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ANEMIA

(Association of Nocturnal Entities of Moral Individuality and Anachronism)
von

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KATZEN

Da Tatsu und Maki Telefonnummern getauscht hatten, konnte Tatsuya dem anderen mitteilen, dass dessen Einkäufe von neulich noch bei ihm auf Maki warteten. Die hatte die Werkatze durch Tatsus hektisches Verschwinden nämlich ganz vergessen und Tatsu war es offenbar nicht anders ergangen.

Um ehrlich zu sein hatte Maki sich nicht getraut, Tatsuya von sich aus zu kontaktieren. Aus Scham, aus Schulgefühlen, insbesondere wegen Letzterem. Er hätte nur zu gut verstehen können, wenn Tatsu nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Okay, vielleicht wollte er dies auch nicht. Doch geschenkt war geschenkt, und so war es nur anständig, Maki seine Sachen bei ihm abholen zu lassen.

Tatsu war anständig. Im Gegensatz zu Maki.
 

So machte er sich zur verabredeten Zeit auf den Weg zu der genannten Adresse und wartete, bis Tatsuya ihm öffnete. Crossfaiths Drummer trug einen plüschigen, braunen Hoodie, so wie er vor Maki stand, aber Maki war viel zu sehr mit etwas anderem beschäftigt, als sich zu wünschen, sich an den flauschig aussehenden Tatsu zu kuscheln. Anstelle suchte er nach Hinweisen für das, was Fuji über Tatsu behauptet hatte. Suchte in seinem Gesicht. In seinem Duft. Senkte dann aber den Kopf, als er befürchtete, dass er ihn zu aufdringlich angaffte.

Tatsuya schien nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte; er hielt Maki seine Tüten hin.

"Man sieht sich dann vielleicht."

Makis Tun hatte eine Distanz zwischen ihnen errichtet. Was Maki schmerzte, er aber verstehen konnte. Für Tatsu musste er ein Perverser sein. Cool, wenn jemand, den man irgendwie toll fand, so über einen dachte. Zumindest dann, wenn 'Perverser' einen negativen Beigeschmack für die Person hatte. Aber hier ging es nicht um Maki. Hier ging es um Tatsu. Und deshalb galt es für die Werkatze, Eier zu beweisen. Jetzt und hier. Eine andere Gelegenheit würde sich nicht bieten.

"Ich muss mit dir reden", kündigte er deshalb an.

"Wenn es wegen der Bar ist..."

"Nee, darum geht's nicht." Maki straffte die Schultern und atmete tief durch. "Lässt du mich bitte kurz rein?"

Tatsuya schien zu überlegen, ob er einen Perversen in seiner Wohnung haben wollte, zumindest deutete Maki seinen skeptischen Blick auf diese Weise, doch schließlich trat er von der Tür zurück und machte dem anderen mit dem Anflug eines Lächeln Platz. Schnell zog sich Maki die Schuhe aus und trat in den Flur.

"Willst du was trinken?", fragte Tatsu der Höflichkeit halber, aber Maki schüttelte den Kopf.

"Setz' dich. Irgendwo. Ich muss dir was zeigen, und du wirst denken, dass du besoffen bist oder so, aber es ist wichtig und du musst mir vertrauen." Maki sah Tatsu flehend auf seinen blauen Augen an. "Bitte."

Die Ankündigung klang nicht gerade vertrauenserweckend, sondern schon wieder wie die eines Perversen, das wusste Maki natürlich. Aber er wusste nicht, wie er Tatsu anders auf dieses Gespräch vorbereiten sollen. Das war wirklich eine vertrackte Sache.

Tatsuya hockte sich also schweigend auf die Couch nach einem kurzen Zögern und sah Maki abwartend an. Die Art und Weise, wie er es tat, ließ in Maki den Verdacht aufkommen, dass Fuji tatsächlich Recht hatte.
 

Im nächsten Moment war Maki verschwunden - und an seiner Stelle kauerte eine schwarze Katze auf dem Boden, mit stechend blauen Augen.

Maki konnte beobachten, wie Tatsus Kinnlade nach unten klappte. Wie er sogar zurückwich und ihn vollkommen entgeistert anstarrte.

"Sorry, aber anders würdest du mir das nicht glauben", sagte die Katze mit Makis normaler Stimme und zuckendem Schwanz. "Deswegen musste ich dich ins kalte Wasser schubsen."

Tatsu konnte noch immer kein Wort herausbringen. Deshalb verwandelte sich Maki rasch zurück - um dann splitterfasernackt im Raum zu stehen, nur mit seinem Schutzsilber in Form von Ringen, Ketten und Piercings am Körper. Wie ein Perverser. Es war jedoch nicht so, als ob Maki dies nicht ebenfalls unangenehm gewesen wäre, deshalb presste er sich die Hände vor den Schritt und zog sich hinter die Couch zurück, um dort in seinen Einkaufstüten zu wühlen. Shorts, Croptop und halterlose Strümpfe waren zwar etwas gewagt, um so auf die Straße zu gehen, aber das interessierte ihn im Moment herzlich wenig. Allerdings musste er kurz an Fuji denken. Maki hätte sich gewünscht, dass er glasige Augen aufgrund dieses Outfits bekommen hätte. Aber Fuji war bekanntlich ein Kostverächter.
 

"Ähm, ja...", begann Tatsu ratlos, als Maki neben ihm saß. Er sah noch immer verstört aus, was Maki leid tat. Er hatte ihn nicht so schocken wollen. Aber der Zweck heiligte die Mittel.

"Du hast gesehen, dass ich mich in eine Katze verwandeln kann", begann Maki also. "Ich weiß nicht, ob du an übernatürliche Dinge glaubst, aber es spielt auch gar keine Rolle, denn sie existieren. Und du hast es mit eigenen Augen gesehen, richtig?"

Tatsu zögerte, nickte dann aber. Dann schob er sich geistesabwesend eine Zigarette zwischen die Lippen. Maki ließ ihm die Zeit, um ein paar Züge zu nehmen und seine Nerven zu beruhigen. Schließlich bot er sogar Maki schweigend eine Kippe an. Die er ablehnte.

Tatsu wusste es also nicht. Tatsu war noch nie in Berührung mit einer Werkatze gekommen. Es war Neuland für ihn. Genau, wie Maki es sich gedacht hatte. Er klemmte die Hände zwischen die Schenkel. Überlegte, wie er fortfahren sollte.

Die harte Tour, einmal mehr.

"Ich...also, eher Fuji, mein...Herr", stammelte er zusammen und räusperte sich. "Fuji ist ein Vampir, und er meinte, du wärst auch wie ich. Eine Werkatze."

Tatsuya schüttelte den Kopf. Sah auf seine Hände, als ob er sich zum ersten Mal sah. Sein Weltbild stürzte gerade ein. Das war normal.

"Das kann nicht sein. Ich..." Er ließ die Schultern sinken. Maki legte seine Hand auf seine linke.

"Manche von uns entdecken erst sehr spät, was sie sind. Oder auch gar nicht. Viele werden erst von anderen darauf aufmerksam gemacht...weißt du denn, wer deine Eltern sind?"

Tatsuya nahm einen erneuten Zug von seiner Zigarette, blies den Rauch aus.

"Ich kenne meine Mutter nicht", vertraute er Maki dann an. "Nur meinen Vater."

Maki presste die Lippen aufeinander. Der arme Tatsuya würde noch viele Dinge zu hören bekommen, die ihn schocken würden.

"Katzen sind für gewöhnlich Einzelgänger, deshalb binden sie sich auch nicht." Er seufzte. "Ich habe nur einen Herrn, weil Vampire meinen, sie stehen in der Rangfolge ganz oben, über anderen übernatürlichen Wesen, und es ist zumindest bei dem Clan, dem Fuji angehört, Brauch, dass hochrangige Vampire sich Wertiere und so als Sklaven halten dürfen..."

Maki sah, dass Tatsuya die Augen schloss. Es war ihm zu viel. Maki wusste das. Aber er musste es ihm erklären, jetzt. Bevor es zu spät war.

"Okay, das ist gar nicht so wichtig. Aber du musst vorsichtig sein. Auch wenn du dich vielleicht nicht verwandeln kannst, könnte dich jemand...na ja, einfach zu seinem Eigentum machen." Aber das wird nicht passieren, niemals, weil ich auf dich aufpassen werde, fügte Maki in Gedanken hinzu. Er fühlte sich nun für Tatsu verantwortlich. Und er wollte ihn beschützen.

Nun schaute Tatsuya ihn erschrocken an. Maki konnte nicht anders und nahm ihn in den Arm. Der Pullover war so kuschelig und die Umarmung an sich so angenehm. Maki konnte sich nicht daran erinnern, jemals jemanden umarmt zu haben. Oder umarmt worden zu sein. Fuji tat solche Dinge nicht, und er solche Dinge nicht mit Fuji. Zumindest nicht ohne sexuellen Unterton.

Tatsuya erwiderte sie jedoch kaum. Auch das war verständlich. Er brachte ja kaum mehr ein Wort heraus.

Als Maki sich wieder zurückgezogen hatte, lag etwas Entschlossenes in den blauen Katzenaugen, die sich auf Tatsus blauen Katzenaugen fokussierten.

"Du hast dich nie gefragt, warum du als Japaner blaue Augen hast?"

Tatsu zuckte die Achseln.

"Doch, schon, aber ich dachte, es wäre eine Pigmentstörung...das meinten auch die Ärzte..."

Maki lächelte sanft.

"Du bist ein Kätzchen, Tatsuya." Er legte seine Hand auf Tatsus Knie. "Das ist eigentlich etwas sehr Schönes, weil Katzen tolle und faszinierende Tiere sind. Eigensinnig, stolz, intelligent..." Er holte Luft. "Wenn du nie irgendwas gemerkt hast, von dem, was du bist, dann...warst du also auch noch nie rollig?"

Tatsuya lachte auf. "Was?"

Maki errötete ein bisschen.

"Werkatzen haben das alle paar Monate, dass sie...eben total spitz sind und unbedingt Sex brauchen, tagelang. Sonst sterben sie an dem Fieber."

"Hört sich eher nach Teru an, seitdem er mit Yoko und Ryo zusammen ist...", überlegte Tatsuya laut und sogar etwas amüsiert. Die Grübchen in seinen Wangen waren wieder da, was Maki ein warmes Gefühl bescherte. Dann schüttelte Tatsu wieder den Kopf. "Nee. So bin ich nicht. Sex ist mir nicht so wichtig...auch wenn manchmal was mit Kazu läuft..."

Maki wunderte dies ein wenig, aber er hinterfragte es nicht weiter, sondern fuhr fort.

"Dann...wirst du also auch nicht feucht?"

Tatsu zog den Kopf zurück und starrte Maki schon wieder völlig entgeistert an. Und Maki war nun mit Sicherheit knallrot. Schließlich klärte er Tatsu gerade auf.

"Na ja...Werkatzen sind alle das, was Menschen als männlich bezeichnen würden...aber manche von ihnen können dennoch Kinder bekommen." Er senkte den Kopf. "So wie ich. Das sind Omegas. Wir haben zwar männliche Geschlechtsorgane, aber eine Gebärmutter..."

Tatsuya schluckte, war recht bleich geworden. "Okay..."

"Vielleicht bist du aber auch Alpha", räumte Maki leise ein und drückte Tatsus Knie, sah ihn nun trotz roter Wangen direkt an. "Egal. Ich helfe dir, alles herauszufinden über dich. Und ich passe darauf auf, dass dir die Blutsauger nicht ans Leder gehen." Makis Augen wurden schmaler vor Entschlossenheit.

Tatsuyas Mundwinkel zuckten leicht. Hilflos, aber hoffnungsvoll. Und dankbar.



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