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Mundus vult decipi, ergo decipiatur

Die Welt will betrogen werden, also soll sie betrogen werden
von

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Es gab vermutlich wenige Frauen, die Coriolanus so wenig ausstehen konnte wie Livia Cardew. Schon während ihrer Schulzeit war sie ihm oft ein Dorn im Auge gewesen. Mehr als nur einmal hatte sie ihn dafür verspottet, Waise zu sein und auch während der Zehnten Hungerspiele hatte sie sich nicht gerade von ihrer besten Seite gezeigt.

Das alles waren Gründe, weshalb Coriolanus sich vorgenommen hatte, sie zu heiraten.

Er hatte aus dem Drama mit Lucy Gray gelernt. Sie hatte ihn ausgenutzt, ihm den Kopf verdreht, und Coriolanus würde nicht noch einmal so töricht sein, auf eine Frau auf diese Art hereinzufallen.

Livia war perfekt in all den Punkten, die sie in seinen Augen unperfekt machten. Sie war unsympathisch und herrisch. In seinen Augen war sie nicht einmal übermäßig schön. Livia war gewiss nicht hässlich, doch ihr Charakter stieß Coriolanus ausreichend ab, dass ihm all die anderen Frauen auffielen, die er schöner fand als sie.

Kurzum: Livia Cardew war exakt die Frau, die er brauchte. In den letzten Jahren hatte Coriolanus sich einen festen gesellschaftlichen Status erarbeitet, nicht zuletzt dank Strabo Plinth, der ihm den Weg geebnet hatte. Was er noch brauchte – am besten vor seiner Vereidigung als Präsident, die nur noch eine Frage der Zeit war – war eine Frau an seiner Seite. Eine Frau aus gutem Hause, die eine gute Partie abgeben würde.

Sie wusste noch nichts davon, dass er sie als seine Zukünftige auserwählt hatte, aber das war im Grunde genommen lediglich noch eine Formalität.
 

***
 

Der Geburtstag von Präsident Ravinstill war ein Anlass, bei dem die High Society des Kapitols zusammenkam. Natürlich waren weder Kosten noch Mühen gescheut worden. Avoxe liefen durch den großen Ballsaal, boten den Gästen Essen und Getränke an, und es fehlte an nichts. Der Saal erstrahlte in den buntesten Farben; aktuell lag besonders Lila im Trend. Man sah es in den Haaren und Kleidern der Leute, auf ihren Lippen und in ihren Augen.

Livia folgte dem Trend nicht, aber es schadete ihr nicht. Coriolanus warf ihr einen verstohlenen Blick zu, als sie durch den Saal schritt. Ihr smaragdgrünes Kleid war lang und hatte einen aufregenden Schnitt, der die richtigen Stellen betonte, ohne gleichzeitig zu viel preiszugeben. Immerhin war Livia eine Cardew, trug ihren Namen mit Stolz, und würde nicht wie eine billige Prostituierte herumlaufen.

»Livia«, begrüßte er sie höflich und nickte ihr zu.

»Coryo.« Ihre Stimme klang steif, aber nicht abweisender als sonst. Sie hatten sich noch nie sonderlich nahegestanden. »Man hört ja in letzter Zeit Einiges über dich. Wann ist es soweit mit deiner Beförderung zum Obersten Spielemacher?«

»Oh, es steht noch gar nicht fest, ob ich diese Beförderung bekomme. Aber Dr. Gaul hat bereits angekündigt, dass dieses Jahr ihr letztes Jahr sein soll.«

»Coryo … Immer so bescheiden«, schaltete sich Vipsania Sickle ein und legte eine Hand auf seinen Oberarm. »Natürlich wirst du der nächste Oberste Spielemacher. Jeder weiß, dass du schon lange der Liebling von Dr. Gaul bist. Und irgendwann wirst du Präsident von Panem sein, nicht wahr?«

Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Nun, so weit möchte ich noch nicht gehen.« Aber Recht hatte Vipsania damit natürlich. Selbstverständlich würde Coriolanus Präsident von Panem werden. Das war ihm schließlich in die Wiege gelegt worden.

Snow landet immer oben.

Vipsanias Lachen war ein bisschen zu schrill als dass es ehrlich wirkte. Coriolanus könnte schwören, Livia im Hintergrund die Augen verdrehen zu sehen und in diesem Punkt musste er ihr Recht geben.

Grundsätzlich wäre auch Vipsania eine geeignete Partie, aber abgesehen davon, dass er sie nicht leiden konnte – was grundsätzlich eine gute Voraussetzung war – war sie auch noch langweilig. Sie war keine Herausforderung, schon deshalb nicht, weil sie sich ihm an den Hals warf. Weil sie offensichtlich verstanden hatte, in welche Position er irgendwann kommen würde und sie wollte mit Sicherheit ein Stückchen vom Kuchen der Macht abhaben.

Coriolanus hatte andere Pläne.

Ein neues Musikstück setzte ein und Coriolanus hielt Livia die Hand hin. »Dürfte ich um diesen Tanz bitten?«

Er nahm durchaus wahr, dass Vipsania ein bisschen die Schultern hängen ließ. Umso mehr, als Livia nach kurzem Zögern nach seiner Hand griff. Erbärmlich.

Er war nicht böse darum, von Vipsania wegzukommen und führte Livia auf die Tanzfläche.

»Ist jetzt der Moment gekommen, in dem du mir erzählen wirst, was für eine gute Partie du bist und dass ich davon profitieren würde, deine Frau zu werden?«, fragte Livia geradeheraus und blickte ihm in die Augen.

Dumm war sie nicht, das musste man ihr lassen.

»Der Gedanke ist offensichtlich nicht ganz neu für dich.« Coriolanus erwiderte ihren Blick.

»Egal wie bescheiden du in der Öffentlichkeit tust, jeder weiß, dass Dr. Gaul dich zu ihrem Nachfolger als Oberster Spielemacher ernennen wird. Und von dort aus ist der Weg zum Präsidenten nur noch ein Katzensprung. Präsident Ravinstill ist auch nicht mehr der Jüngste und Panem wird einen neuen Präsidenten brauchen. Und wer wäre da mehr geeignet als Coriolanus Snow, nicht wahr?« Sie lächelte schief. »Du hast dich ziemlich gemacht seit deiner kleinen Liaison mit diesem Tribut.« Noch immer sah Livia ihm in die Augen. Ihr Blick war intensiv. »Ich frage mich nur, was ich davon habe.«

Zufrieden stellte Coriolanus fest, dass die Erwähnung von Lucy Gray nicht einmal mehr wirklich stach. Es tat nicht mehr weh, über sie nachzudenken. Dort, wo einmal Liebe und Schmerz gewesen waren, war einfach nichts mehr, außer vielleicht ein bisschen Wut darüber, dass er seine Zeit mit ihr verschwendet hatte. Andererseits war er weich gefallen.

»Wenn ich Präsident werde–«, setzte Coriolanus an.

»Ja, wenn«, unterbrach Livia ihn unwirsch und mit einem kühlen Lächeln auf den Lippen.

Coriolanus hasste sie. Es war perfekt.

»Noch bist du jedoch nicht Präsident. Und auch wenn deine Chancen, zugegeben, nicht schlecht stehen, bestünde für mich doch noch immer das Risiko, mich auf einen Versager einzulassen. Nicht besonders reizvoll.«

Nun war es an Coriolanus, ein Lächeln aufzusetzen. »Einen Versager könnte man mich wohl kaum nennen. In jedem Fall werde ich beruflich erfolgreich und Erbe eines Waffenimperiums sein.«

»Oh ja.« Livias Gesichtsausdruck war nun fast schon spöttisch. »Das hast du geschickt eingefädelt, nicht wahr? Man könnte glatt meinen, du hättest das so geplant. Aber andererseits warst du nun einmal schon immer ein guter Betrüger.«

Coriolanus‘ Gesichtsausdruck änderte sich nicht bei ihren Worten. Sein Lächeln war fast schon eingefroren. Livias Gemeinheiten brachten ihn schon lange nicht mehr aus der Fassung. Über diesen Punkt war er hinaus.

»Im Lateinischen gab es ein Sprichwort, Livia. Mundus vult decipi, ergo decipiatur.«

»Die Welt will betrogen werden, also soll sie betrogen werden.«

»Ganz genau. Es ist nicht immer das Schlechteste, wenn man zu betrügen weiß.«

Ihr Lächeln wurde wieder entspannter. »Große Worte von dem Mann, der sich vorgenommen hat, mein Ehemann werden zu wollen.« Sie konnte den Sarkasmus in ihrer Stimme nicht verbergen.

»Wir beide wissen wohl, dass wir nicht aus Liebe heiraten würden.«

»Nein. Wohl kaum.« Sie löste sich von ihm, als das Lied endete. »Ich werde über dein Angebot nachdenken, Coryo. Aber dir sollte wohl klar sein, dass du mich nicht so einfach bekommen wirst. Dafür musst du dich schon ein bisschen mehr ins Zeug legen. Lass dir etwas einfallen.« Damit beugte sie sich noch einmal zu ihm vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

Coriolanus entging nicht, dass sie Vipsania einen triumphierenden Blick zuwarf und ihre Haare mit einer fließenden Kopfbewegung hinter die Schulter warf, während sie an ihr vorbeischritt.

Ganz egal konnte ihr das hier also auch nicht sein.
 

***
 

Das kommende Jahr verging wie im Fluge. Als Dr. Gaul ihn zu ihrem Nachfolger als Oberster Spielemacher ernannte, war niemand überrascht. Ein Gefühl des Triumphs überkam Coriolanus. Er war noch nicht ganz an seinem Ziel angekommen, aber auf einem guten Weg. Der Weg zur Präsidentenvilla forderte Blut und Leichen als Wegezoll, und wie könnte man diesen besser bezahlen als in der Position als Oberster Spielemacher?

Er hatte die Hungerspiele in den letzten Jahren maßgeblich mitgeprägt. Das Dorf der Sieger, jedes Jahr eine individuell neu errichtete Arena und er hatte sich dafür eingesetzt, dass die Tribute hergerichtet wurden und damit eine ganz neue Branche geschaffen: Stylisten, die dafür zuständig waren, optisch aus den Tributen Einiges herauszuholen.
 

Dr. Gaul organisierte ein großes Bankett zu seiner Beförderung. Es war die heißeste Nacht des Jahres, und auch diesmal war natürlich alles, was im Kapitol Rang und Namen hatte, zugegen.

Livia kam diesmal nicht allein. Nireus Crane, der ältere Bruder von Arachne, war an ihrer Seite. Sie hatte sich bei ihm untergehakt und warf Coriolanus einen betont unschuldigen Blick zu.

Es war offensichtlich, dass sie mit ihm spielte. Wahrscheinlich ahnte Nireus nicht einmal, dass er nur hier war, damit sie Coriolanus ein bisschen reizen konnte. Doch Coriolanus selbst hatte sie durchschaut. Sie machte es ihm allerdings auch ziemlich einfach.

Er würde ihr nicht hinterherlaufen. Sie war nützlich, ja, sie wäre ideal, und er wollte sie gerne an seine Seite holen, aber es würde auch noch andere Frauen geben, die ihre Rolle vielleicht nicht ganz so gut, aber deutlich williger spielen würden. Im Notfall gäbe es immer noch Vipsania, und sie war nicht die einzige junge Frau hier im Kapitol, die ihn eifrig umwarb.

Dementsprechend ignorierte er Livia den größten Teil des Abends. Er war nicht überrascht, als sie später zu ihm kam, als er gerade draußen im Garten war und sich die Blumen in Dr. Gauls Garten ansah. Wahrscheinlich war ein Großteil von ihnen giftig, so wie Coriolanus‘ Mentorin selbst. So wie auch er. Die Erfahrung hatten in der Zwischenzeit bereits einige machen müssen.

»Versteckst du dich vor mir?«

»Warum sollte ich das tun?«, fragte er ohne sie anzusehen.

»Es gefällt dir nicht, dass ich nicht allein hier bin.«

Coriolanus lächelte schief und blickte Livia nun doch wieder in die Augen. »Ich glaube, du überschätzt dich ein bisschen.«

»Du willst mich an deiner Seite haben.«

»Das ist wahr, aber nicht um jeden Preis.« Er ging an ihr vorbei in Richtung Hintereingang. »Ich habe dir ein Angebot gemacht, und es ist an dir, es anzunehmen oder abzulehnen. Aber wenn du denkst, dass ein Crane dir mehr zu bieten hat …« Coriolanus zuckte betont unschuldig mit den Schultern.

Er konnte es hinter Livias Stirn regelrecht arbeiten sehen. Sie wollte sich nicht die Blöße geben, zuzugeben, dass sie wirklich interessiert war, und gleichzeitig wollte sie nicht die Frau sein, die sich früher ein Leben lang würde vorhalten müssen, den Status als spätere First Lady ausgeschlagen zu haben. Sie beide wussten, dass sie auf dem Papier perfekt zusammenpassen würden und dass Coriolanus‘ Laufbahn als nächster Präsident Panems nur noch eine Frage der Zeit war. Livia war zu ehrgeizig, um sich diese Gelegenheit ernsthaft durch die Lappen gehen zu lassen.

»Na gut«, spie sie ihm schließlich fast schon entgegen. »Ich bin dabei. Aber wenn du versagen und nicht Präsident werden solltest, mache ich dir persönlich das Leben zur Hölle, Coriolanus Snow.«

»Damit kann ich leben.« Versagen war in seinem Lebensweg nicht vorgesehen. Er machte nicht mehr so dumme Fehler wie damals mit Lucy Gray. Er weit viel zu weit gekommen, um sich noch Fehler zu erlauben.

Livia beugte sich vor, strich über Coriolanus‘ Brust und seufzte tief auf. »Dann muss ich dem armen Nireus wohl das Herz brechen. Ausgesprochen tragisch.«

»Mach es sanft«, sagte Coriolanus. »Meine spätere First Lady soll nicht gleich als vollkommen kaltherzig im Kapitol gelten.«

»Ja, ich möchte dir ja nicht den Rang ablaufen.« Ihre Stimme klang zuckersüß. »Wir sehen uns.« Damit ging sie wieder ins Innere des Hauses und ließ Coriolanus im heißen Sommerwind zurück.
 

***
 

»Livia Cardew?! Bist du von allen guten Geisten verlassen, Coryo?!« Tigris‘ Stimme polterte schon durchs Haus, bevor sie in seinem Arbeitszimmer angekommen war. »Ich hatte dir mehr Geschmack zugetraut.«

Coriolanus blicke seine Cousine ruhig an. »So biestig kenne ich dich ja kaum.«

»Sie ist eine Hexe«, beharrte Tigris. »Erinnerst du dich nicht mehr daran, wie sie sich über dich lustig gemacht hat, als deine Eltern gestorben sind? Oder ihre spitzzüngigen Bemerkungen, als wir kein Geld hatten?«

»Woher weißt du überhaupt davon?«, fragte Coriolanus.

In Wirklichkeit kannte er die Antwort natürlich: Er und Livia hatten sich in den letzten Wochen vermehrt zusammen in der Öffentlichkeit gezeigt. Selbstverständlich waren entsprechende Schlüsse gezogen worden – insbesondere seit sie am vorigen Abend auf der Eröffnungsfeier der Hungerspiele zusammen gesichtet worden waren.

»Ihr seid nicht gerade subtil. Coryo, im Ernst, was findest du an ihr? Sie ist ganz anders als L–«

»Rede nicht über sie!«, fuhr Coriolanus seiner Cousine über den Mund. »Das ist schon lange vorbei.«

Tigris sah ihn an, als hätte er sie geschlagen. »Was ist nur mit dir los?«, fragte sie ihn. Tränen glitzerten in ihren Augen. »Ich erkenne dich kaum noch wieder, Coryo. In letzter Zeit bist du einfach … kalt.«

»In meiner Position kann ich es mir nicht leisten, zu viele Gefühle zu zeigen, Tigris.«

Sie schob langsam ihre Unterlippe vor. »Manchmal wünsche ich mir fast, dass wir noch immer arm wären. Damals warst du zumindest noch nicht so.«

»Snow landet immer oben, Tigris.«

»Manchmal wünsche ich mir, dass es nicht so wäre.«

Er ballte die Hände zu Fäusten. Wie konnte Tigris nur so verdammt undankbar sein? Wenn er nicht wäre, müsste sie immer noch schlecht bezahlte Jobs annehmen, um sich irgendwie über Wasser zu halten. Sie würden immer noch in einer heruntergekommenen Wohnung leben und wahrscheinlich wäre die Großmadame auch nicht mehr am Leben, denn nur die hervorragende medizinische Versorgung, die sie sich dank Strabo Plinth leisten konnten, hatte dafür gesorgt, dass sie nicht schon in den letzten Jahren an irgendeiner Krankheit gestorben war.

»Ich hoffe, du meinst das nicht ernst«, entgegnete Coriolanus kühl. »Dann wärst du sicher nicht eine der gefragtesten Stylistinnen des Kapitols.« In den letzten Jahren hatte Tigris einige große Erfolge vorweisen können und ihre Stylings gehörten jedes Jahr bei den Spielen zu den beliebtesten überhaupt. Dass es die Aufgabe als Stylistin überhaupt gab, verdankte sie ihm. Das sollte sie besser nicht vergessen.

»Das weiß ich. Aber ich vermisse meinen Cousin, Coryo.« Ihre Stimme zitterte.

Coriolanus unterdrückte ein Seufzen. Gerade hatte er für Tigris‘ Gefühlsduseleien wirklich nicht sonderlich viel übrig. Das hier war sein erstes Jahr als Oberster Spielemacher, und er wollte seine Sache gut machen. Sein zukünftiger Lebensweg hing davon ab, wie gut das hier lief. Konnte Tigris das nicht sehen? Wollte sie es ihm etwa kaputt machen?

Stattdessen setzte er ein leichtes Lächeln auf und blickte seine Cousine an. »Ich bin hier, Tigris. Ich habe einfach nur viel zu tun. Tut mir leid, dass ich dir nichts von Livia erzählt habe. Ich weiß, wir haben früher mehr miteinander geredet.«

»Darum geht es mir nicht einmal. Es ist nur …« Sie seufzte. »Ich verstehe wirklich nicht, was du an ihr findest.«

»Sie ist eine gute Partie.«

Tigris starrte ihn an, als wäre er übergeschnappt. »Und das ist alles?«

»Du weißt, wohin mein Lebensweg mich führen soll. Es ist wichtig, dass nach außen hin alles perfekt wirkt.« Und das würde mit Livia so sein, auch wenn er sie nicht liebte. Vielleicht gerade weil er sie nicht liebte.

Je früher er sich offen zu Livia bekannte, sie heiratete, und eine Familie mit ihr gründete, desto mehr würde der Name Lucy Gray Baird in Vergessenheit geraten. Genau das brauchte er. Er konnte es nicht gebrauchen, sporadisch noch immer mit ihr assoziiert zu werden. Dank Dr. Gaul gab es keine Aufzeichnungen der Zehnten Hungerspiele mehr, und doch erinnerten sich die Leute manchmal noch. Coriolanus Snow und Lucy Gray Baird. Die unglaubliche Lucy Gray Baird mit der zauberhaften Stimme … Er zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken.

Lucy Gray war Vergangenheit.

Livia Cardew war die Zukunft.

»Ich verstehe dich wirklich nicht«, sagte Tigris. »Aber du musst selbst wissen, was du tust. Ich hoffe nur, dass du deine Entscheidungen nicht irgendwann bereust.«

»Wenn ich irgendwann in den Präsidentenpalast einziehe, werde ich überhaupt nichts bereuen.«

Tigris sah aus, als würde sie überlegen, ob sie noch mehr sagen sollte, sich aber schließlich dagegen entscheiden. Stattdessen umarmte sie ihn kurz.

»Pass einfach auf dich auf, ja?«

»Immer.«
 

***
 

»Coriolanus.«

Er war schon auf dem Weg nach draußen gewesen, als die Stimme der Großmadame ihn zurückhielt.

»Ja?«

»Ich habe von dir und Livia Cardew gehört.«

Er sah ihr in die Augen. In den letzten Jahren hatte das Alter ihr noch übler mitgespielt und es war wirklich lediglich dem Geld der Plinths zu verdanken, dass sie sich noch hielt. Das Geld, das irgendwann ihm gehören würde.

Er unterbrach sie nicht, das würde sich nicht gehören. Nicht ihr gegenüber. Obwohl sie inzwischen dermaßen in die Jahre gekommen war und den Bezug zur Realität mehr und mehr verlor, hatte Coriolanus noch immer Respekt vor der Frau, die ihn und Tigris aufgezogen hatte. Sie hatte ihn auf den richtigen Weg geschickt, und dafür war er ihr dankbar.

»Gute Wahl«, fuhr die Großmadame fort. »Ihr werdet zusammen eine gute Figur machen, wenn du erst einmal Präsident bist.«

»Ja. Das ist der Plan.«

Der Anflug eines Lächelns legte sich auf die Lippen der Großmadame. »Sehr gut, mein Junge.«

Näher würde er einem »Ich bin stolz auf dich« niemals kommen, und das war in Ordnung für ihn. Coriolanus wusste auch so, was sie dachte. Sie musste es nicht aussprechen.
 

***
 

Die Großmadame starb im kommenden Frühjahr und Coriolanus merkte, dass es ihn nicht kalt ließ. Zusammen mit Tigris war sie immerhin seine einzige Familie gewesen, und er trauerte durchaus, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ.

Mittlerweile war er mit Livia zusammengezogen. Sie hatten sich eine Wohnung auf dem Corso geholt, und Coriolanus plante, ihr bald einen Antrag zu machen. Lediglich der passende Zeitpunkt musste sich noch einstellen.

Er saß auf dem pompösen Balkon, von dem aus man das bunte Treiben auf den Straßen des Kapitols überblicken konnte, und der gleichzeitig einen gewissen Sichtschutz bot.

Livia trat an ihn heran. »Tut mir leid«, sagte sie plötzlich.

»Was?« Er hob den Blick und legte die Zeitung beiseite, in der er eben noch gelesen hatte.

»Das mit deiner Großmutter. Ich weiß, dass du die Nachricht letzte Nacht bekommen hast. Ich weiß, dass ihr euch nahestandet.«

Er musterte Livia einen Moment lang, versuchte zu ergründen, ob sie es aufrichtig meinte oder ob sie gleich anfangen würde zu lachen. Es lag kein boshaftes Glitzern in ihren Augen, wie damals, als sie ihn wegen seiner Eltern verspottet hatte.

»Seit wann kümmert dich das?« Er klang nicht feindselig dabei und meinte es auch nicht so. Tatsächlich versuchte er herauszufinden, woher die plötzliche Emotion kam.

Livia seufzte und setzte sich zu ihm auf den Balkon. »Wir wissen beide, dass wir niemals verliebt ineinander sein werden, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen können, miteinander auszukommen, nicht wahr? Und wir haben eine gemeinsame Geliebte.«

Coriolanus hob eine Augenbraue. Das Gespräch nahm eine Wendung, die er nicht erwartet hatte.

Nun lachte Livia doch. »Die Macht, Coryo. Wir beide lieben die Macht.«

Er stimmte zögernd in ihr Lachen mit ein. »Gut, das lässt sich nicht leugnen.« Und auch wenn Livia ihm niemals wirklich sympathisch sein würde, konnte er sie doch zumindest akzeptieren. Sie beide waren zielstrebig, das vereinte sie wenigstens in gewisser Weise.

Sie griff nach seiner Hand, drückte sie kurz und stand dann wieder auf. »Heute verschone ich dich sogar mal mit Gemeinheiten. Aber gewöhn dich nicht zu sehr daran, Liebling

Was ein liebevoller Kosename hätte sein können, triefte bei Livia vor Sarkasmus. Selbst wenn sie mit einem Mann zusammen wäre, den sie aufrichtig liebte – falls sie dazu überhaupt in der Lage war – glaubte Coriolanus nicht, dass sie jemals einen solchen Kosenamen benutzen würde. Bei ihr klang jegliche Affektion wie ein Schimpfwort.
 

***
 

Die nächsten Hungerspiele nahten. Noch immer war Coriolanus Oberster Spielemacher. Natürlich.

Noch eine Woche bis zur Ernte. Es war wieder einmal heiß im Kapitol, auch wenn die heißesten Tage ihnen noch bevorstanden.

Heute stand Coriolanus ein Interview bei Lucky Flickerman bevor, dessen unsäglicher Papagei mittlerweile glücklicherweise verstorben war. Gerüchte behaupteten, dass er sich absichtlich in einen Deckenventilator gestürzt hatte, und wenn man bedachte, wie unglücklich dieser Vogel gewesen war, war Coriolanus durchaus geneigt, daran zu glauben.

Livia war an seiner Seite. Sie trug ein gewagtes Kleid mit riesigen Pfauenfedern, das die Farbe ihrer Augen betonte und trotz seines attraktiven Schnitts noch immer klassisch war. Livia ging selten mit dem Trend, und doch galt sie als eine der bestgekleideten Frauen Panems. Eine Stilikone.

»Guten Abend, Kapitol!« Lucky strahlte in die Kamera. »Heute Abend begrüßen wir niemand anderen als den Obersten Spielemacher. Ein Applaus für Coriolanus Snow und seine zauberhafte Begleiterin Livia Cardew!«

Die Menge klatschte begeistert Beifall und Coriolanus genoss es, in der Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger des Kapitols zu baden. Es fühlte sich gut an, beliebt zu sein und die Anerkennung zu bekommen, die er verdiente.

»Die letzten Hungerspiele waren ein voller Erfolg«, sagte Lucky und sah Coriolanus an. »Wie wollen Sie das noch toppen?«

Coriolanus war schon lange kein Schüler mehr, und wurde natürlich auch nicht mehr so behandelt. Auch nicht von Flickerman. Ebenfalls so eine Sache, die sich gut anfühlte.

»Ich habe schon einige Pläne«, entgegnete er. »Natürlich kann ich noch nicht zu viel verraten, aber es werden auf jeden Fall fulminante Spiele. Es lohnt sich, einzuschalten.«

Lucky nickte. »Davon bin ich überzeugt. In der Vergangenheit haben Sie die Spiele ja maßgeblich mitgeprägt. Planen Sie weitere Neuerungen?«

»Es wird natürlich immer wieder über mögliche Änderungen und Erweiterungen diskutiert. Ich kann schon sagen, dass es in diesem Jahr eine Neuerung geben wird. Die Tribute werden die Möglichkeit zum Training erhalten. Das wird die Spiele noch interessanter machen.«

Lucky war offensichtlich begeistert und auch das Publikum zeigte sich angetan.

»Große Fußstapfen, in die Sie da getreten sind.«

Coriolanus setzte ein Lächeln auf. »Gewiss. Ich bin Dr. Gaul sehr dankbar für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in mich.« Was nicht einmal gelogen war. Dass diese Frau sehr viel für ihn getan hatte, ließ sich nicht leugnen.

Flickerman stellte noch ein paar weitere Fragen zu den Spielen, die Coriolanus natürlich alle so beantwortete, dass er nicht zu viel verriet und das Interesse des Publikums noch zusätzlich anfachte. Er wusste, wie er die Spiele verkaufen musste, um sie noch populärer zu machen. In den letzten Jahren waren die Hungerspiele immer mehr zu einem beliebten Event innerhalb des Kapitols geworden, und das war maßgeblich ihm zu verdanken.

Er griff nach Livias Hand, die auf ihrem Schoß lag. Nach außen musste es wie eine liebevolle Geste wirken, doch in Wirklichkeit war sie geplant. Einkalkuliert. Coriolanus wusste genau, wie er sich verhalten würde. Er wusste, wie Lucky Flickerman reagieren würde, obwohl er nichts mit ihm abgesprochen hatte. Mittlerweile kannte er ihn gut genug. Die meisten Leute waren wie offene Bücher, wenn man sie nur aufmerksam genug studierte.

»Bei Ihnen läuft es auch privat sehr gut, wie man hört.«

»Oh ja. Ich habe schließlich eine besondere Frau an meiner Seite.«

Livias zur Schau gestellte Verlegenheit war genauso unecht wie Coriolanus‘ liebevolle Geste. Auch was das anging, ergänzten sie sich ziemlich gut. In diesen Dingen waren sie beide Betrüger.

»Tatsächlich habe ich für heute ganz besondere Pläne. Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, wenn ich ein paar Minuten Ihrer kostbaren Sendezeit dafür kapere.«

»Oh, nein, gar nicht. Nur zu!« Lucky wirkte sichtlich neugierig.

Coriolanus stand auf und zog Livia ebenfalls auf die Füße. Er brachte ein bisschen Abstand zwischen sie. Ein Kniefall wäre nun übertrieben, das würde nicht zu ihm passen. Er war ein Snow, und auch wenn er eine romantische Geste nach außen präsentieren wollte, würde er es nicht übertreiben. Das bedeutete aber nicht, dass er es nicht pompös gestaltete.

»Livia«, sagte er und sprach viel mehr zu den Kameras als zu ihr, auch wenn sie es war, der er in die Augen blickte. »Ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben und hoffe, dass du mich auch in Zukunft auf all meinen Wegen begleiten wirst.«

Sie legte ihre Hände auf ihre Brust, als wäre sie gerührt. Ihre Reaktion war perfekt, obwohl auch sie nichts abgesprochen hatten.

Ob sie wohl geahnt hatte, dass es heute soweit war?

Coriolanus hatte das schon seit einer Weile geplant, aber nicht mit ihr darüber gesprochen. Ein kleiner Überraschungseffekt schadete schließlich nicht.

Der Menge schien es den Atem verschlagen zu haben. Es war so ruhig im Publikum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Das Kapitol hielt den Atem an.

»Coryo …« Sie sah ihn mit unechten Tränen der Rührung an.

Er verachtete und bewunderte sie gleichermaßen dafür, wie perfekt sie sich in Szene setzen konnte.

Er zog eine Ringschatulle aus seiner Tasche und präsentierte ihr den Ring, der selbstverständlich ausgesprochen kostbar war. Das Geld der Plinths war wirklich praktisch. Mittlerweile verdiente Coriolanus aber auch selbst ganz gutes Geld. Als Oberster Spielemacher nagte man auch nicht gerade am Hungertuch.

»Ja!« Sie klatschte begeistert in die Hände. »Ja, ich will dich heiraten!« Sie fiel ihm um den Hals, benetzte seine Haut mit Tränen und ließ sich den Verlobungsring auf den Finger stecken.

Die Menge brach in Jubelschreie und Applaus aus. Coriolanus war zufrieden. Ein weiterer Schritt auf seinem Weg in die Präsidentenvilla. Er würde eine First Lady haben.
 

***
 

Die Hochzeit war die angesagteste Feier des Jahres. Natürlich war wieder einmal alles eingeladen, was Rang und Namen hatte, inklusive des Präsidenten.

Alle machten einen glücklichen und zufriedenen Eindruck, mit Ausnahme von Tigris, die dem Alkohol ein bisschen zu sehr zusprach. Es war offensichtlich, dass sie sich noch immer schwer damit tat, Livia an seiner Seite zu akzeptieren, auch wenn sie seit dem Gespräch damals nicht mehr mit ihm über sie geredet hatte.

Generell sprachen Coriolanus und Tigris nicht mehr viel miteinander. Der Tod der Großmadame hatte sie einander nur noch mehr entfremdet. Tigris gefiel es offensichtlich nicht, dass Coriolanus seinen Weg weiter ging, so wie es eben immer geplant gewesen war und wenn sie einander doch trafen, ließ sie hier und da spitze Bemerkungen fallen, dass er nicht ausreichend emotional auf den Tod ihrer Großmutter reagiert hatte.

Er hatte beschlossen, das Andenken der Großmadame vorrangig zu ehren, indem er weiter den Weg verfolgte, den sie immer für ihn gewollt hatte.
 

***
 

Es war wieder eine heiße Nacht, in der sich wie ein Lauffeuer die Meldung verbreitete, dass Präsident Ravinstill verstorben war. Die Nachricht kam nicht wirklich überraschend, er war schon alt und sein tragisches Ableben nur eine Frage der Zeit gewesen, aber natürlich stürzte sich das Kapitol in tiefe Trauer.

»Dann ist es wohl an der Zeit«, sagte Livia, als sie wieder auf ihrem Balkon saßen.

»Ja«, sagte Coriolanus.

»Versau es nicht.«

Aus einem kindischen Impuls heraus hätte er ihr am liebsten die Zunge herausgestreckt, aber natürlich stand er über solchen Dingen. Und so beschloss er, die Spitze zu überhören.

Stattdessen machte er sich auf den Weg zu einer Versammlung, zu der nur die wichtigsten Bürger des Kapitols eingeladen waren. Livia war an seiner Seite. Als geborene Cardew, die in die Familie Snow eingeheiratet hatte, gehörte natürlich auch sie zum wichtigsten Geldadel des Kapitols.

Coriolanus war der erste, der das Wort ergriff. »In dieser schweren Stunde müssen wir als Bürger des Kapitols, als Bürger Panems, zusammenhalten und dafür sorgen, dass das Andenken unseres großen Präsidenten gewahrt wird. Wir müssen dafür kämpfen, Panem als Nation weiterzubringen, wie auch Präsident Ravinstill es immer gewollt hat. Das Kapitol wird auch weiter das pulsierende, schlagende Herz Panems sein.«

Einige nickten zustimmend, manche hingen regelrecht an seinen Lippen. Das hier war pure, reine Macht, und ja, das war seine wahre Liebe. Nicht Lucy Gray und schon gar nicht Livia, sondern das Gefühl von Macht. Und er war seinem Ziel so sehr zum Greifen nah.

»Nicht trotz, sondern gerade wegen dieses großen Verlusts dürfen wir jedoch nicht zögern und keine Zeit verlieren, einen neuen Anführer zu bestimmen. Ohne einen Präsidenten, der die Geschicke dieses Landes lenkt und dafür sorgt, dass die Distrikte auch weiterhin unter Kontrolle sind, sind wir angreifbar. Verwundbar. Diesen Zustand müssen wir so schnell wie möglich ändern.«

Das Konzept der Demokratie war längst überholt. Es hatte sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Niemand wollte die Zukunft Panems – und vor allem des Kapitols – in die nichtsnutzigen, schmutzigen Hände der Distrikte legen, und somit war es der Geldadel des Kapitols, der entschied, wie es weitergehen sollte.

Snows, Plinths, Cardews, Heavensbees, Flickermans, Ravinstills, Cranes, Sickles und die anderen Familien, die zu der obersten Schicht dieses Landes gehörten. Familien, die Coriolanus in den letzten Jahren fleißig umworben und eingewickelt hatte, während die wenigen nennenswerten Rivalen, die sich ihm in den Weg hätten stellen können, einer nach dem anderen im Laufe der Jahre tragische Unfälle oder gesundheitliche Probleme entwickelt hatten.

Snow landet immer oben. Das hielt einen Snow jedoch nicht davon ab, dem eigenen Glück manchmal ein bisschen nachzuhelfen. Natürlich gab es Gerüchte, doch Coriolanus war geschickt.

So geschickt, dass kaum jemand in diesem Raum daran zweifelte, dass niemand anderes als er, Coriolanus Snow, der nächste Präsident Panems werden sollte.

Seine offizielle Ernennung zum Präsidenten war nur noch eine weitere Formalität auf seinem Weg zur Macht.
 

***
 

Das Volk des Kapitols jubelte ihm zu, als er auf den Balkon der Präsidentenvilla trat. Heute hatte er, genau eine Woche nach dem Tod des alten Präsidenten, offiziell die Geschicke dieses Landes übernommen.

Er hatte es geschafft. Coriolanus war endlich da, wo er immer hatte landen wollen. Dort, wo er hingehörte.

Ein Teil von ihm verachtete die Narren, die ihm zujubelten, nicht ahnend, dass er gemordet hatte, um hier zu landen. Viele hatten ihn unterschätzt, und den wenigsten war es gut bekommen. Und nun würde ihn niemand mehr von seinem verdienten Thron stoßen.

Auch in Zukunft würde er wissen, was zu tun war, um seine Macht noch auszuweiten.

Mit Livia ließ es sich leben. Sie machte eine gute Figur an seiner Seite und war gerade bei den Frauen des Kapitols beliebt. Ein Vorbild für viele junge Mädchen da draußen, die so sein wollten wie die First Lady. Ein strahlendes Beispiel.

Wer sie für ein geeignetes Vorbild hielt, hatte noch nie ihr wahres Gesicht gesehen. Doch sie erfüllte ihre Aufgabe, so wie er seine erfüllte, und er gab ihr keinen Grund zur Klage. Er war derjenige, der die Geschicke des Landes lenkte, aber Livia schwelgte im Überfluss, hatte genügend Avoxe, die sie herumscheuchen konnte und musste dafür nur regelmäßig an seiner Seite auftauchen und einen glücklichen Eindruck machen.
 

***
 

Coriolanus verstärkte die Präsenz der Friedenswächter in den Distrikten, sorgte dafür, dass die Menschen dort draußen gezwungen waren, sich die Hungerspiele anzusehen, und glänzte vor allem dadurch, dass seine Herrschaft als noch grausamer galt als die seines Vorgängers. Er war stolz darauf. Er hatte auf die harte Tour lernen müssen, was für Leute in den Distrikten lebten. Dass es dumm war, sich an sie zu binden. Jede noch so kleine Rebellion musste im Keim erstickt werden.

Sie lebten schon einige Monate im Präsidentenpalast, als Livia eines Abends zu ihm kam. Das künstliche Feuer prasselte im Kamin, ohne Wärme zu spenden. Es war wieder eine heiße Nacht und Coriolanus kam nicht umhin, festzustellen, dass heiße Nächte ihm schon oft Gutes gebracht hatten in den letzten Jahren. Und als er den Ausdruck auf Livias Gesicht sah, wusste er, dass das auch heute so sein würde.

»Ich habe Neuigkeiten für dich«, sagte sie und setzte sich neben ihn.

»Die da wären?«

Ein schiefes Lächeln trat auf ihre Lippen. »Ich bin schwanger.«

Er erwiderte ihr Lächeln. Gute Nachrichten, in der Tat. Ein Erbe. Er hatte von der alten Regelung profitiert, doch er hatte nicht vor, in vielen, vielen Jahren, wenn er alt war, die Kontrolle über dieses Land aus der Hand zu geben. Panem gehörte in die Hände der Snows.

»Das bedeutet dann wohl, dass du zunehmen wirst.«

»Du alter Charmeur.« Ihre Stimme klang sarkastisch. Er wusste, dass er sie damit nicht ernsthaft getroffen hatte. »Aber ich schätze, das ist in Ordnung. Wir haben es schon weit gebracht.« Sie sah ihn an.

Coriolanus nickte. »Und wir werden es noch weiterbringen. Diese Familie wird es noch weit bringen.«

Das Lächeln auf Livias Lippen wurde noch ein bisschen breiter. »Das ist wahr.«

Einem Impuls folgend beugte er sich vor, legte eine Hand auf ihren Bauch. »Panem heute.«

Livia lachte trocken auf. »Panem morgen.«

»Panem für immer.«



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