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Spiel ohne Limit

von

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Mit zusammengepressten Lippen starrte Rin zu ihrem Monster herüber, das Wongs absoluter Kontrolle unterlag. Sie spürte den Zorn der Bestie, hörte seinen Schrei, der dem verzweifelten Versuch seines Widerstandes entsprungen war. Gegen Wongs Fallenkarte war der Weiße machtlos - ebenso Rin, die keine Karte in ihrer Hand hatte, die etwas daran ändern konnte. Dass sie ihn im Angriffsmodus behielt, schürte nur noch mehr Hass gegenüber Industrial Illusions Duellantin, die sich ihres Sieges bereits sicher schien. Rins derzeitige Lage konnte dem nicht einmal widersprechen.

Ausgerechnet gegen sie

"Mal sehen, womit ich dich als nächstes quälen könnte", Wong sah zu den Karten in ihrer Hand, summte vergnügt und tippte jede einzelne von ihnen an, "ach, ich weiß. Hiermit!" Sie legte eine Karte aufs Feld. "Ich beschwöre Shafu, den fahrenden Mayakashi!"

"Mayakashi?!"

Wong hat tatsächlich ihr Deck umgebaut! Wie kann sie-

"Shafu", erklärte Wong, nachdem ein Rikschafahrer das Spielfeld betreten hatte, "erlaubt es mir, einen weiteren Mayakashi aus meinem Friedhof in Verteidigungsposition zu rufen. Oh ja, ganz recht, die Karte, die ich vorhin abgelegt habe, ist niemand geringeres als Hajun, der geflügelte Mayakashi!" Ein weiterer Unterweltler stieg aus dem Boden. Er streckte seinen Stab in Richtung gegnerischen Spielfeldes aus. Der Kampfschrei eines Kriegers ertönte, dann ging er in die Hocke, um in Verteidigungsposition zu gehen. "U-und", klatschte Wong in die Hand, "weißt du schon, was als nächstes kommt?"

"Du beschwörst ein weiteres Mayakashi-Monster."

"Du bist ja doch nicht so grün hinter den Ohren", feixte ihre Gegnerin und zeigte auf ihre DuelDisc, "sobald Hajun beschworen wurde, darf ich ein weiteres Monster von meinem Deck beschwören. Aller guten Dinge sind eben drei: komm' raus, Yuki Musume!" Ein kleines schwarzhaariges Mädchen rundete das Trio ab. "Und natürlich setze ich sie ebenfalls in den Verteidigungsmodus."

Natürlich. Yuki Musume hat ja auch keinen einzigen Angriffspunkt. Selbst du kannst nicht so dumm sein…naja, mal sehen-

"Na, was sagst du?", präsentierte die gebürtige Chinesin ihre Monstersammlung. Rin ließ der Anblick nur kopfschüttelnd zurück.

"Keine Ahnung, was du mit all diesem Kleinmist vorhast, aber so wirst du mich nie vernichten können."

"Ach wirklich. Du bist doch nur neidisch, weil ich ganze fünf Monster auf meiner Seite habe und du nicht einmal ein Läppisches, das deine Lebenspunkte verteidigen könnte."

"Hör' auf zu labern und mach' endlich", entgegnete Rin, die allmählich die Geduld verlor. Diesen Zustand konnte sie so nicht auf sich beruhen lassen.

"Du willst es ja nicht anders", Wong machte ihren Bärenblocker bereit. Seine Attacke richtete sich auf Rin, die sich die 1600 Angriffspunkte über sich ergehen lassen musste - selbst von einem so peinlichem Monsters wie diesem. Als dann noch Shafu mit seiner Rikscha voran stürmte und weitere 1200 Lebenspunkte raubte, hätte die Schmach kaum größer sein können.

Besiegt von einem Teddy und einem Männlein mit Rikscha - nein, Rin, so kannst du es nicht enden lassen!

Sie ballte die Hände zur Faust.

"Boah, Yamamori hat nur noch 1100 LP!" Dem Jungen, der das gesagt hatte, hätte sie nur zu gerne das Maul gestopft. Aber er hatte recht. Diese Tatsache ließ sich nicht leugnen.
 

"Im nächsten Zug mache ich dich fertig!", verkündete Wong, nachdem sie eine Karte verdeckt gelegt hatte. Ihre Worte klangen wie ein Versprechen. "Ich beende meinen Zug."

Komm' schon, Rin. Du hast früher schon in brenzligeren Situationen gesteckt.

Sie zog und betrachtete die Zauberkarte in ihrer Hand.

"Unzufrieden?", lächelte Wong, "du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gut es sich anfühlt, jemanden wie dich auf den Boden der Tatsachen zu befördern."

"Jemanden wie mich?"

Ihr Gegenüber legte den Kopf schief. "Du und ich - wir liegen Welten auseinander. Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock. Neben meinem Charme kannst du bloß abstinken."

Welchen Charme?

Sie zeigte mit ihren Karten auf Rin. "Dass jemand wie du die Kaiba Corporation präsentiert", sie biss sich auf die Unterlippe, "eine Schönheit wie ich hätte diejenige sein sollen, die an Kaibaleins Seite steht. Nicht so ein Schandfleck wie du."

Kaibalein? Die dreht ja völlig am Rad

Die junge Frau regte sich nicht. Ihr brannten so viele Kommentare auf den Lippen, die nicht im mindesten ihren Ärger hätten beschreiben können. Rin wäre bloß schwach rübergekommen, wenn sie ihrer Gegnerin Paroli geboten hätte - das konnte sie in ihrer Lage am wenigsten gebrauchen.

Diesen Triumph gönne ich dir nicht

Zumindest kannte sie jetzt den wahren Grund für Wongs Zickereien.

Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, Kaiba hat sie eiskalt abblitzen lassen

Das wiederum entlockte ihr innerlich ein Schmunzeln.

Von außen verzog Rin jedoch keine Miene, sie war zur Eissäule erstarrt. Die DuelDisc sandte ein Kribbeln in ihren Arm aus. Sie sah von ihrer Karte direkt zu Wong. Ihre Augen jagten einen Giftpfeil nach dem nächsten. "Und trotzdem", sagte die junge Frau, nachdem sie im Geiste tief eingeatmet hatte, "stehe ich hier - und nicht du. Was hälst du davon, wenn du dein hübsches Köpfchen mal ein wenig anstrengst. Dann erkennst du den wahren Unterschied zwischen uns beiden."

"Was willst du damit sagen?"

"Das wirst du früher oder später selbst erkennen. Aber genug Zeit verschwendet. Ich lasse lieber die Karten für mich sprechen: Ich spiele Hüter der Drachenmagie - im Angriffsmodus." Die Gestalt eines Kriegers in Drachenrüstung erschien auf ihrer Seite des Feldes. Die scharfe Spitze seines Speeres reckte er in die Höhe. Mit 1800Atk kein so übles Monster, wenn sie denn jemand anderes als ihren Nachtdrachen angreifen dürfte.

"Das Monster wird dir nichts nützen", schüttelte ihre Gegnerin müde lächelnd den Kopf.

"Das werden wir sehen", raunte Rin, die sich ganz auf ihr Duell zu konzentrieren versuchte, "scheinbar kennst du seine besonderen Fähigkeiten nicht: Zunächst werfe ich eine Karte ab", die Entscheidung fiel ihr nicht schwer, "dann darf ich ein Fusionskarte aus meinem Deck ziehen." Ihr Gegenüber kniff die Augen zusammen.

"Als nächstes", Rin machte einfach weiter, "wenn ich ein Fusionsmonster besitze, darf ich eines der dafür benötigten Monster direkt von meinem Friedhof auf das Feld setzen." Ihre Monsterzone blinkte auf. Die Karte erschien verdeckt in Verteidigungsposition. Wong kräuselte die Lippen. "Du wirst doch nicht-?"

Die junge Frau blieb völlig gelassen. "Was ist denn los", säuselte sie, "du wirst doch nicht etwa Angst haben, was ich darunter versteckt haben könnte? Ich dachte, ich kann dir nichts mehr vormachen."

"Du", knurrte Wong, "ich weiß, dass du drei weiße Drachen mit eiskaltem Blick besitzt. Aber du wirst es nicht wagen, sie in den Endrunden einzusetzen."

"Lassen wir uns überraschen." Rin lächelte, nicht gerade ehrlich, dafür umso selbstsicherer. Wongs Unsicherheit war der Anstoß für ihr Ego, den sie gebraucht hatte.

"Davon lasse ich mich nicht einschüchtern."

"Das würde ich dir auch raten, wenn du noch gewinnen willst. Ich beende meinen Zug."

"Ich bin dran." Als Wong ihre Karte zog, stellte sich ein schallendes Gelächter ein. "Einfach nur fabelhaft", rief sie entzückt, "das ist genau das Richtige, um meinen Sieg gebührend zu feiern. Stell' dich schonmal auf eine entwürdigende Niederlage ein."

"Noch peinlicher als dein Lachen kann es wohl kaum noch kommen."

"Red' du nur. Aber du wirst schon sehen, was ich meine: Es ist Zeit, Yuki Musume und Hajun zu opfern."

Welches Mayakashi-Monster will sie denn beschwören? Von ihnen gibt es keine fünf Sterne Monster oder höher…

Zwischen den Feldern, in denen Wong ihre Monster opferte, bildete sich ein schwarzer Strudel. "Ich denke, du wirst sie kennen", Wong hätte sich nicht ungenauer ausdrücken können. Dafür sprach das Monster für sich selbst. Sobald ein Stöhnen über das Feld ging, zuckte Rin zusammen.

Das kann nicht…sie hat nicht wirklich…

Aber sie hatte. Die Gestalt des schwarzen Magiermädchens war unverkennbar, ihre Karte mindestens so berüchtigt wie die ihres männlichen Gegenstücks. Rin erinnerte sich nicht, wann sie das letzte Mal auf der gegnerischen Seite gestanden hatte, und in diesem Moment war es ihr auch herzlich egal. Der Anblick der Magierin im knappen Outfit, wie sie schwebend vor ihrer Besitzerin in Position ging, ließ Rin Erinnerungen aufleben, die sie eigentlich vergessen wollte.

"Siehst du das, mein süßer Yugilein?!", Wongs schrille Stimme holte Rin zurück in die Gegenwart. Wie ein Groupie rief sie dem jungen Mann unter ihnen zu, der fast genauso geschockt schien wie Rin. Sichtlich irritiert sah Yugi Muto zwischen dem schwarzen Magiermädchen und den restlichen Monstern hin und her. Die junge Frau ahnte, was in seinem Kopf vorging und stimmte ihm absolut zu.

"Na, was sagst du jetzt?" Wong hatte es geschafft, sich von dem Anblick ihres Idols loszureißen und lächelte nun Rin breit an. Diese reagierte nicht auf sie. Dafür war sie noch viel zu geschockt von dem, was sich hier abzuzeichnen schien.

"Hat es dir so die Sprache verschlagen? Ich dachte, ich überrasche meinen Yugilein - als Zeichen meiner tiefsten Verehrung." Ihr entfleuchte ein Seufzer, der jedoch nicht mit dem ihres Monsters mithalten konnte. Rin standen die Nackenhaare zu Berge.

"Dass du es wagst-", murmelte Rin, die nicht gemerkt hatte, dass sie ihre Gedanken gerade laut ausgesprochen hatte.

"Ich kann deinen Ärger schon verstehen; schließlich sieht man nicht alle Tage seinem Untergang entgegen."

"Du verstehst gar nichts", Rin spürte, wie der Ärger sich an die Oberfläche zu graben versuchte - und sie wusste nicht, ob sie noch länger dagegen halten wollte.

"Nur keine Sorge", sagte Wong und beugte sich leicht nach vorne, "sie wird nur Zuschauerin sein. Damit ich weiß, dass Yugi im Herzen immer bei mir ist. Denn ich brauche nur meinen Bärenblocker, um dich ein für allemal vom Feld zu pusten."

"Und wie? Dein dicker Bär ist schwächer als mein Hüter."

"Nicht mehr lange", Wongs verdeckte Karte kam ins Spiel. Rin ging einen Schritt zurück, mehr konnte sie auch nicht machen, sonst wäre sie in die Zuschauermenge gestürzt.

"Zeit für den Schneemanneffekt", verkündete ihre Gegnerin und breitete die Arme wie zur Umarmung aus, "jetzt bekommt mein Bär die vereinte Macht meiner Monster!" Ihre verbliebenen Monster falteten die Hände wie zum Gebet. Die Häupter gesenkt übertrugen sie ihre Angriffspunkte auf den Bärenblocker, der mit 4800 Atk eines der stärksten Kreaturen war, denen Rin jemals gegenübergestand. Der jungen Frau lief ein Schweißtropfen die Schläfe hinab. Hüter der Drachenmagie hatte keine Chance gegen den Bären.

"Bärenblocker", Wong zeigte auf ihr stärkstes Monster, "greif' Yamamoris offenes Monster an. Mach' sie alle!"

"Nein!", rief Rin, welche die Augen aufgerissen hatte.

"Zu spät. Es ist vorbei für dich." Der Bär stürmte auf seinen Gegner zu, breitete die Arme aus und formte zwei Energiekugeln. Vor dem Hüter der Drachenmagie stehend, hielt er abrupt inne. Er ließ die Arme sinken, ging stattdessen auf die Knie.

"Was soll das?", Wong starrte entsetzt auf ihren Bärenblocker, "wieso hat mein Monster seinen Angriff gestoppt?"

Als Antwort zeigte Rin ihre Karte vor: Feindkontrolle.

"Das ist unmöglich! Du kannst nicht einfach die Kontrolle über mein Monster übernehmen! Dafür hättest du erst eines deiner Monster opfern müssen."

"Hast du auch mal die Karte bis zu Ende gelesen?" Rin schüttelte den Kopf. "Dann wüsstest du nämlich, dass Feindkontrolle eine weitere Option offen hält", sie zeigte auf Wongs Bärenblocker, der zurück auf seinen Platz gegangen war, "und zwar den Wechsel in den Verteidigungsmodus!"

"Nein."

"Tja, das war wohl nichts mit deiner Fallenkarte."

"Ich bin noch nicht fertig, du überhebliches Großmaul! Mein schwarzes Magiermädchen war noch nicht am Zug." Ihre Gegnerin deutete auf Rins verdecktes Monster.

"Bist du sicher, dass du ihn angreifen willst?" Rin lächelte gelassen - sehr zum Ärger ihrer Kontrahentin.

"Auf deinen Bluff falle ich nicht herein. Niemals hast du den weißen Drachen auf deiner Seite. Schwarzes Magiermädchen, greif' Yamamoris verdeckte Karte an - schwarze Magie-Attacke!" Das Magiermädchen wedelte mit ihrem Stab und schickte ihre dunklen Kräfte in Richtung ihres Monsters. Als die schwarze Magie die Karte berührte, offenbarte sich die Kreatur. Wasser spritzte von allen Seiten, streifte Rins linken Arm, dass sie kurz glaubte, dessen Kälte zu spüren. Aus eben diesem Wasser tauchte der Wasserdrache auf, spritzte noch mehr Flüssigkeit in die Luft, dass einzelne Tropfen über ihren Köpfen schwebten.

"Was ist das?" Wong schien nicht zu verstehen, weshalb Rins Monster noch immer auf ihrer Seite stand.

"Hast du es denn nicht begriffen", säuselte Rin und verschränkte die Arme vor der Brust, "mein Wasserdrache hat 2600 Verteidigungspunkte, schwarzes Magiermädchen zweitausend. Möchtest du, dass ich dir die Differenz ausrechne?"

"Nein", knirschte ihre Kontrahentin mit den Zähnen als ihr Lebenspunktestand um sechshundert leichter wurde.

"Ich sagte doch, dass du meine verdeckte Karte nicht angreifen sollst. Du wolltest ja nicht hören."

"Halt die Klappe", blaffte Wong, bevor sie zu ihrem Monsterfeld herüber sah und zu lachen begann. "Egal, was du auch versuchst, du bleibst mir unterlegen. Dein Drache mag in Angriffsposition stark sein, aber nichts schlägt deinen weißen Nachtdrachen. Solange du ihn nicht besiegen kannst, bist du zum scheitern verurteilt. Gib' doch einfach zu, dass ich dir eine Nummer zu groß bin und erspare dir dieses peinliche Ende - für euch beide." Lächelnd deutete sie auf den gegenüberliegenden Container. Rin brauchte nicht hinzusehen, um Seto Kaibas Blicke von der Seite zu spüren. Dieses Gefühl war seit dem Verlust ihres stärksten Drachen präsent. Dass der junge Firmenchef wohl wenig erfreut über diese Wendung sein musste - dafür brauchte Rin nicht einmal telepathische Fähigkeiten.

Kaiba…wenn du mir auch nur eine Sekunde vertraut hast…was red' ich denn da schon wieder-

"Mach' endlich deinen letzten Zug!" rief Wong, dass Rin sich wieder ganz ihrer Gegnerin widmete.

"Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich von zwei billigen Flittchen fertig machen lasse!" Das schwarze Magiermädchen vor Augen nahm Rin eine Karte vom Stapel. "Ich setze meinen Hüter in den Verteidigungsmodus."

"Wer hat denn da Angst um seine Lebenspunkte?"

"Dann lege ich eine Karte verdeckt und beende meinen Zug", Rin ignorierte Wong, die sich kaum noch vor Lachen halten konnte.

"Mehr hast du nicht drauf? Scheinbar willst du wirklich um jeden Preis verlieren. Na schön, wenn du dich nicht geschlagen geben willst, werde ich dir den Gefallen tun und dir deine letzten Lebenspunkte ausquetschen."

Rin schüttelte den Kopf: "Du redest die ganze Zeit davon mich auszuschalten. Wieso tust du uns nicht allen den Gefallen und hörst mit dem Reden auf", ein Wassertropfen landete auf ihrer Nasenspitze, diesmal war sie sich sicher, dass er nicht von ihrem Drachen stammte. "Wenn du mich wirklich schlagen kannst, dann beweise es mir!"

Weniger ihre Worte als Rins Ton ließen Wong zusammenzucken. Ihre eigenen Mundwinkel bebten, sie schien nach dem passenden Konter zu suchen. "Dafür, dass ich dich in die Enge getrieben habe, nimmst du den Mund noch ganz schön voll. Oder denkst du etwa, du könntest mir mit deiner verdeckten Karte Angst einjagen?" Wong stemmte die Hände in die Hüften. "Hast du etwa vergessen, dass Bärenblocker meine Fallen- und Zauberkarten beschützt? Nicht zu vergessen, dass Rüstung aus seltenem Gold auf dem Spielfeld liegt und mein Monster damit unantastbar werden lässt."

"Du bist diejenige, die etwas Entscheidendes vergessen hat!" Rin zeigte auf ihre Gegnerin.

"Und was soll das sein?"

"Du hast es hier mit meinem Deck zu tun. Ich für meinen Teil vertraue jeder meiner Karten!"

"Was soll das heißen, hä?" Die Schwarzhaarige wischte sich ebenfalls einen Tropfen aus dem Gesicht. "Willst du etwa sagen, dass du mit diesem jämmerlichen Haufen gegen meine unbesiegbare Kombo bestehen könntest?"

"Nicht nur das, ich sage dir, dass ich dafür nur diese eine Karte brauche."

"Schwachsinn! Deine Psycho-Spielchen ziehen bei mir nicht, klar?!" Schließlich murmelte Wong noch ein paar Sätze, die durch die tobende Menge untergingen und machte sich für ihren Zug bereit. "Ich ziehe!" Wong grinste die Karte in ihrer Hand an und rief: "Ich spiele Topf der Gier! Sie erlaubt es mir, zwei weitere Karten zu ziehen…und sieh ' mal einer an, was ich gefunden habe: eine hübsche Zauberkarte namens erweiterte dunkle Magie!" Ein roter Schleier umhüllte das Magiermädchen mit einem grell leuchtenden Licht. "Damit bekommt sie einen einmaligen Powerschub von eintausend Angriffspunkten! Na, was sagst du nun?!" Das schwarze Magiermädchen sog sämtliches Licht in sich auf, dass ihre Werte auf dreitausend angestiegen waren. Stumm verfolgte Rin den überraschten Ausdruck, den das Magiermädchen aufgesetzt hatte, nachdem es mit dem weißen Nachtdrachen zum stärksten Monster auf dem Feld gekürt worden war. Die junge Frau blieb davon unbeeindruckt, dass sie nicht einmal ihre Miene verzog. Wie oft hatte sie eine ähnliche Taktik bei ihrer besten Freundin erleben dürfen. Nur war Lumina im Gegensatz zu ihrer jetzigen Gegnerin ein Profi in Sachen Magierdeck, dass Wongs Zug lediglich wie ein schlecht abgepauschtes Bild aussah.

"Dir scheint wohl nicht klar zu sein, dass ich dich ganz leicht platt machen kann!", rief Wong ihr zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit Beginn ihres Zuges schien die Temperatur um einige Grad nach unten gegangen zu sein. Eine kühle Brise wehte Rins Wangen entlang, bevor ein Donnerschlag ihre Kontrahentin zusammenzucken ließ. Nicht mehr lange und ein Gewitter würde sich zusammenbrauen. Ebenso wie die aufkommende Regenfront ließen sie Wongs Worte kalt: "Dein Magiermädchen mag jetzt dreitausend Lebenspunkte haben, aber das gilt nur für diesen einen Zug. Danach ist sie wieder nur ein schwaches, kleines Ding…genau wie du."

"Und wenn schon", winkte Wong ab, "nach dieser Runde ist es sowieso für dich gelaufen. Ich habe drei Monster - du nur zwei. Sobald ich alle deine Monster vom Feld gepustet habe, wird mein Mayakashi deine restlichen Lebenspunkte auslöschen! Geh' lieber ein Stück nach vorne, es könnte gleich sehr ungemütlich für dich werden."

Rin blickte über ihre Schultern. Die fünf Meter, die es nach unten ging, entlockten ihr nicht einmal ein Schulterzucken. Stattdessen ließ sie ihre Absätze über den Container schweben, dass sie nur noch mit den Schuhspitzen auf ihm stand.

"Was soll das werden?!", rief ihr Vivian Wong zu, wobei sie einen Satz zur Seite machte, als ein weiterer Donner ertönte. "Willst du mich hier emotional erpressen, oder was?! Glaubst du, ich würde meine Monster zurück pfeifen, wenn du einen auf Lebensmüde machst?!"

"Mach' dich nicht lächerlich", entgegnete Rin und fasste sich durch ihren Zopf, "ich werde nicht fallen. Ich sagte es dir bereits: ich vertraue meinen Karten."

Und meinen Fähigkeiten, das holographische System zu beherrschen.

Auch wenn sie darauf mehr Vertrauen setzte als ihr gut tat.

"Du spinnst doch!", Wong zögerte nicht länger und ließ ihr schwarzes Magiermädchen angreifen. Ihre Attacke richtete sie auf den Wasserdrachen, der in Abermillionen Tropfen zerfiel. Der Gegendruck, welcher dessen Zerstörung auslöste, sowie der Wind, der das nahende Gewitter prophezeite, waren stärker als Rin erwartet hatte. Nur mit Mühe behielt sie die Balance, dass sie nicht wie ein in der Luft rudernder Volltrottel aussah.

"Und jetzt", verkündete ihr Gegenüber und zeigte auf den Bärenblocker, der sich in Startposition brachte, "greif' ihren Hüter der Drachenmagie an!" Das Monster lud seine Energiekugeln auf.

"Der Sieg ist mein", jubelte Wong und streckte die Arme nach oben, "was zum-", sie hielt in der Bewegung inne, "was ist das für ein Geräusch?" Wong riss die Augen auf. Hinter Rin sprangen Stahlketten aus dem Nichts hervor. Wie Geschosse flogen sie auf die gegnerische Seite direkt auf Wongs Bärenblocker zu. Die Ketten legten sich um dessen Arme, Beine und den Hals. Der Bär brüllte und ging auf die Knie.

"Was ist passiert?", stotterte Wong und sah ungläubig zu ihrem Monster, "mein Bärenblocker-" Ihr Blick schweifte zu Rin. Mit offenem Mund sah sie auf ihre Seite des Feldes.

"Deine unbesiegbare Combo", erwiderte Rin und kam wieder einen Schritt nach vorne (so nahe am Rand zu stehen erinnerte sie dann doch zu sehr an ihren letzten Traum, dass sie nicht wusste, ob sie nur aus diesem Grund so reagiert hatte und nun doch ein schlechtes Gefühl bekam), "sie hat eine Schwachstelle: dein Bärenblocker mag zwar vor meinen Angriffen geschützt sein. Das gilt aber nicht für meine Fallenkarten."

"Was?!"

"Sobald dein Bär angriff, hat er meine Falle ausgelöst: teuflische Ketten. Er macht deinen Bären nicht nur kampfunfähig, nein!" Rin schüttelte den Kopf. "Obendrein verliert dein Monster seinen Spezialeffekt."

"Das kann nicht sein!"

"Wong", rief Rin ihr zu. Mehrere Tropfen landeten auf ihrem Gesicht, der Regen setzte ein - so heftig und schnell wie es nur in ihrer Heimatstadt vorkam. "Deine Taktik war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, und das werde ich dir hier und jetzt beweisen!"

"Was redest du denn da für einen Unsinn!"

"Hast du es denn nicht kapiert", Rin kniff die Augen zusammen, "mit diesem sinnlosen Kartenhaufen von einem Deck kannst du mich nie besiegen", Rin spürte die Hitze in ihrem Gesicht aufsteigen. "Nicht genug, dass du dein eigenes Deck verraten hast", sie schnaubte mit aller Verachtung, die sie aufbringen konnte, "du beleidigst damit nicht nur mich, sondern jeden Duellanten, der auch nur einen Funken Ehre in seiner Brust trägt! Dessen Deck mit Stolz erfüllt ist - mit jeder einzelnen Karte, in die er sein Herzblut und seine Seele hineingesteckt hat." Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war ihr in diesem Moment sicher, obwohl Rin nur auf ihre Gegnerin konzentriert war und nichts von den ehrfurchtsvollen Blicken mitbekam. "Alles nur, weil du gegen mich nicht bestehen kannst - das ist einfach nur erbärmlich."

"Wen nennst du hier erbärmlich!? Als ob du noch irgendetwas ausrichten könntest."

"Ich habe immer noch meine Karten!"

"Pah", schnaubte Wong, "redest du etwa vom Herz der Karten? Diesen lächerlichen Aberglauben…?! Jeder weiß doch, dass Kaiba nicht daran glaubt-"

"Ich bin nicht Kaiba", Rin spürte ein warmes, vertrautes Gefühl. Es kam von der DuelDisc. Das blau-weiße Licht strahlte aus ihr heraus, verbreitete sich über ihren gesamten Körper, dass jeder es zu sehen bekam. Staunend blickte das Publikum zu der braunhaarigen Duellantin, deren Mantel in wilder Ekstase zu tanzen begann, dass Rins felsenfeste Stimme, sowie ihr eiserner Wille den Mittelpunkt des Geschehens bildeten. Die Seelenspiegel der jungen Frau begannen wie Edelsteine zu funkeln. Niemand würde ihre Worte anzweifeln: "Und ich glaube sehr wohl an das Herz der Karten."



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