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A STEREK-Pride-Fairytale

von

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Vorwort:

Das wunderbare Cover verdanke ich "Puppenspieler". Schaut euch doch mal ihre anderen Werke hier auf dieser Seite an!
 


 

Monatelang hatte Stiles hin- und herüberlegt, wie er es seinem Vater am besten verkaufen könnte, was er an diesem Wochenende vorhatte, doch dann hatte ihm das Schicksal einfach so vollkommen unerwartet in die Karten gespielt. Denn ausgerechnet an diesen besonderen zwei Tagen würde Noah Stilinski nun auf so einer komischen Polizisten-Tagung in Washington weilen und somit hatte Stiles sturmfreie Bude und musste ihm gar nichts sagen. Das Timing war einfach perfekt!
 

Und so stand Stiles an diesem Samstagmorgen in aller Herrgottsfrühe vor seinem Kleiderschrank und überlegte fieberhaft, was er anziehen sollte, denn dies heute würde immerhin sein allererster PRIDE werden.

Er kannte natürlich die Bilder von den bunten Vögeln, den Drag-Queens, den Motorrad-Lesben, den Gestalten in Fetischkleidung und verrückten Kostümen auf diesen Paraden aus dem Fernsehen, doch er selbst wollte mit Sicherheit nicht derart herausstechen. Zum Glück wusste er aber auch, dass es ebenfalls genug Menschen gab, die in ihren ganz gewöhnlichen Straßenkleidern den CSD besuchten und genauso würde er es eben auch machen.

Eines war ihm dabei jedoch äußerst wichtig: Er wollte verdammt nochmal so gut aussehen, wie es ihm nur irgend möglich war! Sein Mitschüler Danny hatte ihm nämlich auf die Frage, ob er attraktiv für schwule Männer sei unmissverständlich mit einem Nein geantwortet und das hatte Stiles Selbstvertrauen einen empfindlichen Dämpfer verpasst. Darum musste er heute wirklich alles herausholen, was nur möglich war, denn er wollte mindestens irgendeinen Kerl dazu bringen, ihm entweder zuzuzwinkern, ihn anzulächeln, oder ihm vielleicht sogar eine Cola zu spendieren.

Wenigstens das sollte doch wohl möglich sein, richtig?
 

Leider musste Stiles in diesem Moment feststellen, das alles was er besaß total dämlich war!

Was hatte er sich zum Beispiel dabei gedacht, als er dieses hässliche Jackett gekauft hatte? Er starrte das scheußliche Ding eine Weile an, als ob er es ermorden wollte, ehe er es wütend auf´s Bett warf.

Einen seiner unzähligen Hoodies anzuziehen kam ebenfalls auf keinen Fall infrage. Da könnte er ja ebenso gut in einem Müllsack loslaufen. Sein Vater hatte schon ganz recht damit gehabt anzunehmen, dass er nicht schwul sein könne, so wie er angezogen war. Schwule hatten nämlich Geschmack, war es nicht so?
 

Andererseits hatte er neuerdings diese verwirrenden Gefühle und Fantasien
 

Wenn er heute also wirklich irgendwem positiv auffallen wollte, dann musste er wohl ein wenig Haut zeigen, sein Fleisch zu Markte tragen, seine Vorzüge herausstellen.

Bei der Sache gab es lediglich ein kleines, unbedeutendes Problem: Er besaß bedauerlicherweise überhaupt keine Vorzüge!
 

Stiles stellte sich, nur in eine Boxershorts gekleidet vor den Spiegel, drehte und wendete sich, um sich missmutig von allen Seiten zu betrachten. Seine Brust, seine Schultern, seine Arme... nichts davon sah so aus, wie bei diesen Typen in den Magazinen. Er war zu dünn, zu untrainiert, zu blass und zu leberfleckig.

Er war eine einzige Katastrophe!
 

Einen Augenblick lang dachte Stiles darüber nach, diese ganze Sache einfach abzublasen und zuhause zu bleiben. Er könnte sich doch ebenso gut auch hier verkriechen, auf dem Sofa hocken bleiben, stundenlang zocken und einen Zentner ungesunde Snacks in sich hineinstopfen, bis ihm zu allem Überfluss auch noch ein Haufen ekliger Pickel sprossen, oder nicht? Wen kümmerte es schon.
 

Andererseits wollte er endlich einmal einen Jungen küssen!

Er musste einfach wissen, wie sich das anfühlte?

Und ob es wirklich das war, was ihm so sehr fehlte?
 

Stiles seufzte, zog eine Jeans aus dem Schrank und betrachtete lange Zeit seinen Hintern darin, bis er sich schließlich selbst davon überzeugt hatte, dass er sich so durchaus sehen lassen konnte. Ganz kurz spielte er auch noch mit dem Gedanken, vorne herum der Natur ein wenig nachzuhelfen, indem er diesen Bereich mit einem Paar Socken auspolsterte.

Andererseits bestand ja immerhin die vage Chance, dass an diesem Wochenende irgendwer betrunken genug war, sich diese Region ein wenig genauer anschauen zu wollen, überlegte er ein wenig größenwahnsinnig und das würde dann peinlich werden.

Nein, er musste wohl mit dem Leben, was ihm geschenkt war. Und aufgrund verstohlener Beobachtungen nach dem Lacrosse-Training im Umkleideraum und unter der Dusche wusste er ja immerhin, dass er im Vergleich gar nicht mal so schlecht abschnitt.

Wenigstens etwas!
 

Die Hosenfrage war damit also geklärt, doch was sollte er oben herum anziehen. Ein T-Shirt war viel zu langweilig, es sei denn es wäre eines von diesen tief ausgeschnittenen V-Shirts, wie zum Beispiel Danny, oder Peter Hale sie trugen, doch erstens besaß Stiles so etwas nicht und zweitens fehlte ihm überdies die gestählte Heldenbrust, durch welche ein solches Kleidungsstück überhaupt erst richtig zur Geltung kam, also schied das aus.

Doch was kam anstatt dessen infrage?

Schlussendlich entschied Stiles sich ganz einfach für ein enges, geripptes Unterhemd.

Perfekt!

Er war schon fast aus der Tür, da kam er sich mit einem Mal viel zu nackt vor, also flitzte er noch einmal in sein Zimmer zurück und zog sich noch ein leichtes Flanellhemd drüber, welches er vorne offen ließ. Ja, so würde es gehen!

Er marschierte zu seinem Jeep und fuhr los.
 

Anfänglich hatte Stiles noch darüber nachgedacht seine Freunde Scott, Malia, Cora, Isaac oder Lydia zu fragen, ob sie heute mit ihm kommen wollten. Er hätte es ja ganz harmlos verpacken und sagen können:

„Das wird ja vielleicht ganz lustig? Man kann es sich doch einfach mal angucken, nur so zum Spaß?“

Andererseits hätten sie dann vielleicht erraten, dass dies hier für Stiles mehr war, als bloß ein harmloser kleiner Jux. Nein, Stiles wollte endlich herausfinden, was er war. Ob er wirklich SO war?

Und irgendwas verriet ihm, dass er das ganz allein herausfinden musste.
 

Im Autoradio kam der Song „I´m coming out“ und Stiles sang laut und schräg mit, während ihm der milde Fahrtwind ins Gesicht blies. Der Himmel war blau und klar und es versprach ein herrlicher Tag zu werden. In Stiles Bauch herrschte eine Aufregung wie im Inneren eines Bienenstocks, doch er war glücklich.
 

Im Vorfeld hatte er sich genau überlegt, wo er seinen ersten Pride erleben wollte; ob er eher in eine der kleineren Städte in der Nähe, oder zu einem echten Großstadtevent fahren sollte. Am Ende hatte er dann aber entschieden, dass er es auch gleich richtig machen und in die schwule Hauptstadt der vereinigten Staaten, nämlich nach San Francisco kommen könnte. Die Anreisezeit betrug lediglich zwei Stunden, doch es war immer noch weit genug von Beacon Hills entfernt, um nicht unbedingt jemandem in die Arme zu laufen, der ihn kannte, was ohnehin relativ unwahrscheinlich war, denn immerhin war dies hier eine Riesenveranstaltung und der einzige Mensch, den er in dieser Stadt kannte, war Scotts Vater Raphael McCall und der würde sich sicherlich heute nicht hierher verirren.

Mit dieser Entscheidung fühlte Stiles sich also ziemlich sicher. Und von Fernsehkameras, die bei solchen Paraden ja auch immer vertreten waren, würde er sich eben fernhalten. Niemand würde je erfahren, dass er heute hier gewesen war.
 

Stiles stellte seinen Wagen ein wenig außerhalb ab und fuhr dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiter bis ins Zentrum. Er hatte sich vorab genau informiert. Heute am Samstag würde er das Festival besuchen und sich dort umschauen und sich am Abend dann ein paar Clubs anschauen. Er hatte einen Haufen Kohle für einen gefälschten kalifornischen Führerschein ausgegeben, laut welchem er zweiundzwanzig war. Dort reinzukommen und etwas zu trinken zu bekommen sollte also kein Problem sein. Er musst lediglich am Sonntagmorgen ab halb elf wieder fit genug sein, um dann zur Parade zu gehen.
 

Auf dem Festival angekommen wusste Stiles überhaupt nicht, wo er als erstes hinschauen sollte. Hier gab es Regenbogenfahnen, so weit das Auge reichte. Menschen hatten sich für diesen besonderen Tag aufwendig zurecht gemacht, Fressbuden und Verkaufsstände buhlten mit den unterschiedlichsten Düften und einer bunten, breiten Produktpalette um kaufkräftige Kundschaft, der Klang unzähliger Stimmen drang von fern und nah zu ihm herüber und unterschiedliche, lautstarke Musik dröhnte aus einer Vielzahl von Lautsprecherboxen.

Der Kleinstadtjunge war davon mehr als nur ein wenig überfordert. Stiles atmete tief durch und stellte sich einen Augenblick lang vor, er trage Scheuklappen wie ein nervöses Pferd, um von all der Vielfalt nicht überwältigt zu werden.
 

Er setzte sich in Bewegung, arbeitete sich an den unzähligen Buden entlang, bewunderte die dortigen Auslagen und irgendwann kam er auf diese Weise unvermutet an einen Stand mit Sextoys. Seine Ohrläppchen begannen zu glühen und seine Handflächen wurden feucht, doch er tat sein Bestes nonchalant und weltoffen zu wirken, während er einen schwarzen Dildo im Format eines durchschnittlichen menschlichen Unterschenkels bewunderte. Und während Stiles noch darüber sinnierte, ob man sich so etwas wohl lediglich zu Dekorationszwecken hinstellte, oder ob es tatsächlich ein lebendes, menschliches Wesen gab, welches an so etwas in der Praxis Gefallen fand, fragte ihn die kleine, ausgemergelte, in ein übergroßes Batikshirt gewandete Verkäuferin Anfang sechzig mit üppiger, angegrauter Rastamatte von der anderen Seite des Verkaufstisches aus:

„Na, Kleiner, hast du Interesse? Das ist ein echtes Prachtstück, was? Der ist vegan und aus reinen Naturmaterialien hergestellt! Unser großer Verkaufsschlager!“
 

„Aha!“ piepste Stiles, der sich bis dahin aus irgendeinem Grund unbeobachtet gewähnt hatte und behauptete rasch und um ein wenig mehr Festigkeit in seiner Stimme bemüht: „So einen habe ich schon. Trotzdem vielen Dank.“

Er lächelte und kam sich dämlich dabei vor. Also wandte er sich abrupt um und verschwand fluchtartig in die andere Richtung.

Hinter seinem Rücken meinte er ein Kichern der Verkäuferin zu vernehmen.
 

Zur Stärkung brauchte er jetzt erst einmal etwas zu essen und fand bald darauf einen Stand, wo es Laugengebäck am Stiel gab, welches wie Genitalien geformt war:

„Einen Penis bitte!“ sagte er selbstbewusst zu dem jungen Mann hinter dem Tresen, reichte diesem drei Dollar und erhielt gleich darauf das Gewünschte.

Wenigstens hatten dieses Genital eine realistische Größe, stellte Stiles erleichtert fest. Außerdem hatte er gerade Appetit auf Laugengebäck und vielleicht konnte er sich ja auf diese Weise vorsichtig der Erforschung seiner wahren sexuellen Identität ein wenig nähern? Das wäre dann so etwas, wie seine erste schwule Erfahrung, nur eben auf die kulinarischer Art. Er besah sich seinen Snack noch einmal eingehend, ehe er herzhaft hinein biss.
 

„Lass´ es dir schmecken, Baby.“ sagte Verkäufer und zwinkerte Stiles schelmisch grinsend zu. Der Junge, der kaum älter als Stiles selbst sein mochte, hatte funkelnde, blaue Augen und wirklich süße Grübchen.

Stiles mochte sich täuschen, weil er ja noch total unerfahren war, aber irgendwie wirkte es, als sei sein Gegenüber möglicherweise interessiert?

Doch auch wenn Stiles nicht das Gefühl hatte wählerisch sein zu können, war dieser gutaussehende Fremde dennoch irgendwie nicht sein Typ und so lächelte er noch einmal unverbindlich und höflich, ehe es weiter ging weiter.
 

Als er seinen Weg fortsetzte überlegte er, wie denn eigentlich der Mann beschaffen sein müsste, der ihm gefährlich werden könnte?

Er müsste ein wenig älter sein als er selbst, entschied Stiles; cool, düster, wortkarg, groß, gutaussehend, ein wenig unnahbar und mysteriös vielleicht? Jemand mit Tiefgang, ein heimlicher Romantiker, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht gleich erkannte, nach außen ein Stoiker, innerlich eine gequälte Seele.

Und gegen einen Waschbrettbauch hätte Stiles ebenfalls überhaupt nichts einzuwenden gehabt.
 

Doch wo sollte er solch einen Prinzen der Nacht auftreiben? Gab es so jemanden überhaupt, oder war das doch nur eine Fantasie?

Vielleicht würde er für immer allein bleiben, wenn er so spezielle Vorstellungen hatte?

Aber er wollte sich diesen Tag nicht mit derart trüben Gedanken verderben.
 

Auf dem Festivalgelände verteilt befanden sich überall Bühnen, auf welchen DJs oder Künstler Musik spielten. Bei einer Frauenrockband blieb Stiles schließlich stehen, denn die waren richtig gut.

Er hielt sich am Rand, bewegte sich sogar zaghaft ein wenig zur Musik, ließ seinen Blick über die feiernde Menge schweifen und fing langsam an, diese ganze Veranstaltung zu genießen und sich zu entspannen. Die Musik machte richtig gute Laune und er war sich nun erstmals an diesem Tag sicher, am richtigen Ort zu sein.

Dann jedoch erblickte er etwas, das sein Herz stillstehen ließ. In einiger Entfernung hatte er nämlich ein ihm nur allzu vertrautes Gesicht erkannt.

Verdammt!

Zum Glück war er selbst aber offenbar noch nicht entdeckt worden und damit das auch so blieb, duckte er sich augenblicklich, um sich zu verstecken, wie ein gelbbäuchiger Feigling.
 

Und während er immer noch so an der Erde hockte und angestrengt darüber nachdachte, wie er ungesehen von hier verschwinden könnte, wurde Stiles sich eines großen, breiten Schattens bewusst, welcher plötzlich auf ihn fiel. Er hob zögerlich den Kopf, in der Hoffnung, es möge am Ende doch bloß eine spontane Sonnenfinsternis sein, doch so war es natürlich war es nicht. Nein vor ihm stand er: Derek Hale, der mies gelaunte Mr. Sourwolf höchstpersönlich. Na Klasse!

Verdammte Werwölfe und ihre übermenschlichen Sinne! Er musste ihn gewittert haben, oder was auch immer? Diese blöde Schnüffelei war doch einfach nur... unhöflich! Ja genau das war es, es war richtig schlechtes Benehmen!
 

„Bist du fertig damit so zu tun, als würdest du dir die Schuhe zubinden, du kleiner Spinner?“ fragte Derek noch eine Spur gereizter als gewöhnlich:
 

„Öhm...“ machte Stiles und beglückwünschte sich innerlich zu dieser äußerst eloquent und schlagfertig vorgetragenen Erwiderung. Und weil er sich gerade so vorkam, als würde er sich vor dem Werwolf verneigen, ein Gefühl welches ihm selbstverständlich überhaupt nicht passte, erhob er sich rasch wieder.
 

Derek stemmte die Fäuste in die Hüften und knurrte:

„Also gut Stiles, was zur Hölle machst du hier? Wo sind die anderen? Sind sie etwa alle hier, all deine kleinen Loser-Freunde? Seid ihr mir hierher gefolgt? Woher wusstet ihr überhaupt, dass ich hier sein würde? Ich wette, Peter hat es euch verraten! Wenn ich dieses Arschloch erwische, dann mache ich ihn fertig!“
 

„Jetzt entspann´ dich mal wieder, Kumpel!“ forderte Stiles augenrollend: „Ich bin allein hier und ich hatte keine Ahnung, dass du auch da sein würdest. Was ist los, Derek? Leidest du zusätzlich zu all deinen anderen psychischen Problemen, wie deiner chronischen schlechten Laune und deiner fehlenden Kontrolle über deine aggressiven Impulse nun auch noch unter Verfolgungswahn, oder wie?“
 

Dereks Blick verfinsterte sich noch weiter:

„Du und deine große Klappe, Stiles! Die wird dich nochmal so richtig in Schwierigkeiten bringen. Sei froh, dass ich meine aggressiven Impulse verdammt gut im Griff habe. Und ich soll dir also glauben, dass dein Vater es dir erlaubt hätte, heute allein hierher zu kommen, ja?“
 

„Wieso sollte er nicht? Dad vertraut mir!“ behauptete Stiles wie ein trotziger Junge: „Und überhaupt: Was geht dich das denn an?“
 

Ausgerechnet in diesem Augenblick spazierte ein Kerl an ihnen vorbei, welcher mit Ausnahme von den Turnschuhen an seinen Füßen, albernen weißen Engelsflügelchen auf seinem Rücken und einer verwaschen Tennissocke, in welcher er seine Genitalien verpackt hatte, nackt war.
 

Sowohl Derek als auch Stiles blickten dem Fremden eine Weile fassungslos hinterher, ehe Derek erklärte:

„Siehst du? Darum weiß ich, dass du lügst, Stiles. Dein Vater würde dich doch nicht allein hierher kommen lassen. Er hat keine Ahnung, dass du heute hier bist, richtig?“
 

„Und wenn schon?“ gab Stiles angriffslustig zurück: „Das hat dich nicht zu interessieren! Für wen hältst du dich überhaupt? Für meinen Aufpasser etwa?“
 

Derek rollte mit den Augen und fragte mit aller Geduld, die er aufbringen konnte:

„Du bist minderjährig! Du gehst mit meiner Schwester und meiner Cousine in die Schule. Entschuldige bitte, dass ich mich wie ein verantwortungsvoller Erwachsener verhalte. Was willst du denn überhaupt hier?“
 

Von seinem Hals ausgehend breitete sich eine intensive Röte auf Stiles Gesicht aus und er kam ins Schwitzen:

„Na was denkst du denn was ich hier will? Ich will selbstverständlich ein bisschen feiern. Ist doch eine coole Party!“
 

Derek blickte ihn zweifelnd an:

„Und dazu kommst du ausgerechnet HIER her? Und das auch noch ganz allein, ohne deine Freunde?“
 

Stiles wusste nicht, was er darauf erwidern konnte, ohne Derek etwas zu offenbaren, was diesen einen Scheißdreck anging. Doch dann ging dem Jüngeren ein Licht auf:

„Ich könnte dich dasselbe fragen, Derek. Was machst du denn ausgerechnet hier, hm? Ist da vielleicht etwas, worüber du sprechen möchtest? Na komm´ schon Kumpel, sein nicht schüchtern! Mir kannst du es doch sagen.“
 

Derek wurde ein wenig blass um die Nase und nach dem kurzen Moment, den er brauchte um sich wieder ein wenig zu fassen, pöbelte er:

„Nicht dass es dich etwas anginge Stiles, aber ich bin bloß zufällig hier. Völlig zufällig, kapiert? Ich habe nämlich in der Stadt zu tun.“
 

„Nee, is´ klar!“ gab Stiles triumphierend zurück: „Dann lass´ dich mal nicht aufhalten und geh rasch deinen wichtigen, nicht näher benannten Tätigkeiten nach, Kumpel. Ich bin jedenfalls hier um Spaß haben und dass DU das Gegenteil von Spaß bist, ist ja hinlänglich bekannt. Darum verschwinde ich jetzt auch. Man sieht sich!“
 

„Fein!“ knurrte Derek
 

„Fein!“ erwiderte auch Stiles und dann drehten sich beide abrupt um, um sich in unterschiedliche Richtungen zu entfernen.
 

Innerlich aufgewühlt von dieser unerwarteten Begegnung brauchte Stiles eine ganze Weile, um sich wieder zu beruhigen. Was wenn Derek zuhause irgendwem von ihrem Zusammentreffen berichtete und er sich dann den unangenehmen Fragen seiner Freunde stellen musste?

Irgendwann hatte Stiles sich allerdings selbst davon überzeugt, dass Derek dichthalten würde. Es war ja nicht bloß so, dass der Werwolf ohnehin nicht gerade von der gesprächigen Sorte war, nein, wenn er etwas über heute ausplauderte, dann musste er ja wohl auch damit rechnen, dass man ihn selbst ebenfalls fragen würde, was er denn auf dem San Francisco-Pride getrieben habe.

Nein, Derek würde sicher nichts sagen. Dies würde ihr kleines gemeinsames Geheimnis bleiben.
 

Nachdem Stiles den größten Teil des Festivalgeländes gesehen hatte spürte er, dass er müde und überreizt war. Wenn er am Abend wirklich noch ausgehen wollte, dann musste er sich bis dahin noch ein wenig ausruhen, also nahm er den Bus und fuhr hinüber zum Golden Gate Park, wo er sich ein hübsches Plätzchen in der Nähe eines Springbrunnens suchte und sich auf einer Wiese lang machte, um ein Nickerchen zu machen.
 

Etwa zwei Stunden später erwachte er davon, dass es sich gegen Abend etwas abgekühlt hatte.

Erfrischt und erholt machte Stiles sich nun auf den Weg in den Castro-District, das queere Herz der Stadt, um wie geplant eine Tour durch die dortigen Bars zu machen. Er betrat mehrere von ihnen, schaute sich gründlich um und ging dann wieder, bis er schließlich eine Kneipe mit einer gemütlichen Wohnzimmeratmosphäre fand, in der er sich wohl genug fühlte, um ein wenig zu bleiben. Er ließ sich am Tresen nieder und bestellte das erste Bier des Abends.

Natürlich wurde er von der Bedienung nach seinem Ausweis gefragt, doch sein gefälschter Führerschein bestand den Test und er erhielt das Gewünschte. Er stürzte den Flascheninhalt herunter, in der Hoffnung, dass er auf deren Grund ein wenig Mut fand, um eventuell jemanden anzulächeln und ein wenig zu flirten. Es funktionierte nicht, doch Stiles war sich sicher, dass allein die Dosis nicht stimmte, also orderte er sogleich die nächste Flasche.
 

Die Preise in diesem Laden waren gepfeffert und Stiles fürchtete, dass ihm das Geld ausgehen könnte, bis er jenen Pegel erreicht, welcher es ihm erlaubte sich ungezwungen genug zu fühlen, um zu irgendeinem Kerl Kontakt aufzunehmen.
 

Sein Blick wanderte durch den Raum. An den Tischen saßen Menschen, die miteinander lachten, redeten und Spaß hatten und Stiles begann sich einsam zu fühlen. Es wäre irgendwie doch ganz schön gewesen, wenn er sich getraut hätte, seine Freunde zu fragen, ob sie mit ihm hierher kommen wollten. Höchstwahrscheinlich wären sie unterstützend und lieb gewesen, wenn er ihnen verraten hätte, was mit ihm los war und wonach er sich neuerdings sehnte und er hatte sich vollkommen umsonst gesorgt. Zumindest sein lieber bester Freund Scott, der fantastische wahre Alpha wäre mit Sicherheit an seiner Seite gewesen, hätte ihn angefeuert und sich mit Feuereifer daran gemacht, einen netten Kerl für ihn zu finden.

Stiles vermisste ihn!
 

Irgendwann entschied er, dass er seinen kleinen Ausflug nicht gemacht hatte, um Trübsal zu blasen und dass er einfach bloß am falschen Ort war, um jemanden kennenzulernen. Er brauchte einen größeren, anonymeren Ort und so leerte er seine zweite Flasche und brach auf zu einem der schwulen Nachtclubs der Stadt.
 

Über eine Stunde stand Stiles in der Schlange und wartete auf den Einlass. Als er dann endlich direkt vor dem ganzkörpertätowierten Muskelberg von einem Türsteher stand, musterte dieser ihn aus gemeinen, kleinen Augen, prüfte eingehend den vorgelegten Führerschein, während sich Stiles selbst immer unwohler in seiner Haut zu fühlen begann. Entweder würde sein Ausweisdokument gleich als Fälschung entlarvt werden, oder dieser bullige Typ würde sagen: „Sorry Kleiner, aber deine Fresse passt nicht. Geh´ nachhause!“ Doch es geschahen noch Zeichen und Wunder und Mr. Wichtig besann sich offensichtlich darauf, dass heute der höchste schwule Feiertag war und bedeutete ihm, dass er eintreten dürfe.

An der Kasse wurde Stiles dann noch ein kleines Vermögen für den Eintritt los, was sein Budget für´s betrunken werden arg schrumpfen ließ, doch was sollte er machen? Dann würde er sich eben den ganzen Abend lang an einem einzigen Bier festhalten.
 

Endlich im Inneren des Clubs angekommen, schaute Stiles sich erst einmal gründlich um. Es gab eine lange Bar, eine riesige, überfüllte Tanzfläche, eine obere Ebene, von wo aus man auf die Tanzenden herunterblicken, oder in einer der unzähligen Nischen ein wenig Ruhe finden konnte. Und falls man die richtige Person hierfür bereits gefunden hatte, konnte man diese Bereiche vermutlich auch dafür nutzen, um ein wenig herum zu machen, wovon auch bereits zahlreiche Paare Gebrauch machten.
 

Die Musik in diesem Laden war ohrenbetäubend und die Stroboskop-Blitze und zuckenden Lichteffekte machten Stiles beinahe blind. Dennoch liebte er alles hier. Es war so unglaublich aufregend!

Er warf einen verstohlenen Blick auf einige leicht bekleidete Animationstänzer, die ihre bestens durchtrainierten Körper erhaben auf Podests positioniert zur Schau stellten und entschloss sich selbst ebenfalls ein wenig zu tanzen.

Er mischte sich unter die Leute und begann damit, sich ungezwungen zur Musik zu bewegen. Er war fremd hier und selbst wenn er sich lächerlich machte, was machte das schon? Niemand hier kannte ihn.

Doch er würde sich gar nicht erst blamieren, dessen war er sich beinahe sicher. Er mochte unter normalen Umständen ungeschickt wirken, wie eine neugeborene Giraffe, aber auf einer Tanzfläche machte er im Grunde gar keine so schlechte Figur.

Zumindest bildete er sich das ein.

Das sah offenbar auch jener Kerl so, welcher ein wenig entfernt von ihm ebenfalls tanzte und ihm, wirklich IHM, Stiles Stilinski ein Lächeln und ein schelmisches Zwinkern schenkte.

Bingo!

Endlich liefen die Dinge an diesem Tag einmal so, wie Stiles sich das gedacht hatte!

Er lächelte zaghaft zurück und tanzte dann mit schüchtern gesenktem Blick einfach weiter.
 

Dieser Typ war zwar nicht genau das, was Stiles sich vorgestellt hatte; er war zu sehr Sunnyboy, wirkte zu nett und offen gestanden war er auch ein ganzes Ende älter als erhofft, nämlich schätzungsweise an die vierzig, aber er sah verdammt gut aus, mit seinem sympathischen, kantigen, sonnengebräunten Gesicht, seinen breiten Schultern und seinen strahlend blauen Augen. Und immerhin suchte Stiles hier ja auch keinen Mann zum Heiraten, sondern war ja schon vollkommen zufrieden mit einem, der ihm das Gefühl gab, nicht vollkommen unsichtbar oder gar abstoßend zu sein.
 

Und nun gab Stiles sich extra viel Mühe sich sinnlich und verführerisch zur Musik zu bewegen, in der Hoffnung, so das Interesse des Fremden zu erhalten. Er zog sogar sein Flanellhemd aus, doch als er irgendwann den Blick wieder hob und zu der Stelle blickte, wo der Ältere soeben noch getanzt hatte, fand er ihn nicht mehr. Soviel dazu, was er für ein sexy Tänzer er war.
 

Anstatt dessen fiel Stiles Blick auf etwas anderes.

Das war doch nicht zu fassen! Was machte dieser Kerl denn schon wieder hier? War diese Stadt denn nicht gewaltig groß? Wie wahrscheinlich war es, dass man sich da zufällig zweimal am selben Tag begegnete? Wie viel Pech konnte man haben?

Dennoch war es ohne jeden Zweifel Derek Hale, welcher da hinten in einer Ecke herumlungerte und mit irgendeinem gutaussehenden Typen quatschte . Und von der Art zu schließen, wie nahe die Zwei beieinander standen und wie sie einander anschauten, war Stiles sonnenklar, was da vor sich ging. Das waren also die streng geheimen Verrichtungen, denen Derek in San Francisco nachging. Er wirkte ganz so, als würde der Werwolf den anderen Kerl im nächsten Augenblick am Schlafittchen packen und ihn in eine dunkle Ecke schleifen, um es ihm dort nach allen Regeln der Kunst zu besorgen.

Das tat ein Derek Hale also, um hin und wieder ein wenig Druck abzulassen: Er stattete dem Sündenpfuhl einen kurzen Besuch ab, um sich bei flüchtigen Begegnungen mit Fremden auszutoben?
 

Sehr interessant!
 

Der Kerl, den Derek sich dafür heute Nacht ausgesucht hatte, war wirklich ein heißes Teil, das musste Stiles ehrlicherweise zugeben. Er war groß, düster und muskulös, wie der allseits beliebte Werwolf-Prinz selbst. Die zwei sahen aus wie sexy Zwillinge in ihrem identischen Jeans- und Lederjackenlook.

Stiles hormongeflutetes Teenagerhirn fing gerade an, sich diese beiden in Action vorzustellen, als Derek ihn nun ebenfalls entdeckte.

Der Ältere sah nicht eben begeistert aus.

Und was war das? Etwa ein verächtliches Augenrollen?

So ein Idiot, dachte Stiles ärgerlich bei sich selbst!

Und nun drehte Derek ihm auch noch frech den Rücken zu, um ungestört weiter seinen eigenen Klon anzubaggern!

Was bildete er sich eigentlich ein? Dies hier war schließlich nicht Dereks Stadt! Stiles hatte jedes Recht ebenfalls hier zu sein und sich zu amüsieren!

Und das würde er auch tun: Er würde sich ja so was von amüsieren, jawohl Sir!
 

Die Lust zu tanzen war Stiles nun aber trotzdem vergangen, also spazierte er hinüber zur Bar, bestellte sich das Alibi-Bier, welches er sich selbst versprochen hatte und ließ seinen Blick über die feiernde Menge schweifen. Manchmal schien es ihm, als würde er Dereks Blick auf sich spüren, doch wann immer er zu ihm hinüberschaute, war der Werwolf immer noch lediglich damit beschäftigt, in die Jeans von diesem Blödmann zu gelangen.

Na und?

Es konnte Stiles doch wirklich egal sein, was Derek trieb und mit wem! Der war schließlich alt genug, konnte machen was er wollte und um sexuell übertragbare Krankheiten musste einer wie er sich ja wohl auch keine Gedanken machen.
 

Stiles tat also sein Bestes, um die Gegenwart des Älteren zu ignorieren und zu retten, was von diesem Abend noch zu retten war.

Da stellte der Barkeeper plötzlich ein Glas vor ihn hin. Es enthielt ganz offensichtlich Whiskey auf Eis:
 

„Das habe ich nicht bestellt.“ erklärte Stiles schnell:
 

„Das ist von dem Kerl da drüben.“ erwiderte die Bedienung gelangweilt, deutete ans andere Ende der Bar und war schon wieder verschwunden, ehe Stiles etwas hätte erwidern können.
 

Sein Gönner war der alternde Sunnyboy, welchen er vorhin bereits auf der Tanzfläche gesehen hatte. Stiles prostete ihm mit einem kleinen Lächeln zu und der Fremde, der das offensichtlich als Einladung interpretierte, kam zu ihm herüber und setzte sich auf den Barhocker direkt neben Stiles:
 

„Danke für den Drink!“ sagte Stiles artig, doch der Ältere versichert:
 

„War mir ein Vergnügen, Baby. Ich bin übrigens James!“
 

„Stiles!“ erwiderte er und streckte dem Fremden seine Hand entgegen: „Freut mich, dich kennenzulernen.“
 

Die beiden Männer kamen ins Gespräch. Stiles erfuhr, dass James ebenfalls nicht von hier war, sondern in einer Kleinstadt an der Ostküste lebte. Dies hier sei sein erstes Mal in Kalifornien.

Sie sprachen über das traumhafte Wetter hier, über die morgige Parade und der Ältere berichtete von seiner Arbeit als selbstständiger Architekt.

Nach seinem eigenen Beruf befragt, wurde Stiles ein wenig kreativ und behauptete er würde auf´s College gehen. Damit gab James sich zufrieden.

Während sie so sprachen, bestellte James eine Runde nach der anderen und Stiles spürte, wie er entspannter wurde, seine Scheu verlor und sich schließlich sogar richtig behaglich fühlte.
 

Die beiden Männer tanzten noch ein paar Mal und James ließ Stiles wissen, dass er ihn süß fand.

Dass er attraktiv sei.

Sogar sexy!
 

Das ging runter, wie Öl!
 

Diese Begegnung übertraf Stiles sämtliche Erwartungen. Ein gutaussehender Mann wollte ihn und ließ auch keinen Zweifel daran.

Wer brauchte da noch Danny? Wen interessierte, was irgendein Kerl aus seiner Highschool über ihn dachte?
 

Als Stiles auf dem Weg zurück zur Bar ein wenig ins Straucheln geriet war James da, schlang ihm galant einen Arm um seine Taille, fing ihn auf und stützte ihn.

Stiles fand das unglaublich süß.

Und als der Ältere ihn nach einem weiteren Drink fragte, ob er ihn vielleicht heute Nacht in sein Hotel begleiten wolle, spürte Stiles dieses aufgeregte Zucken in seiner Hose.

Er sagte ja.
 

James zahlte also ihre Rechnung und sie machten sich zum Aufbruch bereit. Allerdings kamen sie nicht weit, weil ihnen jemand den Weg verstellte:
 

„Was soll denn das jetzt werden, Derek?“ fragte Stiles ärgerlich und versuchte, sich an dem Werwolf vorbei zu schlängeln:
 

„Das könnte ich ja wohl DICH fragen, du kleiner Idiot? Lässt dich von irgendeinem alten Sack abfüllen und abschleppen, wie ein dummes, kleines Flittchen? Bist du irre? Das lässt du schön bleiben! Sieh´zu, dass du zurück in dein Hotel kommst. Und zwar allein!“ bellte Derek im Tonfall eines Oberfeldwebels:
 

„Sag´ mal, wer bist du denn überhaupt? Und weshalb mischst du dich hier ein?“ schaltete sich nun auch James in das Streitgespräch ein.
 

Derek fuhr zu ihm herum und knurrte:

„Du hast hier gerade Sendepause, du perverser Opa. Das ist ein Gespräch zwischen Stiles und mir. Aber nur zu deiner Information: Er ist erst siebzehn! Hat er dir das verraten?“
 

„Er hat mir gesagt, er sei zweiundzwanzig.“ rechtfertigte sich James: „Aber letztlich ist mir das auch egal. Alter ist doch bloß eine Zahl. Das bedeutet doch nichts.“
 

„Genau!“ stimmte Stiles zu: „Und nun verzieh´ dich, Derek!“
 

Der Werwolf sah aus, als könne er nicht fassen, was er da hörte:

„Sag´ mal berühren sich in deinem Kopf eigentlich irrtümlich zwei Drähte, du kleiner Blödmann? Der Typ will dich im besten Fall flachlegen und deinen mageren, wehrlosen, jungfräulichen Körper benutzen und schlimmstenfalls wird er dich vergewaltigen und/oder ermorden. Hast du darüber eigentlich schon einmal nachgedacht, Stiles?“
 

„Hey Kumpel, jetzt halt aber mal die Luft an! Ich bin doch nicht irgendein Irrer!“ beschwerte sich James: „Der Kleine und ich wir gehen jetzt nett ein bisschen vögeln und dich geht das einen Scheiß an! Und nun verzieh´ dich, du Penner!“ Er versetzte dem Werwolf einen kleinen Stoß, um ihn aus dem Weg zu schaffen.
 

Derek blieb stehen wie ein Fels. Seine Miene war unheilverkündend und einen Augenblick lang fürchtete Stiles, er könnte sich hier vor all diesen Leuten verwandeln und James nach allen Regeln der Kunst den Arsch aufreißen, doch anstatt dessen blieb der Werwolf ganz ruhig, trat lediglich unangenehm nah an den Architekten heran und forderte nicht sehr laut, aber dafür umso bedrohlicher:

„Geh` einfach, solange du es noch kannst!“
 

„Du machst mir keine Angst!“ behauptete James, obwohl sogar Stiles mit seinen verkümmerten, menschlichen Sinnen wahrnehmen konnte, dass das nicht stimmte:
 

„Lass´ es gut sein, Derek!“ bat er also.

All die Kampfbereitschaft, welche er bis gerade eben noch an den Tag gelegt hatte, war mittlerweile verschwunden.
 

Nun meldete sich wieder James zu Worte, welcher offenbar doch nicht so leicht klein beigeben wollte:

„Ich habe hier investiert, verstehst du das, Mann? Weißt du, wie viel der Knabe auf meine Kosten getrunken hat? Und nun willst du einfach so mit MEINEM Gewinn nachhause spazieren? Das könnte dir so passen!“
 

Stiles war möglicherweise bereits ein wenig betrunken, darum musste er ein wenig über die soeben gefallenen Worte nachdenken, doch dann fiel der Groschen und mit einem Mal fand er James gar nicht mehr so nett.
 

Derek sah das offenbar genau so, denn mittlerweile hatte er James mit einem kleinen Knurren am Kragen gepackt. Der Architekt entsprach in Größe und Statur ungefähr Derek selbst, dennoch wirkte er in dessen Griff lediglich wie ein zappelnder, hilfloser Wicht. Derek stemmte ihn beinahe einen halben Meter über den Boden und hielt ihn einen Moment lang so fest, ehe er ihn von sich schleuderte wie Müll.

James rappelte sich mühsam wieder auf und starrte Derek noch einen Augenblick lang fassungslos an, ehe er die Beine in die Hand nahm und wegrannte, wie ein elender Jammerlappen.
 

Die umstehenden Clubgäste starrten Derek und Stiles mit offenen Mündern an, doch der Werwolf hatte offenbar beschlossen so zu tun, als sei nichts weiter geschehen. Nach dem Motto: War was? Bloß ein ganz normaler Abend im wilden Westen.

Er wendete sich zu Stiles um und befahl:

„Hast du mich vorhin nicht verstanden? Ruf´ ein Taxi und fahr´ zurück in dein Hotel, Stiles! Ich hab´ hier noch zu tun.“
 

Stiles konnte kaum glauben, was gerade geschehen war:

„Du tickst doch nicht mehr ganz richtig! Was war das denn gerade? Bist du übergeschnappt?“ schrie er: „Und überhaupt! Erstens: Ich habe gar kein Geld für ein Taxi. Zweitens: Ich habe auch kein Geld für ein Hotelzimmer. Ich werde in meinem Wagen schlafen. Drittens: Ich gehe dann, wenn ich es will! Du hast mir gar nichts zu sagen. Und Viertens: Der Typ, den du ficken wolltest geht gerade mit einem anderen Kerl weg. Hättest ihn eben nicht allein lassen sollen, um dich in meine Angelegenheiten einzumischen.“

Er grinste den Werwolf triumphierend an.
 

Dereks Kopf schnellte herum und er konnte seine Beinahe-Eroberung gerade noch dabei sehen, wie er mit einem Anderen durch die Tür nach draußen verschwand:
 

„Na großartig. Das hast du ja toll hingekriegt. Das hat man davon, wenn man sich hilfsbereit und verantwortungsvoll zeigt.“ beschwerte sich Derek verschnupft. Dann erst stutzte er: „Sag mal hast du gerade gesagt, du wirst in deinem Auto schlafen? Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren? Was, wenn du darin überfallen, ausgeraubt und abgemurkst wirst?“
 

„Jetzt hör doch mal auf damit Szenarien meines viel zu frühen Todes zu entwerfen!“ empörte sich Stiles: „Und überhaupt: Als ob es dir tatsächlich etwas ausmachen würde, wenn ich abkratze. Du kannst mich doch überhaupt nicht leiden.“
 

Es folgte ein extra-genervter Blick des Werwolf:

„Stimmt, aber ich habe einfach keine Lust, das Geheule von Cora, Malia, Scott und den anderen auf deiner Beerdigung zu hören. Und darum kommst du nun mit zu mir ins Hotel und schläfst dort. Und eigentlich können wir auch gleich aufbrechen, nun wo du mir hier die Tour vermasselt hast.“
 

„Das wüsste ich aber! Mit dir gehe ich nirgends hin!“ protestierte Stiles und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust: „In Wirklichkeit hast nämlich du MIR den Abend verdorben! Ich hasse dich!“
 

„Ich habe dich gerettet, du kleiner Blödmann. Hast du nicht gehört, was der Typ gesagt hat? Der wollte dich einfach bloß flachlegen, weil er zu geizig war, einen Stricher dafür zu bezahlen und du ja bloß als Gegenleistung für ein paar Drinks die Beine breit gemacht hättest. Und nun komm´ endlich! Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit mit dir zu diskutieren.“ gab Derek zurück:
 

„Ich bleibe!“ beharrte Stiles.
 

Dereks Augenbrauen schnellten auf jene Art in die Höhe, welche so viel bedeutete wie `Sag´ noch ein Wort und ich kille dich!´

„Also gut Stiles, du hast es so gewollt! Dann werde ich jetzt deinen Vater anrufen und ihm stecken, was du hier treibst!“ kündigte er an:
 

„Du kannst nicht...“ setzte Stiles an, doch da hatte sich Derek bereits das Handy aus seiner Gesäßtasche gefischt und durchsuchte sein Telefonbuch:

„Das dürfte ja wohl die Nummer sein?“ stellte er fest, als er den mit `DAD´ benannten Eintrag gefunden hatte:
 

„Also gut, also gut! Ich komme mit dir.“ lenkte Stiles ein und versuchte, Derek sein Telefon wieder abzunehmen, ein Unterfangen, welches selbstverständlich nicht von Erfolg gekrönt war. Schon im nüchternen Zustand kam er gegen die überlegenen Werwolfreflexe nicht an. Betrunken, wie er gerade war, hatte er natürlich erst recht keine Chance.
 

„Vielleicht sollte ich ihn trotzdem anrufen und ihm einmal verraten, was sein Söhnchen so treibt, wenn er ihn bloß einmal für ein Wochenende aus den Augen lässt?“ schlug Derek vor, welcher seine überlegene Position ein klein wenig zu sehr zu genießen schien:
 

„Jetzt mach´ keinen Blödsinn, Mann!“ jammerte Stiles: „Wenn du es ihm sagst, dann vertraut er mir doch nie wieder!“
 

„Das sollte er vielleicht auch nicht?“ erwiderte der Ältere schulterzuckend: „Du bist betrunken, leichtsinnig und begibst dich in Gefahren, die du überhaupt nicht abschätzen kannst. Ein Vater sollte so etwas vielleicht wissen, denkst du nicht?“ Er machte Anstalten, die Nummer zu wählen:
 

„Bitte Derek, tu es nicht!“ rief Stiles panisch: „Ich werde brav sein, auf dich hören und mit dir ins Hotel gehen. Bitte ruf´ nicht Dad an. Ich will nicht, dass er enttäuscht von mir ist. Bitte!“
 

Derek nickte zufrieden und steckte Stiles Handy in seine eigene Hosentasche:

„Also gut, gehen wir. Aber wenn du mich heute Abend auch nur noch einmal nervst, dann ändere ich meine Meinung!“
 

Stiles kniff wütend die Augen zusammen, doch er sagte nichts, sondern schluckte seinen Ärger hinunter und stapfte brav hinter Derek her, zu dessen Wagen.
 

Bislang kannte Stiles den Camaro lediglich von außen. Er würde es vor Derek niemals zugeben, so oft wie dieser bereits seinen geliebten Jeep beleidigt hatte, doch er fand den Sportwagen toll und hatte immer schon einmal darin fahren wollen, auch wenn die Umstände ihm ganz und gar nicht passten.
 

„Anschnallen!“ knurrte Derek, als Stiles neben ihm saß. Und ohne ihm die Chance zu geben seinen Worten zu folgen, griff der Ältere reichlich distanzlos über Stiles hinweg und legte ihm eigenhändig den Gurt an.
 

„Danke Mutter!“ knurrte Stiles sarkastisch und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust.
 

Sie waren noch nicht weit gefahren, da stellte der Jüngere fest:

„Mir geht es nicht so gut. Ich glaube, ich werde krank.“
 

„Bullshit! Du bist nicht krank!“ erwiderte Derek genervt: „Übelkeit ist der Gratisgewinn am Boden einer jeden Schnapsflasche. Du bist ganz einfach betrunken. Aber wehe, du kotzt mir den Wagen voll. Dann kille ich dich, denn der Wagen ist mehr wert, als dein kümmerliches Leben!“
 

„Dann fährst du jetzt besser rechts ran!“ brachte Stiles würgend hervor und kaum war der Ältere der Aufforderung gefolgt, stürzte Stiles hinaus und erbrach sich ausgiebig in den Rinnstein.
 

Erst als er das Gefühl hatte es sei wirklich alles draußen, inklusive der Großteil seiner Organe, schlüpfte Stiles peinlich berührt wieder neben Derek in den Wagen:

„Sag´ jetzt nichts!“ forderte er gequält.
 

Und tatsächlich hielt Derek sich mit einem Kommentar zurück, sondern reichte ihm einfach nur wortlos eine Flasche Wasser aus dem Handschuhfach, welche Stiles dankbar entgegennahm, um das Brennen in seinem Rachen und den üblen Geschmack fortzuspülen.
 

Sie setzten den Weg zu Dereks Hotel schweigend fort. Dort angekommen ging der Werwolf kurz an die Rezeption, während Stiles elend im grellen Licht der Lobby zurückblieb, auf ihn wartete und sich wünschte, er wäre tot.
 

Im Zimmer knipste Derek, ungewöhnlich rücksichtsvoll lediglich die Nachttischlampen an, deren gedämpftes Licht Stiles nicht so sehr in den Augen schmerzte und er reichte ihm eine Zahnbürste, welche er offensichtlich beim Hotelpersonal für ihn besorgt hatte.
 

Stiles blickte den Älteren aus überraschten Kulleraugen an und bedankte sich artig.
 

Sie wechselten sich im Bad ab und nachdem sie beide dort fertig waren, blieben sie unschlüssig vor dem bequemen Doppelbett stehen, in welchem sie nun ZUSAMMEN die Nacht verbringen sollten, bis Derek schließlich unwirsch bellte:

„Worauf wartest du, Blödmann? Also los, jetzt wird geschlafen!“
 

Stiles zuckte ein wenig zusammen, streifte die Jeans von seinen Hüften und machte Anstalten sich niederzulassen, doch da schimpfte Derek:

„Nicht da! Ich liege bei der Tür, falls irgendwer hier eindringt und ich kämpfen muss.“
 

„Wer sollte denn hier hereinkommen? Hier kennt uns doch niemand und es droht auch keine Gefahr?“ fragte Stiles ratlos, rutschte aber dennoch hinüber auf die Fensterseite.
 

„Das kann man nie wissen.“ behauptete Derek grimmig: „Sie kommen immer dann, wenn man es nicht erwartet.“
 

Unabsichtlich gab der Werwolf durch seine Worte einen tiefen Einblick in seine eigene Psyche und Stiles wurde klar, wie tief die Wunden immer noch waren, welche der Mord an seiner Familie bei Derek verursacht haben mussten. Und mit einem Mal empfand Stiles tiefes Mitgefühl und noch ein anderes Gefühl, welches er jedoch nicht so recht zu deuten vermochte.

Es musste furchtbar sein, mit so etwas zu leben und niemandem wirklich jemals vertrauen zu können? Um ein Haar hätte er nun die Hand nach jener des Älteren ausgestreckt. Erst im allerletzten Moment konnte Stiles sich selbst noch davon abhalten.
 

Derek legte Jeans und T-Shirt ab, schlüpfte neben Stiles ins Bett und knipste das Licht aus.
 

„Schlaf gut!“ wünschte Stiles und erhielt als Antwort darauf lediglich ein Brummen. Aus irgendeinem Grund nahm der Jüngere diese Unhöflichkeit nicht krumm.

Im Gegenteil, sie ließ ihn lächeln.
 

Vor dem Hotelzimmerfenster donnerte der Stadtverkehr vorbei. Gelegentlich waren auch menschliche Stimmen, das Bellen eines Hundes, oder Polizeisirenen zu vernehmen. So etwas hörte man daheim in Beacon Hills so gut wie nie. Dort waren die Nächte still und auch wesentlich dunkler als hier.
 

Davon wachgehalten kam Stiles urplötzlich ins Grübeln. Wie wäre es wohl gewesen, wenn er heute Nacht tatsächlich mit diesem James gegangen wäre. Er stellte es sich vor, wie er sich ganz allein mit einem fremden, älteren Mann in dessen Hotelzimmer befand, der größer und stärker war als er selbst und der Gott-weiß-was-für sexuelle Vorlieben haben mochte? Und mit einem Mal bekam er es wirklich mit der Angst zu tun. Was hatte er sich denn nur dabei gedacht, ihm einfach so folgen zu wollen? Stiles gesamter Körper versteifte sich bei diesem Gedanken.
 

Dies entging den wachsamen Werwolfsinnen Dereks selbstverständlich nicht und er wollte wissen:

„Alles klar bei dir, Stiles?“
 

Es folgte ein kurzes Schweigen und dann ein kleinlautes:

„Danke, dass du mich heute nicht mit diesem Typen hast mitgehen lassen, Derek.“
 

Anstelle einer sinnvollen Antwort des Älteren erfolgte lediglich ein Brummen, dass er es verstanden hatte und so fügte Stiles hinzu:

„Und es tut mir auch leid, dass ich es dir mit diesem Kerl versaut habe. Der sah echt gut aus. Bestimmt hättest du ihn gern flachgelegt?“
 

„War sowieso nicht so richtig mein Typ.“ behauptete Derek.
 

Stiles zögerte kurz und nahm schließlich all seinen Mut zusammen um zu fragen:

„Und wer ist dein Typ?“
 

Es erklang ein Seufzen, gefolgt von einem mürrischen:

„Geht dich nichts an. Schlaf jetzt, Stiles!“
 

„Ich kann aber nicht!“ klagte der Jüngere:
 

Erneut ein Seufzen von der anderen Seite des Bettes:

„Dann halt wenigstens die Klappe, kapiert?“
 

Daraufhin war es tatsächlich eine ganze Weile still und Derek schöpfte bereits Hoffnung, dass er nun endlich seine verdiente Nachtruhe bekommen würde, da fragte ihn Stiles aus heiterem Himmel:
 

„Bist du einsam, Derek?“
 

Der Werwolf gab einen Laut der Verzweiflung von sich und erwiderte:
 

„Du nervst, Stiles! Nein, ich bin nicht einsam. Im Grunde hätte ich gerade überhaupt nichts gegen ein wenig Alleinsein einzuwenden, aber nun bist du ja hier, um mir gründlich auf den Wecker zu gehen.“
 

„Nein, das meine ich nicht!“ beharrte Stiles, welchem schon immer der Sinn dafür gefehlt hatte, wann man einfach mal die Klappe halten sollte: „Ich meine grundsätzlich in deinem Leben. Bist du da einsam?“
 

„Stiles!“ warnte ihn Derek, doch natürlich plapperte der Mensch einfach weiter:
 

„Du kommst mir nämlich einsam vor. Und irgendwie auch traurig. Bist du traurig, Derek?“
 

„STILES!“ drohte Derek wieder, doch Stiles ließ sich einfach nicht aufhalten, wenn er einmal zu schwatzen begonnen hatte. Es war wie eine Naturgewalt:
 

„Ich bin auch manchmal einsam, obwohl ich all meine Freunde und meinen Dad habe. Aber irgendetwas fehlt trotzdem, verstehst du? Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es gibt da so eine Leere in mir, die immer bleibt. Geht es dir auch so Derek?“
 

Der Ältere hatte damit begonnen, sich die eigene Stirn zu massieren. Werwölfe bekamen normalerweise keine Kopfschmerzen, doch Stiles hatte es irgendwie geschafft, dass Derek in diesem Moment welche hatte:

„Verdammt Stiles, was wird denn das hier? Eine Pyjama-Party, bei der wir uns gegenseitig Zöpfe flechten, Eiscreme essen, bis uns schlecht wird und einander dann von unseren Gefühlen erzählen? Ich will einfach bloß schlafen, also halt verdammt nochmal die Klappe!“
 

Stiles richtete sich abrupt auf und blickte verächtlich mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen auf den Älteren hinab:

„Du bist richtig gemein, weißt du das?“ schnappte er, ließ sich dann wieder nach hinten fallen, drehte Derek demonstrativ seine Rückseite zu und zog sich die Decke über den Kopf.
 

Nach einer Weile traf Derek eine Erkenntnis und er begann sich richtig unwohl zu fühlen:

„Weinst du etwa, Stiles?“
 

„Lass´ mich!“ schniefte der Jüngere.
 

Im Stillen fragte Derek die Götter Walhalls, weshalb sie ihn mit diesen kleinem Plagegeist gestraft hatte. Er hatte doch immerhin nur helfen wollen. Warum wurde er dafür bestraft? Er drehte sich so herum, dass er auf Stiles Rücken schauen konnte:

„Ach komm´ schon, Kleiner! War doch gar nicht so gemeint. Ich spreche einfach nicht gern über mich, verstehst du das denn nicht?“
 

„Du hast meine Gefühle verletzt!“ ließ Stiles ihn wissen. Seine Stimme klang belegt.
 

„Wollte ich nicht.“ versicherte der Werwolf: „Ich wollte bloß, dass du aufhörst mich auszufragen.“
 

„Weil ich recht hatte! Du BIST einsam und traurig.“ stellte Stiles klar:
 

„Möglich, aber ich bin ein Kerl, verstehst du?“ gab Derek zurück.
 

Stiles drehte sich ruckartig herum, starrte ihn böse an und schnappte:

„Na und wer oder was bin ich? Mary Poppins etwa?“
 

„Nun ja...“ hüstelte Derek und fing sich dafür einen Boxhieb von Stiles ein:
 

„Nur weil ich schwul, .... oder möglicherweise schwul,.... oder vielleicht auch bi bin.... das habe ich noch nicht entschieden, bin ich noch lange kein Mädchen, kapiert Mister. Und wie es aussieht bist du selbst anderen Kerlen gegenüber ja auch nicht gerade abgeneigt! Also was soll der Blödsinn?“
 

Derek rieb sich jene, von Stiles malträtierte Stelle und gab zurück:

„Nein, nicht weil du schwul, oder was auch immer bist, sondern weil du DU bist. Du kannst eben über diese Gefühls-Dinge sprechen und ich eben nicht. Mehr habe doch gar nicht sagen wollen. Und überhaupt: Schlag´ mich gefälligst nicht!“
 

„Hast du aber verdient!“ stellte Stiles klar: „Und außerdem solltest du vielleicht auch langsam mal damit anfangen, über so etwas zu reden. Vielleicht wärst du dann ein bisschen netter und verträglicher.“
 

„Wäre möglich.“ gab Derek friedfertig zu: „Ich mag´s aber nicht. Ich fühle mich dann....“ Er ließ den Satz unvollendet und so riet Stiles:
 

„....nackt? Fühlst du dich dann entblößt und verletzlich? Aber genau darum geht es doch! Man zeigt sich einem anderen Menschen, wird verstanden und fühlt sich besser und weniger allein.“
 

„Nicht mein Ding.“ murmelte Derek:
 

„Du musst aber keine Angst vor mir haben, Sourwolf!“ versicherte Stiles, rückte näher an den Älteren und lehnte seine Stirn an dessen Schulter.
 

Derek vertrieb den Jüngeren nicht von seinem selbstgewählten Platz, doch er beeilte sich zu versichern:

„Ich hab´ vor gar nichts Angst, kapiert?“
 

„Natürlich nicht. Bist ja auch ein Kerl.“ neckte ihn Stiles, doch Derek konnte die Wärme in seiner Stimme hören, weshalb der Ältere nicht protestierte.
 

„Bist du sauer, dass ich jetzt hier bei dir bin und nicht dieser andere Kerl?“ wollte Stiles wissen:
 

„Nicht sehr. Es wäre am Ende wahrscheinlich ohnehin eine enttäuschende Angelegenheit geworden. Diese Club-Typen sind meist so in sich selbst verliebt, dass es ein reines Sportficken wird.“ Gab Derek gleichgültig zurück.
 

Stiles spürte, wie ihm ein wenig warm bei der Vorstellung wurde:

„Sag mal, wie ist das denn so? Sex meine ich?“ wollte er wissen.
 

„Du hast es also wirklich noch nie getan, was? Auch nicht mit einem Mädchen?“ erkundigte sich der Ältere.
 

Stiles schüttelte den Kopf:

„Ganz schön peinlich, oder?“ fragte er geknickt: „Schätze, es liegt irgendwie an mir. Nicht attraktiv genug. Oder vielleicht rieche ich auch komisch. Keine Ahnung?“
 

„Wolltest du deswegen heute Nacht mit diesem Kerl mitgehen? Bloß weil er dich wollte?“ fragte Derek.
 

Stiles nickte gegen seine Schulter:

„Schätze, ich wollte mir selbst etwas beweisen. Und ich wollte verdammt noch mal endlich wissen, wie sich das anfühlt. Immerhin reden immer alle davon, wie toll das sein soll. Ist doch normal, dass ich es endlich tun will.“
 

Derek zögerte kurz, um dann doch etwas sehr Privates von sich preiszugeben:

„Am besten fühlt es sich eigentlich immer dann an, wenn es etwas bedeutet, Stiles. Wenn die Person, mit der du es tust dir wichtig ist.“
 

Stiles hob den Kopf und blickte aufmerksam in Dereks verlegenes, vom spärlichen Nachtlicht beschienen Gesicht. Dann senkte er sein Haupt wieder und rieb seine Stupsnase sanft an der Schulter des Älteren.

Es machte den Werwolf ein kleinlich nervös, doch er ließ den Jungen gewähren:
 

„Und ist es nun so? Stinke ich! Oder bin ich sonst irgendwie abstoßend? Bitte sag´ es mir!“ verlangte Stiles nun zu wissen.
 

Nur zu gern hätte Derek diese peinliche Fragen einfach so mit einem bissigen Spruch beiseite gefegt, doch in der Stimme des Jüngeren lag so viel Verletzlichkeit, dass er es einfach nicht fertigbrachte:

„Du riechst gut, Stiles.“ versicherte er.

Und das entsprach tatsächlich der Wahrheit. Obwohl Gerüche in Derek Welt eine entscheidende Rolle spielten, hatte er nie großartig darüber nachgedacht, dass er Stiles Odeur als überaus angenehm und sogar beruhigend empfand. Und für ihn stach es auch immer und überall heraus, egal wie viele andere Aromen noch in der Luft liegen mochten, wie es zum Beispiel heute beim Straßenfest der Fall war. Derek hatte nie darüber nachgedacht, was das wohl bedeuten mochte? Er fügte hinzu:

„Und du bist auch nicht abstoßend, Stiles. Mit dir ist wirklich alles in bester Ordnung. Vielleicht könntest du weniger quatschen, aber sonst...? Der Richtige ist einfach noch nicht vorbei gekommen, das ist alles. Hör auf, dir darüber Sorgen zu machen!“
 

„Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, dass du und ich...?“ fragte Stiles nun zaghaft in die Dunkelheit hinein.
 

Derek war mit einem einzigen Satz aus dem Bett gehüpft und fragte fassungslos:

„Bist du irre Stiles? Kommt überhaupt nicht infrage!“
 

„So viel dazu. Alles nur leere Worte!“ murrte der Jüngere: „Du findest mich also doch eklig. Warum redest du um den heißen Brei herum, huh? Du bist ein Lügner, Derek!“
 

Der Werwolf rollte mit den Augen:

„Ich habe nicht gelogen, aber du bist betrunken, du bist noch Jungfrau und du bist minderjährig. Wofür hältst du mich denn? Für meinen Onkel vielleicht? Der würde sich auch der Stelle auf dich stürzen, aber so ein Kerl bin ich nicht!“
 

„Na, vielleicht sollte ich dann Peter bald mal einen Besuch abstatten?“ schmollte Stiles: „Ich habe es satt, die letzte Jungfrau weit und breit zu sein!“
 

Zum gefühlt millionsten Mal an diesem Tag seufzte Derek, als würde er die gesamte Last der Welt auf seinen breiten Schultern tragen. Er hockte sich auf die Bettkante, streckte die Hand nach Stiles Haupt aus, hielt in der Luft inne, nahm dann doch nach all seinen Mut zusammen und begann dem Jüngeren das Haar zu kraulen:

„Warum hast du es denn so eilig damit, deine Unschuld zu verlieren? Dein erstes Mal ist etwas, dass du nur ein Mal in deinem Leben haben wirst. Warum kann es dann nicht etwas Schönes und ganz Besonderes sein? Warum kann es nicht perfekt sein?“
 

Stiles grinste zu ihm hinauf und stellte verblüfft fest:

„Derek Hale! Du bist ja ein echter Romantiker?“
 

Der Ältere zuckte unbehaglich mit den Schultern und fühlte sich ertappt:

„Können wir jetzt bitte einfach bloß schlafen?“ fragte er hilflos:
 

„Kommt darauf an? Hältst du mich dabei im Arm?“ erkundigte sich Stiles
 

„Muss das sein?“ fragte Derek unglücklich:
 

„Ja!“ Stiles Tonfall ließ keine Widerrede zu und so streckte sich Derek auf dem Bett aus und ließ es tatsächlich zu, dass der Junge sich in seinen Armen einrichtete.
 

Zu Dereks Überraschung dauerte es nur wenige Minuten, bis Stiles tief und fest eingeschlafen war.
 

Bei ihm selbst dauerte es eine kleine Ewigkeit, bis er ebenfalls Ruhe fand. Dass der heutige Tag so ausgehen würde, hätte er beim besten Willen nicht voraussehen können.

Es war eine kleine Ewigkeit her, dass er mit jemandem auf diese Weise die Nacht verbracht hatte.

Sicher, er hatte gelegentlich Sex, aber wenn der vorüber war, dann blieb Derek nicht zum Kuscheln. Dafür war er wohl einfach nicht der Typ.
 

Er blickte hinab auf den Jungen, der selig in seiner Umarmung schlief. Irgendwie war das gar nicht so übel? Die Körperwärme, der Herzschlag, der seinen eigenen vervollständigte, wie die unterschiedlichen Musikinstrumente in einem Orchester, das Vertrauen, welches es von Stiles erforderte, sich in der Gegenwart einer anderen Person in das Reich von Hypnos, Gott des Schlafes zu begeben. Irgendwas daran berührte Derek tief in seinem Inneren und er ahnte, dass es etwas mit seiner Wolfsnatur zu tun haben musste.

Und schließlich fielen ihm ebenfalls die Augen zu.
 

Und noch bevor er sie am nächsten Morgen wieder öffnete, spürte er bereits die Morgenlatte seines Bettnachbarn an seiner Hüfte.

Irgendetwas war letzte Nacht offenbar mit ihm passiert, denn er war noch nicht einmal richtig sauer. Er stieß einfach nur einen tiefen Seufzer aus:

„Stiles! Aufwachen! Nimm das da von mir weg, aber ein bisschen plötzlich, wenn es geht.“ herrschte er den Schlafenden an.
 

Der Jüngere war auf der Stelle hellwach und besaß immerhin den Anstand, ein klein wenig zu erröten: „Tut mir leid, aber ich bin siebzehn, weißt du? Ich habe das nicht unter Kontrolle!“ rechtfertigte er sich und rückte von Derek ab:
 

„Geh ins Bad!“ forderte der Werwolf und Stiles ahnte, dass der Satz eigentlich hätte lauten sollen `Geh ins Bad und kümmere dich darum!´

Und das tat Stiles auch, allerdings indem er eine kalte Dusche nahm. Sauber und mit geputzten Zähnen kehrte er einen Augenblick später in den Schlafraum zurück und nachdem auch Derek im Bad fertig war, fragte Stiles unsicher:
 

„Und wie geht es nun weiter?“
 

„Frühstück?“ schlug Derek vor:
 

„Und danach? Gehen wir dann zusammen zur Parade? Oder willst du mich lieber los sein?“ erkundigte sich Stiles: „Immerhin wäre es ja möglich, dass du dort noch einmal jemanden triffst, den du abschleppen willst.“
 

„Kein Interesse.“ versicherte Derek: „Außerdem muss heute schließlich jemand auf dich aufpassen. Richtig?“
 

Stiles sah überrascht aus. Dann strahlte er, als würde die Sonne aufgehen:

„Du bist lieb. Es gibt da etwas, dass ich wahnsinnig gern tun würde.“ kündigte er an.

Und dann tat er es: Er stellte sich auf die Zehenspitzen, nahm das Gesicht des Älteren in seine Hände und küsste ihn sanft.
 

Nachdem sich ihre Lippen wieder von einander gelöst hatten, wollte Derek wissen:

„Was...? Wieso...? Wofür war das denn, Stiles?“
 

Der Jüngere zuckte mit den Schultern:

„Ich weiß nicht? Für alles, schätze ich. Und? War es okay?“
 

Derek nickte lediglich.
 

„Ich bin wieder nüchtern, weißt du?“ teilte Stiles mit.

Dann nahm er all´ seinen Mut zusammen und fügte hinzu: „Wir müssen auch nicht zur Parade gehen. Wir können auch einfach hier bleiben, oder so?“
 

„Nichts da! Wir gehen zur Parade!“ bestimmte Derek gebieterisch: „Gehen wir!“
 

Stiles fühlte sich schlagartig enttäuscht und entmutigt.
 

Doch als er und Derek eine Weile später bei dem Festzug ankamen, nahm der Ältere einfach so vor aller Augen seine Hand.
 

Und er ließ sie auch nicht wieder los.
 

Von da an war alles klar.

Stiles lächelte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Spitzbube67
2020-07-05T21:05:05+00:00 05.07.2020 23:05
Eine ganz tolle Geschichte, mal so anders. So ein fühlsam (fast wie aus den Normalen Leben) wenn zwei Menschen sich seid Jahren kennen. Und dann Machtes Klick,

LG
Spitzbube 67
Antwort von:  GingerSnaps
06.07.2020 06:13
Vielen Dank! Ja, das war die Idee hinter der Geschichte. Schön dass es auch so "rübergekommen" ist! :-))
Danke für´s kommentieren und liebe Grüße,
Ginger


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