sprung, als ich den Name 'Kaiba' hörte. <Woher..? Wie?> dachte ich erschrocken und drehte mich um.

Ein Mann im schwarz näherte sich mir.

"Mein Name ist Roland," stellte er sich vor und verbeugte sich leicht, "ich störe Sie im Auftrag der KC."

Ich beobachtete ihn schweigend, beinahe vergessend zu atmen. Was er wohl von mir wollte?

"Ich bitte Sie mir zu folgen," sprach er weiter, "Herr Kaiba erwartet Sie im Auto."

<Herr Kaiba? Welchen meinte er jetzt?> dachte ich panisch nach und versuchte gleichzeitig mein Herz leiser pochen zu zwingen, <Gosaburu oder diesen Seto, den Soroke gestern erwähnt hat?>

"Wie lange dauert's noch?" ertönte plötzlich eine eiskalte Stimme und ein schlanker, ernstaussehender Typ baute sich hinter uns.

Er hielt einen silbernen Koffer in der Hand, seine Haare waren braun und sehr schick styliert, sein Mantel - schneeweiß mit blau - wehte wie von selbst. Ich schätzte ihn auf 18.

"Verzeihung, Herr Kaiba," entschuldigte sich Roland und beugte sich erneut.

<Kaiba? Der ist Kaiba?> dachte ich und musterte meinen so genannten Stiefbruder.

Unsere Blicke trafen sich. Ich schaute tief in seine eisblauen Augen. Ich konnte das Gefühl nicht loswerden, dass wir uns schon vorher getroffen hatten...
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

Ich hatte vor kurzem in ein neues Waisenhaus eingezogen und kannte noch niemandem, was mir auch wunderschön passte - je weniger Freunde ich hatte, desto leichter war es fort zu gehen. Ich war etwa 11 Jahre alt, aber diese Lebenslehre hatte ich mir schon gemerkt.

Plötzlich ein Lärm am Hof zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich lief in die Richtung und sah, dass mehrere Jungen von ungefähr 7 Jahre sich unter der Schaukel balgten. Die Lage sah schon nicht sehr gut aus.

"Hei!" rief ich und lief zu ihnen, "Sofort aufhören!"

Zwei Jungen blickten kurz zu mir rüber, um dann sich wieder seiner Beschäftigung zu widmen. Sie nahmen mich gar nicht ernst!

"Wollt ihr Ärger?" fragte ich laut und fing an Kinder auseinander zu bringen.

Schon bald waren sie weg, blieb nur einer. Er hatte bemerkenswerte kohlschwarze Haare.

"Hei, ist alles in Ordnung mit dir?" fragte ich, kniete neben ihm und legte meine Hand auf seiner Schulter.

"Ja," antwortete er lächelnd, "sie wollten sich mit mir anlegen, aber ich hab ihnen gezeigt!"

"Ja, hab ich bemerkt," antwortete ich jedenfalls lächelnd.

"Ich bin Mokuba," stellte er sich vor und reichte mir seine Hand.

"Lass meinem Bruder sofort los!" ertönte plötzlich ein Befehl und ich wurde grob zur Seite gestoßen.

"He?"

Ich sprang blitzartig auf die Beine und drehte mich zu dem Jungen. Er war ungefähr meines Alters, mit braunen Haaren und eisblauen Augen.

"Moki, wir gehen!" sagte er dem Kleinen, drehte sich um und ging weg.

"Ja, Seto!" rief dieser fröhlich aus und lief ihm hinterher.

"Hei!" rief ich empört aus, "Denkst du nicht, dass du etwas vergessen hast?"

Seto machte halt und drehte langsam zu mir.

"Sollte ich?" fragte er verärgert.

"Eine Entschuldigung?" herrschte ich ihn an.

"Eine was?" fragte er wütend nach.

Sein Gesicht verfinsterte sich schlagartig.

"Du hast mich gestoßen, ohne irgendeinen Grund zu haben," entgegnete ich ruhig, "ich denke, du sollst dich entschuldigen."

"Du hast meinen Bruder..!"

"Erst beschuldigen und nur dann denken?" unterbrach ich ihn höhnisch.

"Für wen hältst du dich?"

"Dasselbe könnte ich dir auch fragen!"

"Bruder.." versuchte Mokuba einzumischen, "bitte.."

"Ich bin Seto," fing dieser stolz, "und ich habe vor mich schon sehr bald adoptieren zu lassen! Mein Schicksal liegt nur in meinen Händen!"

Und er blickte erwartungsvoll in meine Richtung.

"Tze," schnaubte ich, "und ich bin Korin, und ich werde es niemals zulassen mich zu adoptieren! Ich allein bestimme mein Schicksal!"

Wir sahen uns fest an, niemand war bereit den Blick abzuwenden...

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

"Du?!" riefen wir beide gleichzeitig aus.

Das war aber unglaublich! Nach so vielen Jahren! Und noch unter solchen Umständen!

"Wie ich sehe, hast du deinen Ziel erreicht - du bist adoptiert worden, Seto Kaiba!" sagte ich, der Name 'Kaiba' besonders betonend.

"Und du deinen, Korin Kaiba," entgegnete er kühl, denselben Name betonend.

"Ringo," korrigierte ich ihn, "Ri-n-go."

"Ringo?" fragte er nach und hob eine Augenbraue erstaunt hoch, "Frau Yuka hat etwas anderes behauptet."

"Ist ja ihre Sache!" erwiderte ich wütend.

Kaiba beschenkte mich mit einem gleichgültigen Blick. Ich beneidete ihn für seine Fähigkeit sich zu beherrschen.

"Ich hoffe für uns beide, dass niemand außer uns und Soroke diese Tatsache kennt," sagte ich dann und war schon drauf und dran weg zu gehen, als Seto mich plötzlich beim Arm aufhielt.

"Wo willst du denn hin?" fragte er.

Der angenehme Geruch sehr teurer Parfüm traf meine Nase, und ich musste unwillkürlich niesen.

"Tschüldigung.." murmelte ich genervt, als ich einen weiteren kalten Blick auf mich rühren fühlte.

Was konnte ich denn dafür, dass meine Nase an solche Dinge nicht gewöhnt war?

Wieso machten mir alle Jungen der Welt immer das Leben schwer?

"Ich will mit dir unter vier Augen sprechen," sagte er nach einer Weile und ließ mich schließlich los.

Ich musterte ihn aufmerksam. Sein Gesicht war ernst, all sein Wesen zeigte Entschlossenheit.

"Folge mir," ertönte sein Befehl, und er drehte sich zum Ausgang.

"He?" rief ich empört aus.

Was bildete er sich ein, so mit mir zu reden? Wer war er überhaupt? Dass wir womöglich denselben Nachname hatten, gab ihm noch keine Rechte mich herum zu kommandieren!

"Ich warte ins Auto!"

"Damit du mich dann irgendwo erwürgen kannst?" herrschte ich ihn an.

Wir standen in Mitte des Korridors, Kinder liefen um uns herum, mit Gewalt konnte er mich unmöglich zwingen. Wenn er dachte mich so leicht loswerden zu können, hatte er geschnitten!

Kaiba drehte sich langsam zu mir. Sein Mund war in eine unzufriedene Miene gezogen.

"Was erlaubst du dir, Mädchen?" fragte er drohend und näherte sich mir wieder.

"Erstens, bin ich für dich kein Mädchen," entgegnete ich bestimmt, "zweitens, habe ich gar nicht vor mit dir zu reden, und drittens - ich hab jetzt Sport!"

Seto sah mich unzufrieden an, er war Absagen nicht gewöhnt. Doch das ließ mich kalt - ich warf ihm einen letzten Blick, um dann in der Richtung der Umkleideräume zu verschwinden.
 

<Also, so siehst du aus, Korin..> dachte ein kleiner Junge, der sich um die Ecke versteckt hatte.

Er lächelte glücklich und rannte los, um dem Mädchen heimlich zu folgen.
 

Seto blieb verblüfft im Gang stehen.

<Genauso frech, wie damals!> dachte er sauer und begab sich zum Ausgang <Doch mit ihr bin ich noch lange nicht fertig!>

Irgendwie gefiel ihm Korins freche und eigenartige Art, wenn sie wirklich eine 'Kaiba' war, wurde sie der Familie keine Schande machen.

<Wer weiß, vielleicht kann daraus noch etwas Vernünftiges raus kommen,> dachte Kaiba widerwillig, da er trotz allen Beweise nicht annehmen wollte, dass Korin wirklich Gosaburus Tochter war.
 

Ein verdächtig bekannter kohlschwarzer Kopf zog plötzlich seine Aufmerksamkeit auf sich.

"Mokuba!" rief er seinem kleinen Bruder hinterher, "Musst du denn nicht in der Klasse sein?"

"Äh, hallo, großer Bruder!" begrüßte ihn Mokuba irgendwie verlegen, "Sag mal, mit wem hast du eben gesprochen?"

"Mit niemandem.." antwortete Kaiba automatisch.

Mokuba verzog blitzartig ein schmollendes Gesicht, und das ließ Seto seine Antwort sofort bereuen.

"Es war dieses Mädchen," sagte er dann ausweichend.

Mokuba nickte nur. Er sah so aus, als ob er irgendetwas Großes vorhatte.

"Hör mal, Mokuba," wechselte Seto geschickt das Thema, "nach die Schule gehst du sofort nach Hause, klar?"

"Aber, Seto!" erwiderte sein kleiner Bruder in verletzter Stimme, "Heute haben wir die Generalrepetition für unseres Theaterstück! Hast du das etwa schon vergessen?"

"Ich kann mich nicht erinnern, etwas von dir davon gehört zu haben.." entgegnete Seto nachdenklich.

"Und so ist es immer!" rief Mokuba beleidigt aus, "Deine Arbeit ist dir wichtiger als alles andere!"

Tränen der Empörung traten ihm in die Augen, und er rannte weg.

"Mokuba..!" rief Kaiba und streckte seine Hand ihm nach.

<Ich erinnere mich aber an kein Theaterstück..> dachte er und verließ das Schulgebäude <Habe ich wirklich so viel gearbeitet, dass ich Mokuba nicht mal zugehört habe?>
 

Ich trat in den Umkleideraum ein, viele neugierige Augen verfolgten mich bis ich einen freien Platz gefunden hatte, meine Sachen auf die Bank warf und mich hinsetzte. Das Interesse war genauso schnell verschwunden, als sie sahen, dass ich einen einfachen Sportanzug rausholte.

"Bakura ist echt super!" hörte ich plötzlich ein Mädchen entzückend ausrufen.

"Er ist der beste..!" schloss sich ein anderes zu.

"Der schnellste..!" ertönte noch eine begeisterte Stimme.

Ich sah mich verwundert um. Was war denn mit ihnen los?

"Der schönste..!" flüsterte noch ein Mädel.

"Ja..." hörte ich ein weiteres verträumtes Seufzen, "Bakura ist so cool..!"

"Wer?" hielt ich schließlich nicht aus, "Der Bakura, neben wen ich sitze?"

"Genau!" bekam ich die neidische Antwort von mehreren Mädels gleichzeitig.

"Der soll der beste Sportler sein?" rief ich unglaublich aus.

So wie er aussah - blass und gar nicht kräftig - konnte ich kaum glauben, dass er mehr als seine Schultasche tragen konnte!

"Das ich nicht lache!"

Die Mädchen warfen mir böse Blicke zu und setzten ihre Schwärmerei fort.

"Was Sport betrifft, da ist er der Teufel selbst!" wand mir plötzlich ein Mädchen leise an, in der ich Ayame erkannte.

"Das glaub ich nur, wenn ich's selber gesehen habe!" sagte ich und wog meinen Kopf.

Sie wollte mir noch etwas sagen, doch es klingelte, wir alle verließen den Umkleideraum und begaben uns zum Stadium.
 

Der Lehrer wartete auf uns. Die Jungen waren schon da.

"Wie üblich lassen die Mädchen auf sich warten.." kommentierte einer unzufrieden.

"Weiber!" stimmte ein anderer zu.

"Probleme?" fragte Zane und ging so an ihnen vorbei, dass nicht nur diese Zwei ihr nach sahen.

"Also," sagte der Lehrer laut und zog unsere Aufmerksamkeit auf sich, "die Lehrerin ist krank, und heute leite ich die Unterricht."

Dieser Satz war mehr den Mädchen gewidmet.

Gewöhnlich leitete der Sportunterricht für Mädchen die Lehrerin und er beschäftigte sich mit den Jungen, dabei waren die zwei Klassen zusammen. Das hatte ich schon im Umkleideraum bemerkt, als ich Tea sah, und jetzt auch Shiro und seine Gruppe ein bisschen von allen entfernt entdeckte. Außerdem waren Yugi, Joey und sein Freund mit der Punk-Frisur auch anwesend.

"Also - Aufruf!"

Der Lehrer schien heute eine besonders gute Laune zu haben. Er nahm sein Notizbuch, blätterte es ein bisschen durch, dann wand sich wieder uns zu.

"Fangen wir an," ertönte seine befehlende Stimme, "Asaka!"

"Hier!" antwortete Zane sofort.

"Bakura!"

"Hier!" hörte ich eine bekannte Stimme.

Ich sah in seine Richtung. Unsere Blicke kreuzten sich. Seine Augen leuchteten gefährlich. Ohne Zweifel - er hatte etwas vor!

<Was Sport betrifft, da ist er der Teufel selbst!> erinnerte ich mich an Ayames Worten <Ob da doch was dran war?>

"Kaiba!"

Die Stimme des Lehrers riss mich augenblicklich aus den Gedanken, und ich sah mich nervös um.

War denn mein Nachname doch nicht umgeändert geblieben?

"Kaiba!" rief der Lehrer diesmal lauter.

"Nicht anwesend!" meldete sich plötzlich einer Junge.

"Wie wohl immer!" gab Joey sein Kommentar ab.

"Kenjiro!" setzte der Lehrer unberührt fort.

"Hier," antwortete Gynt aus Shiros Bande.

"Mikage!"

"Ich!" rief Yura aus.

"Mutou!"

"Hier!" ertönte auch seine Antwort.

Ich warf Yugi unbemerkt einen Blick zu. Mir kam die Erinnerung wieder, und mit der auch die Gedanken und Zweifel.

<Sind sie wirklich Geschwister? Wieso sehen sie sich so unglaublich ähnlich? Warum musste er mir überhaupt helfen?>

"Ringo!"

Die Stimme des Lehrers brach den Lauf meiner Gedanken schon für zweiten Mal ab.

"Hier," antwortete ich nach kurzer Weile.

"Apfel?" fragte Joey überrascht nach "Dein Nachname bedeutet ein Apfel?"

Ich blickte ihn zornig an, doch dann versank ich in meinen Gedanken wieder.
 

"Wheeler!" rief der Lehrer den letzten Name und machte sich nicht mal die Mühe einen Blick in Joey's Richtung zu werfen.

Er wusste auch so, dass er anwesend war.

"Da ihr alle zusammen seid," setzte er fröhlich fort, "werdet ihr heute 1,500 m laufen!"

"Was?" ertönte unzufriedene Stimmen.

"Warum?"

Doch das machte den Lehrer nur zum grinsen.

"Das sind doch nur 6 Kreise!" rief er amüsiert aus.

Die Schüler stöhnten leise auf.

"Und vergisst nicht - dafür bekommt ihr Noten!" erinnerte er und lächelte noch vergnügter.

Nach diesem Satz waren die Stöhnen schon nicht mehr zu überhören.

"Das ist gemein!" meckerte irgendjemand.

"Also - hopp! Hopp!" klatschte der Lehrer in die Hände, den Stöhnen keine Aufmerksamkeit schenkend, "Auf die Plätze!"

Uns blieb nicht anderes übrig, als ihm zu gehorchen.

"Fertig!" rief er aus.

Wir nahmen die Positionen ein.

"Los!" ertönte der Befehl, und wir stürzten los.

Man weiß nie

Schon nach fünf Kreisen hatte sich die Situation geklärt. Bakura und ich waren die Ersten, uns folgten Joey, Tea, Shiro, Daina, Timo und nach einige Meter alle andere.

<He, der ist wirklich gut!> dachte ich Bakura meinend, <Aber nicht, dass ich ihn gewinnen lasse!>

Und ich verschleunigte mich.

"Aus dem Weg!" hieß mir Bakura und rannte vorbei.

"Was du nicht sagst!" rief ich aus, holte ihn problemlos ein und war wieder die erste.

"Na warte!" hörte ich seinen Ausruf, als er mich überholte.

"Nicht so hastig!" rief ich ihm nach und holte ihn in einigen Sekunden wieder ein.

Bald schaffte er es noch mal mir den ersten Platz zu nehmen, doch sein Triumph dauerte nicht lange, und ich war wieder die Erste. Aber ich konnte meinen Erfolg auch nicht lange genießen - Bakura hatte gar nicht vor den Sieg mir zu überlassen. Doch ich war auch nicht so leicht zu kriegen!
 

Plötzlich wurde ich am Kragen gepackt.

"He? Was soll das?" riefen zwei überraschte und gleichzeitig auch verärgerte Stimmen aus.

Bakura wurde auf dieselbe Weise wie ich vom Lehrer aufgehalten.

"WAS habe ich gesagt?" fragte er wütend und ließ uns los.

Wir sahen ihn groß an.

"Sechs Kreise!" rief er aufgeregt aus, "Und ihr?"

Wir sahen ihn weiterhin erstaunt an.

"Das war schon achter!"

"Und wer hat gewonnen?" fragten Bakura und ich in aller Ruhe.

Lehrer schaute uns unglaublich an, so was hatte er jetzt nicht erwartet.

"Ist doch klar, dass ich schneller war!" sagte Bakura mit bestimmter Stimme und sah mich siegessicher an.

"Hä?" rief ich aus und stützte die Hände in die Hüften, "Von wegen!"

"Wenn der," deutete er den Lehrer an, "sich nicht eingemischt hatte, würde ich siegen!"

"Du bist schon jetzt außer Puste, also halt besser die Klappe!" entgegnete ich giftig.

"Sieh dich selber an!" brüllte Bakura und zeigte auf mich mit dem Finger.

"Achja?" erwiderte ich schon total wütend und schlug seine Hand zur Seite, "Was du nicht sagst!"

"RINGO! BAKURA!" schrie der Lehrer ganz außer Fassung, "Beide - NACHSITZEN!!!"

Wir zuckten kurz zusammen, doch unsere Blicke blieben genauso fest gekreuzt.

"DAS IST ALLEIN DEINE SCHULD!" brüllten Bakura und ich uns gegenseitig an.

"Zwei Stunden!" sagte der Lehrer sein letztes Wort, "Und jetzt - alle, los in die Garderoben!"
 

"Hei, Yugi," flüsterte Joey seinem Freund zu, "ich glaube, Bakura hat endlich die Richtige gefunden."

"Vielleicht," entgegnete er, "doch ich denke, wir sollen Korin warnen, dass Bakura und Ryou einen krassen Unterschied haben..."

"Denkst du?" fragte der Blondhaarige, "Es könnte amüsant werden."

"Was willst du damit sagen?" rief Yugi erschrocken aus.

"Und was, wenn er sie ins Reich der Schatten einsperrt?" flüsterte er dann ganz leise.

"Ich glaube, sie wird auch ohne unsere Hilfe zurecht kommen," sagte Joey und deutete funkelnde Korin vorsichtig an, "Jedenfalls, in dem Zustand, in welchem sie sich jetzt befindet.. ich würde mich nicht trauen ihr zu nähern!"
 

<Was fällt ihm ein!>

Ich kochte vor Wut.

<Dieser..! Dieser.. Idiot!>

Wütend wie noch nie, trat ich in den Mädchenumkleideraum und ließ mich auf der Bank nieder. Ich hörte, wie mehrere Mädels leise tuschelten, wahrscheinlich schwärmten sie mal wieder! Wie konnte man nur so bescheuert sein? Was hatten sie an ihm überhaupt gefunden? Nein, ich konnte sie nicht verstehen und nichts zeigte, dass ich es je tun würde.

"Ringo," sprach mich plötzlich ein Mädchen an.

Ich erhob meinen Blick - es war Futaya. Um sie standen noch einige Mädels herum und funkelten mich an.

"Nimm dich in Acht," sprach sie bestimmt weiter.

"He?" rief ich aus.

"Und tue dich nicht so unschuldig!" sagte Daina verärgert, "Bakura gehört allein mir!"

"Von mir aus!" entgegnete ich höhnisch und wand meinen Kopf stolz zur Seite.

Damit zeigte ich, dass das Gespräch nun zu Ende war.

Was dachte sie von mir denn? Das ich auf einer Jungenjagt war? Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte!

Daina schnaubte noch etwas vor sich hin und verließ dann zusammen mit ihren Freundinnen den Raum.

"Du sollst doch lieber vorsichtig sein," meinte Rikou leise.

"Warum?" fragte ich sauer, "Ich hab doch schon gesagt, dass ich kein Interesse besitze..."

"Weil am Anfang des Schuljahres," wurde ich von einem anderen Mädchen unterbrochen, "hat Bakura einen Vorschlag gemacht. Für alle Mädels, die mit ihm ausgehen träumen."

"Aber.." versuchte ich etwas einzuwenden.

"Er sagte, dass er mit der ausgehen wird, die ihn in Sport besiegt oder zumindest gleich wird."

<Opla! Aber da hat ja niemand gewonnen... Und alles wegen dem Lehrer!> raste mir unwillkürlich in Gedanken vorbei.

"Aber," griff ich nach dem Wort wieder, "ich brauche diesen Bakura überhaupt nicht! Soll Futaya ihn haben! Doch denkt nicht, dass ich mich wegen irgendwelcher dummen Wette zurück halten werde! Wenn er mich herausfordert - selber Schuld!"

Ich blickte kurz den Raum über, nahm dann meine Sachen und spazierte stolz raus.
 

Auch im Jungenumkleideraum war ganz schön laut, alle Jungen sprachen nur über das Geschehene. Noch nie hatten sie es erlebt, dass jemand - und dann noch ein Mädchen! - Bakura gleich im Sport war!

Allein Bakura hatte sich in einer Ecke verkrochen und knurrte leise vor sich hin.

Er hatte Ringo unterschätzt! Das war ein unverzeihlicher Fehler!

"Du hast dich von ein kleines Mädchen niederkriegen lassen!" lachte Shiro plötzlich auf und stellte sich vor ihm.

"Da war doch Unentschieden!" meldete sich jemand.

Doch Shiro schenkte dieser Anmerkung keinerlei Aufmerksamkeit.

"Ich denke, du wirst es nicht so bleiben lassen, nicht wahr?" setzte er vergnügt fort.

Bakura hob ganz langsam seinen Blick und fixierte Shiro mit den Augen. Shiro fühlte sich gezwungen einige Schritte zurück zu treten.

"Sicherlich," entgegnete Bakura mit rauer Stimme und beschenkte ihn mit einem eigenartigen Grinsen.

Dann erhob er sich, holte seine Sachen und verließ den Raum.

"Spiel nicht mit dem Teufel, Shiro," sagte Birk und legte die Hand auf seine Schulter.

Shiro warf hastig die Hand weg und kehrte wütend zu seinem Platz zurück. Alle in der Schule hatten Angst vor Bakura, denn er war stark, mysteriös, gnadenlos und wusste, was, wie und wann getan sein musste. Und Shiro war da keine Ausnahme, wie sehr er auch versuchte das zu verbergen.
 

Zwei Türen knallten gleichzeitig zu. Ich sah auf.. und traf Bakuras Augen. Wenn die Blicke nur töten könnten!

Warum mussten nur die Umkleideräume sich so nahe befinden?

Wir erstarrten für eine Weile, bis ich mich dann wieder zusammen fasste und ihm kaltblütig vorbei ging.

Bakura ließ seinerseits auch keinen Ton fallen.
 

Es war wieder ein Unterricht. Physik. Ich versuchte mich so gelassen zu verhalten, wie es in dieser Situation nur ging. Denn ich musste genau neben Ryou sitzen!

Ich kochte einfach im Inneren! Seinetwegen musste ich noch zwei Stunden extra hier verbringen! Volltrottel!

Ich riskierte einen kurzen Blick in seine Richtung zu werfen. Er bemerkte dies glücklicherweise nicht, zu sehr war er mit der Aufgabe beschäftigt. Was mich anging, da hatte ich sie schon längst erfüllt - Elektrizität und alle Schemen, die damit zu tun hatten - für mich gab kein leichteres Thema! Besonders bei so viel Erfahrung, die ich schon besaß!

Doch es konnte nicht unbemerkt bleiben, dass auch er diese Aufgaben wie Nüsse knackte. Ob ich es wollte oder nicht, aber ich musste doch zugeben, dass Bakura sich nicht nur wie ein guter Sportler erwiesen hatte, sondern auch in anderen Sachen begabt war.
 

Endlich waren alle Unterrichtstunden vorbei!

Die Mädels aus Daina's und Zane's Kreis warfen mir ununterbrochen böse Blicke zu, ich regte mich aber nicht im Geringsten darüber und versetzte sie damit in Wut umso mehr. Doch nun mussten sie alle sich nach Hausen begeben. Ich grinste unwillkürlich, als ich ihre langen Gesichter erblickte.

"Ringo, Bakura," sprach uns der Sportlehrer an, als alle andere weg waren, "Ihr müsst jetzt zwei Stunden hier verbringen. Also, putzt den Raum, dann macht die Aufgaben."

Und er holte ein Stück Papier raus. Bakura und ich sahen ihm schweigend zu.

"Frau Himawari sagte, dass ihr bald einen Test schreibt. Diese sind fürs Training."

Er lächelte uns an und schüttelte leicht den Kopf, als wir fingen an uns gegenseitig anzuknurren.

"Ich werde noch vorbei schauen," sagte er schließlich und ließ uns im Klassenzimmer zurück.

"Als ob ich nichts besseres zu tun hätte.." meckerte ich leise und erhob mich langsam.

"Und wer hat die Schuld daran?" fragte Bakura sauer.

"Du, natürlich!" entgegnete ich sicher und drehte rasch zu ihm.

"ICH?" schrie er und sprang auf die Beine.

"Wer denn sonst!"

"Weißt du eigentlich, dass ich noch NIE nachsitzen musste?" brüllte er zornerfüllt.

"Immer ist das erste Mal," giftete ich, zuckte mit den Achseln und begab mich nach Vorne der Klasse.

"Ich mach die Tafel sauber," sagte ich bestimmt und nahm den Stoff, "du darfst den Rest erledigen."

Mit diesen Worten verließ ich den Raum und begab mich in die Toilette.
 

"Was erlaubt sie sich?!" zischte Bakura.

Er platzte gleich vor Wut.

"Dass ich ihretwegen jetzt die Klasse putze? Ha!"

Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Er musste etwas dagegen unternehmen, diese Ringo brachte ihn außer Fassung!

<Ryou!> rief Bakura zornerfüllt im Inneren, <du übernimmst jetzt!>

Mit diesen Worten verschwand er in seinem Ring. An seiner Stelle blieb nur ein ganz verwirrter Ryou.
 

"Noch nichts getan?" fragte ich in verärgerter Stimme, als ich zurückgekehrt war und Bakura am Tisch sitzen sah.

Zu meiner Erstaunung schaute er mich nur fragend an.

"Du solltest den Raum putzen, schon vergessen?" herrschte ich ihn an und widmete mich der Tafel.

"Hab schon getan," antwortete er.

Seine Stimme klang irgendwie traurig. Es ließ ein beunruhigendes Gefühl in mich emporsteigen. Ich drehte mich um und musterte ihn. Er sah nicht anders aus.. oder?

"Ist alles in Ordnung mit dir?" ertönte plötzlich meine Stimme.

<Hab ich es wirklich gerade gesagt?> raste in meinen Gedanken vorbei, <Seinetwegen sitze ich doch hier, wieso kümmere ich mich um seinen Zustand?!>

"Ja," sagte Ryou und lächelte mich freundschaftlich an.

Ich antwortete nichts darauf und wand mich meiner Beschäftigung wieder.
 

"Der Lehrer hat viele Aufgaben fürs Training mitgebracht.." sagte Ryou, als ich zu meinem Platz zurückgekehrt war.

Ich flog das Papier mit den Augen über und musste unwillkürlich stöhnen. Diese Aufgaben waren noch schwieriger, als die, die wir im Unterricht lösten.

"Hast du Probleme damit?" fragte Ryou und lächelte mich wieder an.

"Ne!" entgegnete ich hastig und fing an die erste Aufgabe in mein Heft abzuschreiben.

"Wenn du meinst," sagte er möglichst ruhig, doch es konnte nicht unbemerkt bleiben, dass es ihm lachen zumute war.

"Was?" fragte ich empört und sah ihn an.

Unsere Blicke trafen sich - seine Augen lächelten mir entgegen, in meinen war aber Verwirrung zu lesen.

"Du bist wohl zu stolz zuzugeben, dass du gar nichts von der Stereometrie kapierst," sagte er, doch nichts zeigte, dass er mich damit ärgern wollte.

Ich schwieg.

"Komm schon, ich erklär's dir!" bot er mir an.

"Ich mein's ernst!" fügte er hinzu, als ich weiterhin keine Antwort gab.

"Ok," nickte ich schließlich.

"Also dann," fing Ryou an und setze sich näher an mich, "als erstes musst du..."
 

Mein Kopf summte, Zahlen und Kreise wirbelten schon vor meinen Augen, aber ich konzentrierte mich immer und immer aufs Neue, um zu begreifen, was Ryou mir zu erklären versuchte. Warum sollte man so was überhaupt lernen? Ich stöhnte fast unbemerkt auf und widmete mich meinem Heft wieder.

Ryou saß neben mir, und, ehrlich gesagt, ich bewunderte sein Geduld... Ich auf seiner Stelle wäre schon längst ausgerastet und weg gegangen, doch er blieb ruhig und erklärte mir wieder und wieder die Stellen, die ich nicht verstand.

Doch eine Frage beschäftigte mich noch mehr - warum wirkte er plötzlich so anders? Oder drehte ich mich schon total durch? Auf dem Stadium war er doch nicht so ruhig und hilfsbereit... Jetzt schien er weniger entschlossen mich herauszufordern, aber andererseits ich kannte ihn doch gar nicht!

Ich schüttelte meinen Kopf, um meine Gedanken wieder fassen zu können.

"Na?" wand sich Ryou plötzlich zu mir, "Klärt sich das Bild auf?"

"Ein bisschen," erwiderte ich, "vielen Dank für deine Hilfe.."

"Gern geschehen! " lachte er freundschaftlich auf und erhob sich.

Ich sah ihn dabei fragend an.

"Die Zeit ist um," erklärte Ryou, "eigentlich haben wir sogar länger gesessen.."

"Wirklich? " rief ich leise auf und sah meine Armbanduhr an, "Unfassbar.."

Wir hatten tatsächlich mehr als zwei Stunden hier im Klassenraum verbracht.

Ryou nickte nur und lächelte mich erneut an.

"Na dann.." fing ich an, "noch mal, vielen Dank für deine Hilfe.."

<Oh, Mann! Was sag ich hier überhaupt? Vielen Dank? Für Hilfe? Mädel! Fass dich wieder zusammen!> raste mir in Gedanken vorbei.

"Man sieht sich morgen!" sagte Ryou und verließ den Raum.

Ich sah die leise verschlossene Türe noch für eine Weile an, dann erhob ich mich, packte meine Sachen zusammen und verließ den Raum ebenfalls.
 

Irgendetwas war faul hier.. Wie konnte es sein, dass ein und derselbe Mensch sich so unterschiedlich verhielt?

Meine Gedanken liefen im Kreis.

Bakura. Ryou. Bakura. Ryou.

Stopp!!

Ich machte halt und schüttelte wild meinen Kopf.

"So ein Blödsinn.." flüsterte ich verärgert "Was kümmert er mich?"
 

Ich näherte mich schnell dem Schultor, tief in meinen Gedanken versunken. Doch plötzlich irgendetwas Unerklärbares zwang mich halt zu machen und meinen Blick hoch zu heben...

Ein unerwarteter Ausgang

...Er stand gelassen an den Zaun gelehnt und schaute erwartungsvoll in meine Richtung. Seine Beine, so wie auch Arme waren gekreuzt, das goldene Puzzle rührte sich an seiner Brust. Einige blonde Strähnen waren ihm ins Gesicht gefallen und verdeckte teilweise seine Augen. Diese Augen.. lila und so durchbohrend, dass ich mich unwillkürlich kurz zusammen fuhr, sah ihn aber trotzdem weiterhin wie gebannt an.

"Grüß dich, Korin," sagte er nach kurzer Weile.

Seine Stimme war ruhig und bestimmt, doch sie irritierte mich: sie klang freundschaftlich und irgendwie herrscherisch zugleich. Und sie hatte einen Hauch Alter, unendlicher Weisheit, ja Ewigkeit.

<Unheimlich,> dachte ich und mein Blick glitt unwillkürlich auf das goldene Puzzle.

"Yugi hat mir gesagt, du wolltest mich sehen," setzte er fort, als ich nicht geantwortet habe.

Ich hob meinen Blick erneut, um ihm in die Augen zu sehen. Er stand in derselben Position wie zuvor und lächelte mich fragend an.

"Ich.." fing ich an und verstummte verlegen wieder.

Es fiel mir plötzlich schwer zu reden. Was war nur los mit mir?

"Ich.."

Und wieder konnte ich keinen einzigen Satz über meine Lippen bringen.

<Verdammt noch mal!> fluchte ich innerlich <Was ist los?>

Der wie Yugi aussehender Junge schaute mich gelassen, aber gleichzeitig auch freundlich an. Er wartete bis ich mich gefasst habe. Das las ich in seinem Blick. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es unmöglich war, hätte ich tatsächlich geglaubt, dass er durch seinen Augen direkt in die Seele sprechen konnte. Und ich konnte noch immer kein vernünftiges Wort sagen!

Die Situation, in der ich mich befand, war mehr als nur peinlich – ich stand einem Jungen, der mich gestern gerettet hat, gegenüber und starrte ihn einfach an, ohne etwas sagen zu können. Noch nie musste ich lange nach den Worten oder einer passenden Antwort suchen, geschweige denn ich war so gelähmt und hilflos wie jetzt. Zum hunderttausendsten Mal fragte ich mich, was mit mir los war.

Meine Gedanken liefen im Kreis und ich wusste, dass ich nichts vernünftiges sagen wurde, bis ich diesem Kreis entkommen war. Und wie komisch das auch war, der Junge schien das genau zu wissen. Und zu verstehen – er nickte plötzlich fast unauffällig und lächelte mich erneut an.

Ich musterte ihn weiterhin schweigend an. Je mehr ich es tat, desto deutlicher wurde mir, dass er und Yugi zwei vollkommen verschiedene Personen waren, wenn auch auf den ersten Blick erstaunlich ähnlich. Aber eben nur auf den ersten. Sie beide hatten diese bemerkenswerte Frisur und trugen einen goldenen Anhänger in Form einer auf den Kopf gestellten Pyramide. Dieses Ding zog meine Aufmerksamkeit auf sich vom ersten Moment an, als ich es am Hals diesen Yugi erblickte, ohne dass ich erklären konnte, wieso. Es schien mich einfach auf unerklärbare magische Weise anzuziehen. Der erste und auffällendste Unterschied war die Größe von den beiden – Yugi war merklich kleiner und auch physisch etwas schwächer als sein "Zwillingsbruder". Ein weiterer Unterschied war der Klang ihrer Stimmen. Auch wenn beide mehr oder weniger in einer Stimmlage redeten und man konnte dies nicht sofort bemerken, für mich war es nicht mehr zu überhören: Yugi sprach wie ein 17 jähriger Oberschüler, die Stimme des mir gegenüber stehenden Junges jagte mir eher einen Schauer über den Rücken. Doch es war weder die Größe, noch die Stimme, das mich am meisten verwirrte, sondern das Gesicht, sein Ausdruck, der durchdringende Blick, die vollkommen entspannte und gleichzeitig kampfbereite Körperhaltung, kurz - die Ausstrahlung, die Yugis "Zwillingsbruder" umgab, die ihn weiser und älter wirken ließ, obwohl dieses 'älter' nichts im Geringsten mit dem wirklichem Alter zu tun hatte. Und genau dieser Ausstrahlung hatte ich meine unendliche Verlegenheit zu verdanken, die ich in seiner Nähe verspürte.

"Ich möchte mich bedanken," brachte ich schließlich heraus.

"Wofür?" fragte er, obwohl er die Antwort sehr wohl wusste.

Anscheinend wollte er mich damit zum reden bringen.

"Für.. fürs gestern.."

Er lächelte mich nur an.

"Ich stehe in deiner Schuld."

Langsam fasste ich mich wieder.

"Deswegen wollte ich dich sprechen."

"Ja, Yugi hat’s mir gesagt," antwortete er, "Übrigens, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Entschuldige."

Er lächelte erneut. Diesmal ein wenig verlegen.

"Ich bin Yami," sagte er und reichte mir seine Hand.
 

Mokuba presste sich noch fester an die Schulwand und guckte vorsichtig um die Ecke. Er wollte nicht gesehen werden, denn das wurde das Ende seines Vorhabens bedeuten. Und das durfte nicht passieren!

<Das ist also unsere Schwester,> dachte er bei sich, während er Korins Gespräch mit Mutou beobachtete, und ein Lächeln erschien unwillkürlich auf seinem Gesicht.

Er hatte vor ihr zu folgen, um so viel über sie herauszufinden, wie möglich, oder sogar mit ihr zu sprechen. Natürlich hatte er die Möglichkeit zugelassen, dass Korin es genauso scharf auf KC abgesehen hatte, wie ihre Mutter, aber schon allein deswegen musste er sie kennen lernen! Vielleicht wurden sie Freunde, und aus dem Kampf um einen Konzern – eine Familie...

Mokuba seufzte, schloss die Augen und lehnte sich an die Wand. Dieses unvorhergesehene Gespräch dauerte länger, als seine Geduld reichte. Doch er war fest entschlossen Korin zu folgen.

Er erinnerte sich nur zu gut an Setos Worte und auch daran, was er ihm versprochen hatte. Aber er konnte auch nicht tatenlos sitzen und beobachten, wie seine womöglich letzte Chance eine Familie zu haben entglitt! Er war schließlich nur ein Kind. Aber eins, das bereit war, um sein Recht Familie zu haben, zu kämpfen.
 

Ich schaute Yami eine gewisse Zeitlang einfach nur an, bevor ich mich endgültig entschloss das zu fragen, was ich von Anfang an vorhatte.

"Was willst du als Gegenleistung? Nenn mir den Preis."

So, nun war es raus. Dabei versuchte ich Yami so fest anzuschauen, wie es nur ging. Er sollte merken, dass ich es wirklich ernst meinte.

"Gegenleistung?"

Yami schaute mich fragend an.

"Wie meinst du das?"

Er wirkte irgendwie verwirrt.

"Es gibt nichts umsonst in diesem Leben," entgegnete ich ohne ihn dabei in die Augen zu sehen.

Diese Lebenslehre hatte ich früh genug gelernt. Und inzwischen gehörte sie zu meinen wichtigsten Lebensregeln. Alles hatte einen Preis.

"Du hast mir geholfen. Was willst du dafür?"

Yami runzelte den Stirn. Meine Worte schienen ihn sehr nachdenklich zu machen.
 

<Yami?>

Seine etwas kleinere Abbildung erschien lautlos neben ihm, schaute ihn an und blickte dann zu Korin rüber. Sie stand mit gekreuzten Armen vor der Brust und schien in Gedanken versunken zu sein.

<Das mit der Gegenleistung..> fing Yugi langsam an.

<Nein!> unterbrach ihn Yami harsch <Auf keinen Fall!>

<Aber wieso? Das ist doch die perfekte Gelegenheit!>

<Yugi! Du verstehst es nicht!>

<Yami, tue es!> beharrte Yugi <Lade sie ein! Dann können wir uns besser kennen lernen und..>

<Yugi, du willst alles zu schnell..> unterbrach ihn Yami erneut und seufzte halblaut <Sie ist nicht wie Tea, die du fast dein ganzes Leben lang kennst. Und sie ist nicht so, wie die Mädels, die hinter uns her sind...>

Dabei lächelte er ihn eine Weile gequält an.

<Aber das ist doch nur..> stotterte Yugi.

<Auch wenn es für dich um einen unschuldigen Freundestreffen geht,> unterbrach ihn der Größere, <du kannst sie nicht so einfach einladen! Sie wird dir eher eine rüberziehen und abhauen.>

<Aber Yami..!>

<Nein, mein Freund, so funktioniert es nicht,> sagte Yami in einem Ton, der keine Widerrede erlaubte <Wenn du Korin auf deiner Party sehen willst, musst du dich schon selber darum kümmern.>

Er hob die Hand und winkte ab, als Yugi es doch noch versuchen wollte, ihm zu widersprechen.

<Ich weiß, was ich jetzt tun muss.>

Dabei leuchtete das Puzzle einen kurzen Augenblick auf und Yugi war buchstäblich gezwungen zu verschwinden.
 

Die goldene Pyramide am Yamis Hals leuchtete kurz auf und zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich an.

<Komisches Ding,> dachte ich und betrachtete den Anhänger.

Dann blickte ich erneut zu seinem Besitzer hinauf.

"Ich muss zugeben," fing er an, "deine Worten brachten mich in Verlegenheit."

Er sprach langsam, aber seine Stimme klang fest und bestimmt, wenn auch auf eine für mich unerklärbare Weise freundschaftlich. Doch es erging mir trotzdem nicht, dass er die Wörter sehr vorsichtig aussuchte.

"Freundschaft," sagte er schließlich.

"Freundschaft?"

Ich schaute ihn unglaublich an. Was in aller Welt meinte er damit?

"Freundschaft," wiederholte er noch mal, "das ist das einzige, was ich als Gegenleistung akzeptieren kann."

Die Entscheidung

Freundschaft. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Das, was er von mir verlangte, war weitaus unmöglich. Nicht nur, weil ich immer eine Einzelgängerin war und immer eine bleiben wurde, nein. Es war genau so, wie es Tea damals gesagt hatte – diese Leute hatten mir nichts getan. Sie waren einfach da, als Hintergrund in meinem Leben. Ich wollte sie nicht in Gefahr bringen oder - Gott bewahre! - sie um Hilfe bitten. Ich hatte es halbwegs gelernt, unbemerkt in der Gesellschaft zu überleben, ohne irgendjemanden zu nahe zu kommen. Den hohen Preis für einen Fehler musste ich ja schon zahlen...

"Ich weiß," fing Yami leise an, "ich verlange von dir etwas, dass kein materielles Wert hat und sehr Zeitaufwendig ist."

Ich schaute ihn nur traurig an. Er konnte ja den Grund unmöglich wissen.

"Aber," setzte er fort, als ich meinen Mund öffnen wollte, "gib den Anderen eine Chance, dich kennen zu lernen!"

Ich schüttelte lautlos meinen Kopf und senkte meinen Blick.

"Gib meinen Freunden die Chance," sprach er weiter.

Ich schüttelte meinen Kopf erneut.

"Gib mir die Chance..!"

Seine Stimme klang plötzlich bettelnd, aber der Ton war auf keinen Fall erniedrigt. Er war eines Königs, ja eines Pharao würdig.

Mein Blick lag wieder auf seinen Anhänger, vielleicht war das der Grund für diese komische Gedankenverbindung.

"Ich.."

"Nein," unterbrach er mich, "sage nichts."

"Aber.."

"Ich brauche keine Erklärungen oder Entschuldigungen. Nur eine einzige Chance," und er schaute mich lächelnd an.

Der Klang seiner Stimme, die Art, wie er mich dabei anblickte, ließ alle meine Argumente schlagartig verschwinden. Die geheimnisvolle Aura, die ihn umgab, verwirrte meine Gedanken, und ich fühlte mich auf eine mysteriöse Art zu ihm hingezogen. Als ob irgendetwas mich zwingen würde alle Gefahren meines Lebens zu vergessen.
 

Mokuba beugte sich um die Ecke und schaute zu den zwei ihn interessierenden Personen hinüber. Wie lange konnte man sich unterhalten? Er konnte nicht genau erkennen, was da vor sich ging, aber näher kommen konnte er auch nicht.

Doch was ihm am meisten Sorgen machte – er musste allmählich aufs Klo. Und je weniger er versuchte daran zu denken, desto größer wurde der Druck auf sein Bauch.

"Verdammt!" fluchte er leise und musste unwillkürlich lächeln bei dem Gedanke, was sein Bruder wohl sagen würde, hätte er erfahren, dass er fluchte.

Aber sein Lächeln verschwand genauso schnell, wie er erschienen hatte. Mokuba musste einsehen, dass er sein Beobachtungsposten verlassen musste, um nicht zu platzen.

Die Beine fest zusammen gepresst, schaute er noch einmal kurz zu Korin hinüber, um sich zu vergewissern, dass das Gespräch zwischen den beiden noch lange nicht zu Ende war. Es schien, als ob es eine längere Pause entstanden hatte, da wie Korin, so auch Mutou einander nur still anschauten.

Mokuba seufzte halblaut und sprintete los in Richtung Schultoiletten.
 

"Korin!" hörte ich Yami meinen Namen aussprechen, "Lass uns Freunde sein!"

Ich schaute ihn erneut an. Er meinte es wirklich ernst, mit der Freundschaft. Er stand nicht mehr gelassen an den Zaun gelehnt, sondern direkt vor mir und hielt mir seine Hand entgegen.

"Ich bin nicht Shiro," fügte er dann noch hinzu, "ich meine es ernst. Gib mir eine Chance! Bitte!"

Yami schaute mich hoffnungsvoll und beinahe flehend an.

"Gib dir eine Chance, Korin!" flüsterte er.

Ich seufzte halblaut. Dann nickte ich. Und reichte ihm meine Hand. Vor dem Lächeln, das dabei auf seinen Lippen erschien, wurde mir plötzlich sehr warm ums Herz.
 

Kaiba konnte sich nur schwer auf die Arbeit konzentrieren. Der Vorfall in der Schule ging im nicht aus dem Kopf..

Natürlich konnte er sich nicht konzentrieren! Wie denn? Das Mädchen, das er erst getroffen hatte, war nicht einfach seine Stiefschwester, sondern ein Alptraum!

<Was für eine Ironie des Schicksals!> dachte der Firmenchef verärgert und verfolgte mit leerem Blick die Geschehnisse im Monitor.

Das schlimmste an dieser Geschichte war, dass er dieses Mädchen kannte. Nur flüchtig, versteht sich, aber das änderte ja nicht die Tatsache, dass Korin und er einander schon früher begegnet waren.

"Verflucht noch mal!" flüsterte Seto, "Wieso ausgerechnet sie?"

Auch wenn es nicht gerade viel war, was er über Korin in Erinnerung hatte, doch es reichte, um ihm zu zeigen, dass auch er ein Gefühl wie Verzweiflung kannte. Das Mädchen auf sich war alles anderes als zahm und manipulierbar, doch in Vereinigung mit Soroke stellte sie eine greifbare Gefahr da.

Von ihrem kurzem Gespräch, das er eher als Zänkerei beschreiben konnte, konnte Kaiba nicht genau schließen, welche Zwecke Korin verfolgte und in welcher Beziehung sie zu Soroke stand. Die Sache mit Gosaburu war schon seltsam genug, doch die Verwandtschaft der beiden Frauen war noch merkwürdiger. Denn, wie konnte Soroke Korins Mutter sein, wenn er sie im Waisenhaus getroffen hatte? Da stimmte etwas nicht. Oder doch?

<Ich muss sie auf jeden Fall zu Rede stellen! Koste es was es wolle!> beschloss Kaiba und bestellte seinen Chauffeur.

Er wusste zwar noch nicht, wie er das ganze deichseln wurde, damit Korin ihn alles erzählte, aber er war fest überzeugt auf dem Weg zur Lösung zu sein.
 

Ich verabschiedete mich von Yami und ging fort. Zu meiner Erleichterung hatte er mir nicht angeboten, mich nach Hause zu begleiten oder mir einen Kaffee zu spendieren. Er war distanziert und freundschaftlich zugleich. Ein seltsamer Typ, der mir trotz allem sehr sympathisch war.

Ich bemerkte noch, wie sein Puzzle aufleuchtete, bis ich dann endgültig den Schulhof verließ. Schließlich hatte ich noch was wichtiges vor.

Was ich aber nicht wusste war, dass es meinen Plänen auch heute nicht beschieden war, sich zu verwirklichen.
 

"Yami, das war gemein!" rief Yugi aus, sobald er aus seinem Gefängnis befreit wurde.

"Nein, war es nicht," entgegnete der Größere ruhig, "das war notwendig."

Yugi murmelte etwas unverständliches und schaute sich hastig um.

"Wo ist sie?"

"Sie ist gegangen," folgte die gelassene Antwort.

"Und?" fragte er und blickte Yami erwartungsvoll an.

"Was und?"

"Yami, du weißt sehr genau, dass ich euer Gespräch nicht verfolgen konnte, weil du mich hier," und er tippte dabei das Puzzle an, "einfach eingesperrt hast!"

"Und jetzt erwartest du, dass ich dir alles in kleinstem Detail erzähle?"

Der Pharao wirkte irgendwie belustigt. So kannte ihn Yugi noch gar nicht.

"Alles zu seiner Zeit," sagte Yami noch, nachdem Yugi ihn für eine Weile perplex angestarrt hatte, und verschwand ins Puzzle.
 

"So ein Mist!" fluchte Yugi kleinlaut und begab sich langsam in Richtung Schule, wo er seine Schultasche gelassen hatte.

Joey war, zum Glück, schon längst weggegangen, und er konnte sich ungestört bemitleiden.

Natürlich, hatte Yami kein Recht ihn im Puzzle einzusperren, sodass er nichts von dem Gespräch zwischen ihm und Ringo mitbekommen konnte. Natürlich, tat es weh, dass Yami ihn so abgewiesen hatte und dabei noch so belustigt aussah. Doch die Gründe, warum Yami sich so verhielt, blieben für Yugi geheim, er wusste nicht, worüber sich die beiden unterhalten hatten.

Yugi seufzte und betrachtete das goldene Puzzle, das auf einer Kette um seinen Hals hing. Der Pharao war wahrlich eine geheimnisvolle Person.
 

Ich ging langsam der Straße entlang, voll in meinen Gedanken versunken. Dieser Yami konnte einem Stoff fürs nachdenken geben! Plötzlich nahm ich einen Motorlärm wahr. Ich drehte meinen Kopf zur Lärmquelle und erblickte eine weiße Limousine. Dieselbe, wie an meinem ersten Schultag. Der Wagen näherte sich langsam, bis er mich erreicht hatte, und fuhr dann mit meiner Geschwindigkeit neben mir.

Ich blieb hastig stehen. Auch der Wagen hielt an.

"Was willst du, Soroke?" rief ich aus und starrte zornig das Autofenster an, das gerade vor mir war.

"So viel Hass auf eigene Mutter?"

Setos feste Stimme übertönte das Geräusch des herunterlassenden Fensters.

"Was machst du hier?" entgegnete ich harsch.

Damit versuchte ich meine Überraschung zu verbergen.

"Geht dich nicht an," gab er die kalte Antwort, "Steig an, wir haben viel zu besprechen."

Seto öffnete die Tür, winkte einladend mit der Hand und rückte sich tiefer ins Innere des Autos.
 

Mokuba rannte wie ein Verrückter. Die Strecke zwischen Schultoilette und seinem Beobachtungsposten hatte er in einer Rekordzeit geschafft, doch, wie es sich herausstellte, er war trotzdem nicht schnell genug.

Mutou war weg, und Korin war auch nicht mehr am Schulhof. Tränen der Beleidigung erschienen in seinen Augen. Er lief zum Schultor, schaute sich hastig um und erblickte Korin weiter auf der Straße wieder. Genau in dem Moment, als sie in die weiße Limousine einstieg und langsam weg gebracht wurde.

Falsche Taktik

"Nein!" rief Mokuba verzweifelt aus und rannte der weißen Limousine hinterher, "Bleib hier!"

Keuchend rannte er der Straße entlang, seine schwere Schultasche versetzte ihm jedes Mal einen unangenehmen Ruck.

"Fahr nicht weg!" rief er entsetzt, doch seine Stimme war nicht lauter als ein Flüstern.

Plötzlich stolperte er und fiel auf den harten Asphalt.

"Bitte..!" schluchzte er, auf den Knien stehend, und Tränen liefen über sein Gesicht.
 

Korin drehte ihren Kopf kurz nach hinten, als ob sie eine Stimme gehört hatte, doch aus dem mattierten Fenster konnte sie nichts genaues erkennen.

"Ist was?" fragte Seto.

Er musste sich beherrschen, damit seine Stimme nicht sehr kalt und herrscherisch klang. Er hatte seine Taktik von vorhin durchgesehen und wollte es nun auf eine andere Art versuchen. Und so wie es aussah, hatte es besser geklappt – seine Stiefschwester war tatsächlich ins Auto eingestiegen und saß jetzt mit gekreuzten Beinen neben ihm, ihre Schultasche umklammernd.

"Nichts," entgegnete Korin kleinlaut und wandte ihren Kopf wieder nach vorn.

Als sie die Schule hinter sich gelassen hatten, ließ Seto den Chauffeur extra mit Fußgängergeschwindigkeit fahren, um auf Korin keinen Eindruck zu hinterlassen, er wolle sie tatsächlich entführen. Doch sie blieb weiterhin ziemlich unruhig und konnte nicht still sitzen.

"Wo fahren wir hin?" fragte sie plötzlich.

Seto wandte den Kopf zu ihr und schaute sie eine zeitlang schweigend an. War es wirklich möglich, dass dieses Mädchen eine "Kaiba" war?

"Nirgendwo," antwortete er, "es gibt keinen Ziel, wenn du das meinst."

Auch Korin hob ihren Blick und schaute ihn nun genau und durchdringend an. Sie war misstrauisch.

Auch wenn Seto es ein wenig merkwürdig vorkam, so konnte er sie doch verstehen. Er würde genauso misstrauisch sein, wäre er an ihrer Stelle gewesen. Wahrscheinlich würde er sogar mehr als einfach nur misstrauisch sein. Das Mädchen war mutig, das musste er ihr lassen. Dass sie trotz allem sich entschieden hatte zu ihm ins Auto einzusteigen, bewies es. Und sie stellte direkte Fragen.

"Worüber willst du mit mir reden?"

Ihre Blicke - das Eisblaue und das Silbergraue – trafen sich auf einander.
 

"Mokuba? Was ist los?" ertönte plötzlich eine ihm bekannte Jungenstimme.

Mokuba schaute nach oben. Irgendjemand hielt ihm hilfsbereit die Hand entgegen.

"Komm," sagte er freundlich, "steh auf."

Mokuba wich hastig die Tränen mit dem Ärmel weg und erblickte keinen anderen als Mutou.

"Was ist passiert?" fragte Yugi besorgt und half ihm auf die Beine.

"Ich bin beim laufen gestolpert," erklärte er ausweichend.

Mokuba wollte nicht lügen, aber die ganze Wahrheit wollte er auch nicht preisgeben.

"Ich habe mich mehr erschreckt, als mir weh getan," fügte er dann schnell hinzu, um seine Tränen zu erklären.

Yugi schien sich mit seiner Erklärung zufrieden gegeben zu sein, und bald verschwand auch sein besorgter Gesichtsausdruck.

"Was machst du hier eigentlich so spät?" fragte er nach einer Weile.

"Ach, wir hatten ein Theaterstück geübt, mit der Klasse," erklärte Mokuba und grinste stolz, "fürs Halloween."

Seine Tränen waren schon vergessen, er war wieder bei dem Theaterstück dabei, das sie schon in einer Wochen vor großem Publikum aufführten. Vor Eltern und Mitschülern, vor Seto...

Bei diesem Gedanke war seine gute Laune wie weggeblasen. Jedes Mal hatte er eine Hoffnung, doch er wurde immer wieder enttäuscht – sein großer Bruder musste stets arbeiten, sich um die Firma kümmern. Es war schon etwas besonderes, wenn er ihn abholte, nachdem alles schon vorbei war.

Mokuba seufzte lautlos. Natürlich hatte er Verständnis für das Verhältnis seines Bruders, doch er hoffte immer und immer wieder, dass eines Tages Seto auch für ihn Zeit finden würde.

"Das finde ich toll!" sagte Yugi und unterbrach damit den Lauf seiner Gedanken, "Sag mal, soll ich dich vielleicht nach Hause begleiten?"

Mokuba nickte. Er war froh Yugi getroffen zu haben, nicht nur, weil es schon dämmerte, sondern auch, weil er sich mit ihm unterhalten konnte. Einfach so. Und Yugi hörte stets interessiert zu, hatte immer ein bisschen Zeit für ihn.

"Kommst du..." fing Mokuba plötzlich an und verstummte wieder.

Er überlegte eine kurze Zeit und formulierte den Satz dann anders:

"Kommt ihr auch?" fragte er und schaute Yugi erwartungsvoll an, "zur Vorstellung?"

Yugi lächelte ihn freundlich an. Er hatte sofort verstanden, wen Mokuba unter "ihr" gemeint haben konnte.

"Aber natürlich! Wann spielt ihr genau?"

"Nächsten Donnerstag, um 18 Uhr."

"Stimmt," sagte Yugi nachdenklich, "am Freitag haben doch wir, die Großen, unsere Halloweenparty!"

Dabei lächelte er fröhlich, er erwartete eine tolle Party.
 

<Sie hat die Augen Gosaburus,> schoss Seto durch den Kopf, während er Korin direkt anschaute, <ihr Blick ist genauso durchdringend und aufmerksam.>

"Warum behauptest du, dein Nachname sei Ringo?"

Er hatte schon begriffen, dass man bei ihr direkt sein sollte, um auf Erfolg hoffen zu können. Sobald jemand anfing wie die Katze um den heißen Brei zu schleichen, machte sie nicht mehr mit.

"Diese Sache ist eine Familienangelegenheit, meinst du nicht?" antwortete Korin gelassen, "Und ich bevorzuge, dass kein Dritter was davon weißt."

In diesem Fall hatte sie perfekt ihrer Mutter nachgemacht. Es war Sorokes Stil die Grenzen zu behaupten, noch lange bevor der eigentliche Kampf angefangen hatte.

<Clever,> dachte Kaiba, <auch wenn sie so zickig tut, dumm ist sie auf keinen Fall.>
 

Bakura fühlte sich beschissen. Er war erst nach Hause gekommen und, nachdem Ryou den Körper gefüttert hatte, sperrte er seinen Geist in dem Milleniumsring wieder. Er war ein guter Junge, das wusste Bakura genau, aber jetzt wollte er nichts als Ruhe. Und Ruhe verlangte Stille. Was für ihn keineswegs mit Ryou in Verbindung kam.

"Dieses verdammte Weibstück!" fluchte er leise und ballte die Fäuste.

Laut schreien brachte nichts, das hatte er schon getan, während er im magischen Ring gesessen hatte. Dadurch hatte er nur Kopfschmerzen bekommen. Und das half ihm nun wirklich nicht weiter.

Er musste es gut überlegen, wie er seinen nächsten Zug machte. Korin war besser als er anfangs vermutet hatte, auch wenn ihr noch etwas an Geschichtlichkeit fehlte und sie ein wenig Übung nötig hatte. Einerseits ärgerte ihn ihre Anwesenheit, weil sie vor allem seinen Ruf in der Schule ruinierte, andererseits war vielleicht genau sie die Lösung seines Problems.

"Ich muss sie herausfordern," beschloss Bakura finster grinsend, "an die Grenzen ihrer Kräfte treiben!"
 

"Was willst du von mir?" stellte ich die Frage erneut, "Soroke hat doch schon mit dir gesprochen."

Seto schaute mich aus seinen kalten eisblauen Augen an, und so langsam wurde mir unheimlich. Ich verspürte keine Angst – auf irgendwelche Weise wirkte mein Stiefbruder harmlos, doch sein Blick machte mich trotzdem nervös.

"Ich will die Wahrheit," sagte er bestimmt.

"Man könnte denken, du glaubst Soroke nicht."

"Sollte ich?" seine Stimme klang plötzlich spöttisch.

Ich ließ meinen Blick herum wandern, scheinbar von der Einrichtung des Limousine angezogen.

"Du kannst mir erzählen, was du willst, Korin," sprach Seto nach einer Weile weiter, "aber es fällt mir schwer zu glauben, dass du Gosaburus Tochter bist. Ich könnte mir noch vorstellen, dass Soroke und Gosaburu eine Affäre hatten, oder dass sie sogar einen Kind von ihm bekommen hatte."

Ich schwieg. Was konnte ich darauf antworten? Er sagte genau die Dinge, die auch mich frustrierten, gegen die ich aber nichts zu tun vermochte.

"Ich trage den Namen Kaiba, weil dieser Mann mich adoptiert hat," setzte er ungestört fort, "doch du bist kein Adoptivkind."

Er suchte meinen Blick, doch ich mied ihn.

"Hätte ich dich damals im Weisenhaus nicht getroffen, hätte ich es vielleicht geglaubt, dass du Sorokes und Gosaburus Kind bist," sagte er schließlich, "also, Korin, wie lautet die wahre Geschichte?"

Was, um Gottes Willen, konnte ich ihm sagen? Bis einige Wochen kannte ich Soroke bestes Falles aus Arituros Erzählungen, geschweige denn was in ihrem Kopf vorging! Selbst Seto kannte ich nur bedingt! Alles, was ich wollte, war meine Freiheit wieder zu erlangen, doch in diesem Fall konnte mir Seto gar nicht helfen.

Als ich für längere Zeit nicht reagiert hatte, packte er mich plötzlich beim Arm und schüttelte mich kräftig.

"Ich verlange eine Antwort!" donnerte seine Stimme in meinem Kopf.

Ich fasste mich augenblicklich wieder und schaute ihn so zornig an, dass er unwillkürlich zusammen zuckte und gezwungen wurde sich von meinem Gesicht zu entfernen.

"Was fällt dir ein, so mit mir zu reden?" brüllte ich ihm entgegen, "Hast du die Möglichkeit nicht zugelassen, dass ich genauso viel weiß, wie du?!"

Meine Stimme klang wütend und verachtend. In diesem Augenblick hasste ich Seto. Und seine ganze Familie.

"Ich geh jetzt," verkündigte ich, öffnete die Tür des langsam fahrendes Autos und stieg hastig aus.
 

Die Tür des Limousine knallte. Sie war weg.

Er hatte es geschafft. Er hatte es übertrieben. Er war ein kompletter Idiot gewesen!

Seto kochte beinahe vor Wut.

Jetzt war er noch ferner von seinem Ziel, als zuvor. Und alles, weil er sich nicht beherrschen konnte!

Er war wütend auf sich.

Er hatte nicht nur eine einzige vernünftige Antwort von Korin bekommen, er hatte sie sogar gegen sich gestellt.

Er war wütend auf sie.

Sie hatte es tatsächlich geschafft, ihn aus dem Konzept zu bringen.

Seto dachte nach.

In ihrer Handlung konnte er unfehlbar Gosaburu erkennen, besonders hatte ihn ihr zornerfüllter Blick an seinen Stiefvater erinnert. Auch Gosaburu hatte eine Vorliebe mit seinen Gesprächspartner stets stolz umzugehen, ohne dabei etwas mehr, als nötig zu sagen. Doch Seto hatte ihn schon mehrmals überlistet. Mit Korin aber konnte er diese Taktik gleich vergessen. Auch Sorokes Art war in ihr vorhanden. Aber sogar das war nicht das Schlimmste.

Korin war, nämlich, selbständig und unabhängig, was ihre Verhältnis oder Meinung betraf. Sie als Feind zu haben war alles andere als angenehm.

Der Streit zu Hause

Ich war unglaublich wütend. Wie schon so oft in letzter Zeit. Noch vor kurzem war ich davon überzeugt gewesen, dass ich ein ausgeglichener Mensch war, der nur ab und mal die Beherrschung verlor, doch jetzt... Wut und Zorn schienen zu meinen ständigen Begleiter geworden zu sein. Höchstwahrscheinlich lag es daran, dass ich unter dem Stress stand und nicht genug Schlaf bekam, aber ich verstand sehr wohl, dass es keine ausreichende Ausrede war. Hatte Yami vielleicht Recht? Hatte ich wirklich meine innere Grenze erreicht, und es war an der Zeit Verbündete, ja Freunde zu suchen?

Nein.

Das konnte nicht wahr sein. Ich konnte immer gut alleine klarkommen. Die anderen hatten mir bis jetzt nur Enttäuschungen gebracht, und die, die es nicht getan hatten, waren stets in Gefahr. Durch mich. Und das schaffte mich mehr als alles andere.

"Dani-chan.." murmelte ich und seufzte, "es tut mir so leid.."

In meiner Brust krampfte es schmerzhaft zusammen. Der Kleine war mir ans Herz gewachsen, doch nun befand er sich in Gefahr. Ich wusste nicht, was Soroke ihm antun konnte, ehrlich gesagt, wollte ich es gar nicht wissen. Allein schon die Tatsache, dass sie mir mit seiner Sicherheit gedroht hatte, machte mich wahnsinnig! Und heute hatte ich es wieder nicht geschafft, das Waisenhaus zu besuchen!

Ich seufzte erneut und schleppte mich weiter in Richtung Sorokes Villa.
 

"Wo bleibt Yugi?" fragte Joey ungeduldig.

Er wusste zwar, dass keiner von den Anwesender die Antwort kannte, konnte es aber nicht lassen. Tea und Tristan schauten ihn nur achselzuckend an und schüttelten die Köpfe.

"Reg dich nicht auf, mein Freund," meinte der alte Herr Mutou.

Er kam grad aus der Küche, wo er Tee für die Freunde seines Enkels bereitet hatte.

"Er hat mir versprochen, sich heute Abend mit mir zu duellieren!" sagte Joey empört und ließ sich neben dem Tisch, wo das Knabberzeug stand, nieder.

"Und wieso duellierst du dich nicht mit Tristan?" fragte Yugis Großvater und grinste schelmisch, "Oder mit mir?"

"Was? Das ist doch nicht Ihr ernst!" rief er beleidigt aus und griff nach dem Zwieback, "ich duelliere mich nur mit den Besten! Außerdem, hat Yugi es mir verspro.."

Plötzlich verstummte er und begann zu husten, als ein kleines Zwiebacksteil ihm im Hals stecken blieb. Seine Freunde brachen augenblicklich in lautem Gelächter aus, während er, rot im Gesicht, mit den Händen herumwedelte und nach dem Atem ragte.
 

Es war schon dunkel, als ich endlich Sorokes Villa vor mir hatte. Das komplette Erdgeschoss war hell beleuchtet, Soroke war also schon zu Hause und Marie deckte den Tisch fürs Abendessen. Auch wenn ich hungrig war, verschwand mein Appetit sofort, als ich Sorokes schlanke Gestalt vor ihrem Arbeitszimmerfenster erblickte. Sie stand mit gekreuzten Armen und schaute zur Straße, in die Richtung, aus der ich von der Schule kommen musste. Offensichtlich wartete sie auf mich. Doch, da ich diesmal von der anderen Seite gekommen war, schien sie mich noch nicht bemerkt zu haben.

Ich schlich mich leise dem Hintergang an. Mir war es momentan wirklich nicht danach, sie zu treffen. Natürlich, musste ich ihr früher oder später gegenüber stehen, besonders, da ich mich in ihrem Haus befand, doch mir war es lieber, dass es so spät geschah wie möglich.
 

Mokuba und Yugi waren schon fast bei dem Eingangstor von Kaibas Villa, als sie von einer weißen Limousine überholt wurden.

"Seto!" rief Mokuba erfreut aus und lief dem Auto winkend hinterher.

Der Motor wurde leiser, und der Wagen kam langsam zum Stillstand. Dann öffnete sich die linke Hintertür, und Seto stieg aus.

"Großer Bruder!"

Mokuba umarmte ihn stürmisch, doch Seto schien keine Notiz von seinem kleinen Bruder zu nehmen.

"Abend, Seto," begrüßte ihn dazugekommener Yugi.

Kaiba brummte etwas unverständliches zur Antwort, verwuschelte Mokuba die Haare und ging zusammen mit ihm zum Eingang. Doch dann drehte er plötzlich seinen Kopf zu Yugi.

"Danke," sagte Seto gleichmütig, "mein Chauffeur fährt dich nach Hause."
 

Mir war es gelungen unbemerkt ins Innere des Hauses, genauer, direkt in mein Zimmer reinzuschleichen. Nicht umsonst war ich eine ausgebildete Diebin!

Das Zimmer war zwar nicht abschließbar, dafür verfügte es über einen Balkon, wo ich mich versteckte. Der Abend war zwar ziemlich kalt, doch ich musste einen Ort finden, wo ich ungestört nachdenken konnte – über Bakura und seinen doppelten Verhalten, über Yami und die Freundschaft, über Seto und, am allerwichtigsten, über meine jetzige Lage.
 

Die weiße Limousine hielt direkt vor dem Eingang des Kartenladens an. Bald erschien Herr Mutou, dessen Aufmerksamkeit der Motorlärm auf sich gezogen hatte, an der Türschwelle. Ihm folgten Tea und Tristan.

"Hey, Joey!" rief Tea ins Innere des Ladens, nachdem die Tür des Autos sich öffnete und ein bekannter bunter Kopf zum Vorschein kam, "Yugi ist endlich da!"

"Was du nicht sagst," entgegnete der Angesprochene mürrisch, trat aber trotzdem raus.

"Hallo, Freunde! Hallo, Großvater!" begrüßte sie Yugi und stieg endgültig aus dem Auto.

"Hallo," entgegnete sein Großvater, "wie ich sehe, war dein Tag gar nicht so übel!"

Er zwinkerte ihm zu und lächelte verschwörerisch.

"Danke," rief Yugi dem Chauffeur zu und warf die Tür ins Schloss.

Der Motor begann lauter zu brummen, und der Wagen kam langsam in Bewegung. Bald war er um die Ecke verschwunden.

"Wie kommt’s, dass du von Kaibas Limousine nach Hause gebracht wirst?" wollte Tristan wissen.

"Ist da schon wieder etwas ungeplantes vorgefallen?" meinte Tea ironisch, mit Anspielung an heutigen Vorfall am Schulhof.

Sie stand etwas abseits, die Arme vor der Brust gekreuzt und schaute Yugi scheinbar gelassen an. In der Wirklichkeit brannte sie vor Neugier und teilweise war sie auch Wütend. Wütend, dass Yugi ihr weniger Aufmerksamkeit schenkte, als dem Kartenspiel, vor allem aber, weil der verräterische Gedanke an Ringo sie aus irgendwelchen Gründen nicht verlassen wollte.

"Nein," entgegnete Yugi lächelnd.

Er hatte Teas Ironie entweder wirklich nicht bemerkt, oder er war ein verdammt guter Schauspieler.

"Ich habe Mokuba nach Hause begleitet," erzählte er ungestört weiter, "und da hat mir Seto angeboten, dass sein Chauffeur mich nach Hause fährt."

"Kaiba? Der Kaiba?" rief Joey verwundert aus, "Ich traue meinen Ohren nicht!"

Yugi lächelte. Nur eine einzige Erwähnung von Kaiba ließ Joey alles um sich herum vergessen. Manchmal kam er ihm vor, dass sein Kumpel auf den jungen Firmenchef fixiert war. Doch er konnte nicht leugnen, dass Setos Verhältnis ihn heute irritiert hatte. So abwesend, ja seltsam war Kaiba nicht oft.
 

Nach einer halben Stunde, in der ich versucht hatte mir irgendetwas einfallen zu lassen, was die entstandene Situation zu meinem Gunsten verändern konnte, gab ich schließclich auf und betrat mein Zimmer wieder. Alles, was ich in dieser Zeit erreicht hatte, war, dass ich heftig vor Kälte zitterte. Dafür, dass mein Vorhaben in Ruhe nachzudenken sich als total fruchtlos erwies, konnte ich froh sein, wenn ich in der näheren Zukunft keine Erkältung einfing.

Ich zog meine Schuluniform aus und faltete sie für morgen zusammen, obwohl mir sehr danach war, die mit aller Wucht in die Ecke zu schmeißen. Doch, dass ich die ungern trug rechtfertigte nicht, wenn ich die als Stück Dreck behandelte. Morgen musste ich sie so oder so anziehen.

Ich öffnete den Schrank und suchte mir etwas weitaus bequemeres aus – Jeans und ein blaues T-Shirt. So konnte ich mich besser bewegen und fühlte mich nicht mehr so erbärmlich. Dann begab ich mich nach unten, um Soroke beim Abendessen Gesellschaft zu leisten, mehr aber, um weiteren Ärger mit ihr zu vermeiden. Wenn Marie den Tisch im Esszimmer deckte, dann hatte sie auf jeden Fall etwas besonderes im Kopf.
 

"Marie!" ertönte plötzlich Sorokes verärgerte Stimme aus dem Arbeitszimmer, "Wo bleibt dieses verdammte Mädchen!"

Ich hielt inne, als ich Maries schnelle Schritte hörte, drückte mich instinktiv an die Wand, in einem Versuch mit dem Schatten im Flur zu verschmelzen, und schlich näher heran, um besser lauschen zu können.
 

"Weißt denn keiner in diesem Haus, wo sich dieses undankbare Gör aufhält?" fuhr sie die Köchin an, als die das Zimmer betrat.

Soroke saß an ihrem großen Arbeitstisch, ihre Augen funkelten die mollige Frau zornig an. Sie stützte sich mit den Ellbogen auf die Tischoberfläche und faltete die Finger.

"Verzeihung," sagte Marie höflich, "ich habe sie heute Abend noch nicht gesehen."

"Muss ich ihr etwa einen Chip einpflanzen lassen?!"

"Aber Soroke!" sagte Marie mit erhobener Stimme, und machte die Tür hinter sich bei, "sie ist doch deine Tochter!"

"Na und weiter? Was bringt es mir außer Ärger?"

Sie sprang auf die Beine und schlug wütend mit der Handfläche auf den Tisch.

"Manchmal bereue ich es, sie zur Welt gebracht zu haben."

"Wieso bist du nur so verbittert?" fragte Marie traurig.

"Du weißt ganz genau was ich von Kindern halte," antwortete Soroke zornig, Maries Bemerkung scheinbar ignorierend, "Sie haben mein Leben ruiniert."

"Du allein bist für deine Misere verantwortlich," meinte Marie entschlossen, "Lass das Mädchen in Frieden, sie hat nichts mit deinen Machtkämpfe zu tun."

"Da irrst du dich, meine Liebe," entgegnete Soroke höhnisch und stützte ihre rechte Hand in die Hüfte, "Korin hat sehr wohl damit zu tun! Sie ist meine direkte Siegesversicherung."

"Du willst ihr einen weiteren Auftrag geben, nicht wahr?"

Maries Stimme klang bestimmt und ruhig, sogar allwissend.

"Ich sehe, was hier vor sich geht," setzte sie nach einiger Zeit fort, "Keine Angst, ich habe nicht vor Polizei zu rufen, das hätte keinem was gutes getan."

<Vor allem Korin nicht,> dachte sie bei sich.

"Ich habe keine Angst von dir, Marie!"

Soroke war merklich wütend.

"Auch wenn du zu Polizei gehst, kannst du mir nichts anhaben!"

Dabei lachte sie verachtend.

"Denkst du, ich weiß nichts von deinem kleinen Geheimnis?"

"Mir ist, ehrlich gesagt, egal, was du weißt," entgegnete die Köchin erstaunlich ruhig, "aber ich halte dich nicht für dumm, wenn du das meinst."

Sie war wohlauf in der Lage Soroke oder jeden anderen zur Weißglut zu bringen.

"Worauf willst du hinaus?" fragte Soroke nach einer Weile.

Ihre Stimme klang nicht mehr zornig, sondern abgewogen und leise. Jetzt war sie wirklich gefährlich.

"Sei doch vernünftig, Soroke!" sagte Marie mit flehender Stimme, "Überanstrenge das Mädchen nicht so! Sie ist schon jetzt im Stress wegen der Schule. Sie ist doch schließlich noch ein Kind!"

"Wer bist du, um mir Ratschläge zu erteilen?" lächelte sie spöttisch.

"Wenn du mein kleines Geheimnis kennst, weißt du das," entgegnete Marie in einem ebenfalls verachtenden Ton.

"Du solltest damals in London bleiben, Marie," meinte Soroke überraschend ernst, "das wäre das Beste für alle gewesen."

"Ich konnte nicht anders, das weißt du genauso gut wie ich," antwortete sie, "Ich bin wegen Arituro gekommen."

Plötzlich brach Soroke in lautem Lachen aus.

"Arituro! Immer dieser Arituro!"

"Was hast du nur gegen ihn?" rief Marie beleidigt aus, "Ihr wart doch.."

"Ja, Arituro und ich waren mal gute Freunde gewesen," unterbrach sie Soroke, "Bis einmal dieses unverzeihliche Fehler passierte! Das hat ihm in den Kopf gestiegen, er wollte mehr – er wollte mich heiraten! Eine Familie gründen!"

"Er hat dich geliebt, Soroke, ihr konntet eine gemeinsame Zukunft haben!"

"Er hat mich geliebt! Aber was konnte er denn mir schon geben? Er, der arme Dieb?"

"Du hast ihn zu einem Dieb gemacht!"

Soroke lachte erneut auf.

"Ich habe ihn zu einem Dieb gemacht?" rief sie aus, "Du weißt rein gar nichts, Marie! Es war seine eigene Entscheidung gewesen!"

"Aber.."

Doch Soroke ließ ihr keine Möglichkeit, sich auszureden. Sie winkte herrscherisch mit der Hand und setzte fort:

"Er hatte seine Chance. Er wusste, dass ich ihn nicht liebte und nie lieben würde, doch er konnte mich bei sich haben, indem er meinen Auftrag erledigte. Doch er hat versagt!"

"Meine Güte, Soroke!" rief Marie erschrocken aus, als sie ihr Vorhaben erraten hatte, "du willst doch nicht, dass Korin diesen Auftrag für dich erledigt!"

"Warum nicht?" fragte sie gespielt naiv und lächelte zufrieden, "es spricht nichts dagegen."

"Du bist ein Monster," meinte Marie leise.

"Meinetwegen," entgegnete Soroke ruhig, "doch vergiss nicht, wofür ich dich bezahle."

Mit diesen Worten gab sie Bescheid, dass das Gespräch nun endgültig zu Ende war, und verließ das Zimmer.

Maries Geheimnis

Ich glaubte meinen Ohren nicht! Marie sprach von Arituro so, als ob sie ihn mehr als nur gut gekannt hatte. Ich musste mich verhört haben oder es war ein weiterer böser Streich!

Meine Gedanken rasten verwirrt in meinem Kopf. Mit jedem Tag, jeder Stunde, jedem Augenblick verstand ich immer weniger und weniger, was hier geschah.

Doch langsam fasste ich mich wieder und konnte endlich meinen Atem wieder in den Griff bekommen.
 

Es glich eigentlich einem Wunder, dass Soroke mich nicht bemerkt hatte, denn sie war so dicht an mir vorbei gegangen, dass ich die Wärme ihres Körpers spüren konnte.

Ich trat aus den Schatten hervor und stellte mich direkt vor dem Eingang. Soroke hatte sich nicht die Mühe gemacht die Tür wieder zu schließen, und so konnte ich ungestört reinschauen.

Marie hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen und saß mit gesenktem Haupt.

"Marie..." fang ich leise an.

Sie hob ihren Kopf und schaute mich eine Weile niedergeschlagen und gleichzeitig auch verwirrt an.

"Ich habe alles mitbekommen," gab ich zu.

"Ach so," entgegnete sie missmutig.

"Was verbindet dich mit meinem Vater?"

Ich entschied mich sie direkt zu fragen, irgendwann musste diese ewige Geheimtuerei ein Ende nehmen!

Doch zu meinem Enttäuschung stand Marie auf und begab sich zum Ausgang.

"Nicht jetzt, Korin," sagte sie müde, aber sanft, "und nicht hier."

Nachdem sie den Raum verlassen hatte, blieb ich noch eine Weile im Zimmer stehen.
 

Im Sorokes Arbeitszimmer war ich schon zu oft gewesen, also kannte ich jedes Buch, das im Regal stand, und jedes Bild, das auf der Wand hing. Was hier womöglich versteckt gehalten wurde, wusste ich jedoch nicht – Soroke hielt das Zimmer stets geschlossen oder war selber dort. Man konnte meinen, ich hatte eine einmalige Chance bekommen, hierum zu stöbern, doch es wäre unendlich dumm so zu denken. Im ganzen Haus war Alarmsystem vorhanden, wieso dann ausgerechnet hier nicht?

Doch es gab einen Ort hier im Zimmer, der mein Interesse besonders anregte, nämlich der Safe, wo Soroke alle mir gegebene und, vielleicht, sogar auch die zukünftige Aufträge bewahrte. All die Gefahr bewusst, trat ich an ein schön gemahltes Bild zu. Es war keinesfalls ein berühmtes Werk und stellte einen blühenden Apfelbaum dar. Warum Soroke sich genau für dieses Bild entschieden hatte, war mir nicht klar, doch was sich dahinter verbarg, wusste ich bereits: das Bild versteckte den Safe.
 

"Seto! Bitte!" flehte Mokuba und hüpfte ungeduldig auf dem Sofa "Bitte! Bitte! Bitte! Bitte!"

"Nein," entgegnete sein Bruder, der die Fernbedienung in der Hand hielt, unerbittlich, "der Film dauert zu lange, und du musst morgen fitt in der Schule sein."

"Aber du bleibst doch oft auch fast bis Morgengraue wach!" rief Mokuba aus, hüpfte erneut im Versuch die Fernbedienung wieder zu bekommen und fiel rückwärts aufs Sofa.

"Ich muss arbeiten," erklärte er geduldig und entwich einem weiteren Angriff, "das ist was anderes."

"Doch du musst auch zur Schule!" ließ Mokuba nicht locker.

Er war stur, und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte gab er es nicht so leicht auf.

Kaiba seufzte. Laut und übertrieben genervt.

"Na gut, na gut," wechselte sein kleiner Bruder plötzlich den Ton, blieb ruhig stehen und versuchte vergeblich schelmisches Lächeln in seinem Gesicht zu verbergen.

Seto wurde hellhörig. Mokuba hatte eindeutig etwas vor. Gewöhnlich verhielt er sich nicht so sturköpfig und ging gehorsam ins Bett.

"Dann versprich’ mir halt, dass du zu unserem Spiel kommst!"

Da Mokuba auf dem Sofa stand, konnte er seinem Bruder beinahe in die Augen sehen.

<Ich wusste, dass so was kommt,> dachte der Firmenchef und kreuzte die Arme vor der Brust.

"Das," sagte er gespielt verärgert, "ist eine Erpressung!"

"Ist es nicht!" entgegnete Mokuba grinsend.

"Ach ja?" erkundigte sich Seto.

"Das," erklärte sein kleiner Bruder stolz und lächelte ihn an, "ist ein Tausch. Na, was ist?"

Mokuba lachte auf, als Seto ihn, statt eine Antwort zu geben, leicht in die Seite kniff.

"Du bist ein kleiner, frecher Erpresser!" meinte Seto scherzend und setzte die Kitzelfolter fort, bis Mokuba sich schließlich vor Lachen nicht mehr bewegen konnte und um Gnade jammerte.
 

Ich trat näher an das Bild heran, fasste es vorsichtig mit beiden Händen und schob es vorsichtig beiseite. Wie groß war meine Überraschung, als mir die Tatsache bewusst wurde, dass das Bild direkt auf der Safetür befestigt war! Das, wiederum, hieß, dass der Safe gar nicht verschlossen gewesen war!

Doch schon bald wurde mir klar, wieso es so war, und meine Freude sank – in dem Safe befanden sich zwar die Dokumente, die ich dort vermutet hatte, aber es waren allein Kopien. Nur ein Haufen nutzloses, schwarzweiß gedrucktes Papiers!

Ich seufzte enttäuscht, auch wenn ich so was nicht ausgeschlossen hatte, blätterte den Haufen kurz durch, ohne etwas bestimmtes zu suchen, und wollte schon das Bild in seinen ursprünglichen Zustand wieder zurückbringen, als mir ein Umschlag unter die Augen kam.

Ich nahm ihn vorsichtig raus und schob erst jetzt die kleine stählerne Tür mit dem Bild wieder zurück.

Der weiße Umschlag verbarg - wenn auch auf den ersten Blick überraschende, aber letzthin trotzdem - eine weitere Enttäuschung. In dem Umschlag befand sich nur ein einziges Blatt Papier und auch das ergab sich bei näherer Betrachtung als eine Kopie. Doch das, was ich aus dem Text, den ich schnell, aber gleichzeitig aufmerksam mit den Augen überflogen hatte, erfahren hatte, beunruhigte mich zutiefst.

"Meine Güte..." flüsterte ich, erst jetzt den Ernst meiner Lage erkennend.

Wenn alles, was dort geschrieben stand, der Wahrheit entsprach, befand ich mich in einer wahrlich aussichtsloser Situation.
 

"Ach, da bist du ja!" rief Soroke gespielt fröhlich, als ich mit düsterem Gesichtsausdruck das Esszimmer betrat, "Ich habe gar nicht gehört, wie du nach Hause gekommen bist!"

Ich verdrehte genervt die Augen und atmete mehrmals tief durch, als die mir schon wohl bekannte Wut in mir außer Kontrolle zu geraten drohte.

"Lass diese falsche Höflichkeit," entgegnete ich kalt und nahm Platz.

Der Tisch war riesig – dort konnten sich mindestens zwölf Personen mühelos einrichten. Doch wir waren nur zwei. Soroke saß am Ende des Esstisches, so dass sie das ganze Zimmer bestens überblicken konnte und jeden sah, der rein oder raus kam. Mein Teller war so platziert, dass Soroke und ich diagonal saßen – nicht direkt neben ihr, aber immer noch nahe genug, um sie deutlich verstehen und sogar ihr Parfüm riechen zu können.

"Erwartest du etwa Gäste?" fragte ich beiläufig.

Nicht dass es mich wirklich interessierte, aber ich hatte es noch nie erlebt, dass Soroke mit mir Abendessen gegessen hatte. Außerdem, soweit ich wusste, wurde das Esszimmer fast nie benutzt.

Doch ich hatte keine Antwort bekommen.

"Wo warst du so lange?" fragte Soroke stattdessen lächelnd und gab Marie den Zeichen, endlich das Essen zu bringen.

Sie beide verhielten sich so, als ob rein gar nichts passiert war.

"Das interessiert dich doch gar nicht," meinte ich mürrisch und knabberte an einer Scheibe Brot, die ich aus dem Brotkorb neben mir genommen hatte.

Mein Appetit war schon längst vergangen.

"Oh, doch, meine Liebe!" sagte sie heiter.

Es war mir nicht entgangen, dass sie mal wieder eins ihrer Spiele trieb.

"Ich habe auf dich gewartet," setzte sie dann nicht mehr so fröhlich fort.

Ich beschloss darauf nicht einzugehen, wenn sie etwas von mir wollte, erfuhr ich es auch ohne unnötigen Wortwechsel. So kaute ich schweigend am Brot weiter.

Bald erschien Marie mit unserem Abendessen. Es gab Reis mit Gemüse und Hähnchenbrustfilets in wundervoll duftender Soße. Und es schmeckte einfach göttlich, so dass ich mit dem ersten Biss meinen verschwundenen Appetit doppelt zurück gekriegt hatte. In der Küche war Marie eine echte Künstlerin!
 

Ich warf ihr einen verstohlenen Blick in einer unerklärbaren Hoffnung eine Erklärung zu bekommen. Mein Vater war längst verschwunden, ich hatte es gelernt ohne seine Hilfe zurecht zu kommen, und sogar geglaubt mich damit abgefunden zu haben, ihn nie wieder zu sehen.

<Wieso jetzt?> fragte ich mich in Gedanken und erinnerte mich an den Umschlag, den ich in Sorokes Arbeitszimmer entdeckt hatte.

Mit diesem Gedanke tauchten viele Fragen in meinem Kopf auf, vor allem – was hatte Marie, die scheinbar einfache Köchin, mit alledem zu tun? Wer war sie in Wirklichkeit?
 

"Und jetzt – ab ins Bett!" meinte Kaiba, nachdem sein kleiner Bruder sich beruhigt hatte.

"Aber Seto! Es ist doch gar nicht so spät!"

Doch auch die flehendste Stimme der Welt konnte den jungen Firmenchef nicht davon abbringen seinen kleinen Bruder rechtzeitig ins Bett zu schicken.

"Kein aber!" sagte er streng und jene fröhliche Stimmung verschwand im Nu.

"Na gut..."

Und Mokuba, wenn auch schmollend, machte Anstalten vom Sofa aufzustehen.

Auf Setos Gesicht erschien ein zufriedenes Lächeln, das jedoch schnell wieder verschwand.

"Aber du kommst doch zu der Vorstellung?" fragte Mokuba hoffnungsvoll, bevor er sich endgültig auf den Weg in sein Zimmer machte.

"Mal sehen," entgegnete Seto, der in Gedanken schon wieder bei der Arbeit und damit zusammengebundenen Problemen war.
 

"Ich habe einen weiteren Auftrag für dich," sagte Soroke ruhig, nachdem ich meinen Hunger scheinbar gestillt hatte.

Ihr Teller war noch immer voll, sie aß langsam und verbrachte ihre Zeit mehr damit, indem sie mich beobachtete.

"Diesen Freitag," fügte sie hinzu.

"Nein," entgegnete ich gelassen, den letzten Bissen herunterschluckend.

"Du wagst es, mir zu widersprechen?" fragte Soroke leise, doch ihre Stimme klang merklich verärgert.

"Nein," sagte ich entschlossen und schob meinen leeren Teller etwas von mir weg, "ich widerspreche dir nicht. Nur ist das, was du verlangst, nicht möglich. In meinem jetzigen physischen Zustand kann ich keinen Auftrag ausfüllen."

"Deine albernen Ausreden interessieren mich nicht!"

Sie winkte herrscherisch mit der Hand.

"Du wirst das erledigen und damit ist dieser Gespräch beendet!"

"Wie du meinst," antwortete ich und stand langsam auf, "doch bedenke, wie viel dir an dem Erfolg liegt."

Dann kehrte ich mich um und ging weg.

"Warte!" rief Soroke, als ich mich schon im Eingangsbereich befand.

Ich hielt an und drehte meinen Kopf zu ihr.

"Was?" fragte ich harsch.

"Ich bin noch nicht fertig."

"Ich höre," entgegnete ich ohne jegliche Anstalten zu machen, wieder zurück zum Tisch zu gehen.

"Morgen wirst du mich zu einer Veranstaltung begleiten müssen," meinte Soroke gelassen, doch ihr ruhiger, sachlicher Ton verbarg Gefahr, "also sei so nett, und komm rechtzeitig nach Hause."

Ich schaute sie eine Weile länger an, als es, vielleicht, nötig gewesen wäre, indem ich heimlich gehofft hatte, dass sie mir noch etwas sagte. Veranstaltung? Was plante diese Frau schon wieder? Dann aber, als Soroke geheimnisvoll lächelnd ihre Aufmerksamkeit erneut ihrem Teller wand, verließ ich endgültig das Esszimmer und begab mich nach oben, in mein Zimmer. Es war noch nicht sehr spät, aber meine Kräfte für heute waren, wie schon oft in letzter Zeit, mehr als verbraucht.
 

Als Marie leise an die Korins Schlafzimmertür klopfte und dann eintrat, war das Mädchen schon im Bett. Sie saß halb unter der Decke, mit dem Rücken an das Kissen gelehnt und hielt einen Blatt Papier vor den Augen.

"Darf ich?" erkündigte sich die Köchin.

Korin senkte die Hand, in der sie das Papier hielt und schaute Marie mit einer Mischung aus Entsetzen und Zorn an.

Doch das erschreckte Marie nicht. Sie näherte sich langsam dem Bett an und ließ sich schließlich am Rand nieder. Dabei betrachtete sie abwechselnd Korin und den Blatt, den sie nicht los ließ.

"Keine Sorge, Korin," fing sie aufmunternd an und nickte in Richtung des Blattes, "Soroke ist gar nicht so mächtig, wie es vielleicht aussieht."

"Aber auch nicht harmlos," entgegnete Korin spöttisch.

"Trotzdem," setzte Marie fort, "mit diesem Dokument kann sie nichts anfangen."

<Noch nicht,> fügte sie in Gedanken hinzu.

"Ich auch nicht," meinte das Mädchen neben ihr und richtete ihr Blick auf sie.

Korin erwartete eine Erklärung. Mindestens eine.

"Es ist zwar ein Beweis für deine direkte Verwandtschaft mit Familie Kaiba und somit auch für berechtigten Anspruch auf den Konzern," erklärte Marie, "aber es fehlt ein entscheidend wichtiger Teil."

"Was weißt du denn davon?" gab Korin skeptisch zurück.

"Oh, viel mehr, als du glaubst," meinte sie, "viel mehr."

Ihre Stimme klang auf einmal traurig und die Wörter wurden von mehreren Seufzer gefolgt. Doch Korin schien dadurch nicht besonders beeinflusst zu sein – sie schaute die Köchin mit immer wachsendem Misstrauen an. Aber dann holte Marie einen blauen Briefumschlag aus ihrer Schürztasche heraus und reichte ihn Korin.

Es vergingen einige Augenblicke, bis Korin den ihr gereichten Brief angenommen hatte. Ihre Augen weiteten sich, als sie die Schrift erkannte.

"Wie..? Wo..?" stockte sie.

Korins Stimme versagte.

"Vergleiche diesen Brief mit deinem," sagte Marie ruhig, doch irgendetwas in ihrer Stimme verriet, dass es allein die äußere Ruhe war. "Hoffentlich hast du ihn noch. Beide hat Arituro geschrieben."

"Woher..?"

Doch auch diesmal konnte sie keinen sinnvollen Satz bilden.

"Ich bin seine Schwester."

"Schwester?!" flüsterte Korin unglaublich und starrte die Köchin aus weit aufgerissenen Augen an.

"Ja," bestätigte Marie, "und deine Tante."

Die Botschaft

"Wie ist das möglich?" flüsterte ich fassungslos, als Marie das Zimmer verlassen hatte.

Sie? Meine Tante? Das war doch absurd! Arituro hatte keine Geschwister, sonst wäre es mir bekannt gewesen.

Ich hatte schon im ersten Augenblick, als ich Marie kennen gelernt hatte, bemerkt, dass sie von einem Geheimnis umhüllt war. Doch war das, was sie mir gerade offenbart hatte, wirklich alles oder verbarg Marie noch etwas?

Natürlich war das nicht alles!

Es konnte einfach nicht alles sein!

Das ganze war viel zu kompliziert, um so eine simple Lösung zu haben!

Doch – konnte ich Marie überhaupt vertrauen? Auch wenn ihre Geschichte komplett war, konnte ich mich tatsächlich auf die Wahrhaftigkeit dieser verlassen?

Ich hatte sie nie als meine Verbündete oder ja Freundin betrachtet, doch im Laufe der Zeit wurde unser Verhältnis zueinander.. Ja, wie sollte ich es nun nennen? Vielleicht, ruhiges Nebeneinandersein?
 

Maries Geständnis hatte mich aus dem Geleise gebracht, so dass ich das schwarzweißes, aber nichtsdestoweniger schreckliches Blatt Papier vollkommen vergessen hatte. Sogar der blaue Umschlag war für einen kurzen Augenblick nicht mehr wichtig.

Doch dann nahm ich den Umschlag in eine Hand und die Kopie in die andere, und betrachtete beide eine Zeitlang nacheinander. Dass die Kopie aus Sorokes Safe mir nichts gutes versprach, hatte ich schon von Anfang an gewusst – der Dokument bewies nur noch mal, wie fest sie mich im Griff hatte.

Verdammt noch mal! Warum hatte ich nicht genug aufgepasst, so dass Soroke mich finden konnte?

Beinahe hatte ich das Blatt einfach zerknittert, doch dann besann ich mich wieder. Wut und Verzweiflung halfen mir nicht weiter, das hatte ich in der kurzen Zeit, die ich bei Soroke wohnte, schon gemerkt. Und so blieb mein Blick schließlich auf dem blauen Umschlag hängen.

Es schien, als ob mein Herz erneut herausspringen wollte, so schnell und heftig es gegen meinen Brustkorb hämmerte. Auf dem Umschlag stand tatsächlich 'Ringo' geschrieben. In Arituros Schrift!

Schwester hin oder her – Marie musste ein enges Verhältnis zu Arituro haben.
 

Wie lange war es her, dass ich seine Schrift gelesen hatte? Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen, mit ihm gesprochen? Den Mann, der mich liebevoll erzogen und professionell ausgebildet hatte? Komisch – ich hatte immer gewusst, dass er ein Dieb war und dass stehlen ein Verbrechen war, aber ich war stets stolz auf meinen Vater gewesen. Er war mein Beispiel, meine Festung. Ich wollte so sein, wie er – stark und unabhängig. Und nie von ihm getrennt sein!

Ich lehnte mich zurück und schloss langsam die Augen.
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

"Korin, mein Mädchen!"

Die fröhliche und starke Stimme eines Mannes rief nach seiner Tochter.

"Es ist Zeit, nach Hause zu gehen!"

Das achtjährige Mädchen sprang von der Schaukel herunter und verließ schnell den Spielplatz. Sie wollte ihren Vater nicht warten lassen.

"Was bringst du mir heute bei, Papa?" fragte sie neugierig und nahm seine Hand.

Er lächelte glücklich und stolz.

"Heute – nichts," entgegnete er schließlich. "Heute werde ich dir die Schönheit des Frühlings zeigen."

"Du sprichst in Rätseln.." schmollte das Kind.

Darauf lachte er nur.

"Irgendwann, mein Engel, wirst du das verstehen. Irgendwann, wenn die Zeit reif ist."

Der Mann hob das Kind hoch und setzte es auf den Gepäckträger seines Fahrrads.

"Halt dich fest, Korin!" hieß er ihr.
 

"Schneller, schneller!" rief das kleine Mädchen, während sie den Berg herabfuhren.

Und wieder lachte ihr Vater herzhaft, auch seine Tochter mit Lachen ansteckend.
 

"Sind wir bald da?" fragte sie, nachdem sie aufgehört hatten zu lachen.

"Wir sind schon da," sagte ihr Vater und stoppte das Fahrrad.

Das Mädchen sprang vom Fahrrad und schaute sich um. Sie befanden sich im Tal, an einem riesigen Feld. Um sie herum standen Apfelbäume. In voller Blüte.

"Das.. das ist.. wunderschön.." meinte Korin, mit weiten Augen die Schönheit des Frühlings anschauend.

"Das," sagte ihr Vater leise und berührte leicht ihre Schulter mit seiner Hand, "sind meine Lieblingsblumen."

"Und nicht nur, weil unser Nachname 'Ringo' heißt." fügte er nach einer Weile lächelnd hinzu.

"Und wieso noch?" fragte seine Tochter neugierig.

"Schau!" sagte er und zeigte einen Apfelbaum, das in ihrer Nähe war. "Wie groß ist der Baum und wie klein sind seine Blüten! Und nichtsdestotrotz haben wir jeden Herbst viele große Äpfel. Ist das nicht erstaunlich?"

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

Arituro Ringo, der Meisterdieb... Wer konnte es nur denken, dass er soviel Leidenschaft für Apfelbäume hatte?

<Ach, Vater..!> rief ich verzweifelt in Gedanken <Wie sehr ich dich doch vermisse!>
 

An diesem Abend hatte Yugi sein Puzzle viel früher als sonst abgenommen und, trotz seiner Gewohnheit es stets auf den Nachttisch zu legen, auf den Arbeitstisch in seinem Zimmer gelegt.

Irgendwie verspürte er einen leisen Zorn auf seinen Freund. Dafür, dass er sich über ihn lustig gemacht hatte. Dass er nun einen Geheimnis hatte. Dass er sich alleine mit Ringo unterhalten hatte.

Und das letztere ärgerte ihn mehr als alles andere, auch wenn Yugi es ganz und gar nicht zugeben wollte.

Warum musste so eine Korin überhaupt an der Schule erscheinen? Warum schien sie nur Yami zu bemerken und ihn sogar zu respektieren? Wie ungerecht!
 

"Dieser Pharao!" zischte Yugi zornig.

Er befand sich gerade im Badezimmer, und zog sein T-Shirt aus. Das arme Kleidungsstück landete zerknittert auf den Boden.

"Immer bekommt er die Anerkennung, den Respekt, die Achtung!"

Yugi drehte den Wasserhahn voll auf, und das heiße Wasser strömte ins Bad. Der Wasserstrahl prallte mit Wucht gegen den Wannenboden, Yugis halbnackten Körper mit kleinen Wassertröpfchen bespritzend.

"Es geht immer nur darum, die verdammte Welt zu retten..! Pharao – der ewige Held!" ärgerte sich Yugi.

Dampfwölkchen stiegen empor und beschwerten das Atmen. Yugis Kopf lief rot an und fühlte sich ungewöhnlich schwer und benebelt.

"Wann hat er an mich gedacht? An meine Gefühle?"

Er zog sich nun ganz aus und stieg in die Badewanne. Von erster Hitzewelle wurde im erstmal etwas unwohl, dann aber versank er noch tiefer im Wasser, die betäubende Wärme genießend.

"Er braucht mich nur, um seine Ziele zu erreichen.. Nie hat er Zeit einfach zu Leben." stellte er für sich fest und tauchte ein.
 

Yugi lag nun, vollkommen unter dem Wasser, und beobachtete wie die Luftblasen aus seiner Nase schnell nach oben flogen.

<Kann man es eigentlich als fliegen bezeichnen?> fragte er sich in Gedanken. <Schwimmen tun die doch nicht, oder?>

Blubb.. blubb.. blubb..

Weitere Bläschen bahnten ihren Weg nach oben durch die Wassermasse.

<Ich sollte mal Yami fragen...>
 

Meine liebe Korin, stand es auf dem Zettel, den ich im Umschlag fand, geschrieben, nehm’s einem alten Mann nicht übel... Wir haben eine wunderbare Zeit miteinander gehabt, auch wenn ich viele Geheimnisse von dir hatte. Ich bereue es zutiefst, doch was getan wurde, kann nicht rückgängig gemacht werden.

"Du sprichst in Rätseln..." flüsterte ich einen mir von Früher bekannten Satz, "..Vater."

Die Zeit ist reif, mein Kind. Auch wenn ich’s mir unter anderen Bedingungen gewünscht hatte. Folge der Schönheit des Frühlings, folge den Apfelblüten!
 

Nun verstand ich nichts mehr.

Ich legte den Brief beiseite, doch nach kurzer Weile überflog ich ihn noch mal mit den Augen.

Ich konnte mir vorstellen, von welchem Ort es in diesem Bericht ging, doch wie sollte es mir weiter helfen? Ganz abgesehen davon, dass jetzt Oktober war und bis die Apfelbäume wieder voll in der Blüte standen, war mindestens ein halbes Jahr zu warten!

Ich seufzte merklich enttäuscht.

"Die Zeit ist reif.." flüsterte ich "Wofür, Vater, wofür nur..?"

Ich verstand einfach nicht den Sinn, den Arituro mir zu vermitteln versuchte. Wie konnte ich es auch? Er hatte selber zugegeben, dass er viele Geheimnisse von mir hatte. Was wurde getan? Wieso wollte er, dass ich den Apfelblüten folge? Wie ging das überhaupt?

Fragen über Fragen.

Es stimmte mich sehr traurig, und ich fühlte mich einsamer denn je. Ich hatte die Schrift meines Vaters gelesen, auch wenn ich von dem Inhalt nicht gerade schlauer geworden war, und besaß nun einen Zettel mehr als vorher.

Marie hatte vollkommen Recht – mir gehörte schon ein blauer Umschlag, auf dem 'Ringo' in Arituros Schrift geschrieben war. In diesem Brief hatte er mich gebeten, vier Tage auf ihn im Waisenhaus zu warten und mich in Acht vor Soroke Yuka zu nehmen. Und trotzdem hatte das Schicksal, das uns so grausam getrennt hatte, es anders entschieden, sodass ich nun für meine leibliche Mutter arbeiten musste.
 

Er spannte jeder Muskel seines Körpers bis auf die Grenze an. Das heißt, das Körper dieses Jungen, Ryou. Sein Geist war nicht besonders stark, auf jeden Fall leistete er ihm keinerlei Widerstand, wann immer Bakura sich die Kontrolle über sein Körper wünschte. Trotzdem blieb Ryou für ihn in gewisser Maße doch ein Rätsel. Vielleicht lag es an der sanften und freundschaftlichen Art, wie Ryou die Welt stets anschaute, dass seine Präsenz in diesem Körper sich gar nicht auf den Geist des Jungen auswirkte..

Doch was kümmerte es ihn schon! Er hatte eigene Pläne, und dass Ryou ihm so bereitwillig sein Körper zur Verfügung stellte, passte bestens.

Bakura grinste teuflisch, sein Millenniumsring leuchtete auf und er bog um die Ecke.

Die Villa war genau so, wie er sie sich vorgestellt hatte: groß, hell und einfach. Einfach, um in sie einzubrechen. Das versprach nichts spannendes. Doch die Belohnung erwartete ihn ein bisschen später. Er musste sich gedulden, sonst hatte diese Aktion gar keinen Sinn. Und er tat nie etwas unsinniges.
 

Yugi fühlte wie seine Lungen zu brennen anfingen – ein eindeutiges Zeichen, dass er langsam nach Luft schnappen sollte. Er stützte sich mit Ellbogen an den Wannenboden ab, gab seinem Oberkörper einen Ruck, dann fasste er die Rande mit den Händen um und tauchte schließlich aus dem Wasser. Die Luft und ein paar Tropfen gelangen in seinen Körper, so dass er kurz husten musste. Die Haaren klebten auf seinem Gesicht – wohl das einzigste Mal, wann sie ihre Form verloren hatten, - und er wischte sie mit langsamer Bewegung beiseite.
 

Baden tat ihm tatsächlich gut – ihm war zwar unerträglich heiß, so dass er es schon mehrmals bereut hatte, so heißes Wasser eingelassen zu haben, doch sein Zorn hatte sich verflogen oder, in diesem Fall, eher im Wasser aufgelöst. Und er fühlte sich unendlich müde.

Seine Glieder schienen tonnenschwer zu sein, als er das Wasser aus der Badewanne rausgelassen hatte und sich in ein großes Handtuch einwickelte. Die Wärme, die sein Körper während des Badens aufgenommen hatte, stieg nun als kleine Dampfwölkchen aus ihn heraus.

Yugi hatte eindeutig ein wenig zu heiß gebadet. Sogar sein Gehirn schien zu dampfen: ihm fiel plötzlich etwas unglaubliches ein. Er wusste nun, wie er Korin dazu überreden konnte, auf seine Party zu kommen.

Yugi lächelte müde. Da wird Yami nicht schlecht staunen, als er mit seinem Vorhaben fertig ist!

<Dir zeig ich noch!> dachte er den letzten Gedanke, bevor er schwer in sein Bett fiel und ins Land der Träume segelte.
 

Er war am Ziel. Einbrechen in eine Wohnung, ohne Spuren zu hinterlassen, bereitete ihm mittlerweile keine Schwierigkeiten. Das war sogar langweilig.

<Wann bekomme ich eine richtige Herausforderung?> dachte er bei sich, weil diese Art Verbrechens für ihn schon längst zum Spiel wurde.

So nahm er - beziehungsweise stahl – das kleine Stückchen Papier, das er problemlos auf dem Tisch entdeckte, und verschwand, teuflisch grinsend, in die Dunkelheit der Nacht.

Die Einladung

"Bis heute Abend, Korin!" hallte eine dunkle männliche Stimme in meinem Kopf wider.

Ich riss meine Augen auf und setzte mich schlagartig im Bett.

Was für ein seltsamer Traum!

Dabei war ich sicher, dass ich von meinem Vater und Apfelbäume geträumt hatte.

Ich schaute mich um – es war stockfinster, nur die Funkuhr leuchtete rot.

"Drei Uhr vierunddreißig," las ich ab.

"Verflucht!"

Das hieß, ich hatte noch weniger als drei Stunden, um wieder einzuschlafen und meine Kräfte für den kommenden Tag und - vor allem Abend - zu sammeln. Und genau, weil’s mir so wichtig war, möglichst fitt zu sein, wusste ich, dass es mit dem Einschlafen nicht klappen wurde.

Ich stöhnte auf und fiel zurück ins Bett.
 

Auch Marie hatte es schwer diese Nacht. Nach dem Gespräch mit Soroke, aber vor allem mit Korin fühlte sie sich ausgeleert. Es war unerträglich, dass Korin ihr nicht glauben wollte und Soroke sie so misshandelte. Es schmerzte sehr.

<Warum habe ich überhaupt London verlassen?> fragte sie sich heute schon zum tausendsten Mal.

Dort hatte sie einen sicheren Job, eine schöne Wohnung, ihre Wurzeln. Was in aller Welt ließ sie das ganze verlassen?

"Ach, Arituro..." flüsterte die Köchin leise.

Zwar war er nur ihr Halbbruder – sein Vater war ein Asiater namens Ringo gewesen, doch sie standen einander immer nahe. Die Zeit, dass die Geschwister zusammen waren, war kurz, doch sie blieben immer im Kontakt. Was auch passierte, sie gehörten zu einer Familie, und, als Marie eines Tages einen beunruhigenden Brief von Arituro bekam, eilte sie zu ihm. Leider kam sie zu spät: er war verschwunden und das kleine Mädchen war schon weitergezogen. Ihr blieb nur der Brief, wo Arituro ihr alles einigermaßen erklärte, und der blaue Umschlag, den sie ihrer frischgebackenen Nichte geben musste.

So hatte sie sich der Frau angeschlossen, die als letzte mit Arituro zu tun hatte – Soroke Yuka. Das meiste kannte sie aus dem Brief ihres Halbbruders, doch im Laufe der Zeit, das Marie bei Frau Yuka als Köchin verbrachte, fand sie weitere Informationen über ihre Arbeitgeberin heraus.

<Wer hatte das gedacht, dass alles schief geht?> überlegte Marie <Wenn ich’s vorher gewusst hätte, würde ich seinetwegen alles riskieren?>
 

Irgendwie gelang es mir trotzdem noch mal einzuschlafen. Weil, als ich die Augen erneut geöffnet hatte, blieben es nur noch ein paar Minuten, bis der Wecker klingelte. Ich streckte mich und stand auf – auch wenn es mir nicht gefiel, so musste ich trotzdem in die Schule.

Bald war ich schon in der Küche, um schnell zu frühstücken. Komischerweise, aber zum Glück für mich, war Marie nirgends zu sehen. Das war sehr ungewöhnlich für die Köchin, und so hatte ich endlich die Gelegenheit, mir alles selber zu machen. Ich hatte es langsam satt, auf Dauer bekocht zu werden.

<Meine Tante..> dachte ich, mein Käsebrot kauend <Da stimmt doch was nicht..>

Da meine Überlegungen mich in letzter Zeit immer seltener zu vernünftigen Antworten brachten, gab ich es schnell auf. Viel wichtiger war, mich für das bevorstehende Abend vorzubereiten. Ich hatte zwar nicht die Leiseste Ahnung, was Soroke vor hatte und was für eine Veranstaltung das sein konnte, doch irgendetwas sagte mir, dass ich auf der Hut sein musste.
 

Yugi und seine Clique hatten sich, wie wohl immer, vor der Schule getroffen. Sie alle kamen zwar von verschiedenen Seiten, aber, da sie in einer Klasse waren, mussten sie alle zu einer Zeit kommen.

Nur Joey hatte sich mal wieder verspätet.

"Wenn er sich nicht beeilt," meinte Tristan, "darf er wieder nachsitzen. Und ich bleibe wieder ohne ein Duell!"

"Wir haben noch Zeit," entgegnete Tea und schaute auf die Uhr.

"Der muss es immer in letzter Sekunde schaffen!" ärgerte sich Tristan.
 

Yugi stand schweigend neben seinen Freunde, er schien noch nicht ganz aufgewacht zu sein.

"Yugi, ist alles in Ordnung?" fragte Tea.

"Ja, ja.." antwortete er beiläufig.

Ihn überraschte der Gedanke, dass Teas Fürsorglichkeit eigentlich ziemlich nervig war – es war das erste Mal, dass er es so empfand.

"Wo ist denn dein Puzzle?" folgte eine weitere neugierige und noch mehr auf die Nerven gehende Frage.

"In meiner Tasche," gab Yugi widerwillig zurück.

Gegen seinen Erwartungen ließ ihn Tea damit in Ruhe, und er atmete erleichtert aus.

Was war mit ihm heute los? Warum nervten ihn seine Freunde? Oder war es schon immer so gewesen, nur hatte er es nie bemerkt?

Plötzlich sah Yugi ein Mädchen, das sich der Schule näherte. Sein Herz machte einen Satz, als er die Person erkannte. Das war tatsächlich Ringo!

<Was mach ich nun?> überlegte er krampfhaft und schaute sich um.

Tea und Tristan unterhielten sich weiterhin über Joeys Verspätung, doch Yugi war sicher: hätte er nur einen einzigsten Schritt in Korins Richtung gemacht, würden seine Freunde alle ihre Aufmerksamkeit sofort ihm widmen.

Ihm wurde ganz heiß, ihm schien, als ob er innerlich zerreissen würde.
 

Plötzlich vernahmen sie einen Streit:

"Oh, da hat ja jemand Zeit gefunden, um Schule zu besuchen!" hörten sie eine bekannte streitsüchtige Stimme.

"In Gegensatz zu dir, weiß ich, wie man die Zeit mit Nutzen verbringt!" entgegnete eine eiskalte Stimme.

"Indem du mich meidest, weil du Angst hast, dass ich dich im Duell besiege?"

"Joey!" rief Tea verwundert und gleichzeitig auch erleichtert auf.

"Und Kaiba!" fügte Tristan genauso erstaunt hinzu.

<Seit wann gehen die gleichzeitig zur Schule?>

Und sie eilten den beiden entgegen.
 

Yugi blieb weiterhin stehen. Sein Blick war auf Ringo gerichtet, es arbeitete heftig in seinem Kopf.

Währenddessen kam das Mädchen immer näher. Doch der Streit hinderte sein Denken.

"Sagt ja der Richtige!" hörte er Kaiba lachen. "Du kannst nicht mal eine Fallenkarte von einer Zauberkarte unterscheiden!"

Für den jungen Firmenchef konnte der Tag wahrscheinlich gar nicht besser anfangen, als mit einer Auseinandersetzung mit dem kampflustigem Wheeler. Der Blonde wollte es nicht akzeptieren, dass er nicht mal im Wortwechsel eine Chance gegen Kaiba hatte. Und das steigerte offensichtlich den schon so ziemlich hohen Ehrgeiz Setos.

"Ach ja?!" entgegnete Joey sauer. "Duelliere dich mit mir!"

Er fand es einfach unerhört, dass Kaiba ihm stets ein Duell verweigerte.

"Damit ich meine kostbare Zeit verliere?" parierte Kaiba.

"Jungs," versuchte Tea sich einzumischen, "hört doch endlich auf!"

Doch keiner von beiden schenkte ihr seine Aufmerksamkeit.

"Damit du endlich kapierst, dass ich ein besserer Duellant bin als du!" schrie Joey den Braunhaarigen weiterhin an.

"Du vergleichst dich mit mir?"

Kaibas Stimme wurde zum Eis – man konnte fast spüren, wie die Luft um ihn herum kälter wurde.

"Oder hast du Angst zu verlieren?" fragte der Andere herausfordernd.

"Gegen so einen Straßenköter, wie du, kann doch niemand verlieren!"

"Sieh dich selber an, du, Großkotz!"

"Nichtnutz!"
 

Yugi hörte nicht mehr hin, es folgten sowieso nur gegenseitige Beleidigungen und dass Joey die Wörter früher ausgingen, wusste er schon aus Erfahrung. Ringo war schon vor einer Weile an ihm vorbei gegangen und er nutzte die Gelegenheit, dass seine Freunde damit beschäftigt waren, Kaiba und Joey auseinander zu halten.

Zum Glück ging sie langsam, so konnte er sie bald einholen.

"Korin!" rief er leise "Warte!"

Er musste all sein Mut zusammen nehmen, um sie anzusprechen. Yugi wusste nicht, ob sein Plan funktionieren würde – er hatte keinerlei Ahnung, was Yami mit ihr besprochen hatte. Das letzte, was er noch mitbekommen hatte, bevor der Pharao ihn im Puzzle eingesperrt hatte, war, dass Korin den Preis für die Hilfe wissen wollte. Die leise Wut stieg in ihm wieder hoch. Das war das erste Mal, das Yami mit ihm so umgegangen war. Yugi beherrschte sich und konzentrierte sich auf seiner Aufgabe. Er musste es tun, koste es, was es wolle!
 

Ich wurde neben der Schule abgesetzt, wie ich’s mir gewünscht hatte. Ich wollte nicht, dass jeder sieht, dass ich mit einem schicken Wagen zur Schule gebracht wurde. Ich hatte schon genug Erfahrungen am ersten Tag gesammelt. Mir blieb nicht mehr so viel Zeit, aber es war noch genug, um mich nicht beeilen zu müssen. So ging ich langsam in Richtung Schule.

Plötzlich vernahm ich einen Streit:

"Oh, da hat ja jemand Zeit gefunden, um Schule zu besuchen!" hörte ich einen blondhaarigen Jungen laut aussprechen.

"In Gegensatz zu dir, weiß ich, wie man die Zeit mit Nutzen verbringt!" entgegnete eine eiskalte Stimme, die ich als Seto Kaibas identifizierte.

"Indem du mich meidest, weil du Angst hast, dass ich dich im Duell besiege?"

<Duell?> dachte ich bei sich.

"Joey!" rief ein Mädchen, das vor dem Schultor stand, und eilte zu den beiden.

Ihr folgte ein Junge mit Punkfrisur.

"Sagt ja der Richtige!" hörte ich Kaiba lachen. "Du kannst nicht mal eine Fallenkarte von einer Zauberkarte unterscheiden!"

<Karten? Sind sie hier alle verrückt?>

Zum Glück kam ich von der anderen Seite, und so musste ich mich den Streitenden nicht nähern.
 

"Korin!" sprach mich plötzlich jemand an, als ich schon fast den Eingang erreicht hatte. "Warte!"

Ich blieb stehen und drehte mich um. Das war Yugi. Ich hatte ihn unfehlbar an seiner Frisur erkannt. Doch wo war sein goldener Anhänger?

Sein Auftauchen hatte mich an mein Versprechen gegenüber Yami erinnert, doch mehr als mich neutral zu verhalten konnte ich nicht.

"Ähm, hallo," sagte er, nachdem ich ihn eine Weile fragend angeschaut hatte.

"Was gibt’s?"

Meine Stimme klang harscher, als ich es eigentlich vorhatte, doch mit seinem Zögern stimmte mich dieser Junge misstrauisch.

"Ich.. ich will.." er klang unsicher, sogar nervös. "Ich wollte nur ausrichten, dass mein Bruder Yami dich gerne diesen Freitag bei uns im Kartenladen sehen würde."

Was war denn das? Was sollte es jetzt werden?

<Freundschaft,> erinnerte ich mich an Yamis Worte, <das ist das einzige, was ich als Gegenleistung akzeptieren kann.>

War es nun das, was Yami unter Freundschaft verstand?

<"Ich brauche.. nur eine einzige Chance," hat er gesagt, nicht wahr?> dachte ich bei sich.

Aber meinte er darunter auch nicht seine Freunde?

"Es gibt einen Freundstreffen.." meinte Yugi, mein Gedanke indirekt bestätigend.

Ich sah ihn prüfend an und überlegte.
 

Joey und Kaiba war endlich die Lust und die Puste ausgegangen. Beide wollten und konnten nicht mehr.

So gelang es Tea und Tristan seinen Freund endlich von Kaiba wegzuzerren und daran zu erinnern, dass der Unterricht schon in weniger als fünf Minuten anfing.

Kaiba, mit sich merklich zufrieden, entfernte sich von der Gruppe und verschwand, als ob nichts passierte, in Richtung Schule. Er hatte sich köstlich auf Kosten Wheelers amüsiert – was wollte er noch?
 

"Du hast doch Yami was versprochen..?" sagte Yugi mehr fragend, als bestätigend.

Das war sein letzter Trumpf. Wenn das nicht funktionierte, dann... Wirklich, was dann?

"Nun.." meinte Korin überlegend.

"Bitte!" flennte er plötzlich, weil er keinen anderen Ausweg mehr sah.
 

"Wo ist denn Yugi abgeblieben?" fragte Tea und schaute sich um. "Ich hab’s gar nicht bemerkt, wie er weggegangen ist..."

"Er ist wahrscheinlich schon in der Klasse!" vermutete Joey.

Er hatte zwar in der Auseinandersetzung mit Seto eindeutig verloren, doch auch seine Laune war gut.

Der junge Firmenchef gab ihm immer einen Anlass, sogar eine Herausforderung. Joey bewunderte und beneidete Kaiba in gleichem Maße. Sie waren nicht solche typische Rivalen, wie es im Falle von Mutou war, was Joey merklich ärgerte, doch Kaiba schaffte es Joey den nötigen Ansporn zu geben, damit er stets besser wurde.

"Lasst uns auch gehen," meinte Tristan, "ich habe keine Lust auch noch zu spät zu kommen."
 

<Nicht das noch!> dachte ich genervt, als Yugi mit Betteln angefangen hatte.

"Bitte.."

Kam es mir nur so vor, oder sah ich tatsächlich Verzweiflung in seinen Augen?

"O.k." sagte ich schließlich und seufzte genervt. "Wie lautet die Adresse?"

Der kleine Yugi hüpfte buchstäblich vor Freude und erzählte schnell, wie ich den Laden finden konnte.

"Aber ich kann nichts versprechen," entgegnete ich.

Dabei musste ich wohl oder übel an Soroke denken. Dass sie es mit dem Auftrag morgen nicht locker ließ, war mir klar. Und dann stand mir ja noch diese Veranstaltung bevor...

"Ich.." stotterte Yugi, "Wir werden uns freuen, dich näher kennenzulernen.."

Dann verabschiedeten wir uns – er eilte in seine Klasse und ich begab mich in meine.

<Komisch,> dachte ich bei mir, <Warum hat Yami es mir nicht selber gesagt?>

Yami hatte bei mir nicht den Eindruck hinterlassen, dass er einen Vermittler brauchte. Obwohl.. Ich hatte Yugi schließlich auch als Boten benutzt...

Die große Pause

Die meiste Zeit war ich halb eingeschlafen und verfolgte den Unterricht nur soweit, damit es keine Gefahr bestand, dass mir was gefragt wurde. Die Schüler ließen mich momentan auch in Ruhe, und mich wunderte nicht mal die Tatsache, dass Bakura abwesend war.

Er erschien erst zur großen Pause.

"Hallo, Korin," begrüßte er mich freundlich, "Was habt ihr so in den Unterricht gemacht?"

"Nichts besonderes," entgegnete ich gelangweilt.

Wenn ihn das so wichtig war, warum fragte er ausgerechnet mich?

"Was fragst du sie!" mischte sich plötzlich Futaya ein. "Die kennt doch gar nichts!"

Das war eine direkte Beleidigung!

Ich spürte, wie Zorn in mir empor stieg, doch es gelang mir, ihn zurück zu halten. Dieses total verknallte Mädchen war es nicht wert, um auf sie meine schon so niedrige Energie zu verschwenden.

"Siehst du, Ryou," zwitscherte sie, mein Schweigen anscheinend als Zustimmung annehmend, "ich habe vollkommen Recht."

Doch dann drehte sie sich plötzlich zu mir:

"Sie ist ein Nichts!"

Meine Güte, wie gerne hätte ich ihr ins Gesicht geschlagen! Doch ich ließ es diesmal bei einem eiskalten Blick bleiben.

"Was ist los, Karategirl?" fragte sie mich höhnisch.

Es schien sie zu amüsieren, mich zu reizen, um zu sehen, wie lange ich es aushalte.

"Lass das, Futaya," mischte sich plötzlich Ryou ein.

"Warum denn?" fragte dazugekommene Asaka.

Ihre Stimme klang genauso amüsiert, wie ihrer Freundin, und frech.

"Sie braucht keinen Beschützer." lachte sie spöttisch auf.

"Ich bitte euch, Mädels!" rief Ryou auf und versuchte sich zwischen mir und den beiden Mädchen zu stellen.

"Misch dich nicht ein!" sagte Zane im verärgerten Ton und stieß ihn grob beiseite.

Das ging nun eindeutig zu weit.

Ich griff spontan nach irgendeinem Buch, das auf dem Tisch lag, und knallte es mit voller Wucht gegen den Tisch, sodass nicht nur Daina und Zane, sondern auch die wenigen Schüler, die sich noch in der Klasse befanden, erschrocken zusammenzuckten und zu uns herüber sahen.

"Es reicht," sagte ich bestimmt, stützte mich mit den Handflächen auf den Tisch und erhob mich.

"Ach, das kleine Karategirl kann sprechen!" rief Daina auf und wurde von Zanes Lachen unterstützt.

"Wenn du einen Streit mit mir sucht, kannst du es haben!" meinte plötzlich eine düstere Stimme neben uns.

Bakura war merklich wütend – es war kein freundschaftlicher Ryou mehr, nein, es schien, als ob er sich plötzlich verwandelt hatte. Er packte Asaka grob bei dem Handgelenk – ihr Lachen verstummte, dem Jammern Platz gebend, und sie startete hilflose Versuche sich zu befreien, - und zerrte sie unsanft weg von unserem Tisch.
 

Er war gerade auf dem Weg zu seiner Freundin, als er einen Knall aus dem Klassenzimmer hörte und mehrere wütende, vorwiegend Mädchenstimmen vernahm.

<Was geht da vor sich?> dachte er und beschleunigte seinen Gang.

Als er reinkam, wurde ihm alles klar:

"Hei, du, Bakura!" rief er laut "Was fällt dir ein, meine Freundin anzugrabschen?"

"Shiro!" rief Zane fröhlich aus, befreite sich von Bakuras Griff, als dieser ihn etwas lockerer ließ, und lief zu ihm.

Daina folgte ihr hastig. So ein Bakura gefiel ihr nicht mehr.

"Wenn die beiden scharf auf 'nen Streit sind, ist’s nur logisch, dass.." meinte Ringo ruhig, doch er unterbrach sie zornig.

"Misch dich nicht ein! Das ist 'ne Sache zwischen mir und diesem Bastard!"

Er fixierte Bakura mit den Augen, der gelassen seinem Blick widerstand. Was erlaubte er sich? Und sie erst!

Und Shiro wand sich zu Ringo:

"Bis du in meiner Bande bist, hast du sowieso kein Recht..."

"Wie bitte?"

Er wurde von Asaka unterbrochen. Der Ton, in dem sie sprach, war äußerst gefährlich.

"Was heißt hier - bis sie in deiner Bande ist?"

"Das heißt," erklärte er – schließlich war es eine beschlossene Sache, "dass ich sie in meine Bande aufnehme."

"Sagt wer?" fragten Zane und Korin beinahe gleichzeitig.

Sie drehten ihre Köpfe augenblicklich zu einander und sahen einander zornerfüllt an.

Shiro grinste. Vielleicht war es gar nicht so übel, dass Ringo stets Ärger mit sich brachte – so konnte er Zane locker ablenken und mehr Freiheit genießen.
 

Bakura hatte Ryous Platz eingenommen, als er merkte, dass die Situation langsam unkontrollierbar wurde. Dieser Narr! Warum hatte er sich überhaupt für Ringo eingesetzt?

Aber nun war es sowieso zu spät – was geschah, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.

"Das heißt, dass ich sie in meine Bande aufnehme," hörte er Shiro selbstsicher sagen.

Bakura konnte noch rechtzeitig lautes Lachen unterdrücken. Schon allein die Vorstellung, dass Ringo in seine Bande eintrat, war äußerst lächerlich, geschweige denn, dass Shiro es an ihrer Stelle entschieden hatte. So ein Idiot!

"Sagt wer?" folgte Korins und Zanes wütende Frage.

Bakura beobachtete erst Asaka. Sie sah Ringo zornerfüllt an, doch war in ihrem Blick noch etwas, kaum fassbares, aber trotzdem anwesendes – Eifersucht. Konnte es sein, dass sie sich als Shiros Freundin gar nicht so sicher fühlte und in ihr eine Art Konkurrenz und Gefahr sah?

Bakura lächelte finster. Schule bereitete ihm immer wieder amüsante Überraschungen.

Kaum wollte er seine Aufmerksamkeit Ringo widmen, so musste er feststellen, dass sie sich schon bei Asaka und Shiro befand. Er hob fragend eine Augenbraue hoch. Das Mädchen bereitete ihm am meisten Überraschungen.
 

"Kann ich dich kurz sprechen?" fragte ich Shiro und schaute ihm direkt in die Augen.

"Allein," fügte ich schnell, aber bestimmt hinzu und verhinderte damit Zanes Versuch mir zu widersprechen.

"Sicher," antwortete er grinsend. "Wohin geht’s?"

Ich musste Asaka nicht mal sehen, um zu wissen, dass sie innerlich vor Wut überkochte, so stark war ihre Ausstrahlung. Doch ich ignorierte sie einfach. In Augenblick hatte ich was wichtigeres, worum ich mich so schnell, wie möglich, kümmern musste.

"Zane wird uns sicherlich entschuldigen," meinte Shiro amüsiert und folgte mir, als ich ohne weiteres das Klassenzimmer verließ.
 

"Was soll der Quatsch?" fragte ich wütend, als wir uns im Korridor etwas weiter weg von der Klasse befanden.

"Was meinst du, Karategirl?" fragte er unschuldig.

"Du weißt ganz genau, was ich meine!" entgegnete ich "Und nenn mich nicht Karategirl!"

Dass dies zu sagen ein Fehler war, wurde mir schon in dem Moment klar, als ich es aussprach und Shiros vergnügtes Lächeln sah. Doch zurück nehmen konnte ich es nicht mehr. So blieb mir nur über meine eigene Dummheit zu ärgern.

"Warum so unfreundlich!" rief er amüsiert aus, "Wir sind doch Freunde, nicht wahr, Karategirl?"

Ich schluckte die giftige Bemerkung, die mir auf der Zunge lag, herunter. Weitere Möglichkeiten mich aufzuziehen wollte ich ihm nicht geben.

"Ich hab’s dir schon einmal gesagt," fing ich langsam an, "und ich wiederhole mich sehr ungern, weißt du?"

In meiner Stimme war Drohung zu hören.

"Ich habe kein Interesse in deine Bande einzutreten."

Shiros Gesicht verfinsterte sich. Er war eindeutig solchen direkten Absagen nicht gewohnt.

"Ich will dich in meiner Bande haben." sagte er mit vor Wut zitternder Stimme.

"Nein," meinte ich gelassen, "und es bleibt dabei."

"Ach ja?"

Ich sah, wie Shiro seine Hände in Fäuste geballt hatte. Was wollte er eigentlich erreichen? Die Frage lag mir auf der Zunge, doch ich verstand sehr gut, dass es keinen Sinn hatte, jetzt noch weiter mit dem Kerl zu reden.

"Lass mich in Ruhe, Shiro," sagte ich und ging weg.

Ich hatte nicht geglaubt, dass er mich einfach so gehen lässt, und ich behielt Recht. Kaum hatte ich einige Schritte gemacht, fasste er mich beim Handgelenk und zwang mich ihn wieder anzusehen.

"Ich warne dich, Karategirl!" zischte er "Wenn du dich mir nicht anschließt, bist du gegen mich, und mich als Feind zu haben kann sehr unangenehm werden!"

Ich fasste seine Hand, mit der er mich hielt, und drückte sie so, dass er gezwungen war, sie zu öffnen. Jetzt hielt ich ihn fest.

"Ahh!" entwisch es seinen Lippen, als ich den Druck ein bisschen verstärkte.

"Lass ihn sofort los, du, Mißstück!" schrie plötzlich aufgetauchte Asaka und versuchte mich von ihm wegzuschaffen.

Doch es blieb bei dem Versuch. Ich wich ihrem ungeschicktem Angriff aus und ließ gleichzeitig Shiros Hand los, die er sofort mit seiner anderen Hand schützend umklammerte.
 

Ich lief schnell in den Klassenraum zurück, der bis auf Bakura vollkommen leer war, und fing an, meine Sachen in meine Schultasche hineinzuwerfen. Ich wollte nicht länger in der Schule bleiben, ich konnte es hier nicht mehr aushalten.

"Was ist los, Korin?" fragte mich Ryou.

Er war wieder der alte – freundlich und nett.

"Nichts ist los," entgegnete ich, "ich hau ab."

Ich wollte ihn nicht beleidigen, schließlich hatte er sich vorhin für mich eingesetzt. Auch wenn ich ohne seine Hilfe wahrscheinlich viel besser aus der Situation rausgekommen wäre.

"Aber.."

"Kein aber," schnitt ich ihm das Wort ab, warf meine Tasche über die Schulter und machte mich auf den Weg.

"Aber," fing Ryou erneut an, "du hast vorhin mein Buch kaputt gemacht."

Ich blieb abrupt stehen und drehte mich zu ihm. Er hielt das Buch, vielmehr, das, was davon übrig geblieben war, nachdem ich es voller Wucht gegen den Tisch geknallt hatte, in der Hand und schaute mich traurig an.

"Das.. das tut mir Leid." sagte ich nach einiger Zeit.

"Wenn du schon die Schule schwänzt," meinte Ryou, "kannst du mir vielleicht dein Buch geben?"

Ich schaute ihn verwirrt an.

"Du brauchst es doch nicht, nicht wahr?" und er lächelte mich an.

"Ähm.. ja. Ich mein, nein.." sagte ich verlegen und holte schließlich mein Buch aus dem Rucksack, "Hier. Bitte."

Ryou bedankte sich und ich konnte endlich gehen.
 

<Er ist eindeutig nicht normal!> dachte ich auf dem Weg zum Schulausgang und lächelte.

Irgendwie, auf irgendeine unerklärbare Weise, war er mir sympathisch geworden.
 

Heute war der Tag, an dem sein Unterricht viel, viel später anfing. Wenn nicht die Probe am Ende des Schultages, wäre er wahrscheinlich überhaupt zuhause geblieben.

Sein Bruder war schon längst weg, so hatte er genug Zeit für sich alleine – was er ohnehin viel hatte. Und das stimmte ihn traurig.

<Ich hoffe, großer Bruder, du kommst zu unserem Spiel..> dachte er.

Seto hatte ihm zwar kein direktes Versprechen gegeben, doch Mokuba hoffte - wie immer – dass diesmal er es schafft, ihm ein wenig seiner kostbaren Zeit zu schenken.

Er war gerade auf dem Weg zur Schule, als er ein schnell gehendes Mädchen auf der anderen Seite der Straße erblickte.

<Das ist doch.. Korin!> schoss ihm durch den Kopf.

Mokuba blieb sofort stehen und wagte nicht mal zu atmen, so aufgeregt er war. Nachdem, was gestern passiert war, fürchtete er sie nie wieder zu sehen. Er machte sich Gedanken, dass sie ihn vielleicht bemerkte und dann flüchtete, doch Korin schien in ihrer Eile nichts zu sehen.

<Wie schön, dass ich mich entschieden habe, zu Fuß zu gehen,> dachte Mokuba lächelnd und folgte Korin so unauffällig, wie er es nur konnte.

Wenn alles gut ging, wurde er herausfinden, wo sie wohnte oder wo ihr geheimer Ort war, an dem sie sich wohl fühlte.

Die Schule und auch das bevorstehende Spiel waren vergessen.
 

Zu seiner Überraschung endete seine Verfolgung vor der Tür des Domino-Waisenhauses. Korin war nirgends zu finden, er hatte sie auch nicht abbiegen gesehen, also musste sie sich da drin befinden.

Mokuba war verwirrt. Was hatte sie in einem Waisenhaus verloren?

Er blieb erst mal verdutzt vor dem Eingang stehen und überlegte. Dann beschloss er der Wand, die um den Waisenhaus herum stand, entlang zu gehen.

Nach einiger Zeit hörte er Stimmen. Mokuba ging bis zur Stelle, wo sie am besten zu hören waren und horchte:

"Korin!" rief ein Junge überrascht auf, "Korin, du bist gekommen!"

"Aber natürlich bin ich das," antwortete sie, einen Schluchzen unterdrückend.

Der Kleine musste ihr viel bedeuten.

Mokuba fühlte plötzlich einen Stich in seinem Herzen: an Stelle dieses Jungen konnte - sollte - er sein! Er musste herausfinden, was an dem Jungen so besonderes war, dass er Korin so viel bedeutete.

Heimtückische Abmachung

Nachdem ich Dani-chan nun endlich gesehen hatte, wurde mein Geist ruhiger. Ich hatte mich vergewissert, dass es ihm gut ging, und nun konnte ich meine ganze Energie dem Freiheitswiedererlangen widmen.

Dass ich dafür die Schule geschwänzt hatte, machte mir überhaupt keine Sorgen. Diese Aktion wurde mir aufgezwungen, also war es nicht mein Problem.

Als ich nach einer Weile auf die Uhr schaute, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es schon mehr Zeit vergangen war, als es mir lieb wäre. Es war an der Zeit mich schleunigst auf dem Weg nach hause zu machen, auch wenn ich Sorokes Villa nur bedingt als zuhause bezeichnete. Ihr Anwesen war vielmehr ein vorübergehender – und aufgezwungener - Aufenthaltsort.
 

Mokubas ursprünglicher Plan war einfach und hatte auch prima funktioniert – er schlich sich unbemerkt ins Waisenhaus herein, als Korin es verließ.

Er war mehr als total neugierig, was Korin an einen solchen Ort führte, geschweige denn, was so besonderes an diesem Dani war.

Mokuba achtete darauf möglichst leise und unauffällig zu sein, doch das Herbstlaub raschelte verräterisch unter seinen Füßen. Als er die Eingangstür in das Hauptgebäude erreichte, blieb er für einen Moment stehen und sah sich um. Das Waisenhaus war relativ groß und erstaunlicherweise fast wie ausgestorben.

Das Gespräch zwischen Korin und dem unbekannten Jungen hatte sich im Garten stattgefunden, das wusste er. Also musste er jetzt rechts abbiegen und direkt auf die Wand zugehen.
 

Mokuba bewegte sich vorsichtig der Wand entlang zu der Stelle, wo er von anderer Seite gelauscht hatte. Dabei sah er sich ständig um: entdeckte ihn jemand, bedeutete das ein Ende seines Vorhabens.

Plötzlich sah er irgendjemanden auf dem Boden neben der Wand sitzen. Die Person war nicht sehr groß – ein Junge vermutlich – und hatte lange pechschwarze Haare. Als Mokuba so nah gekommen war, dass er ihn besser erkennen konnte, blieb er abrupt stehen und zog scharf die Luft zwischen den Zähnen. Dabei machte er einen unvorsichtigen Schritt nach hinten. Es raschelte und knackte – er hatte eindeutig auf einen Ast getreten.

Der Junge sprang augenblicklich hoch und drehte sich zu ihm.
 

Der letzte Unterricht näherte sich dem Ende, und die Schüler, im Vorfreude auf freien Nachmittag, wurden merklich unruhiger. Yugi kritzelte irgendwelche Zeichen ohne Sinn am Rande seines Heftes. Sein goldener Anhänger hing wieder um seinen Hals, doch die umgekehrte Pyramide leuchtete heute nicht ein einziges Mal auf. Yami war klug genug, um seinen kleinen Freund in Ruhe zu lassen.

"Und damit beenden wir das Thema über Altägyptischen Reich," sprach der Geschichtslehrer, der vor der Klasse stand.

<Schade,> dachte Yami, im Puzzle sitzend, und seufzte, <ich hätte gerne noch mehr erfahren.>

Das Thema war für ihn nicht nur aktuell, sondern auch fesselnd. Seinetwegen galt Yugi in der Schule als Ägypten-besessen: in Yugis Körper geschlüpft, stellte der Pharao dem Lehrer etliche Fragen. Und - als Ausgleich - schrieb für seine andere Hälfte die Tests.

"Nächsten Mittwoch schreiben wir den großen Test," setzte der Lehrer fort.

"Aber nein doch!" ertönten eine nach der anderen unzufriedene Stimmen der Schüler. "Nächste Woche feiern wir Halloween!"

"Ja!" stimmten nun auch die anderen zu, "Können wir’s denn nicht verschieben? Bitte!?"

"Nein," entgegnete der Lehrer unnachgiebig, "Wir können es uns nicht leisten noch mehr Zeit zu verlieren. Wir müssen Ägypten abschließen und weiter gehen."

Damit war es entschieden. Der letzte Wort war schließlich immer nach dem Lehrer. Yugi musste sich, natürlich, keine Sorgen machen – Yami wurde auch diesmal für ihm den Test schreiben, doch der Rest der Klasse war mehr als schlecht gelaunt.
 

Auch Yami war etwas traurig, doch aus einem anderen Grund, als die anderen. Er fand es unerträglich und unfair, dass er sich nicht mal an seinen eigenen Namen erinnern konnte. Alle nannten ihn entweder Yami, oder Pharao, oder – was noch schlimmer war – verwechselten ihn ständig mit Yugi, dessen Körper er benutzte, um die Welt real zu erleben.

Nur wenigen konnten die feinen Nuancen wahrnehmen, die ihn von Yugi unterschieden. Bakura war einer von ihnen. Genauso wie Ishizu und Marik Ishtar – die Geschwister, die zu einer Uralten ägyptischen Grabwächterfamilie gehörten und die er während des Battel City Tourniers kennen gelernt hatte. Aber diese drei besaßen Millenniumsgegenstände. Genauso wie er. Seto Kaiba musste es auch können. Theoretisch, versteht sich. Dass der junge, stolze Firmenchef sich stets unbeugsam weigerte, seine kostbare Zeit solchen Dingen zu widmen, überraschte Yami nicht mehr. Er fand es nur Schade, dass Seto nicht an Schicksal und Bestimmtheit der Dinge glaubte, obwohl er im Laufe der Zeit unzählige Beweise dafür bekommen hatte.

Doch neulich war noch eine Person erschienen, die sein wirkliches Wesen von dem des Yugis unterscheiden zu können schien. Bakuras neue Klassenkameradin Ringo. Er konnte die Präsenz eines Millenniumsgegenstandes bei Korin nicht feststellen. Ob sie tatsächlich etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hatte, oder nur eine feine Nase und ausgezeichnete Beobachtungsgabe hatte, blieb also ein Geheimnis.
 

Kaum hatte ich meinen Fuß in die riesige Villa getreten, erwartete mich schon eine unangenehme Überraschung in Form einer ziemlich hektischen Friseurin und einer besorgten Marie.

"Wo warst du solange?" fragte mich Marie, als ich im Flur erschien, "Soroke sagte, du kommst heute rechtzeitig!"

Sie sah nicht nur besorgt, sie klang auch so.

"Was ist denn los?" fragte ich.

So sehr hatte ich mich nun mal auch nicht verspätet.

"Du nimmst sofort ein Bad," verkündete Marie und nahm mir meine Schultasche aus den Händen, "Danach ziehst du dich um – die Sachen findest du in deinem Zimmer - und Frau Sutaki macht dir eine Frisur."

Ich wollte schon meinen Mund öffnen, um einen Protest anzufangen, doch Marie schnitt mir das Wort mit einer hastigen Handbewegung ab und schickte mich nach oben.

<Was ist denn hier los?> fragte ich mich erstaunt, <Wieso macht sie so viel Hektik?>

Doch meine Fragen blieben, natürlich, ohne Antwort.
 

Yugi machte einen Eindruck, als ob er rein gar nichts von der Umgebung mitbekam, sondern tief in seinen Gedanken versunken war.

"Hei, Kumpel!" sprach ihn Joey an, "Es hat schon geklingelt! Der Unterricht ist vorbei!"

Yugi hob seinen Blick und schaute ins fröhliche Gesicht des Blondhaarigen.

"Komm," forderte er ihn auf, "lass uns schnell die Klasse putzen und hier verschwinden!"

"Ja," sagte Yugi leise, packte seine Sachen und stand auf.

"Was ist heute los mit dir?" rief sein Freund erstaunt aus.

"Ähm.. nichts."

"Wirklich?" fragte eine weibliche Stimme neugierig und besorgt zugleich.

"Tea, Tristan? Was macht ihr denn hier?"

Joey schaute seine Freunde fragend an.

"Wir dachten, ihr könntet ein wenig Hilfe gebrauchen," meinte Tristan lächelnd.

"Vor allem nach den vielen besonderen Vorfällen," fügte Tea etwas aufziehend hinzu.

Yugi reagierte rein gar nicht darauf - er zog sich zurück und suchte etwas in seiner Schultasche.

"Hier," sagte er und wand sich an seine Freunde wieder, "das ist für euch."

Mit diesen Worte reichte er jedem einen bunten Umschlag.
 

Der kleine Dani sah ihn verdutzt an. Es war, als ob sein Spiegelbild aus dem Spiegel rausgekommen wäre. Nur in anderen Klamotten.

"Wer bist du und warum siehst du genauso aus, wie ich?" fragte er verwundert.

"Ich heiße Mokuba. Mokuba Kaiba."

Und er reichte Dani die Hand entgegen.

Mokuba war selbst überrascht, dass sie sich so erstaunlich ähnlich aussahen. Sogar ihre Stimmen klangen fast gleich. Jetzt, nachdem er den Jungen nun gesehen hatte, verstand er, warum Korin so überrascht war, als sie sich zufällig in der Schule getroffen hatten.

"Ich bin Korins Stiefbruder," fügte er nach einer Weile hinzu.

"Sie ist weg," entgegnete Dani traurig und schaute weg.

Er hatte eindeutig Tränen in den Augen.

"Du bist zu spät gekommen."

Offensichtlich dachte er, dass Mokuba mit Korin reden möchte. Es war nicht sehr falsch, doch im Augenblick verfolgte Mokuba ein etwas anderes Ziel.

"Ich will mit dir über Korin reden," erklärte er.
 

"Eine Einladung?" riefen Joey, Tea und Tristan gleichzeitig auf. "Du brauchst uns doch nicht schriftlich einzuladen!"

Sie waren überrascht. Das war Yugi gar nicht ähnlich. Doch er lächelte sie nur verlegen:

"Ich dachte, es wird euch gefallen... Die Karten hab ich selber gemacht."

"Nein, nein," sagte Tea hastig, "sie gefallen uns. Wirklich!"

"Ja!" stimmte Tristan zu, "die sind sehr.. öhm.. hübsch."

Und er betrachtete seine bunt bemahlte Karte mit einem nicht gerade geschickt gezeichneten Koribo drauf. Auch Teas und Joeys Karten waren mit einer Duell Monster Figur geschmückt.

"Wir sind nur etwas überrascht," fügte Joey hinzu.

"Verstehe."

Yugi war etwas enttäuscht von der Art, wie seine Freunde auf seine mühsam vorbereitete Aktion reagiert hatten, aber er war keineswegs beleidigt. Das schwierigste hatte er schon geschafft, nämlich, Ringo einzuladen. Sie hatte zwar keine Karte bekommen, aber Yugi hatte wohl richtig angenommen, dass so was sie eher abschrecken und nicht gerade freundlich und redselig stimmen würde. Was sie eigentlich auch sonst nicht war. Auch Ryou – als einer seinen Freunde – hatte schon eine Einladung bekommen. Er hatte ihn während der letzten Pause aufgesucht und ihm die Einladung überreicht.

<Das wird ein schöner Freundestreffen,> dachte Yugi und fing an den Klassenraum ordentlich zu machen, <Mit einer tollen Überraschung. Hoffentlich, hat unsere Clique bald eine Freundin mehr.>

Seine Freunde hatten seine Handlung bemerkt und eilten ihm zur Hilfe, sodass sie bald mit dem putzen fertig waren.
 

"Korin!"

Es klopfte an der Tür.

"Wie lange brauchst du noch?"

Es war Marie.

"Komm rein," rief ich und wickelte mich in ein Handtuch.

Ich war grad dabei, mich abzutrocknen.

"Beeil dich ein bisschen," bat sie mich in einem genervten Ton.

"Wieso?"

Ich wickelte nun auch meine Haare in ein Tuch und schaute dann die nervöse Köchin fragend an.

"Soroke hat mir ausdrücklich befohlen dich bis 17 Uhr fertig zu machen," erklärte sie hastig und zerrte mich dabei hinter sich in mein Zimmer, "und es ist schon halb vier! Ich will nicht, dass du schon wieder in Schwierigkeiten gerätst."

"Lass mich!" sagte ich verärgert und befreite mich, "Ich bin kein Kleinkind!"

"Aber meine Nichte!.."

Die Köchin blieb stehen und vermied es mich anzuschauen. Sie war heute nicht sie selbst. Was war wohl passiert, während ich abwesend war?

"Ich hoffe," brach ich schließlich die Stille, "du erwartest nicht, dass ich mich dir vor Freude um den Hals werfe."
 

"Hat sie dir gesagt, wann genau sie das nächste Mal hierher kommt?" fragte Mokuba, dem eine unerhört dreiste Idee in den Sinn gekommen war.

"Leider nicht," entgegnete Dani, "aber sie hat es mir versprochen. Und sie hält ihre Versprechen immer."

Diese Tatsache erschwerte, natürlich, seinen Plan, aber wegen so einer Kleinigkeit gab er nicht auf. Sonst wäre er nicht Mokuba Kaiba.

"Hör mal, Dani," fing er an und grinste schelmisch.

Sein Herz hämmerte wild gegen seine Brust, er war total aufgeregt. Dani und er hatten sich sehr schnell befreundet, vor allem, weil sie im Grunde ein gemeinsames Ziel hatten, nämlich, dass Korin ihnen mehr Zeit widmete. Und, dass sie sich so sehr ähnelten, war eigentlich von großem Vorteil.

"Ich hab da eine großartige Idee," meinte Mokuba.

"Hm?"

Dani klang interessiert. Der junge Kaiba war ihm sympathisch, auch wenn er zu der Familie gehörte, die ihm Korin wegnehmen drohte. Aber, da sie beiden ihre Aufmerksamkeit suchten und dabei noch so ähnlich aussahen, konnte es vielleicht sogar sehr praktisch sein, sich zusammen zu tun.

In der kurzen Zeit, die Korin hier in Waisenhaus war – von ihrer Anwesenheit wusste nur er und jetzt auch noch Mokuba – erfuhr er ein bisschen über die Frau, die sie mitgenommen hatte, und über die Familie Kaiba, zu der sie scheinbar gehörte. Korin hatte die Geschichte nicht besonders ausführlich erzählt, doch Dani konnte mit Sicherheit sagen, dass Mokuba die Wahrheit sagte, als er behauptete, dass Korin seine Stiefschwester war.

"Wir beide wollen, dass Korin sich mehr mit uns beschäftigt," setzte Mokuba fort, "Du willst in ihrer Nähe sein, ich dagegen – sie näher kennen lernen."

Dani nickte.

"Doch du sitzt hier," er führte eine kreisende Handbewegung aus und meinte damit die Waisenhausgelände, "und musst auf sie warten. Ich habe die Möglichkeit, in ihrer Nähe zu sein, kann sie aber nicht ansprechen."

"Das stimmt," entgegnete Dani, "Und was schlägst du vor?"

Mokuba grinste schelmisch.

"Lass uns tauschen!"

Der Empfang

Es herrschte eine eisige Atmosphäre, während Marie mir beim Anziehen half und Frau Sutaki mir eine Frisur machte. Zu meiner feierlichen Ausstattung gehörte ein langes tiefgrünes Kleid, das mir bis zu den Knöcheln reichte. Der Stoff fiel elegant herab und darin eingearbeitete silberne Fäden glitzerten, so dass das Kleid eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Wasser bekam. Dann hatte ich noch eine kleine schwarze Handtasche und, natürlich, passende Schuhe mit spitzen Absätzen. Bei dem Anblick musste ich unwillkürlich seufzen. Und da es draußen schon ziemlich kühl war – Oktober näherte sich freilich dem Ende – bekam ich einen dunklen Pelzumhang, der aber nur meine Schulter bedekte. Soroke legte eindeutig einen hohen Wert darauf, dass ich sehr schick und präsentabel auf dem Empfang aussah.

Frau Sutaki war mir zwar wegen ihrer hektischen Art und etwas schlampigem Aussehen – blond, übergeschminkt und sehr vulgär angezogen - unsympathisch, aber sie verstand ihre Arbeit gut. Es stellte sich heraus, dass sie auch die Aufgabe hatte, mein Make-up zu machen. Als sie damit fertig war, widmete sie sich meinem Kopf. Meine Haare wurden schnell aus einem feuchtem Heuhaufen zu einer schönen, hochgesteckten Frisur umgewandelt. Einige Strähnen fielen über meine Schläfen herab und eine oder zwei waren sogar fast in meinen Augen.

"Die Frisur ist fertig," verkündete Frau Sutaki und besprühte meinen Kopf zum letzten Mal reichlich mit dem Haarspray.

Ich hustete leise. Unbedachte und schnelle Bewegungen waren für mich momentan das größte Tabu.

"Sehr schön," entgegnete Soroke, die plötzlich im Türrahmen stand, "Sie sind jetzt frei. Marie!"

Soroke machte eine schnelle Handbewegung, woraufhin die Köchin nur nickte und der Friseurin winkte, ihr zu folgen. Frau Sutaki verneigte leicht den Kopf, als lautloses Dankeschön, und verließ zusammen mit Marie das Zimmer.

"Ganz passabel," sagte Soroke, nachdem sie mich eine Weile betrachtet hatte, "komm runter, wir fahren gleich."

Danach drehte sie sich um und verließ den Raum.

Ich runzelte die Stirn. Kam es mir nur so vor, oder war Soroke heute tatsächlich aufgeregt und besorgt? Beziehungsweise, sie hatte ihre steinerne Maske fallen lassen. Na ja, was kümmerte mich schon ihr Zustand?

Ich ließ meinen Blick noch eine Weile im Zimmer umher wandeln, um sicher festzustellen, dass ich nichts wichtiges vergessen hatte, und ging dann vorsichtig die Treppe herunter. Das dauerte ziemlich lange, weil ich es nicht gewohnt war, auf solchen Schuhen zu laufen.
 

"Da bist du ja endlich!" rief Soroke ungeduldig auf, als ich zu ihr in die Limousine hereingestiegen war und mich ihr gegenüber setzte.

Soroke klopfte leicht an das kleine Fenster zwischen dem Salon und dem Fahrerplatz, und die Limousine setzte sich in Bewegung.

"Hier," sagte sie und reichte mir einen weißen Umschlag, "das ist deine Einladung."

Ich nahm den Umschlag entgegen und ließ ihn in meiner Handtasche verschwinden.

"Verlier sie nicht," ordnete Soroke an, "noch eine bekomme ich bestimmt nicht."

Ich schaute sie kurz fragend an. War es gerade eine Andeutung gewesen, dass es eine andere Einladung gab, die nun verschwunden war? Doch auch diesmal bekam ich keine Antwort.

Was wollte diese Frau letztendlich von mir?

Meine Gedanken kehrten, wie schon hundertmal in letzter Zeit, zu meinem Vater. Als einen Adoptiv- oder ja Stiefvater konnte ich ihn nicht ansehen.

Arituro hatte mir nie etwas über meine Mutter erzählt und jegliche Gespräche über Frauen überhaupt gemieden, nur ständig wiederholt, dass Soroke Yuka mich auf keinen Fall finden durfte.

War ich wirklich so dumm gewesen? Er sollte doch genau wissen, wer meine Mutter war, und wahrscheinlich auch das, was sie vorhatte.

Sogar in seinem letzten Brief hatte er mich vor ihr gewarnt...

Ich seufzte.

"Was ist?" fragte Soroke.

Mein abwesender Blick hing unwillkürlich an ihr.

"Wie glaubst du KC zu übernehmen?" entschloss ich schließlich offen zu fragen.

So wie es aussah, musste ich wohl oder übel Sorokes Spielchen spielen, und, wenn ich schon die Regeln nicht kannte, war es sehr von Vorteil wenigstens über Informationen zu verfügen.

"Ich bezweifle, dass du irgendwelche Dokumente besitzt, die dir diese Rechte geben."

"Alles ist einfacher, als du denkst!" antwortete Soroke seltsam sicher "Ich besitze den Testament, der eigentlich für jemanden anderen gedacht wurde. Ich muss nur den Name einschreiben."

"Für wen?"

Auf diese Frage konnte ich jetzt nicht verzichten.

"Für den jetzigen Besitzer des KC."

Meine Augen weiteten sich. Das war doch nicht möglich, oder? Soroke hatte offensichtlich meine Verwirrung und Überraschung bemerkt: sie lächelte mich nur kalt an. Das ganze war eindeutig sorgfältig geplant!

Ab jetzt fuhren wir schweigend.
 

"Ihre Einladung, bitte!"

Er reichte den weißen Umschlag dem Pförtner. Das war ärgerlich – er, der weltberühmte Seto Kaiba, wurde aufgefordert eine Einladung zu geben! Wie erniedrigend! Dieser Narr von Pförtner hatte ihn nicht mal angeschaut! Solch Unverschämtheit! Hätte er das getan, hätte er ihn sofort erkannt und dementsprechend behandelt.

Kaiba war nicht glücklich an solchen Veranstaltungen teilnehmen zu müssen, aber das war gut für die Firma – er knüpfte neue Kontakte und frischte die alten Bekanntschaften auf. Eine lästige, aber notwendige Arbeit.

Er hatte keinen Zweifel, dass auch Frau Yuka unter den Gästen sein wurde. Bei so einem Juweliergeschäft, über das sie verfügte, musste man an so manchen Veranstaltungen teilnehmen. Ihn überraschte nur die Tatsache, dass er sie bis jetzt weder gesehen, noch ihren Name gehört hatte. Als ob sie nie existiert hätte und erst vor kurzem aufgetaucht wäre.

<Blödsinn!> dachte der junge Firmenchef verärgert <So ohne Grund passiert gar nichts.>

Das Auto hielt an und die Tür seiner weißen Limousine wurde langsam geöffnet. Seto Kaiba stieg aus und begab sich in das riesige Gebäude.
 

"Ihre Einladung, bitte!"

Wir reichten dem Pförtner unsere Umschläge. Danach durften wir weiter fahren.

Der Grundstück war riesig – der Weg zu dem großen Gebäude führte durch eine Allee scheinbar uralter Bäume. Rechts hatte ich einen großen Teich bemerkt, stellenweise mit Wasserlilienblätter bewachsen. Im Sommer durfte es hier sehr schön sein.

"Du hast mir immer noch nicht verraten, warum ich dich unbedingt hierher begleiten sollte," fing ich an und schaute dabei Soroke in die Augen.

"Damit du die Welt kennen lernst, zu der du nun gehörst," entgegnete sie ruhig und hielt meinem Blick stand.

Die Limousine hielt an und die Tür wurde geöffnet. Soroke streckte ihre Hand langsam aus der Tür und erst, als der Mann, der die Tür geöffnet hatte, ihre Hand entgegen nahm und ihr die notwendige Unterstützung gab, stieg sie aus dem Wagen. Dabei schaffte sie es noch kurz zu mir herüber zu sehen und mich anzulächeln, als ob sie damit sagen wollte, dass ich ihrem Beispiel folgte.

Ich wollte schon auf meine Art und Weise das Auto verlassen, doch schon, als ich der Tür näher gerutscht hatte, merkte ich, in welch schwieriger Situation ich mich befand. Ohne fremde Hilfe konnte ich ein elegantes und ehrwürdiges Aussteigen vergessen. Da blieb mir wohl nichts anderes übrig, als doch dem Beispiel Sorokes zu folgen.
 

"Das hast du fein gemacht," flüsterte sie mir zu, während wir die Treppe hochstiegen.

Ich fand nichts besseres, als ihr darauf die Zunge auszustrecken.

Soroke lachte herzhaft auf.

"Sehr gut, mein Kind, sehr gut!" sagte sie etwas später.

Doch, was genau sie damit meinte, blieb mir verborgen.
 

Als wir die Treppe hinter uns gelassen hatten, eröffnete sich vor uns eine große, hell beleuchtete Terrasse. Die Tür ins Innere des Hauses stand offen, ich konnte sehen, dass es schon viele Menschen sich versammelt hatten. Einige von den Gästen waren noch draußen auf der Terrasse und rauchten, doch die meisten waren schon drin in dem riesigen Saal. Und fast alle hielten einen Glas mit heller, blubbernder Flüssigkeit in der Hand. Sekt.

Igitt. Ich verzog unwillkürlich mein Gesicht. Eine Sache, dass ich Soroke hierher begleiten musste, eine andere – Alkohol trinken. In meinem kurzem Leben hatte ich schon so einiges an Erfahrung gesammelt, was diese Art Getränke betraf. Und das waren nicht unbedingt die schönsten Erinnerungen. Seitdem war ich immer ziemlich vorsichtig.

"Frau Yuka! Was für eine angenehme Überraschung Sie hier zu treffen!"

Ein hochgewachsener, braunhaariger Mann eilte uns entgegen, nahm vorsichtig Sorokes Hand und küsste sie förmlich.

"Ach, Herr Detektiv," entgegnete Soroke höflich kalt.

Ihre Maske war wieder da.

<Detektiv?> dachte ich und versuchte gelassen zu bleiben <Was zum..?>

"Und wer ist diese entzückende junge Dame?" fragte der Detektiv und riss mich damit aus den Gedanken.

"Das ist meine Tochter," stellte Soroke mich vor, "Korin."

"Detektiv Inuki, sehr angenehm."

Zu meinem Glück hatte er nicht mal versucht meine Hand zu küssen, er ließ es bei einem Kopfnicken und Lächeln.

"Freut mich Sie kennen zu lernen," entgegnete ich kühl.

Plötzlich lachte Herr Inuki gedämpft auf. Soroke und ich beschenkten ihn mit fragenden Blicken.

"Eine gewisse Ähnlichkeit entgeht nicht!" erklärte er.

"Ich.." startete ich den Versuch dem Detektiv klar zu machen, dass ich gar nichts gemeinsames mit Soroke hatte.

Doch es erklangen die ersten Töne eines Walzers und mein Protest bleib unausgesprochen.

"Frau Yuka," wand sich Herr Inuki an sie und hielt ihr seine im Ellenbogen gebogene Hand entgegen, "darf ich bitten?"

"Mit Vergnügen," entgegnete sie, und sie entfernten sich ins Zentrum des riesigen Saales.

Der Detektiv und Soroke mussten sich schon von früher kennen, so vertraut und gleichzeitig vorsichtig gingen sie miteinander um. Als ob sie einander nicht nur ein Jahr kennen würden.
 

<Meine Güte!> dachte ich bei sich und begab mich kopfschüttelnd zu einem der unzähligen Fenster <Das hier ist ja reines Irrenhaus!>

Das Fenster war fast genauso hoch wie die Wand, und die schätzte ich ungefähr auf 3,5-4 Meter. Daneben standen ein paar lange, aber relativ schmale Tische, auf welchen verschiedene Imbisse und Sektgläser platziert waren.

<Das wird wohl ein langer Abend...> dachte ich und nahm ein von den Kanapees, das auf dem mir am nächsten Teller war.

"Korin?! Bist du es wirklich?" ertönte plötzlich eine mir bekannte Stimme.

"Ryou?" rief ich erstaunt aus und verschluckte mich fast, "Was machst du denn hier?"

Doch er schien meine Frage nicht gehört zu haben. Sein Blick war auf mich gerichtet – er betrachtete mich von allen Seiten. So langsam wurde es mir unangenehm.

"Du..." meinte er dann nach einer Weile, "du siehst bezaubernd aus."

"Ähm... danke." antwortete ich verlegen, "du siehst auch ganz gut aus."

Obwohl, wenn ich ehrlich sein musste, sah er in seinem hellbraunen Anzug eher ungewohnt aus, auch wenn dieser seine nussbraunen Augen noch extra betonte.

"Hätt’ ich’s gewusst, hätt’ ich dein Buch mitgebracht," scherzte Ryou, um eigene Verlegenheit zu verbergen, und lachte dabei leise auf.

Ich lachte mit ihm, und die für uns beide etwas peinliche Situation schien langsam zu verschwinden.

"Was machst du hier?" fragte ich ihn erneut.

"Ähm... Mein Vater ist ein Archäologe, und ich muss ab und mal an solchen Veranstaltungen teilnehmen," erklärte Bakura ausweichend und winkte ab, "Sponsoren und solch Kram, weißte."

"Aha." meinte ich nur.

So wie es aussah langweilte Ryou diese Veranstaltung genauso wie mich, wenn nicht noch mehr, da er anscheinend schon mehrere besucht hatte.
 

Sie war da, genau wie er es vermutet hatte. Frau Soroke Yuka war erschienen und tanzte mit einem unbekannten Mann den ersten Tanz dieses Abends. Doch - was für ihn eigentlich noch wichtiger war - sie war nicht allein erschienen. Ihre Tochter war auch da und unterhielt sich gerade mit einem weißhaarigen Jungen am Ende des Saales. Diese beiden Frauen waren nicht umsonst hier. Sie planten eindeutig einen Anschlag auf seine Firma!

<Ist das nicht einer von Mutous Freunden?> dachte Kaiba, als er sich den beiden näherte <Ach, ist doch egal!>

"Hallo," sagte er und setzte - nach einer kurzen Pause - verächtlich fort, "Schwester."

Die Überraschung war ihm sichtlich gelungen - Korin schaute ihn erst mal etwas verwirrt an, doch sie fasste sich schnell wieder: in ihren Augen blitze es gefährlich auf.

"Darf ich bitten?"

Er bat sie um einen Tanz – so konnte er sie zu einem Gespräch auffordern ohne sie dazu eigentlich zu zwingen. Die Frage blieb aber, ob sie darauf einging.

"Eigentlich nicht," entgegnete sie mit kühlem Lächeln, gab ihn aber trotzdem ihre Hand und ließ sich zu dem Tanzplatz führen.

Der weißhaarige Junge in braunem Anzug – Bakura war sein Name, wie sich Kaiba jetzt erinnert hatte – schaute ihnen verwundert hinterher.
 

"Aus welchem Loch hat dich deine Mutter denn herausgefischt?" fragte mich Kaiba arrogant und höhnisch, nachdem wir angefangen hatten zu tanzen.

"Du hast ja schon Schwierigkeiten auf denen," und er schaute kurz zu meinen Schuhen herunter, "zu stehen!"

Ich schwieg erst mal beleidigt und überlegte mir meine Antwort. Dabei konzentrierte ich mich auf die Tanzschritten – glücklicherweise hatte mir mein Vater seinerzeit auch diese Kleinigkeit beigebracht – und auf den vor kurzem erwähnten Schuhen.

"Ja, du hast Recht," fing ich langsam an, "das war ein Loch. Doch darf ich dich daran erinnern, dass du aus demselben Loch kommst?"

Nun war Seto an der Reihe zu schweigen.

Tja, manchmal die Wahrheit zu sagen war die beste Taktik schlechthin.

"Übrigens," ich beschloss ihm endgültig den Rest zu geben, "ich an deiner Stelle würde besser auf deine Firma aufpassen."

"Wer bist du, um mich zu lehren, wie ich meine Firma leiten soll??"

Er war merklich sauer.

Doch das berührte mich gar nicht. Momentan hatte ich die besseren Karten auf der Hand und es war mein Zug.

"Wenn du weiterhin so freundlich zu mir bist," sagte ich ironisch und lächelte ihn milde an, "kann’s sehr wohl passieren, dass du sie bald nicht mehr leitest."

Dabei griff ich unbemerkt in meine Handtasche und holte ein zusammengelegtes Blatt Papier hervor.

"Hier," sagte ich und steckte ihm das Papier in die Brusttasche seines Anzugs rein, "kannste behalten."

Kaiba hob unzufrieden eine Augenbraue hoch, doch er griff trotzdem nach dem Papier und las ihn kurzerhand durch. Ich genoss es sehr, die Veränderungen in seinem Gesicht zu beobachten, während er die Kopie aus Sorokes Safe las.

"Was soll das?" fragte er misstrauisch, "Warum gibst du’s mir?"

"Ach, weißte..." sagte ich und lächelte ihn geheimnisvoll an, "ich war glücklich in diesem Loch."

Dann löste ich mich von ihm und ging stolz und ohne mich umzudrehen weg.

Feuertaufe

Ich war stolz weggegangen und ließ Kaiba einfach alleine und verblüfft auf dem Tanzplatz stehen. Doch innerlich kochte ich. Die ganze Geschichte nervte mich allmählich. Sorokes gierige Machtpläne, Maries Verhalten, Schule, diese Veranstaltung und dieser arrogante Kerl, mit dem ich gerade eben einen Gespräch geführt hatte. Wie er mich doch aufregte!

Obwohl eigentlich, wenn ich’s mir recht überlegte, konnte Seto Kaiba für mich sehr nützlich sein... als Mittel, Soroke endlich loszuwerden.

Das war auch einer der Gründe gewesen, warum ich ihm die Kopie gegeben hatte. Ich hatte schon früher mit dem Gedanken gespielt, Kaiba einige Informationen preiszugeben. Ich wusste zwar nicht so genau, über welche er schon verfügte, aber es war für mich auf jeden Fall günstig ihn gegen Soroke zu stellen. Damit sie beide sich mit einander beschäftigten und mich endlich ich Ruhe ließen. Warum ich aber mich dazu gerade jetzt entschieden hatte, konnte ich nicht so wirklich erklären. Vielleicht, weil ich wütend war und Kaiba noch mehr reizen wollte. Vielleicht, weil ich Soroke, nachdem sie mich hierher geschleppt hatte und auch wegen versautem Freitagabend, zusätzlich schaden wollte. Vielleicht aber auch, weil ich spontan nach meinem Gefühl gehandelt hatte, ohne über Konsequenzen nachzudenken.

"Was hast du denn mit Kaiba?" ertönte plötzlich eine neugierige Stimme.

Ich zuckte kurz zusammen, so tief war ich in meinen Gedanken versunken, und drehte mich schnell in die Richtung, aus der die Stimme kam. Mein Blick traf zwei nussbraune, freundschaftliche Augen.

"Wieso hat er dich Schwester genannt?" fragte Ryou lächelnd.

Er schien trotz allem eine gute Laune zu haben. Der Glückliche!

"Ach, meine Mutter..." fing ich an, doch dann stockte ich.

<He? Will ich ihm jetzt etwa meine Seele ausschütteln?>

Ryou schaute mich neugierig und gleichzeitig auch so freundlich an, dass ich den Eindruck bekam, dass er eigentlich keine bestimmte Antwort von mir erwartete. Irgendwie war es ihm gelungen mich ihn gegenüber so zu stimmen, dass ich ihn nicht beleidigen wollte und deshalb Rücksicht auf ihn nahm.

"Nichts," sagte ich schließlich und winkte ab, "Vergiss es."
 

Der Tanz war vorbei, und sie gingen zu den bedeckten Tischen.

"Ich habe Sie lange nicht mehr in Domino-City gesehen," fing der Detektiv an und nahm einen Schluck aus seinem Glas.

"Ach, Herr Inuki!" rief Soroke kokett aus.

Er und sie waren tatsächlich alte Bekannte: sie kannten sich noch aus den Zeiten, als Soroke sich gerade zur Gosaburus Geliebte eingearbeitet hatte und er als Detektiv erst angefangen hatte.

"Es ist hier jetzt einiges anders, als damals," sprach der Mann weiter und kaute langsam an einem belegten Brötchen, "Zum Beispiel, die KC..."

Er wollte eindeutig auf etwas hinaus, doch Soroke verstand es noch nicht.

"Was ist damit?" stellte sie deswegen die überflüssige Frage.

"Sie haben eine schon erwachsene Tochter," wechselte Inuki plötzlich das Gesprächsthema, "Ich wusste nicht, dass Sie Kinder haben."

Soroke beschenkte den Detektiv mit fragendem Blick.

Dieses Gespräch gefiel ihr mit jeder Sekunde weniger. Sie musste aufpassen – Herr Inuki durfte nicht den Eindruck bekommen, dass er sie beunruhigte.

"Es ist viel ruhiger geworden, in der Stadt," setzte Inuki fort.

"Was wollen Sie damit sagen?" fragte Soroke mit unschuldiger Stimme.

"Es gab immer Ärger in Ihrer Nähe, Frau Yuka," sagte der Detektiv, ohne ihre Frage direkt zu beantworten, "Und ich bin mir sicher, in dieser Hinsicht hat sich nichts geändert."

Soroke überlegte, wie sie das Gespräch geschickt beenden konnte, ohne dem Detektiv auf irgendwelche Weise misstrauisch rüberzukommen. Doch sie konnte diesen Mann nicht so einfach ablenken oder in Irre führen. Er kannte sie gut - viel zu gut, wie sie leider einsehen musste, - um darauf reinzufallen.

"Doch ich pflege zu hoffen," meinte Herr Inuki und nahm einen weiteren Schluck Sekt, "dass Sie diesmal in keine verbrecherischen Aktivitäten verwickelt sind, Frau Yuka."

"Was lässt Sie so denken?"

"Die Raubzwischenfälle wurden häufiger genau zu dem Zeitpunkt Ihrer Rückkehr nach Domino," antwortete er diesmal direkt, "Abgesehen von einigen anderen Vorfällen, ist es unleugbar Arituros Stil. Und Sie, Frau Yuka, sind die letzte, die mit dem Meisterdieb gemeinsame Sachen gehabt haben."

"Wollen Sie mich etwa verhaften?" fragte sie spielerisch ernst.

Wie konnte sie ihm nur die Zunge losbinden, um dahinter zu kommen, wie viel und was genau er wusste? Dass Inuki schon von Anfang an an Arituros Fall gearbeitet hatte, war kein großes Geheimnis, doch nun konnte er mit seiner Untersuchung ihr heftig in die Quere kommen.

"Aber nein!" rief Inuki lächelnd auf, doch sein Gesichtsausdruck blieb ernst, "Ich will damit nur sagen, dass ich Sie im Auge behalten werde. Sie und Ihre Tochter."
 

Diese Korin! Unglaublich, dass er mit ihr verwand sein sollte!

Sie war fort! Einfach weggegangen.

Und dann noch diese Sache mit diesem Blatt, sehr beunruhigend.

Kaiba drehte sich um und spazierte in die entgegengesetzte Richtung. Sein Gespräch mit dem frechen Mädchen war zwar nicht so verlaufen, wie er es geplant hatte – aber was ging schon, wie geplant, in ihrer Nähe? - trotzdem hatte er einige unerhoffte Informationen bekommen.

Er konnte es sich nicht erklären, aus welchem Grund Korin ihm diese Kopie übergeben hatte, und es war, natürlich, nicht ausgeschlossen, dass das ganze nur eine fette Ente war, aber es hatte trotzdem einige seine Vermutungen bestätigt.

Frau Yuka, wer auch immer sie in Wirklichkeit war, wollte auf jeden Fall in Besitz der KC gelangen. Seiner Firma! Der Firma, die er selbsthändig von Gosaburu abgerungen hatte und dann mühselig aufgebaut und zu einem weltbekannten Konzern entwickelt hatte.

Er hatte von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Yuka und Korin in keiner warmen Beziehung zueinander standen. Allein die Tatsache, dass er Korin in einem Waisenhaus kennen gelernt hatte, sprach eigentlich für sich. Vielleicht, konnte er mit ihr doch irgendwie verhandeln?

Er las die Kopie noch mal durch. Wenn das ganze tatsächlich stimmte, hatte er ein Problem. Ein gewaltiges Problem. Er wusste nicht, über welche Dokumente Frau Yuka noch verfügte, aber, wenn er auch weiterhin tatenlos die Entwicklung der Dinge beobachtete, konnte sie ihm sogar mit diesem Blatt Papier das Leben schwer machen. Verdammt! Diese Frau war nicht zum aufhalten! Und, unglücklicherweise, konnte sie ihre Ansprüche juristisch begründen.

Doch, vielleicht, war seine Lage gar nicht so schwarz, wie es in dem ersten Blick erschien. Einerseits wollte Frau Yuka ihm seine Firma klauen, aber wie sah es wohl in ihren eigenen Geschäften aus? Er musste noch einiges recherchieren!
 

"Lass uns was essen!" schlug Ryou vor und nahm zwei von den im Stapel stehenden leeren Tellern.

Ich nickte, dankbar, dass er die Stille gebrochen hatte.

"Was möchtest du denn gerne?" fragte er und stellte sich als Kellner an.

"Gib mir einfach den Teller," meinte ich lächelnd und streckte meine Hand nach dem Geschirr.

Ich langweilte mich zum Tode, und er war eigentlich meine einzige Rettung. Sonst wäre ich schon längst gegangen, auch wenn ich sehr genau wusste, was mich danach in Sorokes Villa erwartete.

Plötzlich zwang mich irgendetwas mich umzudrehen: ich erblickte meine Mutter, die auf uns zukam. Herr Inuki war nicht mehr bei ihr.

"Wie ich sehe, kommst du ganz gut klar," sagte sie und lächelte süß.

Leise brummte ich ihr irgendetwas unzertrennliches entgegen, doch sie ließ ihre Maske nicht fallen. Nur tief in ihren Augen blitze es gefährlich auf. Das Gespräch mit dem Detektiv war wohl gar nicht gut gelaufen.

"Wer ist denn dieser junger Mann?" fragte sie, Bakura anschauend, "Warum stellst du uns einander nicht vor?"

"Das.." fing ich widerwillig an.

"Bakura ist mein Name," kam er mir unerwartet zur Hilfe, "Ryou Bakura. Und Sie sind Frau Soroke Yuka, wenn ich mich nicht irre, Inhaberin einer Juweliergeschäftskette."

"Ich bin beeindruckt!" rief Soroke fröhlich auf.

<Ich auch,> dachte ich und betrachtete Ryou genauer. Es war eindeutig derselbe Mensch, doch irgendwie war er trotzdem anders. Bakura wirkte nicht mehr so freundlich und nett, wie zuvor, besser gesagt, es war überhaupt keine Spur von Freundlichkeit mehr da. Seine Ausstrahlung war kalt, sodass ich mich fast fröstelte.

"Korin," wandte sich Soroke zu mir, "ich habe eine Bitte an dich."

Also echt! Sie war nur dann höflich und freundlich, auch wenn das nur gespielt war, wenn wir nicht alleine waren!

"Ja?" fragte ich reserviert.

"Mich interessieren die neusten Alarmsysteme," fing sie an, "und ich möchte, dass du dieses Information für mich besorgst. Die nötigen Personen sind hier aufgelistet."

Sie lächelte ihr süßes Lächeln wieder, was mich, natürlich, nur ekelte, und beugte sich zu mir.

"Falls es zu Problemen kommen sollte, sag einfach, du bist Gosaburus Tochter," flüsterte sie mir ins Ohr und drückte mir den Zettel in die Hand.

Doch der ironische Unterton entging mir nicht. Sie machte sich über mich lustig!

"Und du vertrittst..?"

Soroke wand mir den Rücken zu und beschäftigte sich nun weiter mir Bakura.

"Meinen Vater," entgegnete er höflich, "Er ist ein Archäologe."

"So, so. Ein Archäologe also," meinte sie nachdenklich, "Erzähl mir mehr, Junge."
 

Mir blieb nichts anderes, als mich von ihnen zu entfernen – einerseits hatte ich nun eine Aufgabe, anderseits hatte ich auch keinen Platz mehr bei dieser Konversation. Ich fühlte mich irgendwie... reingelegt. Kaum hatte ich gedacht, dass der Abend gar nicht so übel verlief, tauchte Soroke auf und verwandelte alles in Pech. Sie schien echt über einen Talent zu verfügen mir stets Schlimmes zuzufügen! Auch Bakuras Verhalten beunruhigte mich - kaum hatte Soroke ihn angesprochen, schien er zu einer ganz anderen Person geworden zu sein.

Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Oder?

Na ja, wie es dem auch war, ich hatte keine Lust meinen Kopf noch länger darüber zu zerbrechen.
 

In Bewegung las ich den Zettel durch. Die Liste war nicht lang – einige Herrennamen und ein paar Vermerke, was ihre Angebote anging. Es war Soroke gar nicht ähnlich, so einfache Aufgaben zu geben...

"Fräulein Yuka?" nahm ich plötzlich Stimme des Detektivs wahr.

Ich blieb stehen und drehte mich langsam um. Auch wenn diese Anrede mich ekelte, entschloss ich mitzumachen. Unnötigen Ärger mit einem Ordnungshüter konnte ich keineswegs gebrauchen.

"Herr Inuki," erwiderte ich mit einem höflichen Lächeln, "Wie kann ich Ihnen behilflich sein?"

Nicht weit von ihm bemerkte ich einen ungefähr 20 Jahre alten, braunhaarigen Jungen, der ebenfalls einen grauen Anzug trug. Und er schien sich mehr für das Essen zu interessieren, als für alles andere. Doch mir entging die gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden nicht.

"Sie besuchen doch die Domino High, nicht wahr?"

"Ja, wieso?" entgegnete ich etwas verwirrt.

"Darf ich ihnen meinen Sohn vorstellen?"

Herr Inuki schien ein professioneller Themenwechsler zu sein. Seine Fragen waren schwer einzuordnen - was hatte dieser Detektiv nur vor?

Er wies mir mit der Hand den Weg zu dem nächsten Tisch.

"Mein Sohn Max. Fräulein Yuka," stellte er uns vor, wobei der Junge mich nur sehr kurz desinteressiert angeblickt und genickt hatte.

"Oder soll ich Sie lieber mit Ringo ansprechen?" sprach der Detektiv mit gesenkter Stimme weiter.

"So heißen Sie doch in der Schule, nicht wahr?" fragte er, nachdem ich für eine Weile geschwiegen hatte.

"Nennen Sie mich doch einfach Korin!" antwortete ich schließlich und lachte gezwungen auf.

Dieses Angebot war eigentlich meine letzte Rettung. Was Soroke mit ihrer Arituro-ist-dein-Adoptivvater-und-du-bist-Gosaburus-Tochter-Aktion angefangen hatte, konnte jeden verwirren, geschweige denn einen Detektiv misstrauisch stimmen. Und ich durfte das Ganze jetzt, natürlich, ausbaden!

"Ihr Sohn ist nicht gerade höflich," sagte ich, eher Herr Inuki meine Antwort parieren konnte, "wenn ich das, natürlich, bemerken darf."

Dabei lächelte ich den Detektiv möglichst nett an.

In Wirklichkeit hieß mein Text nichts anderes als: lassen Sie das Namethema lieber in Ruhe.

Herr Inuki schien eine Weile zu grübeln, dann lächelte er mich fröhlich an, als ob er mir gratulieren wollte.

"Als Neueinsteigerin halten Sie sich unglaublich gut! Alle Ehre!"

Ich erwiderte das Lächeln und nickte. Dieser Detektiv verwirrte mich.

"Max," wand er sich seinem Sohn zu, "sei nett und unterhalte das Fräulein!"

Der Angesprochene drehte sich zu uns und beschenkte mich nun mit einem gründlicheren Blick.

"Darf ich bitten?" fragte er lächelnd und forderte mich zum Tanz auf.

<Muss ich hier etwa mit jedem einzelnen tanzen?> dachte ich beinahe panisch, ließ mich aber trotzdem zum Tanzplatz führen.

Donner(s)tag I

Der vergangene Abend schien nichts weiter als ein Alptraum zu sein, wenn nur mein ganzer Körper – und vor allem meine armen Füße und mein Kopf – sich dem unvermeidbaren Aufstehen nicht schmerzhaft geweigert hätten.

Nachdem ich mich von dem Sohn des Detektivs Inuki verabschiedet hatte, musste ich noch mit etlichen anderen Gästen tanzen, um an das bisschen Information heranzukommen, dass Soroke mir aufgetragen hatte zu bekommen. Hoffentlich, war das ganze Theater nicht umsonst gewesen!

Ich hob meinen Kopf hoch, aber er war so schwer, dass ich mich wieder in die Kissen fallen ließ. Ah, wie schön wär’s einfach im Bett zu bleiben und nichts zu tun! Doch ich musste aufstehen. Heute war Donnerstag und von Schule schwänzen war nicht mal zu träumen.

"Korin!" ertönte eine laute, weibliche Stimme. "Aufstehen!"

Da war sie wieder. Marie. Meine Tante.

"Das Frühstück ist fertig!"

Soroke war anscheinend schon längst weg, dass Marie es sich erlaubte so durch das Haus zu schreien.

"Ich komme schon..." brummte ich, ohne mich darum zu kümmern, ob Marie es gehört hatte oder nicht, und zog schnell meine Schulsachen an.

Darauf, dass die fürsorgliche Tante nach oben in mein Zimmer kam, hatte ich, ehrlich gesagt, kein Bock.
 

Nachdem Kaiba vor der Veranstaltung zurückgekehrt war, hatte er die ganze Nacht vor seinem Laptop durchgesessen, und jetzt war er müde und sauer. Sauer, dass er nichts, rein gar nichts gefunden hatte, was seine neue Feindin Frau Yuka kompromittieren konnte. Außer der Dokumentenkopie, die er gestern von seiner Stiefschwester bekommen hatte, und der Tatsache, dass Gosaburu ihr die Juweliergeschäftskette geschenkt hatte, war keine ihn interessierende Information da. Nur die üblichen Bilanzen, Geschäftspartnerlisten und anderer Krimskrams, was halt in jedem Unternehmen existiert.

Aber rein gar nichts über irgendwelchen Schwierigkeiten, illegalen Handlungen oder Mogelei. Nicht mal Gerüchte oder Fakte über Yukas Vergangenheit konnte er finden!

"Das gibt’s doch nicht!" flüsterte der junge Firmenchef verärgert.

Die Frau war doch kein Gespenst – sogar über die konnte man mehr Information finden! Sie war entweder übernatürlich vorsichtig oder Frau Soroke Yuka war ein klug ausgedachter Name, vielleicht von Gosaburu selbst. Doch wie erklärte man dann die Existenz von Korin? Das verfluchte Stück Papier bewies ihre Verwandtschaft mit der Familie Kaiba und begründete die Ansprüche auf die Firma.

Moment..! Da passte doch etwas nicht zusammen...

Seto stützte sich mit den Ellbogen auf die Tischoberfläche, faltete die Finger und verfiel im Grübeln. Als er das freche Mädchen zum ersten Mal getroffen hatte, nannte sie ihm einen anderen Namen. Wie war der noch mal..?

"Ringo!" fiel Kaiba wieder ein.

Er tippte den Namen schnell in seinen Computer ein und drückte die Enter Taste.

"..Ringo, Arituro, der berüchtigte Meisterdieb aus Domino City, vor 6 Jahren mysteriös verschwunden.." las Seto und verzweifelte langsam mehr und mehr.

Drei Familien – Kaiba, Ringo und Yuka, – von welchen die letzte gar nicht Real zu sein schien und die zweite war ihm bis vor kurzem auch nicht bekannt gewesen.

"Ein schönes Erbe hast du mir da hinterlassen, Gosaburu!" sagte der Firmenchef finster und fuhr den PC herunter. Es wartete noch viel Arbeit auf ihn in der Firma und auch in der Schule musste er sich blicken lassen.
 

Diesmal hatte ich nichts dagegen, in einem Auto zur Schule gebracht zu werden. Interessanterweise war es keine Limousine, sondern ein schlicht normaler, heller Wagen. Anscheinend hatte Soroke wichtige Geschäfte zu erledigen. Heimlich hoffte ich sie heute gar nicht zu sehen.

Der Schultag fing erst an und der Schulhof war voll mit Kindern verschiedenes Alters. Ich mischte mich unter die Schülermenge und erreichte bald meinen Klassenraum. Nicht dass ich mich auf die Schule gefreut hatte, aber alles war besser, als Soroke zu ertragen oder Maries Erklärungen und Entschuldigungen anzuhören. Beim Frühstück hatte sie es versucht mich erneut auf das Thema 'Arituro' anzusprechen. Als ob solche Gespräche was ändern konnten! Phe!

Ich setzte mich hin, für meine Mitschüler hatte ich nicht mal einen Blick übrig, und packte langsam meine Sachen aus.

Meine Gedanken waren total durcheinander. Von wegen ich gehörte zu der Welt der Reichen und Einflussreichen! Soroke hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Im Grunde genommen war der gestrige Abend für mich eine einzige Katastrophe. Vor allem die Anwesenheit vom Detektiv Inuki. Sein Sohn hatte mich nicht besonders beeindruckt, aber sein Verhalten beunruhigte. Wer einen Vater als erfolgreichen Detektiv hatte, war gefährlich. So lautete die Regel nun mal. Dieser Max konnte sich einbilden, dass er sich mehr erlauben durfte als alle anderen. Ich musste auf der Hut sein.

"Ach! Wenn das nicht die kleine Karategirl ist!" rief plötzlich eine höhnische Mädchenstimme aus.

"Futaya..." entgegnete ich genervt, ohne sie dabei anzuschauen. "Was willst du schon wieder?"

"Du bist viel zu freundlich mit meinem Ryou," meinte sie und stellte sich vor meinem Tisch. "Das gefällt mir nicht."

"Das ist dein Problem," antwortete ich ruhig, "Wenn dir etwas nicht passt, rede mit ihm selbst."

"Halte dich von ihm fern!" sagte Daina mit befehlerischer Stimme und viel lauter als es nötig gewesen wäre.

"Soweit ich weiß, gehört Bakura niemandem, was regst du dich so auf?" fragte ich kühl und würdigte sie endlich eines Blickes.

Bei dem Anblick drohte meine ruhige Maske an einem Lachanfall zu zerbrechen – das Mädchen war rot vor Wut und Aufregung. Ich fragte mich langsam, ob sie überhaupt bei Sinnen war.

"Sie hat Recht." ertönte plötzlich etwas gereizte Stimme Bakuras. "Könnte ich nun zu meinem Platz?"

"Ryou!" piepste seine Verehrerin, ging aber trotzdem einige Schritte beiseite. "Wann hörst du auf, mich zu Quälen, Liebster?"

Ich verdrehte die Augen. So ein Theater! Glaubte Futaya tatsächlich, dass sie durch solches Verhalten mehr Chancen bei ihm hatte?

Ich hörte, wie Bakura mehrmals tief durchatmete und wie seine Zähnen knirschten. Das Mädel ging ihm gewaltig auf den Geist, und irgendwie tat er mir leid.

"Gedulde dich, Futaya." presste er schließlich durch die Zähnen.
 

Auch Mokuba hatte in dieser Nacht kein Auge zugetan. Er wälzte sich von einer Seite auf die andere und konnte einfach keine Ruhe finden. Wie denn auch! In einer Woche wurde er in einer vollkommen anderen Umgebung sein, anstelle von Dani.

Sie beiden wollten mehr Zeit mit Korin verbringen zu können, und die verblüffende Tatsache, dass sie sich so ähnlich wie zwei Tropfen Wasser aussahen, verhalf Mokuba zu diesem verrückten Plan. Er wollte so viel wie möglich über seine Schwester herausfinden, und wo konnte er besser anfangen als in ihrem letzten Wohnort?

Jetzt musste er nur noch den günstigsten Zeitpunkt wählen.

<Wie gut, dass Seto in letzter Zeit so beschäftigt ist.> dachte Mokuba unwillkürlich und erschreckte sich bei diesem Gedanke.

War ihm seine mutmaßliche Schwester tatsächlich so wichtig geworden?

Mokuba schüttelte den Kopf und setzte sich im Bett. Die Nacht war lang, kein Wunder, dass ihn komische Gedanken heimsuchten.
 

Die erste Hälfte des Tages verging wie im Flug. Abgesehen von dem Vorfall mit Futaya am frühem Morgen, war es sehr ruhig. Sogar Ryou versuchte mir keinen Gespräch aufzuzwingen. Es schien, dass Daina und auch die restlichen Mädchen, bei denen er einen Gefallen fand, ihm einige Sorgen bereiteten. Schule war nun mal kein Leckerbissen, auch für gutaussehende und fleißige Schüler nicht.

Es klingelte zur großen Pause. Meine letzte war schief gelaufen, und ich befürchtete, dass die streitsüchtigen Mädchen, wie auch Shiro mich auch diesmal nicht in Ruhe ließen.

So nahm ich meine Sachen und begab mich in den Umkleideraum: der nächste Unterricht war nämlich Sport.

"Die Lehrerin ist immer noch krank.."

"Womit wird der Lehrer uns diesmal quälen?"

"Dafür, dass er so fies ist, sieht er ganz gut aus!"

"Bist du irre? Der alte Sack und gutaussehend?"

Die Mädchen aus beiden Klassen waren damit beschäftigt sich für den Unterricht umzuziehen, die letzen Neuigkeiten und ihre Befürchtungen auszutauschen. Die Stimmen wurden zwar etwas leiser, als ich hereintrat, doch schon bald beachtete mich keiner mehr.

<Sie haben meine Abwesenheit gestern wahrscheinlich gar nicht bemerkt,> dachte ich zufrieden.

Je weniger Anhaltspunkte ich hatte, desto sicherer fühlte ich mich. Lieber stritt und prügelte ich mich, als dass ich meine Freunde beschützen musste.
 

Bakura freute sich riesig auf den Sportunterricht. Schließlich konnte er sich austoben und seinen Zorn loswerden. Nur das eine bereitete ihm seit kurzem Sorgen: die Wette. Es war zwar notwendig gewesen, irgendetwas gegen den Mädchenschwarm zu unternehmen, aber seit es Ringo in der Klasse gab, drohte sein ausgeklügelter Plan zu scheitern. Hatte er je daran gedacht, dass es ein Mädchen gab, dass ihm eine Konkurrenz darstellen konnte? Nein. Und das ärgerte ihn am meisten.

Dadurch, dass Ringo so gut im Sport war, hatte sie den ganzen Mädchenschwarm gegen sich gestimmt. Es herrschte buchstäblich Krieg. Er musste eine kluge Entscheidung treffen.

Bakura wollte seinen Kopf darüber nicht zerbrechen, doch - auch wenn es ihm schwer fiel es zuzugeben – er war teilweise selbst Schuld an der jetziger Situation. Was hatte ihn gestört Ringo alles zu erklären?

Er seufzte.

Das ganze wurde mit jedem Augenblick komplizierter und drohte sogar außer Kontrolle zu geraten!

Er wusste, dass Ringo auf ihn nie hören würde, genauso dass sie keine einfache Schülerin war. Er hatte sie gestern auf dem Empfang genau beobachtet – nicht umsonst schlich er in die Yukas Villa rein, um die Einladung zu stehlen! – vor allem ihren vorsichtigen Umgang mit diesem Detektiv. War es denn möglich, dass sie..? Nein, er hatte noch zu wenig Information, um ihre Verbindung mit dem ihm misslungenen Diebstahl zu beweisen.
 

"Hallo, liebe Schüler!" rief der Lehrer gut gelaunt uns zu.

Er hatte noch zwei Helfer dabei. Es waren bestimmt welche Studenten, die in der Schule eine Praxis machten.

"Heutige Disziplin heißt: Weitsprung!"

Er redete nicht lange um den heißen Brei herum.

"Also – Hopp! Hopp!" er klatschte in die Hände, "Zwei Runden für das Aufwärmen!"

Die Schüler stöhnten auf, doch sie hatten gar keine Wahl, als dem Lehrer zu gehorchen.

"Das is’ne Sklaventreiberei!" schimpfte Joey.

"Ja." stimmte ihm Tristan im Laufen zu.

"Und Kaiba ist schon wieder nicht anwesend!"

Es war schwer zu sagen, worüber der Blondhaarige sich zur Zeit mehr aufregte.
 

Diesmal war es kein Wettlauf, trotzdem beobachtete Bakura, wie die gewisse Mädels sich anstrengten, um ihn aus den Augen nicht zu verlieren. Nur wenige, wie Tea oder Ayame, oder auch Korin rannten langsam, achteten auf ihren Atem. Plötzlich bemerkte er Shiro, der mit hoher Geschwindigkeit Ringo aufholte.

<Was geht hier in letzter Zeit nur vor sich?> wunderte sich Bakura in Gedanken.

Doch er beschloss trotzdem das Geschehnis im Auge zu behalten.
 

"Hei, Karategirl!" rief plötzlich jemand von hinten.

Wie es sich bald herausstellte, handelte es sich um Shiro.

"Was willst du, Shirolein?" fragte ich desinteressiert.

"Das mit meiner Bande.."

"Ich habe dir meine Meinung dazu schon oft genug gesagt." unterbrach ich ihn harsch.

"Ich kann deine Absage nicht tolerieren, Kleines." meinte Shiro.

Es ging um einen Prinzip. Er gab nicht jedem die Möglichkeit in seine Bande einzutreten, vor allem einem Mädchen. Eine Absage ohne Folgen kam nicht in Frage.

"Du hast schon genug Schwierigkeiten mit Asaka," entgegnete ich frech und beschleunigte mich.

"Lass Zane aus dem Spiel!"

Er holte mich wieder auf. Ich drehte meinen Kopf zu ihn und bemerkte Shiros breites Grinsen:

"Und tschüss..!" sagte er und wollte mich beiseite schieben.

Doch plötzlich änderte sich seine Miene, er stolperte und fiel auf den Boden.

"Pass doch auf, wo du hinfällst!" vernahm ich Bakuras verärgerte Stimme.

Als er mich passierte, zwinkerte er mir zu:

"Ich hoffe auf eine gute Leistung!"

Verdutzt blieb ich kurz stehen und drehte meinen Kopf nach hinten. Shiro stand gerade auf den Knien und schlug fluchend mit der Faust auf den Boden, aber seine Augen hingen Bakura im Rücken. Der Ausdruck darin versprach nichts gutes.

<Was ist denn das?> dachte ich, während ich die letzten paar hundert Meter bewältigte. <War das eben Bakura zu verdanken..?>
 

"Mädchen nach links, Jungs nach rechts," verteilte uns der Lehrer, nachdem alle angekommen waren.

Die zwei Sandgruben, in die wir springen mussten, waren fast nebeneinander, und bei jeder bildete sich nun eine Schülerreihe.

"Jeder hat drei Versuche," erklärte der Lehrer, und schon mussten wir springen.

"Asaka und Bakura springen," sagte er laut, "Futaya und Iteza bereiten sich vor!"

Ich beobachtete mit Interesse, wie der Weißhaarige geschickt den Anlauf nahm, sich kräftig kurz vor dem Ende der weißen Linie abstieß und einen gewaltigen Sprung demonstrierte. Unsere Blick trafen sich für einen kurzen Moment – Bakuras Augen funkelten im Eifer und er grinste siegessicher. Das war eine Herausforderung erstes Grades!

"Futaya und Iteza springen, Gardener und Kenjiro bereiten sich vor!" sprach der Lehrer laut weiter.

Donner(s)tag II

"Unglaublich! Hast du es gesehen? Ringo kommt Bakura schon wieder gleich! Nur ein paar Zentimeter liegen dazwischen!" tuschelten die Schüler.

Die meisten Schüler hatten ihre drei Versuche schon aufgebraucht, doch sie alle waren gespannt, wie der Unterricht ausgehen würde.

"Ringo und Tenbi springen!" rief der Lehrer aus und notierte die Werte von den letzten zwei Springern.

"Der letzte Versuch!"

Ich ging zum Anfang des Anlaufs, dabei vergaß ich nicht Bakura flüchtig anzuschauen. Der war seiner Sache sicher, doch ich würde dafür sorgen, dass ihm sein Lächeln schon sehr bald verging. Das konnte ich garantieren! Diesmal würde ich weit genug springen!

Der Kerl hatte mein Ehrgeiz geweckt.

Ich nahm Anlauf, doch kurz vor dem Abstoß spürte ich plötzlich, dass etwas unter meine Füße gelang, worüber ich dann stolperte. Ich fand mich in der Luft und eine Sekunde später mit dem Gesicht voll im Sand.

Die anwesenden Schüler brachen augenblicklich in lautem Gelächter aus.

<Verdammt!> dachte ich und stellte mich auf allen vieren.

Sofort musste ich meine Zähne zusammen beißen, um keinen Schmerzenschrei auszustoßen wegen dem höllischem Schmerz in meinem rechten Fuß und, gleichzeitig, um einen Schwall von Verwünschungen zu unterdrücken, der aus meinem Mund ausbrechen drohte.

Wer?! Dass das Geschehene kaum ein Zufall war, war ja wohl klar.

Ich setzte mich hin und umklammerte das schmerzende Fußgelenk.

Wer hatte mir diesen Streich gespielt? Etwa Bakura? Nein, allein schon die Vorstellung, dass er sich so tief sinken ließ, war mehr als lächerlich. Schließlich war er der Herausforderer. Außerdem, lag er sowieso ein paar Zentimeter vor mir.

Ärgerlich.
 

Ich ließ meinen Blick unauffällig umher wandern. Das, was ich sah, bestätigte meinen Gedanke – Bakura sah ziemlich finster drein. Die zwei Freundinnen – Asaka und Futaya – grinsten dagegen verdächtig zufrieden.

"Ringo, befreien Sie die Sandgrube," wandte der Lehrer zu mir, "und gehen unverzüglich ins Krankenzimmer."

"Einen Augenblick noch," entgegnete ich und stand langsam auf.

Schon bald aber musste ich einsehen, dass mein rechter Bein momentan nicht benutzbar war.

"Hier, nimm meine Hand."

Plötzlich stand Bakura neben mir.

"Du musst zum Arzt."

Er hielt mir seine Hand entgegen.

"Lass das!" flüsterte ich verärgert und hüpfte aus der Sandgrube. "Ich brauche keine Hilfe!"

<Doch nicht vor dieser Menge! Kapierst du denn gar nichts, du, Dummkopf?>

Innerlich flehte ich zu allen mir bekannten Gottheiten, dass Bakura endlich mit dem Unsinn aufhörte.

Wir beide hatten schon genug Ärger.

Wie war es nur dazu gekommen?

"Normalerweise hätte ich gesagt: wie du meinst," sagte Bakura überraschend ernst.

Seine Stimme klang ganz leise, beinahe flüsternd.

"Mit diesem Bein kommst du nicht weit."

"Hast du ’ne Ahnung..." entgegnete ich verärgert, da er unfehlbar meinen Zustand erkannt hatte.

Ich schob ihn sanft beiseite, indem ich mich von ihm abstieß, und hüpfte langsam weiter.

"Bakura, Ringo!" ertönte plötzlich strenge Stimme des Lehrers. "Ihr könnt ihre Auseinandersetzung beim Nachsitzen fortsetzen!"

Unterdrücktes Kichern ertönte von der Seite der anwesenden Schülern.

"Rikou!"

Der Lehrer rief Ayame zu sich.

"Begleiten Sie Ringo."

Das Mädchen nickte und eilte mir zu Hilfe.

Ich funkelte Bakura an. Seinetwegen musste ich schon wieder länger in der Schule bleiben. Wieso mischte er sich auch überall ein? Dann drehte ich mich um und ließ es zu, wenn auch ziemlich widerwillig, dass Ayame mir half.

"Du bist irre, Ringo," hörte ich Bakura mit tiefer Stimme mir hinterher sagen, "Irre stolz."
 

Bakura war außer sich. Schon zum X-ten Mal seit er Korin kennen gelernt hatte.

Dieses verfluchte Missstück!

Was fiel ihr eigentlich ein?

<Du bist ein Idiot, Ryou!> rief Bakura in Gedanken aus und forderte damit Ryou zum Erscheinen auf.

<Wieso hast du ihr deine Hilfe angeboten, du, Trottel?>

Hätte er es nicht getan, müsste er sich nicht – schon wieder – einmischen, um ihn aus diesem Schlamassel herauszuholen.

<Ich hab genug von dir und deiner Gutmutigkeit!> schrie Bakura seinen Körperpartner an. <Du bist zu nichts zu gebrauchen!>

Das Millenniumsring leuchtete für einen Augenblick sehr heftig auf, als wütender Bakura die Kontrolle über den Körper seinem Abbild übergab.

"Du bist so ungerecht..." flüsterte Ryou und eine einsame Träne lief ihm über die Wange.

<Du hast diese Rivalität unter den Mädchen selber herausgerufen,> meinte Ryou tapfer. <Du bist selbst Schuld! Korin ist ein nettes Mädel, wieso hast du sie in deine blöde Wette hineingezogen? Antworte mir, Bakura!>

<Halt die Klappe!> ertönte seine finstere Stimme. <Und hör endlich auf, dich ständig einzumischen!>

<Sie hat es nicht verdient. Ich hab’s satt, von verschiedenen Mädels in der Schule wegzulaufen!>

<Halts Maul, du, Schwächling! Ich hab eigene Pläne mit ihr!>

Damit war das Gespräch zu Ende. Bakura sperrte sich in dem Millenniumsring ein, so dass Ryou ihn mit seinen fürsorglichen Gedanken nicht mehr belästigen konnte.

<Es reicht mir schon, dass er sich mit dem Pharao und seinen Freunden abgibt!> dachte Bakura gereizt. <Es ist die letzte Zeit die Situation zum besten zu ändern..!>
 

Soroke saß in ihrer Limousine und war auf dem Weg zu der nächsten Filiale ihrer Juweliergeschäftskette. In der Hand hielt sie den Zettel mit Informationen, die Korin für sie gestern gesammelt hatte. Soroke musste zugeben, dass das Mädchen gar nicht so unbegabt war. Sie selber konnte es, natürlich, viel besser, aber Korin musste lernen, in der Welt der Reichen auszukommen. Sie musste stark wie Stahl und gefühllos wie Stein werden, erst dann war sie bereit, das Geschäft zu übernehmen und dann auch KC zu leiten.

Soroke lehnte sich zurück und schloss die Augen. Ach, es war eine schöne und zugleich auch eine sehr gefährliche Zeit, als sie Gosaburus Geliebte war.

Er wollte sie überlisten, indem er diesen Seto adoptiert hatte. Obwohl er von seiner Tochter wusste!

Soroke wurde erneut vom Zorn überfüllt. Wie konnte er so mit ihr umgehen? Dabei hatte er Korin schon anerkannt... Doch nein, der reiche Sturkopf brauchte einen männlichen Erbe!

"Verflucht sollst du, Gosaburu!" flüsterte Soroke zornig, "Und auf ewig in der Hölle sollst du schmoren!"

Dann brach sie in einem Gänsehaut bereitenden Lachen aus.

"Du dachtest mich aus dem Spiel geworfen zu haben, aber du hast dich getäuscht!"

Nachdem er sie herausgeworfen hatte, war die Welt für sie zerbrochen. Doch schon bald stand sie wieder aufrecht auf den Beinen, fest entschlossen KC zu übernehmen. Und diesmal standen ihr keine unnötigen Gefühle im Weg.

Wäre nur Arituro damals erfolgreich gewesen! Na ja, was er damals nicht geschafft hatte, wurde diesmal das Mädchen erledigen, das er für seine Tochter hielt. Welch Ironie des Schicksals!

Und schon wieder wurde der Salon von Sorokes Lachen erfüllt.
 

"Das war nicht gerade nett von dir, Daina!" sagte Shiro grinsend, als Rikou und Ringo weg waren.

Das blondhaarige Mädchen lächelte nur zufrieden.

"Und wenn sie sich rächt?" fragte Zane.

"Das wird sie nicht wagen," meinte Daina selbstsicher, "sobald ich Bakuras Freundin bin."

"Geschieht ihr auch recht," sagte Shiro und nickte, "Wurde schon Zeit, dass jemand etwas gegen sie unternahm."

Ihn ärgerte, dass der Kampf neulich so abrupt unterbrochen wurde. Und zwar von niemandem anderen als Mutou. Dieser jämmerliche Kartenwurm! Wenn’s der überhebliche Bakura gewesen wäre, hätte er sich nicht so sehr aufgeregt. Er hatte es nie für möglich gehalten, dass der Zwerg so viel Kraft besitzen konnte.

Zudem hatten ihn Ringo und Bakura mit ihrer Absage gedemütigt – zu seiner Zeit hatte er auch Bakura den Angebot gemacht, in seine Bande einzutreten. Der Weißhaarige hatte darauf nicht viel anderer reagiert als das arrogante Mädel. Nur, dass einer aus Shiros Bande einige Tage im Krankenhaus verbringen musste.

Shiro war eigentlich der Meinung, dass Karategirl und der teuflische Kerl einfach perfekt zueinander passten. Solange sie einander ärgerten, genossen die anderen - wie er und seine Freunde - die Ruhe. Außerdem hatte Ringo eine Abreibung verdient. Und wenn Futaya nicht die beste Freundin seiner Freundin wäre, hätte er sich schon längst überlegt wie er Bakura heimzahlen könnte.
 

Mein Fußgelenk wurde mit einem elastischem Band verbunden, so dass ich mich einigermaßen selbständig bewegen konnte. Doch die Schulkrankenschwester hielt es für nötig mich noch eine Weile im Krankenzimmer zu behalten, obwohl ich mir nur den Knöchel verstaucht hatte und es nicht weiter schlimm war.

"Ich hole deine Sachen," sagte Ayame leise und verließ den Raum.

Ich war eigentlich überrascht, dass sie die ganze Zeit, während die Krankenschwester mich behandelte, bei mir geblieben war. Sie hatte nichts gesprochen, nur gewartet.

<Komisches Mädel,> dachte ich, <sie sollte doch was besseres zu tun haben.>

Es klingelte zur Pause, und die Krankenschwester verließ ebenfalls den Raum. Ich genoss die Einsamkeit, bis Ayame mit meiner Kleidung wieder zurück kam.

"Danke," sagte ich, die Sachen annehmend, "das war nicht nötig."

"Red kein Quatsch!" rief sie freundlich aus und setzte sich auf den Stuhl.

Ich hörte auf mich umzuziehen und schaute sie fragend an. Alleine, ohne prüfenden Blicke der Mitschüler, war dieses Mädchen ganz anders.

"Mit deinem Bein kämst du eh nicht weit!" meinte sie und winkte ab.

Jetzt klang sie schon wie Bakura. Irgendwie unheimlich.

"Es war Futaya." sagte sie nach einer Pause. "Sie ist für deine Verletzung verantwortlich."

"Das weiß ich," antwortete ich resigniert und drehte mich um, um die Bluse anzuziehen.

"Sie und Asaka mit ihrem Freund Shiro terrorisieren die ganze Schule," sagte Ayame leise. "Und seit dieser Wette wegen Bakura ist es nur schlimmer geworden."

Ich drehte mich zu ihr und musterte sie prüfend. Es bestand kein Zweifel, dass sie ein bestimmtes Ziel verfolgte.

"Du hättest die Herausforderung Bakuras besser gleich ignorieren sollen," meinte sie seufzend. "Dadurch wäre dir jede Menge Ärger erspart geblieben."

"Wieso erzählst du mir das?" fragte ich leicht genervt.

Ich wusste auch so, dass es ein Fehler war, mich mit Bakura zu messen. Nicht, dass er stärker war oder so, nein, ich hatte nichts gegen einen gesunden Wettkampf. Doch, was uns beiden Spaß bereitete, ärgerte nun mal die anderen Schüler, vor allem diese verknallte Futaya. Eigentlich steckten wir beide bis zu den Ohren im Ärger.

Ich unterdrückte einen Seufzer. Es wurde langsam Zeit, dass ich etwas dagegen unternahm.

"Ich... ich..." Ayame fing plötzlich zu stottern.

"Du kannst sie nicht leiden, stimmt’s?"

Das war eigentlich so offensichtlich, dass ich mich dafür ohrfeigen konnte, es nicht gleich bemerkt zu haben.

"Das stimmt," gab sie nach einer Weile zu.

"Und du willst..?" hackte ich nach, eine Augenbraue hochhebend.

"Ich will dir einen Angebot machen." sagte sie etwas unsicher.

"Einen Angebot?"

"Ich möchte mich mit dir zusammen tun, um an Futaya zu rächen."

"Hmm..."

Das kam jetzt etwas überraschend. Sie machte nicht den Eindruck einer heimtückischen Person, doch anscheinend hegte sie genug Groll auf die Gruppe, um sich für so was zu entscheiden.

"Futaya und die anderen haben dir den Krieg erklärt," meinte Ayame ohne mich dabei anzusehen, "auch wenn du dich jetzt zurückziehst, lassen sie dich nicht mehr in Ruhe. Du wirst dich zu wehr setzen müssen..."

"Hmm..." ich grübelte.

"Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin zu so manchem fähig, was dieser Gruppe das Leben schwer machen kann," sagte Ayame und stand auf.

Ich packte meine Sportsachen zusammen und erhob mich ebenfalls.

"Du willst also Rache," stellte ich fest.

Ayame nickte.

"Die Chemiestunde fängt bald an," meinte sie lächelnd, "Lass uns gehen."
 

Er musste es schließlich einsehen. Er – der allmächtiger Kaiba – brauchte Hilfe eines Feindes, um einen größeren Feind zu bekämpfen.

Seto saß in seinem Bürosessel und schaute in die Ferne. Im Laufe des Tages war er zu der Einsicht gekommen, dass diese Yuka und Korin keine Partnerinnen waren. Er musste sich endlich einen wirksamen Plan einfallen lassen, wie er Korin auf seine Seite ziehen konnte.

Die Kopie, die er gestern von ihr bekommen hatte, konnte, natürlich, ein Teil der Verschwörung sein, aber er neigte dazu, dass Korin das Risiko auf eigene Hand eingegangen war.

Wieso nur? Welche Verbindung existierte zwischen ihr, dem Meisterdieb Ringo und seinem Adoptivvater? Dass Soroke Yuka es ihm nicht sagen würde, wusste er ganz genau. Sie war von der Sorte, die einen erniedrigten, ausspotteten und demütigten. Darauf hatte er keine Lust, außerdem war seine Zeit viel zu kostbar, um ordinäre Beschuldigungen anzuhören. Er konnte auch einfach einige Spam E-Mails öffnen, um sein Wortschatz zu erweitern.

Diese Idioten! Dachten sie tatsächlich ein Konzern, das mit Computertechnologien arbeitete, mithilfe einer E-Mail lahm zu legen?

Ein Lächeln erschien auf Setos Lippen und ein Gefühl der schlichten Überlegenheit breitete sich in ihm aus.

Schließlich drehte er sich weg von dem riesigen Fenster und drückte einen Knopf auf dem Telefonapparat.

"Sie wünschen, Herr Kaiba?" ertönte die angenehme Stimme seiner Sekretärin.

"Sagen Sie alle Termine am nächsten Donnerstag Nachmittag ab," sagte er.

"Wird sofort erledigt!"

"Und bitten Sie meinen Anwalt unverzüglich zu mir zu kommen."

Kaiba hatte sich wieder gefasst, sein Gehirn arbeitete wie eine gut eingeölte Maschine. Für das nächste Gespräch mit Korin musste er vorbereitet sein! Es wird ihr nicht gelingen, ihn noch mal zu überrumpeln!

Die Kriegserklärung

Ich bewegte mich halb auf Ayame stützend, halb hüpfend, doch es ging schneller voran, als ich dachte. Das Mädchen neben mir machte mich lächeln, es gehörte viel Mut dazu, was sie gemacht hatte. Es war ein Vergnügen, Geschäfte mit solchen Leuten zu machen.

Die Tatsache, dass wir keine Freundinnen waren - bloß kurzfristige Partnerinnen, - garantierte, dass ihr eigentlich keine Gefahr von Sorokes Seite drohte. Außerdem, langsam begann ich zu zweifeln, dass meine Mutter an irgendjemanden aus der Schule greifen würde. Doch es bestand immer eine Möglichkeit – sie war schließlich zu allem fähig.

"Danke, Ayame," sagte ich, als wir den Klassenraum erreicht hatten. "Ab jetzt komm ich alleine klar."

"Gut. Ich geh dann mal vor," meinte sie und zwinkerte mir zu. "Ich muss noch was vorbereiten."

Ich grinste und nickte leicht.

Das Mädchen begann mir zu gefallen. Wenn ihre Aktion erfolgreich war, konnte ich mit dieser Partnerschaft zufrieden sein.
 

Auf den ersten Blick war der Klassenraum leer. Doch, sobald ich ihn betrat, bemerkte ich sofort Ryou, der an seinem Platz saß.

Ich schnaubte kleinlaut und blieb erst mal stehen, aber er schien meine Anwesenheit noch nicht bemerkt zu haben. Im Moment hatte ich keine Lust auf eine Konversation, doch der Rucksack konnte mir schlecht entgegen kommen, so hüpfte ich langsam zu meinem Platz, um es zu holen.

"Wie geht’s deinem Fuß?" fragte er plötzlich, als ich meine Tasche schon in der Hand hielt und mich umgedreht hatte.

"Es geht." antwortete ich zurückhaltend.

"Weißt du, ich habe die Nase so was von voll!" seufzte Ryou.

Ich drehte mich langsam um und starrte ihn verwirrt an. Was war jetzt los?
 

"Yugi! Du siehst so besorgt aus!" rief Tea aus, als ihre Clique sich zu der nächsten Unterrichtstunde begab.

"Das ist wegen dieser Ringo?" sprach Joey seine Vermutung laut aus.

"Nein, nein..." entgegnete der Bunthaarige leise und konzentrierte sich auf seine Schritte.

"Das mit Bakuras Wette wird immer interessanter," meinte Joey fröhlich, die niedergeschlagene Laune seines Freundes ignorierend.

"Lasst den Kerl machen, was er will!" sagte Tea leicht verärgert.

Wegen dieser blöden Wette war die ganze Schule verrückt geworden. Wie war Bakura nur auf so eine dämliche Idee gekommen? Obwohl sie musste auch zugeben, dass die ständige Belästigungen von verschiedenen fremden Mädchen einem echt auf die Nerven gingen. Bakura kümmerte sie zwar wenig, Yugi aber umso mehr. Und seit Ringo aufgetaucht war, verhielt sich ihr Freund total merkwürdig.

"Mir tut nur Ryou leid." fügte sie noch hinzu.

"Ja, der Arme!" rief Joey aus, doch heimlich träumte er davon, von so vielen Mädels umschwärmt zu werden.

Er war schließlich ein ausgezeichneter Duellant, nicht schlechter als Yugi oder Kaiba. Dass der Großkotz ihm ständig ein Duell verweigerte..!

Joey ballte seine Hand in Faust und schwor – von Flammen umgeben und mit Tränen der Entschlossenheit in den Augen - bei der nächstbesten Gelegenheit den arroganten Firmenchef in einem Duell zu schlagen.
 

Yugi hingegen hatte ganz andere Sorgen, als sein hitzköpfiger Freund. Der Vorfall am Sportplatz gab ihm keine Ruhe. Was, wenn Korins Verletzung ganz schlimm war und sie...

Nein, daran wollte er gar nicht denken.

"Sie wird da sein..." flüsterte er und lächelte dabei.

"Hm?" Tea drehte ihren Kopf zu Yugi. "Hast du was gesagt?"

"Wer? Ich?" fragte Yugi unglaublich. "Nö."

Tea hatte ihn aus seiner Tagträumerei herausgerissen.

Er musste vorsichtiger sein, wenn er seine Freunde, insbesondere Tea, nicht verletzen wollte. Sobald sie Korin kennen lernten, würden sie seine Meinung teilen. Yugi hoffte, dass morgen Abend sein Freundeskreis um eine Person erweitert wird.
 

Ryou war beleidigt und genervt. Wegen Bakura war nun auch noch Ringo verletzt. Und das war wirlklich nicht das erste Mal, dass seinetwegen die anderen leiden mussten. Dieser verfluchte Grabräuber!

Als Benutzer seines Körpers, verteidigte Bakura ihn, aber wer war er für Bakura in Wirklichkeit? Nur ein Wirt, nichts weiteres.

Ryou wollte wieder frei sein! Keine Sicherheit der Welt kam der Freiheit gleich. Doch er war auch dessen bewusst, dass er Bakura nie los werden wurde, genauso wenig wie den Millenniumsring. Der Ring kehrte stets zu ihm zurück.

Verdammte Zwickmühle!

Ryou schaute auf und blickte in Korins silbergrauen Augen. Sie war imstande Yugi vom Pharao zu unterscheiden, ob sie wohl auch hinter seinem Geheimnis gekommen war? Verfügte sie über irgendein Wissen oder war das ganze einfach nur gut geraten?

"Schule, Mädchen, halt alles..." sagte er und seufzte erneut. "Wie ich das alles hasse!"

"Warum provozierst du sie dann ständig?" fragte Ringo.

Das war eine eindeutige Anspielung auf den Wettkampf unter den Mädels.

"Ähm, das.." stockte er.

Er konnte ihr schlecht sagen, dass das der geniale Einfall von Bakura, dem Grabräuber aus einem Millenniumsring, war, dem schon seit Jahrtausenden stinklangweilig war und er sich auf diese Art und Weise amüsierte.

"Das tut mir leid," sagte Ryou schließlich "Ich habe nicht nachgedacht."

"Ach ja? Ist besser, du fängst damit an." sagte sie und bewegte sich langsam zur Tür.

Korins Bemerkung war ungerecht, aber auch wenn sie die ganze Geschichte nicht kannte, schmerzte sie trotzdem.

"Kann ich meine Schuld irgendwie wiedergutmachen?"

"Lass mich einfach in Ruhe."

Dann fiel die Tür zu und das Mädchen war weg.
 

<Du bist jämmerlich, Ryou!> ertönte Bakuras finstere Stimme und bald materialisierte er sich vor ihm.

<Kann ich meine Schuld irgendwie wiedergutmachen.. nänänä> nachäffte er Ryous Worte. <Narr!>

Und er klatschte ihm eine Ohrfeige.

<Sieh zu, dass du mir mit Ringo nichts futsch machst!>

<Was hast du mit ihr vor?> fragte Ryou mit weinerlichen Stimme, seine Wange mit der Hand bedeckend.

<Geht dich nicht an.> stellte Bakura fest. <Halt dich einfach von ihr fern, alles andere erledige ich selbst.>

Danach verschwand er wieder.

Ryou war verwirrt. Was wollte dieser Geist letztendlich? Rache an Pharao? Weltherrschaft durch Millenniumsgegenstände? Spaß am Leben? Macht? Oder, vielleicht, alles zusammen?

Der junge Schüler seufzte und erhob sich langsam. Es hatte vor kurzem geklingelt, und er wollte nicht noch länger nachsitzen müssen.
 

Mit dem Jungen stimmte etwas nicht. Soweit war es mir klar. Er litt an Schizophrenie oder wie auch immer die Spaltung einer Person in mehrere Persönlichkeiten bezeichnet wurde. Doch irgendwie war das mir auch schon bekannt.

Ich saß im Chemieraum und grübelte.

Dieser Mutou.. wann hatte ich Yami und Yugi schon mal zusammen an einem Ort gesehen?

Ach, Quatsch! So lange kannte ich sie doch gar nicht! Ich sollte aufhören, mir solche Gedanken zu machen, wenn ich klaren Kopf behalten wollte. Und den benötigte ich, um Soroke zu überlisten und aus Domino überhaupt zu verschwinden.

Der Gang meiner Gedanken wurde abrupt vom Kichern unterbrochen. Ich sah auf und erblickte Futaya und Asaka, die fröhlich plaudernd den Raum betraten. Diese miesen Schlangen! Sie scheiterten daran, mich ehrlich zu schlagen, - für die beiden war die Bedeutung des Wortes 'ehrlich' höchstwahrscheinlich gar nicht bewusst, - und hatten deswegen zu hinterhältigen Methoden gegriffen.

Ayame hatte Recht – sie hatten mir den Krieg erklärt.

Apropos Ayame.

Ich ließ mein Blick umher gleiten und schon bald sah ich das Mädchen auch. Sie saß ganz vorne und las irgendetwas in einem Buch. Ich war gespannt, wozu sie fähig war.
 

Es klingelte, doch keine Lehrkraft war bis jetzt erschienen und die Schüler genossen die Zeit ohne Aufsicht.

Plötzlich ertönte ein schriller Doppelschrei. Alle blickten blitzschnell zu der Quelle herüber, um dann sofort im lauten Lachen auszubrechen. Futaya und Asaka waren schreiend von ihren Plätzen aufgesprungen und versuchten nun vergeblich einen weißen Schaum von sich herunter zu schütteln. Ich schaute genauer hin und erkannte, dass ihre Kleidung lauter kleine Löcher hatte. Der Schaum war also nur eine Tarnung gewesen.

Ich lächelte in mich hinein. Ayame hatte sich exzellent bewährt.

"Was ist hier los?" ertönte plötzlich strenge Stimme einer Lehrerin. "Asaka! Futaya!"

Die beiden Mädchen hörten augenblicklich auf zu zappeln und eilten zur Lehrerin.

"Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass Chemikalien kein Spielzeug ist?"

Sie suchte schnell einen Mittel aus, der die Ausbreitung vom Schaum und den darauffolgenden Löchern stoppte, sobald die Lehrerin beide Mädchen damit bespritzt hatte.

"Aber.."

"Das waren wir nicht.."

"Keine Ausreden!" unterbrach die Lehrerin das Stottern. "Als Strafe putzt ihr nach der Schule den Klassenraum hier!"

Die beiden Senkten ihre Köpfe und verschwanden im Nebenraum, um sich zu putzen.

"Geschieht denen recht!" meinte plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir.

Ich zuckte zusammen und drehte mich sofort um: es war, natürlich, Bakura. Wie leise war er zu seinem Platz geschlichen, dass ich ihn nicht bemerkt hatte? Und, vor allem, wann?

Er grinste mich zufrieden an, offensichtlich hatte er mit meiner Reaktion gerechnet. Idiot!

Ich setzte mich wieder richtig und versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Leider fiel es mir ziemlich schwer, teils wegen dem Pochen in meinem Fuß, teils aber wegen verschiedensten Gedanken, die meinen Kopf heimsuchten: von Ayames Rache bis zu Bakuras nussbraunen, kecken Augen. Wieso gelang es ihm immer wieder mich zu reizen und herauszufordern?

<Nicht mehr,> beschloss ich.

Ab jetzt würde ich ihn einfach nur ignorieren, als ob er gar nicht da war.
 

Nach dem Chemieunterricht kehrten wir alle in unsere Klasse zurück. Natürlich hatten die zwei Opfer versucht, den Verantwortlichen zu finden, und, natürlich, hatten sie keinerlei Erfolg bei ihrer Suche.

"Ich weiß, dass du es warst, Ringo!" zischte Asaka, zu mir herüber schauend, wagte es aber doch nicht, mir näher zu kommen.

"Das kannst du doch nicht beweisen!" meinte Uoza, als er an ihr vorbei zu seinem Platz ging.

"Ich brauche keine Beweise!" rief sie verärgert aus, "Sie war’s! Basta!"

Dann funkelte sie ihn an:

"Versuchst du sie etwa zu verteidigen?"

"Nein, nein, natürlich nicht!" entgegnete er hastig.
 

Die Zwei gaben keine Ruhe bis alle Unterrichtstunden schließlich vorbei waren. In diesem Zeitraum sprach ich zu Ayame nicht, Bakura ignorierte ich, wie beschlossen, nur hatte ich gewisse Zweifel, dass es so auch weiter gehen konnte, weil bald waren nur noch wir zwei in dem Raum. Und Futaya ließ keine Möglichkeit aus, mich daran zu erinnern:

"Gib’s zu, Ringo, du tust es mit Absicht!" rief sie mir von ihrem Platz zu "Nachsitzen ist nur ein Vorwand, um mit Bakura alleine zu bleiben!"

"Willst du vielleicht an meiner Stelle nachsitzen?" fragte ich lauter als nötig.

Daina fixierte mich mit den Augen.

"Ach! Stimmt..!" rief ich spöttisch aus. "Du musst ja noch den Chemieraum putzen. Wie scha~ade!"

Die Schüler, die noch in der Klasse waren, lachten auf.

"Sie wird dir noch den Mund stopfen, Futaya!" rief ein schwarzhaariges Mädchen, fröhlich gelaunt, aus, um dann mit ihrer Clique aus dem Raum zu verschwinden.

"Das wirst du mir büßen, Ringo!" zischte Daina, rot vor Empörung, und verließ ebenfalls den Raum.
 

"Puh!" meinte Ryou erleichtert. "Endlich ist sie weg."

Ich erwiderte nichts darauf. Ganz im Gegenteil. Ich setzte mich bequemer auf meinen Stuhl, nahm den Verband von meinem Fuß weg und genoss erst mal die kühle Luft. Dann streckte ich meine Hand nach meinem Rucksack und holte eine Tube Arnika heraus. Das war eine Salbe, die gegen Schwellungen, Prellungen und ähnlichen Verletzungen half. Was für ein Glück, dass ich sie schon von Anfang an in meine Tasche reingelegt hatte!

<Danke, Vater!> bedankte ich mich gedanklich.

Das war sein Verdienst, dass ich diese Salbe überallhin mitnahm.

Das leise Zufallen der Tür ließ mich meinen Blick hochzuheben. Ich hatte eigentlich erwartet, dass das der Lehrer war, der uns wieder irgendwelche Aufgaben brachte, doch es war Ryou, der mit einem nassen Lappen zurückgekehrt war.

Der Junge irritierte mich ständig. Dann war er ganz nett und hilfreich und man konnte sich mit ihm normal unterhalten, dann verwandelte er sich aber blitzschnell in einen gefährlichen Gegner. Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau.

Mittlerweile tat mir mein Verhalten beim Sport schon leid, Ryou hatte es eigentlich nicht verdient. Doch wurde ich denn nicht seinetwegen verletzt?

Ich seufzte kleinlaut.

Nicht nur Bakura hatte die Nase voll von der Schule und allem anderen.
 

"Tut’s noch weh?" fragte mich Ryou, während ich mein Fuß wieder verband.

"Was meinst du denn?" entgegnete ich widerwillig.

Wenn ich was bei dem Kerl gelernt hatte, dann das, dass er nie Ruhe gab. Es war einfacher eine einzige Antwort zu geben, als seine weiteren Fragen anzuhören.

"Du machst das sehr gut," bemerkte er, "Wo hast du’s gelernt?"

"Nirgendwo.." gab ich mürrisch zurück.

Doch Ryou schaute mich nur freundlich lächelnd an.

Ich seufzte erneut.

"Mein Vater hat’s mir beigebracht."

"Toll!" rief er beinahe neidisch aus "Meiner hat nie Zeit für mich..."

"Er ist ein Archäologe," sagte ich, ihn mit meinem Ton daran erinnernd, dass er mich gestern Abend eigentlich im Stich ließ.

"Ach, übrigens!" er schien auch noch einen Talent für Thema wechseln zu besitzen, "Hier ist dein Buch! Ich habe die Aufgaben für Hausarbeit vermerkt. Soll ich sie dir wieder erklären?"

"Danke."

Es war ihm wieder mal gelungen. Dabei hatte ich doch beschlossen, ihn zu ignorieren! Ich schüttelte leicht meinen Kopf, ein kaum merkbares Lächeln huschte auf meinen Lippen.

Dieser Ryou Bakura war ein Geheimnis, und wahrscheinlich war das der einzige Grund, wieso er mein Interesse weckte, wie eigentlich alles mysteriöse.

Eine Tasche voller Snacks

Es war das erste Mal, dass Yugi verschlafen hatte. Er hörte seinen Wecker und auch den Ruf seines Großvaters nicht, so dass dieser zu ihm hoch kommen musste, um ihn wachzurütteln.

"Steh auf, du, Schlafmütze!" sagte er und schüttelte seinen Enkel kräftig an der Schulter.

"Mhmmhhh.." gab Yugi mürrisch vor sich hin und drehte sich auf die andere Seite um.

"Frühstück ist schon fertig!" sagte Herr Mutou laut und versuchte Yugi die Decke wegzuzerren.

"Lasmisch.." murmelte dieser und kämpfte mit Verbissenheit eines Schlafenden um seine Decke.

"So geht das nicht!"

Sein Großvater war im großen und ganzen ein netter und verständnisvoller Mensch, doch auch seine Geduld kannte Grenzen.

Herr Mutou schaute sich im Zimmer seines Enkels um, bis er schließlich das Gegendstand entdeckte, wonach er suchte: das Millenniumspuzzle. Wieso lag es eigentlich nicht an seinem üblichen Ort?

"Großer Pharao," flüsterte der alte Mann, "das ist Dein Auftritt."

Dann schaffte er das Puzzle langsam Yugi um den Hals, wobei die scharfe Frisur ihm in seinem Vorhaben nur im Weg stand.

<Yugi!> rief der Pharao laut und öffnete vorsichtig die Tür, die zu seinem kleinen Freund führte <Dein Großvater ruft nach dir!>

Er befand sich in Yugis gedanklicher Sphäre, dass die beiden teilten.

Doch er erhielt keine Antwort. Yugi schlief schon wieder tief und fest, so dass es dem Größeren nichts anderes übrig blieb, als die Kontrolle über den Körper selbst in die Hand zu nehmen.

<Was mag er wohl träumen?> fragte sich Yami auf dem Weg zur Schule.
 

Unterwegs kehrte Yugi aus dem reich der Träume in die reale Welt zurück und übernahm seinen Körper wieder, tiefst überrascht und zur Erleichterung Yamis, da sie sich schon im Schuleingang befanden, ganz abgesehen davon, dass sie – wegen Yugis Schläfrigkeit und Yamis großartigen Stadtkenntnissen - schon die ersten zwei Stunden verpasst hatten.

Yugi hielt den Ausschau nach dem Stundenplan, um schnell herauszufinden, zu welchen Raum er sich begeben musste, als er plötzlich Ryou sah, der vor dem Stundenplan stand. Sein Freund bemerkte ihn sofort und winkte ihm zu.

"Was machst du denn hier so spät?" rief der Weißhaarige überrascht aus, als Yugi ihn erreicht hatte.

"Das wollte ich dich auch fragen!"

Ryou lächelte.

"Dieser Unterricht ist bei uns ausgefallen," erklärte er fröhlich.

"Hast du etwa verschlafen?" fragte Ryou und schaute seinen Gegenüber schelmisch an.

"Ja," gab Yugi etwas widerwillig zu.

"Gratuliere!" lachte Ryou freundschaftlich auf, "Es gibt immer ein erstes Mal!"

Dabei musste er unwillkürlich an einige Tage zurück denken, als er das erste Mal in seinem Leben nachsitzen musste.

"Danke für die Aufmunterung," gab Yugi etwas eingeschnappt zurück.

Sein Freund lachte nur darauf.

"Sag mal, Ryou..."

"Mhm?"

"Du hast ja gestern zusammen mit Korin nachgesessen..."

"Und?"

"Ist sie in Ordnung?"

"Meinst du ihre Verletzung? Ja, alles ist gut."

"Bist du sicher?" fragte Yugi besorgt.

"Ja, wenn ich’s dir doch sage!"

"Wirklich?"

Sein Gesprächspartner seufzte leicht genervt.

"Hör mal, Yugi, wieso kümmert es dich so sehr?"

Yugi schaute weg und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

"Bin ich’s denn nicht immer?"

"Viel zu führsorglich?" fragte Ryou. "Ja. Aber wenn ich dir sage, dass Ringo in Ordnung ist, dann stimmt es auch!"

"Aber.."

"Verdammt, Yugi!" der Weißhaarige verlor schließlich die Beherrschung, "Hör doch endlich auf! Das nervt, echt! Wenn du dir um sie solche großen Sorgen machst, dann besuch sie zuhause, doch lass mich damit in Ruhe!"

Yugi schaute seinen Freund schuldbewusst, aber gleichzeitig auch fragend an.

"Ja, sie ist heute nicht zur Schule gekommen..." sagte Ryou nach einer Weile, dann winkte er ab und lächelte seinen Freund erneut an, "Ich geh dann mal, es klingelt bald."
 

Das kam einem Wunder nah – Soroke hatte mich tatsächlich zuhause gelassen und krank für die Schule gemeldet! Aber wie gesagt, nur nah. Der Auftrag heute Abend musste trotzdem ausgeführt werden. Nicht, dass ich es nicht geahnt hatte, doch es war fies.

Auch nach einem erholenden Schlaf schmerzte mein Fuß immer noch und es bereitete mir gewisse Schwierigkeiten, mich wie üblich zu bewegen. Eigentlich durfte ich mein Fuß momentan gar nicht belasten. Doch ich wusste schon, wie ich diese Lage zu meinem Vorteil nutzen konnte: ich war heute nämlich zu Mutous eingeladen. Noch gestern hatte ich keine Lust mich dort blicken zu lassen, doch eine Chance Soroke zu ärgern konnte ich nicht verpassen!
 

Kaiba war schon längst in der Firma. Nach dem gestrigen Gespräch mit dem Anwalt, wurde er noch mehr davon überzeugt, dass er die Wissenslücken über Yuka und Ringo so schnell wie möglich füllen musste. Der gelehrte Idiot hatte ihn total enttäuscht – deswegen wurde er unverzüglich entlassen, – doch er brachte ihn auch auf einige Gedanken.
 

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~

"Sie haben drei Möglichkeiten, Herr Kaiba." sagte der Anwalt gedehnt, "Die ersten zwei sind mit einem gewissen Risiko verbunden. Sie können das Mädchen entweder erpressen, oder beseitigen. Oder auch..."

"Oder?" fragte der junge Firmenchef düster.

Der Gedankengang seines Angestellten gefiel ihm nicht.

"Oder Sie heiraten sie."

Kaiba starrte den Anwalt unglaublich an. Ehrlich gesagt, war er einfach nur baff.

Heiraten? Er? Kaiba? Sie? Diese freche und unverschämte Göre? Außerdem, war diesem unkompetenten Narr gar nicht in den Sinn gekommen, dass zwei Dinge heftig dagegen sprachen. Eigentlich waren es drei Dinge, wenn er’s sich recht überlegte: Frau Yuka, sein Stolz und dass Korin gar nicht volljährig war.

"Sie sind mit ihr nicht blutverwandt, es spricht nichts dagegen."

Das war anscheinend das einzigste, was dieser Herr dazu sagen konnte.

"Sie sind entlassen." meinte Seto mit eiskalter Stimme und stand auf.

Das Gespräch war beendet. Genauso wie die Karriere dieses Mannes als Anwalt.

Und Seto würde schon dafür sorgen, dass dieser Abschaum überhaupt je eine Arbeit bekam.

~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~ ~~
 

<Heiraten? Phe!>

Was fiel dem Trottel eigentlich ein, für wen hielt er sich? So was ihm – Seto Kaiba! - vorzuschlagen!

"Blut.." flüsterte er, plötzlich von einem Gedanke erleuchtet.

Die Kopie besagte zwar, dass Gosaburu seine Tochter anerkannt hatte, doch waren sie tatsächlich blutverwandt?

Kaiba nahm den Hörer:

"Wurde mein Wagen schon gereinigt?"

"Wie bitte?" meldete sich eine verwirrte Sekretärin.

"Meine weiße Limousine," sagte Seto und verdrehte entnervt die Augen, "wurde sie schon gereinigt?"

"Einen Augenblick, Herr Kaiba," entgegnete schnell die Frau, und er vernahm ein tippendes Geräusch.

"Nein, noch nicht," meldete sie sich etwas später, "aber sie ist auf dem Weg in die Autoreinigung."

"Sofort zurückziehen!"

"Aber..." stotterte die Sekretärin unsicher.

"Das ist ein Befehl." Kaiba schnitt ihr das Wort ab, "Gebt mir Bescheid, wenn mein Auto wieder da ist."

Dann legte er auf.

<Wieso behalte ich diese Frau eigentlich immer noch?> dachte Seto wütend.

Es war dieselbe Sekretärin, die es zugelassen hatte, dass Frau Yuka in sein Büro eindrang, außerdem fand sie immer etwas zum Widersprechen.

<Ach ja,> erinnerte er sich wieder und seufzte unwillkürlich, <sie ist die erste, auf die ich mich einigermaßen verlassen kann.>
 

Er war gerade auf dem Weg zu Mutous Kartenladen und passierte ein Juweliergeschäft, als ein vage bekanntes Geräusch seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

<Was ist das?> dachte Ryou.

<Ein Diebstahl, was sonst!> erwiderte der Millenniumsringgeist gelassen und materialisierte sich neben ihm.

<Komm, lass uns hier schnell verschwinden!> meinte Ryou etwas ängstlich, als Bakura den Körper gezwungen hatte halt zu machen. <Wir sind schon jetzt zu spät..>

<Pharao und sein Kindergarten werden wohl warten müssen,> entgegnete Bakura teuflisch grinsend, <Ich übernehme jetzt!>
 

Bakura erkannte das Geschäft – es gehörte Soroke Yuka, der Mutter von Ringo. Etwas an der Sache störte ihn allmählich, doch er bevorzugte seinen Kopf frei von verschiedenem Müll zu halten, das ihn nicht anging und zudem auch gar nicht interessierte. Außerdem – und nur das zählte - hatte es keine Auswirkung auf seine Pläne.

Ein Schatten huschte übers Dach. Bakura horchte auf. Er glaubte die Person hinter dem Gebäude heruntergesprungen gehört zu haben.

Der Dieb – wer auch immer sich hinter der dunklen Maske verstecken mochte – war ein echter Profi, das war nicht zu übersehen. Und eine weitere Konkurrenz wollte Bakura in seinem Revier nicht dulden. Es reichte ihm schon, dass er vor fünf Tagen in seinem Stolz heftig gekränkt wurde.

Die Person war flink und schnell, das musste er – wenn auch sehr widerwillig – zugeben: als er das Gebäude umging, fand er niemanden mehr.

<Wo steckst du nur?> dachte er bei sich.

Irgendwie amüsierte ihn das Ganze. Noch nie zuvor hatte er einen Dieb gejagt, stets war er der Gejagte.

Plötzlich hörte er ein leises Poltern hinter den Mülltonnen, als ob irgendjemand den Boden mit dem Knie berührte. Bakura drehte sich zu der Quelle und schritt langsam und vorsichtig näher.

Doch sein Gegner hatte nicht vor gehorsam auf ihn zu warten. Sie – er war sich nun darüber sicher, dass es hier um eine weibliche Person handelte, - sprang geschickt auf die Mülltonne, stieß sich ab und gelang erneut aufs Dach. Von da stieg sie mithilfe von Dachrinne herab und flüchtete auf die andere Seite des Zaunes. Während der ganzen Aktion hatte sie Bakura nicht mal eines Blickes gewürdigt, sie konzentrierte sich nur auf das Wesentliche, ließ sich von nichts und niemandem ablenken.

Bakura wollte ihr schon folgen, als er seine Aufmerksamkeit plötzlich ihrem rechtem Bein wand: es bestand kein Zweifel daran, dass die Diebin damit gewisse Schwierigkeiten hatte.

Bakura starrte ein.

Konnte es denn möglich sein, dass..?

"Ringo!" rief er ihr hinterher, "Bist du es?"

Seine tiefe Stimme hallte gegen die Wände. Das zwang die Diebin halt zu machen. Sie drehte sich blitzschnell um und fixierte die Stelle, wo er stand, mit den Augen. In dieser Dunkelheit konnte er unmöglich erkannt werden. Doch genau deswegen konnte er auch nicht sagen, ob die Person auf den Namen reagiert hatte oder eher von seiner Stimme aufgeschreckt wurde.

Bakura sprang auf den Zaun, doch, als er auf die andere Seite gelang, war die mysteriöse Diebin schon verschwunden. Man könnte beinahe schwören, sie hätte sich im Luft aufgelöst.
 

<Verflucht!>

Mein Herz raste wie verrückt, mein rechter Fuß schmerzte beinahe unerträglich. Das Erscheinen von diesem unbekannten Kerl hatte mich überrumpelt. Wer war er? Wegen meiner Verletzung musste ich zusätzlich aufpassen und konnte ihn deswegen nicht betrachten. Seine Stimme klang fast nicht menschlich und ließ das Blut in meinen Adern erfrieren. Woher kannte er meinen Namen?

Zum Glück war er entweder nicht geschickt genug, oder nicht wirklich darin interessiert mich zu fangen, so dass es mir gelang ihm zu entfliehen. Sorokes Auftrag war glücklicherweise schon vor seinem Erscheinen erfolgreich ausgeführt: die neue Alarmanlage auszutricksen war eine meiner einfachsten Übungen gewesen. Wurden die Ingeneure etwa zu wenig bezahlt, dass sie so einen Mist produzierten?

Ich nahm meine Maske ab und packte sie in meinen Rucksack, dann zog ich eine zu meinem Outfit passende dunkle Jacke an, die ich aus denselben Rucksack herausgeholt hatte und stieg von dem Baum, wo ich mich versteckt hatte, herunter. Ich befand mich in der Mitte eines Parks, bis zum Kartenladen war es nicht mehr weit.

Ich nutzte die Gelegenheit, um mein Atem und Herzschlag zum Normalzustand zu bringen. Meinem Fuß brachte es zwar nicht viel, dass ich mich jetzt wie eine Schnecke bewegte, doch das Gehen war nicht mehr so unerträglich.

Bald stand ich schon vor dem Laden.

"Hallo, Ringo!" hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme. "Das ist ja eine Überraschung! Bist du etwa auch eingeladen?"

Ich winkte begrüßend mit der Hand und nickte bestätigend.

"Bist du aber Partymäßig angezogen!"

Ich schaute Bakura fragend an. Erst, als er meine Kleidung mit dem Kopfnicken angedeutet hatte, verstand ich, was er meinte.

"Du hast ja meine Mutter getroffen..." sagte ich ausweichend, "Ich musste ausschleichen.."

"Aso.." sagte Bakura vielbedeutend, "Ich dachte du bist verletzt. Liegt dir etwa so viel an dieser Veranstaltung?"

Seine Stimme war plötzlich tief und finster geworden, so dass ich mich unwillkürlich frösteln musste. Sie klang wie gestern in der Schule bei dem Sportunterricht.

"Ich hab’s versprochen," entgegnete ich zurückhaltend, "Und ich versuch meine Versprechungen immer zu halten."

Plötzlich näherte er mir. Ich machte einen Schritt zurück, in der Hoffnung ihm ausweichen zu können, doch er war schneller:

"Und was hast du in dem Rucksack?" fragte er und legte seine Hand auf meine Schulter.

"Du bist heute äußerst neugierig, Bakura." meinte ich, seinen Nachnamen extra betonend, fasste sein Handgelenk um und zwang ihn sanft die Hand von meiner Schulter wegzunehmen.

Dann nahm ich mein Rucksack herunter, stellte ihn auf den Boden, kniete mich daneben, öffnete ihn und holte eine Tüte mit Chips und Nüssen heraus.

"Zufrieden?" fragte ich verärgert und schaute zu ihm hoch.

Streit unter Freunden

Bakura schaute zu mir herunter, ich las Verwirrung in seinen nussbraunen Augen.

"Sei doch nicht so feindselig, Ringo!" sagte er schließlich und lächelte sein freundliches Lächeln, "Ich war doch nur neugierig."

<Nur neugierig...> dachte ich, <Der ist heute aber komisch drauf...>

Doch laut sagte ich nichts, nur sah ihn noch mal prüfend an, bevor ich meine Tasche wieder zuschnürte und mich erhob.

"Dann lass uns reingehen," meinte Ryou und legte seine Handfläche auf die Eingangstür.
 

Das kleine Glöckchen klingelte, als die Tür langsam geöffnet wurde. Yugi eilte aus der Küche, die sich im ersten Stock befand, die Treppe herunter, um den Gast willkommen zu heißen.

"Hallo, Korin!" sagte er fröhlich und nahm die Tüte mit Snacks entgegen, "Es freut mich, dass du gekommen bist."

Das Mädchen machte eine bestätigende Kopfbewegung, doch plötzlich wurde sie sanft von hinten nach vorn geschoben:

"Hei, Yugi!" sagte Ryou gut gelaunt, als er Korin so weit geschoben hatte, dass er sich vor dem Gastgeber befand.

"H-hei..." antwortete Yugi, die Szene mit unglaublichen Augen beobachtend.

Hatte er sich vielleicht geirrt, was Korin anging? Wieso erschien sie zusammen mit Bakura? Und wieso ließ sie zu, dass er sie berührte? Er spürte, wie sein Herz schmerzhaft zusammen fuhr, als er den Gedanken zuließ, dass zwischen den beiden irgendetwas laufen konnte.

<Sie streiten sich doch ständig,> beruhigte er sich, <Korin hat für solche Jungs wie Bakura nichts übrig... Sie mag->

Yugi fehlte es an Mut diesen Gedanke zu Ende auszuführen. Er hatte schon die Ehre zu beobachten, mit welchen Blicken Korin Yami anschaute. Es war eine Mischung aus Verwirrung und Respekt, die sie ihm entgegen brachte. Wenn nur er so was bei ihr erzielen könnte..!

"Hei, Yugi!" ertönte plötzlich Joeys Stimme vom Obergeschoss, "Wer ist da gekommen?"

"Ist es Bakura?" fragte Tristan hinterher.

"Ja," antwortete Yugi und lud die beiden ihm nach oben zu folgen.

"Und.." er startete den Satz, als sie schon in dem Zimmereingang standen, wurde aber abrupt unterbrochen:

"Was macht die denn hier?" fragte Joey etwas feindselig und deutete auf Ringo.

"Ich habe sie eingeladen."

"Du hast sie WAS?!"

Tea, Joey und Tristan waren von ihren Plätzen aufgesprungen und schauten ihren Freund und das neben ihm stehende Mädchen mit unglaublichen Augen an.

"Ich dachte, es war Yamis Idee?" sagte Korin fast unhörbar.

<Du hast sie angelogen?!>

Yamis verärgerte Stimme ertönte wie ein Donner in Yugis Kopf. Yugis Herz machte einen Satz. Irgendwie war alles schief gelaufen.

"Wie ich sehe, bin ich hier unerwünscht," meinte Ringo und drehte sich um.

"Genau!" rief Joey streitsüchtig aus, "Verschwinde!"

Er hatte die erste Begegnung mit ihr nicht vergessen.

"Ähm, ich glaube, das war ein Fehler," meinte Ryou leise, als das Mädchen plötzlich innehielt.

"Wer bist du, um mir Befehle zu erteilen?" fragte sie mit eisiger Stimme.

Joey öffnete den Mund, um eine gebührende Antwort zu geben – schließlich hatte er genug Erfahrung im Wortwechsel mit Kaiba höchstpersönlich gesammelt, - doch alle Worte blieben in seiner Kehle stecken, als Ringo sich ganz langsam zu ihm drehte.

"Joey, bitte, leg dich mit ihr nicht an!" flehte Tea und legte ihre Hand auf seine Schulter.

"Ja," meinte Korin giftig, "hör brav auf deine Freundin."

Joey errötete augenblicklich und schüttelte Teas Hand weg.

"Grrr..!" knurrte er, "Du..!"

Das Mädchen lachte nur auf. Seine Wut schien sie zu amüsieren.

"Er explodiert gleich," flüsterte Tristan Ryou zu.

"Jep," nickte dieser, "das tut er."

"Das muss ein Ende haben!" rief Tea genauso leise aus, entfernte sich aber von Joey zu den anderen.

"Bist du ein Hündchen, dass du knurren musst?" fragte Ringo.

Sie hatte die Mühe eine Lachattacke zu unterdrücken.

"Nennst du mich einen Hund?"

Joey war tatsächlich einer Explosion nahe. Das Mädchen ging ihm gewaltig auf den Geist. Was bildete sie sich ein?

"Wuff-wuff," entgegnete sie lachend.

Tristan, Ryou und Tea glaubten, Joeys Gesichtsfarbe konnte sich nicht mehr ändern, doch sie wurden überrascht – das wütende Rot überging in Purpur.

"Du hast es so gewollt!" zischte er und holte sein Deck heraus, "Ich fordere dich zu einem Duell heraus!"

"Freunde!" rief plötzlich Yugi mit Verzweiflung in der Stimme aus, "Bitte, vertragt euch!"

Er hatte die ganze Zeit in der Tür gestanden, das Verhalten seiner Freunde hatte ihn zutiefst geschockt, so dass er sich für längere Weile nicht mehr rühren konnte.

Doch keiner von den Streitenden hatte ihn gehört.

"Du? Und duellieren?" rief das Mädchen ehrlich überrascht aus, "Ich kann mir einen besseren Zeitvertreib vorstellen."

"Willst du kneifen?" fragte Joey sauer.

"Weißt du überhaupt, worauf du dich da einlässt?" entgegnete Ringo.

Ihre Stimme, ihre Körperhaltung, so selbstsicher und gleichzeitig auch überlegen – das ganze erinnerte Joey doch stark an jemanden.

"Bist du etwa mit diesem Großmaul Kaiba verwandt?" fragte er unglaublich.

Plötzlich vernahm er eine blitzschnelle Bewegung und im nächsten Moment lernte er Korins Faust kennen.

"Sag’s noch mal und du bist tot, kapiert!" schrie sie ihn an, als sie ihn an die Wand presste.
 

<Yami, nein..!> rief Yugi aus, als er den Vorhaben des Größeren erraten hatte.

<Doch.> antwortete dieser bestimmt.

<Ab-aber...>

<Wir beide,> sagte Yami in verärgertem Ton, <reden später.>

Danach blieb Yugi einfach nichts anderes übrig, als ihm die Körperkontrolle zu überlassen.
 

"Es kann so doch unmöglich weiter gehen!" ertönte plötzlich Yamis einflussreiche und gleichzeitig auch vorwurfsvolle Stimme.

Durch meine Hand spürte ich, wie Joeys Körper sich kurz zusammenfuhr. Ich war offensichtlich nicht die einzige, die von Yamis Auftauchen überrascht wurde.

Wo kam er denn her? Ohne Wheeler los zu lassen, schaute ich mich schnell um. Tea, Ryou und Tristan standen ein wenig abseits und verfolgten das Geschehene mit unglaublichen Augen aus einer sicheren Entfernung. Doch wo war nun der kleine Yugi abgeblieben?

"Hört auf!" meinte Yami mit fester Stimme ganz neben mir und fasste sanft mein Handgelenk um.

Ich drehte meinen Kopf blitzschnell zu ihm. Yami schaute mich traurig und vorwurfsvoll an.

"Lass ihn los," sagte er leise, "Bitte."

Ich ließ ihn meine Hand von Joey wegnehmen. Der Blondhaarige atmete erleichtert durch und fuhr langsam die Wand herunter.

Innerlich wünschte ich mich von Yamis Einfluss losreißen zu können, doch egal welche Gedanken sich in meinen Kopf verirrten, ein Blick in seine violetten Augen reichte, um alles in der Welt zu vergessen. Das ärgerte mich, weil ich nicht imstande war meine Augen von seinen abzuwenden, und ich bewunderte diese stille Macht, über die er verfügte.

"Joey!"

Tea hatte sich wieder gefasst und eilte nun ihrem Freund zu Hilfe. Doch sie war gezwungen stehen zu bleiben, als Yami seine freie Hand als Stoppzeichen erhob.

"Mir geht’s gut," meldete sich Joey und wischte das Blut von seinen Lippen ab.

"Ich bitte um Verzeihung," meinte Yami ernst und schaute mich dabei noch fester an.

"Wie bitte?!" riefen Tea und Tristan gleichzeitig aus.

Yami erhob erneut die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.

"Dass du angelogen wurdest," setzte Yami ruhig fort, "Doch du ließ dich von Joey provozieren..."

"Sorry, Kumpel..." murmelte Joey vom Boden, der sich dadurch auch irgendwie angesprochen fühlte.

<Ich wurde angelogen?> dachte ich verwirrt, <Wie meint er das?>

"Es.. es tut mir leid," sagte ich nach einer Weile.

Ich musste einsehen, dass ich heftig überreagiert hatte, und es tat mir ehrlich leid. Doch es stand nicht in meiner Macht das Geschehene wieder rückgängig zu machen.

"Es war ein Fehler hierher zu kommen..."

Ich drehte mich zur Tür und verließ langsam das Zimmer. Das schien die beste Lösung zu sein.

"Warte!" rief Yami mir hinterher.

Seine Stimme zwang mich halt zu machen.

"Wir müssen reden."
 

Erst, als Yami zusammen mit Ringo in Yugis Zimmer verschwanden, stand Joey wieder auf. Er betastete vorsichtig seinen Kiefer. Das Mädchen hatte verdammt noch mal Kraft!

"Sie regt sich wegen Kaiba noch mehr als du!" rief Tristan aus und schritt Joey näher, um ihm bemitleidend auf die Schulter zu klopfen.

"Ja," meinte sein Freund und lächelte schief, "Dabei hielt ich’s nicht für möglich."

"Für die Neue weiß sie ganz schön über Kaiba Bescheid..." ließ Tea kopfschüttelnd eine Bemerkung fallen.

Tea seufzte und runzelte die Stirn. Yugi war eindeutig verrückt geworden, so ein Mädchen wie Ringo einzuladen. Sie kannte ihn schon lange genug, um behaupten zu können, dass er eigentlich keinen Unsinn machte. Er hatte sich in das Mädchen verschossen, das war die einzige Erklärung für sein Verhalten. Tea fand zwar, dass diese Korin gar nicht zu Yugi passte, aber sie wollte ihm auch nicht im Weg stehen. Sie waren gute Freunde, und gute Freunde mussten einander los lassen, damit jeder seine eigene Erfahrungen sammeln konnte.

Sie seufzte erneut. War sie überhaupt in der Lage es zu verkraften, eine andere an Yugis Seite zu sehen?

"Tut’s weh?" wandte sie sich schließlich Joey zu. "Komm, wir müssen Eis darauf legen."
 

Ich folgte Yami ins Nebenzimmer.

"Hör zu," fang er an, nachdem er sichergestellt hatte, dass ich mich auf den Stuhl hingesetzt hatte, "Das, was jetzt folgt, ist schwer zu glauben."

Er machte die Tür zu und drehte sich zu mir.

Ich hob eine Augenbraue hoch. Die Geschichte wurde mit jedem Moment verwirrender. Langsam begann ich es zu bereuen, heute überhaupt aus dem Haus rausgegangen zu sein.

Plötzlich leuchtete sein Pyramidenanhänger auf. Ich fragte mich heimlich, was das Leuchten der umgekehrten Pyramide auf sich hatte, weil seit Yami zwischen Joey und mir gegangen war schien der Anhänger zwar schwach, dafür aber ununterbrochen zu leuchten.

"Yami..?" fragte ich kleinlaut.

Doch es war nicht mehr er, der vor mir stand, sondern..

"Yugi?!" rief ich überrascht aus und starrte den Jungen an.

Nun verstand ich nichts mehr.

"Wie..? Wo..?"

Die goldene Pyramide leuchtete erneut auf, und ich schaute erneut in Yamis lilanen Augen.

"Was..? Was zum Teufel geht hier vor sich?" fragte ich erschrocken und sprang auf die Beinen.

"Das," sagte Yami und nahm den Anhänger mit beiden Händen, "ist ein Millenniumspuzzle."

Er näherte sich mir und zwang mich damit, mich wieder hinzusetzen.

"Insgesamt gibt es sieben Millenniumsgegenstände: Pyramide, Ring, Stab, Kette, Auge, Schlüssel und Waage." zählte er alle sieben auf, "Drei davon tragen sogenannte Millenniumsgeister in sich. Ich bin einer davon."

"Aha..."

Das war alles, was ich in diesem Augenblick über meine Lippen bringen konnte. War Mutou jetzt total verrückt geworden oder erwartete er tatsächlich, dass ich diesem Schwachsinn Glauben schenkte?

"Was für ein Trick steckt dahinter?" fragte ich leicht verärgert.

"Das ist kein Trick," entgegnete er ruhig, "Ich bin der Geist eines ägyptischen Pharao, der vor mehreren tausend Jahren regiert hatte und nun in diesem Puzzle wohnt. Yugi und ich teilen einen Körper."

"Willst du mich für dumm verkaufen?!" rief ich zornig aus und sprang erneut vom Stuhl auf.

Wenn das ein Witz sein sollte, konnte ich nicht mitlachen.

Yami seufzte.

"Joey hatte nicht Unrecht..."

"Wie meinst du das?"

"Du klingst wie Kaiba."

Meine Hand schoss augenblicklich durch die Luft. Doch kurz bevor sie seine Wange erreicht hatte, fang Yami sie problemlos auf.

"Ich will mit ihm nichts gemeinsam haben," sagte ich bestimmt, nachdem er mich eine zeitlang nur angeschaut hatte.

"Dafür musst du aber nicht gleich auf die anderen losgehen," meinte er mit freundlichem Lächeln und ließ mein Handgelenk los.

Ich spürte, wie sich meine Wangen rot anliefen. Ich senkte meinen Blick und setzte mich wieder hin. Plötzlich legte Yami seine Hände auf meine Schultern:

"Dieses Puzzle ist sehr wertvoll," sagte er leise, "Und das, was ich dir anvertraut habe, ist mein Geheimnis."

"Verstehe," entgegnete ich genauso leise.

Er ließ meine Schulter los und trat beiseite, als Zeichen dafür, dass unser Gespräch nun zu Ende war. Ich erhob mich, ging zur Tür, öffnete sie und verließ das Zimmer.
 

<Yami!> rief Yugi verzweifelt aus, <Was hast du nur getan!>

<Ich habe ihr die Wahrheit gesagt.>

<Aber wieso?>

Yugis Stimme klang weinerlich und erschreckt.

<Sie verdient es fair behandelt zu werden.> antwortete Yami ernst, <Sie wird mit der Wahrheit umgehen können.>

<Und was, wenn nicht? Was, wenn sie uns...> Yugi fehlten plötzlich die Worte.

<Nicht mehr mag?> erriet der Größere seine Sorge.

Yugi nickte verlegen.

<Hör zu, wenn du sie magst, stell ich mich dir nicht im Weg,> sagte Yami, <Doch sei eines bewusst: sie zieht dich nur an, weil sie sich von den anderen unterscheidet. Das ist was neues für dich und weckt deine Neugierde, auch Ehrgeiz.>

<Ab-aber...>

<Überleg dir meine Worte, mein Freund.> meinte der Pharao lächelnd, <Ich will nur das beste für dich.>

Danach verschwand er ins Millenniumspuzzle und ließ sein kleines Abbild mit seinen Gedanken alleine.
 

"Wheeler..!" rief ich ein bisschen unsicher, als ich die Küche passierte.

Der Blondhaarige saß auf dem Stuhl und hielt ein Eispäckchen auf seiner geplatzten Lippe.

"Das vorhin..." fing ich an, nachdem er den Blickkontakt mit mir aufgenommen hatte, "Das tut mir leid."

"Geht klar." antwortete er und winkte ab, "Ist halb so wild."

Ich nickte erleichtert. Ich hatte nicht vor ihn zu verletzen, doch so wütend wie ich war, hatte ich jede Kontrolle verloren.

Die allerwinzigste Spur

"Sag mal," fragte Joey plötzlich, "wieso bist du vorhin wegen Kaiba so ausgeflippt?"

"Ich kann ihn auch nicht ausstehen, weißte?" sagte er, nachdem ich nichts geantwortet hatte. "Er tut immer so arrogant und hielt sich für etwas besseres."

"Du scheinst ihn zu kennen." wich ich vom eigentlichen Thema ab.

"Oh, ja!" rief er teils mit Begeisterung, teils mit Empörung aus.

"Da hast du bei ihm auf sein Lieblingsobjekt gelangt!" ertönte plötzlich Ryous amüsierte Stimme hinter mir.

"Wir haben uns in der Königreich der Duellanten kennen gelernt, obwohl er eigentlich in dieselbe Klasse geht, wie Yugi und ich, doch der ist ja zu wichtig, um in die Schule zu gehen! Sein kleiner Bruder Mokuba ist ganz in Ordnung, aber dem Großklotz ist es in den Kopf gestiegen, dass er der Chef eines Weltkonzerns ist, ganz abgesehen davon, dass er sich für den besten Duellanten der Welt hält!" sprudelte Joey los.

"Aber mich würde es auch interessieren, was du gegen Kaiba hast," flüsterte Ryou, als er sich zu mir gebeugt hatte.

"Wie lange belauschst du uns schon?" fragte ich gereizt, aber leise genug, damit Wheeler keinen Verdacht schöpfte.

"Lange genug, um zu wissen, dass das stolzeste Mädchen in ganzem Universum sich doch noch entschuldigen kann."

Er grinste über die beiden Ohren.

Oh, wie gerne hätte ich ihm jetzt auf der Stelle diese Ohren langgezogen! Dieser freche Bengel!

"Hast du etwa Schulden bei Mutou?" fragte er listig.

"Das geht dich einen Dreck an," fauchte ich ihn leise an, "Genauso wie die Sache mit Kaiba!"
 

"Joey!" ertönte plötzlich Yugis Stimme, "Komm, du wolltest ein Duell mit mir!"

"Komme!" antwortete der Blondhaarige und sprang auf die Beinen.

Kurz darauf landete die Tüte mit dem Eis auf den Küchentisch, und Joey stürmte aus dem Raum. Doch, als er Bakura und mich passierte, griff er nach meiner Hand und zerrte mich schnell hinter sich her:

"Das musst du sehen!" sagte er voller Stolz, "Diesmal werde ich Yugi hundertprozentig schlagen!"

"Das will ich nicht verpassen!" meinte Ryou heiter, der uns folgte und damit mir die Möglichkeit nahm, mich vom Joeys Griff zu befreien und hier zu entfliehen.

<Die sind alle verrückt!> dachte ich und bereute erneut hierher gekommen zu sein.
 

Kaiba saß im Büro und kämpfte mit dem ihn plötzlich heimgesuchten Schluckauf. Man behauptete zwar, dass, um diesen loszuwerden, man nur die an einen denkende Person erraten musste, doch Seto war fest davon überzeugt, dass es hier nur um einen weiteren dummen Aberglaube handelte.

Er hatte den ganzen Tag gearbeitet, aber auch jetzt war kein Lichtstreifen in seinen Akten, Dokumenten und Files zu sehen. Doch er musste nun Schluss für heute machen, um sich einer wichtigeren Sache zu widmen.

<Ich werde der Sache auf den Grund gehen!> dachte er mit Feuer in den Augen, <Und wenn ich alles auf den Kopf stellen muss!>

Die Tatsache, dass er über das Geschehene keine Kontrolle hatte, friss ihn auf. Wie konnte er seine Firma verteidigen, ohne genau zu wissen, womit er hier zu tun hatte?
 

"Ich beschwöre das Schwarze Magier Mädchen!" rief Yugi laut und legte die Karte auf den Tisch.

"Ha!" entgegnete Joey siegessicher und drehte eine verdeckte Karte auf, "Wie gefällt dir das?"

"Eine Fallenkarte!" rief Tristan überrascht aus.

Ich verdrehte entnervt die Augen. Dieses Theater dauerte eine gewisse Weile – eigentlich schon zu lange - und ehrlich gesagt, bis jetzt war ich noch nicht dahinter gekommen, was genau an dem Spiel so fesselnd war, warum alle andere dies so leidenschaftlich verfolgten. Mich persönlich langweilte es.

"Kann ich kurz mit dir sprechen?" wandte sich plötzlich das einzige Mädchen in Mutous Clique an mich.

Ich nickte und folgte ihr aus dem Zimmer. An dem Kartenduell zwischen Joey und Yugi war ich sowieso nicht interessiert.
 

"Was führst du im Schilde?" fragte Tea, sobald sie und Ringo aus der Hörweite der anderen waren.

Es war unmöglich, dass ihr Befinden hier ein Zufall war.

"Was meinst du?" erwiderte Ringo und schaute sie irritiert an.

"Ich kenne Yugi schon sehr lange und ich hab’s noch nie erlebt, dass er jemanden heimlich einladen würde."

Tea beschloss ehrlich zu sein. Sie hatte sowieso das Gefühl, dass man mit diesem Mädchen lieber offen bleiben sollte.

"Aber dann tauchst plötzlich du auf, und er nimmt sogar die Schlägerei mit Joey in eigenem zuhause hin! Was willst du von ihm?"

Das Mädchen lächelte plötzlich, als ob sie etwas erraten hätte.

"Tea, du bist umsonst eifersüchtig," meinte sie ernst.

"Eifersüchtig?" unterbrach sie Korin, "Wer? Ich?"

Das Mädchen nickte bestätigend.

"Ich bin nicht an Yugi interessiert," versicherte sie Tea, "Das war seine Idee, dass ich hierher komme, und..."

Plötzlich stockte sie.

"Und?" hackte Tea nach.

Sie war schon zu weit gegangen, um jetzt einen Rückzieher zu machen. Sie hatte zwar Ringos Vermutung bestritten, doch tief in ihrem Inneren wusste sie sehr wohl, dass sie für Yugi mehr empfand, als nur Freundschaft.

"Ich habe ein Versprechen zu halten." antwortete Korin ausweichend.

"An wen?" ließ Tea nicht locker.

"Yami."
 

Das Handy bimmelte wie verrückt. Soroke schritt langsam zum Nachttisch, wo sich das kleine Gerät befand und nahm ab:

"Frau Yuka?" ertönte die panische Stimme eines ihren Mitarbeiters.

"Ich höre. Was gibt’s?" fragte sie leicht verärgert.

"Es wurde vor kurzem in eine Ihre Domino Filiale eingebrochen..." sprach der Mann hastig.

"Und?"

"Ich hielt es für Richtig, Sie darüber zu informieren..."

"Ach ja?" fragte Soroke nun wirklich verärgert, "Und was haben Sie sonst so unternommen?"

"Ei-eigentlich n-nichts, Ma’am..." stotterte er, "Es wurde nichts gestohlen. Nur eingebrochen."

"Sicher?" fragte sie nun mit mehr Interesse.

Ihr Zorn war wie weggeblasen. Das Mädchen hatte trotz ihrer Verletzung doch eine tolle Arbeit geleistet.

"Ja."

"Haben Sie schon die Polizei benachrichtigt?"

"Nein, noch nicht," ertönte aus dem Hörer die schuldbewusste Stimme, "Ich habe Sie zuerst informiert."

"Das ist gut. Ab jetzt kümmere ich mich persönlich darum." meinte Soroke und legte ab.

<Das läuft ja wie geschmiert!> dachte sie und lächelte zufrieden.

"Marie!" rief sie laut, "Marie!"

"Ich werde kurz wegfahren, hol meinen Chauffeur hierher!" befahl sie, als Marie in ihrem Zimmer erschien.

"Sofort," erwiderte die Köchin und verschwand im Korridor.
 

"Hey, wo sind denn die Mädels hin?" rief Tristan aus und schaute sich um. "Sie waren doch vor kurzem noch hier!"

Das Duell war vorbei, und beide Spielende räumten gerade ihre Karten auf.

"Keine Ahnung," sagte Ryou, "Vielleicht sind sie nach Hause gegangen?"

"Wie?" rief Yugi aus und drehte sich schnell zu ihm.

Dabei fielen ihm einige Karten aus der Hand.

"Ohne sich zu verabschieden?"

"Das war doch nur ein Scherz!" lachte Ryou kopfschüttelnd, "Dass du alles immer ernst nimmst!"

"Ganz Unrecht hat er aber nicht," ertönte plötzlich Ringos Stimme, "Ich muss gehen."

Sie stand im Türeingang, sich auf das Türrahmen angelehnt.

"Ach, da seid ihr ja! Ihr habt uns gar nicht zugeguckt!" rief Joey etwas beleidigt aus.

"Wir hatten was zu besprechen," erklärte Tea, die gerade an Korin vorbei ins Zimmer hereinkam, "Sag nicht, du hast wieder mal verloren!"

Darauf senkte der Angesprochene niedergeschlagen seinen Kopf und seufzte:

"Er ist nun mal der beste."

Doch dann lächelte Joey schon wieder munter und stolz:

"Und - mein bester Freund!"

Dabei legte er seinen Arm Yugi um den Hals und wuschelte seine Frisur wirr mit der Hand.

"Es war trotz allem nett euch kennen zu lernen," sagte plötzlich Korin und lächelte, "Doch ich muss gehen."

"Warte..!" rief Yugi aus und befreite sich hastig vom Joeys Griff, "Ich bring dich zur Tür."
 

"Geht’s denn nicht schneller?" fragte Seto unzufrieden, "Ich habe einen Termin."

"Es tut mir leid, Chef, aber der Verkehr..." versuchte der Chauffeur sich zu rechtfertigen.

Vergeblich.

Sein Vorgesetzter hatte extra den kleineren Wagen genommen, um auf den Straßen der Stadt manövrierfähiger zu sein, doch der abendliche Verkehr ließ besseres zu wünschen.

<Wieso liegt diese verdammte Klinik auch ausgerechnet mitten in der Stadt!> ärgerte sich der Chauffeur.

"Ich weiß, was Sie gerade denken," riss ihn sein Chef aus den Gedanken.

Sein Herz machte einen Sprung, sodass er beinahe eine Laterne gerammt hatte.

"Ich bezahle Sie fürs Fahren," setzte Kaiba kalt fort und nahm ein kleines Kästchen, das durch den Ruck herunter gefallen war, in die Hand, "Also, sehen Sie zu, dass wir in fünf Minuten am Ziel sind."
 

Yugi griff nach der Türklinke, doch dann hielt er plötzlich inne.

"Es tut mir leid, Korin." sagte er leise mit niedergesenktem Kopf. "Yami hatte Recht, ich habe dich angelogen. Ich wollte nur, dass du kommst... Doch alles ist irgendwie schief gelaufen."

"Lass es sein," antwortete ich und winkte mit der Hand ab.

Ich hatte keine Lust auf eine ausführliche Diskussion darüber, außerdem vielleicht hatte es doch was gutes an sich, dass ich an diesem Abend teilgenommen hatte.

Plötzlich viel mir etwas ein:

"Sag mal, Yugi, hast du ein Fahrrad?"

"Wie bitte?"

Meine Frage hatte ihn offensichtlich überrascht.

"Ein Fahrrad," wiederholte ich lächelnd, "Ich bräuchte eines für dieses Wochenende."

"Du willst mit deinem Fuß Fahrrad fahren?" ertönte plötzlich mir schon mehr als gut bekannte Stimme.

"Ich habe leider keins," sagte Yugi kopfschüttelnd.

"Du kannst aber meins haben," meinte Ryou und lächelte freundschaftlich.

Ich schluckte die Bemerkung, die mir auf die Zunge lag, mühsam herunter. Ich brauchte das Fahrzeug – zu hoffen, dass Soroke mir eins zur Verfügung stellte, war mehr als naiv.

"Ist gut," nickte ich.

"Dann lass uns gehen!" sagte Ryou und ging an mir vorbei in die Dunkelheit der Straße.

"Man sieht sich in der Schule!" verabschiedete ich mich von Yugi und folgte Ryou.
 

Das riesige Gebäude der Klinik überragte alle anderen Häuser in der Umgebung.

"Sie warten hier," sagte der junge Firmenschef düster, stieg aus dem Auto und begab sich zum Eingang.

Er hoffte wirklich, dass dieser Besuch nicht umsonst war. Wenn Seto Kaiba etwas richtig nicht ausstehen konnte, dann war’s die Zeitverschwendung.

Es war schon spät, und die Klinik schien wie ausgestorben. Seine Schritte hallten gegen die hohen Wände, als er den Flur überquerte und in einen von mehreren Korridors einbog. Das Gebäude war ein reines Labyrinth, zum Glück hatte er eine Wegbeschreibung dabei, so dass er sich bald vor der Labortür befand, die er gesucht hatte.

Kaiba klopfte zweimal an der Tür und ging dann ohne weiteres herein. Der Raum war riesig, weiß und sauber, in der Luft hing das spezifische Geruch von Medizin und Chemie. Doch sonst schien der Raum leer zu sein.

"Herr Makino?" fragte Kaiba laut.

Einige Sekunden später vernahm er ein leises Glasklirren und nähernde Schritte, bis der Mann – in weißem, aber schon beflecktem und durchlöchertem Kittel, runder Brille auf der Nase und mehreren Reagenzgläser in seinen Händen - endlich vor ihm stand und ihn verwirrt ansah.

"Sie wünschen..?" fragte der Mann schließlich.

"Kaiba, Seto Kaiba." stellte er sich förmlich vor. "Wir haben telefoniert."

"Kaiba... ja~a... ja~a..." meinte der Forscher gedehnt. "Dann zeigen Sie mal, was Sie da haben."

Er sprach langsam, sogar gelangweilt. Kaiba konnte das Gefühl nicht loswerden, dass der Doktor gleich einschläft.

"Ich habe leider nicht viel." antwortete Seto designiert und reichte dem Mann das kleine Kästchen.

"Schon die allerwinzigste Spur kann enorme Informationspotenziale verbergen, Herr Kaiba," entgegnete der Forscher belehrend, als er seine Reagenzgläser beiseite räumte, und nahm den Gegenstand entgegen.
 

Er war schon dabei, ins Bett zu gehen – die Woche war schwer, und auch die Geister der vergangenen Zeit wollten ihn nicht loslassen, als plötzlich das Telefon klingelte.

<Nicht mal am Freitag Abend kann man sich ausruhen!> dachte er verärgert und nahm ab.

"Detektiv Inuki am Apparat."

Doch es ertönte nur ein weibliches Lachen.

"Soroke?" erkannte er die Stimme sofort, "Was willst du?"

"Du hast dich gar nicht verändert..!" entgegnete sie immer noch amüsiert, doch dann wurde sie schlagartig ernst. "Es wurde vor kurzem in mein Geschäft eingebrochen. Nichts gestohlen, nur eingebrochen. Kommt es dir bekannt vor?"

"Ringo..." flüsterte der Detektiv.

"Wir treffen uns vor Ort in 20 Minuten," sagte sie und legte ab.

Inuki legte den tutenden Hörer zurück aufs Telefon und begab sich ins Wohnzimmer. Auf dem Weg schnappte er sich seine Hose, die er schon ausgezogen hatte.

<Ringo...> dachte er unglaublich.

Konnte es denn wirklich sein, dass nach so langer Zeit der Meisterdieb erneut zuschlug?

"Max!" rief er laut und öffnete die Eingangstür.

"Was?" ertönte etwas genervte Stimme der jungen Inuki.

"Keine wilden Partys in meiner Abwesenheit!" sagte er fest und schloss die Tür hinter sich.

Je älter der Junge wurde, desto mehr Schwierigkeiten bereitete er ihm.
 

Soroke stand auf und verließ ihr Arbeitszimmer.

Ein triumphierendes Lächeln lag auf ihren Lippen.

Die Falle hatte zugeschnappt.

Die nächtliche Falle

"Wir sind da," sagte Ryou und lächelte.

So langsam hatte ich mich daran gewöhnt und es regte mich nicht mehr so auf. Ryou hatte nun mal ein freundliches und frohes Wesen. Abgesehen von den Momenten, wenn er nicht er selbst war.

"Kommst du mit rein?" riss er mich aus den Gedanken.

Lächeln.

"Ich muss sowieso noch nach dem Garageschlüssel suchen."

Ein weiteres Lächeln.

Wie konnte er sich mir gegenüber so freundschaftlich verhalten? Nach all den Ereignissen? Meine Andeutungen, mich in Ruhe zu lassen, schien er gar nicht wahrzunehmen.

Ich trat in das zweistöckige Haus herein.

"Fühl dich wie zuhause," sagte Ryou und verschwand im Nebenzimmer.

Dafür, dass er hier alleine wohnte, sah es – wenigstens im Flur – ziemlich ordentlich und sauber aus.

Im restlichem Haus war es stockdunkel, deswegen folgte ich Ryou ins Zimmer, das sich als Wohnzimmer herausstellte. Mein Blick wurde sofort von dem riesigen Kamin gefangen genommen – Feuer hatte mich schon immer fasziniert, - aber auch das restliche Zimmer war geschmackvoll eingerichtet. Und eins konnte man nicht übersehen – hier wohnte ein Archäologe, dessen Leidenschaft ganz und allein Ägypten gehörte. Von verschiedenen Artefakten, Bildern, Keramik und Abbildungen von diversen Gottheiten und Pharaonen wurde mir irgendwie mulmig.

"Hier ist es," meinte Ryou und winkte mit dem Schlüssel in seiner Hand.

Ich atmete erleichtert durch, als wir das Haus durch die Hintertür im Flur verließen.

"Gefällt dir die Sammlung meines Vaters nicht?" fragte Ryou, als ob er meine Gedanken erraten hatte.

"Unheimlich," antwortete ich ehrlich, "Wie kannst du nur hier alleine wohnen?"

Der weißhaarige Junge lachte nur gutmütig und schließ die Garagentür auf.
 

"Wie lange dauert es?" fragte Kaiba ungeduldig.

"Nur Geduld, Herr Kaiba," entgegnete Makino, "das hier erfordert Zeit."

Der Forscher befand sich mitten in seinen Gerätschaften, Reagenzgläser und Pipetten. Wie schläfrig und desinteressiert er anfangs war, so schien er jetzt hellwach zu sein, er flatterte buchstäblich durchs Labor.

"Zeit..." murmelte Kaiba und beobachte den Forscher skeptisch bei seiner Arbeit.

Zeit war bei ihm wahrhaftig eine Mangelware.

Doch in jetziger Situation musste er Geduld üben, anderes blieb ihm nicht übrig, wenn er sich die Klarheit verschaffen wollte.

"Kann ich von hier aus ins Internet gelangen?" fragte er seufzend.

"Easy!" rief der Forscher aus, ohne sich von seiner Arbeit loszureißen, und winkte in Richtung seines PCs.

Seto, der sich nicht wirklich im klaren war, was genau Herr Makino mit seinem Ausruf meinte, schritt zu dem eingeschalteten Computer. In wenigen Sekunden hatte er schon die Verbindung hergestellt.

Während er im Labor gewartet und den Forscher beobachtet hatte, war ihm ein Gedanke gekommen. Da Arituro Ringo ein Meisterdieb war, dann existierten auch seine Akten auf dem Revier. Wenn seine Vermutung richtig war, sollte es nicht zu schwer sein, den Polizisten ausfindig zu machen, der sich mit diesem Dieb beschäftigt hatte. Und wenn er einst den Verantwortlichen gefunden hatte...

<Gesperrter Bereich.> las Seto.

Doch wer hatte behauptet, dass dies einfach wurde?
 

"Wohin willst du denn fahren?" fragte Ryou, "Mit deinem Fuß würde ich dir davon abraten."

"Das ist meine Angelegenheit, wenn du verstehst, was ich meine," antwortete ich ausweichend.

"Vollkommen."

"Das Fahrrad bekommst du spätestens Sonntagabend wieder, jetzt weiß ich ja, wo du wohnst," sagte ich und zwinkerte ihm zu.

"Darüber mach ich mir keine Sorgen," entgegnete Ryou ruhig.

"Nicht?" fragte ich, als ich schon auf dem Fahrrad saß, "Hast du etwa so viel Vertrauen zu mir?"

Bakura lachte plötzlich auf, doch dann wurde er schlagartig ernst, sogar seine Stimme veränderte sich – sie wurde tiefer, wirkte nicht mehr so unschuldig und naiv.

"Ich weiß, wo ich dich finden kann."

"Ist das eine Drohung?" fragte ich lächelnd.

Ich hoffte, dass er die wachsende Besorgnis nicht sah, die ich versuchte hinter meinem Lächeln zu verstecken.

"Nur ’ne freundliche Warnung!" entgegnete er ebenfalls lächelnd.

Doch diesmal war das ein unheimlich kaltes Lächeln. So langsam machte mich dieser Junge mit seinen ständigen Persönlichkeitswechseln nervös.
 

"Das ist eindeutig Ringos Stil," murmelte Inuki mehr zu sich selbst, als dass Soroke ihn deutlich hören konnte, "Unglaublich..."

Als er das Juweliergeschäft erreicht hatte, war Frau Yuka schon da. Er hat ihre Limousine sofort erkannt. Diese Frau hatte immer eine Schwäche für Luxus und Reichtum gehabt, zur Zeit ihrer Bekanntschaft stand sie schon an der Seite des mächtigsten Mannes in Domino-City: Gosaburu Kaiba. Es war Inuki bis heute noch ein Rätsel, was Frau Yuka, Herr Kaiba und den Meisterdieb miteinander verband, er konnte aus ihr nicht Schlau werden. Daran, dass Yuka mit Ringo gemeinsame Geschäfte hatte, bestand kein Zweifel, doch es war unmöglich das zu beweisen. Schließlich, etwa vor 6 Jahren, verschwand Ringo spurlos, wenige Jahren später wurde KC von Gosaburus Adoptivsohn Seto Kaiba übernommen und Soroke Yuka... von ihr fehlte auch jede Spur, bis er sie auf dieser Veranstaltung traf. Und mit ihr schien auch der Meisterdieb wiederbelebt zu werden. Plus – seit wann hatte sie Kinder? Beziehungsweise, wo hatte sie diese Korin die ganze Zeit nur versteckt gehalten?

"Was denkst du darüber?"

Ihre Frage riss ihn aus den Gedanken. Er schaute sie an und traf zwei erwartungsvolle Augen. Er kannte diesen Blick schon. Sie hatte sich nicht geändert. Sie war und blieb eine unübertroffene Schauspielerin.

"Was soll ich denn denken?" antwortete er ausweichend.

Es war ein Vorteil und ein Nachteil gleichzeitig, dass er Soroke so gut kannte. Er wusste, dass sie zu vielem Fähig war, doch die Jahre der freundlichen Bekanntschaft störten ihn sie objektiv einzuschätzen. Wie oft hatte sie ihn aus der Patsche geholfen, als er mit den verbrecherischen Aktivitäten der obersten Schicht in Domino nicht weiter kam? Dafür drückte er auf ihre kleine Spielchen ein Auge zu.

<Ein Idiot warst du damals, Inuki.> dachte der Detektiv, <Sieh zu, dass diese Frau dich diesmal nicht für dumm verkauft.>

"Das war eindeutig Arituro," meinte Soroke bestimmt, "Er will mir schaden. Er konnte mir meine Entscheidung nicht verzeihen."

"Welche Entscheidung?" fragte er.

"Mit Gosaburu zusammen zu sein." antwortete sie direkt.

<Du warst immer wie Wachs in meinen Händen, Inuki!> dachte Soroke amüsiert bei sich <Beiss an und verfolge die falsche Fährte, während ich meine Ziele verfolge! Wenn du Glück hast, findest du vielleicht sogar den Meisterdieb! Oder sein Grab!>

Äußerlich gab sie sich allerdings traurig und ängstlich aus:

"Was soll ich nun machen? Wie kann ich mich schützen?" fragte sie Inuki, "Wie kann ich meine Tochter von ihm beschützen?"

"Wessen Kind ist deine Korin eigentlich?" fragte der Detektiv direkt.

Soroke schwieg ein Augenblick. Das Thema musste schmerzhaft für sie sein. Sein Gewissen meldete sich bei ihm.

"Sie ist Ringos Tochter," sagte sie schließlich und senkte ihren Blick.
 

Seine Freunde waren nun auch nach Hause gegangen. Yugi blieb mit der Unordnung und seinen Gedanken alleine. Zwar hatte er erwartet, dass Yami sich materialisiert und ihm eine Predigt ließt, doch auch der Pharao zeigte sich nicht. Warum hatte er Korin nur das Geheimnis verraten? Das arme Mädchen hielt sie jetzt bestimmt für schizophren oder sonst noch geistlich krank! Wie kann er ihr jetzt in die Augen schauen!

<Das war’s.> dachte Yugi niedergeschlagen <Meine Freunde vertragen sich mit Korin nicht besonders, sie mag sie anscheinend auch nicht. Und Yami hat meine letzte Hoffnung mit seinem "sie verdient es fair behandelt zu werden" zerschmettert! Verflucht!>

Der einzige, mit wem sie einigermaßen klar kam, war kein anderer als Bakura selbstpersönlich. Und überhaupt - warum hatte er ein Fahrrad und er nicht? Dieser... dieser..! Es war doch Bakura, der das mit der Wette angefangen hatte, und plötzlich wurde Yugi klarer als klar, was seine wahren Absichten anging.

<Er ist scharf auf sie.> dachte er und ballte seine Hand zur Faust.

Der Millenniumsgeist hatte anscheinend auch Gefühle. Was auch immer ihn an Korin reizte, das versprach nichts gutes. Und das arme Mädchen wusste nicht mal, in welcher Gefahr sie sich befand!

<Ich muss sie im Auge behalten. Sie und Bakura.> beschloss Yugi <Momentan ist es das einzige, was ich machen kann.>
 

Ich fuhr langsam durch die Straßen der nächtlichen Stadt und merkte mir den Weg zu Bakuras Haus. Schließlich musste ich das Fahrzeug auch zurück geben. Oder sollte ich es vielleicht behalten? Ich lachte gedämpft auf. Das wäre eine gute Lehre für den frechen Bengel. Doch dann wurde ich schlagartig ernst. Was meinte er eigentlich mit seiner freundlichen Warnung? Was bedeutet, er wüsste, wo er mich finden kann? Das Befinden von Sorokes Villa durfte wohl kein großes Geheimnis sein.

Dieser Ryou Bakura! Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm! Was führte er im Schilde? Was hatte es mit seinem Persönlichkeitswechsel auf sich? Warum war er dann freundlich und nett, dann böse und furchteinflößend? Welches Geheimnis steckte dahinter? Fragen über Fragen... doch die wichtigste aus allen: warum zum Teufel interessierte er mich?

Ich seufzte und machte einen Halt. Mein Fuß hatte angefangen wieder schmerzhaft zu pochen. Ob ich mein Vorhaben morgen überhaupt durchziehen konnte? Ich schüttelte meinen Kopf. Es war keine Frage des Könnens. Ich musste es tun. Mein Vater hatte mir einen Hinweis hinterlassen, und ich konnte ihn nicht ignorieren. Die Situation, in der ich mich befand, erlaubte solches Verhalten einfach nicht.

Ob Soroke mir das Wochenende frei geben würde? Ich hatte zwar den Auftrag erledigt, doch meine Verspätung wird sie sicherlich nicht erfreuen. Und das Fahrrad musste ich auch noch sicher verstecken.
 

Es piepste aus allen Seiten. Seto schaute sich mürrisch um: sogar der Rechner vom Herrn Makino schien irgendwelche Laute von sich herzugeben.

"Was soll das?" fragte der Firmenchef laut, als er den Forscher selber nirgends entdeckte.

"Ein Treffer!" ertönte die Stimme des Herrn Makino und seine Gestalt erschien neben dem Tisch, wo noch Kaibas Kästchen drauf lag.

"Ein Treffer, hm?" wiederholte Kaiba und näherte sich dem Forscher.

"Mal seh’n, mal seh’n..." murmelte Herr Makino und suchte den Papierberg durch, den sein Apparat im Laufe der Zeit ausgespuckt hatte.

"Also..?" herrschte ihn der ungeduldige und von langem Warten genervte Firmenchef.

"Die x und die y gehören eindeutig zusammen!" erklärte Makino. "Genauso wie x und z."

"Also doch wahr..." flüsterte Kaiba.

"Wenn Sie allerdings etwas mehr Stoff und Geduld hätten..." fing der Forscher an, wurde aber harsch von Kaiba unterbrochen:

"Vernichten Sie das ganze!" befahl er in einem keine Widerreden duldenden Ton

Der Forscher schluckte herunter und nickte.

"Und – wir haben uns heute nie gesehen."

Der Forscher nickte erneut und verfolgte den jungen Firmenchef mit den Augen, als er sein Labor verließ.

Kaiba schritt durch den Korridor, sein Mantel flatterte hinter ihm.

<Die x und die y gehören eindeutig zusammen! Genauso wie x und z.>

Das Gesagte hallte in seinem Kopf.

Verdammt!

Das ganze war keine Ente und nicht gelogen! Im Gegenteil! Das ganze war WAHR!! Korin war tatsächlich Gosaburus und Sorokes Tochter! Das war ärgerlich, sogar mehr – das war gefährlich! Wenn es ihm nicht gelang Korin auf seine Seite hinüberzuziehen, war er fast verloren. Dann konnte er nur noch auf die Anwälte vertrauen, die beweisen konnten, dass er ein rechtmäßigerer Firmenleiter war als diese Yuka. Dass Korin weniger in der Firma interessiert war, als ihre Mutter, war ihm schon klar.

Seto seufzte genervt. Er wird mit diesem frechen Mädchen noch mal reden müssen. Noch mal und noch mal, wenn’s sein musste!

"Sei verflucht, Gosaburu!" zischte er auf dem Weg zum Ausgang.

Die Apfelblütenkarte

Ich hatte es erreicht: Soroke gab mir frei. Ich musste zwar abends wieder zuhause sein, aber es war besser als gar nichts. Schließlich wollte ich mein Glück und Sorokes gute Laune nicht herausfordern.

Ich ging sehr früh aus dem Haus, da ich eine weite Reise vor mir hatte. Erst musste ich den Bahnhof erreichen - Bakuras Fahrrad leistete mir einen guten Dienst. Danach nahm ich den Zug und fuhr mehrere Stunden Richtung Süden, bis ich schließlich den Ort erreichte, wo mein Vater mich jeden Frühling hingebracht hatte.

Die Station hatte sich nicht verändert, es war eine kleine Ortschaft, die wahrscheinlich nicht mal auf der Karte vermerkt war. Glück für mich, dass ich so ein gutes Gedächtnis hatte!

Schon bald saß ich auf dem Fahrrad und rädelte durch die Ortschaft in Richtung Felder, die direkt hinter dem Berg lagen.

Was würde ich tun, wenn ich dort gar nichts finde?

Diese Frage beschäftigte mich seit dem Moment, als ich den Brief gelesen hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst.

Der Weg wurde ganz steil, und dann hatte ich schon die Spitze erreicht. Ich hielt an und betrachtete das Panorama, das sich mir offenbarte: unten waren unzählige Apfelbäume, weiter hinten erhoben sich Berge. Für einen winzigen Augenblick erschien mir das Bild aus meiner Kindheit, als ich hier mit meinem Vater war – der blaue Himmel, das frischgrüne Gras und die weiß-rosa Blüten der Apfelbäume.

"Ach, Vater..." flüsterte ich, kämpfend mit den Tränen.

Dann, ein wenig später, genoss ich den schnellen Abstieg.
 

Es schien, als ob die Apfelbaumplantage sich gar nicht verändert hatte. Dieselben Bäume, derselbe Himmel, dasselbe Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Ich versuchte die unangenehmen Gedanken möglichst lange fernzuhalten, um diesen wundervollen Zustand herauszuzögern.

Ich stieg vom Fahrrad ab und stellte es an einen Baum, aber so, dass man es nicht von der Straßenseite bemerken konnte. Schließlich gehörte es nicht mir, und ein Schloss hatte das Fahrrad auch nicht.

Jetzt fing der schwierigste Teil meiner Aufgabe an: herauszufinden, was mein Vater mir sagen wollte.
 

Seto Kaiba saß in seinem Büro in der Kaiba Residenz und recherchierte. Er hatte sich fest vorgenommen der Sache mit dem Meisterdieb Ringo auf den Grund zu gehen. Doch dafür brauchte er die Akte, die allerdings von unzähligen Passwörtern geschützt war.

Seto seufzte. Die ganze Geschichte wurde mit jedem Augenblick verwirrender, wie ein schlimmer Traum. Doch leider passten die vorhandenen Teile genau zusammen. Da Korin tatsächlich die Tochter Sorokes und Gosaburu war, musste er mehr als nur aufpassen. Das Mädchen selber hatte vielleicht noch kein Interesse seine Firma zu übernehmen, sonst hätte sie ihm das Dokument nicht übergeben. Das anzunehmen war natürlich mit einem gewissen Risiko verbunden, doch anders konnte das Seto sich noch nicht erklären. Sein eigentlicher Feind war diese Soroke Yuka, die ehemalige Geliebte Gosaburus. Komisch fand er nur, dass er ihren Namen bis vor kurzem nie gehört hatte.

Das einzige, was in diesem Puzzle noch fehlte, war Ringo. Das Mädchen selbst hatte behauptet diesen Nachnamen zu tragen. Seto konnte sich gut vorstellen, dass sein Stiefvater mit einem Meisterdieb sehr wohl gemeinsame Geschäfte machen konnte. Jetzt blieb nur herauszufinden, wer Arituro Ringo in Wirklichkeit war und ob Korin oder Frau Yuka mit ihm etwas zu tun hatten.

"Kein Zutritt!" blinkte es auf dem Bildschirm.

Wer hätte das gedacht, dass die Sicherheit der Domino Polizei so gut war! Oder war diese Akte so unheimlich wertvoll?
 

Die Erde unter meinen Füßen war feucht, die herbstliche Sonne schien hoch über meinen Kopf. Ich wanderte schon seit mehreren Stunden umher, ohne eine einzige Spur gefunden zu haben. Mir blieb nicht mehr viel Zeit, wenn ich rechtzeitig in Sorokes Villa ankommen wollte.

Was hat Arituro nur mit "folge den Apfelblüten" gemeint? Ich war am verzweifeln.

Ich schritt langsam weiter und streifte die Gegend abwesend mit den Augen ab. Das ganze ergab doch keinen Sinn! Auf einmal spürte ich, dass ich nach unten fiel – kurz, bevor meine Nase den Boden erreichte, schaffte ich es mich zu stoppen. Ein ziemlich großer Stein war der Grund dafür, dass ich nun bäuchlings auf dem feuchten Boden lag. Ich hob meinen Blick und sah den Berg, den ich heruntergefahren war.

Eine Zeitlang starrte ich den Fuß des Berges an, ohne mich zu rühren, als mir auf einmal klar wurde – dort musste ich suchen!

Ich sprang auf die Beine und rannte los. Einige Minuten später war ich angekommen und schaute mich hastig um. In unmittelbarer Nähe fand ich eine kleine Buddhastatue aus Stein, die wurde hier anscheinend für den Schutz vor Geister und sonstigem Bösen aufgestellt. Ich trat näher heran und betrachtete die Statue von allen Seiten.

Sie war alt, das Gesicht konnte man kaum noch erkennen und auch sonst hatte die Statue jede Menge Rissen. Ich versuchte sie wegzuschieben, um unten drunter zu gucken, doch sie war eindeutig zu schwer für mich. Ich stöhnte entnervt. Das war mein erster und letzter Hinweis, aber ich kam absolut nicht weiter!
 

Tea, Tristan, Joey und Yugi trafen sich, wie jeden Samstag, in einem Café. Doch diesmal, nach den gestrigen Ereignissen, war ihre sonst heitere Gruppe eher still und nachdenklich.

"Was hast du dir nur dabei gedacht, Yugi?" Tea brach die Stille.

Yugi, der ihr gegenüber saß, schlürfte sein Erdbeer-Vanille-Milchshake aus dem riesigen Becher und schwieg.

"Warum hast du sie eingeladen ohne uns vorher zu warnen?" fragte sie.

"Wärt ihr einverstanden, wenn ich’s getan hätte?" stellte er leise die Gegenfrage.

"Natürlich," sie stand auf und beugte sich über den Tisch zu ihm, "nicht!"

"Siehste!" rief Yugi aus, wich mit dem Becher zurück und schlürfte weiter.

"Und was soll das mit Yami? Welche gemeinsame Sachen hat er mit dieser Ringo?"

Tea musste ihn ausfragen. Die ganze Geschichte war verdächtig!

"Nichts ist mit Yami!" antwortete Yugi leise, aber fest ohne sie anzuschauen, "Er hat ihr aus der Patsche geholfen, das ist alles."

"Du machst Sachen, Kumpel!" mischte sich nun auch Joey in das Gespräch ein.

"Alles, was ich will, ist, dass wir Freunde werden und uns gut verstehen!" meinte Yugi eingeschnappt.

"Du hast es noch nicht aufgegeben?" wunderte sich Tristan.

"Das Mädchen ist eine Runde zu hoch für dich!" beipflichtete ihm Joey.

"Aber... Bakura..."

"Wir wissen alle, wer sich hinter Ryous netter Fassade versteckt!" sagte Tea bestimmt "Und wenn du mich fragst, finde ich, dass die beiden besser zueinander passen..."

"Hör auf!" Yugi schnitt ihr das Wort ab "Der Geist des Millenniumsringes ist gefährlich, ich will nicht, dass Korin etwas schlimmes zustößt!"

"Du bist viel zu fürsorglich, mein Freund!" meinte Joey, warf ein paar Pommes in den Mund und setzte kauend fort, "Ringo wird schon auf sich aufpassen können!"

Wenn er nur an ihre Faust dachte, die er neulich zu spüren bekam, erschienen ihm alle Sorgen Yugis total sinnlos.

"Außerdem sieht sie nicht nach einer aus, die unbedingt einen Freundeskreis haben möchte, um Samstags in Café zu sitzen!" fügte Tea hinzu.

<Wie es scheint, ist Yugi doch eher besorgt als verliebt...> dachte sie etwas erleichtert <Ich muss aber auf ihn aufpassen!>

Yugi schwieg. In diesem Augenblick wünschte er sich unsichtbar werden zu können. Warum verstanden ihn seine Freunde nicht? Oder – wollten sie ihn nicht verstehen?

Er mochte Korin, genauso wie er Tea, Joey und Tristan, ja auch Ryou mochte. Er wollte sie in seiner Clique sehen, er wollte sie von dem bösen Geist, der in Ryous Millenniumsring hauste, beschützen. Er wusste ganz genau, dass sie keine Chance gegen Bakura hatte, egal wie geschickt sie im Sport war.

"Ist das für dich so wichtig, Yugi?" fragte Tea, die sich mittlerweile beruhigt hatte, "Dass wir Freunde werden?"

Yugi nickte.

"Warum hast du’s denn nicht gleich gesagt!" rief Joey aus.

"Wie?" fragte Yugi verdutzt "Etwa: hei, Freunde, ich will, dass wir mit Korin befreundet sind?"

"Warum nicht?" Joey verstand nicht, wo das Problem lag.

"Diese Korin scheint kein schlechter Mensch zu sein," meinte Tristan, "Von mir aus."

"Ich habe auch nichts dagegen!" sagte Joey.

"Man kann’s versuchen," beipflichtete Tea und lächelte Yugi an.

"Im ernst?" rief der Bunthaarige gerührt aus, "Danke, Freunde!"
 

Mein Vater war richtig gut. Auch wenn irgendjemand, wie Soroke, zum Beispiel, an den Brief heran gekommen wäre und mich gezwungen hätte diesen Ort zu zeigen, hätte er keine Chance die verschlüsselte Botschaft zu entziffern! Das beruhigte mich einerseits, doch ich war noch immer verzweifelt. Schließlich war ich hierher alleine gekommen und musste nun das finden, wofür "die Zeit reif war".

<Apfelbaumblüten!> ärgerte ich mich in Gedanken <Verdammt!>

Dabei klopfte ich auf die Vorderseite der Statue.

Plötzlich vernahm ich ein merkwürdiges Geräusch, als ob sich ein Felsen in der Nähe bewegt hätte. Ich schaute mich verwundert um und fand einen kleinen Gang unweit von der Statue. Als ich den Buddha noch mal ansah, bemerkte ich ein Apfelblütenblättchen auf seinem Herzen.

"Meine Güte..." murmelte ich baff.

Ich holte eine Taschenlampe aus meinem mitgenommenen Rucksack heraus und krabbelte in den Gang hinein. Er stellte sich geräumiger aus als er erschien. Wann hatte mein Vater so etwas überhaupt gemacht? Und wozu? Wusste er etwa von all dem, was mir nun widerfuhr?

Der Gang war plötzlich zu Ende und ich fand mich in einer kleinen, niedrigen Höhle vor. Ich leuchtete mit der Taschenlampe und fand ein kleines, unauffälliges Kästchen. Der Versuch, das Kästchen hochzuheben oder gar zu bewegen, scheiterte klaglos. Fazit: ich musste das Ding hier drin öffnen.

Dieser Gedanke gefiel mir ganz und gar nicht. Wer wusste, wie viele Fallen mein Vater hier noch aufgestellt hatte? Und das es noch mindestens eine gab, war mehr als offensichtlich. Doch, bedauerlicherweise, hatte ich keine andere Wahl, sofern das Kästchen der einzige Gegendstand in dieser Höhle war.
 

Er wäre nicht Seto Kaiba, wenn er diese Sperre nicht überwinden könnte!

Seine Finger liefen über die Tastatur wie in einem nur Kaiba bekanntem Tanz. Er war unübertroffen, in jeder Hinsicht. Er war erfolgreich, reich und anerkannt. Er würde seine harte Arbeit nicht kampflos aufgeben! Und dann, wenn er ein für alle mal Gosaburu und den restlichen Pack los wurde, forderte er diesen Mutou zu dem ultimativen Duell heraus, aus welchem er – natürlich! – als Sieger rauskam und Mutou für alle Ewigkeit auf dem zweitem Platz hinterließ.

Der Gedanke zauberte ein Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen und er setzte seine Arbeit fort.
 

Schweißgebadet vor Anstrengung und mit rasendem Herz, aber mit klarem Kopf fummelte ich an dem Schloss. Das war kein gewöhnliches Schloss, das wurde mir schon im ersten Augenblick klar. Nur ein hoch professioneller Einbrecher konnte damit fertig werden. Und in diesem Moment stellte es sich heraus, ob ich zu solchen zählen durfte.

Knack!

Ich hielt inne. Die erste Sicherheit hatte ich geschafft. Jetzt blieben nur noch drei weitere.

Knack!

Nach einer weiteren Fummelei ließ sich nun auch die zweite Sicherung besiegen. Ab jetzt musste ich noch präziser und aufmerksamer vorgehen.

Knack!

Die dritte Sicherung war draus! Ich wisch mit dem Arm den Schweiß aus den Augen und rückte die Taschenlampe in meinem Mund zurecht. Nur noch eine Sicherheit, dann war das echte Schloss dran! Und das, wiederum, hieß, ich musste bereit sein, aus dieser Hohle sofort zu verschwinden.

Knack!

Ich hatte es tatsächlich geschafft! Alle vier Sicherungen waren geöffnet! Unwillkürlich wurde ich von dem Gefühl des Stolzes erfüllt. Aber es war noch viel zu früh, meinen Sieg zu feiern.
 

Wie erwartet, war es die letzte Falle. Nur knapp gelang es mir, dem zusammenbrechenden Gang zu entkommen. Erschrocken und erschöpft, aber gleichzeitig auch glücklich und stolz lag ich nun neben der Buddhastatue und hielt ein Stück Papier in meiner Hand. Ich hatte es geschafft!

Als mein Herz und mein Atem sich einigermaßen beruhigt hatten, wagte ich einen Blick auf meine Beute. Ich rollte das Papier aus und...
 

Das lange Tippen hatte sich endlich bewährt! Kaiba hatte nun die Akte!

"Ringo, Arituro," las er "Meisterdieb, Codenummer... Begangene Verbrechen..."

Das ganze interessierte ihn nicht! Von einer Familie, geschweige denn von einer Tochter, war kein Wort geschrieben. Seto scrollte den Text nach unten – es waren erstaunlich viele Informationen – und versuchte die Unterschriften zu entziffern.

"I-nu-ki" buchstabierte er.

Alle anderen waren von hohem Rang, und er hatte noch keine Verwendung für Polizeichefs, die das Papier nur unterschrieben hatten. Dieser Inuki schien aber ein einfacher Mann zu sein, höchstwahrscheinlich leitete er damals die Ermittlungen.

<Sehr gut!> dachte Seto zufrieden.

Er wird diesen Inuki finden und ihn über den Meisterdieb ausfragen. Als Leiter eines großen Konzerns war es schließlich nur logisch, dass er sich darüber Sorgen machte.
 

Mein Herz sackte und ich fühlte wie Tränen der Enttäuschung sich den Weg aus meinen Augen bannten. Das Papier hatte nichts anderes drauf als unzählige, aufgeklebte Apfelblütenblättchen!

War das ein Witz?! Was sollte ich nun damit machen?

Soviel Mühe..! Für so was?

"Verflucht!" jaulte ich und fiel zurück auf die Erde.

Wie konnte mein Vater nur so gemein sein!?

Ich setzte mich wieder aufrecht und schaute das beklebte Stück Papier genauer an. Es konnte doch nicht sein, dass Arituro sich umsonst die Mühe gegeben hatte, so was anzufertigen und dann noch so zu schützen. Nach einem Spiel sah das ganze nicht aus.

Nach einer ganzen Weile, die ich damit verbracht hatte, die Apfelblüten anzustarren, kam ich schließlich zu dem Schluss, dass dies eine Art Karte darstellte, wobei die Apfelblütenblätter einen besonderen Code bildeten. Alles, was ich nun machen musste, war diesen zu knacken. Die Frage blieb – wie?

Die Erpressung

Das Wochenende war vorbei. Er fand sein Fahrrad am Sonntagmorgen neben dem Schuppen, mit einem Dankeschön-Zettel. Wie süß!

Bakura lächelte finster.

Sein Plan ging voran, auch wenn er sich in vieler Hinsicht aufs Zufall vertrauen musste.

Die Erde auf den Reifen gaben ihm zu verstehen, dass Ringo weit außerhalb der Stadt gewesen war. Das weckte zwar seine Neugierde, tat aber nichts zur Sache. Früher oder später wurde das ganze überhaupt nicht von Bedeutung sein. Gar nicht.

Er lächelte erneut.

Nur ein wenig Geduld, und alles wurde perfekt. Und bis dahin wurde er sich amüsieren! Das erinnerte ihn daran, dass er noch einiges vorbereiten musste.
 

Ich erschien gleichzeitig mit der Lehrerin zum Unterricht. Ryou grüßte mich wie immer freundlich und lächelte mich nett an. Ich nickte schnell und setzte mich. Den Unterricht konnte ich beim besten Willen nicht verfolgen, meine Gedanken kreisten um die Apfelblütenkarte, die ich neulich gefunden hatte. Den ganzen Sonntag zerbrach ich meinen Kopf, kam aber nicht weiter. Mir kam sogar in den Sinn, die Karte durch den Computer laufen zu lassen, doch weder ich besaß einen, noch konnte ich mich an irgendjemanden mit dieser Bitte wenden.

"Ringo! Sind Sie wieder am Tagträumen?" ertönte die Stimme der Lehrerin, der ein gedämpftes Lachen der Schüler folgte.

"Nein," antwortete ich und war Ryou mal wieder dankbar, dass er mir die richtige Stelle gezeigt hatte.
 

Die Schule war reine Zeitverschwendung. Das stand für mich eindeutig fest. Es war schon die Hälfte der Montagsunterrichten vorbei, und ich hatte nichts gehört, das mir von nutzen wäre. Ich erhob mich und ging aus der fast leeren Klasse heraus.

"He, Ringo!" plötzlich wurde ich aufgerufen.

"Warte mal, wir haben etwas mit dir zu besprechen!"

Ich hielt an und fand mich von einigen Oberschülerinnen umzingelt. Weder Futaya noch Asaka waren dabei, daraus schloss ich, dass es eine andere Gruppe sein musste.

"Was wollt ihr?" fragte ich und kreuzte meine Arme vor der Brust.

"Wir finden dein Verhalten unangemessen!" sagte eine.

Ich hob eine Augenbraue hoch und musterte sie gespannt:

"Mein Verhalten?"

"Ja!" bestätigte die andere.

"Du bist neu hier, nimmst aber trotzdem an der Wette teil!" meinte die erste.

Mir war sofort klar, worauf sie hinaus wollten und das machte mich wütend.

"Ich habe es schon einmal gesagt und ich sage es noch mal: ich brauche diesen Bakura nicht! Doch ich drücke mich nie von einer Herausforderung!"

"Genau daran besteht das Problem!" meinte die zweite.

"Er fordert mich schließlich heraus," gab ich zurück.

"Dann verliere!" sagte eine andere bestimmt und sah mich fest an.

"Was hast du gesagt?"

Meine Stimme klang bedrohlich und zwang die Mädchen einen Schritt zurück zu gehen.

"Wenn das die Wahrheit ist, dass du kein Interesse an Bakura hast, dann steig aus dem Rennen raus!" sagte das Mädchen.

"Sonst bist du eine hinterhältige Lügnerin!" fügte das andere hinzu.

"Ts," schnaubte ich und ging weg.

Was erlaubten sie sich? Ich hatte kein Interesse daran, mit Bakura auszugehen – das hatte mir noch gefehlt! Bei meinen Problemen mit Soroke und Kaiba, und diesem Detektiv Inuki!

Aber irgendwie hatten sie auch einen Punkt – wenn ich weiterhin sagte, dass ich kein Interesse hatte, aber trotzdem auf Bakuras Herausforderungen einging, sah das von der Seite wirklich widersprüchlich aus. Das mich im Sport kein einziges in Bakura verknalltes Mädchen besiegen konnte, war mir schon von Anfang an klar. Was sollte ich nun tun?

"Hallo, Korin!" rief mich plötzlich jemand.

Ich drehte mich zur Stimme und erblickte Yugi und seine Freunde. Ryou war auch dabei.

"Hallo," entgegnete ich und lächelte resigniert.

Was wollten sie von mir?

"Weißt du, was diesen Freitag ist?" fragte mich Ryou.

"Nein." antwortete ich ehrlich.

Das Schulleben interessierte mich nicht im geringsten.

"It’s Halloween!" riefen sie alle gemeinsam.

"Habt ihr das etwa einstudiert?" fragte ich skeptisch.

Nach den einzelnen rötlich gefärbten Gesichtern, hatte ich geschlossen, dass sie es tatsächlich gemacht hatten.

"Und?" fragte ich ungeduldig.

"Freitag Abend ist ’ne Party," erklärte Tea, "Mit Musik, Tanz, Kostümen und allem drum und dran."

"Kommst du?" fragten Yugi und Ryou, während die anderen heftig nickten.

"Nein," antwortete ich und machte mich bereit wegzugehen.

"Komm schon!" rief plötzlich Joey aus, "Tue uns den Gefallen, schließlich haben wir dich letztens auch ausgehalten!"

"Du-u..!" ich ballte eine Faust und drohte Joey, als plötzlich Tea und Ryou mir von beiden Seiten den Arm um den Hals legten.

"Sei dabei!" bat Tea.

"Es wird Spaß!" meinte Ryou fröhlich, doch ich fühlte noch eine finstere Präsenz, die mich frösteln ließ.

"Na, meinetwegen," entgegnete ich und befreite mich von den beiden.

Es war eindeutig eine Erpressung, aber gegen so viele Gegner war ich machtlos.

"Aber erwartet nicht, dass ich ein Kostüm trage oder so was in der Art!" warnte ich sie.
 

Er hatte seine Sekretärin – dieselbe, die er stets behielt, weil er nun mal keine bessere kriegen konnte, - damit beauftragt Herrn Inuki ausfindig zu machen, und sieh an, am frühem Nachmittag erleuchtete das Lämpchen seines Telefons, ein eingehendes Anruf zeigend. Kaiba nahm ab:

"Guten Tag, Herr Kaiba, Inuki ist mein Name," meldete sich eine reife Männerstimme, "Ich bitte um Verzeihung für meine späte Rückmeldung."

Der Mann war ihm sofort sympathisch.

"Herr Inuki, ich habe gehört, dass sie an dem Fall eines gewissen Diebes gearbeitet hatten," fing Kaiba diplomatisch an.

"Es sind so viele gewesen!" antwortete Inuki nicht weniger diplomatisch.

"Arituro Ringo. Hilft das Ihnen auf die Sprünge?"

"Ach, ja! Ich erinnere mich, ein Meisterdieb, der seinerzeit jede Menge Ärger in Domino verursacht hatte." entgegnete Inuki, "Doch das ist ein abgeschlossener Fall, Herr Kaiba."

"Tatsächlich," sagte Kaiba so, dass man nicht verstehen konnte, ob das eine Frage oder eine Bestätigung war.

"Warum interessieren Sie sich für die Sachen aus einer so fernen Vergangenheit?" fragte Inuki.

Genau diese Frage hatte Seto erwartet:

"Ich möchte mich mit Ihnen treffen, um weitere Details zu besprechen."

"Wann und wo?" ertönte aus dem Hörer.

Der Detektiv wusste aus Erfahrung, dass man solche Leute nicht ablehnen durfte.

"Diesen Donnerstag, 18 Uhr, Domino High," entgegnete Kaiba.

Damit war das Gespräch zu Ende.

"Ich werde da sein." sagte Inuki und legte ab.

<Ausgezeichnet!> dachte der junge Firmenleiter <Somit erschlage ich zwei Fliegen gleichzeitig. Mokuba wird nicht schmollen, und ich bekomme meine Informationen.>
 

Der Dienstag kam schneller als mir lieb war. Ich hatte schon wieder bis spät in die Nacht meinen Kopf über die Karte zerbrochen, doch ohne Erfolg. Was war, verdammt noch mal, ihr Geheimnis?

Dieselbe Frage beschäftigte mich auch in der Schule, doch je näher der Sportunterricht kam, desto unruhiger wurde ich. Das gestrige Gespräch mit den Oberschülerinnen konnte ich nicht ungeschehen machen.

Zum Zeitpunkt, als es zur großen Pause klingelte, regnete es in Strömen. Das bedeutete allerdings, dass der Unterricht drin stattfinden wurde. In dem Umkleideraum tuschelten die Mädchen:

"Hoffentlich kein Hochsprung!" meinte ein Mädchen.

"Tss, sag’s nicht so laut, sonst wird’s noch wahr!" warnte ein anderes.

"Vielleicht ist die Lehrerin schon gesund..." vermutete das Dritte, "Hat irgendjemand sie heute in der Schule gesehen?"

"Ich nicht!"

"Ich auch nicht!"

Ich seufzte, war aber froh, dass sie diesmal nicht über Bakura schwärmten. Ja, nachdem ich ihn besser kennen gelernt hatte, musste ich zugeben, dass er gar nicht schwach war, und irgendwie konnte ich die Gefühle der Mädchen schon nachvollziehen. Doch eine Wette zu veranstalten? Ich bitt’ euch!

Es klingelte zum Unterricht und wir beeilten uns in die Sporthalle. Ich ging zwar schon eine Weile in diese Schule, doch dieser Ort war mir noch unbekannt. Die Halle war riesig. Man konnte dort ruhig Fußball spielen, so groß war der Raum! Es schien, dass sie in zwei Hälften aufgeteilt wurde, auf beiden konnte man Volleyball oder Tennis spielen – es gab spezielle Vorrichtungen für die Netze, - oder Basketball: an den Wänden hingen Basketballkörbe. In einer Ecke waren zwei Kletterseile befestigt, daneben auf der Wand – die Leiter. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Schule noch mehr verschiedene Geräte besaß, die im Moment irgendwo weggeräumt waren.

"Guten Tag, Schüler!" ertönte die fröhliche Stimme des Lehrers.

"Guten Tag..."

Die Schüler, vor allem aber die Schülerinnen waren nicht besonders froh zu sehen, dass der Lehrer mal wieder alleine erschienen war.

"Heute auf dem Programm steht..." fing er vielversprechend an, "der Basketballwurftest!"

"Oh, nö..!" ertönte es von der Seite der meisten Schüler.

Doch der Lehrer schenkte dem keine Aufmerksamkeit. Er war wie immer bei guter Laune.

"Wir müssen die Tatsache, dass es regnet, gut nutzen!" verkündete er, "Für das Aufwärmen spielt ihr eine Runde!"

Er teilte uns in gemischten Gruppen auf, jeweils vier Jungs und vier Mädels in einer. Nur die letzten zwei Gruppen hatten sechs Leute.

"Das ist unfair!" meldete sich eine Stimme aus der Menge.

"Wieso?" fragte der Lehrer ehrlich überrascht, "Keine der Gruppen hat einen Nachteil."

Damit war dies auch erledigt.
 

Aus welchen Gründen auch immer, aber ich wurde in die sechser Gruppe mit Wheeler, Rikou und noch drei mir unbekannten Leuten gesetzt. Ich schaute mich um und stellte fest, dass der Lehrer praktisch alle in den zwei Klassen vorhandenen Gruppen auseinander gesetzt hatte.

Wahrscheinlich erwartete er eine weitere Auseinandersetzung von meiner und Bakuras Seite – unsere Gruppen wurden als eine der Letzten zum Aufwärmen eingeteilt. Bis dahin konnten wir das Spiel der anderen verfolgen und die Würfe beobachten.
 

Soroke befand sich in der besten Laune seit Jahren. Es war ein genialer Einfall den Detektiv davon zu überzeugen, dass der Meisterdieb erneut sein Unwesen in Domino-City trieb! Und mit Korin als seine Tochter hatte Arituro den perfektesten Motiv sie, Soroke Yuka anzugreifen.

Sie war ein unübertroffenes Genie!

Inuki wurde auf jeden Fall wieder anfangen nach dem Meisterdieb zu suchen, und dieses Vorhaben wurde ihn höchstwahrscheinlich sein Leben kosten. Wenn nicht das Leben, dann seinen Posten ganz bestimmt! Und dann konnte er ihr nicht mehr in die Quere kommen und sie davon abhalten, KC endgültig zu übernehmen. Sobald das Mädchen den wichtigsten Teil für die Übernahme gefunden hatte, sobald das der Fall war, gehörte das Konzern ihr! Und daran, dass Korin es schaffte, bestand kein Zweifel, schließlich wollte sie wieder frei sein. Närrin!

Es gab keine Freiheit in dieser Welt.

Soroke lachte gezwungen.

Es hatte sie nie gegeben!

"Gosaburu..." flüsterte sie, und die Tränen flossen über ihre blassen Wangen, "Warum hast du mich damals verraten?"

Er dachte wohl, ein Adoptivsohn wäre gehorsamer als eine Tochtes seiner Geliebte. Für diesen überheblichen Fehler hatte ihn Seto Kaiba bestraft, doch die ganze Familie wurde teuer dafür bezahlen, was er ihr damals angetan hatte. Sie kümmerte Gosaburus Adoptivsöhne einen Dreck, und Korin wurde früher oder später begreifen, wie man in dieser Welt überleben konnte!
 

Wie erwartet, ließ der Lehrer meine und Bakuras Gruppe nicht gegeneinander antreten, ganz geschweige, dass Bakuras Gruppe zwei Leute mehr hatte. Meine Gruppe wärmte sich mit den anderen sechs Schüler auf, die ich allerdings auch nicht kannte.

"Auf gute Zusammenspiel!" hörte ich Joey sagen, und das Aufwärmspiel fing an.

Während des Spiels konnte ich die aufmunternden Rufen aus Joeys Clique nicht überhören, als ob von dem Spiel das Schicksal der Welt abhing. Ich dagegen anstrengte mich nur soviel wie es für das Aufwärmen erforderlich war.
 

Auf der anderen Hälfte der Halle warfen die zuletzt spielende 16 Leute, darunter auch Bakura, die Testwürfe. Ihn ärgerte die Tatsache, dass der Lehrer ihm den Spaß verdorben hatte, gegen Ringo anzutreten.

Apropos Ringo – was war mit ihr los?

Er beobachtete sie seit dem Anfang ihres Aufwärmspiels und musste leider feststellen, dass sie... lahm war. Sogar Rikou, die eigentlich nicht besonders sportlich war, spielte besser, als Ringo. So kannte er sie noch gar nicht.

Da war schon das Spiel zu Ende, und die Spielenden begaben sich auf seine Hälfte.

"Was ist los, Ringo?" herrschte er sie leise an, als diese an ihm vorbei ging.

"Ich weiß von deiner Wette," antwortete sie irgendwie verärgert, "Ich verlier lieber, als mit so ’nem Idiot auszugehen!"

"Wie bitte?!"

Ihre Worte waren beleidigend.

"Du hast’s gehört," entgegnete sie bestimmt, "Ich spiel nicht mit."

List des Lehrers

Das Aufwärmspiel war zu Ende, und wir begaben uns auf die andere Hälfte der Halle, um die Testwürfe zu absolvieren.

"Was ist los, Ringo?" herrschte mich Bakura leise an, als ich an ihm vorbei ging.

"Ich weiß von deiner Wette," antwortete ich verärgert, "Ich verlier lieber, als mit so ’nem Idiot auszugehen!"

Das ganze Spiel lang hatte ich ein Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen.

"Wie bitte?!"

Er klang irgendwie beleidigt.

"Du hast’s gehört," entgegnete ich bestimmt, "Ich spiel nicht mit."

"Wie bitte?!"

Er wiederholte sich. Ich beschloss mich mit ihm nicht weiter zu diskutieren, sofern das sinnlos erschien, und begab mich zu einem der freien Körbe, bei dem schon zehn Bälle vorbereitet lagen. Der Lehrer war noch mit den anderen Schülern beschäftigt, deswegen beschloss ich mich zu praktizieren.

"Ich hielt dich für besser, doch du bist genauso wie alle anderen," sagte dazugekommener Bakura sauer, "Nämlich, ’ne Niete!"

Es war hart ihn zu ignorieren, doch ich tat das.

Mein erster Ball ging daneben. Ich war offensichtlich zu aufgeregt. Verflixter Bakura, was musste er auch hinter mir stehen und nerven!?

"Hab’s doch gewusst!" kommentierte er schadenfroh.

"Mach’s besser," entgegnete ich giftig und warf erneut.

Der ging, natürlich, auch daneben.

"Ha! Da ist Futaya wahrscheinlich besser!"

Bakura triumphierte. Blödmann! Noch eine ähnliche Bemerkung und meine Geduld war geplatzt, Wette hin oder her!

"Das du dich so einfach erpressen lässt, einfach lächerlich!"

Volltreffer.

Ich warf den Ball mit voller Wucht, und er wäre direkt in Bakuras frecher Fresse gelandet, hätte er es nicht rechtzeitig geschafft den zu fangen.

"Schon besser, Kleines!" grinste er.

Das ging eindeutig zu weit!

"Ich zeig dir gleich "Kleines"!" zischte ich mit Bällen in beiden Händen.
 

Er hatte es geschafft! Er hatte sie so lange gereizt bis er einen Volltreffer hatte und sie ihrer Wut nachgegeben hatte. Nun musste er zwar den Bällen ausweichen – hätte er nur ein bisschen länger gewartet, bis sie keine sieben mehr hatte! – doch sein Ziel war erreicht: Korin war wieder sie selbst und voller Eifer gegen ihn zu kämpfen! Oder ihn zu erschlagen, was in diesem Fall dasselbe bedeutete.

"Ringo! Bakura!" ertönte die Stimme des Lehrers, dem es etwas spanisch vorgekommen war, dass einzelne Bälle plötzlich durch die Luft flogen.

Bakura schaute kurz in seine Richtung, doch das erwies sich schnell als ein schwerwiegender Fehler – Ringo hatte noch einen einzigen Ball übrig und sie nutzte den günstigen Moment unverzüglich aus.

"Welch’ Wucht..." flüsterte in die Seite getroffener Bakura und hustete.

Als er seinen Blick erhob, sah er in zwei funkelnde, aber siegreiche Augen.

"Treib’s nicht zu weit, Freundchen!" sagte Ringo drohend.
 

Der Lehrer näherte sich den beiden. Er wusste, dass das passieren wurde, doch konnte nicht ahnen, dass es auf diese Weise kam.

"Ich will euch beide heute nach der Schule sehen." sagte er verärgert. "Aber jetzt setzt euch in zwei verschiedenen Ecken und damit ich von euch kein Pieps mehr höre! Verstanden?"

"Ja, Herr Lehrer..." antworteten Bakura und ich gemeinsam.

Wir funkelten uns noch einmal an, bis wir uns, wie befohlen, in zwei verschiedenen Ecken hinsetzten.

Dieser Bakura!

Was fiel ihm ein mich "Kleines" zu nennen? Was erlaubte er sich überhaupt? Hatte er etwa Sand in den Ohren, dass er nicht verstanden hatte, dass ich mit seiner blöden Wette nichts zu tun haben wollte?

Idiot!

Seinetwegen hatte ich schon wieder Ärger, diesmal sogar schlimmer als Nachsitzen! Wenn das Soroke zu Ohren kam, war ich erledigt! Ich konnte schon so froh sein, dass ich in die Schule gehen durfte und sie mich in ihrer Villa nicht einsperrte! Was wenn sie beschloss mich zuhause privat zu unterrichten?

"Musst du dich immer von ihm provozieren lassen?" hörte ich plötzlich Yamis Stimme.

"Hast du ’ne Ahnung," entgegnete ich ohne ihn anzuschauen.

"Vielleicht, sogar mehr, als du vermutest," antwortete er geheimnisvoll.

Ich winkte nur ab. Momentan hatte ich eh keine Lust auf nette Gespräche.

"Aber das war ein guter Wurf!" meinte er plötzlich und schmunzelte.

"Hm?" ich hob meinen Blick.

"Einen besiegten Bakura sieht man auch nicht jeden Tag!"

Hatte ich es mir nur eingebildet oder bekam ich gerade tatsächlich einen Lob von Yami?

"Ich hoffe nur, dass du keinen Ärger zuhause bekommst," sagte er und zwinkerte mir zu.

Dann ließ er mich alleine.

<Komischer Junge,> dachte ich, als ich ihn mit meinen Augen begleitete.
 

Nachdem die Schule vorbei war, begaben Bakura und ich uns zum Sportlehrer. Seit unserer letzten Auseinandersetzung sprachen wir nicht miteinander.

"Ach, da seid ich ja!" rief der Lehrer, als er uns erblickte, "Kommt näher!"

Wir stellten uns vor dem Lehrer, in Erwartung, dass er die Eltern zu sich ruft oder sonst noch eine schreckliche Strafe auflegt.

"Hört zu, Freunde," fing er an, "Normalerweise heiße ich gesunde Konkurrenz unter den Schülern willkommen, doch eure Auseinandersetzungen gehen eine Stufe zu weit!"

Bakura und ich schwiegen.

"Euch nachsitzen zu lassen scheint keinen Sinn zu haben," fuhr er fort, "Die Eltern in die Schule zu rufen – auch nicht, da du, Bakura, überhaupt alleine wohnst, und deine Mutter, Ringo," dabei sah er mich prüfend an, "hat gewisse Anweisungen gegeben."

Ich spürte, wie mein Herz heftiger zu pochen anfing. Was meinte er mit gewissen Anweisungen?

"Doch da ihr beide überdurchschnittlich gut im Sport seid," fortsetzte der Lehrer, "Schlage ich euch eine Abmachung vor."

"Eine Abmachung?" fragten wir fast gleichzeitig.

Der Lehrer nickte und grinste:

"Ich bestrafe euch nicht, doch dafür nehmt ihr an der Schulolympiade teil!"

"Wie bitte?" rief Bakura erstaunt aus.

"Schulolympiade?" rief ich genauso überrascht aus.

Das roch nach sehr, sehr viel Arbeit!

"Genau," bestätigte der Lehrer, "ich gebe euch im Unterricht andere Aufgaben, um euch zu trainieren, plus ihr kommt noch mal zum Training nach der Schule."

Falsch. Es war sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel Arbeit!

Ich schaute Bakura schweigend an. Er erwiderte meinen Blick.

<Was nun?> schienen seine Augen zu fragen.

<Keine Ahnung.> stand in meinen geschrieben.

"Die Olympiade findet im Frühjahr statt, in einer anderen Stadt," erklärte der Lehrer, "Für die Zeit kriegt ihr, selbstverständlich, frei. Und noch einige andere Pluspunkte in der Schule."

"Wie sieht’s mit der anderen Möglichkeit aus?" fragte ich direkt.

Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Lust auf irgendeine Sportolympiade und genauso wenig Lust mich gemeinsam mit Bakura darauf vorzubereiten.

"Ehrlich gesagt, gibt es gar keine andere Möglichkeit!" sagte der Lehrer gut gelaunt, "Außerdem ist es in eurem Interesse, daran teilzunehmen, sonst riskiert ihr wirklich von der Schule zu fliegen."

Das war mehr als eine direkte Antwort.

"O.k." sagte Bakura, "Wir sind dabei."

"Schön!" rief der Lehrer zufrieden aus, "Ich sehe euch morgen nach der Schule!"

Damit wurden wir entlassen.
 

"Wir?" fragte ich sauer, als wir den Korridor entlang gingen, "Seit wann sprichst du für mich, Bakura?"

"Seit eben," antwortete er frech.

"Tse!" schnaubte ich.

"Wir hatten sowieso keine andere Wahl, oder?"

"Was willst du überhaupt bei dieser Olympiade?" fragte ich verärgert, weil er doch irgendwie recht hatte.

"Ist doch ’ne super Gelegenheit Spaß zu haben!" meinte er amüsiert, "Außerdem kann ich jetzt jederzeit gegen dich antreten und du kannst nichts dagegen tun!"

Ich konnte schwören, dass er sich kaum davon abhalten konnte, mir die Zunge rauszustrecken!

"Du wirst nur ’ne Niederlage nach ’ner Niederlage erleben, wie heute!" erwiderte ich angriffslustig.

"Was meinst du mit Niederlage!?" rief er verärgert aus, "Das war ein reines Zufall, was du da hattest!"

"Ha!" rief ich ihm entgegen auf, "Abstreiten bringt nichts! Sogar Yami sagte, dass du besiegt wurdest!"

"Wer?!"

Nun war Bakura richtig sauer, seine Stimme hallte durch den Korridor, und ich hoffte, dass die meisten Schüler schon nach Hause gegangen waren.

"Dieser... dieser Pharao?!"

"Meinst du etwa Yami?" fragte ich verwundert und etwas vorsichtig nach.

"PHARAO!" brüllte er außer sich auf.

"Na gut, na gut... Dann eben Pharao..." gab ich mich widerwillig geschlagen und seufzte.

Mich mit Bakura in solchem Zustand anzulegen war gefährlich, das war mir schon klar.
 

So wurde meine Freizeit um weitere zwei Stunden verkürzt. Soroke war zwar nicht gerade begeistert, dass ich nun jeden Tag nach der Schule für irgendeine Schulolympiade trainieren würde, doch in einer Hinsicht hatte der Sportlehrer schon recht – es gab keinen Unterschied, ob ich jetzt zwei Stunden beim Nachsitzen oder beim Training verbrachte. Das letztere durfte allerdings mehr Spaß machen.

Doch dadurch hatte ich auch weniger Zeit, die ich der Entzifferung der Karte widmen konnte. Oder den Vorbereitungen für Sorokes Aufträgen. Es wunderte mich zwar, dass sie mir in letzter Zeit nichts erteilte, doch ich betrachtete das als einen kurzzeitlichen Vorteil. Außerdem bedeutete diese Olympiade, dass ich nun noch seltener Dani-chan besuchen konnte. Verflixter Bakura und sein Ehrgeiz! Mir hätte es nichts ausgemacht, von der Schule zu fliegen!
 

Mokuba wälzte sich von einer Seite auf die andere und konnte nicht einschlafen. Er war einfach viel zu aufgeregt.

Zu einem war da das Theaterspiel morgen, zum anderem wurde er sich genau nach dem Spiel mit Korins Waisenhausfreund Dani tauschen. Er hatte sich schon einen ausgeklügelten Plan einfallen lassen, wie er herausfinden konnte, wo genau Korin wohnte – schließlich mussten diese Daten im Waisenhaus vorhanden sein, - und wie er Korin dazu bringen konnte, zu ihm ins Waisenhaus zu kommen – schließlich hatte er die Telefonnummer seiner Schule!

Ob sein Plan gut ging? Ob er Korin täuschen konnte? Ob Dani seinen Bruder austricksen konnte? Na ja, Seto hatte in letzter Zeit sowieso viel zu viel zu tun, er hatte nicht mal Zeit gehabt, um seinen eigenen Geburtstag mit ihm zu feiern. Mokuba war sich sogar sicher, dass sein Bruder zum Spiel nicht kommen würde. Das stimmte ihn schon traurig, machte sein Vorhaben aber viel einfacher durchzuziehen.

In letzter Zeit hatte er Dani regelmäßig besucht, um ihn alles wichtige zu erklären – über seinen Bruder, über die Schule, über Yugi & Co, über sich, - damit er nicht aufflog, und ihn gegenseitig nach der richtigen Verhaltungsweise mit Korin auszufragen.

Er wollte es sich gar nicht vorstellen, wie sauer Seto sein würde, wenn er von diesem verrückten Plan erfahren hätte.

Mokuba fröstelte allein von der Vorstellung, dass es passieren konnte.

Doch, egal wie hoch das Risiko aus sein mochte, wollte er es eingehen. Seiner Schwester wegen!

Das Theaterspiel

Der Sportlehrer hatte zwar gesagt, dass er Bakura und mir andere Aufgaben geben würde, doch die üblichen Tests mussten wir trotzdem ablegen. Die Nachricht, dass wir beide an der Olympiade teilnahmen, verbreitete sich schneller als der Wind, sodass bald die ganze Schule davon wusste.

Und heute war leider der Tag eines weiteren Halbjahrtests. Das Wetter hielt sich einigermaßen gut, und wir wurden nach draußen gejagt, um 100 m Estafette zu laufen.

"Das hast du gut ausgeklügelt, Ringo!" wandte sich Futaya böse an mich, als wir zum Stadion gingen, "Wie lange musstest du beim Lehrer einschleimen? Oder haben deine Eltern dafür bezahlt?"

Ich beschloss sie zu ignorieren und ging einfach an ihr vorbei. Doch das erwies sich als ein großer Fehler – sie schubste mich grob und unerwartet von hinten und ich landete unsanft auf den asphaltierten Weg zum Stadion.

"Du, Miststück!" schrie ich sie an, als ich feststellte, dass, neben meinen blutenden Knien, meine Verletzung von letzter Woche auch wieder da war.

"Geschieht dir vollkommen recht!" spottete sie und spazierte an mir vorbei.

"Das wirst du mir büßen!" schrie ich ihr hinterher, doch sie lachte nur fies darauf.

Ich startete den Versuch wieder auf die Beine zu kommen, musste aber schnell einsehen, dass es mir nicht schnell gelingen würde: die Knien zitterten und der rechte Fuß war im Moment unbrauchbar.

Plötzlich wurde ich hochgehoben. Ich drehte meinen Kopf blitzschnell um und wollte schon einen Protest aussprechen, doch als ich Yami erblickte errötete ich nur.

"Lass mich dir helfen!" meinte er sanft.
 

"Das war gar nicht nett, Futaya," meinte Bakura finster.

Sie hatte schon wieder seinen Spaß verdorben. Außerdem hatte sie sich gegen die Regeln verstoßen. Wer bei ihm punkten wollte, musste fair spielen.

Er war schließlich auch ein Dieb und kein Betrüger.

"Was denn?" fragte Daina gespielt unschuldig.

"Du weißt ganz genau, was ich meine," entgegnete er und kreuzte die Arme vor der Brust.

"Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt, oder?" kicherte sie vielsagend.

"Diese Wette ist weder Krieg, noch Liebe," sagte er bestimmt. "Ich will nicht, dass du Ringo schadest."

"Wieso? Magst du sie etwa mehr als mich?" rief Daina eingeschnappt aus.

"Hast du mich verstanden, Futaya?" fragte er hart.

"Wieso beschützt du sie?" fragte sie weinerlich.

"Du nervst." meinte Bakura und entfernte sich.

Er hörte noch, wie das Mädchen eingeschnappt seufzte. Was für eine Klette!

Er war sauer. Sein Tag war verdorben. Er hatte sich auf den Sportunterricht, ja auf einen weiteren Wettkampf mit Ringo gefreut. Sie brachte in sein Leben eine gewisse Abwechslung zu diesen ordinären Schulmädchen, die hinter ihm her liefen, als wäre er der Pharao selbst.

Apropos Pharao.

Was fiel ihm eigentlich ein, sich so einfach einzumischen?
 

Yami trug mich in den Medizinraum und setzte mich behutsam auf das Bett ab. Es war mir peinlich, dass ich schon wieder in seiner Schuld stand, aber ich hatte es nicht gewagt mich ihm zu widersetzen. Nicht, weil er mich wie ein offenes Buch lesen konnte. Und auch nicht, weil er mich in irgendeinem unerklärbaren Bann hielt. Ich beobachtete, wie er den Raum nach der Schulkrankenschwester absuchte, und fragte mich heimlich, ob ich mich genauso verhalten würde, wenn es Bakura anstelle von Yami wäre.

<Nein, bestimmt nicht!> dachte ich, erschrocken, dass mir überhaupt so was in den Sinn gekommen war, und schüttelte leicht den Kopf.

"Sie ist nicht da," unterbrach Yami den Lauf meiner Gedanken. "Aber ich bin sicher, sie kommt bald."

Ich schaute zu ihm auf. Und spürte, dass ich schon wieder errötete. Wie schaffte er es mich immer aufs neue in Verlegenheit zu bringen?

"Du musst dich bei mir nicht bedanken," sagte er und lächelte mich milde an.

<Nur, vielleicht, die Rache aufgeben, so wie du mich anschaust,> dachte ich und wusste schon wieder nicht, ob es mich ärgerte oder erstaunte, dass er mich stets durchschaute.

"Dafür sind die Freunde da," sprach er weiter und legte seine Hand kurz auf meine Schulter.

Daran, dass er ehrlich war, lag kein Zweifel. Diese Augen konnten nicht lügen!

Danach verließ er den Raum.

Yami schien über eine übernatürliche Gabe zu verfügen, stets zu wissen, wann man einen alleine lassen sollte.

Er war mir ein Rätsel.

"Pharao!" ertönte plötzlich Bakuras tiefe Stimme hinter der Tür.

"Grabräuber!" entgegnete Yami ruhig.

"Was hast du mit ihr am Hut?" fragte er direkt.

Yami lachte kurz auf.

"Was ist denn los mit dir?" Yami klang irgendwie amüsiert "So kenne ich dich gar nicht!"

"Lass die Sprüche, Pharao!"

"Korin ist frustriert," meinte er ernst. "Und sie kann uns unterscheiden."

Bakura schwieg.

"Sei vorsichtig, Grabräuber," sagte Yami, "und treib es nicht zu weit."

"Lass es meine Sorge sein, Pharao!" entgegnete Bakura, "Pass lieber auf deinen kleinen Freundchen auf!"

<Was soll das jetzt heißen?> dachte ich verwirrt. <Pharao? Grabräuber? Wusste Bakura etwa auch von Yamis Geheimnis?>

Obwohl... wann hatte ich es schon Mal erlebt, dass Bakura und Yami miteinander redeten? Und hatte ich es nicht selbstpersönlich erst vor kurzem erlebt, wie Yami von Bakura als Pharao genannt wurde?
 

Kurz nachdem es zur weiteren Pause klingelte, erschien Yami wieder. Mit meinen Sachen aus dem Umkleideraum.

"Ayame war so lieb," erklärte er lächelnd, als ich ihn eine Weile fragend angeschaut hatte.

Was war das nur für eine Macht, mit der er mich stets in die Knien zwang?

"Du musst den anderen etwas mehr vertrauen," fügte er hinzu und ging zur Tür.

Er drehte sich noch mal um und schaute mich aus seinen durchdringenden Augen an.

"Gib dir eine Chance, Freunde zu haben!" sagte er, als ich mein Blick verlegen abgewandt hatte, und lächelte.

Dann war er wieder fort.

<Was will er eigentlich erreichen?> dachte ich mal wieder komplett verwirrt und fing an mich umzuziehen.

Den restlichen Tag in der Sportuniform zu verbringen war nicht die beste Aussicht.
 

Als ich zurück in die Klasse kam, klingelte es schon zum Unterricht. Ich ging zu meinem Platz und nahm mit Ayame einen kurzen Blickkontakt auf, um mich unauffällig für ihre Hilfe zu bedanken.

"Das Training kann ich wohl für ’ne Weile vergessen," sagte ich leise, nachdem Ryou mich lange fragend angeschaut hatte.

Ich musste mir etwas einfallen lassen, wie ich mich an Futaya rächen würde, Yamis Ritterlichkeit hin oder her! Diese hinterhältige Kuh hatte mich schon zum zweiten Mal ernsthaft verletzt und alles nur, weil sie es nicht einsehen wollte, dass Bakura für sie nichts übrig hatte und ich ihr im Sport weit überlegen war!

Ich schaute flüchtig in Dainas Richtung. Sie saß zufrieden, über beide Ohren grinsend und machte den Schein dem Unterricht zu folgen.

Ich spürte wie Hass und Zorn in mir emporstiegen, meine verbundenen Knie und mein rechter Fuß meldeten sich mit schmerzlichem Pochen. Schon allein, um ihr auf ihren Platzt anzuweisen, wäre ich nun bereit diese blöde Wette zu gewinnen!

Das, was sie getan hatte, war unverzeihlich!
 

Der Schulsaal füllte sich langsam mit Menschen an. Mokuba schaute von Zeit zu Zeit durch den heruntergelassenen Vorhang, immer noch mit der Hoffnung seinen großen Bruder unter den anderen Gäste zu erblicken.

Yugi und seine Freunde waren schon erschien, auf sie war immer verlass! Dani saß unter der Bühne versteckt, um sich am Ende der Vorstellung unauffällig mit Mokuba zu tauschen. Doch von Seto – keine Spur. Mokuba seufzte und kehrte zu seiner Gruppe zurück, schließlich mussten sie noch schnell alle kritischen Stellen durchgehen.
 

Inuki wartete vor dem Eingang in die Domino High und beobachtete die Menschen, die langsam, aber in immer größerer Zahl in das Gebäude flossen. Ihn wunderte die Auswahl des Treffpunkts, doch er hatte sich schon daran gewöhnt, keine Fragen zu stellen, die nichts zur Sache taten. Außerdem konnte er sich nicht beklagen – die ausgewählte Zeit passte einfach perfekt! Er musste sich nicht mal von der Arbeit frei nehmen.

Plötzlich nahm er eine weiße Limousine wahr, die sich langsam dem Eingangstor näherte. Das elegante Fahrzeug hielt an, und ein braunhaariger Junge in einem blau-weißem Mantel und einem silbrigen Koffer in der Hand stieg heraus. Er fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar und begab sich ebenfalls zur Schule.

"Herr Kaiba, nehme ich an?" sprach er den jungen Mann an, als er ihn erreichte.

Der Braunhaarige blieb stehen und musterte ihn für eine kurze Weile:

"Herr Inuki?"

Der Detektiv nickte bestätigend.

"Was wissen Sie über den Mann?" erkundigte sich Inuki vorsichtig, als sie sich gemeinsam zum Gebäude begaben.

Kaiba lächelte anerkennend.

"Er soll mit einem Mädchen verwandt sein, das diese Schule besucht," antwortete er genauso verschlüsselt.

"Das ist wahr," bestätigte Detektiv.

"Tatsächlich?" fragte der junge Firmenchef mit guter Portion Ironie.

"Haben Sie diesbezüglich eine andere Information?" fragte Inuki, dessen berufliche Nase etwas wichtiges witterte.

"Und ich habe gehofft, dass Sie mich etwas über ihn aufklären können." meinte Kaiba etwas spöttisch.

"Bedaure," Inuki lächelte schief.
 

Mokuba spähte schon wieder durch den Vorhang, als sein Herz einen Satz machte: Seto war tatsächlich gekommen! Zwar in Begleitung irgendeines fremden Mannes, doch das tat jetzt nichts zur Sache.

Er freute sich riesig, auch wenn das gewisse Komplikationen für das Vorhaben mit Dani bedeutete.

"Kommt alle her!"

Das war die leitende Lehrerin.

"Es fängt gleich an! Alle auf eure die Plätze!"
 

"Wollen Sie damit sagen, dass die Frau lügt?" fragte Inuki gedämpft.

"Das ist unbestreitbar, dass wir dieselbe Person meinen," bestätigte Kaiba.

Irgendwie hatte es ihn nicht überrascht, dass Frau Yuka Korin mal als Gosaburus, mal als Ringos Tochter ausgab. So, wie es ihr gerade ins Bild passte, sozusagen.

"Das ändert, natürlich, den Sinn der ganzen Sache." meinte Detektiv nachdenklich.

Ihn ärgerte es schon, dass er in Yukas Falle so leichtsinnig reingetappt war. Genauso wie er sich damals täuschen ließ, kurz bevor der Meisterdieb verschwunden war. Andererseits aber konnte er sie jetzt besser täuschen. Was für ein Glück, dass Herr Kaiba ihn kontaktiert hatte!

"Nun," sagte er leise, "ich bin bereit Ihnen jederzeit Informationen zukommen zu lassen."

Irgendwie musste er nun an das Mädchen rankommen, nur Korin konnte diese verworrene Situation noch aufklären!

"Sehr schön," entgegnete Kaiba genauso leise, reichte ihm eine Visitenkarte mit seiner E-Mail Adresse und applaudierte, weil das Spiel zu Ende war.
 

Dani konnte nicht schlafen. Er war ein so weiches und frisch riechendes Bett einfach nicht gewohnt, außerdem machte er sich immer noch Gedanken darüber, ob diese Entscheidung tatsächlich richtig war. Sich mit einem reichen Kind zu tauschen nur, um Korin näher zu sein? Dabei hielt sie stets ihre Versprechen und er hatte eigentlich keinen Grund sich auf so was einzulassen.

Weshalb hatte er sich denn überreden lassen?

Dani seufzte und drehte sich auf die andere Seite. Die Matratze war ungewohnt weich, das Kissen – zu groß - und die Decke schien ihn zu ersticken, obwohl sie federleicht war.

Was machte er hier überhaupt?

Gleich nachdem der Vorhang zum ersten Mal gefallen war, nahm er schnell Mokubas Platz ein. Der ihm erstaunlich ähnlich aussehende Junge hatte ihn noch schnell gewarnt, dass sein großer Bruder Seto Kaiba zur Vorführung erschienen war, und versteckte sich dann an seiner Stelle unter der Bühne.

Er war so nervös, dass er nichts besseres fand, als sich total müde und erschöpft zu stellen, was Seto ihm scheinbar abgekauft hatte. Nun lag er in Mokubas Bett und litt unter Gewissensbissen. Wenn Korin das jeweils erfahren würde, würde sie ihm verzeihen?

Alte Feinde - neue Verbündete

Den Freitag in der Schule hatte ich irgendwie überstanden. Die Schüler waren alle so aufgeregt wegen des bevorstehenden Fests, dass es mich fast ankotzte. Warum noch mal hatte ich Yugi und seinen Freunden zugesagt? Ich hatte schon so wenig Zeit, und mit der Apfelblütenkarte war ich auch noch nicht weiter gekommen! Verflucht!

Ich lag auf meinem Bett und betrachtete die Karte. Plötzlich hörte ich, dass es unten klingelte.

<Wer kann es sein?> dachte ich verwirrt, doch erinnerte mich dann an die Tatsache, dass heute Halloween war, <Wahrscheinlich nur diese Süßigkeiten sammelnden Kinder!>

"Korin?" ertönte nach einer Weile Maries Stimme und sie klopfte leise an meiner Tür.

"Was?" rief ich desinteressiert zurück und starrte weiterhin auf die Karte.

Ich hatte keine Lust, mich zu erheben und die Tür zu öffnen.

"Deine Schulkameraden sind gekommen."

"Was?" diesmal klang ich total überrascht.
 

"Woa! Das ist vielleicht ein Haus!" staunte Joey, der sich als Flammender Schwertkämpfer gekleidet hatte.

Beziehungsweise, er hatte sich zwar große Mühe gegeben, doch es blieb trotzdem nur bei einem Versuch...

"Ich habe zwar gewusst, dass sie aus einer reichen Familie kommt, aber das..." auch Tea war baff.

Ihr Kostüm – eine Hexe – war trivial, dafür aber viel ansehnlicher als bei dem Blondhaarigen.

"Fast wie bei Kaiba," fügte Yugi hinzu, aber ganz leise, um Joey unnötig nicht zu provozieren.

Er hatte sich auch so schon aufgeregt, dass Seto sich bei der Party bestimmt nicht blicken lassen würde. Als ob Seto nur davon träumen würde, mit Joey bei der Halloween Party Duell Monsters zu spielen!

Yugi zeigte mal wieder seine einfallsreiche Seite und beschloss, dass die Gestalt eines Duellanten ihm am besten passte. Außerdem musste er dafür nichts kaufen, nichts nähen und konnte sogar hoffen einen oder anderen zu treffen, der sich als "Yugi Mutou, der beste Duellant" gekleidet hatte. (Die Frage, wen man damit Schrecken einjagen konnte, blieb allerdings offen.)

"Da ist sie schon." sagte Bakura gelangweilt, und alle sahen zu der riesigen Treppe hinauf.

Er hatte sich auch nicht verkleidet, wenn man Wechsel von der Schuluniform auf bequemere Kleidung nicht als Verkleidung bezeichnete.

"Was macht ihr denn hier?" fragte Korin erstaunt, als sie die Treppe schnell heruntergestiegen war.

"Wir wollten dich abholen," erklärte Yugi und lächelte sie an.

"Aber das ist doch ein Umweg!" rief sie aus.

"Wie man’s nimmt," sagten Joey und als Skelett verkleideter Tristan grinsend und zeigten auf ihre Tüten voll mit verschiedensten Süßigkeiten.

"Wir haben auch etwas abbekommen," fügte Yugi schnell hinzu.

Korin seufzte und schüttelte ihren Kopf. Dann verschwand sie für eine Weile im Nebenraum und kam schon dem herbstlichen Abend entsprechen angezogen wieder zurück.

"Sag Soroke, dass es spät werden kann." richtete sie sich an die Haushalterin und wand sich dann an die Gruppe.

"Gehen wir?"
 

Das Leben in einem Waisenhaus war nicht das, was in seinen Erinnerungen existierte. Es war viel, viel schwieriger. Nur Dank seiner Geschichtlichkeit konnte Mokuba Korins Adresse herausfinden, keiner hier wollte sich mit ihm abgeben, alle hatten irgendwelche wichtige Dinge zu erledigen.

Am Abend schlich er sich aus dem Gebäude heraus und begab sich auf die Suche nach seiner mutmaßlicher Schwester. Im Waisenhaus konnte und wollte er nicht mehr bleiben.
 

Die Musik im Saal war richtig laut, überall war es "halloweenisch" mit Kürbisköpfen, Fledermäusen und Skeletten geschmückt, die farbigen Projektoren schafften eine passende Atmosphäre. Als wir eintrafen, war die Party schon voll im Gange.

Als ich mich eine kurze Zeit später umschaute, musste ich feststellen, dass ich alleine war. Yugi, Joey, Tea, Tristan und Bakura waren alle in der verkleideten Menschenmenge verschwunden.

Ich seufzte kleinlaut – eigentlich hätte es keiner mitgekriegt auch wenn ich es laut gemacht hätte, - und bahnte meinen Weg durch hüpfende Schüler zu den Tischen, die an der Wand neben der Bühne aufgestellt waren. Ich suchte mir einen Stuhl aus, setzte mich hin – der Spaziergang neulich tat meinem Fuß eindeutig nicht gut – und massierte meinen Knöchel.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Mädchengruppe, die Bakura umzingelt hatte.

<Tse,> dachte ich <ich will gar nicht wissen, was am Valentinstag passiert!>
 

Er war umzingelt. Diese aufdringlichen Mädchen hatten ihn seit dem Augenblick verfolgt, als er den Saal betreten hatte. Er musste diesem Spiel endgültig ein Ende machen!

"Bakura, wann hörst du auf, uns zu quälen?" fragte plötzlich ein Mädchen, dem sofort mehrere andere zustimmten.

"Hältst du dein Versprechen?" fragte ein anderes.

"Natürlich!" rief Bakura entschlossen aus, so dass die ringsumstehenden Mädchen sofort verstummten.

Sogar die Musik schien leiser gedreht zu sein.

"Wi-wirklich?" stotterten ein paar unglaublichen Stimmen.

"Ich habe am Anfang des Jahres versprochen," sagte Bakura laut genug, damit ihn alle im Saal hören konnten, "mit dem Mädchen auszugehen, das mir gleich im Sport wird."

<Dabei war ich mir sicher, dass dies nie der Fall wird...> dachte er bei sich.

"Also... Ringo!"

Er schaute zu Ringo hinüber, die scheinbar erst jetzt ihre Aufmerksamkeit dem Ereignis gewidmet hatte und ihn nun fragend ansah.

"Ringo ist mein Mädchen!" verkündete er und zwinkerte ihr zu.

"WAS?!"

Sie sprang auf die Beine, wobei der Stuhl mit einem lauten Bums auf den Boden fiel, und starrte Bakura baff an.
 

So langsam überkam ihn das Gefühl, dass er sich verlaufen hatte. Die Straße, die auf dem Zettel geschrieben war, kannte er nicht. Domino war eine große Stadt, und er wurde stets mit einem Auto hingebracht, wo immer er hin wollte.

<Ich sollte wenigstens ’ne Karte mitnehmen!> ärgerte sich Mokuba.

Er hatte Hunger und war müde, den Weg zurück wusste er auch nicht mehr. Doch dann musste er feststellen, dass er ein größeres Problem hatte – es fing langsam an zu regnen.
 

Als ich Bakura meinen Namen aussprechen hörte, sah ich auf und schaute ihn fragend an. Was hatte er mal wieder im Sinn?

"Ringo ist mein Mädchen!" sagte er und zwinkerte mir frech zu.

"WAS?!" schrie ich unglaublich und sprang auf die Beine.

Der Stuhl, auf dem ich saß, kippte dabei um und fiel laut auf den Boden.

"Ein Versprechen ist ein Versprechen!" sagte Bakura grinsend.

Die Überraschung war ihm sicherlich gelungen!

"Deinerseits, vielleicht," entgegnete ich mürrisch.

"Wenn du glaubst, dass ich es so einfach dabei lasse..!" ertönte Dainas drohende Piepsstimme neben mir, doch ich beachtete sie gar nicht.

"Lerne zu verlieren, Futaya." sagte Bakura mit eiskalter Stimme, "Ringo ist mein Mädchen, nicht du."

Daina verstummte, doch ich konnte trotzdem ein leises, unzufriedenes Knurren wahrnehmen.

"ICH," sagte ich aufgeregt und näherte mich Bakura, "bin NIEMANDES Mädchen, kapiert? Und ich bin nicht hier, um eure dummen Spielchen zu treiben!"

Die Musik war plötzlich verschwunden, und in dem Saal herrschte Stille.

"Ich verfolge allein meine Zwecke!" sagte ich bestimmt, doch dann hielt ich inne, als mir auf einmal klar wurde, was ich gerade gesagt hatte.

<Bin ich wirklich genauso wie Soroke?> raste mir durch den Kopf, als ich mich aus dem Saal herausstürzte.
 

Ich kam nicht weit, das Pochen in meinem Bein zwang mich schon im Korridor unweit von dem Eingang in den Saal halt zu machen. Die Musik dröhnte wieder, und die Schüler schienen ihr Interesse für den eben gerade passierten Vorfall schon verloren zu haben. Ich setzte mich auf die Fensterbank, starrte auf die nasse, von einer Laterne beleuchtete Scheibe und ärgerte mich.

Plötzlich vernahm ich leise Schritte. Ich drehte meinen Kopf um und erblickte Bakura.

"Was willst du?" fragte ich feindselig.

"Hör mal, Ringo..."

"Ich will’s gar nicht wissen!" unterbrach ich ihn, "Mich interessieren eure dummen Wetten nicht im geringsten!"

Bakura seufzte genervt:

"Korin..."

Ich winkte ab:

"Spar dir die Mühe!"

Ich sprang von der Fensterbank herunter und wollte schon weggehen, als er mich fest beim Handgelenk fasste und zu sich drehte.

"Hei!" schrie ich wütend auf und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien.

Doch er fasste mein anderes Handgelenk ebenfalls um und presste mich entschlossen gegen die Wand:

"Hör mir endlich zu!"

Er sah mich direkt an, etwas gefährliches blitzte in seinen sonst sanften, nussbraunen Augen auf, so dass ich unwillkürlich Angst bekam.

"O.k." sagte ich, als ich mich wieder gefasst hatte.

Er ließ mich wieder frei, behielt aber weiterhin im Auge:

"Ich habe bemerkt, dass du gewisse Schwierigkeiten fast mit allen hier hast... besonders, was Shiro und seine Bande angeht."

"Und ich habe bemerkt, dass du Probleme mit gewissen Mädchen hast," sagte ich mit einer guten Portion Ironie.

Doch Bakura grinste mich nur an:

"Dann verstehst du, was ich meine?"

Ich kreuzte meine Arme vor der Brust und sah ihn prüfend an:

"Ein Deal?"

"Ein Deal." antwortete er, und sein Grinsen wurde noch breiter, "Du wirst ein paar deiner Probleme los, ich dagegen werde von diesem Görenpack befreit!"

"Nun gut," sagte ich ebenfalls grinsend, nachdem ich eine weile über seinen Angebot nachgedacht hatte, "Lass es so sein!"

Wir schüttelten einander die Hände, als Zeichen für die abgeschlossene Abmachung zwischen uns.

"Aber vergiss nicht," fügte ich in hartem Ton hinzu, "Das ist nur ein Deal!"

"Sicher!" entgegnete er grinsend, "Übrigens,"

"Hm?"

"Darf ich dich heute Abend nach Hause begleiten?" dabei grinste er schelmisch.

"Was?" rief ich unglaublich aus.

Bakura lachte auf:

"Nur für den Schein, versteht sich!"

"Na gut..."

"O.k. Dann lass uns jetzt wieder zurück gehen!"

Ich schüttelte meinen Kopf:

"Ich würde jetzt gerne nach Hause gehen, meine Verletzung macht mir Probleme."

In dieser Hinsicht beschloss ich offen zu bleiben.
 

Die Schule hatte ihm eigentlich Spaß bereitet, er konnte sogar Korin aus der ferne beobachten. Er wurde hin und zurück in einem schicken Wagen gebracht, er fühlte sich wie ein König! Dass Mokuba diesen Luxus so freiwillig eingetauscht hatte, bewies, dass ihm viel an Korin lag.

<Hoffentlich kommt er zurecht,> dachte Dani.

Das Essen in diesem Palast – er konnte Mokubas Zuhause freilich nicht als ein Haus bezeichnen – war erste klasse. Irgendwie fühlte er sich schuldig, weil er so viel gegessen hatte.

Mokubas großer Bruder Seto war die ganze Zeit beschäftigt und die Bediensteten schenkten ihm ohnehin keine Aufmerksamkeit, sodass Dani keine Schwierigkeiten hatte seine wahre Identität geheim zu halten.

Bis eben der heutige Nachmittag kam und ihm übermittelt wurde, dass sein Bruder, Seto Kaiba, heute Abend einen Film zusammen mit ihm anschauen möchte. Als Entschädigung, dass er seinen Geburtstag mit ihm nicht feiern konnte.

Dani war so erschrocken gewesen, dass er keinen Ton über die Lippen bringen konnte. Er rannte in Mokubas Zimmer und versteckte sich dort.
 

Ich verabschiedete mich von Bakura schon bei der zweiten Kreuzung. Schließlich lagen unsere Heime in den entgegengesetzten Richtungen. Außerdem war unsere Abmachung nur für die Schule gedacht und irgendwie wollte ich auch nicht, dass er sich bei diesem Platzregen eine Erkältung holte, da nur meine Jacke über eine Kapuze verfügte.

Wieso war er um diese Jahreszeit überhaupt so leicht angezogen?

Na ja, das musste er selber wissen.

Mir reichte es vollkommen, dass er diese peinliche Vorstellung vor den ganzen Schule abgezogen hatte. Ein Deal hin oder her, aber im Gegensatz zu ihm hatte ich keine Neigung zur Theatralik.

<Mal schauen, wozu das gut sein wird...> dachte ich und eilte durch die Straßen.

Plötzlich sah ich eine kleine Gestalt auf der gegenüberliegenden Seite, die sich nur taumelnd nach vorn bewegte.

<Das ist... ein Kind!>

Ich erschrak und lief zu ihm.

"Hei, Kleiner, bist du in Ordnung?" fragte ich, als ich mich zu ihm beugte.

Der Junge schaute mich aus seinen großen, nassen Augen eine Weile irgendwie abwesend an, bis er schließlich mich anlächelte und flüsterte:

"Korin..!"

"Dani?" rief ich erstaunlich aus "Was zum Teufel machst du hier?"
 

"Wo sind Korin und Bakura hin?" fragte Yugi, als er sich umgeschaut hatte.

"Ich glaube," meinte Tea, "sie sind nicht zurück gekommen."

"Dieser Bakura..!" ärgerte sich der Bunthaarige.

"Lass ihn!" winkte Joey ab, "Er ist nun diese Mädels los und wer weiß, vielleicht lässt Shiro Korin jetzt auch in Ruhe!"

Die Gerüchten über Shiros Versuchen, Korin in seine Bande zu bekommen, waren auch ihm zu den Ohren gekommen.

"Vielleicht hast du recht..." sagte Yugi unschlüssig.

"Natürlich hat er recht!" meinte Tea heiter, "Hör endlich auf dir unnötig Sorgen zu machen und komm tanzen!"
 

"Dani?" rief sie überrascht aus "Was zum Teufel machst du hier?"

"Korin..." wiederholte er schwach "Endlich..."

Er hatte sie – zwar zufällig, aber trotzdem – gefunden! Da stand sie, seine Schwester und schaute ihn erschrocken und besorgt an. Was für ein Glück!

Das letzte, was Mokuba noch mitbekam, als sein Bewusstsein ihn endgültig verließ, war, wie Korin ihn mit ihrer Jacke bedeckte und ihn huckepack genommen hatte.
 

<Dani, du, dummer, dummer Junge!> dachte ich, während ich ihn auf meinen Rücken nahm, <Was hast du dir nur dabei gedacht?>

Es war sein Glück, dass ich ihn gefunden hatte, sonst... sonst... Mich schauderte bei dem Gedanken, was sonst passieren konnte.

Doch: was machte ich nun mit ihm?

Zu Sorokes Villa konnte ich beim besten Willen nicht mehr, ich konnte mir ziemlich genau vorstellen, was mich und Dani dort erwartete. Schließlich war sie diejenige, die mich mit Dani erpresste!

Ich überlegte krampfhaft.

Der Zustand meines Fußes ließ auch zum wünschen übrig, sehr lange konnte ich mit dem Kind auf dem Rücken nicht umherlaufen. Und Danis Gesundheit konnte ich auch nicht aufs Spiel setzen!

Ich konnte, natürlich, Mutou um Hilfe bitten, er hatte schließlich selber die Freundschaft betont, doch zum einem befand sich der Kartenladen auf der anderen Seite der Stadt, zum anderen war ich mir nicht sicher, dass er schon zurück von der Party war, da Bakura und ich als erste gegangen waren...

Apropos Bakura.

Ich seufzte und bog mich in die Richtung ein, in der sein zuhause lag.

So gesehen hatte ich keine andere Wahl.

Aufgeflogen

Ich stand vor der Tür, nass wie ein Hund, mit Dani auf dem Rücken und klopfte. Ich hatte Licht gesehen, also durfte Bakura noch nicht schlafen gegangen sein. Schließlich, nach einer mir als unendlich vorgekommenen langen Zeit, ging die Tür auf und Bakura erschien auf der Schwelle.

"Ich dachte, wir haben nur ein Deal," begrüßte er mich grinsend, sah aber irgendwie müde aus.

"Können wir bei dir die Nacht verbringen?" fragte ich, ohne auf seine Provokation einzugehen.

"Kannst du kochen?" entgegnete er und musterte den Jungen auf meinem Rücken.

"Wie bitte?!" flippte ich aus, "Was soll die Frage?"

"Kannst du kochen?" wiederholte er die Frage in aller Ruhe.

"Natürlich kann ich’s!" erwiderte ich bissig.

"Dann komm rein," sagte Bakura ohne meinen Ton zu beachten und ließ mich vorbei.

Er folgte mir ins Wohnzimmer, wo ich den Jungen behutsam aufs Sofa hingelegt hatte, und blieb im Eingang stehen.

"Vielen Dank," sagte ich.

"Geht klar," antwortete er mit geschlossenen Augen.

Ich schaute ihn eine Weile aufmerksam an. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht.

"Hör mal," fing ich an und näherte mich ihm, "Ist mit dir alles in Ordnung?"

"Sicher," meinte er lächelnd und...

...wäre bestimmt auf den Boden gefallen, wenn ich ihn nicht rechtzeitig aufgefangen hätte.

<Meine Güte! Er brennt doch!> stellte ich erschrocken fest, <Das fehlte mir noch! Das kommt davon, wenn man sich falsch anzieht!>
 

Er öffnete seine Augen und stellte fest, dass er sich in Bakuras Wohnzimmer befand. Er war hier ein paar Mal zusammen mit Yugi und seinen Freunden gewesen. Doch was hatte Korin damit zu tun? Und wo war sie überhaupt?

Mokuba schaute sich herum. Er war vollkommen alleine.

<Ich muss vorsichtig sein,> sagte er sich selbst in Gedanken, <sie darf nicht merken, dass ich nicht Dani bin.>

"Korin..?" rief er leise.

Bald erschien sie mit einem großen, weißen Handtuch in der Hand und noch einem auf ihrem Kopf, sah aber irgendwie blass und besorgt aus.

"Ach, du bist wach!" sagte Korin und ein verdächtig beruhigendes Lächeln erschien auf ihren Lippen, "Hier, trockne dich ab."

"Wo sind wir hier?" fragte er und fing an sein Haar abzutrocknen.

"Bei meinem Schulkameraden Ryou, du kennst ihn nicht," erklärte Korin, "Er war so nett uns hier übernachten zu lassen."

"Du siehst besorgt aus..." meinte Mokuba und schaute sie fragend an.

"Haste doch bemerkt..." erwiderte Korin schief lächelnd.

Mokuba nickte und versuchte krampfhaft ein glückliches Grinsen zu unterdrücken. Seine Schwester wurde ihm mit jedem Augenblick sympathischer.

"Na gut. Ryou ist krank. Und ich hab weder Medizin, noch Geld für welche," erklärte sie und seufzte besorgt.

"Ich habe etwas Geld dabei," meinte Mokuba.

"Was sagst du?"

Korin sah ihn mit großen Augen an. Mokuba holte einen kleinen Bündel aus der Hosentasche und reichte ihn Korin.

"Hier, kannst du haben," sagte er lächelnd.

"Du hast es doch nicht etwa gestohlen?" fragte sie ernst, nachdem sie ihn und das Geld für eine Weile skeptisch angeschaut hatte.

"Natürlich nicht!" antwortete er kopfschüttelnd.

"Wo hast du’s dann her? Es ist ’ne Menge Kohle, weißte!" sprach Korin leicht verärgert, und Mokuba erkannte den lüg-mich-nicht-an-Blick.

In dieser Hinsicht stellte seine Schwester Seto Konkurrenz dar!

<Erwischt...> dachte er verdonnert und schwieg.

"Dani!" herrschte Korin ihn an, "Antworte mir!"

"Ich... ich bin... nicht Dani..." stotterte der Schwarzhaarige, "Sondern Mokuba, Bruder von Seto Kaiba."

"WAS?!"
 

"WIE BITTE!?"

Kaiba war außer sich! Wie konnte das überhaupt passieren?

"Es war Mokubas Idee..." murmelte der kleine Junge, der angeblich Dani hieß, ängstlich, "Da wir beide so ähnlich aussehen, meinte er, es sei für ihn eine einmalige Chance, Korin besser kennen zu lernen..."

"Ich ruf ihn sofort an!" brüllte Kaiba zornig und schnappte sein Mobiltelefon.

"Er hat mir auch sein Handy gegeben," murmelte der Junge noch leiser, "Um es glaubwürdiger aussehen zu lassen..."

"Argh! Er kann mir was erleben!"

In demselben Moment machte sein Telefon eine unangenehme Bekanntschaft mit der gegenüberliegenden Wand und zerbrach in mehrere Teile.

"Und WO soll ich ihn jetzt suchen?!"

Plötzlich ertönte ein Telefonklingeln.

"Kaiba Residenz," meldete sich ein Diener.

"Ab...aber..." stotterte er unbeholfen.

"SOFORT!" ertönte aus dem Hörer eine ungeduldige, weibliche Stimme, die eindeutig Korin gehörte.
 

"Tea, ich kann nicht mehr!" jammerte Yugi.

Er wusste zwar, dass Tanzen ihre Leidenschaft war, doch hatte nie geglaubt, dass sie so viel Ausdauer besaß!

"Nimm Joey! Oder Tristan! Aber lass mich eine Pause machen!" flehte er.

<Yami! Hilf mir!> rief er in Gedanken, erhielt aber keine Antwort.

Der Pharao wollte an dem fremden Fest nicht teilnehmen einfach, weil ihm der Gedanke blöd erschien. Und auch, weil er sich in Yugis Leben nicht allzu sehr einmischen wollte.

Letztendlich zeigte Tea Erbarmen, und Yugi wurde es erlaubt, eine kurze Pause einzulegen.

"Du bist ihr entkommen?" richtete sich Joey an ihn, der sich fleißig an den Tischen weidete, "Gratuliere!"
 

Das Telefonapparat stand zum Glück im Wohnzimmer, und ich befahl Mokuba die Nummer seines Zuhauses zu wählen.

"Kaiba Residenz," erklang am anderen Ende der Leitung.

"Ich möchte mit Seto sprechen," sagte ich und behielt Mokuba im Auge.

"Ab...aber..."

"SOFORT!" befahl ich.

"Gib’s her!" hörte ich Seto’s zornige Stimme, "Wo ist Mokuba?"

"Bei mir," antwortete ich.

"Und das wäre WO?"

"Ist Dani bei dir?" fragte ich seine Frage ignorierend.

"Ja." antwortete er genervt.

"Weiß du, wo Domino Waisenhaus ist?"

Bestätigendes Brummen.

"Seid morgen Punkt 12 dort. Ich bring Mokuba mit." sagte ich und legte auf.

Zur Zeit hatte ich andere, wichtigere Probleme, um die ich mich schnellstens kümmern musste.
 

Sie hatte einfach aufgelegt! Was fiel ihr eigentlich ein?

Kaiba kochte über vor Wut und Empörung!

Diese Korin war unausstehlich!

Doch er musste sich zusammen reißen. Und seinen nächsten Schritt gut überlegen. Schließlich wollte er Korin als seine Verbündete, nicht als seine Feindin sehen.

"Erzähl mir alles," befahl er dem Jungen, als er zurück ins riesige Wohnzimmer kam.

Doch Dani schaute ihn nur ängstlich an und versuchte sich möglichst klein und unauffällig zu machen.

Seto seufzte gereizt. Womit in aller Welt hatte er das verdient?

"Wir treffen Korin morgen um 12 Uhr bei dem Waisenhaus," verkündete er.

Seine Stimme war wieder ruhig und beherrscht.

"Bis dahin will ich alles wissen."

"Wie – alles?" fragte Dani kleinlaut.

"Eben alles. Von euerer Begegnung bis eurem dummen Plan."
 

"Du, bleibt hier," richtete ich mich an Mokuba, "Zieh dich aus, trockne dich ab und häng die nassen Sachen irgendwo im Badezimmer auf."

Der Junge nickte. Es war ihm eindeutig unangenehm auf diese Art und Weise aufgeflogen zu sein. Was hatten sich die beiden nur dabei gedacht?

"Ich geh eine Apotheke suchen," verkündete ich, nahm den Schlüssel aus einer ägyptischen Schale im Flur und verließ das Haus.

Unter anderen Umständen hätte ich Mokuba sofort zu Kaiba gebracht, ohne jegliche wenn und aber. Doch Bakura war krank, ich musste Medizin für ihn holen, um sein Fieber zu senken. Im Moment war es das Wichtigste.

Zum Glück war es noch nicht so spät, sodass ich bald alle Einkäufe erledigt hatte und wieder zurück war.

"Danke fürs Geld," sagte ich Mokuba, der sich im Wohnzimmer auf dem Sofa unter irgendeine Decke verkrochen hatte, und lächelte ihn an.

Er war schließlich nur ein Kind. Hoffentlich hatte er daraus gelernt.

"Sehen wir zu, dass wir Ryou wieder auf die Beine bekommen!" sagte ich entschlossen.
 

Die Medizin hatte gewirkt und das Fieber gesenkt. Ryou schlief oben in seinem Zimmer, wo ich ihn von Anfang an hingebracht hatte, und – nachdem ich mich auch einigermaßen abgetrocknet hatte und aus den gekauften Produkten in Bakuras Küche etwas essbares gezaubert hatte - konnte ich mich endlich ein wenig entspannen. Mokuba schlief auch schon wieder auf dem Sofa. Ich machte es mir in einem Sessel unter einer Stehlampe bequem, froh über die Stille und die unheimlichen ägyptischen Sachen verdeckende Dunkelheit, und holte die Apfelblütenkarte heraus.
 

"Was für ein schönes Bild!"

Ich wurde von Mokubas fröhlicher, munterer Stimme geweckt.

"Sieht aus, wie der Berg und der Fluss hinter unserem Freizeitpark, nur aus Blüten!"

"Was?" fragte ich erstaunt.

<Hat dieses Kind die Karte ohne weiteres entschlüsselt?> dachte ich noch halbschlafend.

"Na, hier!" zeigte Mokuba und erklärte mir die Gegend.

<Erstaunlich!>

"Kannst du mich dorthin bringen?" fragte ich und stand auf.

Meine Glieder waren eingeschlafen und es kribbelte unangenehm. Dieser Sessel war eindeutig nicht fürs Schlafen gedacht.

"Klar!" antwortete Mokuba.

Ich schaute auf die Uhr: es war halb neun, wir hatten also noch reichlich Zeit. Ich ging hoch, um nach Ryou zu sehen, aber er schlief ruhig und nichts deutete darauf hin, dass er bald aufwachen würde. Er schien auch kein Fieber mehr zu haben, und das freute mich.

"Du bist mir was schuldig, Bakura." flüsterte ich und verließ leise das Zimmer.

Er hatte mich gestern richtig erschreckt.

"Lass uns gehen!" rief ich Mokuba und schloss die Eingangstür ab.
 

Wir fuhren mit dem Bus und, als ich die Umgebung des Freizeitparks erblickte, konnte ich mich dafür ohrfeigen, darauf nicht gleich gekommen zu sein!

"Hier müssen wir aussteigen!" verkündete Mokuba und nahm mich bei der Hand.

Ich wunderte mich, wie ähnlich Mokuba und Dani doch waren, und nicht nur äußerlich. Mokuba schien genauso nett, fröhlich und anhänglich zu sein wie Dani-chan. Wie hatten sich die beiden bloß kennen gelernt?

"Das hier muss der Ort auf dem Bild sein," sagte Mokuba und unterbrach damit den Lauf meiner Gedanken ab.

Wir befanden uns hinter dem Park, am Fuß eines nicht sehr hohen Berges. In der Nähe floss ein kleiner Fluss.

"Danke," antwortete ich und ging vor.

Jetzt hieß es: Augen auf und Ohren steif halten. Das Problem, was ich allerdings hatte, war, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wonach ich hier suchte.

Auf einmal sah ich ein nebelähnliches Wölkchen vor mir, das irgendwie schärfer und schärfer wurde. Ich blieb stehen und beobachtete das Geschehnis mit wachsender Besorgnis. Plötzlich nahm das Wölkchen die Gestalt eines türkishaarigen Junges an.

"Hallo, Schwesterherz..." sprach er mich an, "Ich habe so viel über dich gehört, es ist an der Zeit, dass wir uns endlich treffen."

"Du bist..?" fragte ich perplex.

"Noa," antwortete Mokuba, der sich an meiner Seite gestellt hatte, "Noa Kaiba. Der wirkliche Sohn Gosaburus."

"Hallo, Mokuba," sagte Noa, "Habe ich nicht gesagt, dass wir uns wiedersehen?"

Allem Schein nach kannten sie einander.

"Tut mir leid, Noa," sagte ich nach einiger Zeit, "Aber ich bin hier, weil..."

"Ich weiß, warum du hier bist." unterbrach er mich, "Deswegen!"

Er schnipste mit den Fingern, und plötzlich erschien neben ihm die Gestalt meines Vaters, Arituro Ringo!

"Vater..!" flüsterte ich unfassbar.

"Das ist nur ein vor langer Zeit erstelltes Hologramm," erklärte Noa, "Im Grunde genommen, bin ich auch eins. Der Mann, den du als Arituro Ringo kanntest, existiert allerdings nicht mehr."

"Das... das kann nicht sein..!" entfuhr es mir.

"Korin... mein Mädchen..." das Bild Arituros fing plötzlich an zu sprechen, "wie sehr möchte ich dir alles erklären... doch die Zeit... die läuft mir davon... bist du glücklich, mein Mädchen..?"

Ich fühlte, wie Tränen meinen Wangen herunterliefen, und ich fiel auf die Knien. Mein Vater war tot. Ich hatte so lange davon geträumt, gehofft ihn noch einmal zu sehen, aber nun... nun...

"Nimm diese Karte, Korin!" sprach Arituros Bild weiter, diesmal entschlossener, "Sie wird dir zeigen, wo sich das Dokument befindet, dass deine Mutter so sehr begehrt... Sie... sie ist kein schlechter Mensch..."

Auf einmal fing er an zu verschwimmen.

"Was ist das, Noa?" rief ich erschrocken aus, "Mach etwas dagegen!"

"Bedaure, Schwester," antwortete er kopfschüttelnd, "Dieses Hologramm wurde vor vielen Jahren erstellt, ich habe keinen Einfluss darauf."

"Nein..." flüsterte ich, als das Bild sich in der Luft auflöste, "Nein..!"

"Korin..."

Mokuba zupfte mich an dem Ärmel.

"Korin, wenn wir uns nicht beeilen, sind wir zu spät dran..."

"Ja, klar," antwortete ich teilnahmslos.

"Ich besuche dich bald wieder, Noa," sagte Mokuba, "Doch jetzt müssen wir gehen."

Noa nickte und verflog. Ich dagegen wollte aus dieser Welt überhaupt verschwunden.

"Hier, deine Karte," sagte Mokuba und reichte mir einen blauen Umschlag.

Warum hatte Arituro stets diese himmelsblauen Umschläge verwendet?
 

Es war schon später Abend, als ich mich endlich in Sorokes Villa blicken ließ. Austausch mit Kaiba verlief reibungslos, der Stolze hatte sich sogar bei mir bedankt, Dani befand sich wieder im Waisenhaus und Bakura... Ja, Bakura. Als ich wieder zurück gekehrt war, war er schon aufgestanden und hantierte in der Küche. Sein Fieber war wieder da, so musste ich ihn zurück ins Bett befördern und mich selber ums Essen kümmern. Später gab ich ihm die Schlüssel zurück und riet am Montag zuhause zu bleiben, um sich auszukurieren. Ob er meinem Rat Folge leisten würde, war allerdings fraglich.

Zuhause erwartete mich eine Furie in Gestalt meiner Mutter, die unbedingt wissen wollte, wo ich so lange gewesen war. Wie nervig!

"Hör auf mit dem Theater, Soroke!" meinte ich sauer, "Wir beide wissen, dass du mich nur für deine Zwecke benutzt!"

"Ich habe geschworen, dass KC meinem Kind gehört!"

Das hatten wir schon einmal.

"Du willst doch die Firma nur für dich alleine haben!" meinte ich augenverdrehend. "Nur kannst du’s nicht. Nicht ohne dieses eine gewisse Dokument."

Schließlich hatte Arituro mir selbst darüber erzählt und mir die Karte gegeben, um es sicher zu finden.

"Was weißt du darüber?" herrschte sie mich an, "Wo hat Arituro es versteckt?"

Ich beobachtete, wie Sorokes Augen sich weiteten und ihre blasse Haut einen Hauch Röte bekam. Ein Lächeln, das mein Wissen zeigte, berührte meine Lippen.

"Ich weiß, wo es ist," spielte ich meinen letzten Trumpf aus.

"Wo?" zischte sie drohend, "Sag es mir! Sofort!"

"Na, na, na," sagte ich und machte eine ermahnende Geste mit dem Zeigefinger, "nicht so hastig."

"Also," setzte ich fort, nachdem Soroke nichts erwidert hatte, "Du bekommst die Firma und lässt mich gehen."

"Abgemacht," entgegnete sie und lächelte ihr falsches Lächeln.
 

<Das war viel zu einfach,> dachte ich, als ich mich in mein Zimmer begab, <Zu leicht hat sie zugesagt. Hier stimmt etwas nicht..!>

Es roch nach einer Falle.

"Was ist mit dir?" rief die Köchin besorgt aus, als ich an der Küche vorbei ging, "Wo warst du?"

"Ich habe Arituro gesehen," antwortete ich bedrückt. "Er ist tot."

Maries Augen weiteten sich und sie fuhr ihre Hände zum Mund.

"Aber ich weiß jetzt, wo sich das notwendige Dokument befindet."

Marie nickte stumm. Ich war froh, dass sie keine Diskussionen angefangen hatte.

"Pass, bitte, auf meinen Freund Dani aus dem Waisenhaus auf."

Das Spiel, das ich spielte, wurde mit jedem Augenblick gefährlicher.

Der Spezialunterricht

Er stand vor einer Klasse mit den Oberschülern und ärgerte sich. Sein alter Herr hatte es tatsächlich gewagt sich in seine Ausbildung einzumischen! Was fiel ihm eigentlich ein, ihm eine Praxiswoche in Domino High aufzuschwätzen? Und dann noch am Montag gleich nach dem Halloween!

Das diente einem Ermittlungszweck, hatte er gesagt, verflucht! Hätte er gleich erwähnt, dass es eine Undercover Operation war und dass Korin Ringo direkt mit dem Meisterdieb verwandt war, wäre er sofort dabei und hätte sich jetzt nicht so geärgert.

Der alte Detektiv hielt sich für was besseres! Er konnte es wohl nicht ausstehen, dass sein Sohn ihm überlegen war.

Max Inuki überflog die Klasse mit dem Blick, es waren insgesamt 27 Schüler anwesend. Sein Blick blieb etwas länger bei einem Mädchen hängen, das alleine hinten saß und das eigentlich das Zielobjekt war: Korin Ringo, die junge Frau, mit der er auf dem Empfang getanzt hatte und die ein freches Mundwerk besaß.

"Hallo, ich heiße Max Inuki," stellte er sich vor, "Aber ihr könnt mich ruhig Herr Detektiv nennen!"

Wenn er es sich recht überlegte, war das gar nicht so schlecht hier, die meisten Mädchen sahen einfach nur köstlich aus. Besonders die Blonden. Er lächelte.

"Meine Aufgabe ist euch über Verbrechen und dessen Bekämpfung aufzuklären."

"Als ob da was zum aufklären gäbe!" ertönte eine freche Stimme, gefolgt von lautem Lachen der Schüler.

"Wer hat’s gesagt?" fragte Max gereizt.

Diese Reaktion erwies sich als ein Fehler: die Schüler brachen in einem noch lauteren Gelächter aus.
 

Er befolgte Korins Rat, wenn auch etwas widerwillig. Er wollte nicht noch mal von ihr gerettet werden. Auch wenn in Wirklichkeit dieser Schwächling Ryou gerettet wurde. Doch, da sie einen Körper teilten, spielte es keine Rolle, wer nun eigentlich gerettet wurde.

Bakura grübelte.

Er musste besser aufpassen, bis sein Plan in Erfüllung ging, sonst riskierte er zu scheitern. Und das durfte nicht passieren!

Warum musste Ryou überhaupt krank werden? Warum war sein Körper nicht widerstandsfähiger?

Er selber war noch nie krank gewesen. Schuss- und Schnittwunden, Bisse, verschiedene Kratzer, sogar Vergiftungen – damit hatte er keine Probleme, doch, wie eine Erkältung in diesem Zeitalter zu bekämpfen war, wusste er nicht.

Wäre Korin nicht aufgetaucht, säße er wahrhaftig in der Klemme. Und das ärgerte ihn am meisten.

Wer war eigentlich dieser Junge, den sie mitgebracht hatte? Er sah aufs Bild genau wie der jüngere Kaiba, doch Bakura bezweifelte stark, dass Korin und Kaiba so gut befreundet waren, außerdem wäre sie bestimmt zu Kaiba gegangen.

Bedauerlicherweise hielt Ryous Körper nicht lange genug aus, um weitere Details zu erfahren. Als er aufgewacht war, waren Korin und der Mokuba ähnliche Junge weg. Zurück kam nur das Mädchen. Das ihn wie ein Kleinkind behandelte und zurück ins Bett schickte!

"Grrr..!" knurrte Bakura.

Er war ihr trotz allem dankbar, und stand tief in ihrer Schuld.

<Geh essen, Ryou!> brummte er, die Körperkontrolle dem anderen übergebend, <Ich werde dich nicht mehr babysitten!>

Der Sonntag hatte ihm völlig ausgereicht!
 

"Bakura ist krank und irgendein Heini hat einen Spezialunterricht bei euch?" Joey war sprachlos.

Während er und seine Freunde sich auf der Party bis zum Morgengrauen amüsiert hatten, überzeugt, dass alles in bester Ordnung war, erkrankte ihr Kumpel Ryou!

"Deswegen seid ich auch so früh weggegangen!" sagte Yugi irgendwie erleichtert.

Ich nickte. Eine bessere Geschichte konnte mir nicht einfallen. Und die restlichen Details mussten sie auch nicht wissen. Es reichte mir, dass Soroke nun ihre Gesichter kannte – sie war zuhause, als Yugi und seine Freunde erschienen, - und dass die drei Jungs – Mokuba, Dani und Ryou, das ist, - mir einen riesigen Schreck eingejagt hatten!

"Wie hieß er noch mal?" erkundigte sich Tea.

"Inuki." antwortete ich "Max Inuki."

"Wenn ich mich nicht irre, kommt er zu uns auch..." meinte sie nachdenklich. "Wäre möglich, dass wir heute nach der Schule einen gemeinsamen "Aufklärunterricht" haben."

"Bloß nicht!" stöhnte ich auf. "Ich muss mir schon so eine Ausrede für den Sportlehrer einfallen lassen!"

Meinen Verletzungen ging es zwar schon wesentlich besser, doch ich wollte trotzdem nichts riskieren.

Plötzlich spürte ich einen feindseligen Blick im Nacken. Ich drehte mich um und sah Futaya, die mit ihrer Gruppe an uns vorbei ging.

"Was?" herrschte ich sie an.

"Du hast vielleicht eine Schlacht gewonnen, Ringo!" sagte sie bilderreich, "Aber nicht den Krieg!"

"Jeder kann coole Sprüche verwenden!" mischte sich Joey unerwartet ein.

"Hast du jetzt einen neuen Beschützer?" erkundigte sich Asaka höhnisch.

"Joey, sei still!" zischte Tea ihn an.

"Und das wo Bakura nur einen Tag abwesend ist!" fügte ein schwarzhaariges Mädchen – Mikage – hinzu.

"Oder bist du etwa auf Mutou scharf?" fragte Soriza, das vierte Mitglied in dieser Mädchengruppe.

Allem Anschein nach wollte sich nun auch Yugi einmischen, doch ich hob warnend meine Hand und hielt ihn damit davon ab.

"Du bist eine miserable Verliererin, Futaya!" sagte ich bestimmt. "Alles was ihr könnt, ist nur gackern!"

Darauf hatten sie offensichtlich nichts mehr zu antworten und zogen sich eilig zurück.

"Sie kommen wieder," meinte Tea.

"Ich weiß," entgegnete ich und seufzte leise.
 

Den Rest von dem Wochenende verbrachte Mokuba in seinem Zimmer. Sein Bruder war sauer. Als Korin ihn zum abgesprochenen Ort gebracht hatte, sah er ihn nur einen einzigen Mal an.

"Ist das, was du dir unter Geburtstagsgeschenk vorstellst?"

Diese Worte hallten noch immer in seinem Kopf, wie ein Todesurteil.

Mokuba hatte Angst, dass Seto mit ihm nie wieder sprechen würde. Und das Schrecklichste daran war – er wusste, dass Seto recht hatte.

Sogar die Tatsache, dass er die Zeit mit Korin verbrachte und zufällig Noa gefunden hatte, munterte ihn nicht mehr auf. Seto blieb hart und sprach kein einziges Wort zu ihm, egal wie oft er versucht hatte sich zu entschuldigen.

Mokuba seufzte und hielt die Verzweiflungstränen zurück.

In der Schule durfte er keine Schwäche zeigen.
 

Tea behielt recht. Nach der Schule wurden unsere Klassen in der Sporthalle versammelt, wo der überhebliche und von sich voll überzeugte Detektivjunge uns über schwere, aber notwendige Arbeit der Polizei aufklären sollte.

"Wir inszenieren einen Diebstahl!" verkündete er.

Wir sahen ihn gespannt an. Der Raum war mit verschiedenen Sachen vollgestellt, die uns höchstwahrscheinlich dabei helfen sollten.

"Du da!" er wählte ein blondhaariges Mädchen aus der Menge, "Gib mir eine Sache, die wir als Beute verwenden werden."

Futaya nahm ihre Kette ab und reichte sie ihm:

"Bitte, Herr Detektiv." kicherte sie.

Diese kleine... Schleimerin!

"Nun, und jetzt werdet ihr versuchen zu erklären, wie der Dieb diese Kette aus dem Haus, durch verschiedene Sicherheitsvorrichtungen," Max zeigte auf ein Karton und die Sicherheitsvorrichtungen symbolisierenden Sachen, "stehlen und in sein Versteck bringen konnte!"

Er hing die Kette in dem provisorischen Versteck des Diebes auf und sah dabei ziemlich stolz auf seine Arbeit aus.

Mir allerdings reichte nur ein einziger Blick, um sogar mehrere Lösungen zu erblicken.

<Wie langweilig!> dachte ich, behielt aber im Sinn, dass ich mein Wissen nicht preisgeben durfte.
 

"Wer bist du?" fragte der schwarzhaarige Junge.

"Ich bin Korins Tante Marie." antwortete Köchin und lächelte den Jungen freundschaftlich an, "Sie hat mir viel über dich erzählt."

"Und warum bist du hier?"

"Sie hat mich gebeten, auf dich aufzupassen."

"Dann ist sie mir gar nicht mehr böse!" rief Dani fröhlich aus.

Er hatte Angst gehabt, dass Korin ihn nach dem Vorfall nie wieder besuchen wird.

"Sie hat jetzt leider keine Zeit dich zu besuchen," sagte Marie.

"Wohnst du zusammen mit ihr?" wollte er wissen.

"Kann man so sagen!" lachte die Köchin.

"Erzähl, wie geht es Korin im neuen Heim!" forderte der Kleine ungeduldig.
 

"Ringo, du scheinst gelangweilt zu sein," wandte sich der Detektivjunge plötzlich an mich.

Die meisten Schüler hatten sich in dem riesigen Raum verteilt und suchten nach der Lösung.

"Sie ist nie besonders motiviert," mischte sich Futaya ein, "Außer es geht um Sport."

Ich funkelte sie an.

"Ich sehe keinen Sinn darin," sagte ich zurückhaltend, "solche Situation auszuspielen."

"Dir wäre, natürlich, lieber, wenn wir in ein richtiges Haus einbrechen müssten!" rief Futaya herausfordernd aus.

"Wieso auch nicht?" entgegnete ich frech.

"Mädels, beruhigt euch wieder!" rief Max aus und legte mir und Futaya die Hand um den Hals.

Allein um weiteren Ärger auszuweichen, beherrschte ich mich und schlug seine Hand nicht weg, sondern schob sie unauffällig beiseite.

"Ich kenne die Lösung," sagte ich, "Das ist auch alles."

Damit gab sich der Detektivjunge erstaunlicherweise zufrieden und ließ mich in Ruhe.
 

"Du scheinst buchstäblich den Ärger anzuziehen!" hörte ich eine mir schon bekannte Stimme neben mir.

"Was zerren sie auch ständig an mir?" antwortete ich mit einer Frage und sah Yami an.

"Du musst dein wahres Ich finden," sagte er.

"Was willst du damit sagen?" fragte ich baff.

"Du musst aufhören, dich zu verstellen," fuhr er leise fort, "Aufhören, dich hinter der falschen Fassade zu verstecken."

Ich schaute ihn perplex an. War er noch bei Sinnen?

"Du musst im Einklang mit dir selbst sein. Erst dann wirst du deine Ruhe finden."

"Yami," sagte ich ernst, "Ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst. Bist du noch beim klarem Verstand?"

Doch er sah mich nur traurig an.

"Irgendwann, hoffe ich, wirst du es verstehen."

<Ja, klar! Und in einer Klapsmühle landen!> fügte ich in Gedanken hinzu.
 

"Und? Weißt schon jemand die Lösung?" fragte Max in die Runde.

"Ja, ich!" ein Mädchen hob die Hand.

Es erstaunte mich nicht, dass es Rikou war.

"Na dann," sagte der Detektivjunge auffordernd.

Rikou begann ihre Erklärung, dicht verfolgt von Max und von allen Schülern beobachtet. An einigen Stellen lag sie falsch, dann bat der Detektivjunge um Hilfe aus der Menge.

Schließlich, nach mindestens 15 Minuten umherrennen, waren sie zum Versteck angekommen.

"...und so schleicht der Dieb in sein Versteckt und..."

"Ah!" ertönte ein heller Schrei.

Alle schauten hin: Futaya zeigte die Stelle im Versteck an, an der ihre Kette gehangen hatte.

"Meine Kette!" schrie sie "Sie ist weg!"

Die Stelle war tatsächlich leer.

"Alle bleiben hier!" rief Max aus und stellte sich vor der Ausgangstür, "Keiner geht weg, bis wir die Kette gefunden haben!"

Ich schaute mich unauffällig um. Alle Schüler waren überrascht, keiner sah so aus, als hätte er die Kette genommen. Die Situation gefiel mir mit jedem Augenblick weniger.

Nicht umsonst hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass ich diesen schwachsinnigen Unterricht schwänzen musste!

"Wir werden jeden Einzelnen von euch durchsuchen müssen," verkündete Max, als die Suche nach der Kette sich als erfolglos erwies, "Bitte, zeigt Verständnis und kooperiert."

Obwohl, ehrlich gesagt, hatten wir gar keine andere Wahl, als uns durchsuchen zu lassen.

Es dauerte eine Weile, bis auch ich an der Reihe war.

"Deine Schultasche, Ringo." forderte der Detektivjunge.

"Hier," ich reichte ihm die Schultasche, die seit Anfang dieses Unterrichts an der Wand neben den anderen Schultaschen gelegen hatte.

"Und nun deine Taschen," forderte er, nachdem er mit der Schultasche durch war.

"Alle Taschen," meinte er fest, als ich die zwei Taschen in meinem Rock ausgedreht hatte.

"Meinetwegen..." murmelte ich und zog mein Pullover aus, als plötzlich etwas Silbernes auf den Boden fiel.

"Da ist sie ja!" rief Futaya, die den Detektivjungen auf Schritt und Tritt verfolgte, unnötig laut aus, "Du, Diebin!"

"Das... war ich nicht..." flüsterte ich unfassbar, als mir plötzlich klar wurde, woher ich die Kette haben konnte.

"Du!" rief ich laut aus und deutete Max an, "Du warst das! Du hast sie mir zugespielt!"

Der Detektivjunge lachte amüsiert auf:

"Gut kalkuliert, Ringo! Wäre es aber in Wirklichkeit passiert, hätte man dich verhaftet, weil du kein Alibi hast!"

"Nicht wahr!" mischte sich plötzlich Yami ein, "Sie ist keine Diebin!"

Ich seufzte innerlich. Er und sein Sinn für die Gerechtigkeit! Statt mir die Ratschläge zu geben, sollte er sich lieber mehr um sich selbst kümmern. Sich mit diesem aufgeblasenen Möchtegern Detektiv anzulegen war gefährlich, weil er, genau wie ich es schon bei unseren ersten Begegnung vermutet hatte, sich eingebildet hatte, dass ihm alles erlaubt war.

"Lass das," flüsterte ich ihm zu, "Das war nur ein Spiel."

"Und das Spiel ist nun vorbei, nicht wahr?" fragte ich laut und schaute Max prüfend an.

Er nickte stolz. Er glaubte tatsächlich, dass er aus der Sache als Gewinner herausgekommen war.

Dieb VS Dieb: Gestohlener Schatz

"Diebin!" riefen mir Asaka und Futaya laut hinterher, als ich an sie vorbei in die Klasse reinging.

"Ist gestern etwas passiert?" fragte mich Ryou verwundert.

Ich winkte nur ab. Dass Dainas Gruppe mich deswegen aufziehen würde, war nicht überraschend. In solchen Fällen galt: einfach ignorieren.

"Ignorier sie einfach," meinte ich und nahm meine Sachen.

<Spätestens, wenn du dich mit Yugi und Co unterhältst, kennst du die ganze Geschichte,> dachte ich unterwegs.

Die selber zu erzählen war mir irgendwie peinlich, weil ich es zugelassen hatte, dass der Detektivjunge mich reinlegte.

Die große Pause war schon zur Hälfte vorbei, und ich musste mich noch umziehen. Bakura hatte mehr Glück – er war krankgeschrieben und musste an dem Sportunterricht nicht teilnehmen.
 

Das Sitzen neben den Umkleideräume war langweilig, doch den "Kranken" war es nun mal nicht erlaubt dem Unterricht draußen beizuleben. Ungerecht zwar, aber es war wenigstens warm.

Bakura erhob sich und ging in den Toilettenraum. Als er zurück gekehrt war, vernahm er plötzlich ein verdächtiges Geräusch, als ob irgendjemand in dem Mädchenumkleideraum wühlen würde. Er versteckte sich, um das Geschehnis unbemerkt zu beobachten.

Nach einer Weile trat aus dem Raum ein Mädchen heraus, in dem er unfehlbar Futaya erkannte. Sie hielt ein zusammengewickeltes Bündelchen und schaute sich verstohlen um.

Was hatte diese falsche Schlange wieder im Sinn?

Bakura folgte ihr heimlich.

Sie bog hinter die Umkleideräume ein, und er lehnte sich an die Wand und horchte auf.

"Wenn ich Ihnen sonst wie behilflich sein kann, Herr Detektiv," hörte er Dainas Kichern.

<Detektiv?!> raste in Bakuras Gedanken vorbei, als er Max Inuki in dem Jungen erkannte, <Was zum Ra hab ich gestern verpasst? Und diese Ringo ist mal wieder viel zu stolz, um es mir zu erzählen..! Phe..!>

"Nenn mich doch einfach Max, Kleines," antwortete der Junge vergnügt und strich ihre Wange mit seinen Fingern.

Futaya kicherte verlegen. Sie war eine gute Schauspielerin, das musste Bakura ihr schon lassen.

"Danke für deine Hilfe," sagte Max und versteckte das Bündelchen, "Und nun beeil dich zurück."

"Ja!" antwortete das Mädchen und verschwand in Richtung Stadion.

"Jetzt hab ich dich, Ringo!" flüsterte er siegessicher und verließ ebenfalls den Ort.

<Was geht hier bloß vor sich?> überlegte Bakura, den die Entwicklung der Ereignissen ganz und gar nicht ins Bild passte.
 

"Ringo, du bist frei," wandte sich der Lehrer an mich, als ich mit meinem Lauf fertig war, "Ich sehe dich heute beim Training."

Ich nickte.

"Und kümmere dich drum, dass Bakura sich auch mal blickt!" sagte er noch.

Die umherstehenden Schüler lachten sofort auf. Ich konnte mir vorstellen, was sie bei sich dachten, nach der Vorstellung am Freitagabend, und das ließ mich unwillkürlich erröten. Ich hasste mich dafür.

Warum konnte ich nicht so cool und beherrscht sein, wie mein mutmaßlicher Stiefbruder Seto?

Ich seufzte und begab mich in den Umkleideraum.
 

"Das ist unfair!" rief Joey aus, "Warum darf sie gehen und wir nicht, obwohl wir auch gelaufen sind?"

"Sie nimmt nun mal an der Olympiade teil," erklärte Tea.

"Und sie bekommt extra Training nach der Schule," fügte Yugi hinzu, "Jeden Tag."

"Trotzdem – unfair!" gab Joey keine Ruhe.

"Was höre ich hier?" erkundigte sich plötzlich neben ihnen erschienener Lehrer, "Du willst auch an der Olympiade teilnehmen, Wheeler?"

"N-nein..." stotterte er überrascht.

"Du musst schon mehr als eine große Klappe haben, um daran teil zu nehmen," meinte der Lehrer und drehte sich weg.

"Puh," seufzte Joey leise, "das war knapp..."

"Aber ich überleg’s mir noch!" sagte der Lehrer plötzlich und sah den geschockten Jungen amüsiert an.

Dann widmete er sich den anderen Schülern.

"Du musst dein Glück auch immer herausfordern!" rief Tea unglaublich aus.
 

Sie war nicht da! Einfach nicht da!

Als ich mich für den Unterricht umgezogen hatte, war sie noch da. Ich hatte sie selber sorgfältig versteckt, damit keiner sie finden konnte. Und nun waren meine Sachen durcheinander, und SIE war nicht mehr da!

Tränen des Zorns und der Verzweiflung drohten aus meinen Augen auszubrechen.

Wer hatte es gewagt?

Etwa, Bakura?

Ich hatte ihn nicht neben den Umkleideräumen gesehen, also war es anzunehmen. Doch gleichzeitig war es auch unmöglich – Bakura, der in Mädchenumkleideraum meine Sachen durchwühlte? Lächerlich!

Wenn’s nur meine Brieftasche gewesen wäre, hätte ich kein Problem damit. Doch es war der himmelsblaue Umschlag meines Vater mit der Karte, die zu meiner Freiheit führte! Ich trug ihn stetst bei mir, damit Soroke ihn nicht finden konnte, aber jetzt war er weg!

"Verdammt!" fauchte ich und schlug die Tür verärgert hinter mir zu.

"Ringo, ist etwas nicht in Ordnung?"

Ich schaute auf und sah in die frech grinsende Fresse des Detektivjunges.

"Was willst du noch?" fragte ich sauer.

"Ich weiß, wer du in Wirklichkeit bist," sagte er überzeugt und grinste vielbedeutend, "Tochter eines Diebes."

Ich schaute ihn schweigend an und wartete die Entwicklung dieses Gesprächs ab.

"Ich weiß außerdem, was du getan hast," setzte er nach einer Pause fort.

Ich schaute ihn noch immer schweigend an.

"Führe mich zu ihm und ich lasse dich frei," sagte er und wedelte mit einem Umschlag.

Meine Augen weiteten sich, als ich den Umschlag erkannte.

"Wo hast du ihn her?" stellte ich die falsche Frage.

Max grinste siegreich.

"Spielt das denn eine Rolle?" entgegnete er und schaute mich überlegen an.

"Ich werde auf dich warten." sagte er, nachdem ich nicht geantwortet hatte, und warf mir einen zusammengeknitterten Zettel zu.
 

"Wer ist das denn?" fragte Bakura und deutete den weggehenden Jungen an.

Er beschloss erst mal den Unwissenden zu spielen.

"Max Inuki, der Detektivjunge vom Empfang," erwiderte Korin angespannt.

Bakura hatte das Gespräch aus seinem Versteck verfolgt und alles klar und deutlich gehört. Es war erstaunlich, dass Ringo nur ein wenig zitterte, und sich sonst nichts anmerken ließ.

"Er hat hier eine Praxiswoche und klärt die Schüler über Polizeiarbeit auf." erklärte sie mit Spott in der Stimme.

Sie hasste diesen Inuki, das war offensichtlich. Was hatte er nur in der Hand gegen sie?

"Und was will er von dir?"

"Was kümmert das dich?" erwiderte Korin bissig.

"Wir sind schließlich ein Paar." erinnerte er sie und grinste.

Es war immer schön, sie zu reizen.

"Das ist nur eine Abmachung." sagte sie fest.

"Dann halt dich auch dran," konterte Bakura.

"Er will, dass ich ihm helfe, eine Person zu finden," antwortete Korin nach einer Weile und sah weg, "Das ist alles."

"Du lügst."

Er stellte sich vor ihr und zwang sie so ihn wieder anzusehen.

"Ich seh’s dir an." sagte Bakura und schaute ihr direkt in die Augen, "Du lügst."

"Und wenn schon..." flüsterte sie und wand ihren Kopf zur Seite.

"Und wenn ich dir sage, dass ich das ganze Gespräch mitverfolgt habe?" fragte er ernst und drehte ihren Kopf zu sich.

Korins Augen weiteten sich ein wenig, doch sie erwiderte nichts.

"Willst du trotzdem alleine dorthin gehen?" fragte er und nickte in die Richtung, in die Max verschwunden war.

"Tut mir leid, Bakura," erwiderte sie schließlich und sah nun direkt in seine Augen, "Das ist eine Angelegenheit, mit der du nichts im geringsten zu tun hast."

Danach drehte sie sich um und ging weg.

<Wen willst du beschützen, Ringo?> dachte Bakura und verfolgte das weggehende Mädchen mit den Augen.
 

"Herr Kaiba?"

Die nette Sekretärin hatte ihn ohne weiteren Fragen weitergeleitet, doch nun war er nicht mehr sicher, dass Anrufen eine so gute Idee war.

"Ich bin noch dran," meldete sich der junge Firmenchef nach einigen Minuten Stille.

Inuki seufzte erleichtert. Wie versprochen ließ er Seto Kaiba alle Informationen zukommen, die in irgendeiner Weise mit dem Meisterdieb, seinem Stiefvater oder Frau Yuka zu tun hatten. Zu seiner Verwunderung fand der Detektiv immer mehr Gefallen mit dem Jungen zusammen zu arbeiten. Wenn Kaiba etwas tat, dann war es stets gründlich und verlässlich.

Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die Informationen aus dem Mund Yukas nicht mit den Informationen auf dem Revier übereinstimmten. Und genauso wenig mit den Sachen, die Kaiba von Korin persönlich erfahren hatte.

Die Dokumente, die sie besaß, waren allerdings echt.

"Sie ist also ein schwarzes Schäfchen, diese Ihre Yuka..." meinte Seto.

Inuki konnte sein amüsiertes Lächeln fast sehen, der KC-Leiter hatte sehr schnell begriffen, welche Verhältnisse ihn mit der Frau Yuka seinerzeit zusammenbanden.

"So kann man wohl sagen," antwortete er zurückhaltend.

"Trotzdem sehe ich hier nichts, was uns weiter hilft." meinte Kaiba leicht verärgert.

"Mein Sohn beschattet Korin in der Schule," sagte Inuki, "Wir hoffen dadurch mehr Informationen zu bekommen."

Kaiba murmelte etwas unverständliches, sodass Inuki nicht verstand, ob er die Beschattung gut oder schlecht hieß.

"Zur Zeit habe ich keine anderen Informationen," sagte er deswegen.

"Schön," antwortete Kaiba, "Wir verbleiben im Kontakt."

Danach legte er auf.
 

Es war Abend. Ich zog mich um und las noch mal die Adresse auf dem Zettel. Ich musste den Umschlag zurückhaben, koste es was es wolle!

Davon hing mein Leben ab!

In diesem Augenblick war mir alles egal. Soroke, Marie, Kaiba, Schule, Olympiade, Yami, Bakura. Es existierten nur ich und meine Freiheit. Alles andere war unwichtig.

<Was fiel ihm überhaupt ein, uns zu belauschen!> ärgerte ich mich.

Es war mir doch nicht alles gleichgültig!

Es brachte mich aus der Fassung, wie Bakura mit mir umging. Reichte ihm der Freitagabend mit darauffolgendem Samstag etwa nicht? Wollte er etwa, dass ich ihn auch noch aus diesem Schlamassel herauszog?

Nein, danke!

Darauf konnte ich verzichten.

Ich schlich mich aus meinem Zimmer und verschwand in die Dunkelheit hinein. Wenn Marie oder Soroke mich jetzt suchten, war das ihr Pech.

Ich grinste bei der Vorstellung, Soroke wieder zum Durchdrehen zu bringen.

Aber das später. Erst musste ich meinen Job erledigen.
 

Diese Ringo war eindeutig verrückt. Soviel Stolz besaß nicht mal Kaiba! Und das sollte schon etwas heißen!

Er stand tief in ihrer Schuld, was sie eigentlich sehr genau wusste, und trotzdem ließ sie ihn stur nicht helfen.

Dachte sie etwa, er sei ein Schwächling? Oder musste er sich vor ihr auf die Knie fallen und sie darum betteln?!

"Ts," schnaubte Bakura leise, während er sie beschattete.

Wenn er kein Ehrenmann wäre!
 

"Halt, Diebin!"

Max hatte sie jetzt genau dort, wo er sie haben wollte.

"Im Namen des Gesetzes!"

Die Diebin blieb stehen und beobachtete ihn aufmerksam.

<Richtig so, du kannst ohnehin nirgendwo mehr laufen!> dachte er vergnügt.

Sie befanden sich auf dem flachen Dach eines mehrstöckigen Wohnhauses, und der einzige sichere Weg wäre zurück ins Treppenhaus, doch er blockierte den Eingang.

<Endlich ist es soweit!> dachte er triumphierend und zielte auf die Person aus seiner Pistole.

"Du sitzt fest, Diebin!" rief er laut, "Ergib dich!"

Doch sie schaute ihn weiterhin schweigend an und machte einen vorsichtigen Schritt zurück, als ob sie zum Dachrand wollte.

<Du wirst mir nicht entkommen!> dachte er zornig und drückte ab.

"Ahh!" schrie die Diebin auf, als die Kugel sie in die Schulter getroffen hatte.

Nun lag sie auf dem Boden, krümmte sich vor Schmerz und umklammerte ihre Wunde.

"Mal sehen, wer sich hinter dieser Maske versteckt!" sagte Max und kniete sich vor ihr.

Er lachte auf und sah das Mädchen höhnisch an. Er war ihr überlegen, er war seinem Vater, ja der ganzen Welt überlegen!
 

Ich lag auf dem Boden und presste die Schusswunde mit der Hand zusammen. Der Schmerz war höllisch, und ich befürchtete jeden Augenblick mein Bewusstsein zu verlieren.

Dieser elende Hund von einem Detektiv!

"Mal sehen, wer sich hinter dieser Maske versteckt!" sagte er und kniete vor mir.

Ich sah ihn hasserfüllt an, doch er lachte nur höhnisch auf und zog langsam meine Maske nach oben.

"Nicht so hastig, Freundchen!" ertönte plötzlich eine bedrohlich finstere Stimme aus der Dunkelheit.

"Was du nicht sagst!" rief Max übermütig aus und erhob sich. "Wer bist du? Ihr Komplize?"

Und er zielte auf die Silhouette, die ihm keine Antwort gab.

"Dann schnapp ich halt euch beide!"

"Bleib ruhig liegen, Diebin," wandte sich plötzlich der Unbekannte an mich, Max Drohungen vollkommen ignorierend.

Seine Stimme kam mir irgendwie vertraut vor, aber mein Verstand war zu sehr von dem Schmerz betört, dass ich klar denken konnte.

Auf einmal ertönte ein Schuss. Mein Herz fuhr zusammen, da ich auf eigenem Leib erfahren durfte, wie machtlos man gegen eine Schusswaffe war.

Ich nahm die letzten Kräfte zusammen und schaute zu der Gestalt auf, die mir so unerwartet zur Hilfe gekommen war. Plötzlich wurde ich von einem grellem Licht geblendet und musste meine Augen fest zusammen kneifen.

"A-a!" hörte ich Max erschrocken aufschreien, und es folgten vier Schüsse nacheinander.

<Was geht da vor sich..?> dachte ich und zwang mich die Augen wieder zu öffnen.

Alles war verschwommen.

Ich sah, dass etwas dunkles, mit weißem Kopf und einem hellgelben Ring in der Mitte, sich zu mir beugte und mich hochhob. Dann verlor ich endgültig das Bewusstsein.
 

<Ringo, Ringo...>

Wenn er sie nicht beschattet hätte, wäre sie jetzt bestimmt tot, so wie der Trottel mit den Waffen umging.

Leider war das Duell Monster nun wieder verschwunden, da die Magie seines Millenniumsringes es nicht mehr unterstützte, doch es sollte dem überheblichem Detektivjungen eine gute Lehre sein!

Das Mädchen, dass er nun durch die Nacht trug, hatte viel Blut verloren und war Bewusstlos. Aber wenigstens schien sie kein Fieber zu haben. Mit solchen Verletzungen hatte er viel mehr Erfahrung.

"Nun schulde ich dir nichts mehr, Ringo," flüsterte er, als er endlich zuhause ankam.

Dieb VS Dieb: Gelüfteten Geheimnisse

Ich rannte die Treppe hoch. Ein Stockwerk tiefer befand sich der Detektivjunge, der mich jagte. Er hatte mir eine Falle gestellt und dachte tatsächlich, ich war so dumm in sie reinzutappen!

Er konnte hundertmal seine Polizei Akademie besuchen – ich war nicht so leicht zu fangen!

Der wertvolle Umschlag mit der Karte – der Grund, warum ich überhaupt diese Sache angefangen hatte, - befand sich nun wieder in meinem Besitz. Was für eine Erleichterung!

Jetzt nur noch entkommen!
 

Das Mädchen war zwar immer noch bewusstlos, hatte die Nacht aber gut überstanden, und auch ihre Wunde stellte sich als nicht lebensbedrohlich heraus. Die ganze Nacht und die hälfte des Morgens hatte er sich damit beschäftigt die in ihrem Gewebe steckengebliebene Kugel herauszuholen, die Wunde zu desinfizieren und zusammenzunähen, und nun brauchte auch er, der Geist des Millenniumsringes, eine Ruhepause.

Er übergab Ryou die Kontrolle. Mit der Kleinigkeit wie Verbinden der verletzten Schulter musste er schon klarkommen.

Ryou, den Bakuras Verhalten eigentlich sehr überraschte, stellte trotzdem keine Fragen und machte sich an die Arbeit.

Korin war schwer verletzt. Was war das, weswegen sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte? Warum war sie überhaupt dort?

Er brachte die Salbe auf ihre Wunde, bedeckte das Ganze mit einem Stück Binde und begann sie zu verbinden.

"Aah!" Korin entfuhr ein schmerzvolles Stöhnen.

Ryou nahm seine Hände schnell von ihrer Schulter weg und sah, wie Korin langsam ihre Augen öffnete.

Sie schaute ihn direkt an. Tausende Fragen schienen ihr durch den Kopf zu gehen. Doch auch er hatte so manche. Was war in dem blauen Umschlag? Warum war ein Detektiv hinter ihr her? Warum nannte er sie Tochter eines Diebes? Korin war doch keine Verbrecherin, oder?

"Wer bist du?" fragte er leise und hörte sie dieselbe Frage aussprechen.
 

Ich stand auf dem Dach, meine linke Schulter brannte vor Schmerz, als ob irgendetwas darauf drückte.

"Aah!" entfuhr es mir, und der Druck ließ plötzlich nach.

Auf einmal sah ich eine Gestalt vor mir. Sie war nur etwas größer als ich, hatte langes, weißes Haar und einen von goldenem Schein umgebenen Ring auf der Brust. Ich schaute genauer hin... er schaute mich aus seinen sanften, nussbraunen Augen besorgt, aber auch erleichtert an.

Ich stellte fest, dass ich in seinem Zimmer war, in seinem Bett. Meine linke Schulter war teilweise verbunden, der Weißhaarige hielt die Rollbinde noch in der Hand.

Tausende Fragen kreisten in meinem Kopf. Was war passiert? Wie war ich hierher geraten? Wieso Bakura?

Doch eine Frage überragte alle anderen:

"Wer bist du?" fragte ich leise und hörte ihn dieselbe Frage aussprechen.

Wir blinzelten.

Das kam ein wenig überraschend.

Dann lächelte mich Ryou an:

"Bin ich froh, dass du wieder wach bist!"

"Danke..." sagte ich mit schwacher Stimme, "Du... du hast mich gerettet... Oder..?"

Ryou schaute mich ein bisschen verlegen an:

"Jein," antwortete er schließlich.

Ich schaute ihn verwirrt an.

"Es war der Geist des Millenniumsrings," sagte er nach einer Weile, "der dich da rausgeholt hat."

Ryou holte einen goldenen Ring hervor und hielt ihn eine Weile vor meinem Gesicht, damit ich ihn betrachten konnte. An den äußeren Seiten des Ringes waren goldene Pfeile befestigt, in der Mitte hing eine Pyramide mit einem daraufgravierten ägyptischen Augen.

"Es ist wie bei Mutou," erklärte er, nachdem ich nichts erwidert hatte, "Nur dass dieser Geist eher böse ist..."

"Ich bin nicht böse," ertönte plötzlich eine tiefere Stimme aus Ryous Mund, "Ich weiß nur, was ich will!"

"Bakura..?" flüsterte ich unglaublich.

"Jetzt weiß du auch mein Geheimnis." sagte er wie nebenbei und schaute die unbeendete Arbeit Ryous unzufrieden an, "Ich werd dich jetzt verbinden, also sei ein braves Mädchen."

Und er grinste mich an.

Ich erkannte dieses freche, herausfordernde Grinsen sofort.

"Du... ahh..! hast dich... ahh..! besser... verstellt... ahh..!"

"Als Pharao?" fragte er, ohne auf meine Aufschreie zu achten, "Ja."

Ich hatte mich immer über Bakuras plötzlichen Persönlichkeitswechslungen gewundert, konnte aber nie dahinter kommen. Im Gegensatz zu Mutou war der Übergang viel fließender und die Unterschiede nicht so sichtbar, außerdem trug er seinen Ring nicht offen.

"Danke..." bedankte ich mich nun auch bei ihm und drückte meine Zähne zusammen, als er die Bindenenden zusammengeknotet hatte.

"Dafür kann ich mir nichts kaufen," entgegnete er und setzte sich wieder direkt vor mir, "Also, ich höre."

Seine Stimmlage gab mir zu verstehen, dass ich nur eine einzige Wahl hatte – die Wahrheit - und zwar die ganze - zu erzählen.
 

"Weder Ringo, noch Bakura sind heute erschienen... sind sie etwa beide krank?"

Yugi machte sich, wie wohl immer, Sorgen.

"Wahrscheinlich hat Ryou sie angesteckt," vermutete Joey.

"Gehen wir, vielleicht, nach der Schule, Ryou besuchen?" fragte Yugi.

Er hatte es nicht gewagt vorzuschlagen, Korin zu besuchen.

"Ja," stimmte Tea zu, "Lasst uns das machen!"

Es klingelte, und die Freunde beeilten sich zurück in die Klasse.
 

"Ich frage dich zum letzten Mal, Max," sprach Inuki verärgert, während er das Auto steuerte, "Was. Ist. Passiert."

Der Junge schwieg. Er versuchte aus ihm eine Erklärung auszupressen schon seit er Nachts verletzt und halbnackt zurück nach Hause gekommen war. Das einzige, was Max bis jetzt gelungen war, war der Wort "Ringo", das er zitternd über die Lippen hervorbrachte.

"Willst du mir weiß machen, dass du das Mädchen so spät Nachts noch beschattet hast?" fragte er sauer, "Und dass sie dich so bearbeitet hat?"

Max schwieg. In seinen Augen stand Angst. Und Hass.

"Wenn du mir nicht sagst, was vorgefallen ist, kann ich dir auch nicht helfen!"

Doch auch diesmal erhielt er keine Antwort.

Inuki fuhr extra zu Yukas Villa, um mit Korin persönlich zu sprechen. Schließlich war sie der einzige Anhaltspunkt, den er momentan hatte.
 

Es klingelte. Soroke schrak auf und eilte zur Tür. Wehe es war nicht sie!

"Guten Morgen, Frau Yuka." grüßte Herr Inuki.

Neben ihm stand ein Junge, in dem sie kaum seinen Sohn Max erkannte, so verbunden war er. Soroke presste ihre Lippen zusammen und schaute die Herrschaften fragend an.

"Verzeihen Sie die Störung, Frau Yuka," sagte Inuki äußerst höflich, "aber wir hätten gerne Ihre Tochter gesprochen."

Max nickte schwach zur Bestätigung.

"Bedaure," entgegnete sie, "aber Korin ist krank. Was wollen Sie von ihr?"

"Das wird nicht lange dauern, Frau Yuka," erwiderte Inuki ausweichend.

"Nein." sagte Soroke fest, "Entweder warten Sie, bis Korin wieder gesund ist, oder besorgen Sie sich einen Gerichtsbeschluss!"

"Aber..!" versuchte Inuki noch etwas einzuwenden.

"Auf Wiedersehen, meine Herren!" sagte sie und schloss die Tür wieder.

<Was hat das Mädchen nur wieder getan? Wo ist sie überhaupt?>

Wieso war Inuki auf der Suche nach Korin, statt Arituro? Wollte das schlaue Mädchen etwa Polizei auf sie aufhetzen?

Sie hatte ihr sogar keine Aufträge mehr erteilt, als Zeichen ihres guten Willens und um ihr die Möglichkeit zu geben, das Dokument schnellstens aufzutreiben. Und das hatte sie jetzt davon.

"Undankbare Göre..!" zischte Soroke und stürmte in ihr Arbeitszimmer hinein.
 

Ein verschwundenes Mädchen.

Eine lügende Mutter.

Und ein total verprügelter Möchtegerndetektiv.

Das war zur Zeit alles an Information, worüber Inuki verfügte.

<Ein Rätsel...> dachte er und kratzte sich am Hinterkopf.

Er durfte diese Aufgabe Max nie anvertrauen. Er wusste schon früher, dass sein Sohn für Detektivarbeit nicht wirklich geeignet war, doch das war sein Wunsch und er respektierte ihn.

<Was ist daran so schwierig ein 17 jähriges Mädchen zu beobachten?> fragte er sich. <Welches Spielchen hat er wieder getrieben?>

Er sollte bei der Domino High anrufen und nachfragen, was genau sein Sohn dort gemacht hatte.
 

"Wieso hast du’s mir nicht früher erzählt?"

Bakura schaute mich vorwurfsvoll an und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.

Seit unserem letztem Gespräch war schon ein halber Tag vergangen, den ich komplett verschlafen hatte.

"Das hätte dir," sagte er und nickte in meine Richtung, "und vor allem mir jede Menge Ärger erspart."

Ich seufzte kleinlaut und zupfte an der Decke.

"Meinst du, ich würde einen Deal mit jemanden schließen, dem ich nicht mal ein bisschen Vertrauen entgegen bringe?" herrschte er mich an.

"Das Ganze..." fing ich leise an und ohne ihn anzuschauen, "war nicht geplant."

"Geplant oder nicht, aber es ist nun mal geschehen!" wies Bakura hin.

"Was willst du nun machen?" fragte er nach einer Weile.

"Ich finde dieses verfluchte Dokument und kauf mich frei." antwortete ich.

"Närrin!" fauchte er, "Denkst du diese Soroke lässt dich so einfach laufen?"

Plötzlich ertönte ein Klopfen. Bakura schaute unauffällig aus dem Fenster hinaus, und ich vernahm ein unzufriedenes Knurren.

"Der Kindergarten..!"

Danach verließ er das Zimmer und ging nach unten.

"Hey, Ryou!" ertönte die fröhliche Stimme Joeys, "Wie geht’s?"

"Du warst heute nicht in der Schule," vernahm ich Yugis unsichere Stimme, "Und wir haben uns Sorgen um dich gemacht."

"Weißte? Du hast Korin auch angesteckt!" erzählte Joey ungestört weiter, "Sie ist heute auch nicht erschienen!"

<Wenn du nur wüsstest!> dachte ich. Doch es war gut, dass er und seine Freunde nichts davon wussten.

"Das tut mir aber leid!" antwortete Bakura nett und ehrlich.

Oder war es wieder Ryou?

"Da wir schon hier sind," ertönte eine weibliche Stimme, "hier, die Hausaufgaben."

"Danke, Tea!"

Die Stimmen wurden leiser, und ich verstand, dass Bakura sich mit ihnen vor der Tür unterhielt.

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Es tat irgendwie gut, jetzt, wo ich ihm die ganze Wahrheit erzählt hatte. Von Soroke, ihrer Erpressung, von Arituro und Dani, von dem unüberwindbaren Chaos in meinem Leben. Ich fühlte mich irgendwie erleichtert. Ich wusste, dass ich nicht mehr alleine war. Ich hatte einen Partner, ja, einen Freund. Ich lächelte unwillkürlich. Dass ich mich ausgerechnet Bakura anvertraut hatte..!

"Du bist wahrhaftig eine Närrin..." flüsterte ich einschlafend.
 

Als er zurück ins Zimmer kam, war das Mädchen wieder eingeschlafen. Diese aufdringlichen Freunde des Pharaos! Es kostete ihn eine Ewigkeit sie wieder los zu werden! Zum Glück hatten sie nicht darauf bestanden, in seine Wohnung reinzutreten. Dann wäre er bestimmt explodiert!

Bakura streifte schlafende Korin mit dem Blick. Sie war noch schwach, da sie viel Blut verloren hatte, doch sie war schon beim Bewusstsein. Er hatte sich nicht geirrt, was dieses Mädchen anging. Sie war stark und widerstandsfähig, sie hatte eine gute diebische Ausbildung genossen und sie passte perfekt! Doch, bevor er sein Plan umsetzen konnte, musste er ein paar störende Kleinigkeiten aus dem Weg schaffen. Wie diese Geschichte mit Yuka. Oder Kaiba. Er brauchte sie frei.

Futayas Angriff

Bakura hatte mich für mehrere Tagen im Bett behalten. Und ich gehorchte. Diese Millenniumsgeschichte hatte mich, ehrlich gesagt, nicht wirklich überzeugt, nicht, als Yami sie mir erzählte, und auch nicht, als ich sie aus Bakuras Mund hörte, doch eins stand für mich klar – was Schusswunden anging, konnte ich mich auf Bakura hundertprozentig verlassen.

Schon nach drei Tagen begann sich die Wunde langsam, aber sicher zuzuziehen. Ob das an der Behandlung mit seiner komischen Salbe lag oder an den Regenerationskräften meines Körpers, wusste ich nicht so genau. Und das interessierte mich auch nicht besonders.

In diesem Zeitraum lernte ich die Unterschiede zwischen Ryou und Bakura besser kennen, war aber noch immer unschlüssig, wer denn eigentlich vor mir stand – wenn Bakura wollte, konnte er sich unfehlbar als Ryou verstellen. Nur sein amüsiertes Grinsen und der kecke Ausdruck in seinen Augen verrieten mir jedes Mal, dass ich mal wieder falsch lag.

Am Samstag half er mir zurück in mein Zimmer in Sorokes Villa einzudringen. Ich hatte mich schon auf ein Skandal vorbereitet, doch der Sturm blieb aus. Soroke hatte mir keine Fragen gestellt, beziehungsweise, sie hatte mich das ganze Wochenende nicht wahrgenommen.
 

Das Mädchen war zurückgekehrt. Irgendwann Samstag Morgen merkte sie auf einmal, dass Korin wieder da war. Sie wollte schon zu ihr gehen und richtig ausfragen, entschied sich schließlich anders. Sie hatten eine Vereinbarung getroffen, und das Mädchen hielt immer ihr Wort. Der Detektiv war auch nicht wieder gekommen. Und falls Korin flüchtete oder sonst irgendwelche Dummheiten machte, konnte sie diese sehr schnell zum Raison bringen. Sie hatte Mittel dafür!
 

"Hey, Korin!"

Ryou wartete vor der Schule auf mich.

"Hallo!" entgegnete ich und winkte.

Die Wunde an meiner Schulter schmerzte zwar immer noch, aber ich wolle die unnötigen Fragen möglichst vermeiden.

"Ach, sieh an, sieh an, wer sich endlich blicken lässt!"

Shiro holte mich auf und wollte schon seine Hand um mich legen, als er plötzlich inne hielt und laut schluckte.

"Sorry, Kumpel," hörte ich ihn murmeln, und er verschwand schneller als der Wind in Richtung Schule.

Ich schaute ihm etwas verwundert nach, als plötzlich jemand mir den Arm um die Taille legte.

"Ryou..!" rief ich überrascht aus.

Wann hatte er es geschafft so schnell zu mir zu kommen?

"Wieder falsch," grinste mich Bakura an.
 

"Shiro, du bist ein Feigling!" schimpfte Daina, die das Geschehnis beobachtet hatte.

"Ich will mich mit diesem Teufel nicht anlegen!" verkündete er laut.

Es kränkte zwar sein Stolz, dafür waren alle seine Knochen heil.

"Und meine Jungs lässt du damit auch in Ruhe, Futaya!" fügte er in bestimmtem Ton hinzu und betrat das Gebäude.

<Unverschämtheit!> ärgerte sich das blondhaarige Mädchen, als sie sah, dass Ringo und Bakura sich nicht stritten, sondern sich ganz freundlich unterhielten, <Unerhörte Frechheit!>

Wer hatte es Ringo erlaubt von ihrem süßen, netten, lieben, schönen, wunderbaren Ryou auf diese Art und Weise umarmt zu werden!
 

"Hei, ihr zwei!"

Wir wurden von Joey aufgeholt.

"Alles im Butter?" fragte er und zwinkerte uns beschwörerisch zu.

"Zieh leine, Wheeler!" antwortete ich gespielt genervt.

"Menno!" schmollte er nicht ernst.

"Warst du ebenfalls erkältet?" ertönte plötzlich Yugis besorgte Stimme.

Ich nickte bestätigend.

"Aber jetzt bist du gesund?"

"Natürlich ist sie gesund!" rief dazugekommene Tea aus, "Sonst wär sie nicht hier, oder?"

Diesmal nickte der Bunthaarige.

"Und?"

Joey beugte sich zu Bakura und mir und schaute uns neugierig an:

"Seid ihr jetzt tatsächlich zusammen?"

Ich fühlte, dass meine Wangen unwillkürlich heißer wurden.

"Wonach sieht’s denn aus?" erkundigte sich Bakura.

"Na ja..." fing der Blonde an, "Ihr hattet ja ’ne ziemlich heftige Auseinandersetzung auf der Party..."

"Und ich frag dich noch mal – wonach sieht’s denn aus?"

Bakura hatte eindeutig Spaß an diesem Spiel. Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass Yugi ständig Bakura und mich im Auge behielt. Was hatte das zu bedeuten?
 

Sie konnte es nicht mehr aushalten! Erst stritten sich Ringo und Bakura ununterbrochen, dann erklärte Ryou sie zu seinem Mädchen und jetzt, nachdem sie beide die letzten drei Tagen der vorigen Woche abwesend waren, erschienen sie zusammen in der Schule und verhielten sich wie ein richtiges Paar!

Ihr war kotzübel.

Es war offensichtlich, dass in dieser Zeit etwas zwischen den beiden vorgefallen war. Und dieser komische Detektiv Max war seit dem Tag, als sie für ihn Ringos Wertsachen gestohlen hatte, auch wie vom Erdboden verschluckt.

Futaya überlegte.

Sie brauchte einen Plan, einen verdammt guten und idiotensicheren Plan! Sie musste diese idyllische Atmosphäre, die auf einmal zwischen Ringo und Bakura herrschte, ein für alle Mal zerstören!

Und sie wusste schon ungefähr, wie.

Sie schätzte Ringo als ein ehrliches Mädchen ein, das viel Wert auf Gerechtigkeit und Vertrauen legte. Das war ihr Schwachpunkt. Und genau dort wurde sie zuschlagen!
 

"Seto~o! Wie lange willst du mich noch bestrafen?" weinte Mokuba, "Sprich wieder mit mir! Bitte!"

"Du bestrafst dich selber, kleiner Bruder," antwortete Seto leise.

"Bitte, verzeih mi~ir!"

"Hör auf zu weinen," ermahnte ihn Seto, "Du bist kein kleines Kind mehr!"

Mokuba schaute seinen großen Bruder aus verweinten Augen an und traf auf einen traurigen Blick.

"Ich habe aus meinem Fehler gelernt," sagte er ernst, als er sich wieder beruhigt hatte, "Es tut mir ehrlich leid. Ich werde demnächst besser nachdenken."

Ein kaum merkbares Lächeln berührte Setos Lippen.

"Schön," sagte er, "dann halte dich auch daran."

Mokuba lächelte glücklich und fiel seinem Bruder um den Hals.

"Seto..." flüsterte er.
 

Es waren einige Tagen vergangen, seit Bakura und ich das "verliebtes Pärchen" Spiel erfolgreich spielten. Die Schülerinnen, die sich mit Bakuras Wahl nicht zufrieden geben wollten, hatten sehr schnell meinen bösen Blick kennen gelernt und wagten sich nun nicht mal in die Nähe ihres Schwarms. Bakura seinerseits befreite mich von Shiros aufdringlichen Anmachungen und Erpressungen in seine Bande einzutreten.

Unser Deal funktionierte einwandfrei.

In den letzten Tagen begleitete mich Bakura, doch heute Nachmittag nahm er endlich an dem Training für die Olympiade teil. Meine Verletzung war allerdings noch zu frisch, damit ich mich solchen Belastungen aussetzte.

Bakura verabschiedete sich, ich sammelte meine Schulsachen zusammen und, nachdem ich meine Jacke aus der Garderobe abgeholt hatte, begab ich mich langsam über den Schulhof nach Hause.

"Ryou, warte!" hörte ich plötzlich Dainas laute, piepsige Stimme.

Futaya hatte Bakura die ganze Woche nicht mal angeschaut, geschweige denn sich in seine Nähe gewagt. So wie sie stets versuchte mich tot zustarren, wurde ich ihre Anwesenheit sicherlich bemerken. Was führte sie wieder mal im Schilde?

"Warte doch auf mich!" flehte sie weinerlich.

Ich bog zum Stadion ein und... es war als ob mein Herz stehen geblieben war.

Daina und Ryou küssten sich!

"Was ist denn da zu glotzen?" fragte mich Futaya frech grinsend, "Er gehört nun mal mir und nicht dir! Dich hat er nur wegen all den anderen Gören benutzt!"

Doch ich hörte nicht mehr hin. Ich drehte mich ohne weiteres um und rannte weg. Auch wenn irgendetwas tief in meinem Inneren mir zu sagen versuchte, dass ich Bakura mindestens anschauen sollte, konnte ich es einfach nicht.
 

<Yugi! Ist es dir nicht peinlich, die beiden stets heimlich zu beobachten?> rief Yami empört aus, während Yugi, hinter der Schulwand versteckt, Korin nachspionierte.

<Nein,> antwortete der Kleinere überzeugt, <Ich traue dem Geist des Millenniumsringes nicht und ich will sie vor ihm schützen!>

<Ich vertraue ihm ebenso wenig,> erwiderte Yami, <Aber das geziemt sich nicht!>

Doch dann weiteten sich ihre Augen, als sie Bakura und Futaya sich küssen sahen.

<Ich wusste es!> rief Yugi in Gedanken empört aus und ballte eine Hand zur Faust, <Komm, Yami, folgen wir Korin!>

Der Pharao ballte ebenfalls eine Hand zur Faust und spürte, wie ihn der gerechte Zorn erfüllte.
 

Ich bog in den Schulhof zurück und verlangsamte mich. Ein Gefühl, das mich bisher nur ein einziges Mal in meinem Leben übernommen hatte, breitete sich in mir aus. Ich ging weiter, bis ich die Schulwand erreicht hatte und lehnte mich dagegen. Meine Augen brannten, ich machte sie zu und versuchte krampfhaft die verräterischen Tränen zurückzuhalten.

<Wir hatten ein Deal, eine Abmachung... Warum, Bakura, warum?>

Sogar meine Gedanken bereiteten mir Schmerzen.

<Es war doch dein Vorschlag gewesen! Wieso brichst du dein Wort? Und dann noch auf diese Weise?>

Er hatte doch stets mit Verachtung von Futaya gesprochen... Er hatte mich vom sicheren Tod gerettet... Er war mein Partner... mein Freund...

Es war doch offensichtlich, dass...

"Korin!" plötzlich rief mich jemand, "Was ist los?"

Ich öffnete meine Augen wieder. Vor mir stand Yami.

Was machte er eigentlich hier?

Ich zwang mich zu einem sorglosen Lächeln.

"Alles bestens!" meinte ich und winkte ab.

<Geh schon, geh weg! Ich will jetzt alleine sein! Du bist doch sonst so verständnisvoll!> flehte ich in Gedanken.

"Ist es wegen Bakura?" fragte er mich sanft und schaute mich milde an, "Ich habe ihn gerade mit Futaya gesehen..."

<Nein! Nein! Nein! Und noch mal nein! Ich will darüber nicht reden!>

Plötzlich legte er seine Hand auf meine rechte Schulter, drückte sie leicht zusammen und nickte aufmunternd:

"Komm schon, erzähl mir, was los ist."

Ich schaute in seine lilanen Augen, die so groß und klar waren, wie zwei Seen. Ich konnte ihn nicht anlügen. Ich konnte ihn nicht anschweigen, während er nach einer Antwort verlangte. Wenn er mich so anschaute, vergaß ich die restliche Welt. Er machte mich einfach willenlos. Doch jetzt erschreckte das mich nicht mehr. Trotzdem senkte ich meinen Blick.

"Ryou..." fing ich unsicher an, doch dann holte ich tief Luft und setzte fort: "Bakura und ich, wir sind nicht wirklich zusammen."

Yami hob eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts.

"Es ist so ’ne Art Abmachung zwischen uns... gewesen... Schwer so auf einmal zu erklären..." ich lächelte schief.

"Ich besteh auch nicht drauf," sagte Yami und drückte meine Schulter erneut.

Ich schaute ihn kurz dankbar an, doch dann senkte ich meinen Blick wieder.

"Aber..." sagte ich und musste erneut gegen die hartnäckigen Tränen kämpfen, "Ich fühle mich trotzdem... irgendwie... verraten..."

"Liebst du ihn?"

Erstaunlicherweise hatte mich diese Frage weder erschreckt, noch überrascht.

"Ich... weiß es nicht..."

Yami verlegte seine Hand auf meinen Rücken und zog mich näher an sich heran:

"Dann lass deinen Tränen freien Lauf."
 

"Was sollte das?" schrie er sie zornig an, als Ringo weggelaufen war.

"Jetzt weißt du, wie sehr sie dir vertraut," meinte Futaya vergnügt.

Ihr Plan hatte wunderbar funktioniert. Jetzt musste sie nur noch Ryou um den Finger wickeln.

"Blöde Kuh!" schimpfte Bakura.

"Vergiss diese Niete!" erwiderte Daina und strich ihm zart über die Wange, "Ich kann dir so viel mehr bieten!"

"Geh mir aus dem Weg!"

Bakura schlug ihre Hand beiseite und drehte sich um.

"Verdammt!" rief Futaya enttäuscht aus und stampfte mit dem Fuß auf, doch der Weißhaarige war weg und sie stand alleine vor dem Stadion.
 

<Die ganze Arbeit für die Katz!> fluchte Bakura in Gedanken.

Er musste unbedingt mit Ringo reden und ihr alles erklären, das Mädchen hatte die Situation total falsch aufgefasst. Genau so, wie diese hinterhältige Futaya es geplant haben sollte!

Wenn sie ihn nur angesehen hatte! Dann hätte sie die Überraschung und Zorn auf Futaya sehen können! Doch sie lief einfach davon! Wieso hatte Ringo sich so verhalten, obwohl sie stets so unabhängig und selbstsicher war?

"Verdammt!" zischte er, bog ein und blieb wie vom Donner getroffen stehen.

<WAS?!>

Ringo wurde liebevoll umarmt...

<Pharao??>

Von Yami selbstpersönlich.
 

Langsam hatte ich mich wieder beruhigt und löste mich aus Yamis Umarmung.

"Danke..." sagte ich, wisch meine Tränen weg und schaute ihn an.

"Dafür sind die Freunde da," antwortete er und lächelte mich an.

Ich sah in diese wundervolle, große, lilane Augen, die mich so sehr faszinierten und unglaublich stark anzogen. Die Augen wurden größer und größer, bis ich mich schließlich von einem angenehmen lilanen Licht umgeben vorfand. Ich hatte mich in denen verirrt.

Plötzlich blitze es hell auf, und ich fühlte mich da reingezogen. Und auf einmal sah ich nicht mehr in diese lilanen Augen, sondern in die meines Vaters!

"Vater..!" rief ich aus, überrascht ihn so nah vor mir zu sehen.

Auch sein Gesicht zeigte Verwirrung, er hatte mit dieser Begegnung ebenfalls nicht gerechnet.

"Vater..." wiederholte ich und berührte seine Wange mit meiner Hand.

Einzelne Tränen liefen über mein Gesicht.
 

Er hatte beschlossen das Ganze noch eine Weile zu beobachten – schließlich hatte er seine eigene Ziele - und jetzt bereute er seinen Entschluss nicht. Er sah, wie Ringo sich von der Pharaos Umarmung löste und sich bei ihm bedankte. Dann wurde sie offensichtlich in seinen Augen gefangen. Plötzlich vernahm er ein helles Leuchten und erkannte die Millenniumskette, die Yugi – wie hatte Pharao das nur zugelassen?! – Ringo um den Hals legte.

<Nein, du, Idiot!>

Das Leuchten der Kette verschlang das Mädchen, es wurde unausstehlich hell, und er musste wegschauen. Als es wieder vorbei war, erblickte er panisch aussehenden Mutou. Ringo allerdings saß mit geschlossenen Augen an die Schulwand angelehnt und regte sich nicht.

Bakura fuhr mit den Handflächen über sein Gesicht und stöhnte leise auf.

Womit hatte er das verdient?

Träume der Vergangenheit

Ich sah ein Licht, das plötzlich um meinem Hals erschienen war und mit jedem Augenblick heller wurde, sodass ich gezwungen war, meine Augen zu schließen. Als ich die Lichtquelle von meinem Hals zu entfernen versuchte, bekam ich einen kräftigen, stromähnlichen Schlag und für eine längere Weile sah ich nur bunte Sternchen.

Als mein Sehvermögen wieder zurückgekehrt war, stellte ich fest, dass ich mich in vollkommener Dunkelheit befand.

<Wo bin ich hier?> dachte ich und schaute mich nach Gewohnheit um.

Plötzlich sah ich ein riesiges, bewegliches Bild. Wie ein TV Bildschirm. Ein kleines Baby schlief auf dem Arm eines Mannes, der mir schmerzhaft bekannt vorkam. Auf einmal erschien noch ein Bild und noch eins, bis ich schließlich von Tausenden solcher Bilder umgeben war.

<Was ist dieser Ort?> dachte ich erschrocken.
 

Das fühlte sich so unglaublich schön an! Auch wenn es Yami war, der Korin umarmte, fühlte sich Yugi wie im siebten Himmel. Das ganze mit Bakura war nur gespielt, hatte sie gesagt. Was für eine Erleichterung! Wie konnte er überhaupt darauf reinfallen, dass sich stets streitenden Korin und Bakura auf einmal zu Turteltäubchen wurden?

Yugi sah die Sehnsucht in Korins Augen, als sie nach ihrem Vater rief. Er wurde ihr ihren Wunsch erfüllen! Er holte die Millenniumskette heraus, die diese Vision erlaubt hatte, und legte sie ohne Bedenken Korin um den Hals.

<Was machst du?> rief Yami erschrocken aus <Yugi! Nein!>

Doch es war zu spät, der magische Gegenstand leuchtete irre hell auf, und das Mädchen sack zusammen.

Yugi versuchte die Kette wieder abzunehmen, doch erfolglos.

<Du kannst sie nicht abnehmen,> meldete sich Yami, der sich ziemlich verärgert anhörte, <Du hast sie ihr gegeben, und nun gehört sie ihr.>

<Aber sie scheint in ihrer Vergangenheit gefangen zu sein!> rief Yugi erschrocken aus.

Er war den Tränen nahe.

<Was mach ich nun..?>

Plötzlich hörte er Schritte. Er schaute sich um und sah Ryou, der sich Korin näherte. Der Weißhaarige kniete sich vor dem scheinbar schlafenden Mädchen, zog seinen Millenniumsring aus und...

"Was machst du?" schrie ihn Yugi panisch an.

"Das, was Bakura mir gesagt hat, um Korin zu retten," antwortete Ryou ruhig und zog den Millenniumsring Korin über den Kopf.

Dann setzte er sich vor ihr und wartete.
 

"Vater!" rief ich fröhlich und umarmte ihn stürmisch.

Das war ein überwältigendes Gefühl! Ich war sicher. Ich war nicht mehr alleine. Ich war zuhause.

"Was machen wir heute?" fragte ich und schaute Arituro erwartungsvoll an.

Wir hatten uns so lange nicht mehr gesehen, ich wollte irgendetwas spannendes mit ihm unternehmen.

"Wir besuchen ein bestimmtes Ort," antwortete er.

"Willst du, dass ich wieder umgekehrt stehle?" fragte ich und grinste.

Arituro hatte diese Art Training für mich erfunden. Er gab mir verschiedene Sachen aus den Läden, die ich dann unauffällig wieder zurück an ihre Plätze bringen musste. Und zwar so, dass keiner, nicht mal eine Kamera, etwas bemerkte.

"Nein," sagte er kopfschüttelnd, "Diesmal nicht."
 

Bakura überlegte nicht lange. Er wusste, was getan werden musste, um Ringo aus der Gefangenschaft der Millenniumskette zu befreien. Schließlich war er ein auf Millenniumsgegenständen spezialisierter Dieb und wusste fast alles über sie. Er musste in ihre psychische Sphäre gelangen, sie dort finden und wieder zurück in die reale Welt bringen. Und das ging nun mal nur, wenn er die Möglichkeit hatte den Besitz von ihrem Körper ergreifen zu können.

Ryou erwies sich als auffassungsfähig und kooperativ und legte dem Mädchen den Millenniumsring um den Hals, ohne auf Mutous Jammern einzugehen.

<Braver Junge!> dachte Bakura und schaute sich um.

Es war ziemlich dunkel, und Abertausende verschiedenen Bilder flogen herum.

<Was für ein Chaos..!>

Und irgendwo in diesem Chaos war Ringo.
 

Ich folgte meinem Vater. Er wusste immer, wo es lang ging.

"Willst du ein Eis?" fragte er und lächelte mich an.

"Aber es ist doch..." fing ich an, doch dann sah ich auf einmal, dass es Sommer war.

"Ja, klar!" nickte ich.

Arituro ging zu der Theke und öffnete seinen Geldbeutel.

"Ein Eis mit Apfelgeschmack und ein-," er blickte zu mir hinüber, "welche Sorte willst du haben?"

"Eine, die ich noch nicht probiert habe!" verkündete ich und wartete gespannt darauf, welche Wahl er traf.
 

Bakura schritt nach vorn und hielt Ausschau nach Ringo. Um ihn herum und an ihm vorbei flogen bewegliche Bilder, die er allerdings nicht beachtete. Ihn interessierte Ringos Vergangenheit nicht. Er wusste schon alles, was er wissen musste.

Doch plötzlich flog ein Bild direkt auf ihn zu und blieb kurz vor seiner Nase stehen.

<Sie sollte mal ihr Inneres aufräumen...> dachte Bakura unzufrieden, denn das Bild zwang ihn stehen zu bleiben.

Er schaute das Bild an. Da saß ungefähr 15 jährige Ringo auf der Schaukel und schaukelte langsam hin und her. Bakura wollte schon weiter gehen, als sich plötzlich ein 16 jähriger Junge zu ihr gesellte.

"Hei," sagte er und lächelte sie freundlich an, "Ich bin Ren."

Irgendetwas an ihm gefiel Bakura ganz und gar nicht.
 

Ich hüpfte vor Aufregung, als Arituro mir meine Eisportion gab.

"Lecker..!" rief ich aus, "Ist das Meloneneis?"

Arituro lachte gutmütig auf und wuschelte meinen Kopf.

Ich war wieder ein Kind geworden.
 

"Ich habe dich bemerkt, seit du hierher gezogen bist," sagte Ren und lächelte Ringo süß an, "Du bist ein besonders Mädchen. Nicht so wie all die anderen."

"Da-danke..." antwortete sie verlegen.

"Auch wenn du in einem Waisenhaus wohnst: ich mag dich!"

Ren beugte sich zu ihr und gab ihr ein Küsschen auf die Wange.

"Du mich doch auch, ne?"

Das Mädchen errötete und nickte.
 

"Wo gehen wir denn eigentlich hin?" fragte ich, während ich an seiner Seite ging.

"Erinnerst du dich noch an die Geschichte über drei kleine Ferkelchen?" fragte er plötzlich.

"Natürlich!" rief ich fröhlich aus, "Das eine baute sein Haus aus Stroh, das Andere aus Ästen und das Dritte – aus Stein!"

"Genau!" sagte Arituro, "Und ich will, dass du das dritte Ferkelchen mit dem Steinhaus bist."

Ich sah ihn fragen an.

"Da, wo ich dich hinbringe, wirst du in Sicherheit sein."
 

"Ich liebe dich, Korin!" flüsterte Ren und küsste sie, "Du mich doch auch?"

Doch sie sah ihn nur verwirrt an. Sein Geständnis hatte sie überrumpelt.

Ren küsste sie erneut und lächelte sie an. Korin erwiderte das Lächeln und nickte.

<Ringo, du, dummes Ding!> knurrte Bakura, der das Ganze beobachtete, <Der Typ verarscht dich doch!>

Auf einmal spulte das Bild nach vorn, und Bakura erfuhr, dass Ringo erneut umziehen musste.

"Melde dich, wenn alles geregelt ist," sagte Ren und küsste sie zum Abschied.

Bakura blieb noch eine Weile vor dem Bild stehen, das die Szenen zeigte, als Ringo umgezogen hatte und sich dazu entschloss, den Jungen persönlich zu besuchen.

<Ich hab’s doch gewusst!> dachte Bakura.

Ringo ertappte ihn mit einem anderen Mädchen, dem er dieselben Sachen erzählte wie ihr.

Ihr Gesicht wurde blass und ihr Blick – leer. Ihr Herz wurde gebrochen.

<Kein Wunder, dass sie so leicht auf Futayas Spielchen reinfiel!> dachte Bakura und wandte sich ab.

Er hatte genug gesehen.
 

"Nein!" rief ich verzweifelt, "ich will hier nicht alleine bleiben!"

"Du musst." war die Antwort.

"Warum kann ich nicht zuhause auf dich warten?"

"Es ist zu gefährlich."

"Nein!"

"Korin, mein Mädchen!" sagte Arituro sanft, "In vier Tagen bin ich wieder zurück und wir gehen weit, weit weg von hier. Versprochen."

Ich nickte:

"Ich warte auf dich."

"Hier, nimm das."

Arituro gab mir einen himmelsblauen Umschlag.

"Was ist da drin?" fragte ich.

"Anweisungen," antwortete er traurig, "für den Fall, dass ich nicht zurück komme."

Mein Herz fuhr schmerzhaft zusammen. Noch nie hatte ich meinen Vater so ernst erlebt.
 

Er hörte einen Schrei und verstand sofort, dass er sie endlich gefunden hatte. Bakura schaute sich um auf der Suche nach dem kürzesten Weg durch das Erinnerungsbilderchaos.

"Nein!!"

Der Schrei wurde lauter, und bald sah er ein kleines Mädchen, das auf allen vieren auf dem Boden stand und laut schrie.

"Lass mich hier nicht allein!"

"Ich bin hier," sagte Bakura und beugte sich zu dem Mädchen, in dem er Ringo erkannte, "Du bist nicht alleine."

Irgendwie fühlte er sich dabei dämlich.

"Wer bist du?" fragte das Kind und schaute ihn an.

"Dein Freund."

"Und du lässt mich nie alleine? Und bleibst für immer mein Freund?"

"Ja."

Das Kind schenkte ihm ein warmes Lächeln und fiel ihm um den Hals.

"Komm, lass uns gehen," sagte Bakura leise und befreite sich von der Umarmung.

Er war solche unendliche Vertraulichkeit und Anhänglichkeit von Ringo nicht gewohnt, und das machte ihn verlegen.
 

Es waren höchstens 15 Minuten vergangen, doch Yugi empfand es als eine Ewigkeit. Er hatte nie damit gerechnet, dass die Millenniumskette Korin einfängt. Oder dass Bakura sich auf diese Art und Weise einmischt. Nun stand er unweit von Ryou, trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und beobachtete das schlafende Mädchen mit der kaum leuchtender Millenniumskette um den Hals und dem regelmäßig hell scheinenden Millenniumsring auf der Brust.

Plötzlich öffnete Korin ihre Augen. Sie führte ihre Hände zum Hals und nahm die Kette ab.

"Das," ertönte eine tiefe Stimme aus ihrem Mund, "betrachte ich als eine angemessene Belohnung."

Aus ihr sprach der Grabräuber!

"Ryou!" befahl die Stimme.

"Ja!"

Der Weißhaarige nahm die Millenniumskette aus Korins Hand, steckte sie in seine Tasche und befreite das Mädchen anschließend von dem Millenniumsring.
 

Die Schule war schon längst aus. Er nahm den Bus und fuhr zu dem Freizeitpark, zu dem Ort, dass er zusammen mit Korin besucht hatte. War sie ihm auch böse? Es war schon so viel Zeit vergangen, doch nach dem Vorfall hatte sie keine Anstalten gemacht, mit ihm in Kontakt zu treten.

Mokuba seufzte.

Ob Dani auch bestraft wurde? Hatte Korin ihn genauso hart bestraft, wie Seto – ihn?

Er stieg aus dem Bus heraus und begab sich zu dem Berg, wo Noa hauste.
 

"Das Objekt befindet sich im Wald hinter dem Freizeitpark. Anweisungen?"

"Nichts unternehmen, beobachten."

"Verstanden. Over."
 

Als ich meine Augen geöffnet hatte, sah ich Bakura, der sich vor mir kniete.

"Das waren nur Erinnerungen," sprach er zu mir sehr ernst, "Ich will dich aber hier, in der Gegenwart haben. Ist das klar?"

Ich nickte schwach, doch dann kam mir der Vorfall mit Futaya wieder in den Sinn und ich schaute ihn böse an.

"Was willst du überhaupt noch von mir?" fragte ich zornig und merkte erst jetzt, dass ich stark zitterte.

"Komm, steh auf," er reichte mir seine Hand, meine Frage ignorierend.

"Auf deine Hilfe verzichte ich!" knurrte ich ihn an und erhob mich mithilfe der Wand.

"Sei doch nicht so stur, Ringo!"

Bakura fing an die Beherrschung zu verlieren.

"Mit dir will ich nichts mehr zu tun haben!" sagte ich bestimmt.

"Mit dem Pharao aber, ja?" entgegnete er sauer.

"Man kann sich wohl noch mit ’nem Freund unterhalten!" antwortete ich bissig.

"Wen nennst du hier einen Freund?" rief Bakura unglaublich aus.

"Na, dich bestimmt nicht!"

"So dankst du also für die Rettung, nachdem der," und er deutete Mutou mit dem Zeigerfinger an, "dich in deinen Erinnerungen eingefangen hat!"

"Dich hat keiner drum gebeten!" schrie ich ihn wütend an, "Es wäre bestimmt besser..."

"Argh!" unterbrach er mich mit einem Brummen, "Du machst mich noch wahnsinnig!"

"Als ob du’s schon so nicht wärst!" entgegnete ich.

"Bakura..! Korin..! Bitte..." Yugi versuchte uns stotternd etwas mitzuteilen.

"KLAPPE!" schrieen wir ihn gleichzeitig an.

Unsere Blicke kreuzten sich, es war kein guter Zeitpunkt, um sich einzumischen.

Ein außergewöhnliches Duell

"Du hast unsere Abmachung gebrochen!"

"Ach, endlich nähern wir uns dem eigentlichen Problem!" entgegnete Bakura.

"Ich hasse dich!" schrie sie ihm ins Gesicht.

"Das ist doch nur ein Deal," sagte Bakura.

"WAR!" meinte Ringo empört, "Das war ein Deal, und du hast dich nicht daran gehalten!"

"Du bist nur sauer, weil mich ’ne andere geküsst hat!" rief er grinsend aus.

"Phe!" schnaubte sie verachtend und drehte ihren Kopf beiseite, "Als ob ich dich je küssen wollen würde!"

Er schaute sie direkt an, als ihm plötzlich etwas auffiel.

"Du bist eifersüchtig," sagte er in feststellendem Ton.

"Bin ich nicht!" stritt sie ab.

"Ei-fer-süch-tig!" wiederholte er langsam und beobachtete wie Ringo leicht errötete.

"Gar. Nicht. Wahr."

"Und wieso führst du dich dann so auf?" erkundigte er sich amüsiert.

"Weil wir Partner waren! Und du..!"

"Verdammt, Ringo!" schnitt er ihr das Wort ab, "Bist du blind, oder was? Futaya hat das Ganze inszeniert! Du bist doch sonst nicht so blöd!"

"Anscheinend schon," entgegnete sie erstaunlich ruhig, "Ich durfte auf deine Abmachung gar nicht eingehen!"

"Du bist so verdammt stur!!"

Bakura war einer Explosion nahe.

"Was kümmert es dich so?" startete Ringo plötzlich einen Gegenangriff.

Sie hatte sich ziemlich schnell wieder gefasst.

"Du bist doch selber eifersüchtig!" meinte sie in einem ruhigen Ton.

"Ich bin nicht eifersüchtig," erwiderte er bestimmt und grinste sie an, "Ich bin besitzergreifend!"

Das hatte gesessen. Ringo starrte ihn für eine Weile einfach nur an.

"Was du nicht sagst!" rief sie dann wütend aus. "Ich geh auf deine Spielchen nicht mehr ein, vergiss es! Wir sind geschiedene Leute!"

Dann drehte sie sich um und ging weg.

"Nicht so hastig," rief er ihr hinterher, "meine Kleine!"

Sie blieb stehen, drehte sich sehr langsam um und sah ihn wieder an. Ihr Blick sprach Bände.

"Ich fordere dich zu einem Duell heraus!" verkündete Bakura und winkte mit seinem Kartenblatt, "Der Gewinner kriegt alles."

"Oh, nein!" flüsterte Yugi erschrocken, der immer noch auf demselben Fleck stand.

<Er will bestimmt ein Schattenduell!>

"Du hattest schon immer ’ne Neigung zur Theatralik," antwortete Ringo, "Aber meinetwegen. Heute um acht bei dir?"

"Abgemacht!"

Bakura grinste finster.
 

Ich war so was von sauer!

Was fiel diesem Kerl überhaupt ein?! Für wen hielt er sich?

Ich? Eifersüchtig? Seinetwegen? Niemals!

Und ich war niemandes Besitz!

Ein Kartenduell wollte er haben! Meinetwegen! Verfluchter Bakura!

Er wollte mich in der Gegenwart haben, ha!

Er wollte mich nur erniedrigen und ausnutzen, wie all die anderen auch! Das war schon immer so!

Warum hatte ich mich auf ihn überhaupt eingelassen?

<Närrin!> schimpfte ich mich in Gedanken.

Sogar Yami war kein Freund! Mit seinen großen, durchdringenden Augen hatte er mich verzaubert und dann in meinen Erinnerungen eingesperrt!

Ich hasste Mutou!

Ich hasste Bakura!

Ich hasste mich!

Und ich hasste Kaiba! Weil seine blöde Firma direkt dafür verantwortlich war, dass ich den ersten zwei begegnet war!
 

Sie hatte zugesagt. Das arme Mädchen wusste nicht, wozu Bakura im Schattenreich fähig war! Sie hatte eine Erfahrung mit der Millenniumskette gemacht, konnte sie sich denn nicht denken, was die anderen Millenniumsgegenstände auf sich hatten?

<Yami...> sprich er den Größeren leise an.

<Ich weiß,> antwortete er und nickte, <Wir müssen irgendetwas unternehmen. Doch mit ihr jetzt zu reden scheint sinnlos zu sein.>

Yugi nickte bestätigend. Korin war viel zu aufgebraust, um ihn oder Yami ruhig anzuhören.

<Wir werden sie davon abhalten müssen, zu Bakura zu gehen.> schlug er deswegen vor.

<Lass uns versuchen sie vor Bakuras Haus abzufangen!> willigte Yami ein.

<Ja!>
 

"Hallo, Bruder?" rief er in den Wald hinein.

"Mokuba," ertönte Noas Stimme, und er erschien vor ihm.

"Hilf mir, Noa," bat Mokuba, "Erzähl mir alles, was du über Korin weißt!"
 

"Wie ist die Lage?"

"Das Objekt spricht mit einem Hologramm."

"Die Position einnehmen."

"Roger."
 

Als das Mädchen nach Hause kam, verschwand sie sofort in ihrem Zimmer. Danach ging sie in die Küche, um etwas zu essen und dann wollte sie wieder abhauen. Ihr Verhalten gefiel Soroke mit jedem Tag weniger.

"Korin!" rief sie.

"Was ist?" entgegnete Korin auf dem Halbweg zum Ausgang.

"Wann bekomm ich das versprochene Dokument?" fragte sie direkt.

"Gedulde dich, Soroke," erwiderte das Mädchen frech.

"So langsam überkommen mich gewisse Zweifel," sagte sie, "Wenn du weißt, was ich meine."

"Sicher," antwortete Korin und drehte sich zum Ausgang.

"Treib’s nicht zu weit, Mädchen!" rief sie ihr laut hinterher, doch die Tür war schon zugefallen.

<Mist!> fluchte Soroke innerlich.

Das Mädchen dachte wahrscheinlich, dass dieser Dokument ihr gewisse Freiheiten erlaubte. Falsch gedacht!

Soroke nahm ihr Handy und wählte eine Nummer:

"Die Operation beginnt."
 

"Sie ist die uneheliche Tochter meines Vaters," fing Noa an, "Wurde aber von einem Meisterdieb - Arituro Ringo - großgezogen."

"Aber sie ist unsere Schwester?" fragte Mokuba hoffnungsvoll.

"In ihr fließt das Blut einer "Kaiba", wenn du das meinst. Ihre Mutter will KC übernehmen, deswegen hatte sie vor etwa 6 Jahren Ringo beauftragt ein Dokument von Gosaburu zu stehlen."

Mokuba hörte gespannt zu.

"Er hatte es geschafft, doch er wollte, dass Korin frei ist, deswegen versteckte er das Dokument."

"Und was ist weiter passiert?" Mokuba war neugierig die ganze Geschichte zu erfahren.

"Jemand ist hier!" rief Noa plötzlich besorgt aus, "Mokuba, lauf weg!"
 

Marie und Dani spazierten in dem Park unweit vom Waisenhaus. Seit Korin sie darum gebeten hatte, besuchte sie den niedlichen Jungen fast jeden Tag. Heimlich überlegte sie sich sogar ihn zu adoptieren.

Dani hatte ihr viel über Korin verraten, das Mädchen sprach ja mit ihr nicht sonderlich oft. Die Tatsache, dass sie Arituros Schwester war, schien sie wenig zu beeindrucken.

"Ach, Korin..!" seufzte die Köchin und beobachtete, wie Dani durch den Park sprintete.

Dass sie imstande war sich so einen süßen, kleinen Jungen zum Freund zu machen..! Obwohl bei näheren Betrachtung war es eigentlich umgekehrt: Dani hatte sie zu seiner Freundin gemacht. Genauso wie er ihr Herz im Sturm erobert hatte.

"Lass mich gehen!" hörte sie plötzlich ein Kind schreien.

Marie schaute sich um und stellte erschrocken fest, dass irgendein maskierter Mann Dani wegschleppte.

"Hei!" rief sie und eilte dem Jungen zur Hilfe.
 

Mokuba trat mit den Füßen, Kratzte und Biss, doch der komische Mann hielt ihn fest.

"Lass ihn sofort los!" sagte Noa in bedrohlichem Ton, doch der Mann ließ sich nicht erschrecken.

Entweder dachte er mit zwei Kindern locker fertig zu werden oder er wusste, dass er nur ein Hologramm war.
 

Yugi ärgerte sich schrecklich, aber es war schon nach der abgesprochenen Zeit, als er Bakuras Haus erreichte. In ganzem Haus brannte das Licht nur in einem einzigen Zimmer, deswegen schlich er zu dem beleuchteten Fenster und schaute vorsichtig rein.

Was er aber erblickte, versetzte ihn in einen tiefen Schock, dass er sich erst nach mehreren Minuten wieder fassen konnte. Und, sobald das der Fall war, drehte sich Yugi schnell um und rannte weg.
 

Wir saßen auf dem Boden im Wohnzimmer und spielten... Poker. Der sich allerdings im laufe der Zeit in einen Strippoker verwandelt hatte. Bakura war erst baff, als ich einfache Karten auf den Tisch legte, doch er - als Herausforderer - hatte keinen Einfluss darauf. Es war mein Recht, die Waffen, in diesem Fall – das Kartenspiel, auszusuchen.

Zur Zeit führte ich. Bakura hatte nur noch Boxershorts und seinen Ring an. Doch es fehlte nicht viel, dass auch ich meine Bluse verlor und allein in der Unterwäsche dasaß. Wir spielten sozusagen die letzte Runde.

Irgendwo hatte Bakura Vermut und mehrere Tonic Flaschen aufgetrieben, also waren wir mit dem Trinken auch bestens versorgt. Man konnte sogar behaupten, dass es eine ziemlich heitere Atmosphäre herrschte.

"Schenk mir deinen Körper," sagte Bakura plötzlich und schaute mich direkt an.

"Geht nicht," antwortete ich sachlich und hob mein Blatt vor meinen Gesicht.

"Doch," widersprach er und deckte seine Karten auf.

Ich legte meine ebenfalls offen auf den Boden.

"Gewonnen..." sagte ich ganz nebenbei, da Bakura sich plötzlich ganz nah vor mir befand.

"Ich zeig dir wie," flüsterte er und hängte mir seinen Ring um den Hals.
 

Ob es nun an der Verwirrung oder am Alkohol lag, wusste er nicht so genau, aber Ringos Geist leistete ihm keinen Widerstand, als er ihren Körper übernahm.

Als er aus ihren Augen schaute, sah er Ryou, der immer noch vor ihr auf den Knien stand und sich an ihre Schultern stützte.

"Lass mich los, Süßer," sagte der Grabräuber und brach in unverschämtem Lachen aus, als Ryou errötete und sich hastig entfernte.

Das fühlte sich großartig an.

Er musste sich zwar noch an die eine oder andere Umstellung gewöhnen, wie Brüste oder... Er grinste. Er wollte schon immer wissen, wie der weibliche Körper funktionierte.

Er schaute sich um. Ryou hatte sich gerade wieder angezogen und reichte ihm Ringos Kleider.

"Zieh dich wenigstens an, bevor du draußen rumläufst," sagte er unfreundlich und drehte sich weg.

"Was hast du für’n Problem?" erkundigte sich der Grabräuber, während er die blauen Jeans anzog.

"Du hast verloren gehabt."

"Na und?"

"Willst du tatsächlich genauso sein, wie all die anderen, die sie in ihrem Leben getroffen hat?" fragte Ryou ernst.

"Was erlaubst du dir?" herrschte er ihn an.

"Mach was du willst," entgegnete Ryou ruhig.

Das brachte ihn zur Weißglut. Seit wann hatte der Bursche so viel Mumm?

"Aber vergiss nicht, dass ihr Freunde seid."

"Was weißt du schon davon!?"

"Mehr als du glaubst."

"Du bist mich jetzt los!" rief er verärgert aus, "Was willst du mehr?"

"Lass sie wieder frei", antwortete Ryou und hielt seinem Blick stand.

"Jetzt sag aber nicht, dass du dich in sie verliebt hast!" rief der Grabräuber aus, als er den vorwurfsvollen Blick Ryous nicht mehr aushalten konnte.

"Und wenn dem so wäre?" entgegnete der Weißhaarige mutig, "Was würdest du dann machen?"

Der Grabräuber grinste breit. Die Sache hatte gerade eben eine höchstinteressante Wendung bekommen!

"Komm, wir gehen aus!" sagte er und nahm Ryou bei der Hand.
 

Marie wachte mitten in dem Park auf, mit einem brummenden Kopf und einer Beule darauf. Es war schon dunkel und sie fror. Dani war weg.

<Wenn Soroke nicht dahinter steckt..!> dachte sie mit Kopfschmerzen.

Marie erhob sich langsam und ging in Richtung Parkausgang.

<Ich muss ein Polizeirevier finden...>

Der Kidnapper hatte sie zusammengeschlagen, er wusste nun wie sie aussah. Falls Soroke tatsächlich damit verbunden war, schwebte sie selber in Lebensgefahr.

<Ob Korin in Ordnung ist..?> dachte sie.
 

Die Welt aus Ringos Augen sah aufregend neu aus. Ihr Körper war flink, und er verstand jetzt, wieso sie ihm im Sport gleich sein konnte.

<Aber wenn ich in ihrem Körper bin, kann ich mich mit ihr nicht mehr wettstreiten!> fiel ihm auf einmal ein.

Verdammt! Ryou hatte ihn mit seinem Geschwafel angesteckt!

"Wo gehen wir überhaupt hin?"

Wenn man von einem Teufel sprach!

"Is’ne Überraschung!" grinste der Grabräuber und zog den Weißhaarigen hinter sich her.

Er lief durch die abendliche Stadt, bis er schließlich einen bekannten Weg aufgespürt hatte.
 

Ich fühlte, dass ich mich mit irgendjemandem küsste. Ich riss meine Augen erschrocken auf und stieß Bakura hastig von mir weg.

Ich blinzelte.

Ich saß auf dem Bett in meinem Zimmer und war vollkommen alleine. Nur der kalte Wind bewegte die Gardine am breit geöffneten Fenster.

Ultimative Schwachstelle

Ich stand vor der Klasse und wartete auf Bakura. Ich war wütend und wollte eine glaubwürdige Erklärung hören.

Und da kam schon das Zielobjekt meines Zorns!

"Oh, hallo, Korin!" grüßte mich Ryou, nett wie immer.

"Sag mal," herrschte ich ihn leise an und kreuzte meine Arme vor der Brust, "Spinnst du?"

Ryou sah mich verständnislos an.

"Was war das gestern für ’ne Nummer?" erkundigte ich mich immer noch leise, aber meine Stimmlage verriet nichts gutes.

"Wie meinst du das?" fragte er mich noch immer verwirrt.

Stellte er sich jetzt dumm oder wie?!

"Erst forderst du mich zum Duell heraus, dann verlierst du und laberst irgendein Mist," zählte ich alles fauchend nacheinander, "Und zum guten letzt wagst du’s mich zu küssen und dann verschwindest einfach spurlos!"

"He?" ertönte plötzlich Joeys amüsierte Stimme, "Du hast sie geküsst und kannst dich nicht mal daran erinnern? Das gibt’s doch net!"

"Klappe, Wheeler!" brüllten wir ihn gleichzeitig an, und er verzog sich unverzüglich.

"Wenn man’s genau nimmt," sagte Ryou in ruhigem Ton, als er sich wieder mir zuwand, "warst du diejenige, die mich geküsst hat."

"Wie bitte?!" rief ich unglaublich aus.

Dass ich mich an gewisse Sachen, die gestern vorgefallen waren, nicht mehr erinnern konnte, wie, zum Beispiel, an die Tatsache, wie ich wieder in mein Zimmer gelang, war mir bewusst, aber ich war doch nicht so betrunken gewesen, um Bakura zu mir nach Hause einzuladen und ihn dann zu küssen!

"Korin Ringo, melden Sie sich unverzüglich im Sekretariat! Korin Ringo!" ertönte plötzlich eine Durchsage.

"Wir reden später!" versprach ich Bakura und beeilte mich zum Sekretariat.

Was war jetzt schon wieder los?
 

"Hört mal, was ich gerade eben erfahren habe!" flüsterte Joey seinen Freunden zu und schilderte das Geschehene.

"Was sagst du?" entfuhr es Tea, "Das gibt’s doch nicht!"

"Sag ich doch!"

Yugi starrte mit leerem Blick ins Nichts.

Sie hatten sich geküsst. Korin und Bakura. Sie hatten sich versöhnt und sogar geküsst!

Sein Herz fuhr schmerzhaft zusammen, als ihm klar wurde, dass er die ganze Zeit in einer Wunschwelt gelebt hatte. Spätestens, als Yami Korin gefragt hatte, ob sie Bakura liebte und sie sich dann an seiner Brust ausgeweint hatte, musste er das begreifen. Doch er redete es sich schön und ignorierte alles. Sogar, als er Korin und Bakura beim Kartenspiel gesehen hatte, war er einfach weggerannt, weil er es nicht sehen, nicht wahrnehmen wollte.

Es schmerzte viel mehr als Verlust der Millenniumskette.

<Soll ich für dich übernehmen?> fragte plötzlich aufgetauchter Yami.

Yugi nickte und schaute den Größeren traurig an.

<Ich hab es dir von Anfang an gesagt,> meinte Yami, <Sie ist anders.>

Dann leuchtete das Puzzle kurz auf und der Pharao nahm Yugis Platz ein.
 

"Ein Anruf für Sie, Ringo." teilte mir die Sekretärin mit und deutete auf das Telefon.

"Danke," sagte ich und nahm den Hörer, "Hallo?"

"Korin?" ertönte Maries aufgeregte Stimme.

"Marie?" rief ich überrascht aus, erinnerte mich dann, dass ich mich benehmen musste und verneigte mich entschuldigend vor der Frau. "Wo bist du?"

Dass sie heute Nacht nicht zuhause war, bemerkte ich heute morgen, als ich die Küche betrat.

"Ich hab nur einen Anruf frei," sagte sie hastig, "Deswegen hör mir gut zu."

"Was ist passiert? Wo bist du überhaupt?" unterbrach ich sie mit meinen Fragen.

"Ich bin auf dem Revier," erklärte sie, "doch das ist zur Zeit unwichtig. Dani wurde entführt..."

"Was?!"

Mich kümmerte die Etikette nicht mehr.

"Als wir im Park spazierten," erzählte Marie, "Er wurde..."

Sie stockte und versuchte einen Schluchzer zu unterdrücken.

"Ich muss Schluss machen." sagte sie nach einer Weile, "Sei auf der Hut, Korin!"

Danach legte sie auf, und ich hörte nur das nervtötende Düt-düt.
 

<Bist du nun zufrieden?> fragte der Geist des Millenniumsrings und grinste vergnügt.

Er hatte Ryous Wunsch erfüllt, vergaß aber seinen Spaß auch nicht. Und – das musste er schon zugeben - seit er Ringo kennen gelernt hatte, war es zu seiner Lieblingsbeschäftigung geworden sie zur Weißglut zu treiben. Sie war ein gutes Mädchen, doch sie war so leicht zu provozieren! Und sie war so herrlich naiv!

Ryou hatte natürlich recht, er hatte gestern verloren gehabt, doch die Situation war einmalig, und er konnte nicht anders als diese Chance zu ergreifen.

Er hörte wie Ryou genervt seufzte.

Das zauberte ein weiteres vergnügtes Lächeln auf seinen Lippen.
 

Ich stürzte aus dem Sekretariatraum und raste durch den Korridor.

Dani wurde entführt! Das bedeutete nur eins – Soroke hatte zugeschlagen!

"Verdammt!" fluchte ich leise.

In letzter Zeit war so viel passiert, dass ich mich manchmal ernst fragte, ob ich noch genug Kraft hatte, um das ganze durchzumachen.

"Korin..?" rief Ryou erstaunt aus, als ich an ihm vorbei rannte.

Doch ich hatte keine Zeit ihm zu antworten.

Ich musste Dani-chan retten!
 

"Du?"

Dani und Mokuba sahen einander verwundert an, verstanden aber sofort, dass es kein Spiegeltrick der Entführer war.

Sie befanden sich in einem kleinen Raum mit hohen Wänden. Ganz oben war ein winziges, fein vergittertes Fensterchen, an der gegenüberliegenden Seite – eine Ventilationsschacht. Ansonsten war der kühle, feuchte Raum vollkommen leer.

"Sieht nach einem Geschäftskeller aus..." bemerkte Mokuba.

Dani schluchzte. Im Gegenteil zu Mokuba, wurde er zum ersten Mal in seinem Leben entführt.

"Warum machen sie so was..?" murmelte er.

"Ich bin sicher, das ist mal wieder wegen KC!" vermutete Mokuba und sah sich noch mal ganz aufmerksam um.

Doch im Raum befand sich rein gar nichts, dass ihnen zur Flucht verhelfen konnte.
 

"Korin..?" rief er fragend aus, als sie stürmisch an ihm vorbei rannte.

Irgendetwas schreckliches war passiert, man sah es ihr an. Sie war blass und aufgeregt. Und sie hatte nichts erwidert. Sie war einfach vorbeigerannt, als ob es ihn gar nicht gab.

<Folge ihr!> ertönte die befehlerische Stimme des Grabräubers.

Doch dann überlegte er es sich anders und übernahm selbst die Kontrolle über den Körper.
 

"Wo ist Mokuba?" fragte Seto Kaiba fordernd und presste mich mit einer Hand gegen die Wand.

"Weiß ich nicht," antwortete ich und schaute direkt in seine eisblauen Augen, in denen eine gefährliche Flamme tanzte.

"Wo ist er?" fragte Kaiba noch finsterer.

"Ist er auch verschwunden wie Dani?" erkundigte ich mich.

"Der kümmert mich wenig," entgegnete er kalt, "Sag mir, wo mein Bruder ist!"

"Soll mir doch egal sein!" fauchte ich ihn an.

"Du lügst." sagte der Braunhaarige bestimmt und beugte sich ganz nah an mich heran.

"Und wenn schon!" entgegnete ich, ihn fest anschauend.

Plötzlich fasste jemand Kaibas Handgelenk um.

"Probleme?" ertönte Bakuras tiefe Stimme, und er zog mich mit der anderen Hand an seine Seite.

Kaiba beschenkte ihn mit einem vernichtenden Blick und befreite sich.

"Nicht im geringsten," meinte er gelassen und ging weg.

Ich befreite mich ebenfalls von Bakuras Griff – was fiel ihm überhaupt ein, sich einzumischen? - holte Kaiba ein und fasste ihn fest bei dem Handgelenk.

"Ich werde ihn finden!" sagte ich leise, aber bestimmt, als er stehen geblieben war, "Damit du mich nicht für eine Kidnapperin hältst!"

"Das hätte ich dir sowieso nicht zugetraut." ließ er eine Bemerkung fallen.

"Is’ mir egal!"

Auf einmal fing er an zu grinsen:

"Heute Mittag auf dem Dach der KC."

"Abgemacht!" antwortete ich, ließ ihn los und entfernte mich.

Jetzt hieß es: schnell handeln. Soroke hatte etwas Großes vor, wenn sie die beiden Jungs entführen ließ!
 

Er war wütend.

Hatte es ihr etwa nicht gereicht einmal angeschossen zu werden? Aber nein, statt ihm die Situation zu schildern und die Kräfte zu vereinen, lief sie mit dem Kopf direkt gegen die Wand!

<Verdammtes Weib!> fluchte Bakura.

Sie war eindeutig sauer auf ihn und hatte ihm weder die Szene mit Futaya, noch die Sache mit dem Kuss gestern verziehen. Wie viel Stolz konnte eigentlich ein Mensch besitzen?

Er spürte, wie stark Ringo zitterte, als er sie an sich rangezogen hatte. Die Sache war mehr als ernst. Sie war unkonzentriert und handelte hastig, sie hatte nicht mal bemerkt, als er ihren kostbarsten Besitz stahl.

War sie denn so in ihrem Stolz gekränkt, dass sie bereit war, eher mit Kaiba zusammenzuarbeiten, der eigentlich zu ihren Feinden zählte, als ihn um Hilfe zu bitten? Obwohl, wann hatte sie schon um Hilfe gebeten?

Er wird sie bestimmt retten müssen.

Sie war zwar eine gute Diebin, doch ihr mangelte es an Erfahrung, die er im Überfluss besaß. Er wusste schon ungefähr, wie sich die Ereignissen abspielen würden. Und er wusste auch schon, was zu tun war.

Ringo hatte es nicht verdient, sie hatte es sicherlich nicht verdient, aber er hatte nun mal ein Eigeninteresse an ihr, deswegen tat er, was getan werden musste, um Existenz seines Vorhabens zu sichern. Er hatte seinen Plan noch lange nicht aufgegeben, nur weil er Ryou einmal den Wunsch erfüllt hatte.
 

"Inuki am Apparat," meldete er sich müde.

Die Nacht war hart und vor allem lang, er wurde zu einem Polizeirevier gerufen, um sich um eine gewisse Marie Ringo zu kümmern, die, wie es sich herausstellte, die Halbschwester Arituros war.

"Wie ich höre, haben Sie gerade sehr wenig zu tun!" ertönte eine eiskalte Stimme.

"Herr Kaiba!" rief er überrascht aus, "Wie kann ich Ihnen behilflich sein?"

"Ich brauche Sie und Ihre Männer heute elf Uhr auf dem Dach der KC," war die Antwort.

"Was ist passiert?" erkundigte sich Inuki.

Er war nun hellwach.

"Yuka hat zugeschlagen."

Inuki schwieg. Was konnte Soroke machen, damit Herr Kaiba Hilfe von der Polizei benötigen würde?

"Sie hat meinen Bruder entführt," gab der Firmenleiter eine knappe Erklärung, "Alles andere - später."

"Verstanden," erwiderte Inuki, "Wir werden da sein."
 

Es klingelte. Soroke ging zur Tür und öffnete sie.

"Frau Yuka?"

Ein zuckersüßer, weißhaariger Junge stand auf der Schwelle.

"Ach, du bist es!" rief sie überrascht aus, als sie den Jungen erkannte.

Er war der Sohn eines Archäologen und Klassenkamerad ihrer Tochter.

"Komm doch rein," bat sie, "Korin ist allerdings noch nicht da."

"Ich weiß alles über Sie bescheid," sagte er direkt, sobald sie die Tür wieder geschlossen wurde.

Soroke beschenkte ihn mit einem fragenden Blick.

"Dass Sie Korin benutzen und die Kinder entführt hatten. Sie hat mir alles erzählt."

"E~echt?" rief sie aus und lächelte ihn kalt an. "Und was willst du?"

Der Junge öffnete den Mund, doch sie winkte mit der Hand:

"Nein, nein! Sag nichts!"

Soroke schnippte mit den Fingern, und zwei Sicherheitsmänner erschienen wie aus dem Nichts.

"Sperrt ihn ein!" befahl sie gefühllos und deutete den Weißhaarigen an.

Keiner wurde ihr jetzt noch in die Quere kommen, kein Kind und kein Erwachsener! Sie hatte alles bis zum letzten Detail ausgeplant: Inuki beschäftigte sich mit der Suche nach dem Meisterdieb, Seto Kaiba jagte das Mädchen, die beiden Jungen sicherten, dass Korin sich an die Abmachung hielt und der jetzige Leiter der KC seine Position aufgab! Alles war perfekt! Und wenn doch irgendwelche uneingeplante Störungen auftauchten, wie dieser Junge da, wurden sie alle einfach beseitigt!

Soroke lachte laut auf.

Korin hatte ihm alles erzählt! Ha! Hatte sich die dumme Göre etwa verliebt? Dafür, dass das Mädchen sich in ihrem ganzen Leben noch niemanden – Arituro ausgeschlossen - anvertraut hatte, erschien ihr diese Vorstellung lächerlich. Was wollte der Knirps mit seiner übermutigen Aktion überhaupt erreichen?

Wie blöd konnte man sein!
 

Ich rannte quer durch die Stadt, in der Hoffnung meine Spuren total verwirrt zu haben. Soroke hatte beide Jungs entführt, höchstwahrscheinlich wurde ich auch beobachtet!

Kaiba war an der Rettung der Kinder genauso interessiert, wie ich. Außerdem wusste ich als einzige, wo sich das Dokument befand, das Soroke benötigte, um KC zu übernehmen. Ich hatte alles, um verhandeln zu können.

Bakura konnte meinetwegen sich zum Teufel scheren! Was fiel ihm überhaupt ein? Erst bricht er unsere Abmachung, dann fordert er mich zu einem bescheuerten Duell heraus und dann..!

Beim Gedanken an den gestrigen Abend, beziehungsweise an die wenigen Momente, an die ich mich erinnern konnte, stieg mir die Röte ins Gesicht.

<Verflucht!> schimpfte ich.

"Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn..." murmelte ich ununterbrochen.

Warum aber fiel es mir so schwer diesen Worten zu glauben..?
 

Es war kurz nach Mittag, als Korin auf dem Dach seiner Firma erschien. Sie war vollkommen alleine. Was ihn eigentlich überraschte. Er hatte sie in Begleitung des Weißhaarigen erwartet, wie es bei dem Empfang der Fall war.

"Ich bin da," meldete sie sich sachlich und schritt näher.

Doch man sah ihr an, dass sie die letzten paar Stunden gelaufen war.

"Wie sieht dein Plan aus?" erkundigte sie sich sofort.

Sie schlich nicht lange um den heißen Brei herum!

"Du hast doch einen?" fragte sie bestimmt.

"Sicher," antwortete er.

Für wen hielt sie ihn eigentlich?

Plötzlich blieb sie abrupt stehen und schaute die Gegend genauer an.

"Willst du mich verarschen, Kaiba?" rief sie zornig aus und wich zum Ausgang zurück. "Was sollen all die Cops?"

"Vertrau mir!" sagte er in einem ruhigem Ton.

Er durfte jetzt keinen Fehler zulassen. Wie konnte sie die versteckten Polizisten überhaupt so schnell entdecken?

"Vertrauen?"

Korins Stimme war voller Wut und Ironie.

"Ich kenn die Bedeutung dieses Wortes nicht!"

Kaiba spürte, wie ihn die Geduld verließ. Was sagte dieses Weib da? War sie wahnsinnig geworden?

"Wenn du mir nicht vertrauen willst," fing er diplomatisch an und näherte sich ihr, "Vertraue wenigstens deinen Freunden! Diesem Bakura oder wie heißt er noch mal..!"

"Ich brauche keine Freunde!" sagte sie wütend, "Sie verraten nur einen!"

Kaiba verpasste ihr eine heftige Ohrfeige. Sie fasste ihre Wange automatisch mit der Hand um und sank auf ihre Knien herab.

"Und du willst eine "Kaiba" sein?!" rief er zornig aus.

Er traute seinen Ohren nicht! Seit wann hatte sich das Mädchen so verändert? Oder hatte er sich in ihr geirrt?

"Ich. Bin. Ringo." hörte er sie leise, aber fest sagen.

"Du bist Kaiba," entgegnete er, "Wenn sogar ich davon überzeugt bin."

"Nein..."

"Doch." sagte er bestimmt, "Du kannst die Vergangenheit nicht ändern! Es ist so, wie es ist. Akzeptiere es!"

"Aber... mein Vater..." flüsterte Korin.

Er verdrehte genervt die Augen.

"Lass den Unsinn! Was ändert sich, dass du nun weißt, wer dein biologischer Vater war?"

Kaiba setzte sich in die Hocke und schaute direkt in ihre silbergrauen Augen, in denen sich Verzweiflung spiegelte:

"Du kannst versuchen deiner Vergangenheit zu entkommen, doch irgendwann wird sie dich trotz allen deinen Bemühungen einholen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede."

Rettung in der Not

Ich hatte mich wieder gefasst. Mein Verstand war wieder klar, so dass ich die Situation wieder auffassen konnte.

Kaiba hatte recht. Ich konnte meine Vergangenheit nicht ändern, und alles stets in dem Licht der schlimmen Erfahrungen zu betrachten, war ebenfalls falsch. Ja, ich machte eine schwere Zeit durch, doch ich war auch diejenige, die dem ein Ende bereiten konnte. Musste!

Und in diesem Kampf stand ich noch lange nicht alleine da..!

"Wie lautet dein Plan?" fragte ich, fest entschlossen mein bestes zu geben, und erhob mich.

Kaiba schnaubte zufrieden und rief mit einem Wink einen Polizisten herbei.

"Du gehst zu Yuka und verhandelst mit ihr," sagte er.

"Detektiv Inuki?" rief ich überrascht aus.

"Selbstpersönlich," antwortete er.

"Wir haben so einiges gegen deine Mutter gesammelt," erklärte Inuki, "Doch ohne deine Hilfe können wir nichts machen."

Ich nickte entschlossen.

"Du bekommst einen Funksender," sprach Inuki weiter, "sodass wir jeder Zeit wissen, wo du dich befindest. Deine Aufgabe ist es die beiden Jungs zu finden, dann greifen wir ein."

"Gut," sagte ich, "Einverstanden."
 

"Ich verlasse mich auf dich," sagte Kaiba, und ließ mich aus dem Auto einige Straßen von Sorokes Villa entfernt heraus.

Ich nickte und entfernte mich.

Der Plan war eigentlich einfach. Ich musste Soroke dazu bringen den Aufenthaltsort der Kinder zu verraten, damit Inuki und seine Kollegen eingreifen konnten. Ob es mir gelingen würde, war eine andere Frage.
 

Ich schlich mich in das riesige Gebäude durch den Kücheneingang hinein. Marie hatte ihn nie abgeschlossen gehabt, für den Fall, dass ich spät von einem Auftrag zurückkehrte, und Soroke hatte höchstwahrscheinlich vergessen den zu kontrollieren. Oder es war ihre Absicht.

"Soroke!" rief ich laut, als ich den Speisesaal betrat.

Im ganzen Gebäude traf ich auf keine Menschenseele.

"Korin!" ertönte ihre ekelhaft süße Stimme aus dem Eingang, "Was für eine Überraschung!"

"Verstell dich nicht!" erwiderte ich bissig und drehte mich zu ihr.

Soroke lächelte nur.

"Diesmal bist du zu weit gegangen!"

"Meinst du?" entgegnete sie mit einer Frage.

Auf einmal wurde ihr Gesicht zornig:

"Wo ist das Dokument?!"

"Wo ist Dani?" fragte ich scheinbar unbeeindruckt, "Ich will ihn sofort sehen!"

"Ach ja?"

Soroke schaute mich prüfend an:

"Erst das Dokument, dann der Balg."

"Dafür musst du erst die Karte entziffern!" sagte ich bestimmt und führte zwei Finger in mein BH, wo ich sie versteckt hielt.

"Was ist los, meine Liebe?" erkundigte sich Soroke höhnisch, als ich inne hielt.

Die Karte war nicht da!

Wann, wo und wie? Seit dem Vorfall mit dem Detektivjungen, hatte ich die Karte immer dort versteckt getragen. Verloren konnte sie nicht gegangen sein! Ich überlegte krampfhaft, konnte mich aber beim besten Willen nicht erinnern, ob ich die noch hatte, als der Detektiv mir den Sender an den Rücken befestigt hatte. Konnte es sein..?

"Das war von Anfang an geblufft, nicht wahr?" unterbrach Soroke den Lauf meiner Gedanken.
 

"Sie ist im Haus," meldete der Mann, der den beweglichen roten Punkt auf dem Monitor verfolgte.

"Sehr gut," sagte Inuki, "Ist die Präsenz anderer Personen vorhanden?"

"Noch mindestens vier Leute."

"Weiter beobachten!" gab er dem Mann die Anweisung und entfernte sich.

"Yuka hat sie eindeutig erwartet," wand er sich an den Braunhaarigen, der nebenan etwas am Computer erledigte.

"Sie ist nicht dumm," entgegnete Kaiba und sah Detektiv direkt an, "Doch sie hat sich mit den falschen Leuten angelegt."

Er hatte seine Firma aufgebaut. Er hatte Gosaburu zweimal besiegt und wurde es jederzeit erneut tun. Keine Yukas der Welt konnten sich mit ihm messen. Und wer sich an seinem Bruder Mokuba vergriff, der hatte seinen eigenen Untergang besiegelt!
 

"Ergreift sie!" befahl Soroke.

Zwei wie aus dem Nichts erschienenen Männer packten mich grob an den Ellbogen und hielten mich fest. Eigentlich viel zu fest – ich biss mir in die Zunge, um keinen Ton von mir zu geben.

Soroke lachte vergnügt und näherte sich mir.

"Korin, Korin..." sagte sie kopfschüttelnd, "Dachtest du wirklich, ich sei so dumm?"

Ich starrte sie hasserfüllt an, die mich haltenden Männer gaben mir keine Möglichkeit mich zu rühren.

"Das Dokument, das ich brauche, hab ich doch schon längst!"

Ein Lächeln, das ihre Überlegenheit demonstrierte, huschte auf ihren Lippen.

"Du bluffst," sagte ich wütend.

"Mag sein," antwortete sie vielbedeutend und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, "Doch das wirst du nie erfahren!"

Die Männer hoben mich an den Ellbogen hoch, ich schrie kurz auf und versuchte mich zu befreien, doch sie zwangen mich nach vorne zu gehen.

"Ach ja, übrigens," sagte Soroke, als wir den Ausgang erreichten, "deinen süßen Freundchen haben wir auch geschnappt!"

Dann brach sie in einem lauten, Gänsehaut bereitenden Lachen aus.
 

"Inuki!" rief der Mann, "Sie wird in einem Auto weggebracht!"

"Wohin?" fragte Detektiv, rannte zum Beobachter und starrte auf den Monitor.

"Sie sind stehen geblieben. Es ist irgendwo im Lagerbezirk."

"Genaue Adresse!" verlangte Inuki.

"Wird erledigt!" meldete sich ein anderer Mitarbeiter.

"Sie betreten das Gebäude links," schilderte der Beobachter die Lage.

"Verdammter Mist!" rief er plötzlich laut aus, "Wir haben den Kontakt verloren!"
 

Die Fahrt dauerte nicht lange und ich wurde grob rausgeholt. Der eine Mann nahm mir die Augenbinde ab, der andere schubste mich von hinten. Meine Hände blieben allerdings gebunden.

"Hei!" rief er auf einmal aus, "Sie hat etwas auf dem Rücken!"

Ein Faustschlag genügte, damit ich Bekanntschaft mit der feuchten Gangwand machte. Meine Schulbluse war zerrissen, und der Mann zermalmte gerade den Sender mit dem Fuß.

"Hure!"

Er trat mir in den Bauch. Ich schrie auf und krümmte mich. Der Schmerz war unerträglich, doch erstaunlicherweise blieb ich bei dem Bewusstsein.

"Dreckstück!"

Der Mann packte mich an den Haaren und hob mich mit einem groben Ruck hoch. Seine andere Hand wanderte unter meinen kurzen Schulrock. Ich hielt meinen Atem an, als sein Mund meinem Gesicht näherte.

"Hör auf!" mischte sich der andere Mann plötzlich ein, "Yuka köpft uns!"

"Glück gehabt," grinste mich der Erste dreckig an und schleuderte mich durch die geöffnete Tür.

"Ah..!" entfuhr mir, als ich schmerzvoll gegen den Boden prallte.

Die Tür fiel mit einem lautem Knall wieder zu und wurde abgeschlossen.

Ich krümmte mich und hustete. Mein Hinterkopf schmerzte, mein Magen drehte sich um und helle Blitze tanzten vor meinen Augen.

"Ko..rin..?" hörte ich plötzlich eine schwache Stimme.

Ich zwang mich meinen Kopf hochzuheben und schaute mich um. Ein Körper lag auf dem Boden, sich schwer und unregelmäßig hebend und sinkend. Ich kroch näher an ihn heran und...

"Ryou!" rief ich panisch aus und schluchzte, "Ryou..!"

Seine Hände waren ebenfalls am Rücken zusammengebunden, und er sah schrecklich aus!

"Ich wurde... hinter..hältig... verprügelt..." flüsterte er und hustete.

Ich schluchzte erneut und konnte meine Tränen einfach nicht zurück halten. Mein Körper wollte sich mir nicht mehr richtig gehorchen, und ich glitt zitternd auf den Boden neben Ryou.

"Haben... sie dir... etwas... angetan..?" fragte er nach einer Weile, die er gebraucht hatte, um seinen Kopf zu mir zu drehen, und versuchte mich anzulächeln.

"Du, Dummerchen..." flüsterte ich.

Was machte er hier überhaupt? Wie kam es dazu, dass er sich in Sorokes Gewahrsam befand? Und dann noch in diesem Zustand?!

Mein Herz fuhr schmerzhaft zusammen. Ich hatte ihm alles erzählen müssen, ich durfte nicht so einfach weglaufen und alles auf eigene Faust machen. Er war mein Freund, er machte sich Sorgen um mich...

"Es tut mir leid... Es tut mir so leid..." flüsterte ich.

Die Tränen liefen ununterbrochen über mein Gesicht und tropften auf den schon so feuchten und kalten Boden.

"Nimm den Ring," sagte Ryou plötzlich in einer tieferen Stimme, "Und hör auf zu heulen, ist ja widerlich!"

"Grabräuber..?"

Es war das erste mal, dass ich ihn so nannte.

"Ich kann dich hier rausholen," sprach er weiter, "Du musst nur den Ring an dich nehmen. Sein Körper ist zu schwach."

Ich nahm meine letzten Kräfte zusammen und nach einer langen Zeit gelang es mir schließlich Ryou den Millenniumsring auszuziehen. Jetzt musste ich mir nur noch einfallen lassen, wie ich ihn mit verbundenen Händen über meinen Kopf bekam.
 

"Ich habe die Adresse!" meldete sich ein Polizeimann.

"Sehr gut!" erwiderte Inuki, "Wir teilen uns in zwei Gruppen auf, wie gesprochen. Herr Kaiba-"

"Alles klar," entgegnete der junge Firmenchef gelassen.

"Männer!" rief Inuki, und die Polizisten setzten sich in Bewegung.
 

<Und jetzt – gib mir die Kontrolle!>

Grabräuber erschien in meinen Gedanken, er sah genauso aus wie Bakura, den ich kannte.

<Vertrau mir!> herrschte er mich an, als ich zögerte.

Ich seufzte, schloss meine Augen und... plötzlich war ich nur ein Zuschauer, der aus dem Auge des Ringes schaute.

Die Muskeln meines Körpers wurden angestrengt, und bald waren meine Hände wieder frei. Dann stand mein Körper auf und schaute sich in dem Raum um. Der Grabräuber hatte meinen Körper gut in den Griff bekommen.

<Was nun?> fragte ich und war überrascht, dass ich mich mit dem Grabräuber auf diese Weise verständigen konnte.

<Es gibt nur drei Fluchtmöglichkeiten,> antwortete er sachlich, <Aber die Tür können wir gleich vergessen, das Fenster ist zu klein, bleibt, also, nur die Ventilationsschacht übrig.>

<Und wie willst du nach oben kommen?> fragte ich verwundert.

<Eine meiner leichtesten Übungen!> grinste der Grabräuber.
 

Soroke saß in ihrem Arbeitszimmer und starrte in die Luft.

Sie hatte alles getan, um ihr Ziel zu erreichen. Sie hatte gelogen und betrogen, die Leute ohne weiteres ausgenutzt, entführt, erpresst. Sie hatte ihren Sieg auf den Leichen gebaut.

Bis jetzt störte sie das nicht.

Bis jetzt.

Warum fühlte sie sich so leer? Nur ein letzter Schritt und KC gehörte ihr! Warum denn diese Unzufriedenheit?

Korin, ihr eigenes Fleisch und Blut, das einzige, was ihr von Gosaburu geblieben war, hasste sie von ganzem Herzen. Das Mädchen verstand sie nicht und wollte sie auch gar nicht verstehen, es hasste sie nur. Blind und unvermeidlich. Auch wenn ihr keine andere Möglichkeit angeboten wurde: Arituro hatte sie ihr gestohlen und wer wusste, was er ihr über sie erzählte! Und Gosaburu..!

Soroke blinzelte.

Sie war zu weit gegangen, um jetzt wegen einer sentimentalen Kleinigkeit den Rückzieher zu machen!
 

Wir befanden uns in der Ventilationsschacht und krochen langsam nach vorne. Ich wusste nicht mal, dass mein Körper zu solcher Akrobatik fähig war, der Grabräuber aber bekam es ohne zu schwitzen hin.

<Warum seid ihr überhaupt hier?> fragte ich. <Wieso ist Ryou so zusammengeschlagen?>

Das interessierte mich brennend. Der Grabräuber hatte Ryou doch stets verteidigt, warum dieses mal nicht?

<Mein Plan ging etwas schief,> entgegnete er.

<Schief?!> schrie ich ihn an und – zu meiner Überraschung - materialisierte mich in dem schmalen Gang direkt vor meinem Körper, den er jetzt lenkte, <Ryou ist halbtot geschlagen, und du sagst "etwas schief"!?>

Wenn ich die Möglichkeit hätte ihn für diese Gefühllosigkeit zu ohrfeigen, hätte ich sie unverzüglich ergriffen.

<Ich bin nun mal nicht allmächtig,> entgegnete er gelassen und kroch durch mich hindurch.

Ich erinnerte mich an die zwei Männer, die mich hierher gebracht hatten. Sie waren böse genug, um einen gefesselten Jungen halbtot zu schlagen.

Plötzlich blieb mein Körper stehen. Wir hatten den Ausgang erreicht, der sich auf der anderen Seite der Wand befand. Der Grabräuber öffnete vorsichtig die Schacht und spähte in beide Richtungen: der Gang war leer.
 

"Was glaubst du," fragte Dani leise, "wie lange müssen wir hier bleiben?"

"Keine Ahnung," antwortete Mokuba.

Die beiden Jungen saßen nebeneinander auf dem kalten Boden und warteten.

"Korin wird uns bestimmt retten," sagte Dani.

Doch er klang nicht überzeugend.

"Ich bin sicher, dass mein großer Bruder bald herausgefunden hat, wo wir sind!"

Im Gegenteil zu Dani, wusste Mokuba hundertprozentig, dass Seto zur Hilfe kam. Es konnte gar nicht anders sein!

Plötzlich hörte er ein brummendes Geräusch.

"Hörst du’s auch?" fragte er Dani.

Mokuba sprang auf die Beine und versuchte aus dem winzigen Fenster den Himmel zu erblicken.

"Das ist Setos Hubschrauber!" rief er erleichtert.
 

Ihr Körper war zwar zusammengeschlagen, aber nicht so verletzt wie der von Ryou. Und sie kam erstaunlich gut mit dem Ring aus. Es konnte eventuell zu Problemen führen... aber nur eventuell.

Er sprang aus der Ventilationsschacht herunter und presste sich gegen die Wand.

<Was war das überhaupt für ein Plan?> fragte Ringo wütend, die neben ihrem Körper schwebte.

<Dich retten, was denn sonst?> entgegnete er genervt.

Es war kein guter Zeitpunkt für aufklärende Gespräche. Sie mussten hier schnellstens verschwinden.

<Wieso?> fragte Ringo ehrlich verwundert.

<Weil ich dich zu meiner Wirtin ausgesucht habe.> antwortete er direkt und wollte schon weiter gehen, als das Mädchen ihn aufhielt.

<Hei! Und was ist mit Ryou? Willst du ihn etwa hier lassen?>

Er musterte die durchsichtige Abbildung aufmerksam. Statt sich wegen seines letzten Satzes aufzuregen, machte sie sich Sorgen um den Jungen? Ringo verhielt sich irgendwie...

<Ist er dir denn so wichtig?> fragte er sie ernst.

<Ihr beide seid mir wichtig,> antwortete Ringo, und er wusste, dass sie es ehrlich meinte, <Das wurde mir vor einiger Zeit klar.>

Er schwieg. Mit dieser Wendung hatte er sich nicht gerechnet, das änderte einiges.

<Hilf mir...> bat Ringo, <Bitte...>

Plötzlich vernahm er ein merkwürdiges Geräusch, als ob etwas schweres zerbrach. Er schaute sich um und stellte verwundert fest, dass Ringos aufgebaute stolze Schutzmauer um sie und ihre kostbarsten Erinnerungen einen großen Riss bekam. Er schmunzelte. So war das also..!

<Was hast du an den Instrumenten dabei?> fragte er sie grinsend, <Die Tür wird sich nicht von alleine öffnen, weißte!>
 

"Seto!"

Mokuba fiel ihm weinend um den Hals.

"Jetzt ist alles wieder in Ordnung," sagte er beruhigend und umarmte seinen kleinen Bruder ganz fest.

Dann ließ er ihn los und schaute erschrockenen Dani kurz an.

"Kümmere dich um die beiden," ordnete Kaiba Roland an, und er entfernte sich mit den Kindern.

Er selber hatte noch eine Sache zu erledigen. Der Braunhaarige näherte sich den gefangenen Männern.

"Wo ist das Mädchen?" fragte er in bedrohlichem Ton.

Doch das hatte die nicht sonderlich beeindruckt, da sie ihn nur böse anstarrten. Auf einmal vernahm er das Klirren der Waffen. Er drehte sich um und sah Korin, die einen weißhaarigen Jungen auf ihrem Rücken trug und nun von Polizisten umgeben war.

"Sie gehört zu uns!" rief er den Männern, und sie senkten die Waffen.

Einige von ihnen nahmen ihr den Jungen ab und trugen ihn weg. Kaiba näherte sich ihr und sah, dass sie einen ägyptisch aussehenden Ring auf der Brust hatte.

"Schönes Souvenir," grinste er sie an.

"Sind Kinder in Sicherheit?" fragte Korin.

"Ja," entgegnete er. "Yuka ist verhaftet."

Sie lächelte erleichtert.

"Danke, Bruder," bedankte sie sich leise.

"Ts..!"

Was fiel ihr ein, ihn einfach so Bruder zu nennen?

Auf einmal merkte er, wie sie sich schwankte und in Ohnmacht fiel. Er konnte sie kaum rechtzeitig auffangen.

<Mensch, Mädel!> dachte Kaiba bei sich, während er das Mädchen zum Krankenwagen trug, wo sich schon Bakura befand.
 

Als ich meine Augen wieder öffnete, erblickte ich Ryou. Wir befanden uns in einem fahrenden Krankenwagen. Ryou lächelte mich schwach an und reichte mir ganz langsam ein zusammengelegtes Papier. Er wollte mir noch etwas sagen, konnte aber kein Wort über die Lippen bekommen. Ich erwiderte das Lächeln, nahm seine Hand in meine und drückte sie.

Dann schloss ich meine Augen wieder und atmete erleichtert durch.

Es war vorbei. Der Alptraum war vorbei.

Ein Tag wie jeder andere

Es waren einige Wochen vergangen. Bakura und ich befanden uns immer noch im Krankenhaus – er mit mehreren gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung, ich – mit einem Totalkollaps. In dieser Zeit hatte ich nur wenig Besuch, was ich wahrscheinlich dem Detektiv Inuki verdankte, der einen Wachen vor meiner Tür postiert hatte. Von Inuki erfuhr ich, wie Soroke verhaftet wurde und dass ihre Juweliergeschäftskette mir gehörte, sobald ich volljährig wurde. Außerdem musste ich irgendwann im Sommer im Gericht gegen sie sprechen. Er erzählte mir ebenfalls, dass Arituros Schwester Marie sich entschieden hatte Dani zu adoptieren, und sie nun einen Urlaub in England machten. Komischerweise stellte er mir keine Fragen bezüglich des Vorfalls mit seinem Sohn Max... Arituros Karte, die Ryou mir damals zurückgegeben hatte, hatte ich der Polizei übergeben, das unglückliche Dokument wurde tatsächlich gefunden und endgültig vernichtet.
 

Schließlich kam auch der Tag, an dem ich entlassen wurde!

Ich hatte mich schon fast fertig zum weggehen gemacht, als ich auf einmal laute Stimmen im Korridor vernahm, die sich rasch meinem Zimmer näherten. Es klopfte, und Tea, Joey und Yugi betraten den Raum.

"Hallo, Korin!" grüßten sie mich.

"Hallo!" entgegnete ich, "Wart ihr schon bei Ryou? Wie geht’s ihm?"

Mir war es nicht erlaubt andere Patienten zu besuchen, so hatte ich ihn die ganze Zeit nicht gesehen.

"Ja," antwortete Yugi lächelnd, "Ihm geht’s viel besser. Er wird heute ebenfalls entlassen."

"Was ist eigentlich passiert?" erkundigte sich Tea.

"Das ist nicht mehr wichtig," erwiderte ich und zog meinen Pullover an.

Ich hatte keine Lust diese Geschichte zu erzählen. Die Kinder waren in Sicherheit. Ryou war am Leben. Ich war am Leben. Was wollte man mehr?

"Habt ihr euch etwa abgesprochen?" regte sich Joey auf einmal auf, "Der Typ fragt als erstes nach dir und behauptet dann, dass das Geschehene nicht von Bedeutung sei, und die hier macht exakt dasselbe!"

Ich lachte herzlich auf.

Das sah ihm ähnlich!

Plötzlich öffnete sich die Tür und Kaiba und Bakura traten ein. Sein Ring war auf eine mysteriöse Weise wieder zu ihm zurückgekehrt.

"Hei," sagte er grinsend und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen.

"Hei," erwiderte ich, ebenfalls grinsend.

"Bist du bereit?" erkundigte sich der Braunhaarige, während die anderen mir und Bakura verwirrte Blicke zuwarfen.

Ich nickte. Kaiba wollte noch irgendwelche Sachen mit mir besprechen, und ich konnte mir schon denken, welche.

"Ich bleibe Ringo," sagte ich deswegen, "Ich habe kein Interesse an KC."

"Das war mir schon klar," entgegnete er gelassen.
 

"Bleibst du in Domino?" fragte Tea, als wir den Parkplatz betraten.

"Natürlich bleibt sie hier!" antwortete Bakura an meiner Stelle, "Wir haben noch eine Olympiade zu gewinnen!"

"Wir?" regte ich mich augenblicklich auf, "Du! Nicht wir! Du hast das ganze provoziert! Du hast dem zugesagt! Du, du, du und nochmal du!"
 

"Freunde, beruhigt euch wieder!" versuchte Yugi sich einzumischen, wurde aber von Kaiba aufgehalten.

"Du," sagte er herausfordernd, "duellierst dich mit mir!"

Schließlich hatte er es sich vorgenommen, Mutou zu schlagen, sobald der Schlamassel vorbei war! Und, so wie es aussah, hatten Ringo und Bakura ihr Späßchen erst angefangen.

"Hier? Jetzt?" fragte Yugi verwirrt und deutete die Streitenden an.

"Ach ja, Kaiba! Bevor ich’s vergesse!" rief Ringo plötzlich aus und warf ihm ein kleines Bündelchen hinüber.

Kaiba fing das Bündelchen ohne es anzuschauen und steckte es in seine Tasche.

"Das Geld, das ich von Mokuba geliehen habe," erklärte sie, "Ich weiß noch nicht, wie’s mit dem Juwelgeschäft funktioniert, aber ich will dir nichts schulden!"

"Ganz einfach," grinste Bakura, "Wir brechen in das Geschäft ein und stehlen alle Juwelen!"

"WIR?" Korin schien wahrhaftig dem Explodieren nahe zu sein, "Was hast du heute mit diesem "wir"?"

"Freunde..?" murmelte Yugi kleinlaut.

"Lass sie," entgegnete Kaiba und lächelte vielwissend, "Sie kommen auch ohne uns wunderbar zurecht."

"Ab-aber..." stottere Yugi.

"Willst du dich etwa von meiner Herausforderung drücken?!" herrschte er ihn an.

"Nie im Leben!" rief Yami aus, der kurzerhand Yugis Platz eingenommen hatte.

"Duell!" riefen die beiden und holten ihre Decks heraus.



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Von: abgemeldet
2009-03-07T13:49:29+00:00 07.03.2009 14:49
Da ist dir wieder ein tolles Kapitel gelungen.
Schade, dass die FF schon zu Ende ist. Aber es war eine wirklich tolle Fanfiction. Es hat viel Spaß gemacht sie zu lesen^^

Liebe Grüße
Henkersbraut_Julia
Von:  Teufelsstern
2009-03-04T20:03:38+00:00 04.03.2009 21:03
Herrlich, dieses Kapitel. xD Ich war die ganze Zeit am grinsen.^^° Ich liebe es einfach, wenn Korin und Bakura/Ryou sich streiten.^^
Das Ende finde ich gut so, meiner Meinung nach passt es perfekt.

lg Teufelsstern
Von: abgemeldet
2009-03-02T20:09:57+00:00 02.03.2009 21:09
wie süß <3
jetzt kommen ryou und korin doch noch zusammen<3

youko
Von:  Teufelsstern
2009-03-02T18:00:43+00:00 02.03.2009 19:00
Ein sehr sehr gelungenes Kapitel.^^
Was mir besonders gefallen hat, war, dass Soroke ein wenig Gefühle gezeigt hat.

lg Teufelsstern
Von:  Teufelsstern
2009-02-28T11:04:21+00:00 28.02.2009 12:04
Ich kann Henkersbraut_Julia nur zustimmen, ist ein super Kapi.
Mich nimmts wunder, was Bakura JETZT wieder vorhat. o.O
Freu mich jedenfalls sehr auf das nächste.^^

lg Teufelsstern
Von: abgemeldet
2009-02-24T17:16:29+00:00 24.02.2009 18:16
Das war wieder ein tolles Kapitel.
Ich freue mich auf die Fortsetzung.

Liebe Grüße
Henkersbraut_Julia

PS: Sorry fürs kurze Kommi
Von: abgemeldet
2009-02-21T20:00:54+00:00 21.02.2009 21:00
Wow wirklich tolles Kapitel.
Ist ja ganz schön gemein, das ganze so zu machen.
Ringo konnte sich ja nicht wirklich gegen den Kuss wehren.
Ich freue mich aufs nächste KApitel^^

Liebe Grüße
Henkersbraut_Julia
Von:  Teufelsstern
2009-02-13T16:08:34+00:00 13.02.2009 17:08
Argh! Du bist fies, den letzten Abschnitt noch anzufügen. ò.ó
Aber ansonsten super Kapitel.^^
Freu mich auf das nächste.

lg Teufelsstern
Von: abgemeldet
2009-02-11T18:14:54+00:00 11.02.2009 19:14
Klasse Kapitel.
Nur schade, dass du ausgerechnet an der Stelle aufgehört hast.
Ich bin echt gespannt wie es weitergeht.

LG
Henkersbraut_Julia
Von:  Teufelsstern
2009-02-11T14:43:02+00:00 11.02.2009 15:43
Das mit der Milleniumskette war eine Spitzenidee!
Bin gespannt, was Bakura macht, jetzt, wo Korin so sauer auf ihn ist.^^
Auf jeden Fall ein sehr gutes Kapitel gewesen.

lg Teufelsstern


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