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Another Life

Another World, another Wesker
von

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Kapitel 4: (K)ein Abendessen mit Albert Wesker


 

Nachdem Claire gegangen war und Jill sich endlich gefangen hatte, war sie dazu übergegangen, zumindest in der Kochnische aufzuräumen. Wenn Wesker – Albert, verbesserte sie sich in Gedanken, er war nicht der Wesker, an den sie sich erinnerte, er war jemand anderes – zum Essen kam, sollten sie immerhin auch am Tisch sitzen können.

Sie war gerade fertig damit, das Geschirr – das schon viel zu lange dreckig war – in der Spüle zu deponieren, als es klingelte. Sie atmete noch einmal tief durch, dann öffnete sie die Tür. Albert schmunzelte ihr entgegen und hob eine Tüte hoch, aus der ein köstlicher Duft strömte. »Wie versprochen.«

Jill trat einen Schritt beiseite, damit er hereinkam. Er sah sich nicht einmal um, nachdem er hereingekommen war, sondern steuerte direkt auf den Tisch zu, was ihr nur sagte, dass er mindestens einmal schon hier gewesen war; jeder andere wäre doch neugierig gewesen, oder?

Er stellte die Tüte ab und packte den Inhalt aus. »Wegen deiner Kondition und den Tabletten, die du vermutlich nimmst, habe ich alkoholfreies Bier besorgt.«

Zur Demonstration zog er die Flaschen heraus. Es war eine teure Marke, die hätte sie sich mit Sicherheit nicht einfach so geholt. Albert bekam bestimmt ein besseres Gehalt als sie, aber dennoch war sie ziemlich sicher, dass er sie auch nicht ohne Hintergedanken gekauft hatte. Nach dem Gespräch im Auto war er vielleicht entschlossen, sein Glück etwas direkter zu versuchen.

Schließlich beförderte er die Schachteln, aus denen der unwiderstehliche Duft kam, auch aus der Tüte. Sie sahen aber nicht sehr anders aus, als jene, die sie von ihren Lieblingsrestaurants hätte bestellen können. Fragend sah sie ihn an – und zu ihrer Überraschung wusste er sofort, was sie von ihm wollte: »Im Grunde sind es nur Burger und Pommes, aber von einem Restaurant, das ein bisschen mehr Wert auf Qualität legt.«

Das musste auch teuer gewesen sein. Konnte sie ihn guten Gewissens so viel für sie ausgeben lassen? Die Überreste der anderen Jill in ihr freuten sich aber wirklich darüber. Vielleicht war es also gar nicht so schlimm, wenn sie es akzeptierte.

Jill holte noch Gläser für das Bier aus dem Schrank, Albert zog sein Jackett aus und hängte es über den Stuhl, ehe sie sich gemeinsam an den Tisch setzten. Das Essen sah tatsächlich wesentlich besser aus, als alles, was sie hätte bestellen können; die Pommes waren knusprig, statt labberig, das Gemüse auf dem Burger frisch, der Bun anscheinend auch eine gebackene Eigenproduktion des Restaurants. Alles zusammen schmeckte derart gut, dass sie für den Moment sogar vergaß, dass sie eigentlich gar nicht in diese Welt gehörte und dass Chris irgendwo dort draußen auf ihre Hilfe baute, die sie ihm nicht bieten konnte. Während dieses Essens zählte nur, wie köstlich es war.

Allerdings war es durchaus seltsam, zu beobachten, wie Albert aß, besonders während sie dabei versuchte, sich vorzustellen, wie Wesker einen Burger aß. Die Vorstellung war aber derart abstrus, dass sie sogar selbst schmunzeln musste. Als ob ein Wesker jemals Fingerfood zu sich genommen hätte.

»Du siehst aus, als würdest du an etwas Lustiges denken«, bemerkte Albert.

»Es ist eher schräg. Und würde echt lange zum Erklären dauern.« Außerdem würde er ihr das vermutlich nicht einmal glauben und sie nur zurück ins Krankenhaus bringen, damit sie auch psychologisch begutachtet würde.

Glücklicherweise hakte er nicht nach. »Ich finde es gut, dass du wieder lächelst.«

Der Satz traf tatsächlich in ihre Brust und ließ diese warm werden. »Die letzte Zeit war ein wenig hart, ja. Aber vielleicht geht es wieder bergauf.«

Sobald sie wusste, wofür dieser Schlüssel war. Chris versteckte bestimmt etwas, das die Wende in seinem vermeintlichen Verrat brachte.

»Das würde ich hoffen.« Albert blickte auf sein Essen hinab. »Ich würde auch hoffen, dass du mein Angebot annimmst, und wir gemeinsam etwas tun, um Chris zu finden.«

Sollte sie ihm von Claires Besuch erzählen? Nein, vielleicht würde er dann nur darauf bestehen, dass sie den Schlüssel für irgendeine Untersuchung abgaben. Oder vielleicht – auch wenn sein bisheriges Verhalten nicht darauf schließen ließ – wartete er doch nur darauf, dass sie ihm etwas verriet, das dafür sorgte, dass Chris gefangen genommen werden konnte. Wollte sie das wirklich riskieren?

»Weißt du eigentlich etwas über seine Schwester?«, fragte sie stattdessen.

Albert kaute nachdenklich auf zwei Pommes. »Wenn ich mich recht erinnere, wurde sie mehrmals von der Gefahrenabwehr befragt. Aber anscheinend steht sie nicht im Kontakt mit ihm und weiß daher auch nicht mehr als alle anderen.«

Genau wie Claire es ihr gesagt hatte. Da beide Aussagen übereinstimmten, sollte sie davon ausgehen, dass es auch der Wahrheit entsprach.

»Warum fragst du eigentlich?«, hakte Albert nach.

»Ich habe vorhin nur an sie denken müssen.« Das klang hoffentlich nicht zu sehr nach einer Lüge. »Chris hat früher immer viel von ihr erzählt, deswegen …«

Alberts Mundwinkel zuckten ein wenig, als müsste er sich wieder erst unter Kontrolle bekommen. »Ja, stimmt. Und dir muss er ja noch mehr erzählt haben, eure Schreibtische waren direkt nebeneinander.«

Damit er nicht doch noch Verdacht schöpfte und sie außerdem ihre Neugier stillen wollte, wechselte sie das Thema: »Das ist jetzt vielleicht eine blöde Frage, weil ich es wahrscheinlich wissen müsste, aber du weißt ja, mein Kopf ...« Sie tippte sich demonstrativ gegen die Stirn. »Was ist mit deiner Familie?«

Er lächelte, aber es wirkte bedrückt. »Da musst du dir keine Sorgen machen, das habe ich tatsächlich noch nie erzählt. Aber da gibt es ohnehin nicht viel zu sagen, denn ich habe keine Familie. Meine Eltern sind gestorben, als ich noch sehr jung war, ich erinnere mich nicht einmal an sie.« Sein Blick ging an ihr vorbei, als starre er in die Entfernung, suchte eine Erinnerung, die einfach nicht existierte. »Andere Verwandte hatte ich sonst nicht. Also bin ich hier im Waisenhaus von Raccoon City aufgewachsen.«

Instinktiv legte sie ihre Hand auf seine. Er sah darauf hinab. »Es ist wirklich nicht weiter schlimm. Die Leute dort waren nett zu uns, wir hatten immer genug zu essen und man hatte einen guten Blick auf das R.P.D. Wahrscheinlich wollte ich deswegen immer dort arbeiten.« Er lachte kurz auf. »Ohne die Unterstützung von Umbrella wäre das vermutlich nicht möglich gewesen.«

Jills Körper verkrampfte sich augenblicklich. In ihrer Welt hatte Umbrella das Waisenhaus unterstützt, weil sie die Kinder für ihre Forschungen benutzten. War das hier genauso? Oder fühlte sich Umbrella als größte Industrie dieser Stadt nur dafür verantwortlich?

Albert bemerkte ihren Umschwung sorgenvoll. »Alles okay?«

Sie zog ihre Hand wieder zurück und atmete durch. Sie durfte keine voreiligen Schlüsse ziehen, sie musste offen für alle Möglichkeiten bleiben, wenn sie länger hier bleiben sollte. Wenn Umbrella wirklich unschuldig war, durfte sie nicht paranoid werden, das würde am Ende nur ihren Geist vernebeln und sie möglicherweise ihren Job kosten.

Albert runzelte seine Stirn. »Kevin hat mir gesagt, dass du ihn nach Umbrella gefragt hast. Denkst du immer noch, dass sie in Wahrheit hinter dem Arklay-Zwischenfall stecken?«

Sie fluchte innerlich über Kevins Mundwerk, das er anscheinend nicht geschlossen halten konnte. Aber immerhin verrieten ihr seine Worte, dass sie diesen Verdacht nicht das erste Mal ansprach. »Ist es denn so abwegig? Es war immerhin ihre Forschungseinrichtung.«

Und es war schon einmal geschehen, aber das fügte sie nicht hinzu.

»Na ja ...« Er wägte seine Worte sorgfältig ab. »Wir haben das Thema ja schon mehrmals besprochen. Ich bleibe dabei, dass es nicht unmöglich ist, dass Umbrella uns alle für dumm verkauft, nachdem der ungeplante Ausbruch geschehen ist. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Ich denke, das Unternehmen hat dabei zu viel zu verlieren.«

Sie biss sich auf die Unterlippe, um ihm nicht vorzuwerfen, dass das bedeutete, dass er sich durchaus vorstellen könnte, dass Chris ein Verräter sei. Einen derartigen Streit wollte sie nicht vom Zaun brechen. Schon gar nicht an diesem Abend, der bislang doch eigentlich gut verlief.

Albert wollte das offenbar auch nicht, denn er räusperte sich. »Ich denke, Umbrella ist wohl kein gutes Tischthema. Tut mir leid, dass ich sie wieder erwähnt habe.«

»Nein, ich wollte ja, dass du mir mehr über dich erzählst. Ich hätte nicht so reagieren dürfen.«

Seine Augen funkelten belustigt. »Okay, dann ignorieren wir dieses Thema fortan einfach, wenn wir so zusammensitzen. Wir können uns im Büro streiten, sobald du wieder fit bist.«

Er zwinkerte ihr zu, was die Stimmung sofort wieder entspannte. Sie lächelte ihm dankbar zu. Danach schwiegen sie beide wieder für einen Moment, den Jill nutzte, um einen weiteren Bissen ihres Burgers zu nehmen. Er wurde langsam kalt, schmeckte aber immer noch. Zu schade, dass sie sich das Essen wohl kaum öfter leisten könnte – oder dass dieses Restaurant in ihrer Welt sicher nicht mehr existierte.

Ein lautes Piepen aus Alberts Tasche beendete die Stille wieder. Er wischte seine Finger an einer mitgebrachten Serviette ab, dann zog er einen schwarzen Pieper hervor. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die Nummer auf dem Display. »Ich fürchte, da muss ich zurückrufen. Kann ich vielleicht dein Telefon benutzen?«

»Klar. Weißt du, wo es steht?«

Er nickte, während er bereits aufstand und tiefer ins Apartment hineinging; er musste also wirklich schon öfter hier gewesen sein. Wenn sie nur wüsste, was die andere Jill über ihn gedacht und für ihn gefühlt hatte … vielleicht sollte sie bei Gelegenheit nach einem Tagebuch suchen.

Sie lauschte unwillkürlich, als Albert am Telefon zu sprechen begann. Seine Stimme klang wesentlich strenger, emotionsloser, fast schon ein wenig wie der Captain Wesker, den sie aus ihrer Erinnerung kannte. Ein eiskalter Schauer lief ihren Rücken hinab, als sie sich vorstellte, dass er eigentlich doch dieser gnadenlose Killer war, der am Ende nur danach getrachtet hatte, ein Gott zu werden. Wäre er in der Lage, ihr einen netten, verliebten Mann vorzuspielen? Durfte sie ihm überhaupt vertrauen?

Das Gespräch selbst war unverfänglich genug. Es klang danach, als rede er mit jemandem, bei dem er eigentlich heute hätte vorsprechen sollen. So desinteressiert wie er dabei sprach, war ihr klar, dass er den Termin hatte platzen lassen, weil er ihn als unnötig betrachtete, denn: »Ich habe mich doch um alles gekümmert. Ryman hätte das gar nicht berichten müssen. Ja, das ist mir klar. Aber sie war nicht dienstlich da, deswegen …«

Ging es darum, dass sie im Büro bewusstlos geworden war? Hatte Kevin auch hier wieder ein wenig zu viel geredet und Albert deswegen in Probleme gebracht? Eigentlich war sie ja durch ihre Arbeit krankenversichert. Aber vielleicht gab es Ausnahmen? Es war lange her, dass sie den Vertrag gelesen hatte.

»In Ordnung«, gab Albert schließlich nach. »Morgen um 9 im Büro der Buchhaltung. Ist sonst noch etwas?«

Er lauschte. Wie gern hätte Jill gewusst, was ihm gerade erzählt wurde. Besonders, als er wieder etwas sagte, und seine Stimme dabei derart knurrig klang: »Nein, das wusste ich nicht. Aber ich kümmere mich darum. Bis dann.«

Das Auflegen des Hörers wurde von einem schweren Seufzen begleitet. Sie machte sich bereit, sich für etwaige Probleme zu entschuldigen, aber er blieb noch stehen, was sie wieder beunruhigte. Musste er erst wieder seine unschuldige Miene aufsetzen?

Als er schließlich zurückkam, blickte er sie ernst an. »Was ist das hier?«

Sie zuckte unwillkürlich zusammen. Seine Stimme hatte das Knurren von gerade verloren, aber dennoch erwartete sie, dass seine Augen jeden Moment zu leuchten anfingen, so wie die des Weskers in ihrer Welt. Ihr gesamter Körper spannte sich an, machte sich fluchtbereit. Deswegen begriff sie erst, was er meinte, als er Claires Zettel und den Schlüssel direkt vor ihr Gesicht hielt.

Jill hatte das Gefühl, dass jegliches Blut schlagartig ihr Gehirn verließ. Sie war nicht davon ausgegangen, dass Albert das Telefon benutzen würde, deswegen hatte sie die von Claire erhaltenen Sachen direkt daneben gelegt. Aber andererseits … woher wusste er, dass das verfängliche Dinge waren?

»Ich weiß nicht, was du meinst«, erwiderte sie, obwohl sie nicht glaubte, dass sie sehr überzeugend war.

Er knallte den Zettel und den Schlüssel auf den Tisch. »Verkauf mich nicht für blöd! Das ist das Motel, in dem Claire Redfield abgestiegen ist! Und der Agent, der sie beobachtet, sagt, dass sie heute bei dir war!«

Seine Worte dröhnten regelrecht durch das Apartment. Ihr Körper begann zu zittern, weil er plötzlich ihren Fluchtweg durch die Tür versperrte, was ihm nicht verborgen blieb. Er atmete durch, dann sprach er mit gepresster Stimme weiter: »Ist dir eigentlich klar, was das für Probleme für dich geben könnte? Wenn die Regierung denkt, dass du mit Chris unter einer Decke steckst, sperren sie dich bis an dein Lebensende ein!«

Die Wut schwand, dafür wirkte er verletzt. »Warum hast du mir das nicht erzählt? Ich dachte, wir wollten zusammenarbeiten.«

Sie erwiderte seinen Blick zerknirscht. Es war ihr unmöglich, ihm ihre Geschichte und ihr daraus resultierendes Misstrauen zu erklären. Deswegen blieb ihr nur ein Teil der Wahrheit: »Ich dachte, du würdest mir vielleicht raten, sie zu ignorieren oder es jemandem zu melden.«

»Und das sollte ich auch!« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber ich dachte, du vertraust mir. Du weißt, dass ich Chris genauso sehr helfen will wie du. Wir hätten darüber reden können.«

Sie wollte ihm entgegenschleudern, dass sie eben nicht wusste, ob er Chris helfen wollte, dass sie ihn eigentlich nicht mal kannte, dass er in ihrer Erinnerung ein Feind der gesamten Welt war und sich ihm deswegen nicht verpflichtet fühlte oder ihm richtig vertrauen konnte, egal, wie sehr sie es vielleicht wollte. Aber sie tat es nicht, sondern sah ihn nur an.

In diesem Moment wirkte er absolut nicht wie der verhasste Wesker, der über allem zu thronen geglaubt hatte; dieser Albert Wesker vor ihr war ein Mann, der getroffen und enttäuscht über einen Vertrauensbruch war, der sich mehr erhofft hatte, und sich nun Mühe gab, es nicht zu zeigen. Aber egal, wie sehr er seine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle behielt, seine hängenden Schultern und sein verletzter Blick verrieten genug.

»Es tut mir leid.« Das war alles, was sie sagen konnte.

Etwas in seinem Inneren schien zu brechen, er ließ die Arme wieder fallen. »Ja, mir tut es auch leid.« Seine Stimme klang hohl. »Ich hätte wissen müssen, dass du Chris immer vorziehen wirst.«

Damit griff er nach seinem Jackett, und verließ ihr Apartment ohne jedes weitere Wort.

Als die Tür hinter ihm zufiel, begann ihr Körper wieder zu zittern. Die Überreste der anderen Jill in ihrer Brust schmerzten, verlangten, dass sie ihm nachging, sich entschuldigte und erklärte, damit er nicht glaubte, dass es an ihm läge.

Doch sie blieb sitzen. Sie empfand es nicht als fair, diesem Mann, dem sie allein an diesem Tag mehrmals misstraut hatte, noch einmal Hoffnung zu machen. Er wirkte zu nett und aufrichtig, um ihn wiederholt durch diesen Strudel an Emotionen zu jagen, nur um ihn am Ende stets erneut zu zerstören. Vielleicht war es besser, wenn sie erst einmal Abstand zueinander hielten, damit sie sich darüber klar werden konnte, warum sie hier war.

Die Bruchstücke der anderen Jill in ihrem Inneren brannten vor Trauer. Sie barg ihr Gesicht in ihren Händen, als heiße Tränen über ihre Wangen liefen, die ihr verrieten, wie schwer ihr Weg fortan werden würde.
 



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