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S.T.A.R.S. Snapshots

Another World, another Wesker ~ One-Shot-Sammlung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie kam Albert eigentlich dazu, die S.T.A.R.S. anzuführen? Und warum hinterfragte er das später nicht mehr? Komplett anzeigen

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[1996] – Wir werden wohl die S.T.A.R.S. sein


 

Mit einem betont freundlichen Lächeln an seinen Gegenüber setzte Albert sich. »Ah, King. Ich hab dich beim Anti-Aggressions-Training vermisst. Keine Lust mehr darauf?«

David schnitt ihm eine Grimasse. »Sehr lustig, Alter. Bringen wir das einfach hinter uns.«

»Wie du willst.«

Albert griff nach einem Formular und einem Kugelschreiber, er notierte Davids Namen und sein Geburtsdatum, beides Dinge, die er auswendig kannte. Dann sah er ihn wieder an. »Also, warum haben sie dich heute festgenommen? Einbruch? Raub?«

»Kneipenschlägerei.« David zuckte mit den Schultern. »Ich hab nicht angefangen, aber ich hab gewonnen. Deswegen sitze ich jetzt hier.«

Albert schmunzelte ein wenig, während er das notierte. »So ähnlich bin ich damals auch hier gelandet. Und dann wurde ich selbst Polizist.«

David lachte humorlos auf. »Damit sie dich jetzt nicht mehr verknacken können?«

»Klar. Ich streife jedes Wochenende durch die Bars, um Leute zu verprügeln, und werde dafür nicht eingesperrt, das hast du gut erkannt.«

Dafür erntete er ein wütendes Schnauben von David. Immerhin kooperierte er aber mit Albert, während dieser den weiteren Bericht ausfüllte und ihn schlussendlich unterschrieb. »Okay, danke, für deine Mitarbeit, King. Aber ich bleibe dabei, dass du wirklich von einem Anti-Aggressions-Training profitieren würdest.«

David zog eine Grimasse. »Der beste Grund, mit dem Mist aufzuhören, ist wohl, damit du mir nicht mehr dauernd diesen Scheiß erzählst. Ich kann es nämlich nicht mehr hören.«

»Dann hör entweder ganz damit auf oder lass dich nur noch erwischen, wenn ich keinen Dienst habe.« Albert schmunzelte unablässig, was bei David nur zu einem erneuten Schnauben führte.

Davon unberührt heftete Albert das Dokument ab und stand auf, um David erst einmal in eine Zelle zu bringen. »Das Prozedere kennst du ja schon. Der Haftrichter freut sich bestimmt.«

Gerade als David aufstand, kam ein anderer Officer – Kevin – herein, der ihn aufhielt: »Hey, Albert! Der Chief will dich unbedingt sehen!«

Albert sah den anderen mit gerunzelter Stirn. »Jetzt? Ich bringe gerade einen Gefangenen weg.«

Kevin zuckte mit den Schultern. »Hey, wenn Chief Irons dich jetzt sprechen will, meint er auch jetzt. Ich sag ihm bestimmt nicht, dass du keine Zeit für ihn hast.«

»Ich renn nicht weg«, erwiderte David. »Wenn es so wichtig ist, solltest du das tun.«

»Darauf fall ich bestimmt nicht nochmal rein«, kommentierte Albert trocken, da er nicht gern daran zurückdachte – vor allem da er David erst in der Eingangshalle wieder geschnappt hatte, so dass jeder Zeuge davon geworden war, wie er versagt hatte; die Standpauke seines Vorgesetzten steckte ihm immer noch in den Knochen.

David grinste kurz. »Einen Versuch war es wert.«

Da ihm wohl nichts anderes übrig blieb, seufzte Albert. »Okay, Kevin, kannst du King in die Zelle bringen? Sag den Wärtern, es ist das übliche.«

»Klar!« Kevin strahlte direkt enthusiastisch. »Ich mach das schon.«

David murmelte irgendeinen Fluch, ging aber anstandslos mit Kevin mit. Albert wiederum ging in den ersten Stock, um dort herauszufinden, was Irons von ihm wollen könnte. Er hatte in der letzten Zeit nicht viel angestellt, weswegen man ihn zurechtweisen müsste – schon gar nicht vom Chief persönlich. Den hatte er immerhin seit seinem ersten Tag hier nicht mehr persönlich getroffen. So als einfacher kleiner Officer gab es schließlich keinen Grund, den Polizeichef zu treffen.

Außerdem, fuhr es ihm durch den Kopf, ist es schon spät. Warum arbeitet er überhaupt noch?

Sollte der Vorteil eines Chefs nicht der sein, nicht bis in die Nacht arbeiten zu müssen?

Albert verscheuchte den Gedanken, als er am Büro ankam und nach einem kurzen Klopfen hereingebeten wurde. Schon bei seinem letzten Besuch war er von einem ausgestopften Adler eingeschüchtert gewesen. Inzwischen hatte dieser Begleitung von einem präparierten Wolf und auch dem Schädel eines Reptils bekommen. Beim ersten Mal war Albert davon ausgegangen, dass der Adler einfach Dekoration sein sollte – inzwischen wusste er aber, dass Irons gern jagte und die erlegten Tiere dann selbst ausstopfte. Dieses Wissen ließ den Raum noch erdrückender wirken als er ohnehin schon war.

Irons empfing ihn mit einem Whiskey in der Hand. »Ah, Wesker! Setzen Sie sich!«

Mitten in der Nacht vom Chief gerufen zu werden, war schon unangenehm genug, dass er aber auch seinen Namen kannte, ließ Albert das Schlimmste annehmen. Deswegen setzte er sich rasch auf einen der Ledersessel.

»Wollen Sie auch ein Glas?«, fragte Irons.

»Nein, danke.« Im Moment hätte Alkohol ihn ohnehin nur nervöser gemacht – und er musste noch einige Stunden arbeiten, da konnte er es sich nicht leisten, sich zu betrinken. Außer er wäre gefeuert, aber dafür erschien ihm Irons zu … gut gelaunt. Außer es machte ihm Spaß, Leute zu entlassen. Albert traute ihm das durchaus zu.

Irons leerte sein Glas mit einem Zug, dann stellte er es auf den Schreibtisch und setzte sich auf den Sessel gegenüber von Albert. »Wie lange sind Sie schon bei uns, Wesker?«

»Drei Jahre, Sir.«

Irons nickte gedankenverloren. »Richtig, richtig. Wie gefällt Ihnen die Polizeiarbeit?«

Sollte er wirklich gefeuert werden? Die Situation machte ihn so nervös, dass er die Hände in seinem Schoß faltete, damit er nicht unbewusst an seiner Kleidung herumzupfte; das machte nämlich bestimmt keinen guten Eindruck.

»Ich bin gern Polizist«, antwortete er. »Die Arbeit am Schreibtisch ist ein wenig eintönig, aber der Außendienst gefällt mir. Besonders wenn ich Menschen helfen kann.«

Irons nickte bedächtig. »Wie fänden Sie es, als Mitglied einer Spezialeinheit zu helfen?«

»Ich glaube, ich verstehe nicht, Sir.«

»Das RPD hat zusätzliche Gelder bekommen und möchte dafür eine neue Einheit gründen, deren Ziel spezielle Einsätze sein werden. Terrorbekämpfung, Rettungsmissionen, Dinge, für die man normalerweise nicht die normale Polizei beauftragt.«

Benötigte man so etwas in Raccoon City? Bislang hatte Albert davon nichts mitbekommen, aber das musste nichts bedeuten. Gerade als einfacher Officer gab es bestimmt Dinge, die man nicht erfuhr – oder erst dann, wenn es schon lange vorbei war. Gerade deswegen irritierte ihn diese Entscheidung aber noch mehr.

»Und ich soll in dieser Einheit arbeiten?«, hakte Albert nach. »Sind Sie sicher, dass Sie da die richtige Person fragen? Denn bei allem Respekt, Sir, aber ich-«

»Sie sollen auch nicht einfach in der Einheit arbeiten«, unterbrach Irons ihn. »Sie sollen Ihr Captain werden!«

Albert starrte Irons an. Das musste ein Witz sein, anders ließ sich das nicht erklären. Er war seit drei Jahren hier, war unauffällig genug, dass er keinen Ärger provozierte, und machte genug Fehler, dass er bislang nicht einmal eine Belobigung bekommen hatte, geschweige denn Beförderungen. Es störte ihn nicht, denn sein Job gefiel ihm (mit Ausnahmen), und mehr Verantwortung klang nicht unbedingt verlockend für ihn. Schon allein, weil er auf das Geld nicht angewiesen war, er lebte zu großen Teilen immer noch von dem Erbe seiner Eltern. Selbst bei der Armee war er nur bis zum Private First Class gekommen, ehe er ausgetreten war. Er verfügte auch nicht über besondere Fähigkeiten oder ein übermäßiges Maß an Intelligenz, absolut nichts, was ihn befähigen könnte, eine Spezialeinheit anzuführen.

»Das kann nicht ernst gemeint sein, Sir«, sagte Albert. »Das muss ein Irrtum sein.«

»Nein, ist es nicht.« Irons wirkte ein wenig genervt. »Ich habe eine ausdrückliche Bewertung, in der darauf bestanden wird, dass Sie diese Rolle übernehmen, Wesker.«

»Von wem?«

Vielleicht gab es noch einen anderen Wesker, von dem Albert nichts wusste, der aber für diese Rolle wirklich geeignet war. Dann könnte er das direkt klarstellen, sobald er den Namen desjenigen wusste, der die Bewertung abgegeben hatte.

Doch Irons schüttelte mit dem Kopf. »Das ist Verschlusssache. Warum wehren Sie sich so dagegen, Wesker? Freuen Sie sich doch lieber, dass Sie jemandem so positiv aufgefallen sind, dass derjenige denkt, Sie könnten diese Einheit anführen.«

»Ich weiß gar nichts darüber, wie man eine Einheit führt!«

»Dann lernen Sie es, Mann!« Irons fegte den Einwand mit einer Handbewegung beiseite. »Ich kann mir hier doch nicht die Probleme von jedem von euch anhören! Akzeptieren Sie die Beförderung doch einfach!«

Wahrscheinlich sollte er sich wirklich nicht beschweren und das einfach akzeptieren. Deswegen neigte er nur ein wenig den Kopf, um ein Nicken anzudeuten. Es kam ihm vor, als atme Irons erleichtert auf, dann schob er eine auf dem Tisch liegende Akte in Weskers Richtung. »Hier stehen weitere Informationen drin, zu Aufgaben und Zielen der Einheit, erste Personal-Vorschläge, so etwas eben. Unser anonymer Geldgeber hat das sehr durchdacht.«

Zögernd nahm er die Akte an sich und folgte Irons' Bewegungen, als dieser aufstand.

»Ich nehme das mal als ein Ja«, meinte der Chief. »Bis nächsten Monat haben wir die Räumlichkeiten eingerichtet, bereiten Sie sich also schon mal darauf vor.«

Bevor Albert das Büro verließ, legte Irons noch eine fleischige Hand auf seine Schulter. »Machen Sie sich keine Gedanken, Wesker. Sie bekommen das schon hin.«

Mit diesen Worten entließ er Albert aus dem Gespräch, das ihn so verwirrt zurückließ, dass er ohne die Akte in seiner Hand der Überzeugung gewesen wäre, dass es nicht stattgefunden hatte. So war da aber dieser unumstößliche Beweis, dass Irons – und dieser mysteriöse Geldgeber – einfach nur verrückt geworden war.

Bevor er in die Akte sah, kehrte er ins Ostbüro zurück. Dort hatten sich einige Officer um Kevin versammelt, der gerade versicherte, dass alles okay war. Er wirkte fast schon erleichtert, als er Albert sah und nutzte diese Ausrede, um sich an den anderen vorbeizuschieben. »Hey, Albert! Was wollte der Chief von dir?«

Er kam nicht zum Antworten, weil ihm sofort das Blut in Kevins Gesicht und auf seiner Uniform auffiel. »Was ist passiert?«

Kevin zuckte mit den Schultern. »King hat mir die Nase gebrochen, als ich ihn in seine Zelle bringen wollte. Der Arsch ist sogar mit Handschellen noch gefährlich.«

Albert spürte direkt den Anflug des schlechten Gewissens, dazu wieder die Frage, ob er überhaupt irgendetwas anführen könnte, wenn er in diesem Bereich schon versagte. »Geht es dir gut?«

»Ach, das geht schon. Harry besorgt mir Eis dafür. Sag mir lieber, was Irons von dir wollte. Ich bin echt neugierig!«

So wie immer eben. Sobald Kevin es wusste, wäre es bald ein allgemeines Thema im Revier. Es dauerte für ihn nicht lange, um Gerüchte zu verbreiten oder sie aufzuschnappen. Also könnte er es ihm auch einfach direkt sagen: »Ich bin befördert worden.«

Kevin lächelte, was ein seltsamer Anblick mit seinem blutigen Gesicht war. »Das ist ja großartig! Glückwunsch, Albert! Wirst du dann unser Vorgesetzter oder so?«

»Genau genommen werde ich der … Captain einer neuen Spezialeinheit.«

Das ließ Kevin irritiert die Stirn runzeln. Eine neue Einheit, von der er noch nichts gehört hatte? Das musste für ihn ein Ding der Unmöglichkeit sein.

»Was für eine Einheit?«, fragte er.

Albert sah auf die Akte hinunter, die er mitbekommen hatte. Auf dem Umschlag war ein ihm unbekanntes Logo abgebildet, das von Worten umrahmt wurde: »Special Tactis and Rescue Service

»Das klingt echt lang«, urteilte Kevin. »Ihr habt doch bestimmt eine coole Abkürzung, oder?«

»Na ja …« Albert zuckte mit den Schultern, seine Mundwinkel hoben sich ein wenig. »Wir werden wohl die S.T.A.R.S. sein.«

 

»Es ist doch irgendwie seltsam, oder?«

Albert sah zu Andy hinüber, der mit gerunzelter Stirn in seinem Salat stocherte. Wenn er im Außendienst war, so wie heute, arbeitete er immer mit dem älteren und erfahrenen Andy zusammen. Anders als Barry machte er nicht den Eindruck, ein Vatertyp zu sein, aber Albert schätzte seine ruhige Art und seine Erfahrung, mit der Andy vor allem ihn mehr als einmal aus dem Schlamassel geholt hatte.

Seit Albert ihm aber zu Beginn der Schicht von dieser Beförderung erzählt hatte, war Andy nachdenklich und verschlossen.

»Was ist seltsam?«, hakte Albert nach. »Dass wir hier im Auto essen, statt im Diner?«

Was ihn selbst wunderte. Normalerweise bestand Andy darauf, an einem richtigen Tisch zu essen, um Rückenschmerzen zu vermeiden. Heute hatten sie das Essen jedoch mitgenommen, saßen nun im Streifenwagen auf dem Parkplatz des Diners und aßen hauptsächlich schweigend. Im Gegensatz zu Andy war Albert mit seinem Sandwich aber auch schon fertig.

»Das meine ich nicht«, erwiderte Andy. »Das mit deiner Beförderung. Du bist ein guter Kollege, Albert, aber Captain einer Spezialeinheit? Wirklich?«

»Ich bin auch nicht wild darauf.« Albert zuckte mit den Schultern. »Aber der Chief schien echt unter Druck zu stehen, dass ich das machen muss. Willst du die Beförderung haben?«

»Schwachsinn.«

Schade, Albert hatte ein wenig gehofft, die Verantwortung direkt abschieben zu können. Er war von der Aussicht auf diesen Posten immer noch nicht begeistert, obwohl er schon gesehen hatte, dass Barry für das Team ausgesucht worden war. Das war das einzige, worauf er sich bereits freute, alles andere – inklusive der anderen feststehenden Mitglieder Marini, Vickers, Aiken, Dewey, Dooley und Sullivan – erfüllte ihn nach wie vor mit einem Gefühl von Panik und Überforderung; er hatte noch nie irgendwen angeführt oder Anweisungen gegeben, wie sollte das also funktionieren?

Und warum sollte er der Captain sein, wenn alle anderen bislang feststehenden Mitglieder so viel älter waren als er und auch wesentlich mehr Erfahrung aufwiesen? Er wollte er diese Beförderung weiterhin nicht, aber Irons hatte ihm zu verstehen gegeben, dass er keine Wahl hatte.

Andy stieß ein frustriertes Seufzen aus. »Du hast gesagt, du weißt nicht, wer der Geldgeber ist, der dich unbedingt als Captain haben will, richtig?«

»Irons hat es mir nicht gesagt. Und auch in den Unterlagen gibt es keine Hinweise darauf.«

Er hatte sogar Barry gefragt, von wem er angeworben worden war, aber dieser hatte ihm lediglich sagen können, dass die Anfrage vom RPD gekommen war, ohne solche Details.

»Sie wollen also einen unerfahrenen Captain und nicht einmal verraten, wer sie sind.« Andy schüttelte mit dem Kopf. »Die Sache stinkt gewaltig, Albert. Mach dir keine Sorgen, ich werde herausfinden, was es damit auf sich hat. Dann boxe ich dich da raus.«

Natürlich hatte Andy gemerkt, dass er kein Interesse an der Beförderung hatte und sich davor fürchtete. Sie waren seit drei Jahren Partner, was sollte er anderes erwarten?

»In Zukunft musst du dafür aber endlich mal aufhören, in Schwierigkeiten zu geraten. Irgendwann wirst du in eine Situation geraten, aus der nicht mal ich dich wieder rausbekomme. Oder ich werde nicht mehr da sein, um dir zu helfen.«

Albert sah ihn ratlos an. »Willst du etwa weggehen?«

»Nein. Aber wir sind Polizisten, Albert. Es kann immer irgendetwas passieren. Vergiss das nicht.«

Als hätte das Revier mitgehört und wollte ihn in seiner Aussage unterstützen, erwachte das Funkgerät in diesem Moment zum Leben und berichtete von einem bewaffneten Überfall auf einen Lebensmittelladen in der Nähe. Andy nickte vielsagend in Richtung des Funkgeräts, dann nahm er es an sich und verkündete, dass er und Albert diesen Fall übernehmen würden.

Er stellte die Schale mit seinem Salat auf das Armaturenbrett, startete den Motor und fuhr mit lärmenden Sirenen bereits los.

Albert atmete tief durch. Selbst die Aussicht auf diesen Einsatz ließ ihn weniger nervös sein als die Beförderung. Aber er musste sich keine Sorgen mehr machen. Andy würde dieses Rätsel lösen und dann dafür sorgen, dass nicht einmal mehr Irons ihn dazu zwingen könnte, den neuen Posten zu übernehmen. Alles würde gut werden, er musste nur ein weiteres Mal auf Andy vertrauen.

 

Zwei Wochen waren seit Andys Versprechen vergangen, sich um diese Sache zu kümmern. Zwei Wochen, in denen Albert sich wesentlich besser gefühlt hatte, selbst wenn Andy ihn immer auf ein andermal vertröstete, wenn Albert ihn darauf angesprochen hatte. Anscheinend war die Recherche nicht so einfach gewesen wie gehofft. Aber Albert machte sich keine Sorgen. Andy hatte ihn sogar davor bewahrt, dass er die Verantwortung für Kevins Verletzung durch David tragen musste – unter der Auflage, Kevin nicht mehr einfach mit Gefangen loszuschicken.

Als Albert zum Beginn seiner heutigen Schicht in die Eingangshalle des RPD trat, in der mehr Hektik und Nervosität als sonst herrschte, hielt Kevin ihn direkt auf, als hätte er nur auf ihn gewartet: »Albert, hast du es schon gehört?«

Eigentlich hatte er absolut keine Lust auf irgendwelchen Tratsch, aber Kevin sah so ungewohnt ernst aus, dass er nicht einfach weitergehen konnte. »Nein, was denn?«

Da Kevin auch noch seine Hand auf Alberts Schulter legte, ahnte dieser nichts Gutes – und wurde direkt bestätigt: »Vorhin ist jemand in die Halle gekommen, hat behauptet, er sei Zeuge in einem wichtigen Verfahren und wollte unbedingt mit Andy sprechen.«

Sein Inneres fühlte sich bereits unangenehm kalt an, sein Unterbewusstsein wusste, was kommen würde, aber er konnte Kevin nicht unterbrechen.

»Kaum ist er ins Büro gekommen, hat er eine Waffe gezogen und Andy-«

Er wollte es nicht hören, weigerte sich, das einfach zu glauben, deswegen schnitt er ihm nun doch das Wort ab: »Wo ist er? Wie geht es ihm?«

Kevin schüttelte bedauernd mit dem Kopf. »Tut mir leid, Albert. Aber Andy war sofort tot. Falls es dich tröstet-«

Aber Albert wollte ihm nicht weiter zuhören. Er riss sich von Kevin los und stürmte ins Ostbüro, von dem ein Teil noch abgesperrt war, auch die Blutlachen auf dem Boden waren noch deutlich zu sehen, da die Spurensicherung ihre Arbeit gerade erst beendete. Der Angreifer war garantiert auch erschossen worden, anders konnte es gar nicht sein. Aber warum sollte ihn das trösten? Was dachte Kevin sich dabei?

Mit schnellen Schritten ging er um das Büro herum, ins Untergeschoss hinab, direkt in die Leichenhalle. Er schätzte sich glücklich, dass er nicht oft hierher musste, deswegen kannte er den blonden Mann in dem Arztkittel nicht, der gerade einen Körper in die Kühlung schieben wollte, nun aber innehielt. »Kann ich helfen?«

»Ich wollte nur nach Andy sehen ...«

Der Mann schien sofort zu wissen, was er meinte. Er nickte auf die Bahre hinunter, an der er gerade stand. Albert trat näher. Wie üblich steckte die Leiche in einem schwarzen Body Bag. Der andere öffnete den Reißverschluss ein wenig, so dass tatsächlich Andys viel zu blasses Gesicht freigelegt wurde.

Bis zu diesem Moment hatte er noch gehofft, dass es nur ein Irrtum war oder dass er sich verhört hatte, denn Andy konnte doch nicht einfach tot sein. Er war erfahren, vorsichtig, holte Leute – vor allem Albert – aus Bredouillen, in die sie sich selbst gebracht hatten, er würde sich doch nicht einfach erschießen lassen. Aber nun lag er hier, kalt und leblos. All seine Erfahrung war nun wertlos, seine Vorsicht nicht mehr gefragt. Alles war einfach fort – nur wegen irgendeines Mannes mit einer Waffe. Warum hatte er das getan? Die Tat war zu gezielt geschehen, um ein Zufall zu sein. Was könnte Andy ihm angetan haben, um das zu verdienen?

»Mr. Wesker, nehme ich an?«

Die Stimme des Arztes holte ihn wieder aus seinen Gedanken. Er wandte sich dem anderen zu, der ihn mit einem seltsamen Blick musterte und sich dann selbst zunickte. »Ich wurde gebeten, Ihnen etwas auszurichten.«

»Von wem?«

Und warum fragte man gerade diesen ihm Unbekannten danach? Es gab wesentlich bessere Möglichkeiten in einem Revier voller Kollegen.

»Unwichtig«, wehrte der Mann ab. »Ich soll Ihnen sagen, dass Sie aufhören sollen, Fragen zu stellen. Das ist nicht gesund, für niemanden.«

Albert runzelte seine Stirn. Der Mann lächelte schräg, als wüsste er gar nicht genau, wie das eigentlich funktionierte. Diese Mimik erinnerte ihn an etwas, aber er konnte einfach nicht sagen, woran genau.

»Akzeptieren Sie die Beförderung einfach, Mr. Wesker.«

Der einzige Schluss, der ihm blieb, wollte ihm gar nicht gefallen. »Wollen Sie sagen, Andy wurde getötet, weil er herausfinden wollte, wer der Geldgeber ist?«

»Sie mögen es nicht, wenn man Fragen stellt.« Er zuckte mit den Schultern. »Verständlich, oder?«

»Dann ist es meine Schuld, dass er tot ist?«

»Haben Sie ihn beauftragt? Nein? Dann nicht. Aber Sie sollten auch verhindern, dass irgendjemand anderes zu viel nachforscht. Also akzeptieren Sie es einfach, dann kommt niemand mehr zu Schaden.«

Für einen kurzen Moment setzte Alberts Verstand aus, etwas fiel scheppernd zu Boden, der andere keuchte – dann fand Albert sich am anderen Ende des Raumes wieder, wie er den vermeintlichen Arzt an seinem Kragen gepackt gegen die Wand drückte. All das Anti-Aggressions-Training hatte ihn nicht auf einen solchen Fall vorbereitet, nicht auf diese hilflose Wut, die gerade in seinem Inneren wütete.

»Für wen arbeitest du?!«, fragte er knurrend. »Wer bist du?!«

Der andere lächelte nur nachsichtig. »Ist es wirklich eine gute Idee, noch einmal in Schwierigkeiten zu geraten? Es gibt niemanden mehr, der dich retten kann. Und die Beförderung ist nur für dich bestimmt. Da kommst du nicht mehr raus.«

Albert versuchte tief durchzuatmen, wie er es gelernt hatte. Er starrte dem anderen in die spöttisch dreinblickenden Augen, die fast Mitleid mit ihm zu haben schienen – nicht wegen seiner Situation, sondern weil er genau wusste, dass Albert niemals an ihn heranreichen würde. Auch das berührte etwas in seiner Erinnerung.

»Kennen wir uns?«, fragte er leise.

Der Mann schmunzelte nur und löste sich ohne jede Gewalt aus seinem Griff. »Konzentrier dich auf deine Aufgabe. Ich habe dir alles gesagt, was du dafür wissen musst. Wenn du nicht willst, dass noch jemand stirbt, akzeptiere deine Bestimmung.«

Ohne jedes weitere Wort ging er einfach davon, ließ Albert allein mit der Leiche seines Kollegen, der nur deswegen gestorben war, weil er ihm hatte helfen wollen. Warum war das derart eskaliert? Wer war dieser Geldgeber, dass er sogar sprichwörtlich über Leichen ging, um sein Geheimnis zu bewahren?

Er schüttelte mit dem Kopf, während er mit dem Rücken an der Wand zu Boden rutschte. Wer immer es war, er durfte nicht mehr fragen, nicht mehr zweifeln. Niemand sollte mehr wegen ihm sterben, um ihn vor dem zu retten, was anscheinend seine Bestimmung war. Wenn er das nur früher erkannt hätte …

»Es tut mir leid, Andy«, murmelte er, während er die einzigen Tränen wegwischte, die er sich in dieser Sache erlaubte. »Es tut mir so leid ...«

 

Zwei Wochen später stand er in einer Galauniform, die ihm extra für diesen Anlass übergeben worden war, im Presseraum des RPD. Alle Plastikstühle waren von Vertretern der örtlichen Presse besetzt, nur am Podium selbst thronte Irons und erzählte gerade ausschweifend von den Verdiensten der hiesigen Polizei, aber auch den neuen Gefahren, die der Stadt drohten und denen man mit den S.T.A.R.S. begegnen wollte.

Albert stand an der Seite, wartete darauf, dass sein Stichwort fiel, dass er offiziell zum Captain einer vollkommen neuen Eliteeinheit ernannt wurde. Einer Aufgabe, der er sich immer noch nicht gewachsen fühlte, aber sie war unausweichlich, ihm blieb nur dieser Weg. Entsprechend unaufgeregt war er in seinem Inneren. Seine Nervosität war durch den kalten Entschluss ersetzt worden, sicherzugehen, dass jeder glaubte, er wäre geeignet für diese Rolle, damit niemand mehr auf die Idee käme, nachzuforschen. Wenn er selbst nicht zweifelte, tat auch sonst keiner es – und niemand müsste mehr wegen ihm sterben.

Mit diesem Entschluss war er auch das erste Mal seinen neuen Untergebenen begegnet, hatte sie kühl begrüßt und ihnen versichert, dass er sich gut um sie kümmern würde. Die Skepsis in Marinis Augen hatte ihn nur darin bestärkt, noch kälter zu werden. Barry schien deswegen besorgt zu sein, er warf ihm selbst jetzt immer wieder Blicke zu, aber davon durfte er sich nicht beeinflussen lassen – schon allein, weil Barry auch Chris überredet hatte, Teil der S.T.A.R.S. zu werden. Albert würde nicht zulassen, dass den beiden etwas zustieß. Wenn er sie dafür zumindest am Anfang auf Distanz halten musste, würde er das tun, selbst wenn es ihm schwerfiel.

Irons nannte seinen Namen und riss ihn aus den Überlegungen. Albert trat in das Blitzlichtgewitter der Fotografen, schüttelte Irons' Hand und nahm den symbolischen Schlüssel für das neue Büro entgegen. Dabei gab er sich Mühe, zu lächeln, obwohl ihm nicht einmal der Sinn danach stand. Aber nach außen würde er sich so zeigen, wie der mysteriöse Geldgeber ihn vermutlich haben wollte: stolz und zufrieden über diesen zweifelhaften Erfolg.

Eines Tages würde er herausfinden, wer dieser Geldgeber eigentlich war – und dann würde er alles, was er in diesem Moment empfand, an ihm auslassen. Egal, wie lange es dauerte.
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
David ist einer der Protagonisten aus Outbreak 1 und 2.
Andy ist ein NPC, der in der Endszene von Szenario 1 in Oubtreak 1 mit mehreren Bisswunden in Behandlung zu sehen ist. In Oubtreak 2 ist er als spielbarer Charakter freischaltbar. Sein Charakter an sich ist deswegen auch rein meiner Fantasie entsprungen. Komplett anzeigen

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