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Drachenseele

Das Herz einer Priesterin
von

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*~Valkreppa~*

"Dinge sich selbst zu überlassen, führt vom Regen in die Traufe." – Murphys Gesetz
 

Kapitel 23 - Valkreppa

-Dilemma-
 

*Was genau ist es, das an einer Tat schlussendlich zählt?

Kann man ihren Wert an den resultierenden Umständen messen? Oder sollte man den Schwerpunkt auf die Wertung der Absichten legen, die zu dieser Aktion hinführten?

Hat jemand, der unabsichtlich eine Katastrophe heraufbeschwört, die entstehende, schwerlastige Schuld zu tragen oder nicht? Und ist es gerechtfertigt, eine Person zu verurteilen, nur weil sie nach bestem Gewissen handelte, ohne zu wissen, was für fatale Konsequenzen dies haben würde?*
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

Den Rest des Tages über verbrachte Flúgar mit Schweigen. Einem perfekten Schweigen, das mir rasch so unerträglich wurde, dass ich in meiner Verzweiflung begann mit Kaneko zu sprechen. Sicher, sie konnte mir keine Antwort in Worten zurückgeben, doch sie hörte zu, und ich hatte das Gefühl, dass sie zumindest einen Teil von dem, was ich ihr erzählte, auch verstand.

Wir hatten uns zwischenzeitlich ein wenig weiter in den Wald hinein begeben, und folgten einem kleinen Pfädchen, dass sich geschickt durch die Bäume und Sträucher hindurch wand, also unter Umständen ein Weg, den die Steinbrucharbeiter genutzt hatten.

Flúgar war zurückgefallen und gab sich keine Mühe aufzuholen. Er war mit seinen Gedanken an einem völlig anderen Ort, vergaß das, was um ihn herum geschah und achtete nicht mehr darauf. Diese Sache ging ihm nahe, belastete ihn. Ich wusste nicht ob, und wenn wie ich ihm helfen konnte, doch so wie ich ihn kannte würde er ohnehin ablehnen. Und das, obwohl er möglicherweise durchaus nach jemandem suchte, der bei ihm war und ihm so einen Teil der Last abzunehmen.

Vor der nächsten Biegung verlangsamte ich meine Schritte, wartete, bis er allmählich wieder aufschloss, ehe ich weiterlief. Ich ließ ihn nicht außer Sichtweite kommen, denn immer noch fürchtete ich, dass er dann einfach verschwinden würde um blindlings seinen Rachegelüsten nachzugehen; und dieses Risiko war mir eindeutig zu hoch. Wenn Flúgar danach sinnte, den Eigentümer jenes schrecklichen Youkis zu töten... wie würde es ausgehen, wenn man bedachte, wie er aus dem Kampf mit Shiosai hervorgegangen war?

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Das wollte ich mir nicht einmal ausmalen...

Als ich wieder nach vorne sah, erblickte ich auf einer flachen Anhöhe eine Hütte, die im Gegensatz zu den anderen in diesem Umkreis, noch einen bewohnbaren Eindruck machte. Kaneko reckte schnuppernd die Nase in die Luft, unruhig zuckten ihre schwarzgespitzten Schweife hin und her. Die Haare in ihrem Nacken stellten sich auf, und mit einem Mal wirkte der Nekoyoukai doppelt so pelzig wie zuvor. Sie fauchte leise, bereit, sich bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr zu verwandeln.

Ich schaute mich um, konnte allerdings nichts Verdächtiges entdecken oder erfühlen. Es konnte immerhin sein, dass selbst Kaneko sich einmal irrte und grundlos Alarm schlug; ich verstand ihren Unmut nicht. Daher achtete ich nicht weiter darauf und ging bis zur Hütte, klopfte an den aus dunklem Holz gefertigten Rahmen des Eingangs.

"Hallo?"

Zögerlich schob ich die Reisstrohmatte zur Seite und blickte ins Innere der kleinen Behausung. Es war geräumig gehalten, die Glut an der Feuerstelle schwelte noch, und an den Wänden unter den verschlossenen Fenstern standen kleine Weihrauchschalen. Ein angenehmer Geruch strömte mir entgegen.

Nach alldem zu urteilen lebte hier tatsächlich noch jemand.

"Hallo? Ist da wer?"

Ein wenig lauter wiederholte ich meine Frage, verstummte aber sofort, als ich ein leises Hüsteln aus der hintersten Ecke des Raumes hörte. Dort richtete sich nun eine zunächst unerkenntliche Gestalt auf, drehte den Oberkörper halbwegs in meine Richtung.

"Wer da? ...Reisende? Sucht ihr einen Platz zur Rast?"

Ich überlegte einen Moment, nickte dann aber doch. Eine Pause würde uns allen sicherlich nicht schaden. Und wenn ich Flúgars Zustand bedachte... ich schüttelte hastig den Kopf, daran wollte ich gar nicht denken...

"Kommt nur herein, und leistet mir ein wenig Gesellschaft. Sonst ist ja niemand hier..."

Der alte Mann setzte sich vor die Feuerstelle, legte trockenes Reisig nach und bat darum, dass wir uns ebenfalls niederließen. Ich kam seiner Bitte höflich nach, während Kaneko sich fortwährend dagegen sträubte, die Hütte zu betreten und Flúgar sich ohne Eile bloß langsam annäherte.

Den Einfall hier, im Haus eines Menschen, kurz zu verweilen und Atem zu schöpfen, fand wohl nicht seine Zustimmung. Aber zurzeit beschäftigten... nein, eher quälten ihn andere Gedanken. Bedauerlicherweise...

Etwas Anderes kam mir in den Sinn, und ich hob ruckartig den Kopf, fixierte mein Gegenüber.

"Verzeihung, Ojiisan, könntet ihr mir eine Auskunft geben?"

Der Angesprochene musterte mich eindringlich, besah sich anschließend auch ausführliche die beiden Youkai, also Kaneko und Flúgar, die jetzt letztendlich auch die kleine Behausung betreten hatten und nun deutlich als meine Begleitung zu verstehen waren. Der Katzendämon grummelte noch immer leise, war Flúgar jedoch bis ins Haus gefolgt. Was sollte ich davon halten? Vertraute sie ihm mehr als mir? Oder war das mehr eine Begebenheit im Punkte Dämoneninstinkt?

Da war sie bei mir wahrlich an der falschen Adresse...

"Selbstverständlich, Miko-sama, wie könnte ich Euch einen Dienst verweigern?"

Er klang für mich ehrlich, aber auf einmal beschlich mich ein schlechtes Gefühl...

Der Alte verbarg etwas, doch auf die vorherrschende Distanz blieb mir weiterhin unklar, um was es sich dabei handelte. Möglicherweise war es absolut unwichtig, und im Grunde sollte ich froh sein, dass sich mir sein wahres Sein im Moment nicht aufdrängte.

"Wisst ihr zufällig, was mit dem Steinbruch geschehen ist? Mir scheint, als wäre er noch längst nicht erschöpft, aber die Arbeiter sind fort."

Das zerfurchte Gesicht des grauhaarigen Mannes war zunächst ausdruckslos, doch dann schaute er auf, und ich vermeinte in seinen Augen ein seltsames Aufleuchten zu entdecken. Ein durchtriebenes Glimmen, das mich schaudern ließ. War es in jenem Augenblick wirklich eine gute Sache, dass mir seine wahren Absichten verborgen blieben?

"Was denkt ihr, was passiert ist, Miko-sama?"

Die Art, wie er sprach, missfiel mir immer deutlicher. Dieser Greis wurde mir unheimlich, etwas stimmte hier nicht, und nun offenbarte es sich. Wieso hatte ich gezögert und mein flaues Gefühl ignoriert?

Plötzlich erstarb der Laut, den Kaneko dauerhaft von sich geben hatte, und ein dumpfes Geräusch brachte mich zum Herumfahren. Sie lag regungslos am Boden, reagierte weder auf ihren Namen noch auf Berührungen. Was war hier los? War Kanekos Verhalten etwa doch gerechtfertigt gewesen?

Mit einem Mal wurde es mir bewusst - was hatte ich nur angerichtet...?

Eher am Rande, aus den Augenwinkeln heraus, bekam ich mit, wie Flúgar, genau wie der Nekoyoukai, einfach zusammenbrach, schlagartig das Bewusstsein verlor und somit unerreichbar für mich wurde.

Ein Anflug von Panik überkam mich augenblicklich, und mehr, als den ergrauten Mann fassungslos anzustarren, brachte ich nicht fertig. Was um alles in der Welt ging hier vor meinen Augen vor sich?

Und wie hatte ich das nur übersehen können? Was hatte ich getan? Wie hatte ich nur so blind sein können? Was sollte ich denn jetzt nur tun?

Tränen der Verzweiflung stiegen mir in die Augen, ich war ratlos und nicht mehr im Stande zu handeln. In mir herrschte Panik und Zerrissenheit, ich machte mir schreckliche Vorwürfe, schalt mich selbst für meine Dummheit, suchte fieberhaft nach einem Ausweg für diese hoffnungslos erscheinende Lage. Aber es war sinnlos, mein überforderter Verstand förderte nichts mehr zu Tage, dass mir oder den anderen beiden im Geringsten hätte helfen können.

Mir war, als würde die Welt über mir hereinbrechen und die Trümmer des Himmels fielen zielsicher auf den Flecken Erde zu, auf dem ich stand. Eine Kollision war unvermeidlich, und ich hatte selbst Schuld, weil ich mich nicht rührte und ihnen so nicht auswich...

Das Letzte, was ich durch den Schleier meiner eigenen Bestürzung und Angst wahrnahm, bevor alles finster wurde, waren unzählige, in lange Gewänder gehüllte Gestalten, deren leere Augen und Gesichter ins Nichts blickten, und deren Aufmerksamkeit weder mir noch Kaneko galt...
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

Es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis sich Flúgar den nebeligen Tiefen seines Dämmerzustandes zu entreißen vermochte, und wieder einigermaßen zu Bewusstsein kam.

Er fühlte sich schwach und ausnahmslos ausgelaugt. Entgegen dem konnte er sich jedoch nicht erinnern, dass er sich übermäßig angestrengt oder verausgabt hätte, bevor man ihn gegen seinen Willen gewaltsam in jenen eigenartigen Dämmerschlaf gestoßen hatte. Jetzt wusste er, was in ihm dieses befremdliche, widerstrebende Gefühl ausgelöst hatte... die Weihrauchschalen. Die Benommenheit, die ihn zuerst befallen hatte, war unglaublich schnell dazu übergegangen ihn vollkommen wehrlos werden zu lassen.

Wo war er nur?

Seine Nase sagte ihm, dass er sich an einem feuchten, modrigen Ort befand; es roch nach Wasser, Schimmelpilzen, Flechten und Moos. Auch der Geruch von unzähligen verschiedenen Lebewesen lag in der stehenden Luft. Menschen, Tiere, Dämonen...

Nur langsam öffnete er die Augen, hob müde die Lider und blickte einer massiven, von hellgrün gefiederten Kletterpflanzen überwucherten Felswand entgegen, die steil nach oben vor ihm aufragte. Winzige Wassertröpfchen perlten stetig an dem frischen Grün herab, sammelte sich am Boden zu kleinen Pfützen, die sich an der Kante des Gesteins miteinander verbanden.

Das Geräusch von zu Boden fallenden Wassertropfen mischte sich mit dem Knistern von Feuer. In der Nähe brannten mehrere kleine Flammen, Fackeln, die ihr spärliches Licht kaum bis zu ihm warfen. Eine Art Zwielicht beherrschte den Raum, verursachte zuckende Halbschatten, die wie irre Gestalten an den Wänden auf und ab tanzten.

Ihm mochte es einfach nicht gelingen, einzuschätzen, was genau vorgefallen war und wie sich seine Situation gestaltete; nur, dass sie in keinem Fall gut für ihn sein konnte...

"Bist du wach?"

Die sanft klingende Stimme einer Frau durchschnitt die leise Melodie der Höhle, verursachte in Flúgar eine Art Kurzschlussreaktion. Überall, unter jeden Umständen hätte er diese Person wiedererkannt...

Sein Körper spannte sich bis auf das Äußerste an, der Loftsdreki presste die Zähne aufeinander und mobilisierte die allerletzten Kraftreserven, die er noch vorzuweisen hatte. Aber wie sehr er sich auch bemühte, es blieb sinnlos. Nicht ein Wort verließ seine Lippen, sein Leib rührte sich nicht; seine Lungen gehorchten einfach nicht, und trieben nur gerade so viel Sauerstoff in sein Blut, wie er zum Überleben in einer Art tiefem Koma brauchen würde.

"Huh, wie gemein von mir. Entschuldige, du kannst ja nicht antworten."

Sie lehnte sich leicht nach vorne, stützte die von weißem Stoff verhüllten Unterarme auf eine Reihe von querliegenden Gitterstäben. Für sie war es ein reines Vergnügen, den stolzen Loftsdreki so mittellos zu sehen.

"Du machst einen ziemlich erbärmlichen Eindruck, weißt du das?"

Ein Lächeln verzog erneut die rosigen Lippen, als sie ihr Opfer eingehend betrachtete, zusah, wie er seine stille Auseinandersetzung mit seinem eigenen Körper ausfocht. Er hatte keine Chance, es war sinnlos, doch es war eben dieser naive Starrsinn, der sie amüsierte. Jemanden wie ihn zur Aufgabe zu zwingen, seinen Willen zu brechen, musste süßer schmecken als jede Rache, die sie an ihm nehmen konnte. Sie würde dieses Ziel erreichen und in einen Hochgenuss kommen, den sie so rasch nicht mehr vergessen würde. Darauf sollte es hinauslaufen.

Allein das war alle Strapazen wert, die sie auf sich genommen hatte...

"Bist du soweit bei Verstand, dass du dich an mich erinnerst, Flúgar?"

Ansonsten wäre es reine Zeitverschwendung mit ihm zu sprechen. Ohnehin würde er das Bewusstsein nicht mehr lange halten können, denn die spezielle Kräutersaftmischung in den Weihrauchschalen, die auch hier im Raum aufgestellt worden waren, verfehlte ihre Wirkung nicht.

Bedächtig hob die Frau die Arme, streifte sich die Kapuze vom Kopf.

Flúgar lag auf der falschen Seite, um sie sehen zu können, aber dieses Antlitz würde er niemals vergessen. Ihre eher zart erscheinenden Züge wurden von dem wilden, unbändigen Ausdruck, der auf ihnen lag, förmlich geschluckt. Tiefrote Haare, die sich im Ansatz schwarz färbten, rahmten dieses Gesicht ein, und die stechenden Augen, deren Farbe die von flüssigem Silber war, schienen Funken zu sprühen, gleichgültig, was sich in ihnen selbst verbarg.

Er erinnerte sich gut.

"...Aska..."

Sie schmunzelte, als ihr Gefangener von einem heftigen Hustenkrampf geschüttelt wurde, und die Anspannung, die seine Muskeln beherrschte, aus ihm wich.

"Richtig. Und ich werde mich gemäß dem, was du mir angetan hast, bei dir revanchieren. Darauf kannst du dich verlassen."

Als sie ihn mit einem abschließenden Blick bedachte, wurde der Ausdruck in ihren Augen stahlhart, und wie von selbst legte sich ihre Hand dabei auf die linke Hälfte ihres Gesichtes. Drei längliche Narben, die nur von einem Krallenhieb stammen konnten, verliefen von ihrer Stirn über das linke Auge bis hinab zu ihrer Wange.

Natürlich war es sein Verschulden, ebenso das Erblinden ihres linken Auges. Aber diese Entstellung war nicht der Hauptgrund für diesen Rachefeldzug, damit hätte sie möglicherweise weiterleben können, ohne ihn dafür bis aufs Blut zu hassen. Es steckte mehr dahinter; Flúgar hatte ihren Bruder getötet, und das würde er zutiefst bereuen...
 

Begleitet von einem leisen Stöhnen schlug Midoriko die Augen auf, brachte ihren Körper automatisch in eine aufrechte Position. Ächzend befühlte sie mir der rechten Hand ihren Hinterkopf, besah sich eher nebenbei ihre unmittelbare Umgebung.

Ihr Kopf schmerzte höllisch, es war dunkel, und der harte Untergrund, auf dem sie bis eben gelegen hatte, war eiskalt. Aber es war auch sonst nicht wärmer an diesem Ort, und als sie zur Decke empor schaute, bewahrheiteten sich ihre ärgsten Befürchtungen. Sie musste in der Höhle sein, die sie zuvor im Steinbruch entdeckt hatte.

Die Gitterstäbe zu ihrer Linken bewiesen, dass sie eine Gefangene, und somit dem ausgesetzt war, der sie hier festhielt. Doch wer war das?

Ein Gedanke schoss ihr blitzartig durch den Kopf, und sie blickte sich hektisch um. Kaneko war nicht hier, ebenso wenig wie Flúgar. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie auch kein anderes Wesen, sei es nun Mensch oder Dämon, sehen. Nicht sehen... aber spüren!

Die Auren, die ihr sehr nahe waren, mussten die Wächter sein, und das waren allesamt Youkai. Midoriko dachte nach. Derjenige, der sie hier hatte einsperren lassen, kannte sie offensichtlich sehr schlecht oder gar nicht. Die Wachen würde sie mit einem einzigen Shinkon No Kori läutern und so ausschalten können...

Schritte hallten durch die finstere Schwärze der endlos wirkenden Gänge, ließen die Priesterin in ihren Überlegungen abrupt inne halten. Denn die Person, die sich ihr so beständig näherte, war zweifellos die, deren wild flammendes Youki sie schon einmal gespürt hatte.

Midoriko richtete sich auf, den Blick fest und entschlossen auf den Punkt gerichtet, wo sie das Auftauchen des Dämons vermutete.

"Sieh mal einer an, du bist auch schon wieder bei Sinnen. Hast du gut geschlafen, Mensch?"

Aus dem dunklen Schattenvorhang trat eine ganz in weiße, weite Gewänder gehüllte Person, die von zwei unerkenntlichen Gestalten begleitet wurde, die in ihrer äußeren Hand jeweils eine Lanze hielten. Ihre Stimme war weich, und melodische, ihr Tonfall jedoch eindeutig.

Midoriko unterdrückte ein Zähneknirschen. Wieso sagte sie auch?

"Wo ist er? Und was soll das hier?"

Die fremde Frau kicherte unscheinbar, hielt sich die Hand vor den Mund und brach schließlich in schallendes Gelächter aus.

"Das wirst du schon noch sehen, Schätzchen. Aber ich habe auch eine Frage an dich. Was für eine Beziehung hast du zu Flúgar? Wenn du nach ihm fragst, warst du doch nicht zufällig mit in der Hütte."

Die Schwarzhaarige presste die Lippen aufeinander, fluchte lautlos. Das hörte sich nicht gut an, mit Sicherheit hätte sie besser geschwiegen - für ihr und Flúgars Wohl. Mit einer betonten Gestik wandte sie den Kopf zur Seite ab.

"Stur, was? Aber das soll mich nicht weiter kümmern. Alleine die Tatsache, dass du bei ihm warst - und mir scheint, das bist du schon länger - reicht mir als Beweis für eure Zusammenarbeit. Wenn ich dich so vor mir sehe, gibst du sicherlich ein gutes Opfer für Hikage ab."

Sie schmunzelte, warf Midoriko einen herausfordernden Blick aus ihren metallisch aufblitzenden Augen zu. Dann drehte sie sich zum Gehen um, blieb unerwartet noch einmal stehen.

"Ach, noch etwas: da ihr zwei keine Gelegenheit zum Reden mehr haben werdet, soll ich ihm etwas ausrichten? Ich meine, es wäre doch ganz schön, wenn er die letzten Worte seiner Partnerin hören kann, wenn er der Opferung morgen Nacht beiwohnt, oder? Hm, ihm werde ich keinen so raschen Tod gönnen..."

Als würde sie darüber nachdenken, tippte sie sich abwesend gegen die Unterlippe, hob abschließend wie zum Spott die Hand zum Abschied und entfernte sich mit gemächlichen Schritten.

"Sag ihm, dass der Wille und das Herz entscheidet - nicht das Schicksal."

Die Priesterin hob den Blick, und fixierte die Frau mit einem undurchdringlichen Ausdruck in den Augen. In ihr wuchs der unbändige Wille, sich nicht dem zu ergeben, was dieser Dämon ihr über die nächste Zukunft mitteilte. Dem Schicksal würde sie sich nicht mehr unterordnen.

"Merk dir eines, Dämon, selbst die mächtigste Flamme wird kläglich ersticken, wenn man ihr die Luftzufuhr abschneidet."

Fassungslosigkeit und Wut zogen über die schattengleichen Züge der Fremden, und ein verärgertes Funkeln ergriff ihre Augen. Verunsichert sahen ihre Diener zu ihr auf.

"Aska-sama?"

Die Angesprochene ballte die linke Hand zur Faust und ihr Körper hüllte sich in grellorange aufschlagende Flammen. Ihr besorgter Untertan zur Rechten verschwand in der plötzlichen Feuersbrunst einer gewaltigen Stichflamme, und zurück blieb nur ein Häufchen Asche. Den Begriff ,wutentbrannt' definierte sie wohl ein wenig anders als man es für gewöhnlich tat...

"Für dich Kazanbai-sama, verstanden?!"

Ihre Stimme zitterte vor Zorn, und der Wächter, der noch neben ihr stand, fiel flehentlich um Verzeihung bittend auf die Knie.

Als die beiden letztendlich doch in der Dunkelheit des unterirdischen Ganges verschwanden, atmete Midoriko erleichtert auf. Mit dieser Aska - oder Kazanbai - war nicht zu spaßen, hitziges Temperament war für diesen Ausbruch schon keine Bezeichnung mehr. Aber...

Sie stockte. Aska war eindeutig die, der man dieses fürchterliche Youki zuordnen konnte, dass sie im Wald gespürt hatte. Hieß das etwa, dass Flúgar sich an ihr rächen wollte? War diese Frau die Mörderin von Flúgars Afi?

Doch aus welchem Grund hegte sie denn dann so einen Groll gegen ihn?

Es musste mehr vorgefallen sein, als die Ermordung eines Loftsdreki, so viel stand fest. Aber wie sollte sie sich dieses Hintergrundwissen aneignen?

Selbst wenn sie Flúgar hier unten irgendwie finden könnte, würde er nicht mit der Sprache herausrücken. Und auf ein Gespräch mit dieser funkensprühenden Cholerikerin Aska konnte sie getrost verzichten.

Die junge Miko seufzte, betrachtete missmutig die massiven Eisenstäbe, die sie hier gefangen hielten. Ihr Blick schweifte nach oben, und mit einem Mal fasste sie bei sich ein Vorhaben.

Zwischen der letzten Reihe von quergelegten Eisenstäben und der Höhlendecke war zwar nicht viel Platz, aber ohne ihre Rüstung würde sie geradeso hindurchpassen. Außerdem wusste sie bereits, wie sie dort hinauf kommen würde; an dem Gitter würde sie nicht hochklettern können, aber die Felswand auf der rechten Seite war so zerfurcht, dass sie dort höchstwahrscheinlich genug Halt finden würde.

Ob ihr Konzept in die Tat umsetzbar war, wusste sie nicht, doch sie musste es versuchen, eine andere Lösung wollte ihr nicht in den Sinn kommen.

Die Priesterin schluckte hart, sie würde es angehen, und ihr Bestes geben!

Zuerst musste sie die Wachen aus dem Weg räumen. Tiefen Atem schöpfend ließ sie sich im Schneidersitz in der Mitte ihres Gefängnisses nieder, sprach unverständliche Worte, die ihr halfen sich zu konzentrieren. Langsam, aber beständig, wallte die reine Macht ihrer selbst in ihr auf, verlangte danach, freigesetzt zu werden, um sich einen eigenen Weg zu bahnen. Midoriko jedoch lenkte die Wirbel der Energieströme präzise in bestimmte Richtungen, sie durfte keine der Wachposten verfehlen, denn würde dies eintreffen, war es eine vergebliche Anstrengung.

Die dunkelbraunen Augen der Priesterin öffneten sich, und sie verzog keine Miene, als sie der schwer zu bändigende Energie freien Lauf ließ, und sich diese, in einem grellen weißen Licht nach außen hin äußerte. Angespannt wartete sie ab, bis sich auch die letzte dämonische Aura in der Reinheit ihrer Kraft einfach verlor.

Dann sprang sie auf, und erst jetzt wurde ihr in voller Intensität bewusst, wie sehr sie sich verausgabt hatte. Schwankend gelangte sie bis zu der ausgewählten Felswand, unterdrückte den in ihr aufkommenden Schwindel und die Übelkeit. Für eine Pause hatte sie keine Zeit, sie musste sich beeilen, und das nicht nur, weil sich ihr ansonsten recht gutes Gefühl für Zeit als nutzlos entpuppte; irgendwann würden sie ihren Ausbruch bemerken, das stand fest.

Achtlos entledigte sie sich ihrer Rüstung und warf sie beiseite, erklomm mit höchster Anstrengung die schroffe Steinwand. Trotz der zahlreichen Missversuche, wenn sie abrutschte oder gar zurück zu Boden fiel, gab sie nicht auf. Immerzu setzte sie erneut an, denn wenn sie es tatsächlich schaffen wollte, dann stellte sich ihr nichts in den Weg, nicht einmal die Schwäche ihres Körpers.

Durchgeschwitzt und nur noch nach Luft keuchend, erreichte sie endlich den höchsten Punkt des Metallgitters, fasste die rostige Kante mit den zerschundenen Händen. Sie hielt eisern an ihrem Ziel fest, zog den Rest ihres Leibes nach und zwängte sich durch die schmale Lücke zwischen Fels und Gitter.

Sie schaute auf den Boden der anderen Seite hinab, und die Kraftlosigkeit übermannte sie, wodurch sie den Halt verlor und schonungslos auf den harten Boden stürzte...
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

***>>>Kapitel 24:

>"In den Tiefen der Finsternis haust die Kreatur der Dunkelheit, ein Gefangener, der sein Leben in Bewegungslosigkeit fristet, und es gilt zu bedenken, dass der Feind deines Feindes dein Freund ist. Feuer und Wasser stehen in einer Allianz zueinander, und zusammen ist ihnen an ein und demselben Ziel gelegen..."

Renritsu



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Tigerin
2006-04-08T15:44:49+00:00 08.04.2006 17:44
Schönes Kapitel!

Die Drachendame ist, wie Hotep schon gesagt hat wirklich reizend... Und das die arme Midoriko geopfert werden soll... also wirklich... jedenfalls stecken die Beiden echt in der Patsche. Mir hat dieser Satz einfach gut gefallen: "Merk dir eines, Dämon, selbst die mächtigste Flamme wird kläglich ersticken, wenn man ihr die Luftzufuhr abschneidet."
Und wirklich wiedermal ein fieser Cliffhanger...

Bye Tigerin
Von:  Mondvogel
2006-03-18T15:03:55+00:00 18.03.2006 16:03
Oh oh. Da ist Flúgar wohl in eine ziemlich missliche Lage geraten...
Wow, wie spannend du das geschrieben hat und die Beschreibungen der Gegend sind einfach wunderbar. Man glaubt alles ganz genau vor sich sehen zu können und du hast immer die richtigen Worte, um etwas zu beschreiben.
Dann will ich mal aufzählen, was mich am meisten gefesselt hat:
>Den Begriff ,wutentbrannt' definierte sie wohl ein wenig anders als man es für gewöhnlich tat...<

Guter Ausdruck!

>"Merk dir eines, Dämon, selbst die mächtigste Flamme wird kläglich ersticken, wenn man ihr die Luftzufuhr abschneidet."<

Immer wieder findet man in deiner Story einige Weisheiten. Das gefällt mir und verleiht der Geschichte noch mehr Seele. Genau wie dieser Satz.

Man kann sich auf das nächste Kapitel freuen!
Von: abgemeldet
2006-03-13T16:48:47+00:00 13.03.2006 17:48
OH man du schreibst wirklich fesselnd. ^-^


24
Von:  Lizard
2006-03-13T15:01:13+00:00 13.03.2006 16:01
Schon wieder ein Cliffhanger... jetzt habe ich aber bald genug davon (*grrr*), das ist gemein!
Nun ja, aber so bleibt es eben auch spannend (*seufz*), da muss ich jetzt wohl durch.
Und jetzt bin ich wieder sehr neugierig auf die Fortsetzung. Wie es scheint, wird Midoriko ja wohl noch einen Gefangenen entdecken, der als Feind des Feindes ein Freund sein kann?!?

Der geheimnisvolle Feuerdrache mit dem unheimlichen Youki ist also eine Frau und eine mit berechtigtem Hass auf Flugar... das sieht übel für ihn (und Midoriko -wem soll sie da geopfert werden?!) aus.
Und dann haben sich, wenn ich das jetzt recht verstanden habe, die Wasserdrachen (die ebenfalls mehr als einen Grund haben auf Flugar und seinen Clan sauer zu sein) mit den Feuerdrachen verbündet... schöne Aussichten.... übel, übel... Und die arme Midoriko wird in all das hineingezogen...
(Noch nebenbei: mir gefallen die Haarfarben, die du deinen Drachen gibst.^^)
Von:  Hotepneith
2006-03-13T14:56:48+00:00 13.03.2006 15:56
Eine reizende Dame, bei der sie da gelandet sind. Aber Midoriko war wohl auch schon recht erschöpft, dass ihr die Warnzeichen nciht auffielen. Jedenfalls hast du sie wirklich in iene wnderschöne Patsche geschrieben. Und die Aussicht, morgen geopfert zu werden, ist auch nciht gerade aufbauend. Insgesamt gesehen en schönes, spannendes Kapitel. Mit einem fiesen Cliffhanger.

Also müssen wir wieder einmal warten.

bye

hotep


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