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Wenn das Schicksal zum Verräter wird

von

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Die sich nähernde Finsternis

Einige Straßen weiter, in einem gut situierten Wohnviertel von Nishikyo. Es war bereits dunkel geworden draußen und mitten in der Nacht. Auf den Straßen war es totenstill. Es war keine Menschenseele mehr unterwegs. Einzig und allein die Straßenbeleuchtung erhellte die Straße ein wenig.
 

Dort stand ein großer Wohnblock, welcher bereits von außen erahnen ließ, dass sich im Inneren ausschließlich Luxusappartements befanden.
 

Im 20. Stock dieses Wohnkomplexes stand Subaru bereits seit einer gefühlten Ewigkeit vor einer Wohnungstür, welche sich am Ende des Flurs befand. Wie angewurzelt stand er dort und rührte sich keinen Millimeter. Es schien als wäre er ganz tief in Gedanken versunken und es war offensichtlich, dass er innerlich mit sich rang die Klingel zu betätigen. Immer wieder hob er seinen Finger in Richtung Klingel, zog ihn allerdings genauso schnell wieder zurück. Irgendetwas schien ihn daran zu hindern zu klingeln. Doch was war es nur?
 

Dennoch war der Gesamteindruck den sein Erscheinungsbild bot, ein ganz anderer als in der Schule. Er strahlte eine unheimliche Autorität und Souveränität aus, die für einen Oberschüler des ersten Jahrgangs durchaus ungewöhnlich war. Es schien fast so als würde ein völlig anderer Mensch dort stehen. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Während er angespannt seine Hände in seinen Hosentaschen vergrub, war sein ernster und finsterer Blick auf das Klingelschild direkt vor ihm gerichtet. „Jodie Saintemillion" stand darauf geschrieben. Es schien sich bei dieser Wohnung also um die seiner Klassenlehrerin zu handeln. Doch... Was um alles in der Welt wollte er zu dieser unmenschlichen Uhrzeit bei seiner Klassenlehrerin? Das war ja alles andere als normal, dass ein Schüler seiner Lehrerin zu so später Stunde einen Besuch abstattete. Das alles erschien doch recht merkwürdig zu sein.
 

Und dann wagte der junge Mann es endlich. Sein Finger ruhte auf der Klingel. Nur ein Bruchteil einer Sekunde darauf, konnte er das Läuten der Klingel aus dem Inneren der Wohnung vernehmen.
 

„Who is it?", meldete Jodie sich schon kurz darauf an der Gegensprechanlage.
 

Auch sie schien noch wach zu sein.
 

Der selbstbewusste Oberschüler vergrub seine Hände erneut in seinen Hosentaschen und sprach bestimmend: „Ich bin es!"
 

Er brauchte auch nichts weiter sagen. Ohne dass er seinen Namen erwähnt hatte, war Jodie offensichtlich klar gewesen, wer dort vor ihrer Tür wartete. Sie schien auch keineswegs überrascht über den Besuch ihres Schülers zu sein. Es machte eher den Anschein, als wäre es für sie das Normalste der Welt oder dass sie seinen Besuch gar erwartet hatte.
 

Mit einem Ruck wurde ihm die Tür geöffnet.
 

Fröhlich rief seine Lehrerin ihm entgegen: „Hello my little darling. Nice to see you. What gives me the honor?"
 

Subaru musterte die junge Frau vor sich. Jodie hüllte ihren scheinbar nackten Körper lediglich in einen knappen Morgenmantel, der ihre weiblichen Reize gekonnt umspielte. War es denn normal, dass eine Lehrerin ihrem Schüler in einem solchen Aufzug die Tür öffnete? Wohl kaum... Jede normale Lehrerin hätte sich etwas angezogen, bevor sie einem Schüler die Tür öffnete.
 

„Please excuse my appearance, darling. I was taking a bath a few minutes ago.", fügte Jodie mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen hinzu.
 

Es war ganz offensichtlich, dass sie ganz genau wusste was sie dort tat und ihre Reize gezielt einsetzte. Ihrem Schüler halbnackt gegenüber zu treten, schien durchaus beabsichtigt gewesen zu sein. Subaru schien davon allerdings wenig beeindruckt zu sein.
 

Unsanft schob er seine Lehrerin zur Seite und verschaffte sich somit Zutritt zu ihrer Wohnung. Doch auch das schien sie keineswegs zu stören. So als wäre auch das das normalste der Welt.
 

Behutsam schloss die junge Frau leise die Tür und folgte ihrem Schüler in ihr Wohnzimmer. Es war unschwer zu erkennen, dass es nicht das Erste Mal war, dass er dort war. Völlig vertraut bewegte er sich in den Räumlichkeiten seiner Klassenlehrerin. Er war wohl regelmäßig bei ihr zu Gast. Zumindest machte es den Anschein.
 

Jodie näherte sich Subaru, lehnte ihren Körper an dem seinen und hauchte ihm mit einem erotischen Unterton in der Stimme in sein Ohr: „Did you miss me so much, my Darling?"
 

Die beiden schienen ganz ohne jeden Zweifel mehr zu verbinden als eine einfache Lehrer-Schüler-Beziehung. Viel mehr... Wenn man sah, wie sich Jodie Subaru näherte, wie sie ihn berührte, wie sie seine Nähe suchte und genoss und wie sie sich ihm gegenüber verhielt... hätte man fast meinen können die beiden hätten eine Affäre oder gar eine feste Beziehung gehabt. Eine Beziehung zwischen Lehrer und Schüler... auch in Japan war so etwas nicht gestattet.
 

Doch Subaru machte nicht den Anschein als würde er auf Jodies Avancen eingehen. Er wandte sich zu ihr um und sah ihr tief in ihre blauen Augen.
 

Kühl wies er sie ab: „Jodie, was soll der Blödsinn. Hör sofort auf mit dem Schwachsinn. Benimm dich gefälligst den Gegebenheiten entsprechend. Und lass diesen sinnlosen Akzent! Ich weiß, dass du unsere Sprache fließend sprichst."
 

Jodie ließ sich auf ihrem Sofa nieder, überschlug ihre Beine und entgegnete ernst: „Ist ja schon gut. Meine Güte... Was bist du denn so unentspannt? Du bist doch sonst auch für solche Späße zu haben. So kenne ich dich ja gar nicht. Entspann dich mal wieder ein wenig. Dann sag mir doch wenigstens weshalb du hier bist. Meinetwegen bist du ja leider offensichtlich nicht hier. Also, warum suchst du mich zu einer so unmenschlichen Uhrzeit auf? Dafür gibt es doch ganz sicher einen Grund."
 

Er lehnte sich gegen die Wand neben dem Wohnzimmerfenster. Für einen kurzen Moment war er ganz still. Es schien als würde er überlegen ob er ihr wirklich den Grund für seinen Besuch mitteilen sollte oder doch besser unverrichteter Dinge wieder gehen sollte. Seine Hände vergrub er noch immer in seinen Hosentaschen. Das schien tatsächlich eines seiner Markenzeichen zu sein. Eine beängstigende Stille durchzog den Raum. Auch Jodie sagte nichts. Sie schien noch immer ungeduldig auf eine Antwort von ihm zu warten. Mit großen Augen musterte sie ihn. Sein ernster Blick aus dem Fenster machte sie nur noch neugieriger.
 

Als er schließlich ihr seinen Blick zuwandte, brach er endlich sein Schweigen: „Hör zu, Jodie... Ich glaube, langsam scheint Bewegung in die ganze Sache zu kommen."
 

Überrascht sah sie ihn an.
 

„Bewegung? Wie meinst du das? Kannst du mir das vielleicht mal erklären? Moment... Du meinst...", stieß sie hervor und hielt im nächsten Moment inne.
 

So langsam schien ihr der Grund für seinen Besuch zu dämmern. Sie und Subaru schienen sich ganz offensichtlich auch ohne Worte zu verstehen.
 

Überzeugt nickte er und fuhr fort: „Jetzt sei doch mal ehrlich, Jodie. Denk doch mal ganz kurz ein wenig nach. Findest du es nicht auch ziemlich merkwürdig, dass Yumi und Junichiro ganz plötzlich völlig aus dem Nichts hier in Kyoto aufgetaucht sind? Sie sind hier ohne irgendeine Vergangenheit aufgetaucht. Fast so, als gäbe es Yumi und Junichiro noch gar nicht so lange. Junichiro scheint mir etwas unauffälliger zu sein, wobei die Antworten auf deine Fragen ziemlich dürftig waren. Fast so als hätte er sich die Antworten in diesem Moment aus den Fingern gesaugt. Und dieses Mädchen... Yumi... Sie hat sich von Anfang an ganz merkwürdig verhalten. Den anderen Schülern scheint das gar nicht aufgefallen zu sein. Aber mir entgeht nichts. Sie hat sich insbesondere mir gegenüber ganz auffällig verhalten. Ich vermute sie ahnt bereits unsere Anwesenheit. Es stimmt scheinbar, was man sich über sie erzählt. Sie scheint tatsächlich die Fähigkeit zu besitzen diese außergewöhnliche Aura zu spüren."
 

Dabei lag ein finsteres Grinsen auf seinen Lippen.
 

Jodie sprang von ihrem Sofa auf und rief aufgebracht: „Ist das dein Ernst? Willst du mir jetzt ernsthaft damit sagen, dass Yumi es ist? Du denkst also, dass Yumi Sherry ist? Willst du mir das damit sagen?"
 

Er entgegnete nichts. Sein Blick war stur aus dem Fenster gerichtet. Angesichts der Situation war er dennoch die Ruhe in Person. Jodie hingegen schien plötzlich ziemlich aufgeregt zu sein.
 

„Dann haben wir Sherry also endlich gefunden. Dann müssen wir sofort die anderen davon in Kenntnis setzen!", rief sie, während sie nach ihrem Handy griff.
 

Noch ehe sie ihren geplanten Anruf tätigen konnte, stand urplötzlich und völlig unerwartet Subaru vor ihr und packte sie unsanft am Arm, was sie in ihrer Bewegung stoppen ließ. Mit großen Augen blickte sie ihn an.
 

Als sich schließlich ihre Blicke trafen, sprach er energisch: „Warte, Jodie! Es ist noch nicht an der Zeit die anderen davon in Kenntnis zu setzen. Wir sollten damit noch warten. Das sollte vorerst unter uns bleiben. Bisher handelt es sich ja lediglich um eine Vermutung von mir. Mit Gewissheit kann ich natürlich noch nicht sagen, ob es sich bei Yumi tatsächlich um Sherry handelt. Dafür gibt es noch zu viele Ungereimtheiten und zu viele Sachen, die einfach nicht zueinander passen. Bisher ist es lediglich Fakt, dass Yumi sich ungewöhnlich verhält. Bevor ich wirklich mit hundert prozentiger Sicherheit sagen kann, dass es sich bei Yumi um Sherry handelt, muss ich erst noch einige Nachforschungen anstellen. Du musst mir jetzt einfach vertrauen, Jodie. Fakt ist Yumi und Junichiro hüten ein Geheimnis. Das ist offensichtlich. Ich habe bereits auch schon einen Plan..."
 

„Was hast du denn vor?", unterbrach sie ihn entsetzt.
 

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen erwiderte er: „Es ist besser wenn du nicht zu viel weißt, Jodie. Du kennst doch meine Devise. Nur wenn du es schaffst deine Freunde zu täuschen, wirst du auch in der Lage sein deine Feinde zu täuschen. Vertrau mir einfach, Jodie."
 

Mit diesem Satz wandte er ihr den Rücken zu und wollte augenscheinlich ihre Wohnung verlassen.
 

„Warum hast du mir das dann alles überhaupt erzählt? Warum hast du ausgerechnet mich eingeweiht? Wenn ich unsere Organisation davon in Kenntnis setzen würde, könnten wir endlich zuschlagen. Der Grund weshalb wir nach Japan gekommen sind... Unser Ziel ist doch zum Greifen nah."
 

Ohne sich ihr zuzuwenden, entgegnete er: „Weil ich dir von allen am meisten vertraue, Jodie. Niemandem aus unserer Organisation vertraue ich so sehr wie dir. Und weil ich weiß, dass du mir genauso vertraust. Du würdest nie das Gegenteil von dem tun, um das ich dich bitte. Auch wenn wir beide unsere ganz eigenen Ziele verfolgen, weiß ich, nach all den Jahren die wir nun schon Seite an Seite arbeiten, dass ich dir blind vertrauen kann. Und außerdem... Ich wollte einfach, dass jemand davon weiß, für den Fall, dass irgendetwas schief geht."
 

Besorgt packte sie ihn am Arm und murmelte: „Übertreib es bitte nicht. Ich weiß, dass du in dieser Angelegenheit schnell dazu neigst unüberlegt zu handeln. Ich bitte dich... Pass auf dich auf. Und sollte es tatsächlich so sein, dass Yumi Sherry ist... denk daran, dass sie ein 15 jähriges Mädchen ist. Im Grunde ist sie noch ein Kind. Vergiss das bitte nicht. Ich hoffe einfach du weißt was du tust."
 

Es war offensichtlich, dass Jodie und Subaru tiefes Vertrauen verband. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Wohnung und ließ eine völlig in Gedanken versunkene Jodie zurück...
 

Eines war nun jedenfalls klar... Jodie war keinesfalls eine normale und einfache Englischlehrerin. Und Subaru war auch kein einfacher Oberschüler. War an Manamis Vermutung vielleicht doch etwas dran? Gehörten sowohl Jodie als auch Subaru der schwarzen Organisation an? Zumindest machte dieses Treffen der beiden alles andere als einen seriösen Eindruck. Von all den Geschehnissen, welche sich nur ein paar Straßen weiter gerade abspielten, ahnten Manami und Takehito nichts...



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