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Holyhate

Beyblade-Adventskalender Türchen 17
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte mein Türchen schon halb fertig, als über mein Leben so ein bisschen die Katastrophe hereinbrach. Deswegen ist es jetzt nur so halb witzig fertig gebracht. Und vier Tage zu spät. Aber besser spät als nie, nech.

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Holyhate

1. Dezember
 

Ah, die Vorweihnachtszeit. Der perfekte Jahresabschluss. Alles ist festlich geschmückt, die Menschen sind freundlich zueinander und denken an ihre Lieben. Das Leben wird entspannter, die Gedanken vielleicht ein bisschen nostalgisch, und überall herrscht Friede und Glückseligkeit…

“Bitch. Was haben sie dir denn angezogen?”

Garland drehte sich auf dem Absatz um, sodass die Glöckchen an seiner grünen, mit Kunstpelz besetzten Mütze klingelten, und sah Kai gezwungen lächelnd ins Gesicht. “Ich bin ein Weihnachtself”, zischte er, “Bitch.”

“Hmhm.” Kais Blick wanderte einmal an ihm hinab und wieder herauf - über die goldenen Schuhe mit den nach oben gerichteten Spitzen, die geringelten Strümpfe, das bauschige grüne Höschen und die winzige grüne, mit Gold verzierte Jacke dazu, dann war er wieder bei der lächerlichen Mütze angelangt und schnalzte mit der Zunge. “Miss Judy hat sich echt selbst übertroffen dieses Jahr.”

Miss Judy war zuständig für das Verkaufspersonal auf der freien Fläche. Garland war ihr schutzlos ausgeliefert: Sie konnte ihn in jede beliebige Abteilung schicken, von Babyklamotten bis Küchengeräte, und außerdem konnte sie ihm diktieren, was er tragen sollte. Normalerweise war das nur ein Shirt in dem Kotzgrün, das irgendein Marketinggenie vor zwanzig Jahren als ihre Brand-Farbe auserkoren hatte. Doch für den Dezember dachte sich seine Chefin jedes Jahr etwas ganz besonderes aus.

Missmutig musterte Garland nun seinerseits Kai, der eigentlich aussah wie immer. Er gehörte zu den Glücklichen, die den ganzen Tag in der Schmuckabteilung hinter einem Verkaufstresen stehen durften - und er wurde nicht müde, Garland seine privilegierte Stellung unter die Nase zu reiben.

“Sind das Swarovski-Kristalle?”, fragte der nun ungläubig und deutete auf Kais glitzernde Weihnachtsmannmütze, die farblich auf seinen dunkelgrünen Blazer abgestimmt war.

“Vielleicht?”

“Und ich war so sicher dass Hiro euch in glitzernde Strapse steckt, nur damit du den ganzen Monat lang darin vor ihm herumstolzieren kannst.” Es war ein offenes Geheimnis, dass Kais Chef ihm seit Jahr und Tag hinterherlüstete, was Kai wiederum schamlos ausnutzte. Er war die selbsternannte Königin des Erdgeschosses, und leider machte ihm niemand diesen Titel streitig.

“Meine Damen, wir öffnen in fünf Minuten.” Plötzlich stand Miss Judy neben ihnen und lächelte ihr Managerinnenlächeln, mit dem sie ihnen unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie sich jetzt an ihre Plätze begeben sollten, wenn sie nicht eines brutalen Todes sterben wollten. Kai schenkte ihr einen süffisanten Augenaufschlag - denn sie konnte ihm hier gar nichts sagen - trollte sich dann aber zu seiner Station. Und Garland zog den Kopf zwischen die Schultern und eilte in die entgegengesetzte Richtung davon, um den Vormittag in der Stofftierabteilung zu verbringen.
 

3. Dezember
 

Dostojewski war wieder da. Er hieß nicht wirklich so, aber er hatte nach einer Ausgabe von “Verbrechen und Strafe” gesucht, als Garland ihm zum ersten Mal begegnet war. Garland hatte keine Ahnung von russischer Literatur, und er war so schockverliebt gewesen, dass am Ende Emily hatte einspringen müssen, weil er kein Wort herausgebracht hatte. Seitdem setzte sein Herz aus, sobald er etwas, das auch nur im Entferntesten nach rotem Haar aussah, auf der Verkaufsfläche erspähte. Er hatte sich immer wieder geirrt - bis heute.

Da stand er, Dostojewski, in seiner ganzen intellektuellen Pracht: zerzaustes rotes Haar, eine Brille mit dunklem Gestell, Wollmantel, Jeans, leicht abgewetzte Lederschuhe. Die sehnigen Hände mit den langen Fingern in die Taschen geschoben.

Bevor irgendeiner seiner Kollegen auf die Idee kam, ihn anzusprechen, schoss Garland aus seiner Ecke hervor und baute sich vor ihm auf. “Willkommen im BBA Einkaufszentrum, wie kann ich Ihnen helfen?”

Die leise Hoffnung, dass Dostojewski sich an ihn erinnerte, verpuffte beinahe sofort, denn in den blauen Augen seines Gegenübers stand nichts als höfliche Freundlichkeit. “Das können Sie allerdings”, sagte er, und allein diesen leichten, osteuropäischen Akzent wieder zu hören machte ganz komische Dinge mit Garland. “Ich suche die Schmuckabteilung.”

Oh shit.

Es kostete Garland sein gesamtes Verkäufergeschick, um weiterzulächeln. Klar, das gesamte Kaufhaus war ein Schlachtfeld, und er hatte hier Dinge zwischen Kundschaft und den Mitarbeitenden erlebt, die niemals ans Tageslicht kommen sollten - doch von ihnen allen war Hitoshis Team das schlimmste. Kai und seine kleine Entourage waren Hyänen, und Garland wollte sich nicht ausmalen, was sie tun würden, wenn ihnen so ein Leckerbissen wie Dostojewski vor die Nase gesetzt wurde. Das jedoch war genau das, was nun passieren würde.

“Selbstverständlich”, sagte er zuckersüß, “Folgen Sie mir.”

Leider war zu so früher Stunde noch nicht viel los, und er konnte schon aus der Ferne erkennen, dass sich die Schmuckfachleute langweilten. Einzig Salima bediente einen Kunden - war das nicht der Typ, mit dem sie vor einem Monat in der Umkleide verschwunden war, bevor er ihr eine sündhaft teure Kette für seine Freundin abgekauft hatte? Die beiden unterhielten sich jedenfalls recht angeregt. Brooklyn kaute offensichtlich Kaugummi, doch Hitoshi bemerkte das nicht, denn er war wie immer damit beschäftigt, Kai in ein Gespräch zu verwickeln. Dieser ließ die Avancen an sich abprallen und blickte neugierig in Garlands Richtung, als er ihn bemerkte. Seine Augen verengten sich kaum merklich, während er Dostojewski kurz betrachtete, doch bevor Garland auch nur den Mund aufmachen konnte, setzte Brooklyn sich in Bewegung, um den neuen Kunden zu begrüßen. Auch Hitoshi tat nun wieder so, als müsste er ganz schnell irgendwas sehr wichtiges checken und trollte sich, und Kai schlenderte zu Garland, damit sie sich im Schatten einer großen Vitrine unterhalten konnten.

“Wen hast du denn da gefunden?”, fragte Kai leise, “Bist rot wie ’ne Christbaumkugel.” Er blickte kurz zu Dostojewski, der sich gerade vorbeugte, um sich ein Schmuckstück anzusehen, das Brooklyn auf einem Kissen platziert hatte. “Süß”, urteilte er dann.

“Ich weiß nicht wie er heißt”, gestand Garland, “Letztes Mal hat er mich nach einem Buch gefragt.”

“Ach, der ist das?” Kai schnaubte belustigt, “Der, bei dem du dich angestellt hast wie ein Praktikant am ersten Tag? Gott, wie goldig.”

Und dabei hatte Garland Emily beschworen, nichts weiterzutratschen. Tolle Kollegin.

In diesem Moment hob Brooklyn die Stimme und Dostojewski richtete sich auf. Sie wechselten noch ein paar Worte, dann blickte der Rothaarige noch einmal kurz in ihre Richtung. Garland war wie versteinert, sah aber, dass Kai ihrem Kunden eines dieser Lächeln schenkte, die jemanden wie Hitoshi vermutlich zu einer blubbernde Pfütze Zuckerwasser schmelzen lassen würden. Bitch.

Dostojewski nickte ihnen kurz zu, dann verschwand er in Richtung des Ausgangs.

“Hey Brooklyn”, sagte Kai beinahe sofort, allerdings in einem beiläufigen Tonfall. Ihr Kollege kam langsam auf sie zu und ließ eine Kaugummiblase platzen. “Erzähl mal”, forderte Kai, “Wer war das, was wollte er?”

“Ihr habt echt nichts zu tun, was?” Brooklyn seufzte. “Ich hab ihm ein paar von unseren Armbändern gezeigt, bisschen Glitzer, bisschen Schnickschnack. Er hat gesagt für wen, aber ich hab nicht zugehört. Könnte die Freundin sein oder die Mama oder die Schwester, keine Ahnung. War aber wohl nicht das Richtige.”

“Gott, Brooklyn, du bist echt der schlechteste Verkäufer, den ich kenne”, sagte Kai und verdrehte die Augen. “Nächstes Mal lässt du mich das machen okay?”

In diesem Moment hoffte Garland inständig, dass Dostojewski nie wieder den Weg in ihr Einkaufszentrum finden würde.
 

7. Dezember
 

Diese bescheuerte Weihnachtsmannmütze ging ihm gewaltig auf den Sack. Sie war viel zu warm, er bekam schon Schuppen, weil er sie den ganzen Tag tragen musste. Und die verdammten Steine machten sie unglaublich schwer.

Seufzend rüttelte Kai erneut an der Schublade, die er seit fünf Minuten herauszuziehen versuchte. Es war die unterste in der Vitrine, und so hockte er am Boden, den Mief aus der Auslegware in der Nase, und wurde immer ungeduldiger. Salima war in der Mittagspause und Brooklyn unterhielt sich seit geschlagenen zehn Minuten mit einer älteren Dame, ohne ihr irgendetwas verkaufen zu wollen. Wenn das so weiterging würden sie den schlechtesten Umsatz der Geschichte machen.

“Entschuldigung?”

Kai blies sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht (und hoffte gleichzeitig, seine Stirn so etwas kühlen zu können) und blickte dann auf. Auf der anderen Seite des Tresens stand Garlands Angebeteter und blickte mit einem spöttischen Grinsen auf ihn herab. Oha.

Kai ließ die Schublade Schublade sein und richtete sich langsam auf, klopfte die Hände an seinem Blazer ab und hoffte, dass sie dort keine Staubflecken hinterließen. “Womit kann ich dienen?”

Jetzt, wo der Fremde so vor ihm stand, fielen Kai seine blauen Augen auf, die hinter der Brille gar nicht zur Geltung kamen, ihm aber verschmitzt zuzwinkerten. “Ich glaube, ich brauche ein bisschen Beratung.” Eine Pause. “Hübsche Mütze.”

“Oh, vielen Dank!” Ja, er konnte scheiße freundlich sein, wenn es sein musste, und er hatte schon vor Jahren gelernt, weiterzulächeln, auch wenn es in den Mundwinkeln weh tat. Nicht umsonst war er es, der regelmäßig die größten, aber auch hässlichsten, aber auch teuersten Stücke unter die Leute brachte. “Suchen Sie etwas für eine Dame oder einen Herrn? Oder für sich selbst?” Ein bisschen Silber hier und da würde seinem Gegenüber sicher gut stehen, vielleicht in Form der sündhaft teuren Uhr, die vor einem Monat ins Sortiment gekommen war und zu der Kai selbst nicht nein gesagt hätte (er war high maintenance und stand dazu, aber noch hatte er Hitoshi nicht so weit, dass der ihn mit Geschenken überhäufte).

“Für einen Herrn”, sagte sein Kunde jetzt, “Etwas in silber, eher simpel und lässig.”

Kai kniff die Augen ein wenig zusammen als würde er nachdenken; gleichzeitig war ihm voll bewusst, dass dieser Röntgenblick bei den meisten Menschen noch ganz andere Sachen auslöste. “Hmm. Eher ein Ring, oder eine Kette…?”

“Ein Ring oder ein Armband. Er hat genug Ketten.”

“Verstehe. Kommen Sie mal mit auf die andere Seite.” Kai hätte schwören können, dass der Rothaarige ihm kurz auf den Hintern schielte, als er sich schwungvoll umdrehte. Verdammt, er hatte es einfach immer noch drauf. Während sein Kunde die Verkaufsinsel umrundete, holte er schon die ersten Schmuckstücke aus der Vitrine und breitete alles auf einer Samtmatte aus. “Das hier ist von einem Designer, den ich selbst total mag”, log er ohne mit der Wimper zu zucken und deutete auf ein paar Ringe. “Die sind ganz neu reingekommen und bei unseren Kunden auch sehr beliebt. Und das hier sind unsere Armbänder. Sie suchen wahrscheinlich nach etwas, das nicht so ums Handgelenk schlackert, da würde ich Ihnen diese empfehlen.”

“Hm, die sehen alle so aus, als würden sie schnell anlaufen…” Der Rothaarige hatte gar nicht so genau hingesehen, bevor sein Blick wieder den Kais suchte. “Gibt’s da noch eine Alternative?”

“Pflegeleichter ist sicherlich Titan, aber da haben wir weniger Auswahl, Moment…”

Es gab weitaus schlimmere Kundengespräche. Während die Minuten verstrichen weihte Kai sein Gegenüber in Geheimnisse aus der Schmuckwelt ein, die eigentlich gar keine waren. Sein Kunde nahm hier und da ein paar Stücke in die Hand, und wann immer Kai ihm eines reichte oder abnahm, berührten sich ihre Hände flüchtig, aber mit voller Absicht. Sein Vormittag war schlagartig besser geworden. Kai war sich nicht zu schade, mit Menschen zu flirten die ihm ins Auge stachen, und auch wenn Wannabe-Tolstoi hier sich mit seinen Klamotten nicht gerade einen Gefallen tat, so war doch zu erkennen, dass er optisch nicht von schlechten Eltern war. Die Augen und die winzigen Sommersprossen machten schon was her, vor allem, da erstere höchstens für ein paar Sekunden von Kais Gesicht wichen.

“Okay”, sagte der Rothaarige irgendwann, “Ich nehme das.”

“Wa- oh, selbstverständlich!” Eventuell war Kai von seiner eigenen Routiniertheit überrascht. Er legte das Armband, für das sich der andere entschieden hatte, auf ein kleines Tablett und sperrte schnell die anderen Stücke weg, bevor er zur Kasse ging.

“Im Keller ist unsere Einpackstation, falls Sie das nicht selbst machen wollen”, sagte er während er den Preis scannte. Dann legte er das Band in eine Schmuckbox und schob diese in eine winzige Einkaufstasche. Als er damit fertig war, nahm er die Kreditkarte des anderen entgegen. “Vielen Dank…” Er schielte auf den Namen. “Herr Ivanov.”

“Ich danke Ihnen, Herr Hiwatari”, entgegnete Ivanov ohne mit der Wimper zu zucken, und Kai wurde klar, dass er irgendwann in den letzten Minuten das goldene Namensschild an seinem Revers entziffert haben musste. Mit einem nur halb unterdrückten Grinsen reichte er ihm die Tasche. “Falls Sie noch mal Hilfe brauchen, scheuen Sie nicht, mich anzusprechen.”

Ivanovs Mundwinkel hoben sich kurz. “Das werde ich mir merken.”
 

10. Dezember
 

Sie standen am Wareneingang des Kaufhauses in der Kälte, um zwischendurch wenigstens ein bisschen Sauerstoff abzubekommen, bevor es zurück in die mit Ausdünstungen aller Art geschwängerte Luft der Verkaufsfläche ging. Kai wickelte sich etwas mehr in seinen Mantel ein, aber der billige Stoff seiner Arbeitskleidung sah nun mal wärmer aus als er war, da half nichts.

“Kommt ihr zur Weihnachtsfeier?”, fragte Emily gelangweilt.

“Ich nutze jede Gelegenheit, um mich kostenlos besaufen zu können”, antwortete Kai und die anderen nickten ebenfalls. “Frage mich, ob Miss Judy mit ihrem Boy Toy kommt.”

“Mit ihrem… oh Gott, du meinst Rick? Eww.” Garland verzog den Mund. “Dann muss ich leider kotzen.”

“Sagt ausgerechnet derjenige, der letztes Jahr um zehn schon unterm Tisch lag”, murmelte Kai, woraufhin Garland genervt mit der Zunge schnalzte.

“Immerhin war ich nicht derjenige, der sich auf dem Klo von Miguel einen blasen gelassen hat!”, giftete er zurück.

“Wie oft denn noch, das ist niemals passiert, Miguel ist mit Claude nach Hause gegangen!”

“Jungs, hört auf zu streiten, bitte”, ging Brooklyn dazwischen, als Garland schon wieder den Mund aufmachte. Kai grinste - wenn sein Kollege in seinem Elfenkostüm wütend wurde, sah er aus wie ein schlecht animiertes Rumpelstilzchen.

“Aber wo wir gerade dabei sind”, fuhr Brooklyn fort, “Ich wollte dich fragen, ob du schon ein Date für die Party hast, Garland.”

“Awwww”, machten Emily und Kai synchron und Garland zeigte ihnen den Finger.

“Habe ich nicht, aber ich gehe sehr gerne mit dir, Brooklyn”, sagte er.

“Wie, nicht mit deinem Lieblingskunden?”

“Was, der Rothaarige?”, fragte Emily, “Wie süß.”

“Wer im Glashaus sitzt, Kai”, fauchte Garland, “Oder hat Hiro etwa schon bei dir angefragt, ob du sein Date für die Party sein willst?”

“Immer auf’s Schlimme”, kommentierte Brooklyn feixend und Kai verzog den Mund. Ja, er wartete tatsächlich darauf, dass sein Manager mal einen richtigen Move machte, von nichts kam ja nichts und er spekulierte ultimativ schon auf ein paar Geschenke aus ihrem Sortiment, aber Hiro war einer von der ganz langsamen Sorte. Und so langsam verlor Kai mit ihm auch die Geduld. Vielleicht sollte er sich ein neues Spielzeug suchen?

Als hätte er genau auf diesen Moment gewartet, stand ein potenzielles neues Spielzeug neben der Swarovski-Vitrine, als sie von der Pause zurückkamen. Garland war heute im dritten Stock, der konnte ihm also auch nicht die Tour versauen.

“Tag, Herr Ivanov”, sagte er beschwingt, als er näher kam, “Womit kann ich dienen?”

“Oh Gott sei Dank, ich dachte schon, Sie sind heute nicht hier!” Ivanov blickte sich flüchtig um. “Schnell, ich habe nicht viel Zeit. Ich brauche diese Ohrringe.” Er deutete auf ein silbernes Paar mit roten Steinen und Kai fand, dass er mit dieser Wahl durchaus Geschmack bewies. “Geben Sie mir eine Minute, ich muss den Schlüssel holen”, sagte er und verschwand kurz hinter der Kasse. Als er zurückkam, hielt Ivanov schon wieder nach allen Seiten Ausschau, als fürchtete er, bei irgendetwas erwischt zu werden. Nun, er wäre nicht der erste Kerl, der seiner Freundin während eines gemeinsamen Shoppingtrips ein Weihnachtsgeschenk kaufte. Kai stellte keine weiteren Fragen und beeilte sich, die Schmuckstücke aus der Vitrine zu nehmen und zu verpacken. Wieder wurde ihm die Kreditkarte gereicht - Yuriy Ivanov, Mastercard, schon ziemlich abgegriffen, noch ein Jahr lang gültig - dann reichte er ihm die kleine Tasche zusammen mit dem Kassenzettel.

“Sie sind meine Rettung, Hiwatari”, sagte Yuriy Ivanov, und wieder berührten sich ihre Hände mit mehr Absicht als üblich wäre. Vielleicht hatte sein Gegenüber ja gar keine Freundin, sondern trug ab und an einfach selbst gern auffällige Ohrringe? Vor Kais innerem Auge entstand ein ziemlich hübsches Bild, das ihn doch tatsächlich etwas nervös machte.

“Das Retten gehört zum Service”, meinte er schließlich und schenkte seinem Kunden einen Augenaufschlag, den er nur für besondere Momente reservierte. Wie erwartet blieben Ivanovs Augen an seinem Gesicht hängen, wanderten flüchtig zu seinem Mund. Er setzte an, etwas zu sagen, doch dann wurden sie unterbrochen.

“Yura, was zum Fick? Ich hab dich überall gesucht!”

Ein weiterer Kerl war wie aus dem Nichts neben Ivanov aufgetaucht. Der Rothaarige war schon nicht klein, aber dieser überragte ihn noch. Er hatte kurzes, helles Haar, verboten breite Schultern - und trug mindestens zwei Silberketten um den Hals. Kais Augenbrauen zuckten nach oben, war das etwa der Glückliche, der mit dem Armband beschenkt werden sollte?

“Ich hab mich nur umgesehen”, sagte Ivanov jetzt und lächelte Kai noch einmal flüchtig zu, bevor er sich abwandte, “Sorry, Borya. Wir können gehen.”

Borya schnaubte nur und legte einen Arm um Ivanovs Schultern. Er warf einen abfälligen Blick auf Kai, was dieser mit einem strahlenden Servicelächeln quittierte, dann dirigierte er den anderen in Richtung des Ausgangs. Kai sah ihnen mit gerunzelter Stirn nach. Was zum Fick, tatsächlich.
 

14. Dezember
 

“Fang jetzt bitte nicht an zu weinen”, sagte Brooklyn, “Dein Lieblingskunde war noch mal bei uns, und Kai hat wirklich hart mit ihm geflirtet.”

Garland seufzte. “This is why we can’t have nice things”, murmelte er und zerrte ein wenig aggressiver als sonst an seiner Elfenjacke, die ein bisschen an der Brust spannte. Falsch, erinnerte er sich da, auch das Kostüm stand ihm gerade sehr im Weg. Während Kai mal wieder wie die teuerste Edelbitch des ganzen Ladens aussah, hüpfte er in den Klamotten eines weihnachtskranken Dreijährigen herum. Natürlich konnte er so keinen Eindruck schinden. Der einzig tröstliche Gedanke war wirklich der, dass Brooklyn sich seiner für die Weihnachtsfeier erbarmt hatte. Sein Kopf hing zwar neunzig Prozent der Zeit in den Wolken, aber er war ein guter Freund. Und küsste gar nicht mal so schlecht, wenn man geduldig genug war, ihn dazu zu bewegen.

“Ich verstehe das mit euch beiden nicht”, fuhr Brooklyn fort, “Ich meine, alle wissen, dass ihr euch nicht ausstehen könnt, aber alle haben den Grund dafür vergessen.”

Garland schnaubte. “Sagen wir so… Kai hat eine Vorliebe für Dinge, die eigentlich mir gehören. Komm, es ist gleich neun.” Und er wollte sich nicht ausmalen, welche Rüge Miss Judy ihm erteilte, wenn er zu spät an seiner Station war.

Das Weihnachtsgeschäft war nun in vollem Gange und das Kaufhaus glich einem Bienenstock. Garland war froh, heute in der Abteilung mit den Küchenutensilien zu sein, denn es schien, als wäre es endlich bei den Leuten angekommen, dass Stabmixer oder sechsunddreißigteilige Kaffeeservice keine guten Geschenke waren. Es war erfreulich ruhig. Etwas weiter weg sah er Max, Judys Sohn, der wie jedes Jahr während der Weihnachtszeit als Hilfskraft einsprang, quer über die Verkaufsfläche eilen. Er trug etwas, das nach einer sehr hässlichen Kristallglasvase aussah.

“Nein das geht nicht, wir brauchen eine Pfanne, die für Induktionsherde geeignet ist!”, erklang in diesem Moment eine Stimme hinter ihm.

“Ich kann’s nicht glauben, dass wir unsere gesamte Küchenausstattung ersetzen müssen, nur weil wir einen neuen Herd haben, Julia. Das war echt ne Scheißidee.”

Garland wirbelte herum, denn die zweite Stimme, die er nun hörte, war ihm nur allzu bekannt. Sofort stach ihm ein roter Haarschopf ins Auge. Es war tatsächlich Dostojewski - nein, Ivanov, wie Kai ihm neulich nicht ohne Hochmut mitgeteilt hatte - der dort stand, in Begleitung einer Frau. Diese blickte nun schwer seufzend auf und direkt in sein Gesicht. “Oh, lass uns den Weihnachtselfen da vorne fragen - Hallo!” Sie winkte, als hätte Garland sie nicht längst bemerkt. Er verkniff sich ein Augenrollen und ging auf sie zu, tat so, als hätte er nicht gehört, wie sie soeben über ihn gesprochen hatte. Ivanov musterte ihn kurz, aber er konnte immer noch nicht sagen, ob sein Gegenüber ihn wiedererkannte.

“Wie kann ich helfen?”, fragte er schließlich. Der Antwort hörte er aber schon nicht mehr zu. Das Problem war leicht zu lösen, das Induktionsgeschirr befand sich zwei Regalreihen weiter. Stattdessen musterte er verstohlen die beiden vor sich und versuchte zu ergründen, in welchem Verhältnis sie standen. Allein die Tatsache, dass sie gemeinsam etwas für die Küche kauften, sprach Bände. Sie hielten zwar nicht Händchen, schienen ansonsten aber sehr vertraut miteinander.

Also, wenn das Ivanovs Freundin war - warum flirtete er dann so hart mit Kai?

Vielleicht flirtete er ja gar nicht. Vielleicht hatten sich Brooklyn, Kai und Garland selbst geirrt. Oder der Schein bei dem vor ihm stehenden Pärchen trügte gewaltig - man sollte ja nicht immer alles nach dem ersten Anschein beurteilen. Oder Ivanov steckte noch sehr tief im Closet. Was auch immer es war, Garland war zwar etwas enttäuscht, seinen Angebeteten so offensichtlich vergeben zu sehen - auf der anderen Seite freute es ihn aber auch diebisch, dass Kai sich unter diesen Voraussetzungen wohl die Zähne an ihm ausbeißen würde.

Nach ein paar Minuten beendete er das Leiden seiner Kunden und führte sie zu den gesuchten Pfannen. Und wie um seine Theorie zu bestätigen packte Ivanovs Freundin ihn bei der Hand und sagte: “Siehst du, Schatz, ist alles nicht so schwer.”

“Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein?”, fragte er geschäftig, und während seine Partnerin schon die verschiedenen Pfannen miteinander verglich, wandte Ivanov sich ihm noch einmal zu.

“Ich glaube, wir finden zurecht”, sagte er und lächelte ihn etwas müde an. “Vielen Dank.”

“Kein Problem. Wenn noch was ist, ich bin ganz in der Nähe.” Und mit diesen Worten machte Garland, dass er wegkam.

Sobald seine Pause anfing, ließ er alles stehen und liegen um Kai brühwarm von seinen neuesten Erkenntnissen zu unterrichten - und hoffentlich beiwohnen zu können, wie die Enttäuschung über den vergeudeten Flirt über ihn kam. Das Seltsame war nur - er fand ihn nicht. Dabei hatten sie etwas später Pause als er. Allein Salima stand am Verkaufstresen der Schmuckabteilung.

“Hey”, sagte er und hoffte, dass sein Tonfall möglichst beiläufig klang, “Wo sind Kai und Brooklyn?”

“Brooklyn steht da hinten. Keine Ahnung, wo Kai ist.”

Nun, es wäre nicht das erste Mal, dass die Queen vom Erdgeschoss sich heimlich aus dem Staub machte und andere für sich schuften ließ. Kopfschüttelnd machte Garland sich auf in den Pausenraum, wo ebenfalls wenig los war. Womöglich war er einer der wenigen Glücklichen, die an einem Tag wie heute überhaupt rechtzeitig zu ihrer Pause kamen.

Er hatte gerade eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank in der Teeküche genommen, als er es auf der anderen Seite der Wand rumpeln hörte. Er zog die Augenbrauen hoch. Der Nebenraum war die Abstellkammer für die Putzkolonne, wurde aber gerne… zweckentfremdet. Zu dieser Tageszeit Geräusche aus diesem Raum zu hören war ein ziemlich untrügliches Zeichen.

Garland zögerte kurz, wurde dann aber doch neugierig, wer denn heute seine Finger nicht bei sich behalten konnte. Der Gossip war einfach unbezahlbar. Leise stellte er seine Flasche ab und schlich auf den Flur. Nicht einmal die Tür hatten die Leute da drin in ihrer Notgeilheit richtig verschlossen, sie stand einen Spalt breit offen. Garland hatte selbst schon schmerzhaft erfahren müssen, dass die Tür sehr laut quietschte, deswegen kam er langsam näher und spähte in den Abstellraum, ohne sie zu bewegen. Er konnte jedoch auch so genug erkennen.

Kai hatte es endlich geschafft, Hitoshi zu ködern. Er sah nicht, wo genau die Hände der beiden gerade waren, aber ihre Münder hingen aneinander wie festgeklebt. Aus irgendeinem Grund trug Hitoshi Kais Glitzermütze auf dem Kopf.

Garland wurde ein bisschen schlecht. Er zog sich unbemerkt zurück und versuchte nicht nur während der Pause, sondern auch die nächsten Tage über, die Bilder aus seinem Kopf wieder zu verdrängen.
 

16. Dezember
 

“Kann gar nicht so viel trinken wie ich kotzen will”, urteilte Garland, während er beobachtete, wie Kai Hitoshi beinahe wortwörtlich um den Finger wickelte. Er selbst stand neben dem schon leicht betüddelt lächelnden Brooklyn. Seit sage und schreibe drei Stunden versuchte er nun schon, sich diese Weihnachtsfeier schönzutrinken, aber wie immer, wenn er vorher etwas fettiges gegessen hatte, schlug der Alkohol einfach nicht an. Er hatte diese sonst sehr praktische Reaktion seines Körpers noch nie so sehr verflucht wie heute.

Immerhin war er nun endlich das beknackte Elfenkostüm los. Er hatte seine Urlaubstage aufgespart und heute seine Arbeitsstelle zum letzten Mal in diesem Jahr gesehen. Zum Glück. Hätte er noch acht Tage länger zusehen müssen, wie die beiden da drüben inmitten von Billigschmuck übereinander herfielen, er hätte für nichts mehr garantieren können.

“Versuch doch wenigstens, dich ein bisschen zu amüsieren”, meinte Brooklyn und winkte nebenbei jemandem, den er wohl kannte.

Garland verdrehte die Augen. “Du hast gut reden, du musstest nicht die ganze Woche Kais Prinzessinnengehabe ertragen.”

“Musste ich wohl, ich arbeite direkt neben ihm. Und Hitoshi, wohlgemerkt. Weißt du, ehrlich gesagt ist es nicht so viel anders als vorher…”

“Eine Bitch ist eine Bitch ist eine Bitch”, murmelte Garland.

“Meine Güte, du bist heute echt auf Krawall gebürstet, was?”

Das waren so ziemlich die letzten Worte, die sie an diesem Tag wechselten. Erst etwas später merkte Garland, dass er Brooklyn wohl vertrieben hatte, denn nachdem er sich kurz entschuldigt hatte, tauchte er einfach nicht wieder auf. Zum Teufel mit ihm, er war sowieso langweilig. Das viel größere Problem war eigentlich, dass er nun dafür sorgen musste, nicht ganz so verloren auszusehen, während er sprichwörtlich allein in der Ecke stand.

Für eine Weile hängte er sich an Emily, die mal mit dieser, mal mit jenem sprach. Es war sterbenslangweilig. Der Wein knallte immer noch nicht, aber es wurde immer wärmer. Ein paar Leute packten ihre peinlichsten Dance Moves aus, der Rest betrank sich weiter im Schatten. Garland sagte nicht unbedingt nein zu Partys, aber Weihnachtsfeiern erschienen ihm plötzlich als der Gipfel der Grausamkeiten.

Er traf Kai auf der Toilette. Eigentlich hatte er gehofft, nicht nur pinkeln, sondern auch einfach mal durchatmen zu können, aber das Schicksal schien da wohl andere Pläne mit ihm zu haben.

Zugegeben, Kai wusste, wie man sich einem Anlass entsprechend kleidete, aber Garland konnte er nicht blenden - oder zumindest redete er sich das ein.

Beim Händewaschen warf Kai ihm einen Seitenblick zu. “Heute gar nicht in Grün?”

“Und du ohne deinen neuen Schoßhund unterwegs?”, giftete Garland zurück. “Ich sollte mich wahrscheinlich glücklich schätzen, dass ich euch hier drin nicht in Flagranti erwischt habe.”

“Wow. Ich wusste ja, dass du keine hohe Meinung von mir hast. Aber du musst mich ja wirklich für die größte Bitch halten.”

“Duh.” Garland drehte sich zu ihm und lehnte sich ans Waschbecken. “Ich meine, du tust nicht unbedingt viel, um diesem Bild zu widersprechen.”

“Was soll das denn jetzt heißen?” Nun verschränkte auch Kai die Arme. Die Tür ging auf und irgendjemand wollte hereinkommen, zog sich bei ihrem Anblick aber schnell zurück.

“Ist es wegen mir und Hitoshi?” Kai musterte ihn abfällig. “Das ist eh nichts Festes. Mach doch einfach mal ’nen Move, anstatt dich nur aufzuregen. Du bist echt erbärmlich.”

“Ich, erbärmlich? Sagt derjenige, der sich aufführt, als gehöre ihm das ganze verdammte Einkaufszentrum, obwohl du genau das gleiche Scheißgehalt kriegst wie ich?!”

“Immerhin hab ich Mittel und Wege gefunden, mein Gehalt etwas aufzustocken…”

“Wow. Und ich soll dich nicht verurteilen.” Garland fehlten die Worte.

Kai seufzte. “Ich weiß echt nicht, warum du so ein Fass aufmachst. Erstens kann’s dir doch egal sein, was ich mache. Und zweitens… dass ausgerechnet du dich hier so aufspielst. Ich hatte ja beinahe Mitleid, als du dem süßen Rothaarigen wie so ein getretener Hund hinterhergedackelt bist, aber ganz ehrlich…” Er beendete den Satz mit einem Blick, der Garland stärker traf als alle Worte und sehr plötzlich sehr heftige Wut in ihm auslöste. In diesem Augenblick hätte er Kai gerne ein paar seiner perfekten Zähne ausgeschlagen.

“Halt doch einfach das Maul”, knurrte er, “Erst Hitoshi, dann der Rothaarige. Du kriegst doch sowieso immer alles.”

“Wittere ich da Eifersucht?”

Bei Kais spöttischem Tonfall musste Garland sich arg zurückhalten, um sich nicht sofort auf ihn zu stürzen. Doch Kai bemerkte das gar nicht, denn in seinem Kopf schien etwas ganz anderes vor sich zu gehen. Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. “Du bist eifersüchtig! Aber so richtig! Das mit dem Rothaarigen hab ich mir ja denken können - aber Hitoshi? Du stehst auf Hitoshi?”

“Du regst mich so auf!” Die Worte waren heraus, ehe Garland begriff, was er gesagt hatte. Aber es war auch nicht so wichtig, denn in seinen Körper war ebenfalls Bewegung gekommen. Kai wich seinem halbherzigen Schlag nur knapp aus.

“Ist das alles?”, fragte er. “Wenn du so wütend bist, warum nutzt du das nicht?! Schlag mich wenigstens einmal, aber richtig!”

“Nichts lieber als das…”

Garland hob die Fäuste, doch da ging schon wieder die Tür auf. Es war Brooklyn, der sie müde ansah. “Boah, nehmt euch ein Zimmer…” Dann verschwand er in einer der Kabinen. Kai und Garland sahen sich an.

“Sollen wir das draußen klären?”, fragte Kai zwischen zusammengebissenen Zähnen.

“Meinetwegen”, entgegnete Garland steif.

Draußen war es klirrend kalt, eine feine Schneeschicht lag auf den vereisten Wegen. Die Nacht war klar, doch die Lichtverschmutzung reichte weit. Ein paar Leute waren noch auf der Straße unterwegs, es war ja noch nicht einmal Mitternacht.

Sie zogen sich in den Schatten des Eingangsportals zum Hotel, in dem sich ihr Festsaal befand, zurück. Weder Garland noch Kai wollten sich anmerken lassen, dass sie frierten.

“Also”, sagte Kai, “Du stehst also tatsächlich auf Hitoshi?”

“Stand”, verbesserte Garland. “Nachdem ich bemerkt habe, wie er dir auf den Arsch stiert, habe ich es aufgegeben.”

“Oh. Na dann ist doch alles geklärt.”

“Nichts ist geklärt, Kai!” Als sein Gegenüber sich schon abwenden wollte, griff Garland grob nach seinem Ärmel. “Tu nicht so unschuldig! Ständig vergreifst du dich an den Leuten, für die ich mich interessiere. Was ist mit dem Rothaarigen, hm?!”

“Was soll mit dem sein?”

“Du wusstest, dass ich mich für ihn interessiere, aber das hat dich natürlich nicht davon abgehalten, schamlos mit ihm zu flirten!” Er gab Kai einen Stoß vor die Brust, sodass der einen Schritt nach hinten, in Richtung Straße, machen musste.

“Gar nichts hab ich!”, rechtfertigte Kai sich, “Und außerdem kannst du ihn gleich vergessen, der ist vergeben!”

“Das tut doch jetzt gar nichts zur Sache, ob der Typ eine Freundin hat oder nicht! Es geht darum, dass du dich nicht ständig in mein Leben einmischen sollst!” Ein weiterer Stoß, den Kai so halbherzig abwehrte, dass es Garland nur noch mehr anstachelte.

“Nimm dich nicht so wichtig, Garland - so sehr interessiert mich dein Leben gar nicht.”

“Fick dich, Hiwatari!”

“Und außerdem”, fuhr Kai unbeirrt fort, “Hat dein Schatz gar keine Freundin, sondern einen Freund. Und ganz ehrlich - du bist danach zu urteilen so gar nicht sein Typ.”

“Aber du oder was?!”

“Meinen Namen hat er sich immerhin gemerkt…”

In diesem Moment sah Garland rot. Denn in Kais Gesicht hatte immer noch Spott gestanden, schon die ganze Zeit, als wäre diese Unterhaltung hier unter seiner Würde. Mit einem wütenden Aufschrei stürzte er sich auf Kai, bemerkte in der letzten Sekunde, wie sich Spott endlich zu Schrecken wandelte, dann zielte er mit der Faust direkt in sein Gesicht. Aber Kai war schnell, und entgegen seines Königinnengebarens konnte er ziemlich gut austeilen. Beide landeten sie ein paar dumpfe Treffer, bevor sie im Eifer des Gefechts vom Schatten auf den erleuchteten Gehweg gerieten. Ein paar überraschte Rufe wurden laut. Garlands Sohlen rutschten über den glatten Boden, beinahe hätte er das Gleichgewicht verloren, dann spürte er Kais Faust irgendwo in seiner Seite und schwenkte den Arm, um ihn wegzustoßen. Kai strauchelte, und ehe Garland sich vollends aufrichten konnte, glitten seine Füße unter ihm weg. Er landete schmerzhaft auf dem Hintern. Kai stand vor ihm, er hatte innegehalten. “Reicht es dir?”

Nein, tat es nicht. Aber sein Hintern tat weh, und das war Grund genug, das Ganze hier abzubrechen. Garland fluchte unterdrückt.

Erst als er - natürlich ohne Kais Hilfe - wieder auf die Beine gekommen war, fiel ihm etwas ein.

“Der Rothaarige hat einen Freund?”

Kai sah ihn an als hätte er den Verstand verloren. “Das ist das erste, was du dazu zu sagen hast?”, fragte er ungläubig. “Ja hat er. Groß, breit, haarig. Sorry, Mann, aber mit dem willst du dich nicht anlegen.”

“Aber er hat eine Freundin!”, sagte Garland laut, “Eine hübsche brünette! Ich hab die zusammen gesehen!” Er starrte Kai an, und Kai starrte zurück, hob sehr langsam eine Augenbraue. Garland dämmerte, was dieser stumme Blick ihm mitteilen wollte.

Sein Lieblingskunde tanze auf mehreren Hochzeiten.

Wenn Kai diese Tatsache erstaunte, so ließ er es sich nicht anmerken. Und Garland spürte in diesem Moment mehr Enttäuschung als alles andere.

Du liebe Zeit, in Sachen Liebe griff er anscheinend immer ins Klo.
 

17. Dezember

Kai war verkatert. Und er hatte ein paar blaue Flecke an den Armen, aber die sah man zum Glück nicht. Was hatte er sich auch mit Garland, dieser Furie, anlegen müssen? Der gestrige Abend war nach diesem Zwischenfall nicht mehr lang gewesen. Garland war beinahe sofort abgehauen, immerhin war dank des Sturzes sein Arsch klitschnass, aber Kai war wieder nach drinnen gegangen, hatte vorher nur kurz seinen Blazer gerichtet. Ein paar Gläser Wein hatten das Ganze etwas besser gemacht, zumindest, bis Hitoshi anfing, ihm unanständige Sachen ins Ohr zu lallen, dann hatte auch er die Flucht ergriffen.

Und nun hing er wieder über dem Verkaufstresen, im schlimmsten Weihnachtsgeschäft. Er schob die Schicht eigentlich nur, weil es einen ordentlichen Bonus gab. Aber ganz ehrlich? Er wollte nur noch nach Hause.

“Hallo, Herr Hiwatari.”

Kai blickte auf und direkt in Ivanovs blaue Augen. Ach ja, die Wurzel allen Unglücks.

“Na, soll die dritte Geliebte auch noch etwas bekommen?” Die Frage war ihm so rausgerutscht, aber wenn er ehrlich zu sich war, so machte ihm das überhaupt nichts aus.

Ivanov blinzelte verwirrt. “Bitte was?”

“Naja…” Kai machte eine saloppe Geste. “Erst Borya, dann die Schöne, die die Ohrringe bekommt… Man verliert ja schnell den Überblick, nicht wahr? Aber unter uns…” In einem Anflug verkaterter Verwegenheit beugte er sich vor und lächelte den Rothaarigen verschwörerisch an. “Sie wären nicht der erste, dem das passiert.”

Ivanov räusperte sich, dann lehnte er sich ebenfalls auf die Vitrine. “Ich sehe, in diesem Laden ist die Belegschaft sehr… aufmerksam. Hat der Elf uns verraten?”

Kai lachte leise. “So könnte man es sagen.”

“Sie sind wohl gut befreundet?”

“Nicht im Geringsten”, sagte Kai ohne mit der Wimper zu zucken. Ivanovs Mundwinkel bewegten sich kurz, es war nicht zu erkennen, ob es ein Grinsen werden sollte oder nicht.

“Wie auch immer”, sagte er, “Ihr Elfenfreund hat da was missverstanden. Julia und Boris sind meine Mitbewohner.”

“Oh.” Nun entgleiste Kai wirklich die Miene. “Oh! Dann sind das aber ziemlich teure Geschenke…”

Ivanov lachte. “Die beiden lieben Schmuck, was soll ich sagen. Außerdem sind wir seit Jahren gut befreundet. Und wenn ich sie damit glücklich machen kann, warum nicht?”

Kai lehnte sich wieder zurück und reckte das Kinn, um Ivanov noch einmal von oben bis unten zu mustern. “Ich hab nicht zufällig Chancen, Ihr bester Freund zu werden, oder?”, fragte er amüsiert.

“Hm, die Position ist schon vergeben, bedauere. Aber…” Ivanov machte eine Kunstpause. “Ich hätte noch was frei für ein Date?”

Kai blinzelte.

Oh.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  esperluette
2020-12-30T22:44:23+00:00 30.12.2020 23:44
Ich liebe das auf eine sehr verquere Art und Weise.

Meine Gefühlslage ging so /:) > hm > hmmm > argh!! > …muahaha… > Oooh
Ich hatte also Spaß daran.

Wieder eine so runde, so gut geschriebene Story!

Tackyness on point. Und komplett durchgezogen!

Ehrlich, ich möchte wirklich alle Typen hier gerne ein bisschen hauen. Aus anderen Gründen als für gewöhnlich. Und dann schlagen sie sich gegenseitig! Hahah! Ich kann nicht mehr!
Von:  WeißeWölfinLarka
2020-12-23T01:59:53+00:00 23.12.2020 02:59
Ich. In noch nicht ganz durch, aber Gott wie ich einfach schön diese Anfang liebe. Ich habe Garland sehr gut. Vorstellen können, wobei ich mich auch Frage, wie eng das Kostüm an seinem Muskeln sitzt... XD. Und dann diese spitzen gegen Hiroshi... es ist herrlich.
Ich fühle mich auch ein bisschen an ru Pauls frag race erinnert, das ich noch nie gesehen habe, aber wie sie hier alle reagieren, lässt mich vermuten, dass du da ne Muse gefunden hast.
An die Sprache muss ich mich noch gewöhnen (ich mag es, aber es ist dennoch etwas seltsam zu lesen, dieses bitchin')
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
23.12.2020 03:00
Später mehr
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-12-22T18:05:18+00:00 22.12.2020 19:05
1. Dezember:
🤣🤣🤣🤣
Ok...Garland hat ja (für mich) übelst eine auf die Fresse verdient, aber dieses Kostüm...ich hab so gelacht und es hatte so viel Genugtuung.

3. Dezember:
Yuriy: “Ich suche die Schmuckabteilung.”
Ich: Mhuhahaha in your face Garland.
Brooklyn ist übrigens hier mein Favorit. So genial XD

7. Dezember:
Ok...Kai kann echt ne kleine Bitch sein.
Aber ich war durchweg sehr amüsiert.

10. Dezember:
Oh Gott...ich hab auch an Rumpelstilzchen gedacht, als Garland wütend wurde. 🤣
Und Boris Auftritt war so...so...einfach 100% Borya...und dann sein Blick zu Kai und dieser mit dem Servicelächeln...ich liebe es.

14. Dezember:
Neugierde wird bestraft, Garland.
Und ein kleines ❤ für HitoshixKai
Allerdings war ich auch irritiert über Yuriy und Julia. 🤨🤔

16. Dezember:
Battle Time!!!
Ich hatte auf ein bisschen mehr Blut gehofft 😢
Btw...Yura war sehr oft shoppen...vor allem in dem kurzen Zeitraum.

17. Dezember:
Aaawwwwww ❤
1:0 für Kai..."sorry"(but not) Garland 🤭



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