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Heart and Innocence

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Geschichte wird in zwei Kapiteln abgeschlossen sein. Sie ist von mir ebenfalls auf fanfiktion.de veröffentlicht worden.

Song: Undisclosed Desires
Band: Muse

Mir gehören weder das Lied noch die Charaktere von Katsura Hoshino Komplett anzeigen

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Nacht

***

 

Nacht

 

 

Es war dunkel und kalt. Die eisige Nachtluft peitschte durch den offenen Saal. Sie trug einen Hauch von Verfall und Tod mit sich. Nur der Sichelmond und einige verlorene Sterne erhellten den Himmel. Kein Geräusch durchdrang die Stille der Nacht. Nirgendwo ein Anzeichen von Leben.

Und doch… Im Schweigen der Finsternis glomm ein trübes, violettes Licht auf. Ein feines Sirren zerschnitt die Leere. Hinter einer gewundenen Säule blitzten Flügel auf. Ein schwarzer Schmetterling taumelte um sie herum. Ein schönes Tier. Zumindest auf den ersten Blick. Das Wesen wirkte seltsam bedrohlich. Eine violette Aura schien es zu umgeben und Symbole, wie von einem Kartenspiel, zierten seine zarten Schwingen. Beinahe ein Scherenschnitt in der Dunkelheit. Scheinbar ziellos flog der Schmetterling durch die nachtgetränkte Halle. Zerbrechlich und schön.

 

„Tease…“ Eine tiefe Stimme zerstörte die Stille, ließ sie in tausend Scherben zerspringen. Das überirdische Wesen flatterte auf, als wäre es erschrocken. Dann folgte es dem Ruf. Kehrte dorthin zurück, woher es gekommen war. An der Säule, hinter der der Schmetterling so anmutig hervorgegaukelt war, glänzte etwas. Eine dunkle Flüssigkeit, in dem lichtlosen Raum fast schwarz. Das Tier ließ sich darauf nieder und begann, sich an seiner Nahrung zu laben. Sie zog sich in einer dünnen Schliere über den schachbrettartigen Boden. Wurde zu einer breiteren Spur und endete schließlich in einer seichten Lache. Darin kauerte ein lichtloser Schatten. Lehnte reglos an der kahlen Wand. Ein zerbeulter Zylinder lag verloren daneben. Ebenso wie der erst zur Hälfte verglühte Zigarettenstummel.

 

„Zu mir, Tease…“ Die Stimme kaum mehr ein ersterbendes Flüstern. Der Schmetterling löste sich nur widerwillig von seinem Mahl und gaukelte unbeschwert zu der dunklen Gestalt hinüber. Ließ sich auf einem weiß behandschuhten Finger nieder. Die Flügel mit einem letzten Sirren angelegt. Der Mann öffnete die Augen. Ihr gelbes Leuchten durchdrang die Dunkelheit und erfasste das Tier in seiner Hand.

„Wie schade, dass nur noch du geblieben bist…“, murmelte er. „Und nirgends ein Brutkasten. Du wirst der letzte sein. Wie bedauerlich.“ Das Tier raschelte mit den Flügeln, als ob es verstanden hätte. Die andere Hand strich über den filigranen Körper, der von dem gleichen Schwarz wie der edle Anzug des Mannes zu sein schien. „Nun…letzten Endes macht es auch keinen Unterschied mehr, wenn niemand mehr da ist, dem du dienlich sein könntest…“

 

Plötzlich zerriss ein lauter Knall die Stille. Grelles Licht flutete den Saal. Stiefel knallten hallend auf den Boden. Der Schmetterling stob auf. Ein junger Mann betrat den Raum. Blickte sich mit nebelfarbenen Augen suchend um. Sein pelzbesetzter weißer Mantel bauschte sich im kühlen Luftzug und sein farbloses Haar wehte auseinander. Die Lippen des Mannes im Schatten verzogen sich zu einem schmalen Lächeln. „Allen Walker“, schnurrte er leise. Schlagartig erstarrte der Angesprochene. Augenblicklich begann sein Herz zu rasen, als ob es sich an die längst vergangenen Schrecken erinnern könnte. Langsam wandte er den Kopf in die Richtung des Geräusches. Endlich entdeckte er seine Quelle. Erschrecken zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, welches eine lange rote Narbe zierte, ebenso rot wie das Blut auf den schwarz-weißen Fliesen.

 

„Tyki Mikk!“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Lähmende Angst schoss durch seine Adern, vermischt mit einem vollkommen anderen, äußerst widersprüchlichen Gefühl. Der Mann hob mühevoll den Kopf. „Bist du etwa gekommen, um Rache zu nehmen, shonen?“ Allen hielt inne. Die Erinnerungen, die dieser Name in ihm wach rief, wollte er am liebsten so schnell wie möglich wieder vergessen. Er betrachtete den Verletzten mit einem abschätzenden Blick. Dann besah er sich seine linke Hand. Genau genommen war es mehr eine Klaue mit langen, spitzen Krallen. Eine hervorragende Waffe. Seine Innocence würde ihn beschützen, oder nicht? Ob es eine gute Idee gewesen war, hier her zu kommen? Sein Gegenüber mochte sich in einer schlechten Verfassung befinden und doch…er hatte viele Gründe, ihn zu fürchten. Allerdings…da gab es etwas, dass er tun musste. Oder lediglich wollte? Eine Anwandlung seiner übersteigerten Zuvorkommenheit? Oder ein anderes, viel tieferes Gefühl? Der junge Exorzist wurde sich bewusst, dass der andere immer noch auf eine Antwort wartete. „Das war nie meine Absicht. Meine einzige Aufgabe ist es, das Böse zu vernichten“, erklärte er endlich mit fester Stimme. Es kostete ihn so unsäglich viel Kraft. Am liebsten wäre er davon gerannt.

 

 

I know you've suffered

But I don't want you to hide

It's cold and loveless

I won't let you be denied

 

 

Auf einmal schwebte der Schmetterling neben seinem Ohr. Sofort zerfetzte ihn die schwarze Klauenhand. Das Wesen zerfiel in violetten Flammen zu einem Häuflein Asche. Noch einmal musterte er sein Gegenüber. Seinen Feind, wie eine hartnäckige Stimme in seinem Kopf anmerkte. Doch was sollte dieser noch für einen Schaden anrichten? Kein Mensch, nicht mal ein Noah konnte mit diesen Wunden noch kämpfen. Das einzige, was Allen verunsicherte, war, dass es nahezu unmöglich war, dem Noah solche Verletzungen zuzufügen. Er hatte es am eigenen Leib erfahren müssen. Dies war der Grund, weshalb ihm immer ein stiller Schauer über den Rücken lief, wenn er nur an den Noah dachte. Egal ob der Mann sein Feind war, er konnte es nicht ertragen, Menschen leiden zu sehen. Dass er ihm nun nahezu schutzlos ausgeliefert war, wollte nicht so recht zu Tyki Mikks sonstiger Erscheinung passen. Sein sonst so perfekt sitzender Gehrock war zerfetzt, das weiße Hemd aufgeschlitzt und bereits rot vor Blut. Also murmelte er: „Was ist geschehen?“ Tyki schloss die glühenden Augen. „Das willst du nicht wissen, shonen“, meinte er kühl. „Und selbst wenn es dich interessieren würde, einem Exorzisten vertraut man nicht, das kannst du sicher verstehen… Zudem hast du mein letztes Tease ausgelöscht, das war dumm von dir…“

Allen schüttelte nur den Kopf. „Keine Sorge! Du kannst mir sehr wohl vertrauen! Ich werde dir helfen! Ich bin hier, um dich zu retten!“

 

 

Soothing, I'll make you feel pure

Trust me, you can be sure

 

 

„Wieso sollte ich dir vertrauen, shonen?“ Allen schluckte. Tykis immer noch mächtige Präsenz ließ seine Innocence vibrieren. Dabei war er sich sicher, dass der Noah ihm in diesem Zustand keinerlei Schaden mehr zufügen konnte. Vorsichtig trat der Exorzist noch einen Schritt näher und ging vor ihm auf die Knie.

 
 

I want to reconcile the violence in your heart

I want to recognize your beauty's not just a mask

I want to exorcise the demons from your past

I want to satisfy the undisclosed desires in your heart

 

 

Der Noah riss die Augen auf. Das brennende Gelb bohrte sich in sanftes Grau. „Was willst du, shonen? Meine dunkle Seite?“ Allen musste sich zusammenreißen, um ein Zittern zu unterdrücken. Beging er nicht grade einen riesigen Fehler? Wie konnte er sich diesem Mann nur freiwillig nähern, nach all dem, was dieser ihm angetan hatte? Er ist verletzt. Er kann mir gar nichts mehr tun. Nein, er ist immer noch gefährlich. Er könnte seine Tease wieder herbeirufen oder Akuma… aber…wenn ich ihm nicht helfe, wird er sterben. Das will ich nicht mitansehen… Tyki legte verwundert den Kopf schief. Trotz seiner Wunden schien er noch sehr aufmerksam zu sein. Der junge Exorzist kannte diesen Ausdruck auf seinem Gesicht. Zuerst hatte er den Noah unterschätzt und es bitter bereut. Nicht, dass er sich damals hätte wehren können… Obwohl er die Noah seit diesem Vorfall gemieden hatte, begegnete er nun abermals seinem Peiniger.

Was hatte ihn hierher geführt? An diesen dunklen Ort? Es war, als hätte irgendetwas in seinem durchstochenen Herzen hierher gedrängt. Umso seltsamer, dass er nun hier in diesem gottverlassenen Saal kniete, so dicht an seinem alten Feind. Wie einfach es wäre, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Aber er wollte nicht. Der Noah war ihm ausgeliefert. Er hätte ihn berühren können, wenn er nur wollte. Hätte ihn von dem ganzen Blut säubern und die triefenden Schnitte in seiner Brust verbinden können. Und noch viel mehr. Aber etwas hielt ihn zurück.

 

„Was ist los, shonen? Fürchtest du dich?“ Allen ballte die Hände zu Fäusten. Es gab keinerlei Grund mehr, Angst zu haben. Aber immer wenn diese dunkle Stimme ertönte, war es, als würde sein Herz wieder durchlöchert werden und seine Lebenskraft aus ihm herausfließen. Ein dünnes Lächeln erschien auf den Lippen des Noah. Schlagartig fühlte sich der Exorzist an das bestialische, schrecklich verzerrte Grinsen erinnert, das seinen nahenden Tod begleitet hatte. Voller Wahnsinn. Voller Lust an der Qual, die er dem Jungen bereitet hatte. Noch immer verfolgte ihn diese Nacht bis in seinen Schlaf, wo sie zu seinen furchtbarsten Albträumen wurde.

 

Dieser gottverlassene Bambushain. Suman, gefressen von den Tease, die in seinem Körper genistet hatten. Wieder und wieder hörte er das Reißen von Knochen, Sehnen und Fleisch. Das dumpfe Geräusch, mit dem sein abgetrennter Arm auf dem Waldboden aufschlug. Das Splittern seiner Innocence. Fühlte seine Wehrlosigkeit. Spürte, wie der Noah mühelos in seinen Körper griff und sein zitterndes Herz durchlöcherte, nachdem er Dinge mit ihm getan hatte, an die er nie wieder denken mochte. Diese Schmerzen, diese Folter. Sie würden ihn in alle Ewigkeit verfolgen. Er sollte diesen Mann vernichten. Mitsamt dem Bösen, das seinen Körper bewohnte. Ihn übernommen und sein ganzes Wesen geschwärzt hatte. Er musste nur sein Schwert rufen. Es würde die Verderbnis und Finsternis aus Tyki herausschneiden. Doch er konnte es einfach nicht. Er konnte keine Menschen töten. Scheinbar auch keine Noah. Tykis Lächeln vertiefte sich. Bald würde es sein Gesicht zu einer Fratze der Grausamkeit verzerren und Allen wäre verloren. Das Zittern ergriff nun doch von ihm Besitz.

 

***

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fortsetzung folgt... Komplett anzeigen

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