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Der Wächter

von

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Gegenleistung

Als Isaak den Raum betrat, wanderten alle Augen sofort zu ihm. Das gesamte Rudel hatte sich in Sams Bude niedergelassen. Der Hauptraum war recht klein, aber dennoch war für alle Platz vorhanden. Leah schlief tief und fest, immer noch an die Trage geschnallt, neben einem alten kleinen Sofa. Auf diesem lag Jared ausgestreckt und sah ihn aus müden Augen heraus an.

Embry und Quil saßen hingegen in je einer der hinteren Ecke des Raumes an die Wand gelehnt. Beide wirkten erschöpft, behielten den Eindringling aber wachsam im Auge. Rechts neben der offenen Küche, welche auf der linken Seite des Raumes lag, gab es zwei Türen. Hinter der ersten konnten sie die Stimmen von Sam und Emily hören, welche stritten. Die zweite stand halb offen und ein Schnarchen enthüllte den Aufenthaltsort des letzten Mitglieds.

Auf Isaaks irritierten Blick hin meinte Jared schreiend, ohne sein Gehör konnte er offenbar nicht so recht einschätzen, wie laut er redete: „Paul hat sich einfach meine Decke gekrallt und ist in der Badewanne eingepennt.“

Isaak nickte, um zu zeigen, dass er ihn verstanden hatte. Sofort ließ sich Jared zurücksinken und schloss die Augen.

„Ja, das ist unsere Bude“, sagte Seth und drückte sich an Jake und Isaak vorbei. Dann stürmte er an den kleinen wackligen Esstisch und ließ sich auf einem der drei unterschiedlichen einfachen Stühle nieder. Jake tat es ihm gleich und beide sahen hungrig auf einen großen Teller mit gebratenen Hähnchen.

„Mahlzeit“, schmatzte Seth und griff zu. Jake hingegen sah auf und deutete auf den dritten Stuhl. Mit einem Seufzen ließ sich auch Isaak nieder. Sofort machte sich auch der Beta über das Fleisch her.

Nach seinem ersten Bissen warnte er mental, weil er nicht mit vollem Mund reden wollte: „Iss, bevor alles weg ist. Emily ist eine gute Köchin, glaub mir.“

Der Wächter schmunzelte und nahm sich auch etwas. Konträr zu den beiden Wölfen, die jeglichen Tischmanieren spotteten, ließ sich Isaak Zeit.

Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich und Emily kam gemächlichen Schrittes heraus. Einen Augenblick sah sie zu den drei am Esstisch und fauchte dann erbost: „Dir schmeckt mein Essen wohl nicht, oder was?“

Isaak hob den Blick und erwiderte: „Bitte, sieh meine Zurückhaltung nicht als eine Beleidigung deines Könnens. An dem Essen gibt es nichts auszusetzen. Nur, benötige ich es eigentlich nicht. Ich kann allein von meiner Magie leben. Zumal ich dir keine Umstände bereiten möchte und nur ein wenig gegessen habe, um der Höflichkeit Genüge zu tun.“

Während die Frau ihn anstarrte und nicht wusste ob das Scherz sein sollte, erschien Sam hinter ihr.

„Sam, ich danke dir für die Einladung, aber ich möchte wirklich keine Probleme verursachen. Ich denke es ist das Beste für alle, wenn ich gehe.“

Sofort begann Jake zu toben: „Du bleibst und schläfst nicht auf einem verdammten Baum oder in einer feuchten Höhle.“

„Du musst dir wirklich keine Gedanken machen. Ich bin das gewohnt, es macht mir nichts aus. Ich lebe schon so lange im Schatten, dass Gesellschaft für mich fremd geworden ist. Das ist mein Schicksal. Meine Bestimmung.“

Entsetzt hakte Emily nach: „Du hast keine Wohnung oder sowas?“

„Nein. So etwas brauche ich nicht.“

„Schläfst du überhaupt?“

„Normal nicht, aber ich bin schwach und mein Körper muss sich von den Strapazen erholen. Solange meine Magiekapazitäten so gering sind, muss auch ich schlafen.“

„Dann iss und schone deine Kräfte. Ich werde gleich noch mehr kochen. Mehr als den Boden kann ich dir zum Schlafen aber nicht anbieten. Auf so viele sind wir nicht vorbereitet“, bestimmte Emily, welche sich nicht vorstellen konnte so zu leben.

„Das ist sehr freundlich, aber…“

„Kein aber“, fauchte sie und ging in die Küche, um ein verspätetes Abendessen zu zaubern. „In einer Höhle schlafen, der ist ja noch bekloppter als die Jungs“, murmelte sie vor sich hin, als sie den Herd anmachte.

Bevor Isaak erneut etwas sagen konnte, stieß ihm Jake ans Schienbein und zog scharf die Luft ein. Während er sich das schmerzende Bein rieb, knurrte er mental: „Alter, bist du fest. Mit Wolfskraft hätte ich mir mein Bein gebrochen. Lass ihr ihren Willen, glaub mir. Ist besser so.“

Ergeben seufzte Isaak und griff nach einer weiteren Keule. Er war schwach und eine ordentliche Mahlzeit täte ihm vielleicht ganz gut. Nun aß er mit deutlich mehr Enthusiasmus aß er. Kurz nachdem die Platte gelehrt war, kam schon eine Zweite. Als dann der dritte Teller von allem Essebaren befreit war, griffen sich alle an die Bäuche und lehnten sich zurück.

Jake und Seth ließen einen Rülpser erklingen, was ihnen einen mahnenden Blick der Hausherrin einbrachte.

„Das war wirklich ausgezeichnet. So gut habe ich schon seit mehr als dreihundert Jahren nicht mehr gegessen“, lobte Isaak die Köchin und erhob sich.

Emily lächelte ihn glücklich an und sah dann zu, wie er das Geschirr einsammelte. Sofort schimpfte sie los: „Lass das, du hast heute schon genug getan.“

„Das ist doch das Mindeste“, meinte der Wächter. Dann, schneller als sie schauen konnte, raste er umher. Er wusch das gesamte Geschirr und die Pfanne ab und verstaute alles ordentlich in den Schränken. Anschließend schrubbte er die gesamte Küche bis diese zu glänzen schien.

Es ging so schnell, dass es nur wenige Momente dauerte und Emily einfach nur sprachlos dastand. Als Isaak fertig war, ging er in normaler Geschwindigkeit in eine Ecke, streckte sich und ließ sich nieder. Absichtlich hatte er die entfernteste Ecke genommen, um niemandem seine Anwesenheit aufzudrängen.

Jake hingegen grinste in sich hinein; mit der Aktion hatte er bei der Frau einen Stein im Brett. Diese starrte immer noch auf ihre perfekte Küche und konnte das gerade Geschehene gar nicht richtig verarbeiten.

„In knapp einer Stunde kann ich Leah heilen“, meinte der Wächter schläfrig und sein Kopf sackte gegen die Wand. Essen machte ihn immer so müde. „Weckt mich einfach“, schaffte er noch zu sagen und schlief im Sitzen ein.

Gemeinsam bestimmten sie, dass sie ihn nicht wecken würden. Er sollte auch mal zur Ruhe kommen. Solange Leah ebenfalls schlief, machte es eh keinen Unterschied. Die anderen starrten ihn einen Augenblick an. Dann gingen auch sie schlafen. Sam und Emily zogen sich ins Schlafzimmer zurück, während Jake und Seth sich in Isaaks Nähe eine Stelle suchten und ebenfalls im Sitzen einschliefen.
 

Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne weckten Isaak. Er streckte sich und sah sich schlaftrunken um. Nach seiner inneren Uhr zu schließen waren etliche Stunden vergangen. Er wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal so lange geschlafen hatte. Seinem Körper hatte die Ruhe aber gutgetan. Die Schmerzen in den Muskeln waren verschwunden und seine Wunde vollständig geheilt.

Alle anderen schliefen noch und es herrschte ein ohrenbetäubendes Schnarchen in dem kleinen Raum. Schnell prüfte er seinen Magievorrat und stellte erstaunt fest, dass er sich wesentlich stärker erholt hatte, als er dachte. Er hatte nun genug Energie um alle heilen zu können, Emilys Gesicht mit eingeschlossen.

Vorsichtig stand er auf und ging auf Jared zu. Dort angekommen mobilisierte er seine Magie und leitete eine beschleunigte Heilung der Knochen ein. Eine Bedingung brauchte er nicht und so bekam der Wolfsjunge nichts mit. Anschließend kümmerte er sich um dessen Ohren. Jared zuckte kurz unwillig, als er das leichte Kratzen dabei verspürte, wachte aber nicht auf.

Als Nächstes versorgte er Leah. Nach einem kurzen Blick in ihren Geist wusste er, dass es ihr gut ging und sie nur etwas Ruhe brauchte. Die Halskrause ließ er aber an Ort und Stelle. Er fürchtete sie zu wecken, sobald er diese entfernen würde. Auch Embry, Quil und Paul wachten von der leicht unangenehmen Behandlung nicht auf. Alle Wölfe waren von dem Energieentzug geschwächt und würden wohl noch mehr Schlaf benötigen.

Nach getaner Arbeit ging er nach draußen und besah sich den wolkenlosen Himmel. Heute war einer dieser seltenen Sonnentage in diesem Teil des Landes. Isaak stand einfach nur da und genoss einen Moment lang die Kraft der Sonne, welche seine Haut prickeln ließ.

Er sah sich um. Nachdem er genug vom Nichtstun hatte, fand er hinter dem Haus eine alte Feuerstelle. Schnell säuberte er den Grillrost in einem nahen Bach und schichtete ein Lagerfeuer auf. Als Kernmaterial nahm er trockene Gräser und Pappe. Das Holz hingegen fand er an der Rückwand des Gebäudes unter einem abgedeckten Stapel. Mit einem kleinen Zauber zündete er den Kern an. Er sah zu, wie sich das Feuer durch das Holz fraß und überprüfte, ob alles vorbereitet war.

Dann rannte er in den Wald und suchte nach einer geeigneten Möglichkeit zum Baden. Der gestrige Tag hatte Spuren hinterlassen und ihm war sein eigener Geruch aufgefallen. Normal regelte er das auch mit Magie, aber er hatte einfach mal wieder Lust ins Wasser zu gehen und zudem sollte er sparsam mit seinen Kräften umgehen.

Als er sich in einem kleinen See treiben ließ, dachte er nach. Er sollte wohl so einiges Überdenken. Das Essen am Abend zuvor hatte ihn gestärkt und auch der Schlaf war für ihn heilsam gewesen. Solange solche Dinge seine Aufgabe nicht behinderten, könnte er sich daran gewöhnen.

Er schüttelte sich und reinigte seinen Körper. Anschließend ging er auf die Jagd. Er wollte keinem zur Last fallen und so würde er ihr Frühstück organisieren. Unterwegs stibitzte er etliche Eier aus Vogelnestern und verstaute sie in einem provisorischen Korb, welchen er aus biegsamen Stöcken gewoben hatte. Zu den Eiern legte er auch noch verschiedene Kräuter, die er im Vorbeigehen pflückte. Mit Pflanzen kannte er sich gut aus. Deren Wirkung auf den Körper, den Geschmack und die Art, wie man sie verwendete, hatte er zu Genüge studiert.

Schnell fand er einen Berglöwen und beendete dessen Leben mit einem gezielten Nackenschlag. Er wollte keine Schmerzen verursachen. Die Großkatze hatte ihn weder kommen gesehen, noch musste sie leiden. Mithilfe seiner Geschwindigkeit und der Zentrifugalkraft ließ er das Tier rasch ausbluten. Er verursachte zwar eine riesige Schweinerei im Umkreis, aber das Blut würde den Pflanzen als Nährstoff gute Dienste leisten.

Zufrieden mit seinem Werk kehrte er zurück. Hinter Sams Haus fand er alles was er brauchte. Nachdem er dem Löwen das Fell abgezogen hatte, entbeinte er diesen und zerlegte das noch warme Tier. Er nahm die Kräuter, sowie Salz und Pfeffer aus der Küche, und massierte die Gewürze in das Fleisch ein. Ohne Anstrengung befestigte er anschließend den blanken Grillrost über dem Feuer und verteilte das Grillgut. Das wird eine Weile dauern, dachte er sich und begann sich anderweitig nützlich zu machen. Die nicht benötigten Innereien, sowie die Knochen, entsorgte er im Wald und ließ auch den Aasfressern ihren gerechten Anteil. An einem Bach wusch er sich das Blut ab und raste zum Feuer. Dort wendete er das Fleisch und begann alles sauber zu machen.

Anschließend wandte er sich dem abgezogenem Fell zu. Er gerbte es und arbeitete sorgfältig die Farben und Musterungen heraus. Auch war er darauf bedacht so wenig wie möglich zu verschwenden. Dafür benötigte er zwar ein wenig Magie, aber das Rudel hatte nicht alles was er sonst gebraucht hätte. Außerdem hätte der Prozess sonst mehrere Tage gedauert und er wollte sich für die Gastfreundschaft bedanken.
 

Jake wachte als erster auf. Er hatte das Gefühl, als ob ihm etwas fehlte. Müde sah er auf und bemerkte, dass der Wächter verschwunden war. Sofort war er hellwach und sprang auf. Er konnte den Rotblonden nirgends ausmachen. War dieser etwa abgehauen?

„Ich bin hinter dem Haus, Wölfchen“, gluckste Isaak amüsiert in seinem Kopf.

Wütend knurrte er: „Nenn mich gefälligst nicht so. Das ist ja mal mega schwul.“

„Meinst du? Tja, du solltest dich besser daran gewöhnen. Dieser Spitzname wird dir wohl erhalten bleiben, aber ich werde mich hüten ihn laut auszusprechen, versprochen. Ich will doch nicht deinem Image als großer böser Wolf schaden“, stichelte Isaak ein wenig.

„Mach doch was du willst“, schnauzte Jake. Er ahnte, dass eine Diskussion nichts bringen würde. Vielleicht sollte er ihn einfach ignorieren, wenn dieser Kosename fiel. Das könnte helfen.

„Wird es nicht“, zerschlug der Rotblonde seine Hoffnung.

„Leck mich“, knurrte Jake.

„Alles zu seiner Zeit.“

Das war ihm dann doch zu viel und er stürmte mit rotem Kopf ins Bad. Dort erledigte er seine Morgentoilette und achtete gar nicht auf das markerschütternde Schnarchen von Paul in der Wanne daneben.

Alle schliefen noch und so ging er nachsehen, was Isaak da so trieb. Er konnte spüren wie dieser umherflitzte und immer mal wieder im Wald verschwand. Vor dem Haus sah er in den wolkenlosen blauen Himmel. Die Sonne unverhüllt zu sehen war seltsam für ihn. Das gab es nicht so häufig und alle hatten sich schon längst damit abgefunden.

Als er dann um die Ecke ging, schlug ihm der Duft von bratendem Fleisch entgegen. Schnell suchte er nach dem Quell und ging leicht sabbernd auf das Feuer zu. Der Hunger des Rudels war fast schon legendär. Dann stutzte er aber. Was war das für ein Fleisch? Wo kam es her? Er riss die Augen auf und sah sich weiter um. Sein Blick fiel auf das fast fertige Fell am Boden und er ließ erleichtert den Kopf auf die Brust sinken. Was er nur wieder gedacht hatte.

„Ja, das war echt nicht nett. Menschenfleisch muss man mehrere Tage einlegen, das weiß doch jeder“, erklärte Isaak. Seine Stimme kam von hinten und der Wolfsjunge drehte sich entsetzt um. Ein Blick auf das dreckige Grinsen und den Schalk in den Augen sagten ihm, dass er ihn nur verarscht hatte.

Um seine Fassung ringend fragte der Beta: „Wo kommt der Berglöwe her?“

„Der hatte das Pech mir über den Weg zu laufen“, meinte Isaak und ließ den anderen in Ruhe. Er sollte es nicht übertreiben. Immerhin wollte er es sich nicht mit dem Wölfchen verscherzen.

„Das habe ich gehört“, knurrte Jake zornig.

„Bin ja schon ruhig“, beteuerte Isaak und hob die Hände, um sich zu ergeben.

Dann sauste er ins Haus und holte mehrere Pfannen. Auch eine große Schüssel brachte er mit. In dieser schlug er die Eier auf und verquirlte alles mit Gewürzen und Kräutern. Das Resultat gab er dann in die Pfannen und stellte diese mit auf den Rost.

„Weckst du bitte die Bande? Das Essen ist gleich fertig“, bat der Wächter und drehte abermals das Fleisch. Fett tropfte und der Geruch steigerte sich noch einmal.

Jake lief das Wasser im Mund zusammen und ging rasch nach drinnen. Er fragte sich, wie Berglöwe denn schmecken mochte. Dort baute er sich auf und schrie: „Essen fassen.“

Noch während er das von sich gab, mahnte er sich einen Idioten. Die meisten konnten ihn doch gar nicht hören. Aber wenigstens Seth, Sam und Emily würde in den Genuss seines sanften Weckrufes kommen.

Zu tiefst erschrocken sprang Jared vom Sofa und sah sich panisch um. Ebenso Quil, Embry und Seth schossen in die Höhe und hoben die Fäuste. Ein Rumoren im Bad verriet, dass Paul aus der Wanne gesprungen war und unsanft auf dem Boden landete.

Bei diesen Ereignissen machte auch Jake einen hastigen Sprung rückwärts. Er starrte fassungslos auf die Bande. Dann ertönte Leahs liebliche Stimme: „Was ist hier los? Ich kann mich nicht bewegen. Wo bin ich? HILFE? SAM, HILFE?“

Zudem flog die Schlafzimmertür auf und ein tobender Sam tauchte auf. „Was soll der Radau?“ Er sah das entstandene Chaos und erstarrte.

„Ach, habe ich vergessen zu erwähnen. Ich habe bereits alle geheilt“, verkündete Isaak mental mit Schadenfreude in der Stimme.

Jake schwor sich, dass würde er ihm heimzahlen. Die Augen des Alphas fanden den Schuldigen und er begann: „JAKE…“

Schnell unterbrach ihn sein Beta und sagte: „Essen ist gleich fertig, macht euch frisch Leute. Heute gibt’s ein Festmahl.“ Möglichst unbeschwert verschränkte er die Arme im Nacken und grinste frech.

Sam schnitt ihm das Wort ab und fragte irritiert: „Wovon redest du da?“

„Meine Beine. Sie sind…“, begann Jared als er sich seiner Position bewusst wurde.

„Geheilt. Isaak ist schon früh auf gewesen, hat alle geheilt und macht gerade Frühstück“, erklärte Jacob und sein Grinsen war diesmal nicht gespielt. Die Jungs würden Augen machen, freute er sich. Er deutete in die Richtung des Wächters und setzte hinzu: „Er ist hinter dem Haus. Kommt und seht selbst.“

Als er gerade sich umdrehen wollte, schrie Leah: „Bindet mich gefälligst los. Und dann will ich Antworten.“

Oh, da hatte er doch was vergessen, dachte Jake, zog die Schultern ein und sprang auf die Wölfin zu. Gemeinsam mit Jared und Seth befreiten sie Leah und bekamen alle eine Kopfnuss zum Dank.

„Wie könnt ihr es wagen…“, legte sie auch gleich los.

„Ruhe“, knurrte Sam und sah zu ihr hinunter.

„Leck mich“, schrie Leah zurück.

„Beruhig dich und ich erkläre es dir“, meinte Jake und rieb sich den Kopf.

„Sprich“, fauchte sie aufgebracht.

Schnell berichtete er ihr, dass sie schwer verletzt worden war und alles andere, was seit dem Kampf vorgefallen war. Die Jungs hingegen hatten seitdem die Verbindung abgeschnitten war nicht mehr wirklich etwas mitbekommen und lauschten ebenfalls den Ausführungen. Als er mit seinen Erläuterungen endete, dröhnte allen der Schädel bei der ganzen Flut an Informationen.

„Das Essen ist fertig“, meldete sich Isaak mental.

Jake stand auf und sagte erneut, mit normaler Lautstärke: „Denkt später nach, erstmal essen fassen.“

Dann ging er aus dem Haus. Alle anderen folgten ihm auf dem Fuße. Sprachlos starren alle auf das, was der Rotblonde angestellt hatte. Bei der ganzen Diskussion im Haus hatte er genug Zeit gehabt alles vorzubereiten.

Das Rudel und Emily starrten auf einen Tisch mit dazu passenden Sitzbänken, welche aus einem dunklen Walnussbaumholz bestand. Der Tisch war groß genug damit das ganze Rudel locker daran sitzen konnte und sogar noch Platz für weitere hatten. Zudem waren der Tisch und die Bänke mit kunstvollen Verzierungen versehen worden. Diese zeigten Elemente aus ihren Stammeslegenden.

Auf dem Tisch thronten zwei gewaltige Holzplatten beladen mit je einem riesigen Haufen Fleisch. Dazwischen befand sich eine verzierte Holzschüssel mit einem Berg an Rührei. An beiden Enden standen kunstvolle Holzkaraffen, die viel zu schade für den alltäglichen Gebrauch schienen. Zudem war der Tisch für neun Personen gedeckt. Teller, Besteck und Gläser bestanden alle aus verziertem Holz.

Leicht nervös stand Isaak neben dem Tisch: „Es tut mir leid, eure Axt hat leider nicht überlebt.“

Er deutete zu einem alten staubigen Tisch an der Hauswand. Alle Augen sahen dorthin und fanden die Überreste des genannten uralten Werkzeugs, mit dem sie normalerweise Brennholz hackten. Der Metallkopf lag in Stücken da, als hätte ihn jemand in einen Metall-Schredder gestopft.

„Ich habe kein Geld. Ich hoffe daher, dass ihr diesen Tisch und die Bänke als Gegenleistung annehmt.“

Sprachlos starrten alle den Wächter an. Dieser wurde nun rot und wandte sich ab. „Es tut mir wirklich leid. Ich werde nach dem Essen einen Schmiedeofen errichten und eine neue Axt herstellen“, sagte er kleinlaut. Durch ihre Verbindung wusste Jake, dass er das wirklich ernst meinte. Ihr wortloses Starren hatte ihm das Gefühl gegeben, dass der Tisch nicht mal annähernd das zerstörte Werkzeug ersetzen konnte.

„Nicht nötig“, stammelte der Beta tonlos und versuchte sich von dem Schreck zu erholen, um die Dinge richtig zu stellen. „Ich bezweifle das Sam das alte rostige Ding vermissen wird.“

Er schüttelte den Kopf und fragte kopfschüttelnd: „Wo kommen dieser Tisch und die Bänke auf einmal her? Die waren eben noch nicht da.“

„Ich habe sie angefertigt“, sagte Isaak und lächelte schwach. Er war sich nicht sicher, ob sie ihm seinen Fehler wirklich verzeihen würden.

Jake sah zu den Axtsplittern und sinnierte: „Und dabei ist die Axt ähm…“ er suchte nach einem passendem Wort: „… zersprungen?“

„Nein. Ich wollte die Holzscheite ersetzen, welche ich für das Feuer benötigt hatte. Dabei habe ich wohl zu schnell und stark zu geschlagen. Den Tisch und die Bänke habe ich mit bloßen Händen angefertigt. Ich wollte nicht noch mehr kaputt machen. Da ich von dem Walnussbaum noch etwas Holz übrighatte, habe ich dann auch noch die anderen Dinge angefertigt. Den Rest habe ich zu Sägespänen zerrieben und im Wald verteilt.“

So langsam versagte Jake die Stimme, als er matt fragte: „Welcher Walnussbaum?“

„Der stand etwa zehn Kilometer in dieser Richtung. Mitten im Wald. Ich dachte das Holz würde gut zu eurer bronzenen Hautfarbe passen. Die im Stamm lebende Eichhörnchenfamilie habe ich kurzerhand in eine nahe Ulme umgesiedelt. Das ist doch in Ordnung, oder?“

„Ja“, war das einzige was Jacob dazu noch zu sagen hatte.

Isaak strahlte ihn glücklich an.

Emily trat vor und fuhr fast schon ehrfürchtig über das Holz. Sie schluckte und sah zu dem Wächter, der auf ihr Urteil wartete. „Danke.“ Mehr bekam sie nicht raus.

Um die Situation nicht noch komplizierter zu machen, sagte Jake hastig: „Das Fleisch wird kalt, essen fassen.“

Sofort stürmte das ausgehungerte Rudel an den Tisch und ließ sich nieder. Einige strichen über die Schnitzereien und fragten sich, wie der Rotblonde das mit bloßen Händen hinbekommen hatten, andere starrten misstrauisch auf das Essen und begannen, wie Jake zuvor, bei dem Duft leicht zu sabbern.

„Das ist Berglöwe, bin mal gespannt, wie der schmeckt“, gab der Beta preis und schnappte sich ein großes Stück. Mental griff er nach Isaaks Geist und zog diesen in seinen Kopf er musste ihm mal ein paar Dinge erklären und zeigen. Der andere hatte anscheinend keine Ahnung von Geld und dem Wert von Dingen.

Als wäre das der Startschuss gewesen, stürzte sich das Wolfsrudel auf das Essen. Isaak wartete bis die Hausherrin sich gesetzt hatte, bevor auch er sich niederließ. Es entstanden kleine Raufereien als sich die Jungs um die Innereien stritten. Emily und Leah hingegen wollten davon nichts abhaben und bevorzugten magere Steaks.

Nach wenigen Bissen stöhnte der eine oder andere auf. Sie hatten keine Ahnung, was das für Kräuter waren, aber sie passten einfach perfekt zu dem Fleisch der Großkatze.

Isaak hörte Jake gespannt zu und tat sich auch auf. So langsam verstand er die Reaktionen der anderen. Er hatte sich nie die Mühe gemacht, einen Sinn in den ständig wechselnden Währungssystemen zu erkennen. Wer wusste schon wann den Menschen wieder etwas anderes einfiel? In seinen Augen war ein Tauschhandel immer noch die beste und einfachste Wahl.
 

Die Wölfe ließen nicht auch nur einen Krümel übrig und lagen rund um den Tisch im Gras. Nur Emily und Isaak saßen noch auf den Bänken.

„Jake hat mir die Zusammenhänge erklärt. Er meinte ich bin dir nichts schuldig, aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich habe da ein kleines Dankeschön für deine Gastfreundschaft“, sprach der Wächter die Hausherrin an.

„Nein, ich kann nicht noch mehr annehmen. Dieser Tisch ist schon mehr als genug“, protestierte sie.

Jake hatte ihn gewarnt, dass sie so reagieren würde. Daher sagte er grinsend: „Es ist bereits fertig, Umtausch ausgeschlossen.“

In Windeseile räumte er den Tisch ab, spülte das Geschirr und stellte es auf die Anrichte im Haus. Er wusste nicht, wo sie die Holzgarnitur aufbewahren wollte. Nachdem er den Tisch gesäubert hatte breitete er vor Emily das fertige Fell des Berglöwen aus.

„Ich habe es extra für dich gegerbt. Nimm meinen Dank bitte an. Ich habe dafür keine Verwendung und es wäre schade es zu entsorgen. Der Berglöwe hat uns als Nahrung gedient. Seine Haut verrotten zu lassen wäre ein Frevel gegen das Leben selbst“, gestand der Wächter und setzte sich ihr gegenüber. Das Rudel rappelte sich auf und wollte auch wissen, was Isaak da ausgeheckt hatte.

Emily war einfach sprachlos. Sanft fuhr sie über das Fell. Es war so unglaublich weich. Sie konnte zwar nicht behaupten, dass sie schonmal einen Berglöwen gestreichelt hatte, aber sie glaubte nicht daran, dass es sich so anfühlen würde. Isaak musste Magie eingesetzt haben, denn sie wusste, das Gerben länger dauerte als ein paar Stunden.

„Es ist noch im Rohzustand. Du kannst es als Bettvorleger einsetzen. Ich kann es auch zu einer kleinen Decke ummodellieren. Wenn du es nicht willst, verkauf es einfach und nimm den Erlös, um eine neue Axt zu kaufen. Es sollte auch genug übrigbleiben, um die Lebensmittel für mich zu bezahlen“, erklärte Isaak seine Gedanken, nachdem er vorab mit Jake darüber gesprochen hatte. In Zukunft sollte er aber über den Wert und Gegenwert von Leistungen und Gegenleistungen nachdenken, beziehungsweise sich von Jake dabei anleiten lassen.

Die Frau war einfach komplett überfordert und brabbelte nur ein: „Danke. Ich werde das Fell behalten.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tomasu
2020-11-17T13:18:56+00:00 17.11.2020 14:18
Oh ja das muss jemand lernen, aber das ist nicht nur Issak. auch die anderen. die müssen eben auch lernen das ein Wächter, der schon älter ist. eben auch mit andern Werten erzogen wurde, und durch die Zeit andere erfahzungen gemacht hat.

aber ich will lesen was die Meute und der Wächter aus dem wissen machen werden

grüße TK
Antwort von:  Drachenlords
17.11.2020 15:15
Was die Interaktion des Rudels mit dem Wächter anbelangt, so wird das noch eine Weile dauern, bis die ihn Akzeptieren. Der kleine Waffenstillstand wird wohl nicht lange anhalten. So viel verrate ich schon mal. Da kommt noch so einiges. Zudem rückt das Rudel nun auch in den Hintergrund, da es wichtigere Dinge gibt. Die Beziehung von Jake und Isaak; Der Rat; Der menschliche Magier.

LFG Drachenlords


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