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Spherium

Kaiba/Yuugi
von

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Kapitel 28

Am Nachmittag hatte er Jounouchi Bescheid gegeben. Dieser war nicht sonderlich begeistert davon, dass er einmal mehr in Kaibas Villa sein würde oder gar den Firmenleiter wiedersehen zu müssen. Die beiden hatten noch nie ein gutes Verhältnis zueinander, was daran lag, dass sehr viel zwischen ihnen passiert war und beide extrem nachtragend waren. Auch wenn Kaiba immer beteuerte, dass ihn die Vergangenheit nicht interessierte, so hielt dieser Groll gegen Jounouchi schon sehr lange an und Yuugi war sich sicher, dass dies ein eindeutiger Beweis dafür war, wie schwer es Kaiba fiel seine Vergangenheit ruhen zu lassen.
 

Jounouchi war zwar nicht angetan davon, Yuugi zu diesem verfluchten Anwesen zu begleiten, aber er lehnte es auch nicht ab. Immer wieder betonte er, dass das Essen garantiert vergiftet sei und sie bloß nichts von den Tellern dort essen durften. Er erinnerte sich zu gut daran, dass er bei ihrem letzten Besuch bei einem Roulettespiel vergiftet worden war, da ausgerechnet der verseuchte Kinderteller vor ihm gelandet war. Auch wenn er Mokuba heute als seinen Freund bezeichnete – was viel mehr daran lag, dass ihm Yuugi wirklich am Herzen lag und er deswegen zwangsweise Zeit mit Mokuba verbracht hatte – so konnte er die Erinnerungen an diesen grausigen Tag dort nicht verdrängen. Wirklich Lust hatte er also nicht dahin zu gehen.
 

Aber so konnte er sichergehen, dass Kaiba keinen Unfug anstellte. Dass Yuugi in der KC arbeitete war ja schon schlimm genug, aber auch noch privat mit diesem Zeit zu verbringen? Mit diesem Mann, der Himmel und Hölle in Bewegung setzte, um seine Ziele zu erreichen und nicht einmal davor zurückscheute über Leichen zu gehen? Da konnte er Yuugi unter keinen Umständen allein hingehen lassen. Hinterher würde man Yuugi noch in Einzelstücken nach Hause schicken.
 

„Wieso muss es ausgerechnet in seiner Villa sein?“, knurrte er wütend.
 

Sie warteten seit einigen Minuten darauf, dass Isono mit dem Wagen vorfuhr und sie mitnahm. Yuugi verdrehte nur genervt die Augen.
 

„Benimm dich, Katsuya. Auch wenn es dir schwerfällt, versuche bitte uns nicht zu blamieren!“, wies er ihn harsch zurecht.
 

„Ich werde mich benehmen! Die Frage ist, ob Kaiba nicht wieder irgendetwas im Schilde führt.“
 

„Und ich habe dir gesagt, dass Kaiba-kun nicht mal ansatzweise so schrecklich ist, wie du denkst.“
 

„Er wollte dich umbringen. Er war bereit, die Welt zu zerstören, nur um Atem in einem Kartenspiel zu besiegen. Noch verrückter geht es doch nicht mehr, oder?!“
 

„Ich bitte dich. Mir zuliebe. Leg dich nicht mit Kaiba-kun an. Wenn er dich provozieren sollte, tu so, als hättest du es nicht mitbekommen.“
 

Für Jounouchi war es beinahe unmöglich, so zu tun, als hätte er eine Provokation nicht mitbekommen. Sein ganzes Leben hatte er jede Herausforderung angenommen. Und Kaibas ewiger Sarkasmus, seine bescheuerten Sprüche waren doch eine pure Kampfansage! Und Jounouchi ließ sich so etwas nun mal nicht gefallen. Von niemanden. Auch nicht von einem Mann wie Kaiba, der viel zu viel Geld hatte und dieses um sich warf und ernsthaft glaubte, dass er alles tun und lassen konnte, was er wollte, nur weil er reich war. Er konnte ihn nicht ausstehen.
 

Auch wenn Jounouchi beteuerte, dass er sich 'benehmen' würde, wusste Yuugi, dass dieses Versprechen äußerst schwammig war. Der Blonde war leicht zu durchschauen und wenn ihm etwas nicht passte, sprach er seine Gedanken aus, ohne Rücksicht auf seinen Gegenüber oder gar die Situation, in der er sich befand, abzuwägen. Seine Zunge war schneller als sein Hirn, könnte man meinen. Yuugi schätzte diese Spontanität, wusste aber auch von der Gefahr, die grundsätzlich von ihr ausging.
 

Die schwarze Limousine von Kaiba fuhr vor. Yuugi kannte sie bereits und gemeinsam mit Jounouchi stieg er ein. Für den Abend hatte er sich ein neues, schickeres Outfit zusammengelegt. Eine schwarze Lederimitathose, ein T-Shirt mit einem schwarzweiß Muster, das leicht an ein Schachbrett erinnerte, sein Lederhalsband und natürlich seine Nietenbesetzten Schuhe. Außerdem trug er seine graue Jacke. Jounouchi hatte sich für ein legeres Outfit entschieden. T-Shirt, blaue Jeans und seine grüne Jacke. Nichts Besonderes. Wozu sollte er sich herausputzen?
 

Auch während der Fahrt zum Anwesen der Kaibas, murrte Jounouchi mehrere Male, was das alles für eine Schnapsidee sei und dass sie froh sein konnten, wenn sie lebendig aus der Villa wieder herauskämen. Yuugi lächelte zwar und kicherte hin und wieder über seine schrägen Witze, hoffte aber inständig, dass Jounouchis pessimistische Gesamteinstellung sich nicht negativ auf den Abend auswirken würde. Immerhin ging es hier um Kaiba und Mokuba. Beide sollten sich wieder versöhnen und nicht in einem Kampfgebiet aufeinandertreffen.
 

Es war mitten in der Woche, also würde ihre kleine Feier vermutlich auch nicht allzu lang dauern. Immerhin mussten sowohl Yuugi als auch Kaiba am nächsten Morgen wieder zur Arbeit. Es war unvorstellbar, dass Kaiba auch nur einen Tag blaumachte. Selbst mit den Augenringen und hohen Fieber würde der Brünette sich noch zu seinem Arbeitsplatz bewegen, einfach weil er zwanghaft kontrollieren musste, dass alles nach Plan lief und keine vermeidbaren Pannen seine Termine durcheinander warfen. Yuugi war zumindest der Ansicht, dass Kaiba ein Kontrollfreak war.
 

Im ganzen Gebäude fühlte man sich stets beobachtet. Wahrscheinlich wussten die Angestellten nicht einmal etwas von den Überwachungskameras, die beinahe überall zu finden waren. Sie waren gut versteckt, aber Yuugi wusste, dass sie da sein mussten. Erst im Nachhinein wurde ihm klar, dass Kaiba auch sein Zusammentreffen mit Nomura gesehen haben musste. Er war nicht zufällig vorbeigekommen. Und auch an seinem ersten Tag hatte Kaiba etwas angedeutet: er sollte nicht trödeln und er hätte ihn gesehen, wie er mit der Security Zeit verschwendet hätte. Er konnte sehen, dass Yuugi unsicher vor seiner Bürotür gestanden hatte und hatte deshalb die Sprechanlage überhaupt eingeschaltet.
 

Yuugi glaubte nicht, dass Kaiba grundsätzlich seine Mitarbeiter beobachtete, aber er nahm sich die Freiheit, die Kameras zu nutzen, wenn er dies als notwendig ansah. Obgleich Yuugi davon wusste, behielt er dies für sich und hatte sich dazu entschlossen, dieses Geheimnis niemanden zu erzählen. Würden seine Mitarbeiter von dieser Art der Überwachung etwas mitbekommen, hätte die Kaiba Corporation einen riesigen Skandal am Hals, der vermutlich weltweit Schlagzeilen machen würde. Und das wollte Yuugi nicht. Immerhin war Kaiba sein Freund.
 

„Wir sind da... sicher, dass wir nicht doch besser wieder abhauen sollten? Noch ist es nicht zu spät, Yuugi...“, murmelte Jounouchi und knabberte nervös auf seiner Unterlippe herum, während er den Blick nicht von den wunderschönen gar malerischen Garten abwenden konnte.
 

„Hast du etwa die Hosen voll? Ich dachte, du hast vor nichts und niemanden Angst“, grinste Yuugi und weckte wissentlich den Kampfgeist des Blonden. Dessen Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Von einer Sekunde zur nächsten war er wie ausgewechselt. In seinen Augen brannte Feuer.
 

„Ich? Und Angst? Niemals!“, sagte er und hob seine rechte Faust in die Luft, als wollte er einen triumphalen Sieg feiern und seine Macht demonstrieren. Yuugi bedankte sich bei Isono und verließ mit dem Blonden den Wagen. Sie stiegen die Treppen hinauf zum Anwesen und blieben vor der großen Tür stehen. Yuugi bemerkte, dass links und rechts an der Decke kleine Kameras aufgestellt waren, vermutlich zur Sicherheit und um kommenden Besuch vorher identifizieren zu können. Oder gehörte auch das zur Kaibas Kontrollwahn? Rasch verwarf er diesen Gedanken wieder.
 

Yuugi staunte über die edle Einrichtung und den großen Eingangsbereich. Das alles erinnerte ihn an die schnulzigen Filme, wo die Prinzessin die Treppen hinabstieg und von ihrem Prinzen erwartet wurde. Er hatte mehr das Gefühl sich in einem Schloss zu befinden, als in einem Haus, in dem tatsächlich Menschen lebten und Zeit verbrachten. Dafür, dass Kaiba so technikaffin war, wirkte der Eingangsbereich doch ziemlich altmodisch, beinahe klassisch, wie Yuugi fand. Einige Bedienstete brachten sie in einen großen Saal. Yuugi staunte nicht schlecht über die Einrichtung.
 

Bunte Luftballons, ein gedecktes Buffet und ein riesengroßes Plakat, auf dem in großen Schriftzeichen Willkommen Zurück geschrieben stand. Es war nicht viel, aber doch genügend, um sagen zu können, dass sich Kaiba tatsächlich Gedanken gemacht hatte. Gerade als er etwas sagen wollte, bemerkte er, dass seine Begleitung sich bereits in Richtung Buffet aufgemacht hatte und dort mit weit aufgerissenen Mund stehen blieb. Jounouchis Aufmerksamkeit lag bei den Cocktailwürstchen am Spieß. Seine Augen glänzten und er wollte beherzt zugreifen, schreckte aber zurück, als er eine dunkle aber auch vertraute Stimme wahrnahm.
 

„War klar, dass du dich direkt ans Buffet ran machst, Jounouchi. Nicht, dass ich von einem unzivilisierten Straßenköter wie dir etwas anderes erwartet hätte“, spöttelte Kaiba in gewohnter Manier und machte sich auch nicht die Mühe sein fieses Grinsen zu verstecken. Yuugi kam auf die beiden zu. Jounouchi konnte in den klaren Amethystfarbenen Augen eine klare Botschaft lesen:
 

Mach keinen Ärger. Lass dich nicht provozieren. Bitte, bitte, bitte.
 

Für einen Moment hielt er auch inne und überlegte sich, was er sagen wollte. Eigentlich lag ihm eine fiese Beleidigung auf der Zunge. Sein relativ vulgärer Wortschatz kam wohl von der Zeit, als er noch als Bandenmitglied die Straßen Dominos unsicher gemacht hatte. Und Kaiba war nur mal ein fieses Arschloch, doch Jounouchi entschied sich stattdessen dazu, noch einmal ganz tief durchzuatmen, sich umzudrehen und Kaiba von Angesicht zu Angesicht zu begegnen.
 

„Wer Gratisfutter aufstellt, muss sich nicht wundern, wenn ungebetene Gäste kommen“, sagte er und grinste breit.
 

„Obwohl man bei so einer schicken und pompösen Villa ja meinen sollte, dass die Sicherheitsvorkehrungen zumindest Straßenköter abhalten könnten.“
 

„Im Normalfall kommt auch kein Ungeziefer ins Haus, aber wenn sie mutwillig rein geschleppt werden, bringen auch die besten Sicherheitsmaßnahmen nichts.“
 

Yuugi schluckte hart, als er die beiden nebeneinanderstehen sah und wie Jounouchi versuchte sich auf Kaibas Niveau zu begeben und nun krampfhaft nach einem guten Konter suchte. Schnell konnte aus einer harmlosen Stichelei bitterer Ernst werden und er befürchtete, dass in dieser Konversation bald mit mehr als nur mit Worten gekämpft werden würde. Jounouchis Körperhaltung verriet, dass er extrem angespannt war und bereit dazu, seinem Gegenüber eine zu verpassen. Gegen Kaibas intellektuelle Artillerie kam Jounouchi einfach nicht an und das wusste er am besten. Sie waren nur wenige Minuten hier gewesen und trotzdem sah es so aus, als wären sie kurz vor einer Eskalation.
 

Was für Kaiba harmlos und wahnsinnig witzig war, war für Jounouchi wie ein Schlag ins Gesicht. Auch Yuugi konnte mit seinen Sprüchen nicht immer so recht etwas anfangen. Eine arrogante Bemerkung reichte, um den Raufbold in Jounouchi zu wecken und weil Yuugi sich nicht sicher sein konnte, wie Jounouchi nun reagieren würde, ging er vorsichtig dazwischen und schenkte Kaiba ein strahlendes Lächeln. Gespielt. Aber hoffentlich ausreichend, um ihn wieder von seinem hohen Ross herunterzuholen und ihn von seiner Begleitung abzubringen.
 

„Kaiba-kun“, begann Yuugi und sah dem Brünetten direkt in die Augen, sodass Kaiba nun seine volle Aufmerksamkeit dem Bunthaarigen schenkte.
 

„Ist Mokuba schon da? Ich bin mir sicher, dass er sich über diese kleine Feier freuen wird.“
 

„Nein, Mokuba sollte in ungefähr fünfzehn Minuten ankommen“, überlegte Kaiba und musterte Yuugi eingehend. Er hatte Yuugi nur selten privat gesehen und somit verschwendete er unnötig viel Zeit damit, dessen Outfit eingehend zu studieren und sich zu fragen, ob Yuugi immer so herumlief. Sein musternder Blick kam einem unverschämten Starren gleich. Ohne Schuluniform sah Yuugi ganz anders aus. Die Lederhose erinnerte ihn ein wenig an Atem und er musste zugeben, dass auch Yuugi eine gute Figur in Lederkleidung machte.
 

„Du hast dich ganz schön herausgeputzt“, kam es dann mit einem breiten Grinsen und er zeigte auf seine glänzende Lederhose.
 

„Natürlich, vielleicht treffe ich hier ja die Liebe meines Lebens.“ Yuugi zwinkerte. Ein harmloser Witz.
 

„Es sind hauptsächlich Männer hier“, meinte Kaiba daraufhin nur und bewegte seine Hand elegant in die Luft, als wollte er die Personen im Raum vorstellen. Der Großteil der Personen waren Angestellte aus Mokubas Capsule Coliseum Abteilung und einige seiner damaligen Mitschüler. Zwei ältere Damen, die vom Alter her sicher Yuugis Mutter hätten sein können, standen am Buffet und waren in ihren Gesprächen vertieft. Ebenfalls Angestellte. Ungläubig hob Kaiba die Augenbraue. „Wusste nicht, dass du auf ältere Frauen stehst. Es sei denn...“
 

„Urg...“, kam es Yuugi über die Lippen und er wurde knallrot im Gesicht. Am liebsten hätte er sich jetzt unter einem Stein versteckt und wäre nie wieder herausgekommen! Das ging eindeutig nach hinten los.
 

Diese Feier kam ja auch etwas plötzlich. Hirano hatte wahrscheinlich gar nicht genügend Zeit gehabt, sämtliche von Mokubas Freunden zu fragen, mal davon abgesehen, dass es ein Dienstag war und die meisten Leute eben am nächsten Tag arbeiten gehen mussten. Natürlich waren hier hauptsächlich Mitarbeiter der Kaiba Corporation und keine jungen Damen. Eigentlich hätte er das wissen müssen und jetzt schämte er sich ein wenig, einen solchen Witz gemacht zu haben. Kaiba grinste immer noch über beide Ohren und genoss es sichtbar, dass Yuugi sich selbst in so eine peinliche Situation gebracht hatte. Jounouchi kicherte leise, bemühte sich aber stark darum, dass Yuugi möglichst wenig mitbekam.
 

War ja nicht das erste Mal, dass Yuugi sich in so eine Situation gebracht hatte und irgendwie fand er es auch süß, wenn Yuugi so dramatisch reagierte und farblich einer reifen Tomate Konkurrenz machte.
 

„Na, ich will ja nichts gesagt haben“, setzte Kaiba an und zuckte mit den Schultern.
 

„Die meisten Typen hier sind Nerds, da ist sicher was für dich dabei“, sagte Kaiba und griff nach drei Gläsern vom Buffet und füllte diese zur Hälfte mit der fruchtigen Flüssigkeit aus der Bowle.
 

„Du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe“, erklärte Yuugi und räusperte sich laut, um bloß vom Thema abzulenken.
 

„Sicher, immerhin hast du ja schon eine fragwürdige Begleitung dabei“, kam es von Kaiba, der nun eines der Gläser nahm und es beinahe freundschaftlich Jounouchi hinhielt. Der Blonde starrte ihn nur entgeistert an und wollte bereits zum verbalen Gegenangriff ausholen, doch Yuugis Ellbogen in seiner Rippengegend hielt ihn davon ab, noch etwas zu sagen. Stattdessen nahm er das Glas an und schenkte Kaiba einen vernichtenden Blick. Sein rechtes Auge zuckte gefährlich.
 

Sarkasmus und Zynismus war die legale Art jemanden aufs Maul zu hauen und das wusste Kaiba und Jounouchi spürte, dass er es genoss, ihm seine Begabung mit Wörtern umzugehen, unter die Nase zu reiben. Kaiba hatte Spaß daran den Blonden als Idioten vorzuführen. Und wenn Yuugi nicht dabei gewesen wäre, wäre ihm schon längst der Geduldsfaden gerissen und er wäre vermutlich auf ihn losgegangen. Jounouchis Zündschnur war nicht sonderlich lang, wenn es um großkotzige Arschlöcher wie Kaiba ging.
 

Mit einem gespielten Lächeln hielt Kaiba nun Yuugi auch ein Glas hin. Etwas zögerlich nahm er dieses an. Jounouchi hielt sein Glas in beiden Händen, betrachtete die rote Flüssigkeit. Ein süßlicher Duft von Wassermelone und Erdbeeren stieg ihm in die Nase. Da er Kaiba nicht trauen wollte, glaubte er, dass da Gift oder ähnliches drin sein musste und wartete darauf, dass Kaiba zuerst etwas trank. Erst wenn er sich sicher sein konnte, dass man von diesem süßen Getränk nicht tot umfiel, würde er es probieren.
 

„Da ist kein Gift drin, Jounouchi.“
 

Das würde ich auch sagen, wenn ich versuchen würde, jemanden zu vergiften.“
 

Kaiba verdrehte die Augen und nahm selbst einen großen Schluck aus seinem Glas. Abwartend hob er eine Braue und wartete darauf, dass Jounouchi aufhörte ihn so argwöhnisch zu beobachten. Jounouchi schien ihn mit seinen Blicken zu durchbohren und seine heruntergezogenen Mundwinkel und die halb zugekniffenen Augen waren ein klares Zeichen dafür, dass er Kaiba nicht mal ansatzweise vertraute und er wollte ihm nicht die Genugtuung geben, dass Jounouchi sich ihm brav unterordnete. Niemals.
 

Stumm standen sie nun nebeneinander und warteten darauf, dass ihr eigentlicher Gast endlich ankam. Yuugi versuchte die Atmosphäre ein wenig aufzuheitern, indem er sich an Smalltalk versuchte, der an Kaibas eisernen Ego jedoch abprallte und ihm anstelle eines Lächeln verwunderte Blicke zuwarf. Jedes Mal, wenn Kaiba ihm die kalte Schulter zeigte, fühlte sich Yuugi entmutigt und stieß einen enttäuschten Seufzer auf. Jounouchi indes bediente sich nun doch am Buffet und ignorierte, dass Kaiba nur wenige Meter neben ihm stand. Der Wunsch die Speisen zu kosten war größer als seine Vorsicht. Dass er bis eben noch befürchtet hatte, dass Kaiba ihn und Yuugi vergiften wollte, hatte er schon wieder in die hinterste Schublade seines Gedächtnisses gedrängt und legte sich großzügig Spieße und andere kleine Delikatessen auf seinen Teller.
 

„Probiere das mal, Yuugi“, sagte er mit vollem Mund und hielt ihm ein Lachsschinkenröllchen gefüllt mit Spargel hin.
 

Westliche Köstlichkeiten bekamen sie hier selten zu essen, demnach war Jounouchis Begeisterung für dieses äußerst außergewöhnliche und umfangreiche Essen sogar für Yuugi nachvollziehbar. Kaiba sagte zwar nichts, aber es war ihm deutlich anzusehen, dass ihn Jounouchis offene Art und vor allem seine mangelnden Tischmanieren extrem störte, da er seine Augenbrauen zusammenzog und seine Augen vom Schatten seines Ponys so verdeckt wurden, dass es aussah, als wollte er ihn mit Blicken allein vernichten. Dieser finstere Blick bedeutete Gefahr.
 

Zaghaft griff er nach dem Spieß und biss ab.
 

„Lecker...“, murmelte er leise vor sich hin.
 

„Sag ich doch!“, rief der Blonde aus und seine Lippen waren beschmiert von Barbecuesoße, während seine Augen strahlten.
 

„Einem alten Hund kann man nichts mehr beibringen...“, murrte Kaiba leise vor sich hin und stieß einen langen Seufzer aus. Leider nicht leise genug, sodass Jounouchi sofort das Gesicht verzog und ihm einen wütenden, vernichtenden Blick schenkte.
 

„Was ist dein Problem?“ Jounouchi leckte sich die Überreste der Soße von seinen Lippen und stellte nun seinen Teller ab.
 

„Keine Ahnung... vielleicht der schmatzende, sabbernde Volltrottel am Buffet?“
 

Jounouchi drehte sich um und es sah so aus, als suchte er den Schuldigen, nur um dann zu merken, dass Kaiba ihn gemeint hatte.
 

„Weder schmatze noch sabbere ich!“
 

„Besitzt aber auch keinen Funken Selbstbeherrschung. Jeder der Gäste hier wartet auf Mokuba, nur du stehst hier und bedienst dich. Als in der Schule das Fach für Benimmregeln drankam, hast du wohl gefehlt. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde, wo du hauptsächlich Grütze im Kopf zu haben scheinst.“
 

„Lieber Grütze im Hirn als ein Herz aus Stein. Die Gäste kommen nur nicht zum Buffet, weil du hier stehst. Sie gehen nicht mir aus dem Weg, sondern dir. Aber kein Wunder, dass du das nicht merkst, weil du ja eh nur dich siehst.“
 

„Wenigstens nutze ich meine Augen und habe so etwas wie eine Selbstreflektion. An deiner Stelle würde ich mich in Grund und Boden schämen, ein solch jämmerliches Bild abzugeben. Hast du keine Tischmanieren oder sind dir diese bei der Suche nach einer Perspektive im Leben ebenfalls verloren gegangen? Zusammen mit deinem Hirn und deiner Ehre?“
 

„Das Einzige, was du kannst, ist hochnäsig hier herumzustehen und jedem unter die Nase zu reiben, wie viel besser du bist. Wenigstens habe ich genügend Selbstachtung, um nicht auf andere herunterzuschauen, nur um mir selbst etwas vorzumachen und mir irgendwie einzureden, dass sich irgendwer für mich interessiert.“
 

„Na, mit so einer Konkurrenz wie dir muss ich es dir nicht mal unter die Nase reiben, weil du es ja von ganz allein schaffst, dich zu blamieren und auch so ein äußerst trauriges Bild abgibst. Das Einzige, was dich aufwertet ist deine Begleitung.“
 

„Das reicht jetzt, Kaiba-kun!“, mischte sich Yuugi ein und stellte sich schützend vor Jounouchi.
 

„Wir sind hier um Spaß zu haben! Um Mokuba willkommen zu heißen!“
 

„Spaß? Mit so einem Amöbenhirn?“
 

„Du widersprichst dir selbst. Gerade meintest du, ich hätte gar kein Hirn.“
 

„Freue dich über dieses Kompliment, denn mehr als diese Anerkennung wirst du von mir nicht kriegen.“
 

Kaiba rümpfte die Nase. Jounouchi packte Yuugi an den Schultern und schob ihn zur Seite. Mit offenen Mund starrte Yuugi den Blonden an, der jetzt erst so richtig in Fahrt kam und überhaupt kein Interesse an Yuugis Versöhnungsversuchen zeigte. Jetzt befand er sich in einem Modus, in dem man ihn nicht mehr bremsen konnte und er mit voller Konzentration ein Ziel verfolgte: Kaiba eine zu verpassen. Und wo er doch seine Fäuste nicht nutzen durfte – ach, wie gern hätte er ihm einfach seine blanke Faust in seine ekelhaft grinsende Visage geschlagen – musste er auf andere Waffen zurückgreifen.
 

In einem Duell der Worte musste man doch selbst jemanden wie Kaiba entwaffnen können, oder?
 

„Ich habe weitaus mehr gute Eigenschaften als du. Du willst nur nicht wahrhaben, dass dein ganzes Geld deine soziale Inkompetenz nicht aufwiegt. Ganz egal, wie reich du bist, ich werde immer mehr Freunde haben als du. Und das kotzt dich sicher ganz schön an, hm?“
 

„Deine guten Eigenschaften kann ich an einem Finger abzählen: du eignest dich grandios als Versuchskaninchen. Aber zu mehr taugst du wirklich nicht. Wie sonst sollte man eine 1 Watt starke Glühbirne wie dich effizient nutzen? Du läufst ja auch so schon immer auf Energiesparmodus. Es grenzt ja schon an ein Wunder, dass du ein so kompliziertes Wort wie 'Kompetenz' überhaupt kennst.“
 

„Oh, ich kenne so einige Wörter, die du noch nie in deinem Leben gehört hast. Na ja, wer den ganzen Tag vor seinem Schreibtisch hockt und darüber sinniert, wie er jemanden im einem Kartenspiel besiegen kann, kommt eben nicht viel unter Leute und hat demnach keine Ahnung von der Welt um sich herum.“
 

„Und obwohl ich scheinbar weniger unter die Leute komme als du, habe ich immer noch bessere Manieren und einen weitaus gepflegteren Wortschatz als du. Aber ich finde es ja toll, dass du dir nichts aus Mode machst. Ich würde mich ja nicht trauen, so unter die Leute zu gehen, aber dir steht das ausgezeichnet.“
 

Kaiba zeigte auf Jounouchis T-Shirt, auf welchem sich einzelne Spritzer der Barbecuesoße befanden und nickte beinahe anerkennend. Jounouchi hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich großartig herauszuputzen. Die meisten anderen Gäste jedoch schon. Kaiba eingeschlossen, der wie gewohnt einen Anzug trug. Hellblau und eine Krawatte mit dem Muster des Weißen Drachen ordentlich hinein gestickt und wie bei Kaiba nicht anders zu erwarten, garantiert ein Unikat. Auch seine Schuhe waren weiß. Alles in allem war jedes noch so kleine Teil seiner Kleidung mit äußerster Präzision aufeinander abgestimmt. Nur ein roter Umhang mit weißen flauschigen Saum hätte gefehlt, um ihm den Aussehen eines Königs zu verleihen.
 

Der Unterschied ihrer Herkunft war für jeden klar ersichtlich. Jounouchi wurde zornig. Dachte der Kerl ernsthaft, dass er etwas Besseres war, weil er mehr Geld hatte und sich schicke Designerklamotten leisten konnte? Wie konnte ein Mensch nur so oberflächlich sein? Das Herz allein war wichtig!
 

„Oh, wenigstens muss ich nicht mit jeder Faser meines Körpers anderen Menschen zeigen, dass sie weniger wert sind als ich. Du bildest dir ganz schön was auf deine Kohle ein. Aber Geld allein macht nicht glücklich und eigentlich kannst du froh sein, dass dein Bruder aus Mitleid noch bei dir ist! An seiner Stelle wäre ich ja schon längst abgehauen! Du bist echt ein bemitleidenswerter Mann. Und das Traurigste daran ist, dass du es selbst nicht mal bemerkst, Kaiba.“
 

Er legte so viel Verachtung in der Aussprache seines Namens, wie es ihm irgend möglich war. Kaiba sagte nichts, aber sein Blick wurde so finster, dass man meinen konnte, dass er versuchte seinen Gegenüber zu pulverisieren. Yuugi hatte von Anfang an gewusst, dass das mit den beiden nicht gutgehen konnte. Und trotzdem hatte er gehofft, dass sie sich zusammenreißen würden und wie erwachsene Männer miteinander reden würden. Immerhin ging es hier um Mokuba und nichts mehr wünschte sich Yuugi, dass die beiden Brüder wieder normal miteinander umgehen konnten.
 

„Ihr seid beide bemitleidenswert...“, murmelte Yuugi dann und senkte den Blick.
 

„Nichtmal fünf Minuten könnt ihr euch vertragen. Das ist echt das Letzte. Die gesamte Stimmung ist wegen euch beiden im Eimer. Kaiba-kun.“
 

Yuugi sah Kaiba direkt in die Augen und dieser schluckte.
 

„Warum musst du immer provozieren?“
 

Dann sah er den Blonden an. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er nicht wütend, sondern enttäuscht war. Ja, Jounouchi hatte ihn enttäuscht. Zwar hatte er gewusst, dass ein Versprechen nicht so ernst gemeint war, wie er es sich gewünscht hätte, aber er hatte daran glauben wollten, dass er sich ihm zuliebe zurückhalten würde. Das war das erste Mal, dass Jounouchi ein Versprechen ihm gegenüber brach und dieser Gedanke zerriss ihm das Herz.
 

„Und du, Katsuya? Ich habe dich darum gebeten, dich nicht auf solche Streitigkeiten einzulassen. Ihr seid beide schlimmer als Kleinkinder.“
 

Kaiba vermied es die beiden anzusehen, drehte beinahe demonstrativ den Kopf weg und Jounouchi biss sich auf die Unterlippe. War es denn seine Schuld, dass dieser arrogante Kerl seine Überlegenheit zur Schau stellen musste? Er konnte es nicht ausstehen, wenn Kaiba versuchte, ihm das Gefühl zu geben, dass er nichts wert war. Und es war sein gutes Recht, sich zu verteidigen. Kaiba sollte bloß nicht denken, dass er so einfach davonkam und tun und lassen konnte, was er wollte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Moonshadow_132
2018-05-19T07:11:07+00:00 19.05.2018 09:11
Wann kommt das nächste Kapitel?
Von:  Dragon1
2018-05-15T04:31:02+00:00 15.05.2018 06:31
He Yuugi,
ich lasse dir nur kurz eine Meldung da. :)
Leider hänge ich immer noch bei Kap. 20. Bisher hatte ich einfach keine Zeit die neuen Kapitel zu lesen. Ich bin jedoch immer noch wahnsinnig gespannt wie es weiter geht und es ärgert mich, dass bisher die Zeit gefehlt hat!

ich wollte dir nur sagen, dass du immer noch mindestens eine fleißige Leserin hast, die einfach nur mal dazu kommen müsste^^"

Liebe Grüße


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