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I wanna be your Valentine

von

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Kapitel 2
 

Kritisch beäugte ich das kleine, rote Päckchen auf meinem Schreibtisch. Eine dicke, ebenso rote Schleife thronte obendrauf, nur einige Nuancen dunkler.

Was sollte das?

Ich saß sicher bereits seit fünf Minuten in meinem Büro und wusste nicht recht, was ich mit diesem ungewohnten Anblick anfangen sollte. Es sah verdächtig nach einem Geschenk aus. War das ein Versehen? Hatte sich jemand in der Tür geirrt? Es standen weder Absender noch Empfänger darauf, deshalb hätte es für jeden sein können. Allerdings war das hier mein Büro.

Stirnrunzelnd lehnte ich mich im Stuhl zurück.

Heute Morgen war es noch nicht da gewesen, da war ich mir sicher. So etwas fiel schließlich in diesem eher zweckmäßig eingerichteten Raum auf. Das hieß ja dann wohl, irgendjemand musste, während wir im Nachbarraum probten, hereingekommen sein, um es gut sichtbar auf dem Tisch abzuparken. Mir missfiel dieser Gedanke. Selbst die Reinigungskräfte fragten mich nach Erlaubnis, ob sie meinen Arbeitsbereich betreten durften. An sich war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass niemand ohne mein Einverständnis oder meine Anwesenheit hier hinein durfte.
 

Nun änderte mein Missfallen leider nichts an dem ungewollten Präsent. Wer sollte mir denn etwas schenken? Und warum? Mein Geburtstag war erst in einigen Tagen, wobei ich schon seit Jahren keine Geschenke mehr bekommen hatte. Maximal von meiner Familie.

Unbewusst fing ich an, mit meinem Fuß zu wippen, während ich vor mich hin grübelte.

Fangeschenke wurden direkt im Proberaum abgestellt oder dem Betreffenden persönlich in die Hand gedrückt. Von der Crew traute ich keinem solche Überraschungen zu, ebenso wenig den Angestellten im Gebäude, dafür kannten wir uns zu flüchtig.

Blieb noch die Band. Während der Pausen konnte schließlich jeder den Proberaum verlassen. Es war ein seltsamer Gedanke, dass mir einer von ihnen etwas schenken könnte, noch dazu etwas, das so auffällig verpackt war. Außerdem standen wir uns inzwischen nicht mehr nah genug, dass es ein Geschenk rechtfertigte, egal zu welchem Anlass. Und sollten wir füreinander doch mal etwas kaufen, dann wurde es in der Regel direkt überreicht – am besten mit Kaufbeleg, falls es umgetauscht werden musste.
 

Es war mühselig, mir weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, so zog ich das Päckchen schlussendlich schnaubend zu mir heran, löste die Schleife, in der Hoffnung endlich Klarheit zu erlangen. Ein milder Geruch von Schokolade wehte mir entgegen. Und tatsächlich lag eine fein verschnürte Tüte darin, deren Inhalt sich als kleine Pralinen und Schokoladensplitter entpuppte. Und Gummibärchen.

Sprachlos starrte ich auf den Inhalt und wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Die meisten der Pralinen wirkten unförmig, an einigen Stellen war die helle Verzierung verlaufen. Hatte da jemand allen Ernstes Schokolade selbstgemacht? Für mich? Wer um Gottes Willen machte sich denn diese Mühe? Das musste doch eine Heidenarbeit sein.

Ein warmes Kribbeln durchströmte mich, als ich die Tüte herausnahm, um sie genauer zu betrachten. Kein Stück glich dem anderen. Umsichtig öffnete ich das Schleifchen, intensiver Kakaogeruch kitzelte meine Nase. Nicht so süß, wie Schokolade für gewöhnlich roch. Und noch etwas anderes lag in der Luft. Kaffee? Waren das Kaffeepralinen?
 

Es dauerte eine Weile, bis ich die kleine Karte am Boden Päckchens entdeckte. Mit dezent brennenden Augen starrte ich auf den Text darin. Er war auf Englisch und obwohl ich mit dieser Sprache auf Kriegsfuß stand, glaubte ich die Aussage dahinter zu verstehen.

»Kaoru, let me be your Valentine.«

Kein Absender. Ich wusste nicht, wie lang ich da saß und mir die Worte immer wieder durch den Kopf gehen ließ. Ein seltsames Ziehen machte sich in mir breit, über das ich nicht zu intensiv nachdenken wollte.

Nur die Frage blieb: Wer machte sich diese unsägliche Mühe, mir so etwas zu schenken? Und warum? Ich war doch nun wirklich nicht der Typ, für den man solch einen Aufwand betreiben sollte. Das war es gar nicht wert.
 

Erst laute Schritte auf dem Flur, die vor meiner Tür stoppten, und eine mir nur allzu bekannte Stimme holten mich aus meinen Gedanken.

„Kaoru, ich mach los. Willst du nicht auch allmählich -“

Die brach mitten im Satz ab, Stille folgte, dann hörte ich, wie er langsam näher trat und unmittelbar hinter meinem Stuhl stehen blieb.

„Was machst du da?“

Warme Hände legten sich auf meine Schultern und brachten mich endgültig zurück ins Hier und Jetzt. Ich schluckte den Kloß, der sich in den letzten Minuten in meinem Hals gebildet hatte, herunter, schließlich wollte ich mir nicht anmerken lassen, was dieses unerwartete Geschenk in mir auslöste. Zum Glück stand Die hinter mir, denn ich traute meiner Mimik gerade nicht über den Weg.

„Ein Päckchen anstarren.“

„Und hilft es?“ Ein unterdrücktes Lachen begleitete seine Worte.

„Nein, es ist immer noch da.“

Langsam fand ich zu meiner alten Form zurück.

„So schlimm?“

Jetzt lachte er wirklich. Statt gleich zu antworten, schloss ich für einige Sekunden die Augen und suchte nach den richtigen Worten. Dass Dies Hände, die langsam über meine viel zu verspannten Schultern strichen, ein leichtes Prickeln hinterließen, ignorierte ich so gut wie möglich. Hin und wieder verstärkte er den Druck an einigen Stellen und nur mit Mühe konnte ich einen verräterischen Laut unterdrücken. Erst dieses Geschenk, dann diese ungewohnte Nähe. Heute fühlte sich alles verwirrend an. Und dabei wollte ich mich gar nicht so fühlen.

„Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll“, gab ich leise murmelnd zu.

„Was ist denn drin?“

„Schokolade und eine Karte. Let me be your valentine.“

Ich stolperte über jedes zweite Wort und war mir sehr sicher, dass keines davon annähernd so ausgesprochen wurde, wie meine Zunge es gerade tat. Aber da war es wieder, Dies markantes Lachen. Automatisch stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen.

„Let me be your valentine.“ Bei ihm klang es eindeutig besser.

„Ja oder so. Trotzdem...“

Wieder strichen seine Daumen über die fiesen Stellen und diesmal konnte ich nicht anders, als ein Brummen von mir zu geben. Wann hatte mir Die eigentlich das letzte Mal die Schultern massiert? Musste ewig her sein. In den letzten Jahren war es unüblich innerhalb der Band geworden, dass wir privat Zeit miteinander verbrachten, ebenso solche Momente teilten wie jetzt.
 

Mit einem Mal herrschte Stille in meinem Kopf. Nichts sehend starrte ich auf den Tisch vor mir, das rot leuchtende Etwas nur verschwommen wahrnehmend. Unbeirrt strichen Dies Hände weiter über meine Schultern, während ich mich unter ihnen verspannte. Nur eine Frage geisterte durch mein Hirn. Warum tat Die das? Ausgerechnet jetzt. Hatte er etwa –

„Kaoru“, holte mich Die mit ungewohnt sanfter Stimme aus meinem Gedankenwirrwarr. „Was ist heute für ein Tag?“

„13.2. Und ja, ich weiß auch, dass morgen Valentinstag ist“, fügte ich leise hinzu. Als wäre die Karte nicht schon offensichtlich genug gewesen.

„Na, siehst du. Das heißt, jemand wollte dir einfach eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen, würde ich behaupten.“

„Ja, aber ich verstehe es nicht. Warum ich?“

Ein Seufzen erklang, diesmal so dicht an meinem Ohr, dass mir der warme Atem eine Gänsehaut bescherte. Die plötzliche Nähe ließ mein Herz stolpern.

„Ach Kaoru. Du bist doch sonst immer so schlau. Es gibt viele Menschen, denen du etwas bedeutest und einigen davon liegst du mehr am Herzen, als du vielleicht glaubst.“

Wie paralysiert starrte ich auf das Päckchen, während sich in meinem Körper ein unkontrollierbares Gefühl ausbreitete.

Ich wollte Dies Worten in meinem Kopf nicht so viel Raum geben, wie sie es gerade taten. Aber… ich konnte nicht sagen, woran es lag, dass in mir mit einem Mal die stille Erkenntnis war, dass diese Schokolade von Die stammte. Vor wenigen Wochen erst hatte ich ihm gegenüber offenbart, was ich an Süßkram mochte – wenn ich denn mal welchen aß. Gut, Toshiya war auch dabei gewesen, aber nein. Da war dieses feine Stimmchen in mir, das mir zuflüsterte, dass das Geschenk von Die war. Ein Teil in mir freute sich, ein anderer wurde nervös, während der größte Teil erst einmal schwieg und immer noch versuchte zu begreifen.
 

Die Stille, die mittlerweile zwischen uns hing, lastete schwer auf mir, ich wusste einfach nicht, wie ich sie brechen sollte. Einfach alles fühlte sich gerade seltsam an. Selbst die Hände auf meinen Schultern wurden unerträglich.

Mit einem Ruck drehte ich mich in meinem Stuhl herum. Die machte überrascht einen kleinen Schritt nach hinten, dennoch hätte ich nur ein wenig mein Bein ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Seine Nähe irritierte mich, ebenso der Gesichtsausdruck, mit dem er mich ansah.

Verdammt, was sollte das?

So neutral wie möglich erwiderte ich seinen Blick, versuchte gleichzeitig das letzte bisschen Mut in mir zusammenzukratzen, auch auf die Gefahr hin, mich gleich zum Deppen zu machen.

„Die, ist die Schokolade von dir?“

Das daraufhin folgende Schweigen und sein direkter Blick halfen wenig dabei, dass das nervöse Flattern in meinem Magen auf irgendeine wundersame Weise verschwand. Im Gegenteil.

„Die?“

Etwas veränderte sich in seiner Haltung, ich konnte nur nicht sagen, was. Er sah mich noch einige Herzschläge prüfend an, dann wandte er sich plötzlich ab und bückte sich nach seiner Tasche, die an der Wand hinter ihm lag.

„Ich muss los. Wir sehen uns übermorgen.“

Er schaute noch einmal über die Schulter, seine Mundwinkel zuckten und in seinem Blick lag eine Wärme, die mir einen Schauder über den Rücken jagte, während ich ihn sprachlos anstarrte.

„Mach nicht mehr so lange.“

Und schon war er weg und ließ mich mit meinem viel zu schnell schlagenden Herzen allein zurück.

„Die…“
 


 

*
 

Einige Wochen später
 

Unruhig biss ich auf der Unterlippe herum, meine Augen wurden immer wieder von der unheilvoll tickenden Uhr über der Tür angezogen. Sonst hatte ich immer das Gefühl, dass die Zeit gar nicht verging und jetzt raste sie nur so dahin. Ich rutschte gefühlt zum hundertsten Mal auf dem viel zu weichen Polster des Sofas herum, versuchte eine bequeme und entspannt aussehende Position zu finden, aber irgendwie fühlte es sich falsch an – denn ich war alles, nur nicht entspannt.

Die gesamte Situation war ungewohnt für mich. Ich hatte seit Jahren keine Beziehung oder gar Dates gehabt. Gut, das hier war genau genommen auch kein Date, jedenfalls versuchte ich das meinem aufgeregt schlagenden Herzen klarzumachen, das das Ganze natürlich völlig anders sah.

Es war nur ein Treffen. Mit Die. Außerhalb der Arbeit. Sonst nichts. Obwohl er mich seit Wochen verwirrte.
 

Wir hatten nicht mehr über das Geschenk gesprochen, allerdings war ich mir inzwischen sehr sicher, dass es von ihm war. Die Pralinen hatten sich tatsächlich als eine Mischung aus Kaffee- und Zartbitterschokolade entpuppt, genau mein Geschmack. Und die Art, wie er mich angesehen hatte, als er ging…

Je öfter ich darüber nachgrübelt hatte, an desto mehr versteckte Indizien erinnerte ich mich. Blicke, Gesten oder auch die Worte, die ich vor Monaten belauscht hatte. Dennoch blieb die Angst, etwas missverstanden oder zu viel hineininterpretiert zu haben.

Keine Frage, ich mochte Die. Wie sehr, darüber war ich mir momentan noch nicht klar, weil ich es bisher nie im Bereich des Möglichen gesehen hatte, dass da mehr sein könnte. Aber anscheinend mochte er mich auch. Gut, wahrscheinlich hätte er es sonst die ganzen Jahre nicht mit mir und der Band ausgehalten, wenn nicht irgendeine Form der Sympathie da gewesen wäre. Blieb eben nur zu klären, wie tief diese Sympathie bei ihm wirklich ging.

Was anfangs ein irritierender Gedanke gewesen war, so musste ich mir inzwischen eingestehen, dass es irgendwie guttat, daran zu glauben, dass er mich womöglich mehr als normal mochte. Gleichzeitig machte es mich nervös, da ich nicht wusste, was er von mir erwartete.

In genau diesem aufgekratzten Zustand hatte ich den Großteil der letzten Wochen verbracht. Teilweise nervte ich mich selbst, weil ich einfach nicht den Mund aufbekam und mich lieber in Arbeit vergrub. Aber hey, Die könnte doch genauso das Gespräch mit mir suchen. Was er nicht tat und sich auch sonst nichts anmerken ließ. Manchmal kam ich mir echt idiotisch vor, weil ich mir so den Kopf zerbrach.

Vor einigen Tagen hatte ich nun nach langem Hin und Her beschlossen, ihm ebenso etwas zu schenken, auch auf die Gefahr hin, mich im schlimmsten Fall lächerlich zu machen.
 

Und jetzt saß ich hier auf der alten Couch im Proberaum und wartete, angespannt bis in die Haarspitzen, auf Die, dem ich gestern in einer Kurzschlussreaktion eine Nachricht geschrieben hatte, ob er heute Zeit hätte. Ein Treffen zu Hause oder anderswo, war mir eine Spur zu privat gewesen, der Proberaum hingegeben gab mir ein gewisses Maß an vertrauter Sicherheit.
 

Seufzend rückte ich abermals von rechts nach links. Die kleine Schachtel, die zwischen Armlehne und mir lag, piekte mit der Ecke in mein Bein, wie um mich zu ermahnen, endlich still zu sitzen.

Konnte er nicht endlich kommen? Dann hätte ich es wenigstens hinter mir. Warten war echt nicht mein Ding.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schlug in einiger Entfernung eine Tür zu, kurz darauf waren schnelle Schritte zu hören. Mein Herz machte einen erfreuten Satz, mein Magen gleich mit, während ich mir selbst nicht ganz sicher war, ob ich mich ebenso freuen sollte. Am liebsten hätte ich das Ganze gleich wieder abgeblasen: „Sorry, Die, die Nachricht war ein Versehen, sollte nicht an dich gehen und ich hab‘s mir anders überlegt, lass uns das alles einfach vergessen.“ Oder so ähnlich.

Dummerweise wurde in genau diesem Moment die Tür aufgerissen und durchkreuzte meinen Rückzugsplan. Ein abgehetzt wirkender Die stand im Rahmen, die Haare leicht vom Wind zerzaust und dennoch mit seinem berühmten Grinsen auf den Lippen. Augenblicklich fühlte ich mich leichter und ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.

„Entschuldige, Kaoru, ich habe verschlafen und dann auch noch ewig einen Parkplatz suchen müssen.“

Auf meinen vielsagenden Blick gen Uhr – schließlich war es schon nach drei – schwand sein Grinsen minimal und er zuckte leicht verlegen mit den Schultern.

„Ich konnte heute Nacht nicht einschlafen.“

Nein, Kaoru, du beziehst das jetzt nicht auf dich oder das Treffen hier. Nein.

Unauffällig atmete ich tief durch, während er die Tür schloss und sich nach kurzem Zögern neben mir niederließ.

Ehe wir Gefahr liefen in unangenehmen Schweigen zu versinken, griff ich schnell neben mich und legte die schmale Schachtel auf seinen Schoss. Die großen Augen wanderten verblüfft von mir zu der Schachtel und sofort wieder zurück.

„Kaoru, was -“

„Für dich. Ich … ich wollte dir ebenfalls etwas schenken.“

Für einen Augenblick wirkte es so, als herrschte Leere in Dies Hirn. Er öffnete seinen Mund, doch kein Laut kam heraus. Wäre ich nicht so angespannt gewesen, hätte ich sicher gelacht.

Schließlich kam wieder Leben in ihn. Nach einem weiteren Blick auf mich, hob er vorsichtig, geradezu bedächtig, den Deckel – und erstarrte erneut. Ich wusste ja bereits, was drin lag und dennoch spürte ich, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Ich war mir reichlich albern vorgekommen, als ich letzte Woche zielstrebig in den Schokoladenladen im Bahnhofsbezirk gestiefelt war und umgeben von einer Handvoll Kinder und ihren Eltern, meine eigene Schokolade verziert hatte. Um komplett alles selbst zu herzustellen, fehlte mir die Geduld und das Können, aber so war wenigstens ein kleiner Teil selbstgemacht. Außerdem war ich mir nicht ganz sicher gewesen, was für Schokolade Die überhaupt mochte und nun hatte er eine Tafel mit verschiedenen Geschmackssorten.

Mit jeder Sekunde, in der er schwieg, nahm mein Puls an Geschwindigkeit zu. War es richtig gewesen, ihm so etwas zu schenken? Oder hatte ich doch zu unüberlegt gehandelt?

„Die, ich -“

„Kaoru“, wurde ich im Versuch einer Rechtfertigung unterbrochen. „White Day ist erst morgen.“

Schmunzelnd sah er zu mir auf. Ich wusste nicht, ob er sich je darüber bewusst geworden war, was sein Lächeln und auch sein Lachen in anderen auslöste. Es hatte immer etwas Befreiendes an sich – wenn Die lächelte, war alles in Ordnung. In meinem Fall nahm sein Schmunzeln einen Teil der Nervosität mit sich und ließ mich wieder ruhiger atmen.

„Hm, ja, aber ich habe mein Geschenk ja auch einen Tag früher erhalten.“

Dies Schmunzeln wurde breiter, als er abermals die Schachtel in seinen Händen betrachtete.

„Die, das war von dir, stimmt’s?“

Diesmal ergriff er nicht die Flucht und ließ mich nicht mit einem Kopf voller Fragen zurück. Stattdessen passierte etwas, was ich schon seit Jahren nicht mehr bei ihm beobachtet hatte: Er wurde rot. Damit verflog auch das restliche Bisschen Unruhe in mir und machte der Erkenntnis Platz, dass es ihm wohl ebenso ging wie mir. Verlegen sah er mich an, schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Ja. Ich – Hach.“

Unwirsch fuhr er sich mit den Fingern durch die langen Haare und atmete tief durch.

„Ich wollte dir einfach eine Freude machen. Und dir zeigen, dass du mir wichtig bist.“

„Und warum hast du mir das einen Tag früher geschenkt?“

„Ich weiß doch, wie wenig du mit Valentinstag anfangen kannst. Außerdem…“ Ich war mir fast sicher, dass die Röte in seinem Gesicht noch eine Spur zunahm. „...wollte ich der Erste sein.“

Verdattert sah ich ihn an.

„Wie?“

„Na ja, du hattest in deinem Podcast letztes Jahr gemeint, dass du an dem Tag nie etwas geschenkt bekommen hast, außer von deiner Mutter. Und irgendwie gingen mir deine Worte nicht mehr aus dem Kopf. Du machst immer den Eindruck, als wärst du gerne für dich allein. Doch in diesem Moment war es anders. So als wärst du wirklich allein gelassen worden. Und ich ertrage es nicht, dich so zu sehen… Ach Mann… ich mochte dich halt schon immer und wollte dir das jetzt auch zeigen und dich erinnern, dass es Leute gibt, denen du etwas bedeutest. Denen du wichtig bist. Sehr wichtig.“
 

In meinem Magen schien eine Ameisenkolonie Einzug gehalten zu haben, anders konnte ich mir das heftige Kribbeln darin nicht erklären. Ich starrte Die an, suchte nach den richtigen Worten, während er das Geschenk unruhig zwischen den Händen drehte.

„Du folgst meinem Podcast?“

Super. Etwas Besseres fiel meinem Hirn bei der Antwortsuche nicht ein?

Die schnaubte belustigt auf und musterte mich mit diesem Blick, der mir in den letzten Wochen vermehrt einen Schauer über den Rücken gejagt hatte, nachdem er mir bewusst geworden war.

„Na, wenn du dich sonst nur in Arbeit vergräbst… Auf diese Weise erfährt man wenigstens etwas von dir.“

Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, was und ob ich mir überhaupt etwas dabei gedacht hatte, als ich näher zu Die rutschte und meine Hände auf seine legte. Sie waren kalt und fühlten sich dennoch so vertraut an.

Langsam, vielleicht aus Angst, dass ich sie gleich wieder wegziehen könnte, drehte Die seine Handflächen nach oben und verschränkte unsere Finger ineinander.

„Kaoru, ich bin gerade sehr froh, hier zu sein.“

Sein ehrliches Lächeln wärmte mich von innen und bestätigte mich darin, dass es richtig war, was wir hier taten.

„Ich freue mich auch. Und Die…“

„Ja?“

„Du bist mir auch sehr wichtig, obwohl ich es vielleicht nicht immer zeige. Aber es ist mir in den vergangenen Wochen immer bewusster geworden. Und ich mag dich auch… irgendwie.“

„Irgendwie… Damit kann ich vorerst leben.“
 

Unser Lachen, das den Raum erfüllte, war befreiend. Mit einem Mal schien alles so leicht, da waren keine unnötigen Gedanken mehr in meinem Kopf, die mich zweifeln ließen. Einem plötzlichen Impuls nachgebend, zog ich Die näher zu mir, direkt in meine Arme. Ich hörte ihn überrascht keuchen, während ich es mir erlaubte, die Augen zu schließen und mich in das Gefühl seiner Nähe fallen zu lassen. Ja, das fühlte sich definitiv richtig und gut an.

„Kaoru?“

„Hm?“

„Können wir das hier jetzt öfter machen?“

Ich spürte, wie Dies Hände sachte über meinen Rücken wanderten. Sein Kopf lehnte an meinen, warmer Atem kitzelte meinen Hals. Ich vergrub das Lächeln an seiner Schulter.

„Gerne. Und machst du eigentlich demnächst wieder Schokolade für mich? Um mir zu zeigen, wie wichtig ich dir bin. Denn die war echt gut.“

„Es gibt durchaus andere Mittel und Wege, dir das begreiflich zu machen. Und die wären sicher einfacher als selbstgemachte Schokolade. Ich finde nämlich jetzt noch vereinzelt Reste in meiner Wohnung.“

„Deine Katze hat die nicht schon längst entdeckt?“

„Doch, aber sie hat sich, glaube ich, in den Wochen, als ich für dein Geschenk geübt habe, daran überfressen.“

Zufrieden schmunzelnd ließ ich meine Hände über Dies warmen Rücken wandern, während ich dem angenehmen Kribbeln in mir nachspürte, das allmählich meinen gesamten Körper flutete. Mir war nie bewusst gewesen, dass ich solch eine Nähe vermisst hat, nur jetzt, wo ich sie einmal spürte, wollte ich nicht mehr ohne sie sein.

„Wenn das so ist, müssen wir uns wirklich etwas anderes einfallen lassen. Damit ich nicht vergesse, was ich dir bedeute. Und du mir.“
 

Ende



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