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The Tiger and the Wolf

von

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Ein verrückter Morgen

Das Klopfen wurde energischer. Scott bemerkte etwas Warmes und Weiches an sich und ein prüfender Blick auf seine Brust offenbarte ihm einen Luke, der ihn tatsächlich als Kopfkissen missbrauchte und dabei freizügig etwas Sabber auf seinem Shirt verteilt hatte. Auch er schien das Klopfen zu bemerken, denn er kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn.
 

„Was zum Geier ist denn?“, murmelte der Brite halbverschlafen.
 

„Master Luke“, drang es durch die geschlossene Zimmertür.
 

Jener Master Luke rückte ein wenig mit der Wange auf Scotts Brust hin und her, die Augen noch immer geschlossen, und schien die männliche Stimme von draußen einfach ignorieren zu wollen. Seine linke Hand wanderte dabei an Scott entlang und war kurz davor, eine äußerst intime Zone zu berühren, sei es bewusst oder unbewusst, als das Klopfen erneut einsetzte, dieses Mal energischer.
 

„Meine Güte, dann kommen Sie eben rein“, knurrte Scotts Anhängsel, machte aber noch immer keine Anstalten, sich von dieser Position wegzubequemen. Nicht einmal, als die Tür tatsächlich aufging und der Werwolf einem Mann, Ende seiner 50er, mit bereits ergrautem, leicht krausem Haar und einem rasiermesserscharf getrimmten Schnurrbart entgegenstarren konnte. Der Fremde hatte ein leicht eingefallenes, bereits von Falten durchzogenes Gesicht, dunkelgraue Augen und eine kerzengerade Nase. Von der Statur her hätte man ihn als hager bezeichnen können. Die Kleidung des Unbekannten wirkte äußerst überzogen: Eine schwarze Weste über einem blütenweißen Hemd, welches am Kragen mit einer schwarzen Fliege kombiniert worden war. Die dazu passende schwarze Samthose und blitzende Lackschuhe drängten Scott den Gedanken auf, sein Gegenüber würde sich gleich zu einer Gala-Veranstaltung oder einer Hochzeit begeben.
 

Geduldig bezog der Neuankömmling Platz vor ihrem Bett, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er nickte Scott leicht zu, der sich hastig daran machte, die Bettdecke noch mehr über sich zu ziehen, vor allem über seinen Intimbereich, der sich unangenehm eigenständig am Morgen gemacht hatte und dabei auch gleich über Lukes Hand, die knapp darüberlag.
 

„Master Luke“, erhob er erneut die Stimme. „Es ist wichtig.“
 

„So wichtig kann es gar nicht sein“, schnaubte Luke schlaftrunken. „Wir haben doch durchbesprochen, bei welchen Szenarien ich, trotz meines Besuches, zu wecken bin.“
 

„Haben wir“, bestätigte der Fremde.
 

„Sie haben keinen Green Lantern Ring gefunden?“
 

„Nein, Master Luke.“
 

„Dann hat Sie das Filmstudio auch noch nicht angerufen, auf dass ich einen Charakter in Dragonball synchronisieren darf?“
 

„Auch das nicht, Master Luke.“
 

„Die Marvel Filmstudios wollen mich als neuen Ironman?“
 

„Nein, Master Luke.“
 

Die ganze Situation war nicht nur grotesk, sondern auch hochpeinlich. Da stand ein Fremder in Lukes Zimmer, der Scott schlicht und einfach ausblendete und sich geduldig mit dem Hausherren unterhielt, während dieser nicht einmal den Anstand besaß, sich seinem Gesprächspartner zuzuwenden.
 

„Hat sich die Queen gemeldet?“ Luke befand es noch immer nicht als notwendig, sich von Scott herunterzubewegen; er kuschelte sich, dreisterweise, noch mehr an ihn. Mittlerweile war er auch dazu übergegangen, mit seiner Hand unter der Decke nach der des Werwolfs zu angeln und sie miteinander zu verschränken.
 

„Nein“, enttäuschte ihn der Mann erneut.
 

„Dann kann es nur Post sein und das schließe ich aus. Mercedes wird mich nicht als Testfahrer brauchen und der Langlaufkader auch nicht.“
 

„Nein, aber Ihr Fußballverein. Ihr Vater möchte Sie umgehend sprechen.“
 

Mit einem Schlag war Luke hellwach. Scott konnte so schnell gar nicht reagieren, als dass sein Gastgeber aus dem Bett gesprungen war und sich nach draußen drängte. Man hörte etwas im Flur krachen und der Werwolf war sicher, eine Vase oder ein anderer Gegenstand hatte dran glauben müssen. Der Fremde verzog keine Miene, als wäre er diese Prozedere bereits gewohnt. Sein Blick wanderte stattdessen auf Scott, der das ungute Gefühl hatte, dessen graue Augen würden ihn röntgen.
 

„Entschuldigen Sie bitte das unsanfte Wecken und auch, dass ich mich bisher nicht vorgestellt habe: Mein Name lautet Jonathan Davenport und ich bin der persönliche Butler von Master Luke. Er hat mir von Ihrer potentiellen Ankunft berichtet, es aber wohl verabsäumt, mich über Ihre Essenswünsche aufzuklären. Ich habe das Frühstück bereits angerichtet; sofern Sie englisches Breakfast nicht mögen sollten, werde ich mich umgehend daran machen, Ihnen etwas Anderes zu kredenzen.“
 

Jonathan neigte angedeutet seinen Kopf gegenüber Scott, der völlig überfordert das Gleiche tat.
 

„Ähm, freut mich Sie kennenzulernen, ich bin Scott“, gab er leicht schüchtern zurück. „Ich möchte Ihnen keine Umstände bereiten.“
 

„Sie bereiten mir keine Umstände. Master Luke bevorzugt als Hauptgang gebratenen Frühstücksspeck, Würstchen und Rührei. Ich wusste nicht, ob Sie Vegetarier sind, daher habe Ich auch für fleischlose Alternativen gesorgt.“
 

Wie der Butler nur so dastand und ihn vollkommen neutral anschaute, war irgendwie gruselig. Mal abgesehen davon, dass Scott zum Frühstück eigentlich nie Fleisch konsumierte. Wo blieb Luke denn? Ihm wurde die Situation nämlich mit jeder Sekunde unangenehmer. Der Mann ihm gegenüber wirkte einfach so steif und verklemmt…
 

„Ähm, danke, aber ich esse auch Fleisch.“ Scott kratzte sich hinter dem Ohr. „Sie sind also Lukes Butler? Was macht ein Butler so den ganzen Tag?“, versuchte er ein Gespräch zu starten. Natürlich hatte er Geschichten über Butler gehört, doch das wirkte so phantastisch, vor allem bei einem 17-Jährigen.
 

„Ich kümmere mich um den Haushalt und die persönlichen Belange Master Lukes. Ersteres fällt in der Wohnung größtenteils weg, da eigenes Raumpflegepersonal mit der Hygiene betraut ist. Letzteres sind Aspekte, die ich Ihnen nicht erzählen kann und werde. Entschuldigen Sie bitte. Meine üblichen Aufgaben umfassen aber, neben der Wäsche, dem Kochen und teilweise der Terminverwaltung, auch Tätigkeiten als Fahrer und ich wäre ebenso in der Lage, einen etwaigen Garten zu pflegen.“
 

Das war doch verrückt. Vor ihm stand ein Mann, der sein Großvater hätte sein können und erklärte ihm, was er für Luke nicht alles tun würde oder könnte. Nicht, dass Scott nicht danach gefragt hätte; es erschien einfach nur absolut surreal. Bei dem Gedanken an seinen Großvater, bildete sich ein Kloß in seinem Hals.
 

„Darf ich Sie fragen, ob Lukes Grandpa auch beim Frühstück ist?“ Scott hatte ehrlich gesagt keine Lust darauf, sich länger als nötig mit Gerard abzugeben.
 

„Master Lukes Großvater hat sich für heute entschuldigt. Er hat eine wichtige Therapiesitzung, soweit ich informiert bin. Sie werden daher heute alleine sein.“ Jonathan zupfte ein wenig an seiner Fliege herum und legte die Hand wieder zurück auf die andere, hinter seinem Rücken. Sein Gesichtasudruck war noch immer vollkommen neutral. „Sofern Sie nichts weiter von mir benötigen, würde ich mich zurückziehen.“
 

Das klang beinahe zu gut, um wahr zu sein: Gerard war nicht hier. Entweder, der alte Mistkerl hatte das so geplant oder bei diesem Umstand handelte es sich tatsächlich um einen glücklichen Zufall. Scott schob diesen Gedanken fürs Erste beiseite und konzentrierte sich darauf, dass er noch immer mit einem fremden Endfünfziger das Zimmer teilte.
 

„Äh, ich denke nicht?“
 

„Gut. Im Badezimmer liegen frische Handtücher bereit und ich habe mir erlaubt, Ihnen einen eigenen Becher für Ihre Zahnbürste zuzuweisen.“ Damit ließ ihn Jonathan alleine.
 

Wow, er war schon bei einem persönlichen Becher für seine Zahnbürste, die obendrein noch geliehen war. Wenn jetzt noch der Hauschlüssel folgte und ein eigener Pyjama, dann konnte er sich ganz sicher sein, dass Luke und er ein Pärchen waren. Kopfschüttelnd stand er auf und rieb sich mit den Handballen die Augen. Der Traum steckte ihm noch immer in den Knochen. Diese Emotionen, diese Gefühle, diese Vertrautheit – das hatte sich so real angefühlt. Wusste Luke von seinem Geheimnis? War er ein Jäger?
 

Diese Fragen verloren in jenem Moment an Bedeutung, in dem Luke auf der Türschwelle erschien und sich Scott sogleich an den Hals warf. Bevor er nachhaken konnte, was denn passiert sei, wurde er auch schon stürmisch geküsst. Kurz versteifte er sich, lehnte sich dann aber in den Kuss und musste sich ein Lächeln verkneifen: Er mochte es so begrüßt zu werden.
 

„Ich bin in der engeren Auswahl für ein Freundschaftsspiel im Sommer“, strahlte Luke ihm atemlos entgegen.
 

„Herzlichen Glückwunsch?“, gratulierte ihm Scott vorsichtig. Für ihn war Fußball noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Freundschaftsspiele waren doch nichts Besonderes, oder?
 

„Ich freue mich so!“ Der Dunkelblonde stahl sich erneut einen Kuss und nahm den Alpha bei den Händen. „Das ist der schönste Tag in meinem Leben.“ Dabei streckte er sich ein wenig und schenkte Scott einen zärtlichen Blick: „Ohne dich wäre er nur halb so schön.“
 

Jener Angesprochene schmolz bei diesen Worten förmlich dahin. Wie Luke es gesagt hatte, das Zittern in seiner Stimme, die Aufregung, die Zuneigung und vor allem die Liebe, waren geradezu greifbar gewesen.
 

„Komm, machen wir uns fertig und gehen dann frühstücken. Ich habe einen Bärenhunger!“
 

Damit wurde Scott auch schon ins Badezimmer gezogen, wo ein roter Glasbecher mit seinen Initialen markiert worden war. Gleiches galt für die Zahnbürste, bei der ihm versichert wurde, sie würde alsbald durch ein elektrisches Modell ersetzt werden. Kaum, dass die Mundhygiene erledigt war und sie sich umgezogen hatten, gingen die beiden auch schon nach unten, wo bereits gedeckt worden war: Auf dem Tisch befanden sich, nebst Orangen-, Grapefruit- und Granatapfelsaft, zwei Schalen mit Porridge, Pancakes, Teller mit Frühstücksspeck, Würstchen und Spiegel- sowie Rühreiern, eine Kanne mit Earl Grey Tee, eine mit Kakao und eine mit Kaffee, aufgeschnittener Toast, geröstet und naturbelassen, nebst Butter, Honig, Marmelade und ein kleines Kännchen mit Milch, sowie ein Zuckerdöschen. Scott hatte fast mit einem ähnlich verzierten Geschirr gerechnet, wie Lukes restliche Essutensilien, doch das Frühstücksinventar schien davon verschont geblieben zu sein. In einer großen Obstschüssel türmten sich Orangen, Mandarinen, Äpfel und Bananen auf.
 

„Greif zu“, bedeutete ihm Luke, sich zu bedienen, nachdem sie sich hingesetzt hatten.
 

„Danke“, meinte Scott nur, erschlagen von der Fülle an Essen, ehe er sich daran machte, eine Tasse Kaffee einzuschenken. „Du isst das alles normalerweise alleine?“
 

„Nein, wir sind eigentlich zu dritt: Jonathan, Grandpa und ich. Die Pflegerin bleibt in ihrem Zimmer, ich will nämlich beim Frühstück meine Ruhe haben“, meinte sein Gegenüber leichthin.
 

„Ist das nicht ein wenig ungerecht?“ Der Werwolf zog die Schale mit Porridge heran und stocherte darin ein wenig herum, bevor er probierte und es als gut befand.
 

„Zu meiner Familie gehört sie nicht und wird sie auch nie. Wenn Hakim hier wäre, würde er uns noch Gesellschaft leisten, aber ansonsten…“ Luke nippte an seinem Glas mit Granatapfelsaft und machte sich dann über sein Porridge her.
 

„Und wo ist Jonathan heute?“, erkundigte sich Scott und nahm dabei selbst einen Löffel Getreide in den Mund.
 

„In seinem Zimmer. Ich wollte eigentlich nicht, dass du mit ihm in Berührung kommst, zumindest jetzt noch nicht.“
 

„Warum? Ich dachte, du magst ihn?“ Das war gerade leicht verwirrend. Gestern noch hatte Luke über seinen Butler geschwärmt und gemeint, er würde sich auch auf ihn freuen und jetzt versuchte er, ihn von ihm fernzuhalten.
 

„Natürlich mag ich Jonathan, doch ist das bei uns beiden etwas anderes. Wenn du dich mit ihm unterhalten willst, dann ruf einfach nach ihm“, erklärte er ihm zwischen zwei Bissen, die er mit einem weiteren Schluck Saft hinunterspülte.
 

Scott sparte sich jeglichen weiteren Kommentar und konzentrierte sich aufs Essen. Ihm brummte der Schädel und das lag nicht nur an diesem verwirrenden Traum. Er war einfach heillos überfordert. In dieser Welt aus Dekadenz und Prunk, die sich zwar in diesem Bereich in Grenzen hielt, fühlte er sich ziemlich deplatziert. Nichts schien hier normal zu sein und es wirkte noch immer furchtbar steril. Sein Zuhause war kleiner, aber deutlich heimeliger.
 

Auf das Porridge folgte der warme Teil, bei dem sich Luke für Fleisch und Ei entschied, während der Alpha lieber zu den Pancakes griff, die auch extrem gut schmeckten. Abgerundet wurde das Frühstück dann mit einer Tasse Earl Grey, die Luke für sich mit Milch und für ihn mit Zitrone verfeinerte. Ihr Gespräch drehte sich um das anstehende Freundschaftsspiel und über die Schule, den anstehenden Chemietest und das Lacrossetraining. Scott verzichtete darauf, Luke in die Mannschaft zu ködern; das konnte der Coach schön selbst machen.
 

„Ich glaube, Hakim würde dich lieben“, wechselte Luke das Thema.
 

„Denkst du?“ Scott gab einen kleinen Löffel Zucker in seinen Tee und rührte darin herum. Mehr zu essen wäre unmöglich gewesen. Es wunderte ihn, dass die Knöpfe seiner Jeans noch nicht davongesprungen waren. Jonathan schien ein exzellenter Koch zu sein.
 

„Klar. Du bist ein guter Mensch und das merkt er.“ Der Brite nippte an seiner Tasse. „Außerdem gehörst du zu mir, damit beschützt er dich genauso wie mich.“
 

Ein Lächeln stahl sich auf die Züge des Werwolfs, der nichts weiter sagte und sich seinem Getränk widmete. Das klang ganz so, als würden Luke und er miteinander gehen. Nach mittlerweile fünfeinhalb Tagen. Sollte es dafür nicht zu früh sein? Unweigerlich strich er sich über den Oberarm: Bei einem Seelengefährten war es nie zu früh. Nur waren sie das jetzt oder nicht?
 

„Luke?“, fragte er vorsichtig und sah von seinem Mal zum Angesprochenen.
 

„Hm?“ Dieser rührte mit einem kleinen Löffel ein wenig in seiner Tasse herum.
 

„Du hast mein Seelenmal doch schon gesehen, oder?“
 

„Habe ich“, bestätigte er ihm nickend. „Ein L und ein A. Damals schon, in der Umkleide.“
 

„Deine Initialen sind aber ein L und ein T, es sei denn, du würdest gar nicht Taylor heißen, sondern anders. A wie…“
 

„Du meinst, ob ich Argent heiße?“ Luke schüttelte traurig den Kopf. „Nein, ich heiße nicht Argent, Scott. Mein Name ist Taylor.“ Das war keine Lüge, denn sein Puls blieb gleichmäßig. „So sehr ich es mir auch wünschen würde.“ Seine Stimme war erfüllt von Trauer und auch Sehnsucht.
 

„Dann sind wir aber keine Gefährten“, stellte Scott leicht enttäuscht fest.
 

„Nein, sind wir wohl nicht.“ Ein Seufzen entwich dem Briten und er stellte die Tasse auf dem bereitliegenden Unterteller ab. „Ist das für dich schlimm?“
 

Nein, das war es nicht. Nur erklärte es damit auch nicht, warum sie sich so zueinander hingezogen fühlten. Fast hätte sich Scott gewünscht, dass Luke einfach log. Ihm bewusst verschwieg, warum auch immer, wie sein wahrer Name lautete. Doch bisher war der Junge nicht in der Lage gewesen, ihn anzulügen und würde es auch jetzt nicht können, zumal er es sich selbst zu wünschen schien.
 

„Nein, es ist nur“, er suchte nach den richtigen Worten, „Allison war auch nicht meine Gefährtin und es ist am Ende, unter anderem, wegen Isaac in die Brüche gegangen.“ Diese Wunde würde sich nie ganz schließen, das war ihm bewusst. Er hatte Allison ein Stück seines Herzens geschenkt und obwohl Luke in der Lage war, diesen Kummer zu minimalisieren, so war er doch noch immer präsent, zumindest in diesem Moment.
 

„Das wird dir bei mir wohl kaum passieren, Scott.“ Luke griff über den Tisch und legte seine Hand auf die von Scott und schaute ihm tief in die Augen: „Ich kann meinen Seelengefährten sowieso nicht mehr finden. Wenn, dann würdest eher du mich verlassen.“
 

„Würde ich niemals“, entgegnete der Werwolf sofort. Er hatte Allison auch nicht verlassen wollen und würde diesen Fehler kein zweites Mal begehen.
 

„Das weißt du nicht. Die Liebe zu einem Seelengefährten soll schöner sein als alles, was man fühlen kann. Sie lässt einen Berge versetzen und selbst die schwersten Lasten auf den Schultern tragen. Dein Seelengefährte ist dein Spiegelbild und doch das genaue Gegenteil von dir. Ihr ergänzt euch perfekt und du würdest mich beim kleinsten Wimpernschlag von ihm oder ihr einfach links liegen lassen.“ Luke klang dabei fast ein wenig melancholisch.
 

„Du redest, als hättest du das bereits einmal erlebt“, stellte Scott fest und drehte seine Hand unter der von Luke so, dass ihrer beider Innenflächen einander berührten. Ein kleiner Schauer jagte bei dieser Geste über seinen Rücken. Das hier war doch nicht normal, kein normales Verliebtsein.
 

„Nicht so wie du denkst.“ Mit der freien Hand griff Luke erneut nach seiner Tasse und nippte daran, bevor er sie wieder, mit einem leisen Klirren, auf dem Unterteller abstellte. „Ich habe mal jemanden gekannt, den ich sehr geliebt habe. Er war groß, stark und der bis dahin hübscheste Kerl, den ich jemals gesehen habe. Eine perfekte Hülle, verschmolzen mit der Seele eines furchtlosen Kriegers. Ein guter Lehrer und wahrscheinlich ein noch besserer Seelengefährte. Er hat die schwierigsten Dinge vollbracht. Damals hätte ich mein Leben für ihn gegeben und meine Seele, wenn mich das in den Besitz seiner Liebe gebracht hätte. Ein einziger Blick von ihm reichte aus, um mir die Knie weich werden zu lassen. Seine Narben waren kein Zeichen der Schwäche, wie bei mir, sie verschandelten den makellosen Körper nicht – er war nicht dazu geboren, gezähmt zu werden, auch nicht geliebt zu werden und schon gar nicht, um zu lieben. Ein wahrer Krieger bindet sich nicht an einen schwächeren Gefährten; dieser würde nur ein Hindernis werden, ein Joch, das ihn zurückhält und deswegen waren wir nicht füreinander geschaffen. Ein kleines Stück von mir wird immer bei ihm sein und wir beide, sowohl Hakim, als auch ich, vermissen ihn.“
 

Das Verlangen nach diesem Fremden war kaum zu überhören. Ein Teil von Scott war eifersüchtig, ein weiterer verstand nicht, warum dieser Mensch sich nicht in Luke hatte verlieben können und der letzte fragte sich, was passiert sein musste, dass sein Gesprächspartner so schwermütig geworden war und das binnen Sekunden.
 

„Aber das ist Vergangenheit“, stellte Luke fest und strich mit den Fingerspitzen über die von Scott. „Ich habe jetzt dich und bin mit dir glücklich. Wobei ich ein wenig nervös bin.“
 

„Warum?“
 

„Du wärst mein erster fester Freund und ich weiß nicht, wie ich deiner Mutter begegnen soll. Was macht man als Freund des Sohnes denn? Soll ich ihr etwas kaufen? Ein Designerkleid? Ein Brillantcollier? Habt Ihr überhaupt so etwas wie einen anständigen Schneider beziehungsweise einen Juwelier in der Stadt?“
 

„Hör auf“, schmunzelte Scott und schüttelte, zu Lukes offensichtlichem Unverständnis, den Kopf. „Mom mag dich und wird dich auch so mögen, ohne teure Geschenke. Keiner von uns beiden ist auf dein Geld aus“, stellte er auch gleich klar. Luke hatte bei Melissa einen guten Eindruck hinterlassen und für seine Mutter würde es kein Problem sein, wenn er mit einem Jungen nach Hause käme.
 

„Du bist mir aber wichtig und deine Mom damit auch. Ich mag sie. Sie war so nett zu mir.“
 

„Ihr habt euch doch nur eine Stunde gesehen?“ Der Werwolf legte den Kopf schief.
 

„Das hat gereicht, aber lassen wir das. Ich werde mich aber dennoch erkenntlich zeigen, ja? Wenn ihr etwas braucht, lasst es mich wissen.“ Der Brite strich zärtlich über Scotts Handfläche und spielte mit dessen Fingerspitzen.
 

„Wir brauchen nichts, wirklich.“ Scott bette seine andere Hand auf der von Luke und schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Wir haben einander.“ Das stimmte zwar nicht ganz, denn Melissas Auto würde bald den Geist aufgeben, genauso wie einige Reparaturen am Haus anstanden, doch er wollte sich nicht von Luke aushalten lassen. Das wäre falsch gewesen. Seine Mutter würde das auch nicht wollen, das wusste er.
 

„Du glaubst aber nicht, dass ich mir deine Liebe erkaufen will?“, wollte Luke leise wissen.
 

„Natürlich nicht, wie kommst du denn darauf?“, lautete die bestürzte Gegenfrage. Scott runzelte die Stirn und seine Augenbrauen wanderten dabei nach unten. Was war das für eine seltsame Frage?
 

„Nur so“, meinte der Brite halbherzig. „Das heißt, wir sind jetzt zusammen? Trotz dieser kurzen Zeitspanne?“
 

„Scheint so, hm?“
 

„Wow – cooles Gefühl.“ Luke grinste glücklich. „Mein fester Freund, Scott McCall. Klingt gut.“ Er schlug die Augen nieder und rieb sich mit der freien Hand den Oberarm. „Wenn deine Mutter zuhause ist, erzählst du es ihr dann?“
 

„Ich denke schon, warum?“
 

„Darf ich dabei sein? Ich meine… ich würde mich dann noch einmal vorstellen, aber anders und ich schulde ihr außerdem noch etwas für die Pancakes, wie ich auch den Teller zurückbringen muss.“ Er klang dabei leicht nervös und sah auch danach aus.
 

„Du schuldest Mom gar nichts“, korrigierte ihn Scott. „Sie wird sich nur ein wenig wundern, weil es so schnell gegangen ist.“
 

„Lass das meine Sorge sein – ich weiß, schon was ich ihr schenke. Wir könnten ihr etwas zum Essen mitnehmen, hm?“
 

„Das würde sie sicher freuen.“
 

„Gut, dann würde ich vorschlagen, wir machen uns fertig und fahren dann ins Einkaufszentrum, hm?“
 

„Einverstanden.“
 

Luke stand auf, entwand sich Scotts Griff und küsste ihn auf die Wange. „Ich liebe dich.“
 

„Ich dich auch“, lautete die glückliche Antwort und sie kam von Herzen.



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