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Five Elements

von

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Niemals geb ich auf!

„Wieso jetzt? Wieso willst du sie nach einem halben Jahr suchen?“ fragte Brian verständnislos und fühlte sich verletzt. Er wollte nicht, dass Darlene ging.

„Vielleicht, weil mir erst jetzt ein Licht aufgegangen ist. Ich bin nicht, wie mein Vater. Ich werde nicht aufgeben, bis ich sie gefunden habe. Ich kann nicht akzeptieren, dass Michelle tot sein soll. Nein, das ist unmöglich. Es tut mir Leid.“ Darlene ging los und wollte alles hinter sich lassen, um eine neue Suche zu starten, wenn nötig allein. Ja, ganz allein.

„Nicht allein!“

„Was?“ Darlene traute ihren Ohren nicht. „Brian, du hast keine Ahnung, worauf du dich da einlassen willst“, sagte Darlene. „Es wird kein Zuckerschlecken!“

„Ich kann nicht einfach zulassen, dass du allein gehst. Ich werde dich begleiten, und wenn ich dir den ganzen Weg nachlaufen muss. Sei nicht so störrisch“, bat Brian und umarmte Darlene von hinten.

„Wieso? Du kennst mich erst seit gestern Abend. Wieso willst du das auf dich nehmen?“

„Vielleicht, weil ich dich gern habe. Oder weil ich Abwechslung brauche und Bridget hinter mir lassen will“, antwortete Brian gelassen. Er schien sich keinerlei Gedanken zu machen.

„Und was wird Evelyn dazu sagen?“

„Sie wird unseren Dad beschwichtigen und unsere Mum aus dem Haus jagen. Bridget ist schon viel zu lange her, findest du nicht, Brian?“ Evelyn hatte alles mit angehört. „Bilde dir ja nicht ein, dass ich das für dich tue, Darlene! Ich tue das für Brian!“ Evelyn stand da in einfachem T-Shirt, das ihr bis in die Kniekehlen reichte. Darunter trug sie wahrscheinlich Boxershorts, was allerdings nicht zu erkennen war.

„Keine Panik, Kleine, das bilde ich mir sicher nicht ein. Deine Meinung ist mir eigentlich ziemlich egal.“ Darlene befreite sich aus Brians Umarmung. „Ich bin aber keineswegs damit einverstanden, dass mich irgendwer begleitet.“

„Und wenn ich dir den ganzen weg nachlaufen muss!“
 

„Wie konnten wir nur jemals aufhören zu suchen? Es muss irgendeinen Anhaltspunkt geben.“

„Wo ist Michelle geboren? Fragte Benjamin und legte Alicia beruhigend die Hand auf die Schulter. Alicia stockte.

„Geboren? Ich weiß es nicht. Ich denke niemand von uns weiß es. Ihre Vergangenheit ist ein einziges großes Rätsel. Nicht mal Michelle wusste, wo sie geboren war. Aber sie hat in Frankreich gelebt. In einer Villa...“
 

„... An der Riviera.“ Catharina zeigte auf die Stelle, an der sie die Villa vermutete.

„Und du willst wirklich nach ihr suchen? Allein?“ fragte Herr Weißenfeld besorgt. „Musst du denn wirklich schon wieder gehen?“

„Ja. Ich muss. Das ist eine Verpflichtung. Ich hasse mich dafür, dass wir die Suche abgebrochen haben. Keine Angst. Mir wird nichts passieren. Und ich komme sicher wieder...“
 

„Und wann? Wieder zehn Jahre später? Ich will nicht, dass du gehst.“ Jetzt war es raus.

„Was?“ Alenka errötete. Kein Panzer aus Eis schützte sie mehr. „Wieso?“

„Das fragst du noch? Du warst meine erste Große Liebe“, gestand Dimitri „Aber wenn du wirklich gehen willst, werde ich dich begleiten.“ Er wusste nicht, was er noch sagen sollte. Sie saßen an der Klippe und ließen die Füße baumeln. Das angenehme Rauschen des Meeres erfüllte die Luft. Keiner der Beiden wusste das unangenehme Schweigen zu brechen, doch dann tat Dimitri etwas, von dem er sich nie hätte Träumen lassen, dass er es wirklich wagt: er küsste Alenka. Überrascht und überwältigt erwiderte sie den Kuss.

„Also machen wir uns auf den Weg“...
 

Frankreich. Marseille. Alicia und Benjamin saßen in einem Eiscafé und sahen sich das rege Treiben an. Etwas außerhalb dieser Stadt begann das Land der Familie Pointhieu, Michelles Familie. Etwas demotiviert stocherte Alicia in ihrem Glas und spielte mit den Eiswürfeln. Dann warf sie einen Blick auf ihre rechte Hand. Sie trug den Ring noch immer, der Sie und die anderen Elemente miteinander verbunden hatte. Nur durch diesen Ring in Verbindung mit dem entsprechenden Armreif hatten sie sich verwandeln können. Das Alles hatte Michelle gezaubert. Ohne Sie wäre das nicht möglich gewesen. Der Armreif. Mit dem Kommunikator. So lange hatten sie alle keinen Kontakt mehr gehabt. Aber niemand wagte den Schritt es zu probieren. Ohne Michelles Wartung war es gut möglich, dass er gar nicht mehr funktionierte.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte Benjamin besorgt.

„Ja, es ist nur... Ich habe mir zwar in den Kopf gesetzt Michelle zu finden, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie auch nur den geringsten Anhaltspunkt für uns hinterlassen hat. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass ich nur wenig über sie weiß. Und was ist, wenn sie wirklich tot ist?“ Alicia hielt panisch die Hand vor den Mund. „Nein, wie kann ich das nur denken? Sie lebt!“

„Ich verstehe dich. Aber vielleicht sollten wir erst mit der Suche anfangen, dann sehen wir weiter.“

Russisch. Alicia drehte sich um. Völlig unsinnig! Frankreich war ein multikulturelles Land. Außerdem hatte keine Frau gesprochen, es konnte nicht Alenka sein! Alicias Augen suchten das Eiscafé ab in der Hoffnung den Sprecher zu finden. Stattdessen sah sie etwas anderes: „Alenka!!!“ Alicia sprang auf, als sei der Teufel hinter ihr her. Dunkles, gewelltes Haar, wie Wasser. Es konnte nur Alenka sein! Die Frau drehte sich um.

„Nicht zu fassen! Ich hätte niemals gedacht, dass ich dich hier treffe“, gestand sie irritiert. „Was machst du hier? Ist Ben auch da?“

„Wir...Ich...Also ich habe mich entschieden... Ich will Michelle suchen. Ich will sie nicht nur suchen, ich will sie finden“, antwortete Alicia.

„Vielleicht sollten wir uns dann zusammentun. Wir sind aus dem gleichen Grund hier.“

„Das freut mich! Ich hätte es nicht geglaubt, aber... Ich meine, wir können sie nicht im Stich lassen. Moment!“ Alicia hielt inne. „Wir??? Wer ist wir?“

Alenka lachte. Sie lachte, wie sie es seit langer Zeit nicht mehr getan hatte und deutete auf Dimitri, der hinter Alicia stand. Die beiden hatten die ganze Zeit auf Spanisch gesprochen, als Alicia damit angefangen hatte. Es war ihr nicht aufgefallen. Sie hatte fünf Sprachen zur Auswahl, die sie perfekt beherrschte. „Darf ich vorstellen: Dimitri Zabavin. Mitra, das ist Alicia Cortéz, das Feuer.“ Dimitri reichte Alicia die Hand.

„Ich werd nicht mehr! Leny hat nen Freund?“ fragte Alicia, noch immer auf Spanisch. „Sehr erfreut“, sagte sie dann auf Russisch. Wir sollten irgendwo hin gehen, wo wir mehr Ruhe haben. Ich denke langsam könnten wir uns auch auf den Weg machen. Schließlich wollen wir bald anfangen, nicht wahr?“

„Du hast Recht.“ Gemeinsam gingen sie zu Benjamin an den Tisch. Dann bezahlten sie und verließen das Café. Die Sonne brannte und der Mietwagen wirkte wie eine Sauna als die Vier aus der Stadt heraus fuhren.

Nach einiger Zeit und vielen Unterhaltungen, sie hatten sich inzwischen auf Englisch geeinigt, da Benjamin kein Russisch und Dimitri kein Spanisch sprach, sahen sie, dass am Straßenrand ein Auto stand. Niemand war zu sehen, dennoch hielt Dimitri an und sie sahen nach.

„Wahrscheinlich ist der Fahrer weitergegangen und wir werden ihn noch an der Straße antreffen“, sagte Alenka. „Früher haben Catharina und ich oft getrampt, bevor wir auf euch stießen.“ Ein Blick zu Alicia.

„Das kann ich mir vorstellen. Kommt, wir wollen weiter.“ Gesagt, getan. Sie folgten weiter der Straße und bogen irgendwann in einen schmalen Weg ein, der kaum noch als solcher zu erkennen war. Seit Jahren hatte ihn niemand mehr benutzt, das war sicher. Diesem Weg mussten sie folgen, bis er irgendwann vor dem Anwesen am Meer endete.

„Wahrscheinlich ist es zerfallen oder so“, weissagte Alenka.

„Sieh nicht alles so negativ“, befahl Alicia.

„Schaut mal, da vorn sind zwei Gestalten auf dem Weg“, unterbrach Benjamin die Beiden. Wie gebannt starrten sie auf den Weg und tatsächlich: da waren ein Mann und eine Frau, die mühsam und mit relativ viel Gepäck den Weg entlang stapften. Dimitri hupte, woraufhin die Frau fürchterlich erschrak, sich umdrehte und Flüche in den verschiedensten Sprachen rief.

„Ich werd verrückt! Die klingt ja fast wie...“ Alicia sprach es nicht aus. Sie fuhren näher heran, doch die Frau trug ihre Schirmmütze weit ins Gesicht gezogen.

„Verdammte Scheiße, hier hat niemand was verloren! Warum zum Henker muss dieser Idiot auch Hupen. Gottverdammter Mist!“ Fluchte sie weiter. Ihr Begleiter lächelte und versuchte seine Freundin zu beruhigen.

„Hey, was haben sie hier verloren?“ fragte Alicia. „Sie befinden sich auf Privatem Grund!“

Die Frau sah auf und blinzelte. „Alicia? Mein Gott, das kann nicht wahr sein!“ Darlene traute ihren Ohren nicht, genauso wenig, wie ihren Augen, als Alicia aus dem Wagen stieg.

„Was zum Henker machst du hier?“ fragte Alicia. Alles andere war Nebensache.

„Ich suche Michelle. Und wie es aussieht, hast du das Gleiche Ziel.“

„Wie auch Alenka. Sie ist mit Ben und ihrer Begleitung im Wagen. Wer ist das?“ Alicia deutete auf Brian, der sich die rührende Szene schweigend angesehen hatte.

„Du wirst mich erschlagen, wenn ich es dir sage. Das ist mein Freund Brian Conelly.“

„Freund? Klingt eher als sei das dein Bruder. Hast Recht, ich erschlag dich. Aber erst sollten wir uns bis zum Anwesen durchschlagen. Auf der Ladefläche dürfte noch Platz sein.“

„Nicht wirklich mein Bruder. Okay. Brian, das hier ist meine beste Freundin Alicia. Dort hinten im Wagen sind noch Alenka, ihr Freund und Ben, Lizzys Freund. Komm, das ist unser Taxi.“

„Sehr Wohl, Madame“, sagte Brian lachend und griff nach dem Gepäck, um es auf die Ladefläche zu verfrachten. Der restliche Weg war also wenigstens für Brian und Darlene angenehm, denn der Fahrtwind auf der Ladefläche war kühler, als es im inneren des Wagens war. Als sie am riesigen Eisentor angelangt waren, bot sich ein erschreckender Anblick. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Nur die Ranken an den Toren und dem Gebäude zeugten davon, dass noch ein Bisschen Leben vorhanden war. Das Tor stand nur einen Spalt offen. Grade so viel, dass ein kleines Mädchen von Neun Jahren durch diese Öffnung laufen konnte.

Das ganze Gelände wirkte ausgestorben, die einstmals prachtvolle Villa glich einem Geisterschloss. Die Sonne ging langsam unter und unterstrich die bedrohliche Stimmung. Darlenes Blick fiel auf etwas hinter dem Tor, das völlig überwuchert von Bodenranken einfach da lag.

„Ein Skelett. Vielleicht von einem Menschen.“ Sie zwängte sich durch das Tor, welches sich nicht einen Millimeter bewegte und trat auf das Gebilde zu. „Jemand war vor uns hier“, sagte sie leise. „Vor nicht allzu langer Zeit wurde das Gestrüpp von diesem Skelett weggerissen.“

„Du meinst jemand ist hier?“ fragte Brian, der sich schon fast wünschte nicht mit Darlene weggegangen zu sein.

„Ja. Das hier ist kein Mensch. Es ist ein Dämon.“ Schweigen. Stille. Wind, der durch die Blätter rauscht und eisige Schauer über Rücken jagt.

„Du hast Recht. Jemand ist hier“, sagte Dimitri in seinem besten Englisch und deutete auf das Haus. Ganz schwach war ein Licht zu erkennen in der aufkommenden Dunkelheit der Nacht. Es wanderte durch das Gebäude, wie von Geisterhand geleitet.

„Los kommt, ich bin neugierig“, sagte Alicia und betrat ebenfalls das Grundstück, gefolgt von den anderen. „Wer wohl unser Geist ist?“ Es dauerte nicht lange, bis sie die Eingangstür erreicht hatten und sie öffneten. Es waren Spuren im Staub zu erkennen, die weit ins Innere des Gebäudes führten. Die sechs folgten den Spuren, als ein plötzlicher Windstoß die Tür ins Schloss fallen ließ und wie ein Windstoß fand sich die Klinge eines Schwertes an Alicias Hals, wie aus dem Nichts.

„Ich schätze unser Geist ist nichts als simple Luft“ sagte Alenka grinsend und trat hervor.

„Was soll das heißen?“ fragte Brian erschrocken, sein Herz schlug wild, als wollte es aus seiner Brust springen. Natürlich ließ er sich nichts anmerken.

„Ich habe mich schon gewundert, wer hier mit dem Auto am Tor angekommen ist“, sagte Catharina und nahm das Schwert zurück.

„Wo hast du deine Kerze gelassen? Oder womit bist du durch die Gänge geschlichen?“ fragte Benjamin grinsend. Nur Dimitri und Brian verstanden nichts von alledem.

„Kommt erst mal richtig rein. Es wird schon dunkel und es wird auch schnell kälter. Ihr solltet eure Sachen bald reinholen und das Auto irgendwo unterbringen. Wir haben sicher noch genug Zeit, um uns zu unterhalten.“

„Wie lange bist du hier?“ fragte Alenka. „Oh. Das hab ich völlig vergessen! Das hier sind Dimitri und Brian. Und jetzt rein in die Gute Stube.“

„Ich bin Catharina, die Luft, wenn man so will. Und ich bin erst seit Gestern hier, ich habe noch nicht viel unternommen. Ich habe nur die Überreste eins regelrechten Massakers entdeckt. Ich hab meine Vorräte auf der Yacht, da schlaf ich auch und hab eine Küche. Hier ist nichts mehr zu retten.“ Catharina führte die anderen in ein Zimmer, das wie ein simples Gästezimmer aussah, nur in größerem Ausmaß, als die Jungen es sich vorstellen konnten. „Ich denke, hier ist genug Platz. Morgen zeige ich euch den Rest. Ich denke hier können wir vorerst unser Quartier aufschlagen. Es ist unberührt, anders als die anderen Zimmer. Und jetzt sollten wir eure Sachen rein holen.
 

Der Morgen war klar und kalt. Catharina war als erste wach und stand auf der riesigen Veranda, von der man einen grandiosen Blick auf Meer hatte. Schritte, wohlbekannte Schritte, die sich ihr näherten.

„Guten Morgen.“

„Guten Morgen. Was hat dich bewogen hierher zu kommen?“ fragte Alenka und stellte sich neben ihre beste Freundin.

„Schuldbewusstsein, Hoffnung, Empathie? Ich kann es nicht genau sagen. Ich wusste nur, dass Michelle noch lebt und ich sie suchen musste. Ich dachte, ich sollte hier anfangen. Das hier ist der Teil ihrer Vergangenheit, den wir alle nur schemenhaft kennen. Und wenn es irgendwo einen Anhaltspunkt gibt, dann sicherlich hier. Was ist mit euch?“

„Zufall. Oder Empathie, wie du sagst. Mich hat das Gleiche bewogen, wie dich. Ich denke Darlene und Alicia geht es genauso. Egal, wo wir uns befinden. Wir fühlen irgendwie das Gleiche. Wieso sonst sollten wir den gleichen Gedanken zur Gleichen Zeit haben? Es war vielleicht nur Zufall, dass wir uns getroffen haben. Alicia und Ben im Eiscafé, Darlene und Brian auf dem Weg zum Haus, und dich hier.“ Alenka fühlte sich nicht befreit. Im Gegenteil. Etwas lastete auf ihr, genau wie auf Catharina, das fühlte sie.

„Und ich...wir fühlen es auch. Wie könnte es auch anders sein? Empathie, ist das eine logische Erklärung? Wenn ja, dann will ich nur noch eine Frage dies betreffend beantwortet haben: Was ist mit Michelle?“ Darlene und Alicia waren lautlos hinzugetreten und trotzdem hatten es die anderen Elemente gespürt. „Wenn wir das gleiche fühlen, das gleiche Denken, wieso wissen wir nicht, wo Michelle ist? Wieso fühlen wir nicht, was sie fühlt? Wieso wissen wir nicht, was sie denkt?“

„Vielleicht...“ begann Catharina, während der Wind die vier einhüllte. „Vielleicht weil sie der Sturm ist. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass sie alles fühlt, was wir fühlen. Wir können einfach nur nicht definieren, was sie denkt. Belassen wir es dabei. Wir sollten uns auf die Suche machen. Und wenn wir schon mal her sind, sollten wir den hiesigen Geistern die letzte Ehre erweisen und sie endlich zur Ruhe betten.“

„Wie meinst du das?“ fragte Alicia und ein ungutes Gefühl überkam sie.

„Ich hätte es auch allein gemacht, aber jetzt sind wir alle hier. Michelles Familie ist tot. Sie wurden alle ermordet. Wir finden sicher Unterlagen, die uns ihre Namen verraten. Ihre Namen und alles Weitere. Es wird nicht schwer sein herauszufinden, welches die Menschen und welches die Dämonen sind.“

„Hast du den Dämon auf dem Hof freigelegt?“ Darlene wollte sicher gehen. Catharina nickte.

„Wir können die Jungs wecken und frühstücken. Dann sollten wir uns an die Arbeit machen. Ich will keine Zeit verlieren“, sagte Catharina. Auf eine gewisse Art wirkte sie, wie Michelle. Nur für den Hauch einer Sekunde. Alenka drehte sich um und sah noch ein mal zurück. Es war, als wäre Michelle da gewesen, doch da war nur das Meer. Nur das Meer, das unaufhörlich rauschte und mehr Geheimnisse verbarg, als es jemals preisgeben würde...

Nach dem Frühstück begannen die sieben damit, die Leichen zu bestatten, die Knochen der Dämonen aber verbrannten sie, bis auf wenige Proben. So verbrachten sie den ganzen Tag, mit Unterbrechungen und am Abend waren sie geschafft.

„Was war hier eigentlich los?“ fragte Brian, der von alledem am Wenigsten Ahnung zu haben schien. Niemand wusste, wie man auf diese Frage antworten sollte, bis Catharina versuchte es zu erklären:

„Ich denke, das Ganze passierte hier vor zehn Jahren, jedenfalls nach den Knochen zu urteilen. Allerdings kann ich mir nicht recht erklären, weshalb die Dämonen einen Privaten Haushalt angegriffen haben. Ich weiß, dass Michelles Familie als erste sterben musste. Sie ist nur durch reines Glück entkommen. Ich vermute, dass sie durch das Tor geflohen ist. Ich denke, es schloss sich grade, um ihr Entkommen zu verhindern. Ich weiß nicht, aus welchem Grund der Dämon gestorben ist, der sie verfolgte. Ich kann es mir nicht recht erklären. Die Einzige Überlebende muss erst noch gefunden werden. Erst dann können wir das Rätsel lösen, denke ich. Aber jetzt sollten wir uns ausruhen. Ich denke Morgen wird es auch nicht unbedingt leichter.“ Zustimmendes nicken, die Sonne ging unter und der nächste Tag versprach ebenfalls hart zu werden, wenn auch auf andere Weise, wie die Vier Elemente befürchteten. Wenigstens für sie.
 

Nicht wert zu leben. Ich habe es nicht verdient!
 

Alicia war als Erste wach. Sie räkelte sich und genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Dann machte sie sich allein auf eine kleine Erkundungstour durch die Villa. Es war schließlich noch sehr früh und sie wollte die anderen nicht wecken. Leise schlich sie aus dem Zimmer, welches im Hinteren Teil des Hauses war. Vor 600 Jahren wäre dies der Bediensteten-Trakt gewesen. An den Wänden waren Bilder zu sehen. Ein Familienportrait, ganz versteckt und inzwischen sehr verbleicht. Eine altmodische Art einen Moment festzuhalten, dennoch sehr stilvoll, wie Alicia fand. Es war nicht mehr viel zu erkennen, nur ein Paar grüner Augen zog Alicia in seinen Bann. Diese Augen konnten nur Michelle gehören, auch wenn die verblasste Farbe auf dem bild wohl kaum der wahren Farbe ihrer Augen entsprach. Smaragde, reine Smaragde waren Michelles Augen. Die goldenen Strähnen hatte sie also damals schon gehabt. Alicia wischte mit dem Ärmel über das Bild, um die Gesichter der anderen Personen besser erkennen zu können. Eine hübsche Frau neben einem Mann, der Alicia bekannt vorkam. Er hatte gewisse Ähnlichkeiten mit William Stanton, aber das konnte nicht sein! Dann waren da noch vier Jungen. Niedliche Jungen, wie sie fand. Einer von ihnen hatte ebenfalls grüne Augen, wie Michelle und ihr Stiefvater. Ein komischer Zufall, wie sie fand. Aber sie konnte schließlich nicht wissen, wie die Augen in Wirklichkeit ausgesehen hatten. Grüne Augen waren zwar selten, aber so selten nun auch wieder nicht. Alicia ging weiter zur Treppe und ging vorsichtig die Stufen hinauf, immer am Geländer entlang. Jede Stufe knarrte unheilvoll und laut, wie schon am vorigen Tag, aber sie hielten. Die Villa musste einmal sehr schön gewesen sein, wie aus dem 19. Jahrhundert. Natürlich war die Villa nicht so alt, aber immerhin. Ein Zimmer in dieser Villa zog Alicia in seinen Bann. Das Zimmer, dessen Tür sich nicht hatte öffnen lassen.

„Was machst du da?“ fragte Catharina, die Alicia die Treppe hinaufschleichen sah. Alicia erschrak fürchterlich.

„Meine Güte, musst du mich so erschrecken?“ Sie drehte sich um und sah Catharina dastehen in dünnen blauen Shorts und einem hellblauen Shirt, den Kopf fragend schief gelegt. „Ich wollte wissen, was in dem verschlossenen Zimmer ist.“

„Gut, die anderen sind bestimmt auch bald wach. Bis dahin können wir ja versuchen die Tür zu öffnen“, schlug Catharina vor und lief die Treppe schnell wie der Wind hinauf. „Sie war ja nicht abgeschlossen, aber irgendwas steht wahrscheinlich von innen vor der Tür.“

Alicia nickte.

„Hey, hey, das lasst ihr schön bleiben! Es würde ohnehin nicht viel bringen die Tür aufzumachen, wenn wirklich was davor steht“, rief Darlene vom Fuß der Treppe. „Ich hätte einen anderen Vorschlag.“

„Dann lass mal hören“, sagte Brian und umarmte Darlene. Alicia schüttelte den Kopf.

„Unglaublich! Aber gut, wir kommen runter.“ Also wieder runter. Bisher hatten die Stufen gehalten, doch als Catharina nun die vierte Stufe betrat, brach diese komplett ein. Darunter war alles schwarz, nichts zu sehen, Alicia hielt sie fest. „Schätzchen, du solltest abnehmen“, sagte sie und zog Catharina mit Mühe wieder hinauf.

„Du bist bloß aus der Übung, meine Liebe“, konterte Catharina. Von jetzt an waren sie vorsichtiger. Gemeinsam setzte sich die Gruppe in die Bibliothek und besprachen das weitere vorgehen.

Sie kamen irgendwann zu dem Schluss, dass Darlenes Vorschlag durch das Fenster einzusteigen der erfolgversprechendste Weg war.
 

„Und wer soll diese Kletterpartie übernehmen?“ fragte Catharina zum Schluss der Debatte und sah zu Darlene. Diese grinste hämisch.

„Du natürlich!“ Sie sah zu Catharina.

„Ich? Wieso ich? Ist doch deine Idee! Ein Absturz heute reicht mir!“

„Wer denn sonst? Du bist die prädestiniert dafür, schließlich magst du doch so luftige Höhen. Oder irre ich mich etwa?“ Darlene begann zu lachen und alle stimmten mit ein, bis auf Catharina, die sich resigniert in den Sessel zurückfallen ließ.

„Das ist doch alles nicht wahr“, sagte sie zu sich selbst. Kurz darauf standen sie auf. Darlene und Catharina gingen wieder ins obere Stockwerk. Darlene half Catharina aus dem Fenster zu klettern. Sie zog ihr Schwert und zerschlug damit die Scheibe. Grade, als sie hineinklettern wollte, sah sie zwei leuchtende, böse Augen, die mit rapider Geschwindigkeit auf sie zu zukommen schienen. „Scheiße!“ reflexartig ließ Catharina sich zurückfallen und stürzte hinunter. Noch während des Falls griff sie nach den Ranken, die das ganze Haus umwucherten. Ihr Sturz verlangsamte sich nur geringfügig und der Aufprall war hart. Alles wurde schwarz vor ihren Augen und das letzte, was sie sah, war das Gesicht eins jungen Mannes, das langsam verschwamm.

„Mein Gott, Cat!“ rief Darlene entsetzt und sah zu der Freundin runter. Vom Fuß der Treppe rief Alenka:

„Was ist passiert?“

„Cat ist gefallen!“ Alenka überlegte nicht lange und rannte raus, gefolgt von Dimitri und Brian. Doch als sie auf dem Hof angekommen waren, war Catharina verschwunden. Darlene erschien wieder am Fenster und sah zu den anderen.

„Wo ist sie?“ fragte Darlene entsetzt.

„Sie ist weg, wie kann das sein?“ fragte Dimitri irritiert.

„Elements, ausschwärmen! Irgendwo muss sie doch sein!“ befahl Alenka und ihre Stimme hallte über das Grundstück, fast bis in den bisher unerkundeten Keller. Keine Treppe schien in das dunkle Gewölbe zu führen und die Gäste in diesem Haus wussten nicht, dass es existiert.
 

Catharina öffnete ihre Augen, doch es war immer noch dunkel. Es dauerte eine Weile, bis sie einen Lichtschimmer entdeckte. Sie versuchte sich aufzurichten, doch sofort spürte sie einen scharfen Gegenstand an ihrem Hals spürte. Sie tastete nach diesem Gegenstand, doch ihr linker Arm schmerzte. Dennoch tastete sie weiter und spürte eine menschliche Hand.

„Wer bist du?“ fragte sie in die Dunkelheit hinein. Sie lehnte sich ein wenig gegen die Klinge und das Blut rann ihren Hals herab. Der Druck der Klinge ließ nach. Catharina konnte zwar nichts sehen, aber sie fühlte, dass das Gewölbe, in dem sie sich befand, sehr groß war, kein Grund zur Platzangst. Und obwohl ihr ein Messer an die Kehle gehalten wurde, hatte sie keine Große Angst. Sie erhielt keine Antwort, sie fühlte nur, dass ihr der oder die Unbekannte half sich aufzurichten. Noch ein mal fragte sie: „Wer bist du?“ Schweigen. Nichts geschah. Langsam gewöhnte sich Catharina an die Dunkelheit und konnte schemenhafte Umrisse erkennen. Jemand streifte ihr Gesicht mit der Hand, sanft, wie ein Windhauch. Sie spürte einen Körper hinter sich, an den sie sich anlehnen konnte. Ihr kam eine uralte Oper in den Sinn: ’Das Phantom der Oper’. Nur dass Catharina keine Opernsängerin war und trotzdem erinnerte sie die Situation ein wenig daran. „Ich bin Catharina und komme aus Deutschland.“ Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie die ganze Zeit auf deutsch gesprochen hatte. „Je suis Catherine Je suis d’ allemange.“ Französisch. Was blieb ihr? Sie wusste nicht, mit wem sie es zu tun hatte. Doch noch immer erhielt sie keine Antwort. „Kann man hier kein Licht machen? Ich verspreche auch nicht wegzulaufen“, sagte sie freundlich und es entsprach völlig der Wahrheit. Sie konnten noch nicht allzu weit vom Haus entfernt sein, wenn sie nicht sogar irgendwo im Haus waren. Und bist jetzt hatte kein Element Schwierigkeiten damit gehabt, sich gegen jemanden zu wehren. Wenige Augenblicke später wurde eine Kerze entzündet, die ein wenig Licht brachte und Catharina erkennen ließ, dass vor ihr ein junger Mann saß. Das Licht der Kerze warf verschiedenste Schatten auf das starre, leblos wirkende Gesicht. Seine Augen waren kalt und wirkten sehr einsam. Sie erinnerte sich an das Gesicht, das sie gesehen hatte, kurz bevor sie das Bewusstsein verloren hatte. In der Hand hielt er ein Messer und sah Catharina an. Sein Blick war geistesabwesend und kalt. Aber das störte Catharina nicht. Sie war erleichtert, dass sie es mit einem normalen Menschen zu tun hatte, mehr oder weniger jedenfalls. Dann fiel ihr die Narbe auf, die an seinem linken Ohr begann und irgendwann unter dem Shirt verschwand, das er trug. Er war völlig in schwarz gekleidet und ironischer Weise musste Catharina in diesem Augenblick an Michael denken. Sie vermutete, dass er tot sei.

„Was suchen Sie hier?“ fragte der Mann. Es klang so, als hätte er zum ersten Mal gesprochen. Seine Stimme war ebenso kalt und abweisend wie sein Blick und es schien ihm irgendwie Mühe zu bereiten. Dennoch antwortete Catharina freundlich:

„Dieses Grundstück und das Haus gehören einer Freundin von mir. Sie ist verschwunden und wir wollen hier Anhaltspunkte zu finden.“

„Lüge!“

Catharina verstand nicht recht, was er meinte, schließlich sagte sie die reine Wahrheit, warum auch immer... „Ich lüge nicht. Meine Freunde und ich sind auf der Suche nach der Besitzerin dieses...“

„Lüge!“ unterbrach er Catharina barsch und umklammerte fest das Messer in seiner Hand. „Alles gelogen! Alle sind tot!“

„Nein“, widersprach Catharina ruhig. Michelle de Pointhieu hat überlebt und befindet sich gewissermaßen auf der Flucht. Aber wir wollen sie finden. Darf man fragen, wer Sie sind?“

„Sie lebt?“

„Jedenfalls tat sie es noch, als ich sie zuletzt sah. Das ist zwar schon fast ein Jahr her, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie noch lebt. Wer sind sie?“

„Michelle lebt.“ Er schien Catharina völlig zu ignorieren, in Gedanken versunken. Plötzlich ließ er das Messer fallen und griff fest nach Catharinas Armen und schüttelte sie. Sie schrie vor Schmerz, da ihre Schulter ausgekugelt war. „Wo ist sie?“

Als Catharina sich von Schmerz und Schrecken erholt hatte, befreite sie sich schnell aus der Umklammerung. Sekunden später hielt sie ihr Schwert an die Kehle des wahnsinnig scheinenden Mannes und atmete tief die feucht kalte Luft ein. „Ich frage nur noch ein Mal: Wer sind Sie?“ nach kurzem Überlegen fügte sie hinzu: „und was haben Sie hier zu suchen?“ Die Kerze flackerte in einem Windhauch. Seine Augen waren nicht mehr kalt. Catharina glaubte Verzweiflung in ihnen zu sehen. Unglaubliche Verzweiflung.

„Jerome“, antwortete er zögernd.
 

„Wo kann sie nur sein? Es ist unmöglich, dass sie verschwunden ist! Ganz und gar unmöglich“, sagte Darlene, „wie vom Erdboden verschluckt.

„Wenn das so ist, müsstest du sie doch finden, oder etwa nicht?“ fragte Alicia.

„Ich war sozusagen vom Erdboden verschluckt, aber in anderer Weise als ihr glaubt“, ertönte Catharinas Stimme. Verwundert und erleichtert sahen sich alle um und sahen Catharina, die in Begleitung Jeromes aus sie zu kam.

„Cat, du bist verletzt!“ sagte Alenka aufgeregt und deutete auf die Schnittwunde am Hals. Diese tastete danach und schüttelte dann den Kopf.

„Nicht weiter schlimm.“

„Und wen hast du uns da mitgebracht?“ fragte Alicia verwundert und musterte den Jungen Mann. Er kam ihr irgendwie bekannt vor und überlegte angestrengt, woher sie ich kennen könnte.

„Das ist Jerome de Pointhieu“, antwortete Catharina. In ihrer Stimme schwang noch immer Überraschung, als könne sie es nicht glauben.

Schweigen. Fassungslosigkeit unter den Mädchen. Brian, Benjamin und Dimitri verstanden nicht, weshalb die Mädchen so geschockt wirkten. Alicia wurde bleich.

„Das Portrait. Jetzt weiß ich, woher ich dich kenne.“ Sagte sie, konnte es aber nicht glauben. Nicht wirklich realisieren. All die Jahre hatte ein Verwandter von Michelle überlebt und sie wussten nichts von einander.

„Ja. Das ist Jerome, Michelles Bruder“, bestätigte Catharina.

„Aber wie? Ich meine, Jerome, Michelle hat gesagt, alle seien tot! Wir haben ihr geglaubt. Wie kann es sein, dass sie all die Jahre nichts von dir wusste? Zehn Jahre lang...“ brach es aus Alicia hervor, die Michelle am Längsten kannte.

Leise, ganz leise und angestrengt erzählte Jerome, was vor zehn Jahren geschehen war:

„Es war ein ganz normaler Abend. Ich hörte, wie mein Onkel und mein Vater sich stritten, aber ich konnte nicht verstehen, worüber. Dann ging alles ziemlich schnell. Ich bin zu meinen Geschwistern gelaufen und habe ihnen erzählt, dass Will und mein Vater sich stritten und dann wurde es laut ringsum. Möbel wurden zerschlagen. Wir waren alle in Michelles Zimmer. Phillipe befahl uns den Schrank vor die Tür zu schieben. Ich glaube er war der Einzige, der wirklich verstanden hat, was da passierte. Die Schreie der Angestellten und unserer Eltern. Ich weiß noch, dass ich Michelle im Arm hielt, sie war schließlich meine kleine Schwester. Aber sie war irgendwie komisch. Sie hat nicht geweint, nur auf die Geräusche geachtet. Es war schon sehr spät, als der Lärm aufhörte. Wir wollten die Polizei rufen, wir wussten ja nicht, was geschehen war. Also schoben wir den Schrank wieder zur Seite und gingen raus. Phillipe und Ich, weil wir die Ältesten waren. Vor der wartete unser Onkel und Dämonen. Wir haben sie Dämonen genannt. Will griff nach Phillipe und ich rannte weg. Ich schrie noch, dass die anderen schnell die Tür schließen sollten. Ich sah, wie mein eigener Onkel meinen Bruder erstach und auch mich erstechen wollte. Ich sah, wie Michelle sich auf ihn warf und wie er sie verletzte. Er brachte mir diese Wunde bei und ließ mich blutend liegen. Er nahm Michelle, als sei sie ein Tier. Er zog sie an den haaren die Treppe herunter. Ich hörte sie wimmern, aber ich konnte nichts tun. Dann wurde alles schwarz. Meine Familie war tot. Ich weiß nicht, wer meine Wunden versorgt hat, aber ich bin Tage später in einem Krankenhaus aufgewacht. Man hat mir gesagt, dass meine Familie tot sei und ich in ein Waisenhaus müsse. Sofort, als ich volljährig war, bin ich abgehauen und zurückgekommen. Seit dem bin ich hier. Ich versuche noch immer das Ganze zu verstehen. Ich wollte ihn umbringen, aber ich konnte ihn nicht finden.“ Jeromes Gesicht war versteinert. Er sah niemanden an, als er sprach.

„Will. Ist das William Stanton?“ fragte Darlene zögernd und Jerome nickte.

„Michelle hat... Hat ihn umgebracht“, sagte Alenka leise. Alles hatte sich geändert. „Es gibt keine Dämonen mehr.“

„Wo ist Michelle?“ fragte Jerome. Catharina griff nach seiner Hand

„Wir wissen es nicht. Darum sind wir ja hier. Wir wollen Anhaltspunkte finden. Irgendwo muss sie doch sein. Hat sie als Kind von irgendwelche Reisezielen gesprochen?“

Jerome setzte sich und schüttelte den Kopf. „Michelle wollte die Welt sehen.“

„Wir müssen in ihr Zimmer“, sagte Alicia fest entschlossen und ging ins Haus, dicht gefolgt von Benjamin. „Ben, wir müssen sie finden, jetzt umso mehr. Sie war immer diejenige, die niemanden hatte eine Einzelgängerin. Jetzt hat sie wieder eine Familie. Das muss sie erfahren. Und ich will wissen, was sie uns och verschwiegen hat. Irgendwas war da, da bin ich mir sicher.“ Sie ging vorsichtig die Treppe rauf und stand nun vor der Tür zu Michelles Zimmer. Sie trat dagegen, warf sich dagegen und schaffte es mit Benjamins Hilfe den Schrank ein Stück zur Seite zu schieben. Sie zwängten sich in den Raum. Alles war ziemlich vermodert, was nach zehn Jahren nicht anders zu erwarten war. Alicia ging zu einem 3D-Globus an dem viele bunte Nadeln angebracht waren. Alicia konnte sich keinen Reim darauf machen. Sie sah sich die Orte mit roten Markierungen an. Isla Rubina, alles was mit rot zu tun hatte. Die Blauen Markierungen bezeichneten Orte und Inseln, die mit Blau in Verbindung standen. Fasziniert betrachtete sie die vielen farbigen Markierungen, bis ihr eine kleine ungemütliche Insel in Süd-Chile auffiel.

„Hast du was gefunden?“ fragte Darlene. Sie war hinzu gekommen.

„Vielleicht. Ich muss noch mal mit Jerome sprechen. Vielleicht habe ich wirklich was.“ Gesagt getan. Sie ging zu Jerome und fragte ihn, ob Michelle jemals gesagt wurde, dass ihre Augen wie Smaragde aussehen.

„Ja, aber wie soll das helfen sie zu finden?“ fragte er zurück, doch Alicia stürmte euphorisch und ohne Antwort davon.

„Cammy, was ist los?“ fragte Darlene verwundert, als Alicia sich wieder dem Globus widmete. Sie zählte die grünen Punkte, es waren nur wenige.

„Das muss es sein!“ rief Alicia aufgeregt. „Ganz sicher! Ich kann mir gut vorstellen, dass sie da ist!“

„Wo ist?“ fragte Benjamin, doch Alicia schien niemanden zu hören.

„Smaragde. Das wäre eine Erklärung. Ich muss meinen CPC holen und einiges überprüfen!“

„Cammy, immer mit der Ruhe, was hast du gefunden?“ fragte Darlene, die noch skeptisch war und nichts von dem verstand, was Alicia in einem Mix aus allen ihr bekannten sprachen von sich gab.
 

„Ich glaube ich habe eine Idee, wo Michelle sein könnte“, sagte Alicia aufgeregt, als sie sich endlich bei den anderen blicken ließ, die bereits zu Abend aßen.

Alle wurden hellhörig und Jerome konnte seinen Ohren nicht trauen. „Wo?“ fragte er fassungslos.

„Es war ganz leicht. So gesehen.“

„Spann uns nicht auf die Folter!“ befahl Alenka. Darauf folgte ein schockiertes Schweigen. Bisher hatte niemand erlebt, dass Alenka so aufbrausend sein konnte.

„Isla Esmeralda. Die Smaragdinsel, ein Teil von Chile.”

„Und wie kommst du darauf?“ fragte Brian, dessen Interesse inzwischen geweckt worden war.

Alicia atmete tief durch und überlegte sich ihre Worte gut. „Jerome, weißt du etwas von Michelles Globus?“ er nickte. „Ich vermute, sie hat als kleines Kind versucht Orte, Länder und Inseln herauszufinden, die etwas mit Farben zu tun hatten. Allerdings nicht nach heutiger Auffassung sondern von Damals. Sie hat Punkte markiert mit denen ich zunächst relativ wenig anfangen konnte. Ich habe alle grünen Punkte durch meinen Rechner laufen lassen und das ergab einige mögliche Treffer. Grün, weil ihre Augen grün sind. Es war nur ein erster Anhaltspunkt, ich hätte ja noch weiter gesucht. Aber dann stieß ich auf eine Insel im Pazifik, die meine Aufmerksamkeit erregte. Isla Esmeralda. Die Smaragdinsel. Ich kann nicht sagen, dass sie sich 100-prozentig dort aufhält, aber es wäre doch immerhin ein Grund zu suchen. Oder nicht?“ Große, haselnussbraune Augen, die vor Aufregung funkelten, sahen nacheinander in die erstaunten Augenpaare der anderen.

„Ich wüsste nicht, was dagegen spricht“, sagte Catharina. „Warum also nicht? Wir haben nichts zu verlieren.“

„Außerdem möchte ich euch an den Abschiedbrief erinnern. Sie wollte nicht so weiterleben wie bisher. Sie sagte, sie sei an jenem Tag gestorben. Welcher Ort wäre besser geeignet sich seiner Verzweiflung hinzugeben, als eine menschenleere, unwirtliche Insel, auf der niemand sonst gern leben würde?“ Alicia dachte nur ungern an all das zurück.

„Was ist mit ihr geschehen?“ fragte Jerome. „Warum ist sie so verzweifelt? Ich verstehe das einfach nicht. Sie war immer fröhlich.“

„Wenn wir sie finden, wirst du einen völlig anderen Menschen vorfinden. Seit ich sie kenne, ist sie still, schweigsam, immer schwarz gekleidet, unnahbar. Das hat sich erst geändert, als sie Darien und die Zwillinge kennen lernte“, sagte Alicia etwas niedergeschlagen.

„Darien. Sollten wir ihn und Stacey nicht informieren? Sie wollen es sicher erfahren, denkt ihr nicht?“ fragte Darlene mit einem Seitenblick auf Benjamin.

„Ja, ich denke es wird se interessieren“, war dessen Antwort.
 

„Montgomery“, meldete sich Darien verschlafen.

„Entschuldige bitte, ich hab die Zeitverschiebung völlig vergessen“, sagte Catharina ein wenig belustigt. „Es geht um Michelle. Wir glauben zu wissen, wo sie ist.“

„Na und?“ fragte er kalt. „Sie ist längst tot!“

„Nein!“ widersprach Catharina heftig und fing sofort an zu dementieren: „Sie lebt, das weiß ich, wir alle! Und wenn du sie nicht suchen willst, ist mir das egal. Wir wollten dich nur informieren. Sag es Stacey, vielleicht interessiert es sie ja. Wir werden Michelle suchen und finden. Und du darfst dich nicht wundern, wenn sie vor deiner Tür stehen wird!“

„Warum kapiert ihr das nicht endlich? Michelle ist tot und wird nicht mehr lebendig, egal was ihr noch für Hoffnungen hegt. So sehr ich es mir auch wünschen würde, sie wird niemals vor meiner Tür stehen. Sie wird niemals mehr mit den Zwillingen sprechen. Vergiss nicht, dass sie uns alle im Stich gelassen hat und in ihrem Abschiedbrief hat sie eindeutig gesagt, dass sie sich umbringen will!“ Einen Augenblick später hörte Darien nur noch ein Piepen in der Leitung und legte resigniert den Hörer auf. Stacey stand hinter ihm und beobachtete ihn.

„Es geht um Michelle, nicht wahr?“ fragte sie, denn sie hatte nur das Ende des Gesprächs gehört. Darien nickte.

„Michelle ist tot.“

„Und wenn nicht?“ fragte Stacey weiter und umarmte ihn. „Wenn sie wirklich noch lebt und irgendwann zurückkommt. Wie wirst du reagieren?“

„Wie sollte ich schon reagieren? Ich habe dich. Selbst wenn sie wieder auftauchen würde, es würde sich nichts ändern.“

„Ich hatte Michelle gern. Sie war fast wie eine große Schwester für mich. Ich kann gar nicht glauben, dass sie tot ist. Ich fände es schön, wenn sie noch leben würde.“

„Ich würde mich auch freuen, aber nach so langer Zeit ist die Wahrscheinlichkeit gleich null. Ich will nicht mehr über sie reden. Sie ist gestorben, an dem Tag, an dem sie uns verlassen hat. Ich versuche seit einem Jahr das zu akzeptieren und dann ruft Catharina an, um mich davon zu überzeugen, dass sie noch lebt.“

„Komm, wir gehen zurück ins Bett. Morgen wird sicher ein langer Tag. Hat Catharina gesagt, wo sie Michelle vermuten?“

Darien schüttelte den Kopf. Dann gingen beide wieder ins Bett



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Anoriel
2006-08-15T23:48:28+00:00 16.08.2006 01:48
weiter weiter weiteeeeeeeeeer!!!
*ari-fähnchen schwenk und ansporn*
du schreibst klasse und das weisst du!
irgendwann wirst du vl. mal autorin oder so :D
ich bin schon voll gespannt auf den nächsten teil!
das is sowas von klasse dass ich dich kenne :DDD
*knuddelknuffelz*

deine Kaze
Von:  josie
2006-04-27T16:33:43+00:00 27.04.2006 18:33
wow das war super! wie sie alle zusammen gefunden haben, nach so ner langen zeit! und schön das sie sich nach michelle umsehen und sie suchen! man ich hätte nicht gedacht das einer ihrer brüder plötzlich auftaucht! hach...
bin total gespann wie es weitergeht!

lg

josie


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