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Die Rumtreiber und der Fluch des Siegelrings

Slow Burn Remus/Sirius | abgeschlossen
von

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Macht kommt von machen - Juni 1976 (5/9)

Er kam sich vor wie in einer Zeitschleife. All das hier hatte Remus schon einmal erlebt: Lily Evans nachrennen, nachdem seine Freunde auf Severus Snape losgegangen waren.

Am Ufer des Sees blieb Lily schließlich stehen. Sie starrte auf das Wasser hinaus, dann trat sie einen Kiesel hinein. Er flog unnatürlich weit – hundert, hundertfünfzig Fuß.

Sie hatten zwar etwas Entfernung zwischen sich und die anderen Schüler gebracht, aber anhand der Stimmen hinter sich konnte Remus abschätzen, dass sie sie nicht zur Gänze abgehängt hatten.

Lily drehte sich um, blickte ihn an und durchleuchtete ihn mit ihren grünen Augen. Dann kam sie ihm zuvor: „Remus, halt einfach den Mund. Es gibt nichts mehr zu sagen.“

„Ich– ich–“

Sie funkelte ihn an, dann, zu seinem Entsetzen, blinzelte sie Tränen weg.

„Vergiss es einfach. Ich dachte wirklich, du hättest es verstanden. Aber es sieht nicht danach aus.“

Remus rang die Hände, die rechte mit der Narbe auf dem Handrücken zitterte besonders.

„Lily…“

Sie schüttelte entschieden den Kopf.

„Snape… Er… er ist gefährlich.“

„Ich kann gut selbst auf mich aufpassen, vielen Dank auch.“

„Das meine ich nicht, ich meine…“ Ja, was eigentlich? Er war noch nie richtig gut darin gewesen, Ausreden zu erfinden. Normalerweise bemühte er sich darum, gar nicht erst in Situationen zu kommen, in denen er sie brauchte.

Völlig unvermittelt sagte Lily: „Ich hab‘ dich vorhin gehört. Nach der Prüfung. Was du gesagt hast über Werwolf-Merkmale.“

Remus spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.

„Ich hatte es mir sowieso schon längst zusammengereimt. Und keine Angst, ich sag es niemandem. Aber ich dachte wirklich, du wüsstest, wie es ist, wenn man ohne Grund verachtet wird. Ich dachte wirklich, du wärst anders.“

Lilys Freundin Mary erreichte sie und schaute unbehaglich zwischen Remus und Lily hin und her.

„Lass uns gehen“, sagte Lily mit einem letzten Blick auf Remus. „Ich muss noch eine Eule schicken.“

Mary legte Lily einen Arm um die Hüfte und mit zusammengelehnten Köpfen machten die beiden Mädchen sich in Richtung Schloss davon.

„Ich will nur– ich meine nur, es gibt einen Grund!“, rief Remus ihnen nach, aber Lily ließ sich nicht anmerken, ob sie ihn gehört hatte. „Wegen Snape, es gibt einen Grund!“
 

„Wo warst du die ganze Zeit?“, fragte Sirius aufgebracht. „Ich dachte schon fast, du kommst nicht mehr!“

„Wir haben Prüfung. Natürlich komme ich“, sagte Remus kurz angebunden, ohne sich umzudrehen. Professor McGonagall teilte mit dem Zauberstab die Prüfungsfragen aus. Er saß am Pult vor Sirius, was den Vorteil hatte, ihn nicht ansehen zu müssen. Es war, als habe ein Windstoß durch Remus‘ Hirn gefegt. So zittrig und aufgewühlt er vor einer Stunde noch gewesen war, jetzt fühlte er sich stumpf und leer. Er wollte Sirius nicht sehen, er wollte ihn nicht hören, er wollte nur diese Prüfung hinter sich bringen. Er wollte weg von allem und wollte gleichzeitig nachhause.

Lily saß in der ersten Reihe und hatte ihren Kopf tief über das Pergament mit den Aufgaben gebeugt. Snape, vollständig angezogen, saß in der letzten Reihe und anstatt auf seine Prüfungsunterlagen zu schauen, war sein Blick an Lilys Hinterkopf geheftet. Remus hatte es sofort gesehen, als er die Große Halle betreten hatte.

„Ruhe jetzt“, sagte Professor McGonagall mit gebieterischem Tonfall, „Sie haben drei Stunden Zeit.“

Sie drehte ein großes Stundenglas auf dem Lehrertisch um und musterte die Schüler streng durch ihre quadratischen Brillengläser.

Remus richtete seinen Blick auf das Pergament.

1.a) Nennen Sie die Zauberformel für einen klassischen Verschwindezauber. 1.b) Erklären Sie, was es bedeutet, einen Gegenstand verschwinden zu lassen. Beziehen Sie sich dabei auf den Unterschied zwischen Sein und Nicht-Sein.

Wie erwartet hatte Remus kein Problem, die Frage zu verstehen, und kritzelte sofort drauf los. Es dauerte keine drei Zeilen, bis seine Hand um den Federkiel verkrampfte, doch er schenkte dem durchdringenden Schmerz keine Beachtung. Er hatte ihn verdient.

Die Zeit verging wie im Fluge. Als Remus bei der letzten Aufgabe angelangt war, blieben nur noch zwanzig Minuten. Immer wieder hatte er seine Hand ausschütteln müssen und mit jedem Buchstaben, den er schrieb, war seine Schrift unleserlicher geworden. Doch er war fertig geworden und hatte nun sogar Zeit, seine Antworten noch einmal zu überprüfen. Er ging alles von oben durch, fügte bei Frage 21 noch drei Sätze hinzu, strich bei 33 zwei Anmerkungen weg, von denen er feststellte, dass sie sich ohnehin nur wiederholten, dann nickte er bestimmt und legte das Pergament umgedreht auf den Tisch.

Zum ersten Mal realisierte Remus, dass der Raum erfüllt war vom Kratzen der Federn auf Pergament, vom Seufzen der Schüler und vom nervösen Schaben von Stuhlbeinen auf dem Hallenboden.

Remus fasste Lily Evans in den Blick. Sie saß noch genauso wie vor der Prüfung an ihrem Pult, den Kopf über das Pergament geneigt, tief in der Prüfung versunken. Remus spitzte die Ohren. Hinter ihm kratzte keine Feder mehr; offenbar war Sirius bereits fertig. Das überraschte ihn nicht, denn Sirius schrieb nie auch nur ein Wort zu viel. Wenn Sirius fand, dass seine Erklärung ausreichend war („Für jeden mit Grips jedenfalls.“), weigerte er sich, sich noch weitere Mühe zu machen. Und weil er meist richtig lag, war er damit bisher durchgekommen.

Remus widerstand dem Wunsch, sich umzudrehen. Irgendwie wollte er Sirius‘ Gesicht sehen, aber gleichzeitig war er auch zu wütend. Zu wütend auf sie, und auf sich. Also räumte er, statt sich umzuwenden, seine Schreibutensilien ein und massierte seine schmerzende Hand.

„Die Zeit ist vorbei. Bitte bleiben Sie sitzen, während ich Ihre Arbeiten einsammle.“ Professor McGonagall machte einen Schlenker mit ihrem Zauberstab und die Pergamente aller Schüler rollten sich zusammen und flogen mit leisem Rauschen auf sie zu. Sie stapelten sich feinsäuberlich auf dem Lehrertisch. „Sie können gehen.“

Remus schnappte sich seine Tasche und, ohne die anderen drei anzusehen, stürmte er aus der Halle. Er nahm die Abkürzung durch den Wandbehang, hastete die Treppen hinauf und ging im Gryffindor-Turm direkt in den Schlafsaal. Dann zog er sich um und schloss um sich die samtigen roten Vorhänge seines Himmelbetts. Er wollte niemanden sehen. Er wollte niemanden hören. Er wollte einfach nur, dass das Bild von Snapes nackten Beinen in Unterhose aus seinem Kopf verschwand, und Lilys Verachtung für ihn sich in Wohlgefallen auflöste. Er schämte sich in Grund und Boden, und gleichzeitig piepste die ganze Zeit eine Stimme in seinem Kopf: Aber er hat es schon auch verdient.

Es blieben noch sieben Tage, bis der Hogwarts-Express sie zurück in die Ferien bringen würden. Es blieb noch ein Vollmond (in fünf Tagen), bis er wieder bei seinen Eltern an dem winzigen Küchentisch sitzen, pappiges Brot essen und kalkiges Leitungswasser trinken würde. Nach dem Abendessen würde sich dann wieder die Wohnküche in sein behelfsmäßiges Schlafzimmer verwandeln, denn ihr improvisiertes kleines Haus hatte nur zwei Zimmer: die Wohnküche und das klitzekleine Schlafzimmer seiner Eltern. Und das alles seinetwegen.

Remus musste an die Nacht denken, in der er gebissen worden war. Er erinnerte sich kaum daran, sodass seine Gedanken wie immer augenblicklich zu dem Werwolf huschten, der damals durch sein Kinderzimmerfenster geklettert war wie ein tödlicher Schatten. Damals war es noch ein richtiges Zuhause gewesen, mit richtigen Fenstern im ersten Stock, und mit einem Kinderzimmer nur für ihn. Der Werwolf musste unvorstellbare Schmerzen gelitten haben, musste außer sich vor Hunger gewesen sein, hatte der Einladung des offenstehenden Fensters einfach nicht widerstehen können.

Remus rollte sich auf den Bauch und drückte sein Gesicht ins Kissen. Er wollte nicht nach Hause, wo auch ihn dieses Schicksal wieder zwei Monde lang erwartete. Er spürte, wie ihm die Tränen kamen, doch er blinzelte sie wütend weg.

Die Schlafsaaltür ging auf. „Moony?“, fragte Sirius. Drei Schritte über den Holzboden, ein leises Rascheln von Stoff. Noch ein paar Schritte. Dann das Gefühl von Gewicht auf Remus‘ Matratze.

„Moony, alles okay?“

Remus antwortete nicht. Er traute seiner Stimme nicht.

Sirius legte ihm eine Hand auf die Schulter und strich vorsichtig darüber.

„Ist es wegen Krone?“, fragte er. „Wegen Schn- Snape?“

Remus zuckte die Schultern. Er wollte nicht zugeben, dass er sich neben all der Wut und der Angst, dass Lily ihn hasste, nun auch noch selbst bemitleidete.

„Ist es okay, wenn ich hier sitzen bleibe?“

Remus nickte in sein Kissen. Er fühlte sich auf einen Schlag so einsam, dass Sirius‘ Nähe wie Balsam war. Sirius kletterte weiter aufs Bett und schloss die Vorhänge sorgfältig wieder. Dann legte er einen Arm um Remus und drückte sich an ihn. Remus seufzte zur Bestätigung und es tat gut, dass Sirius keine Erklärung von ihm erwartete.

Irgendwann hielt Remus es nicht mehr aus mit dem Gesicht im Kissen und drehte den Kopf zur Seite. Er schaute direkt in Sirius‘ Gesicht, dessen grauen Augen ihn aufmerksam musterten.

„Lily weiß es“, flüsterte Remus.

Offenbar konnte Sirius eins und eins zusammenzählen. Genauso leise antwortete er: „Woher? Von Snape?“

„Ich weiß es nicht. Sie sagt, sie konnte es sich schon länger denken. Und dann hat sie uns gehört nach der Verteidigungsprüfung.“

Sirius sagte nichts, aber er stieß die Luft aus. „Wir waren zuletzt auch nicht sonderlich vorsichtig, oder?“

Remus begann, Sirius‘ Wangenknochen zu mustern, um seinen Augen auszuweichen. „Ich schätze, nicht.“

Sirius rutschte ein Stück vor und lehnte seine Stirn an Remus‘. „Wie hat sie reagiert?“

„Sie hat mich verteidigt. Also, alle Werwölfe. Und versprochen, dass sie’s niemandem sagt. Aber… ich will sie nicht weiter provozieren.“

„Nicht dass sie ihre Meinung ändert, meinst du.“

„Mhm.“

Sirius nickte und so strichen ihre Stirnen aneinander.

„Und“, sagte Remus und hickste ein wenig dabei, „sie meinte nur, ich müsste doch eigentlich w-wissen, wie es ist, ungerechterweise verfolgt zu werden.“ Seine Lippe zitterte. „Und sie hat Recht! Wir sollten eigentlich nicht so auf Snape rumhacken. Nur, weil dir langweilig ist! Dass er darüber hinaus auch noch ein widerlicher Typ ist… Da hilft auch kein Levicorpus. Da müsste man was ganz Anderes tun.“

Sirius schwieg. Offenbar hatte er auch keine Lösung für dieses Dilemma.

„Das Schuljahr ist ja fast vorbei. Wir können ihnen einfach aus dem Weg gehen.“

„James Lily aus dem Weg gehen? Als ob.“ Remus‘ Augenbrauen zuckten.

„Naja… weiß nicht. Hat ihn ganz schön getroffen, was sie zu ihm gesagt hat. Dass er genauso schlimm ist wie Snape.“

„Okay…“ Darüber hatte Remus nicht nachgedacht. „Weißt du, dieser Zauber, den ich Snape hab üben sehen. Er hat ihn wirklich auf Krone angewendet. Deswegen hat Krones Gesicht so schrecklich geblutet.“

„Ja, hat ihn nur schlecht getroffen, denke ich.“ Sirius Stimme war hart. „Er hätte ihn umbringen können.“

„Ja… Habt ihr ihn heilen können?“

„Madam Pomfrey hat zumindest fürs Erste die Blutung gestillt. Sie meinte, sowas habe sie noch nie gesehen. Sie wollte natürlich wissen, was es war, aber Krone hat Snape nicht verraten.“ Sirius rollte die Augen, aber Remus war sich sicher, dass Sirius an James’ Stelle nicht weniger stolz reagiert hätte. „Wir müssen jetzt gucken, ob es heilt.“

„Sonst sieht er hinterher aus wie ich.“

„Nein“, sagte Sirius und verzog lässig das Gesicht. „Nicht so gut.“

Remus schnaubte, aber gab Sirius einen Kuss auf die Wange. Sirius grinste. Eine Pause entstand, in der sie nur die Nähe genossen.

„Schreibst du mir über den Sommer?“, fragte Remus irgendwann. „Ich will nicht zwei Monate alleine sein.“

„Natürlich“, antwortete Sirius sofort, mit einem Tonfall, als fiele er aus allen Wolken. „Was denkst du denn?“

„Ich… wollte nur sicher gehen“, murmelte er. Erst jetzt gestand Remus sich ein, dass in all dem Gefühlsdurcheinander gerade auch noch hochgekommen war, dass Sirius zu James gesagt hatte, es sei doch nichts Ernstes.

„Mach dir doch nicht solche bescheuerten Gedanken“, sagte Sirius sanft, küsste Remus auf die Stirn und zog den Arm um ihn etwas enger. „Ich gehe nirgendwohin.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Centranthusalba
2023-11-12T13:46:56+00:00 12.11.2023 14:46
Ayayay…. Das ist ja wirklich ein Gefühlchaos. 😱
Das hast du schön zusammengestrickt. Und auch schön, dass Remus auch mal sauer auf Sirius ist.


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