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SKAM Season 3 "ISAK" (Special Extended)

(S 1 und 2 sind NICHT notwendig für die Story)
von

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03x05 - ZUR SELBEN ZEIT AN EINEM GANZ ANDEREN ORT - (Samme tid et helt annet sted)

Hier stundenlang rumliegen und nichts tun außer das, was wir schon die ganze Nacht lang taten, bestätigte zumindest mein Gefühl immer mehr, dass, egal wie das hier verlaufen mag, zwischen uns mehr als nur eine Freundschaft ist. Selbst wenn Even doch nur rumprobieren wollen würde, so machte er im Moment wirklich nicht den Eindruck, als wäre das mit uns nur just for fun. Oder ich täusche mich gänzlich und es ist nur eine... lächerliche Phase.
 

Samstag, 29.10.2016 – 15:15 Uhr

„Nächste Woche läuft ein Film an, den ich sehen will. Gehst du mit mir dahin?“, fragte Even, nachdem ich fast doch noch eingeschlafen wäre und so antwortete ich leise: „Wenn er gut ist.“ Er hob seinen Kopf an und machte ein gespielt vorwurfsvolles Gesicht: „Glaubst du, ich nehme dich in irgendwelche Scheiß-Filme mit?“ Auch ich hob meinen Kopf an und grinste: „Woher soll ich das wissen? Ich weiß ja nicht mal was es für einer ist.“ Er legte seinen Kopf wieder ab und sprach leise: „Ich bin mir sicher, dass er dir gefallen wird.“

Ich habe zwar schon den ein oder anderen Film gesehen und die meisten sind auch ganz okay, aber wirklich gefallen tun mir nur die wenigsten. Andererseits... würde ich den Streifen wahrscheinlich schon allein deshalb mögen, wenn Even ihn mag. Lassen wir uns also überraschen.

„Auf welche Filme stehst du denn so? Wenn du so skeptisch bist, was meinen Geschmack angeht“, fragte er und kraulte dabei durch mein Haar. Soll ich jetzt beichten, dass ich ihn gestalkt habe? Weiß wer Baz Luhrman ist und bei Romeo und Julia am Ende heulen musste? Nee, das kann ich nicht bringen. „Keine Ahnung, ich bin mehr der Serien-Typ, denke ich“, wich ich der Frage aus und ergänzte: „Stranger Things, Westworld... Narcos und so Zeug...“

„Apropos!“, kam es plötzlich von Even und dieser hob sich abrupt an, stand vom Bett auf und wühlte in seinen Jackentaschen. Einen Augenblick später hielt er mir das Gesuchte vor die Nase. Natürlich, was zum Kiffen. Ich musste lachen und seufzte dann: „Du hast immer irgendwo was dabei, hm?“ „Hast du Feuer? Ich glaube ich hab meins vergessen“, kam es von ihm, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. Da ich kein Raucher bin und nur gelegentlich mit den Jungs kiffe, hatte ich lediglich noch Streichhölzer da, die Noora wohl hier liegen gelassen haben musste, als sie vor ein paar Monaten ausgezogen war.

Nun stand auch ich auf und suchte die Schachtel, fand sie aber recht schnell in einer Schublade. Even setzte sich auf den Rand des Bettes und zündete eines seiner zwei Mitbringsel an, während ich das Fenster öffnete, damit der Qualm abziehen konnte. „Hast du einen Aschenbecher oder so?“, wollte er wissen und natürlich hatte ich das nicht, weshalb ich mit dem Kopf schüttelte: „Nein“, und ihm nach einem kurzen Blick durch mein Zimmer, einfach meinen Kaffeebecher von gestern reichte, der noch auf dem Nachttisch stand. „Aber pass mit der Asche auf. Wenn du die Bude abfackelst, fackelt Eskild mich ab“, gab ich ihm zu bedenken, doch Even sah das wie immer recht locker: „Entspann dich, ich mach das nicht zu ersten mal.“ Damit legte er sich quer aufs Bett zurück. Den einen Fuß platzierte er lässig auf dem untersten Fach meines Regals, welches neben dem Bett stand und den anderen ließ er auf dem Boden. Den Becher stellte er sich auf den Bauch. Man könnte fast meinen Even fühlt sich wohl hier.

Er zog ein paar mal am Joint und bot ihn mir dann an. Er hatte dabei sein alles überstrahlendes Lächeln und so blieb mir ja auch nichts anderes übrig, als der Einladung zu folgen. Ich griff nach dem angebotenen Zeug, setzte mich dann von der anderen Seite aus auf den Bettrand und lehnte mich ebenfalls zurück, sodass wir quasi upside-down neben einander lagen.

„Kann ich den Lorbeerkranz behalten?“, sprach Even mich nach einigen längeren, schweigsamen Augenblicken an und ich fragte irritiert: „Sicher, aber wozu?“ Ich übergab ihm den glimmenden Stoff und hörte ihn sagen: „Ich steh irgendwie drauf.“ Er grinste dabei, sodass ich die Antwort nicht wirklich für voll nehmen konnte, aber im Grunde war es mir auch egal was er damit vor hat: „Ich hab dafür keine Verwendung.“ „Schade“, kam es leise von dem bei mir Liegenden und so schaute ich zu ihm: „Wieso?“ „Was glaubst du woher Emma diese Eingebung mit Julius Cäsar hatte?“, wollte er von mir wissen und ich zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung..“ Aber, wenn er schon so fragt: „War das deine Idee?“ Even antwortete nicht direkt, er schmunzelte nur. Übergab mir dann den Rest vom ersten Joint und wollte sich den zweiten anzünden. Also was kryptische Äußerungen und Verhaltensweisen angeht nehmen wir uns wohl beide nicht viel.

Er reichte mir den Kaffeebecher hinüber, damit ich nach ein paar Zügen die glühenden Überreste ausdrücken konnte. Eben dies tat ich und gab den Becher wieder zurück. Ich drehte meinen Kopf zu Even und beobachtete ihn von der Seite. Könnte ihm stundenlang zusehen. Wie er die Lippen spitzte, um an dem Joint zu ziehen oder wie er den Rauch durch die Nase entließ. Faszinierend. Vielleicht sprach da aber auch schon das Marihuana aus mir...

Ganz vorsichtig legte ich meine Hand an seine Wange auf der gegenüberliegenden Seite und streichelte diese zaghaft, worauf hin er lächelte und mir den neuen Stoff wieder übergab. Ich nahm selbst einen Zug davon und hielt ihm das Ding an die Lippen. Während Even nun ebenfalls davon zog, ließ ich den Joint los und entließ den Rauch neckend in seine Richtung. Er neigte seinen Kopf zu mir und grinste: „So langsam wirkst du entspannter.“ „Ich bin immer total gechillt!“, sprach ich und hörte den neben mir Liegenden auflachen: „Okay.“

Gut, er schien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu wissen, wie schwer ich mich damit tue, wirklich mal locker zu lassen. Da ist sonst immer irgendeine Anspannung in mir. Aber jetzt... fühlte ich mich geradezu... viel leichter. Fast unbeschwert.

Als ihm doch tatsächlich beinahe was von seinem selbstgedrehten Ding ins Auge rieselte, hob er sich erschrocken halb an und strich sich eifrig den Krümel aus dem Gesicht. Es schien keine heiße Asche gewesen zu sein, weshalb ich ihn kichernd nachäffte: „Entspann dich, ich mach das nicht zu ersten mal!“ „Ja ja“, kommentierte er den Zwischenfall und legte sich wieder ab. Wir blickten beide an die Decke, bevor ich meine Hand wieder an seine Wange führte, mit den Fingerspitzen über die Ohrmuschelstrich und sein Haar zwirbelte.

Even atmete tief ein und aus, weshalb ich erneut zu ihm schaute und ihm meinen gegenwärtigen Gedanken ins Ohr flüsterte: „Das erinnert mich irgendwie an diese eine Szene aus dem einen Spiderman Film.“ „Ah ja?“, lächelte er, bevor er den Kopf zu mir drehte und raunte: „Da fehlt aber noch ein entscheidendes Detail.“ Er stupste mich mit der Nase an und begann mich dann zu küssen. Es kribbelte ein bisschen mehr in mir, als ich darauf einging. Und so 'verkehrt herum' ist das auch anders, irgendwie. Aber nicht minder interessant.

Er unterbrach den lange, aber eher ruhigen Kuss und merke leise an: „Als der Film raus kam, war ich 5 Jahre oder so,“ Ich wusste nicht ob, und was ich sinnvolles dazu sagen sollte, also kam von mir nur ein simples: „Mhm.“ Even hielt mir nach einem erneuten Zug seinerseits den Joint hin und anschließend erzählte ich ihm: „Und ich war 9, als ich meinen ersten Film ab 18 sah.“ „Ja?“, giggelte er und ich nickte: „Ja. Meine Eltern hatte so einen alten Streifen im DVD-Player vergessen, den hab ich mir dann nachts heimlich angesehen.“ Ich führte anschließend den Joint noch mal an meine Lippen, eh der neben mir Liegende den Stoff wieder an sich und einen tiefen Zug davon nahm: „Und was war das für ein Film?“ Ich entließ den Rauch aus meinen Lungen und murmelte: „Ach, nur so ein Nicolas Cage Film. In dem er nicht so übertrieben agiert.“ „Ist das überhaupt möglich?“, kam es skeptisch grinsend von Even. „Denke schon.“ Ist zu lange her...

Trotz dessen, dass ich ein paar Wasserflaschen im Zimmer gebunkert hatte, blieben natürlich einige andere Sachen deswegen nicht aus, denn er sprach leise: „So langsam müsste ich wirklich mal aufs Klo.“ „Und ich hab Hunger...“, murmelte ich, weshalb wir uns grinsend ansahen.

Nachdem Even die letzten glimmenden Reste gelöscht hatte, nahm ich ihm wenig später den Becher ab und schloss das Fenster, während man ein vibrierendes Handy hörte. Vielleicht seine Eltern, oder Sonja...
 

Nun, gut dann mal los. Ich lief vom Fenster hinüber zur Tür, öffnete diese nahezu lautlos und horchte. „Was wird das?“, fragte Even vom Bett aus, ich gab ihm ein Zeichen still zu sein und anschließend eines mir zu folgen, als draußen alles ruhig schien. Schnellen leisen Schrittes schlich ich zum Bad und er folgte mir. Dort angekommen verrammelte ich die Tür und atmete erleichtert durch. Den Weg hätte Even sicher auch ohne Hilfe gefunden, aber für den Fall der Fälle bin ich lieber mitgegangen, eh mich jemand allein im Zimmer vorfindet und man im Bad dennnoch jemanden hört. Man weiß ja nie...

Even jedenfalls, begab sich gleich zum WC und tat wozu wir hier waren. Als hätte ich es geahnt, klinkte plötzlich jemand an der Tür: „Isak?“ vernahm ich Eskilds Stimme und ich stammelte: „Ehh... W- Woher weißt du, dass ich es bin?“ „Willst du mich verarschen? Ich bin gerade an Noora vorbeigelaufen und Linn ist nicht da. Also, wer sonst, außer du? Jetzt mach die Tür auf!“, forderte er von der anderen Seite und ich stotterte weiter: „D- Das geht gerade nicht!“ „Isak, du hast nichts, was ich nicht auch schon mal gesehen habe...“, brummte es vor der Tür und ich geriet in Panik, eh mir doch noch was einfiel: „Eh... ich... eh... rasiere mich gerade!“ „Ja und?“, kam es von draußen und ich ergänzte: „Unten rum!“ Man hörte ihn genervt schnaufen: „Jetzt? Hast du noch was vor heute?“ Aber auch ich fand das nicht mehr lustig: „Ja jetzt, Eskild, und nein, ich habe nichts vor, aber das dauert hier noch einen Moment.“ Im selben Augenblick betätigte Even den Abzug vom WC und natürlich drang vom Flur her die Frage: „War das eben die Klospülung?“ Moah, ey... Manchmal glaube ich Eskilds wahre Berufung wäre Sonderermittler.

Ja, es ist unwahrscheinlich, dass bei der länglichen Form unseres Bades, jemand an der Tür stehend reden und gleichzeitig spülen kann, muss man aber so einen Wind darum machen? „Was willst du eigentlich?“, moserte ich und Eskild gab endlich auf: „Ist ja gut, beruhig dich, Issy. Klopf bei mir, wenn du fertig bist.“ „Ja...“, entgegnete ich dem und lehnte mich gestresst an die Badezimmertür. Wir waren zwar schon vergangene Nacht im Bad, aber da war die Chance mehr als gering, dass jemand auftaucht.

Mein Blick ging zu Even, welcher sich die Hände wusch und im Spiegel über dem Waschbecken zu mir sah. Er grinste, sichtlich amüsiert von meinem Auftritt und trocknete sich dann ab. Kurz darauf stand er neben mir an der Tür und flüsterte: „Ich komme mir vor wie Schmuggelware.“ „Ich will einfach nicht, dass jemand weiß, dass du hier bist“, brummte ich leise und Even beugte sich nah an mein Ohr und hauchte: „Ja... Schmuggelware eben!“ „Tze...“, war meine Reaktion darauf und so entriegelte ich auch hier so lautlos wie möglich die Tür, öffnete sie einen Spalt und horchte abermals nach verdächtigen Geräuschen. Alles ruhig.

Ich zog die Kapuze auf meinen Kopf und überführte die 'Schmuggelware' auf leisen Füßen wieder in mein Zimmer, ging anschließend hinüber zu Eskild, klopfte an seine Tür und vernahm mal wieder meinen Namen von ihm. Also trat ich hinein: „Ja?“ „Ich hoffe du hast dich eingecremt“, sprach er und ich hatte keinen Plan wovon er redet: „Huh?“ „Unten rum“, klärte er mich mit leicht dreckigem Grinsen auf, was er meinte und ich verdrehte die Augen: „Sicher...“ Eh noch irgendwas kommen konnte, schloss ich die Tür meines Mitbewohners und begab mich zurück zu Even.

Als ich endlich wieder in der Safe Zone, meinem Zimmer stand, hörte man abermals sein Handy surren. Nach einem flüchtigen Blick darauf, machte er sich wieder in einer geraden Position auf dem Bett lang. Er lag dabei so einladend auf dem Rücken, dass ich mich kurzerhand halb auf ihm nieder ließ.

Ich genoss die wieder einkehrende Ruhe sehr und sein Kraulen. Diesmal konnte ich mich sogar dazu durchringen, selbst mit Knutschen zu beginnen und Even ließ sich da nicht lange bitten. Es war Okay. Also, mehr als nur Okay! Aber was ich meine ist: Ich merkte immer mehr, wie meine Unsicherheit, was ihn betraf, weiter zu schwinden schien. Weshalb ich ihn fordernd mit der Nasenspitze anstupste, genauso wie er's gern tut. Total kitschig, wie gesagt, aber Even ließ es lächeln und er wusste was ich damit bezwecken wollte.

Ähnlich wie letzte Nacht, lagen wir hier zusammen, nur küssten wir uns mehr und redeten gerade weniger als gestern. Und ich fühlte mich wohl damit, auch von meiner Seite her etwas zu tun. Allerdings klingelte mal wieder das verdammte Telefon und so unterbrach ich den Kuss, legte meinen Kopf dicht an seinen und schloss die Augen. Meine Haare schienen ihn im Gesicht zu kitzeln, er schob sie ein paar mal hin und her, weshalb ich dann ein Stück weg rutschte.

Schon wieder klingelte ein Handy, aber ich glaube diesmal war es meins. Evens lag neben ihm und das Surren kam von irgendwo anders her. Vielleicht Jonas... oder doch noch hingebungsvolle 'Fick dich'-Grüße von Emma. Interessierte mich aber alles gerade herzlich wenig.

Eine gefühlte Ewigkeit lagen wir schweigend nur so da, bis Even dann doch das Wort ergriff: „Ich denke das Leben ist wie ein Film. Und man kann der Regisseur seines eigenen Lebens sein. Verstehst du was ich meine?“ Ich schaute zu ihm auf und antwortete relativ spontan: „Tu ich. Ich sehe das nur nicht ganz so.“ Ich denke das Leben ist zu... eigenwillig, um es kontrollieren zu können, zumindest hier. Vielleicht ist das ja woanders nicht so. „Tust du nicht?“, fragte er und ich erklärte: „Nee... Was ich wirklich interessant finde ist die Unendlichkeit.“ „Was meinst du?“, hakte Even nun nach und ich begann meine Gedanken zu dem Thema äußern: „All die Paralleluniversen; wie groß das alles ist und wie unbedeutend wir sind, im Vergleich zu den unendlich vielen Paralleluniversen, die da draußen existieren. Und alles was so passieren kann, wird passieren. Es wird nicht nur passieren, es passiert genau jetzt!“

Mich hat das eigentlich schon immer fasziniert, diese Unendlichkeit der Möglichkeiten. Dinge die Zeitgleich irgendwo in einem anderen Universum passieren, wo nur ein paar Details anders sind als hier bei uns. Habe nur noch nie mit irgendwem drüber geredet. Bin sicher so schon komisch genug für andere Leute... Wobei, doch. Einmal war da ein Gespräch mit Jonas. Vor einem Jahr oder so. Wir waren ziemlich betrunken und kaum hatte ich damit angefangen, ist der Vogel einfach eingepennt...

Even schien mit seinem erneuten Schweigen zumindest darüber nachzudenken, weshalb ich ergänzte: „Da ist bestimmt ein Paralleluniversum, in dem auch gerade ein Isak und ein Even genauso zusammen liegen. Außer...“, begann ich und überlegte, was man für ein Beispiel nehmen könnte, dass nicht zu weit hergeholt ist. Doch der bei mir Liegende sah mich in dem Moment erwartungsvoll an, sodass ich aus Unsicherheit giggelte und stammelte: „Ehh... außer, dass da.. die Gardinen eine andere Farbe haben als bei uns.“ „Also... gelbe Gardinen?“, lächelte er und ich bestätigte sein Beispiel: „Ja.“ Er seufzte belustigt: „Ach... ich glaube das war genug J* für dich.“ Das brachte mich ganz kurz zum schmunzeln und Even lachte ebenfalls.

Okay, ein wenig Weed mag da auch eine Rolle spielen, doch eigentlich meinte ich das vollkommen ernst: „Hast du nie darüber nachgedacht?“ „Jo, aber ich fühle mich da irgendwie... Ich weiß auch nicht... allein.“ „Das ist echt spannend!“, fiel ich ihm ins Wort, doch Even schien wenig begeistert, bei dem Gedanken an unendlich viele Paralleluniversen: „Nein, ich mag das nicht.“ Das scheint ihm wirklich irgendwie nicht ganz geheuer zu sein.

„Warum nicht?“, fragte ich daher und er antwortete: „Ich weiß nicht. Mich erschreckt das.“ Ich lachte leise auf: „Oh Gott, inwiefern erschreckt dich das?“ Ist ja nicht so, als würde es klare Beweise für die Existenz geben, oder die Leute aus anderen Universen würden über uns herfallen. Wie in Invasions-Filmen, Außerirdische oder was weiß ich was.

Even stellte daraufhin gleich klar: „Nicht die Art Erschrecken, wie bei Horrorfilmen. Mehr so ein... Gefühl alleine zu sein und durchzudrehen... eigentlich. Es ist wie... Da ist dein Kopf... Nur du und dein Kopf... und alle deine Gedanken.“ „Allein in deinem Kopf? Was meinst du damit?“, hakte ich konfus nach, denn dass er sich solche Gedanken um seine Gedanken macht, war mir bisher nicht bewusst. „So ein 'das Hirn ist alleine'-Gefühl“, erklärte er noch mal und seine Augenbrauen zuckten, als wüsste er schon, dass ich noch immer nicht wirklich verstanden hatte, was er mir sagen will.

Ist das nicht eigentlich gut, wenn man seinen Kopf für sich hat und nicht, mit anderen Persönlichkeiten oder Stimmen oder was weiß ich was für crazy Shit teilen muss? Ich steige da irgendwie noch nicht ganz durch...

Was für eine Art Gefühl? Das Hirn ist alleine?“, hakte ich also, völlig auf dem Schlauch stehend, noch einmal nach und hoffte er würde einen Weg finden mir zu vermitteln was er meint, denn mein Hirn schien gerade nicht viel damit anfangen zu können.

„Weil.. da nur du bist und deine Gedanken. Du kannst deinen eigenen Gedanken nicht entkommen. Der einzige Weg ist sterben“, sprach er und ließ dadurch nun meine Hirn unter Hochdruck arbeiten. Welche Gedanken oder welche Art von Gedanken könnte man haben, denen man so dringend entkommen will, dass man ans sterben denkt? Das waren ganz neue Töne von Even und sie beunruhigten mich ein wenig: „Das ist düster...“ Ich versuchte mit einem Lächeln die merkwürdig bedrückende Stimmung zu heben und er stellte mir im Grunde die gleiche Frage, wie ich ihm vorhin: „Ja, aber hast dir noch keine Gedanken darüber gemacht?“ „Nein“, ließ ich ihn wissen, er begann zu grinsen und wich meinem Blick aus, als er sprach: „Jeez... Ich hab vergessen, wie jung du bist!“ Ich kicherte leise, auch wenn das Gespräch damit nicht automatisch abgehakt gewesen wäre. Doch es klopfte nun an und wir schauten beide in Richtung Tür, bevor ich rief: „Was ist?“ Es stellte sich heraus, dass es mal wieder Eskild ist und er fragte: „Willst du den ganzen Tag in deinem Zimmer bleiben?“ „Ich schlafe!“, antwortete ich ihm und hoffte er würde nicht noch fragen, für wen ich mich denn dann rasiert hätte... Even giggelte abermals leise und hielt mich fester im Arm, welchen er schon die ganze Zeit um mich gelegt hatte und immer mal wieder über meinen Rücken strich.

„Okay...“, hörte man es von Eskild, eh er fragte: „Wessen Schuhe sind das im Flur?“ Shit... Wieso hab ich daran nicht gedacht? „Das... eh... sind Jonas'. Hab sie geborgt“, kramte ich mal wieder eine Ausrede hervor und mein Mitbewohner schien endlich Ruhe zu geben: „Okay...“

„Fuck...“, fluchte ich leise und legte meinen Kopf wieder auf Evens Schulter ab: „Verdammter Babysitter!“ Einen schweigsamen Moment später wollte der bei mir liegende wissen: „Wie bist du in dieser WG hier gelandet?“ „Ähm... ich bin eines Nachts so richtig betrunken gewesen und da traf ich Eskild“, erklärte ich ihm, was nicht alles war, aber vielleicht würde ihm das ja schon reichen. „Okay... Also hat er dich dann abgecheckt?“ Als ob der das auch nur in Erwägung gezogen hätte, mich für fickbar zu halten... Selbst wenn Eskild nicht vorher schon gewusst hätte, dass ich mehr oder weniger ein Freund von Noora bin. „Nein!“, entgegnete ich daher zunächst entschlossen, aber im Grunde kann man sich bei meinem Mitbewohner nie sicher sein, weshalb ich konfus ergänzte: „Oder... Ach, was weiß ich, verdammt. Ich kann mich nicht erinnern...“ Konnte ich wirklich kaum. Ich war so derbe dicht... Ich hätte wahrscheinlich nicht mal mitbekommen, wenn er wirklich was bei mir versucht hätte. Aber ich probierte dennoch mich nach und nach an den bruchstückhaften Tathergang zu erinnern: „Ich denke, ich hab ihm leid getan, weil... Ich stand völlig neben mir... Papa hatte gerade Mama verlassen. Also, ich... Er... Ich wollte einfach nicht nach Hause. Also hat er... mich hier her gebracht. Und dann... blah blah blah.“

„Blah blah blah? Gute Story!“, neckte Even mich und ich murmelte grinsend: „Kannst du haben, und ein Film machen.“ „Ich werde einen Film über dich machen!“, versicherte er mir und ich nickte nur leicht: „Okay.“ Ein Film über mich, das wäre der ätzendeste Film aller Zeiten...

„Weißt du wie ich ihn nenne?“, fragte er mich, als würde er die Sache fast schon ernst meinen und ich entgegnete dem leise: „Nee, wie?“ „Der Junge, der seinen Atem unter Wasser nicht anhalten konnte“*, ließ er mich wissen und schmunzelte belustigt, während mal wieder sein Telefon klingelte. „Klingt nach einem pompösen Scheiß-Film!“, brachte ich dem grinsend entgegen und Even lachte auf.

„Nebenbei, ich kann meinen Atmen unter Wasser anhalten! Ich hatte nur... einen verdammten Wassertropfen im Hals“, wollte ich an der Stelle noch mal klarstellen, doch natürlich giggelte er bei meinen Bemühungen: „Wassertropfen im Hals?“ „Ja“, brummte ich kleinlaut. Es hatte wohl doch kaum Zweck, das weiter zu behaupten. Even ist schließlich nicht dämlich. Der weiß genau, dass ich hätte husten müssen, wäre da wirklich ein Tropfen in die Luftröhre geraten. „Ja..“, hörte ich es ebenfalls leise von ihm und man hörte deutlich heraus, dass er mir kein Wort glaubte und sich über meine Versuche ihm das glauben zu machen amüsierte.

Sein Telefon hörte irgendwann fast schon nicht mehr auf zu vibrieren, weshalb er dann doch mal sichtlich genervt einen Blick darauf warf. Er drückte den Anruf scheinbar weg, daher fragte ich vorsichtig: „Sonja?“ Even atmete tief durch und legte das Handy auf seinen Oberkörper ab, bevor er brummte: „Ich bin jetzt echt gefickt.“

Wie so oft ließ ich auch an dieser Stelle jegliche Kommentare stecken. Was hätte ich auch sagen sollen? Sein Arm drückte mich an sich, während er seufzend das Handy wieder weg legte und sichtlich zu grübeln schien.

„Kann ich nicht einfach... für immer hier bei dir bleiben?“, fragte er mich und ich hätte innerlich am liebsten Luftsprünge machen können. Schon allein deswegen, dass er überhaupt darüber nachdachte. „Kann ich?“, riss mich Even aus den Tagträumereien und ich nickte: „Du kannst.“

Man mag mich töricht nennen, da die Sache mit Sonja nicht wirklich aus der Welt war, aber gerade war ich ziemlich glücklich darüber, dass ich hatte was ich wollte. Weshalb ich mich mehr als bereitwillig von Even kraulen ließ und ihn mit einem Nasenstupser dazu animiert mich zu küssen. Er ließ sich da auch jetzt nicht zwei mal bitten und so knutschten wir ein wenig miteinander. Was man halt so tut, wenn man jemanden mag. Sehr mag...
 

Während wir so mit Rummachen beschäftigt waren, knurrte mein Magen. Doch ich wollte mich gerade nicht davon unterbrechen lassen und rückte noch etwas näher an Even heran, welcher direkt an meinen Lippen raunte: „Du willst mich doch jetzt aber nicht fressen oder?“ Ich sah ihm aus nächster Nähe in die Augen und antwortete mit ruhiger, sicherer Stimme: „Doch!“ Unterstreichend biss ich ihm kurz und nicht wirklich doll in den Kiefer. „Mhm“, hörte ich es leise von ihm und schon wieder knurrte mein Magen. „Okay, so langsam... krieg ich Angst um meine Pelle“, sprach er grinsend und ich hob mich dann doch an. „Ich bin mehr der Hühnerbrust-Fan“, kommentierte ich seine Bedenken recht trocken, tippte auf sein Brustbein und stieg vom Bett, ging hinüber zur Tür, hielt ein Ohr dran und lauschte. Niemand zu hören. Ich schaute wieder zu Even, welcher sich nun aufgesetzt hatte und sein Hoodie-Jacke schloss.

Ob ich ihn hier für ein paar Minuten alleine lassen kann, ohne dass jemand in meine Bude stürmt und meine Schmuggelware entdeckt? Even saß da und lächelte mich an, als wollte er mich ermutigen es zu wagen. Ich atmete tief durch und öffnete die Tür. Die Luft war rein. Also schlich ich rüber zur Küche und knipste das Licht an, da zum Glück niemand dort war. Im Kühlschrank fand ich nicht viel in meinem Fach, nur Käse und Kochschinken. Ich müsste dringend mal Einkaufen...

Aber ich hatte noch Toast und ich wusste, dass Even Käse isst, weshalb ich schnell zwei Teller aus dem Schrank holte und Käsetoasts stapelte. Diesmal ohne alles und nicht überbacken, dass musste einfach reichen und würde zudem essbar sein, wenn auch nicht besonders aufregend.

Als ich ein paar davon fertig hatte und den Reste wegstellte, mir die Teller schnappte und mich gerade auf dem Weg zur Zielgeraden machen wollte, stand Noora plötzlich hinter mir und schaute auf meine zwei Teller. Sie hob fragend die Augenbrauen und schaute mir dann ins Gesicht. Gesagt hatte sie nichts, aber ich rechtfertigte mich knapp: „Ich hab eben Hunger!“ War ja nicht mal wirklich gelogen, aber eigentlich auch egal, denn ich ergänzte eilig: „Ja, ich... geh dann mal!“, und lief sofort weiter.

Als ich zurück im Zimmer war, betrachtete Even sich gerade den Kram auf meinem Regal, der teilweise nicht mal meiner war. Er sah zu mir, als ich die Tür hinter mir mit dem Fuß zu trat, einen Teller auf die Kommode stellte und gleich wieder abschloss. „Phhh“, kam es erleichtert von mir und daher äußerte sich Even: „Du... wegen mir musst du dir nicht so 'nen Stress machen.“ „Ja. Ich weiß...“, murmelte ich und drückte ihm einen Teller in die Hand, eh ich mich resigniert auf dem Boden vorm Bett nieder ließ und dabei fortsetzte: „Sorry, hab gerade nichts anderes da, als Toast und Käse...“ „Ist vollkommen Okay“, sprach Even leise und setzte sich neben mich, allerdings auf den Rand des Bettes.

Während ich einen Bissen nach dem anderen kaute, legte er seine Hand auf meine Schulter, machte dort kurze massierende Bewegungen und ließ danach seine Finger sachte über meinen Hals und meine Wange gleiten. Mit so einfachen Dingen löste er mal wieder eine enorme Gänsehaut aus und ich neigte meinen Kopf gegen seine Hand. Even drückte mir einen Kuss auf den Kopf und flüsterte: „Du wirst schon wissen was du tust.“ Eigentlich... hab ich schon lange nicht mehr das Gefühl, zu wissen was ich tue.

Relativ schweigsam aßen wir weiter, da ich ziemlich Hunger hatte, war ich auch eher fertig als Even und so trat ich im langsam dunkel werdenden Raum ans Fenster. Nachdenklich schaute ich hinaus und beobachtete die Menschen. Ich fragte mich, wer von denen ähnliche Probleme wie ich hatte und wie er sie gelöst hat. Aber vielleicht gibt’s ja doch keine Allround-Lösung für alle von uns.

Es war schweinekalt hier drin, nachdem ich vorhin beim Kiffen das Fenster auf hatte. Ich verschränkte die Arme daher, um meine eisigen Finger zu wärmen. Es dauerte aber nicht lange, bis ich spürte, wie sich Even an meine Kehrseite schmiegte, seine Arme um mich und sein Kinn auf meine Schulter legte: „Kalt?“ Ich nickte zur Antwort. Die aufkommende Nervosität, die seine unerwartete Nähe auslöste, ließ mich schlucken. Jedoch wollte ich mich nicht davon beherrschen lassen und schmiegte meine Wange an die seine.

Ich drehte ihm mein Gesicht noch etwas weiter entgegen. Auch er wandte sich mir zu und begann einen Kuss mit dem für ihn so typischen Nasenstupser. Eine seiner Hände legte sich dabei seitlich an meinen Hals und sein Daumen strich über meinen Kiefer.

Doch der Kuss verlor schnell seine anfängliche Unschuld, denn diese Hand wollte sehr bald unter meine Klamotten. Da mein Hoodie, nicht wie seine Jacke mit einem Reißverschluss versehen war, kam Even vorerst nicht weit. Aufgeben schien aber gerade nicht in seinem Sinn zu sein. Ich drehte mich nun gänzlich zu ihm herum und so investierte er deutlich mehr Leidenschaft ins Knutschen. Denn er drängte mich einen Schritt rückwärts, direkt ans Fenster und hielt mich so regelrecht zwischen sich und dem Fensterbrett an Ort und Stelle gefangen.

Immer wieder dehnte er seine anregenden Küsse auch an meinem Kiefer und am Hals entlang aus und... ließ damit eigentlich kaum Spielraum für Spekulation. Even wollte mehr. So viel stand wohl fest.

Je länger er mich so bearbeitete, desto weniger wollte ich dem widerstehen und umso mehr schien auch er zu bemerken, dass er Erfolg haben würde. Meine Hand fuhr direkt an seinen Hinterkopf und packte dort an seinen Haaren zu. Weshalb er nun sein Tun unterbrach und still hielt. Es war zwar schon etwas dunkler hier im Raum, aber ich konnte seine Augen sehen. Wie sie mich fixierten. Diesen Augen konnte ich noch nie lange standhalten, weshalb ich meinen Blick senkte. Auf seine geöffneten... vollen... Lippen.

Sein Atem ging noch etwas schneller als meiner, doch bewegte er sich kaum mehr, lehnte lediglich seine Stirn an meine und wartete ab, was ich nun tun würde. Ich musste abermals schlucken und versuchte meine Gedanken zu sammeln. Denn ich stand vor einem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich hiervor den Schwanz einziehe oder... es geschehen lasse.

Mein Kopf wollte die Oberhand behalten und mich daran erinnern, wie viele unüberlegte und überstürzte Entscheidungen ich schon getroffen habe und wie viel Ungeklärtes eigentlich noch zwischen uns stand. Doch der Rest meines Körpers schrie einfach nur: Go for it! Nimm dir was du willst. Nimm dir was du brauchst.

Angespannt biss ich mir auf die Lippen und beobachtete wie Even sich über die seinen leckte, noch immer darauf wartend, wie es weiter gehen sollte. Meine andere Hand legte sich nun ebenfalls zögerlich an seinen Hals und so konnte ich auch seine Nervosität spüren. Wie nun er es war, der schlucken musste. Meine Gedanken rasten, verliefen aber alle ins Nichts. Die Entscheidung fiel in dem Moment, als diese Hand vom Hals aus nach unten strich und meine Finger an den Verschluss seiner Jacke griffen, diesen langsam nach unten zogen und sich die beiden Seiten voneinander lösten.

Kaum war das Teil offen, ließ ich sein Haar am Hinterkopf los und streifte ihm die Jacke nach hinten über die Schulter. Dies nahm Even als Startschuss und er ließ keinen weiteren Augenblick verstreichen, um nach meinen Pullover zu fassen und ihn mir samt dem T-Shirt darunter auszuziehen.

Mit der freigelegten Hautfläche wusste er sich auch gleich zu beschäftigten. Ich spürte seine leichten Bisse an meiner Schulter. Als wäre er jetzt derjenige, der mich fressen will. Es machte mich an, der Gedanke, so sehr gewollt zu werden. Der vor mir Stehende hatte selbst nur noch ein Shirt an, welches er sich nun ohne mein Zutun über den Kopf zerrte. Anschließend fasste ich mit beiden Händen an seinen Kiefer und dirigierte Even rückwärts auf mein Bett zu. Begleitet von kurzen begierigen Küssen.

Er ließ sich mit seiner Kehrseite auf die Matratze fallen. Ich begab mich über ihn und stützte mich links und rechts neben seinem Oberkörper auf die Ellenbogen ab. Meine Finger fuhren durch sein Haar und blieben auch dort, während wir weiter heftig knutschten. Auch wenn ich mich hierbei wohlfühlte und mir gerade alles andere als kalt war, so war ich dennoch extrem unsicher, wie es jetzt weiter gehen sollte.

Even lag hier unter mir und hatte diesen Blick. Ein Blick, der förmlich dazu einlud seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Und er hatte die Lippen wieder geöffnet. Gott, wie ich auf diese Lippen stehe... Seine Augen versuchten nun den Grund für mein Zögern in meinem Gesicht abzulesen.

Ja, es war mir irgendwie ziemlich peinlich. Ich meine, dass er weiter machen wollte, konnte ich ziemlich gut spüren; so auf ihm liegend. Und dass ich es im Grunde genauso wollte, dürfte damit nun auch kein Geheimnis mehr sein. Aber.. dieses neue Gefühl, dass da tatsächlich jemand war, den ich an mich ran lassen und ich die Sache nicht abblocken wollte, war etwas, das mir irgendwie Angst machte. Angst was falsch zu machen, irgendwo zu versagen oder die Sache sonst wie abzufucken. Da bin ich ebenfalls meisterlich drin...

Mein Puls begann schneller zu werden, ich geriet innerlich immer mehr unter Druck und fluchte leise: „Fuck...“ Even fasste einen Augenblick später an meine Hüfte und schob mich von sich runter. Doch eh ich in Stress ausbrechen konnte, dass ich es jetzt schon geschafft hatte alles zu vergeigen, drehte er sich zu mir und lächelte: „Entspann dich.“ Er rieb seine Nasenspitze an meine und küsste mich auf eine ziemlich beruhigende Art und Weise.

Wir lagen uns gegenüber auf der Seite und es fiel kein Wort. Wir schauten uns nur an. In die Augen. Auf die Lippen. Auf die nackten Oberkörper. Bis mein Gegenüber mal wieder die Initiative ergriff und meine Wange streichelte. Ich legte daher meine Hand ebenfalls wieder an seinen Kopf und kraulte ihn unsicher, was ihn aber lächeln ließ. Even fasste jedoch bald darauf nach meiner Hand, tupfte einen Kuss drauf und führte sie an seinen Brustkorb. Er atmete zwar im Moment relativ normal, aber ich spürte wie sehr sein Herz wummerte und wie heiß sich seine Haut anfühlte. Als wollte er mir zeigen: Mir geht’s doch wie dir!

Er ließ mein Handgelenk jedoch nicht los, sondern führte meine Finger langsam weiter an seinem Bauch abwärts und löste seinen Griff erst, als wir am Bund der Sporthose angelangten. Er wies mir den Weg und alles was ich tun musste ist, den Weg zu gehen... oder...

Nein, eigentlich gab es kein 'oder'. Etwas zittrig bahnte sich meine Hand den Weg in seine Hose und kaum, dass ich seinen Schwanz berührte, sog Even die Luft ein. Nur um den Atem anzuhalten, bis ich ihn umfasste und noch sehr vorsichtig massierend auf und ab fuhr. Er presste die Luft förmlich wieder aus und schloss die Augen dabei. Wirklich sicher war ich mir dennoch nicht und stammelte nervös: „A-also ich... hab das noch nie bei i-irgendwem gemacht, a-also bei jemand anderem...“ „Alles gut“, hörte ich ihn leise sagen, bevor er grinste: „Interessante Technik.“

Wieder einmal hatte Even es geschafft mich zum Lachen zu bringen und das in einer derartigen Situation. Weshalb ich also meine 'interessante Technik' verteidigte: „Das ist meine linke Hand. Für gewöhnlich nehme ich dafür die rechte. Und außerdem stört das Teil hier.“ Ich zupfte am Stoff der Hose. Er nickte amüsiert über meine Erklärung und entledigte sich kurzum dem letzten Stück Kleidung. Even lag nun komplett nackt und verflucht sexy in schummrigen Licht der Dämmerung vor mir und sah mich mit diesem provokativen Lächeln an.

Angespornt schwang ich mich auf seine Oberschenkel, nahm diesmal die 'richtige' Hand und setzte mein Tun von eben fort. Jetzt fand der unter mir Liegende deutlich mehr Gefallen dran, denn sein Gesicht und sein Körper sprachen Bände. Er streckte den Kopf nach hinten über und seufzte doch sehr angetan von meiner geübten Methode. Ich beugte mich vor zu ihm, stützte mich dabei auf dem linken Arm ab und leckte über seine dargebotene Kehle. Ich mag seinen Hals.

Seine Hände behielt er relativ ruhig an meinen Beinen, was ich durchaus begrüßte, denn so konnte ich mich besser auf ihn konzentrieren, ohne selbst dahinzuschmelzen. Er wollte mich nun abermals küssen, doch unterbrach er dies immer wieder mit erregten Seufzern. Sein Körper zitterte immer öfter und fühlte sich an als stünde er unter Strom. Even zischte auch leise, als ich mit den Zähnen an der Seite seines Halses entlang fuhr. Eine seiner Hände krallte sich dabei an meinen Oberschenkel fest, die andere nun in meinen Haaren. Kurz darauf kam er, mit weit geöffneten Augen und einem unterdrückten Stöhnen. Gemächlich ließ ich nun meine Finger noch ein paar mal an seinem Schwanz auf und abgleiten. Sah zu wie die ganze aufgebaute Spannung in seinem Körper mit samt dem weißen Glibber entwich.

Ehrlich gesagt, hätte ich Even in diesem Zustand noch eine Weile betrachten können. Der Anblick ist Buchstäblich ein Bild für die Götter.

Und ich muss zugeben: Am Anfang war ich noch überfordert mit der Sache. Am liebsten hätte ich ihm die ersten Schritten einfach überlassen, um nichts falsch zu machen. Schließlich war er es, der mehr Erfahrung hatte. Doch ich denke im Nachhinein, dass er alles richtig gemacht hat, mich zu ermutigen, das zu tun.

Er hatte sich komplett fallen lassen, was nicht nur für mich schön zu sehen und erregend zugleich war, er gab mir damit auch die Kontrolle über sich. Etwas was mir persönlich noch nie leicht fiel.

Nachdem Even einen Moment zum Durchatmen hatte und ich in der Zeit hier und da meine Lippen auf seinen Oberkörper tupfte, wollte er mich küssen, doch ich stoppte ihn grinsend: „Warte mal.“

Ich schwang mich von ihm runter, knipste die Lampe an und angelte nach der Rolle Klopapier, irgendwo neben dem Bett, die für genau solche Fälle eben da stand. Even lachte und ich sah ihn an: „Was denn? Noora hat sich schon mal beschwert, als meine Bettwäsche voller Wichse war.“ „Sie hat sich bei dir beschwert?“, hakte er amüsiert nach und ich klärte ihn auf: „Eigentlich bei Eskild, weil sie glaubte das wäre seine. Und naja... er hat's dann mir gesagt. Das war damals, als er mich mit hier her genommen und ein paar Tage im Keller versteckt hat, weil ich nicht nach Hause wollte.. Noora hat zu der Zeit noch hier im Zimmer gewohnt und sie wollte die Wäsche machen, oder so. Was weiß ich...“ „Bei euch wird’s echt nicht langweilig“, sprach er belustigt und wischte sich seine Hinterlassenschaft vom Bauch.

Weiß nicht, was daran so witzig ist, aber Evens Lächeln könnte wohl jede blöde Erinnerung wieder vertreiben. Das ist wie gottverdammte Magie.
 

Even drehte sich auf die Seite und wandte sich mir zu. Seine Hand strich durch meine Haare und er lächelte ziemlich zufrieden. Wir sahen einen Moment lang in das Gesicht des jeweils anderen. Sofern ich mich überhaupt konzentrieren konnte, nicht woanders hin zu schauen. Weshalb ich mich dazu entschloss Bettdecke über uns zu ziehen und seine Reize zu verhüllen, da ich nicht mehr wirklich davon ausging, dass noch was passieren würde, außer: Licht aus und schlafen. Auch wenn ich innerlich noch viel zu kribbelig wäre um überhaupt pennen zu können.

Keiner von uns sagte nun ein Wort. Stattdessen beobachtete ich seine Mimik, wohin er schaute, wenn er meinem Blick auswich, wie er ständig auf den Lippen kaute und blitzschnell darüber leckte. Als würde er irgendetwas sagen wollen, sich aber nicht trauen.

Lange lief das Spielchen jedoch nicht, dann rückte Even dichter zu mir heran und begann mich auf die für ihn so typische Art zu küssen. Doch ihn beschäftigte im Augenblick irgendwas. Dies schien sicher. Seine Küsse dehnten sich bald von meinen Hals, über die Schulter zum Oberarm aus. Natürlich gefiel mir das, weshalb ich mich auf den Rücken drehte, damit er besser heran kam. Er zog dafür die Decke wieder weg und weckte natürlich meine Hoffnung auf mehr. Daher ließ ich ihn mehr als bereitwillig einfach machen und wurde wieder ziemlich nervös, als er die Bettdecke gänzlich auf meiner Seite zurückschlug.

Er beugte sich über mich, seine Lippen arbeiteten sich bis unterhalb meines Bauchnabels vor und sorgten mit jeden Zentimeter, den sie weiter runter wanderten dafür, dass mein Blut wieder in Wallung geriet. Was auch zu erwarten war. Denn Even einen runter holen und zusehen wie er sich dabei räkelt... das ist wie 'n Porno gucken ohne Hand anzulegen. Also eine Sache, die man gewissermaßen erst mal 'verkraften' muss. Und umso schneller kam ich natürlich wieder auf Hochtouren. Meine gegenwärtige Sensibilität auf all seine Berührungen schien ihm jedenfalls sehr zu gefallen, denn er flüsterte mit rauer Stimme: „Heiß!“

Augenblicke wie diese, machen einem auch erst mal klar, wie sehr man sich nach so etwas eigentlich sehnt. Allgemein, nicht nur jetzt, wo Even absolut leichtes Spiel mit mir hatte. Ich knurrte leise, denn ich wollte, dass er endlich aufhört, nur mit mir zu spielen. Egal wie anregend dieses Spiel sein mag.

Als er dann zu mir schaute, biss er sich auf die Lippen, bevor er nun doch endlich was sagte: „Ich würde da gerne was... probieren.“ Ich hoffte so, er würde dasselbe im Sinn haben wie ich jetzt. Was anderes zu behaupten, würde mir eh niemand abnehmen.

Mit einem Nicken meinerseits, bekam er die Erlaubnis tun zu dürfen, was immer er vor haben würde. Und da war es wieder. Dieses Lächeln von ihm, das einen sowieso schon umhaut. Even begab sich wieder zu mir hoch und näherte sich meinem Gesicht, küsste mich kurz, aber ziemlich heftig und zupfte währenddessen an meiner Sporthose, die ich als einziges Kleidungsstück noch immer trug. So hob ich meinen Hintern an und schon wurde auch mir das letzte Stück Stoff gekonnt entrissen. Seine Lippen wanderte mit kleinen Küssen wieder Stück für Stück quälend langsam nach unten und sorgten für Gänsehaut, Kribbeln und auch ein klein wenig mehr Nervosität.

Jesus fucking Christ, war das plötzlich wieder eine Hitze hier drinnen!

Sein Oberkörper beugte sich meinem Schritt entgegen und kaum, dass seine Finger, und kurz darauf auch seinen Mund meinen Schwanz berührten, krallte ich mich mit beiden Händen in das erstbeste was ich zu fassen bekam: Evens Hüfte und ein Kopfkissen. Ich musste die Luft anhalten, andernfalls hätte womöglich die ganze WG mitbekommen, wie sehr mir das gefiel, was hier gerade passierte. Nachdem der erste Augenblick des Überempfindens ausgestanden war, konnte ich wieder Atmen und begann die Rückseite des über mich Gebeugten zu streicheln. Allerdings konnte ich mich kaum entscheiden, hinsehen oder nicht. Hinsehen würde definitiv dazu führen, dass ich schneller komme und wenn ich wegsehe, verpasse ich womöglich was. Es wurde wohl irgendwie zwangsläufig ein Mittelding aus beidem.

Seine Lippen und seine Zunge brachten mich komplett aus der Fassung. Ich glaube, er müsste nicht mal wissen, was er da tut, geschweige denn 'perfekt sein'. Allein der Gedanke daran, dass er das jetzt tat, hatte schon einen enorm erregenden Effekt auf mich. Vorgeheizt war ich sowieso. Also brauchte er auch echt nicht lange, bis ich kaum mehr wusste wo oben und unten ist. Aber irgendwie schaffte er es immer wieder, kurz bevor ich das Gefühl hatte zu kommen, irgendwas zu tun, was mich aus dem Konzept brachte. Mit purer Absicht tat er das!

Das war einerseits zwar frustrierend, aber ganz und gar nicht auf eine schlechte Weise. Doch irgendwann hatte sein Spiel dennoch ein Ende und ich wusste: Jetzt würde es kein Zurück mehr geben. Ich tippte hektisch auf seine Schulter, um ihm irgendwie zu signalisieren, dass es so weit wäre, aber Even ließ nicht von mir ab. Ich kam. Und wie. Und eh die restliche WG darüber doch noch Bescheid gewusst hätte, presste ich im letzten Moment meinen Unterarm an den Mund.

Er leckte noch ein bisschen weiter, bevor er sich langsam von meiner unteren Hälfte löste und ich meinen Arm kraftlos über meinen Kopf rutschen ließ. „Pwww... Gooott“, seufzte ich völlig erledigt, als Even sich wieder neben mir ablegte und er kurz zu meinem besagten Arm blickte. Seine Augenbrauen zuckten amüsiert nach oben, als wolle er fragen: 'Dein ernst'?

Mir wurde allmählich klarer, dass er jemand zu sein schien, der sich nur bedingt drum schert, was andere denken könnten. Ihm ist es bestimmt vollkommen Latte, ob mein Mitbewohner applaudierend in der Türe stünde, vermutlich fände er das auch noch lustig... Oder wenn Linn, sobald sie wieder da ist, mich beim Frühstück mit einem 'Oh bitte, nicht du auch noch'-Blick begrüßt, wie sie es tut, wenn Eskild es mit irgendeinem Typen die Nacht zuvor in seinem Zimmer lautstark krachen lassen hat. Oder wenn Noora es mitbekommt, sie es vielleicht noch ihren Freundinnen erzählt und irgendwann die ganze verdammte Schule Bescheid weiß, was in meinem Bett abgeht. Darauf kann ich echt verzichten!

Even schaute mich erneut an. Abwartend irgendwie. Es verunsicherte mich, wie er mich ansah. Fast schon provokativ fuhr er mit der Zunge über seine Lippen, doch mir brannte da eher eine Frage auf den meinen, nämlich: Und wie war's? Das zu wissen interessierte mich gerade am meisten. Aber das könnte ich doch jetzt echt nicht bringen und ihn fragen...

Noch immer fixierte mich Even auf diese merkwürdige Weise und schien auf irgendwas hinaus zu wollen. Meine Stirn legte sich ratlos in Falten, in der Hoffnung, er würde mir wenigstens einen Hinweis geben. Doch jetzt grinste er auch noch breit. Ich check's nicht.

„Was?“, entschloss ich mich also der Sache nachzugehen und er fragte tatsächlich: „Ja, und wie war's?“ Meine Hand landete an meiner Stirn. „Was, war ich so schlecht?“, kam es von ihm, schon mit ein klein wenig Verzweiflung in seiner Stimme und so wollte ich seine aufkeimende Panik beruhigen: „Nein, ich hab mir nur echt verkniffen, dir die selbe Frage zu stellen und jetzt kommst du damit.“ „Ey, jetzt sag schon!“ Ihm schien so langsam die Stimme komplett zu versagen, auch wenn er noch immer zu lächeln versuchte. „Ja ja ja! Du warst gut!“, versuchte ich schnell sprechend zu antworten und schmiegte mich schleunigst an seinen Oberkörper, damit Even mein nun vermutlich rot werdendes Gesicht nicht sehen konnte. „Gut“, wiederholte er trocken, legte den Arm um mich und brummte dann leise: „Heißt das jetzt, es war nicht ganz beschissen, aber ausbaufähig?“ „Was muss ich antworten, damit du das irgendwann noch mal machst?“, fragte ich ihn und er grübelte: „Mhmm... Nenn' mich Meister!“ „Oder ich nenn' dich einfach: Baby. Fertig“, entgegnete ich dem und hörte Even giggeln: „Okay. Damit kann ich auch leben.“

Und ich brauchte jetzt Ruhe! Musste echt mal pennen, denn ich war total im Eimer. Dass Even noch immer so vor Energie zu strotzen schien, war mir echt ein Rätsel. Ich schlief ziemlich schnell ein und das auch wie ein Stein. Nicht zuletzt dank dessen, was wir zuvor taten und der kontinuierlichen Wärme, die von dem bei mir Liegenden ausging.

Doch wenige Stunden später musste ich aufs Klo und wurde deshalb wach. Even neben mir sagte zwar keinen Ton, aber er schien auch wach zu sein und strich mir kurz über den Rücken als ich aufstand.

Das Licht hab ich ausgelassen, als ich zum Kleiderschrank lief und eine Unterhose aus dem Fach ertastete, mir diese schnell anzog und das Zimmer verließ.

Als ich im Bad fertig war und beim Waschbecken vor dem Spiegel stand, betrachtete ich mein Spiegelbild. Irgendwas war anders als sonst. Ich empfand, dass der Typ da zufriedener aussah, als der, dem ich hier sonst begegne. Doch wandte ich mich davon ab, trocknete meine Hände und ging zurück in mein Zimmer. Als ich mich ins Bett legte, fragte mich Even: „Wie spät ist es?“ „Keine Ahnung. Hast du 'nen Arsch voll dringender Termine Sonntag morgens?“, scherzte ich und er grinste hörbar. Nachgiebig warf ich einen Blick auf eines der Handys: „Ähm... 3 Uhr, fast.“ Ich legte das Handy wieder auf meinen Nachttisch und wandte mich zu ihm um, tastete mich zu seinem Hals hinauf und kraulte gemächlich, bis ich wieder einschlief.
 

Sonntag, 30.10.2016 – 9:32 Uhr

Wirklich, so gut hatte ich schon lange nicht mehr pennen können. Umso größer war der Schock, als ich die Augen langsam aufschlug und etwas, oder vielmehr jemanden nicht mehr vorfand. Schnell sah ich mich nach Evens Klamotten um, die schon gestern Nachmittag relativ schnell trocken waren. Die Sachen lagen dann anschließend auf der Kommode, die noch von Noora hier stand und jetzt mehr als ein Sideboard fungierte. Doch nun waren sie weg.

Bei einem Blick auf das Kopfkissen, auf welchem Even schlief, fand ich einen Zettel. Ich nahm ihn in die Hand und sah eine Zeichnung. Ich vermutete, dass es mich darstellte. Mich, zwei mal, in einer Art Comic-Version. Einmal mit Wassertropfen im Hals und einmal ohne. Bei letztem mit einer Zusatzbemerkung: Zur selben Zeit, an einem ganz anderen Ort im Universum. Oben drüber stand ebenfalls noch etwas, zum Teil in Englisch: I don't sleep, cuz sleep is the cousin to death – Du bist heiß. Mit einem Herzchen hinten dran.

Abgesehen davon, dass es eine Zeile von einem Nas-Song ist, was hatte das nun zu bedeuten? Hätte er mich nicht wenigstens wecken können, um zu sagen, dass er geht? Ist irgendwas passiert oder hab ich was falsch gemacht?

Wie so oft schaute ich auf mein Handy, doch da war nichts. Frustriert donnerte ich das Telefon neben mir ins Bett und grübelte über die Sache nach. Seine Schuhe vor der Tür müssten dann ja auch weg sein, oder er geistert womöglich durch die Wohnung. Eilig zog ich mir was an und öffnete meine Zimmertür, doch da erwischte es mich gleich nochmal eiskalt. Zwar weniger wer dort stand, als mehr dass da überhaupt jemand war und... die Wand schrubbte? „Hallo!“, vernahm ich es beim öffnen der Tür. Irritiert von ihrem Tun begrüßte ich Noora ebenfalls: „Hallo.“ Es war schon sehr merkwürdig, was sie da trieb, weshalb ich fragte: „Was macht du da?“ „Ich putze“, entgegnete sie mir, als wäre es das normalste der Welt. Angelockt vom Gespräch fand sich auch Eskild im Flur an: „Guten morgen!“ „Die Wand?“, hakte ich konfus zwischen ihm und Noora hin und hersehend nach und Eskild schien kurz zu überlegen. „Ja,.. ehh...“, kam es von ihm und dann gab er mir zu verstehen, dass Noora gerade ein wenig spinnt. Ich nickte verstehend. Das Ding mit William.

Doch Eskild war noch nicht fertig mit mir, denn er grinste schon so verräterisch. „Also... Hi! Guten Morgen, Isak“, kam es also wiederholt von ihm. Und ich hasse es, wenn er das tut. Dann weiß man gleich, dass man sich auf irgendwas gefasst machen muss... „Guten morgen“, konterte ich also möglichst souverän und da wurde sein Grinsen auch schon breiter, als er loslegte: „Also, dieser Even-Typ war richtig cool!“ What?! Erstarrt stand ich da und wusste kaum was ich dazu sagen sollte. Selbst Noora hatte ihr Schrubben an der Wand unterbrochen, da es scheinbar recht spannend war für die Zwei, was es mit Even auf sich hat. Ein Sonntag morgen könnte echt nicht besser laufen...

Ich versuchte die Nerven zu behalten und Zeit zu schinden, um angemessen reagieren zu können. Ich brauchte aber mehr Infos, über das was sich da abgespielt haben soll und wollte daher wissen: „Du hast ihn gesehen?“ „Ja ja... Ich meine, ja... im Badezimmer vorhin“, erklärte er und hatte diesen erwartungsvollen Blick. Er schaute zu Noora und dann wieder zu mir, als nichts von meiner Seite her kam. „Ja, wer ist er?“, wollt er wissen und witterte ganz offenbar fette News. Noch immer wusste ich nicht so recht was ich sagen sollte, doch die fragenden Gesichter vor mir jedenfalls, wollten eine Antwort. Also stammelte ich: „Ehh... nur ein... Kumpel.“ Ich musste das hier dringend beenden, da ich ganz offensichtlich nicht bereit war, jetzt solche Gespräche zu führen. „Okay...“, hörte ich von Eskild, während ich die Tür nun langsam schloss und brummte: „Mhm.“ Diese neugierige Fragerei immer! Wenn ich selbst nicht mal wusste, was eigentlich Sache ist...

Um das raus zu finden, beschloss ich kurzerhand Even anzurufen, jedoch klingelte sein Telefon, bis die Mailbox ran ging. Auch bei einem zweiten Versuch, Stunden später, das selbe Ergebnis. Ich versuchte bei all den möglichen Erklärungen und Dingen, die passiert sein könnten, weshalb er das Gespräch nicht annimmt oder warum er nicht zurück ruft, cool zu bleiben.

Eines war klar, auf irgendwas konzentrieren, ohne zu wissen was abgeht, war im Moment nicht drin. Daher versuchte ich mich mit Sport abzulenken, machte Liegestütze und Crunches. Alles nur um den Kopf frei zu kriegen. Aber im Grunde war es umsonst, denn hinterher war ich nicht nur körperlich fertig, sondern auch noch immer mit den Nerven. Weshalb ich Even am frühen Abend schrieb: Schöne Zeichnung. Geh ans Telefon.

Es vergingen wieder Stunden in denen nichts, aber auch gar nichts, von ihm kam. Erst gegen Abend bekam ich endlich eine Antwort. Er schrieb: Sorry. Echt anstrengender Tag. War baden bei meiner Tante zu Hause. Nur'n Scherz. Lass uns morgen reden. Ich würde mal annehmen, dass das dann wahrscheinlich in der Schule sein müsste? Vielleicht hatte er auch bis jetzt zu Hause geschlafen und deshalb nicht reagiert? Der Kerl ist manchmal ein wandelndes Fragezeichen.

Kurz darauf flog eine weitere Nachricht von ihm ein: Du bist zum Anbeißen, wenn du schläfst. Dies ließ mich dann doch wieder ein wenig grinsen.

Nach all den Sorgen und dem Sport und vor allem dem aufregenden Wochenende als ganzes betrachtet, ging ich auch heute relativ früh ins Bett. Irgendwie war ich ja auch geschafft. Und mein Kopfkissen, auf dem Even lag, roch auch noch nach ihm!
 

Montag, 31.10.2016 – 11:52 Uhr

Mittagspause. Nirgendwo war Even zu finden. Nicht auf dem Hof, nicht in der Kantine und irgendwo in den Fluren war er mir auch nicht begegnet. Wo zur Hölle steckte der? Dank eines Blicks auf den Plan vom schwarzen Brett, welche Klasse, zu welcher Zeit, wo Unterricht haben würde, wusste ich an welcher Stelle ich '3STB' finden würde und wartete dort nun. Alle möglichen Leute kamen raus und liefen an mir vorbei, jedoch keine Spur von ihm.

Als die zuständige Klassenlehrerin aus dem Raum trat, sprach ich sie an: „Entschuldigung, ist Even heute nicht in der Schule?“ „Even? Nein, ich hab ihn heute nicht gesehen“, antwortete sie mir und zerstörte damit mein bisschen Hoffnung auf ein klärendes Gespräch. Allerdings musste ich mich im nächsten Moment auch schnell aus dem Staub machen, da Emma die Treppe hoch kam und ich wenig Bock hatte mich ausgerechnet jetzt mit ihr, wegen der Sache am Wochenende zu unterhalten.

Resigniert darüber, dass das Gespräch mit Even wohl nun warten musste, beschloss ich zu den Jungs zu gehen, die wahrscheinlichen schon auf dem Schuldhof waren. Ich näherte mich ihnen, und bekam einen Teil des gegenwärtigen Gesprächs mit, als Jonas etwas erzählte und Magnus ungläubig fragte: „Bartstoppeln? Bei einem Mädchen?“ „Ja, nicht gesehen? Das war an deinem Geburtstag“, erklärte mein bester Freund dort gerade und nun traf mich die Faust bildlich mitten ins Gesicht. Oh, shit!

„Fuuuck! Da war dein Geburtstag!“, entkam es mir geschockt über meine Unzulänglichkeit als Magnus' Kumpel und der Gemeinte sah zu mir. „Ja...“, nickte er sichtlich und zurecht, wenig begeistert. Verdammt, dass hatte ich komplett vergessen... „Sorry, Bro! Ich...“, versuchte ich es zunächst, aber unterbrach mich selbst, da ich erst mal irgendwie eine Ausrede finden musste, wieso ich nicht da war. „Gratuliere! Siebzehn, man!“, begann ich also und umarmte Magnus kurz. Dieser war immer noch recht distanziert: „Ja...“

Es herrschte betretenes Schweigen in der Runde und irgendwie schien jeder von mir eine Erklärung zu erwarten, weshalb ich nun die erstbeste Begründung für meine Abwesenheit vorbrachte, die mir gerade einfiel: „Ich musste... zu so einem verdammten... Familienessen gehen. So langweilig...“ Die Jungs nickten noch immer wortlos und betrachteten mich mit merkwürdigen Blicken. Ich hab's ja verdient...

Aber um das Gespräch wieder in Gang zu bringen, fragte ich: „Was ist passiert?“ Mags erbarmte sich dann doch die Stille zu durchbrechen und antwortete mir: „Ach, die Jungs wollten, dass ich mit Vilde rummache.“ Zumindest konnte er schon wieder lächeln, irgendwie...

An Vilde scheint er ja echt interessiert zu sein, also zeigte ich ein wenig mehr Begeisterung: „Echt? Hab ihr rumgemacht?“ „Nein, fast“, ließ er mich wissen und Mahdi lachte. Jonas hakte amüsiert nach: „Fast? Sicher?“ „Ja ja...“ hörte man es von Mahdi, welcher Magnus scheinbar keinen Glauben schenken wollte, weshalb dieser versicherte: „ Sicher, wir haben fast, verdammt!“ „Was ist passiert?“, kam es wirklich interessiert von mir, denn so langsam hatte ich das Gefühl, ich hätte nicht nur diesen Abend verpasst.

„Nein, es war nur... Es ist... Ach long Story, man“, beendete Jonas das Thema und kam gleich auf seine eigene offensichtlich kuriose Begegnung beim Geburtstag zurück: „Aber das Mädchen mit dem Bart...“ „Oh Fuck...“, hörte man es daraufhin von Mahdi. „Ich glaube nicht, dass sie einen hatte“, sprach Mags und Jonas fiel ihm wiederum ins Wort: „Du hast sie doch gesehen? Wenn du dich so rüber lehnst für einen Kuss, dann hast du's gesehen.“ „Wieso küsste du ein Mädchen mit Bart?“, wollte Magnus von ihm wissen und mein bester Kumpel entgegnete dem: „Weil sie echt heiß war! Aber...“ „Wenn man sich näher kommt, dann hat man keinen Bock drauf mit seinem Vater rumzumachen“, war Mahdis Kommentar dazu und während ich keinen Beitrag dazu leisten konnte, wurde das Gefühl, irgendwie... den Anschluss verloren zu haben, immer stärker...

Früher war ich irgendwie doch noch mittendrin, statt nur dabei. Irgendwie schien uns die Tatsache, dass ich auf Even und die Jungs auf Mädchen stehen immer mehr zu trennen. Das war ein scheiß Gefühl, aber ich wusste nicht, war ich tun sollte. Ich musste erst einmal selbst Klarheit darüber haben, was ich denke, was ich fühle und was ich will. Und im Moment wollte ich for fuck sake nur mit Even sprechen.

Später an diesem Abend vernahm ich Benachrichtigungstöne aus dem 'Katzenknutscher und seine Freunde'-Chat und las erst mal die mir, warum auch immer, entgangenen Nachrichten seit Samstag. Sie hatten scheinbar am Nachmittag bei Jonas vorgeglüht und dieser fragte auch am Abend noch mal nach mir: Was ist los Isak? Wir gehen jetzt los zur Party in Ullevåll, ruf uns an. Dann waren erst am Sonntag Mittag wieder Nachrichten. Magnus schrieb: Gestern war so verdammt geil.

Und allgemein schienen alle Spaß gehabt zu haben. Nicht, dass ich zu der Zeit keinen Spaß hatte, ganz im Gegenteil. Aber es war nach wie vor ein bedrückendes Gefühl Mags' Geburtstag vergessen zu haben. Ich hab bisher immer alles mit den Jungs gemacht und nun... ist es irgendwie komisch. Weil ich an mich gedacht habe, und die Zeit mit Even verbrachte. So ein schlechtes Gewissen ist echt 'ne Bitch...

Ich äußerte mich dennoch mal dazu, dass ich es leider erst jetzt gesehen habe und schlug dann vor: Lasst es uns dieses Wochenende wiederholen. Lediglich Jonas äußerte sich dazu mit einem 'thumbs up'-Emoticon. War mir aber auch schon klar, dass ich die Sache ziemlich vergeigt hab und nicht viel Jubel zu erwarten hätte...

Nachdem sich Even am nächsten Tag, weder übers Telefon gemeldet hatte, noch in der Schule aufgekreuzt ist, schrieb ich ihm ebenfalls noch einmal: Was ist los, dass du nie in der Schule bist, hoffe du willst deine 10% nicht abfucken. Willst du abhängen?

Die 10% Grenze fürs Stunden-schwänzen hat man schnell erreicht und dann geht der Ärger erst richtig los.

Aber Even hielt es offenbar auch jetzt nicht für angebracht, irgendwie mal zu antworten und langsam ging mir das echt gegen den Strich. Erst haben wir die schönste Zeit, die ich mir vorstellen kann, dann verschwindet er einfach, meldet sich erst nicht und schreibt dann doch und das er reden will, kreuzt dann aber wieder nicht auf und gibt nun kein Lebenszeichen mehr von sich.

Angepisst über dieses Hin und Her von ihm, konnte ich mal wieder kaum schlafen und fragte mich unweigerlich, wo sein verdammtes Problem liegt.
 

Mittwoch, 02.11.2016 – 10:34 Uhr

Sportunterricht. Kam mir durchaus gelegen. Ich musste mich nicht die ganze Zeit großartig auf irgendwas Anspruchsvolles konzentrieren und konnte ein wenig Dampf ablassen.

Wir waren in Gruppen aufgeteilt, die alle viertel Stunde durchwechselten und während die Anderen an den Geräten beschäftigt waren oder im Dauerlauf ihre Bahnen durch die Halle zogen, sollte sich meine Gruppe derzeit mit Bällen oder Springseil beschäftigen. Hab mir den Fußball geschnappt und vertrieb mir damit die Zeit bis zur Pause. Zumindest war das mein Plan, denn als der Trupp vorbei kam, der für den Dauerlauf eingeteilt war und ich mit meinem Ball aufpassen musste, zog etwas im Eingangsbereich der Turnhalle meine Aufmerksamkeit auf sich.

Da stand Even und sah mich an. Einerseits war ich erleichtert ihn zu sehen, aber andererseits war ich noch immer angefressen darüber, dass er komplett untergetaucht war. Er zuckte kurz mit den Augenbrauen und gab mir zu verstehen ihm zu folgen, bevor er um die Ecke bog. Ich konnte nicht anders, ich lief ihm nach. Nicht zuletzt deswegen, weil ich endlich wissen wollte, was nun Sache ist.

Even wartete in der Umkleide und ich blieb unweit vor ihm stehen: „Hi...“ „Hallo“, hörte ich seine Stimme und... leider tat das allein schon so unglaublich gut, weshalb ich nach kurzem Zögern langsam näher zum ihm trat.

Ich überlegte, was ich sagen oder tun sollte. Und ja, da war ein Teil in mir der einfach über ihn herfallen wollte. Doch der angepisste, verunsicherte und generell misstrauische Teil überwog deutlich. „Wo bist du gewesen?“, fragte ich also und versuchte neutral und nicht allzu vorwurfsvoll zu klingen, denn immerhin bestünde die Möglichkeit, dass doch irgendwas vorgefallen war. Even sah mich an und wollte scheinbar was sagen, wirkte aber ähnlich unsicher wie ich mich fühlte, bevor er dann doch zu reden begann: „Ich... hab Sonja von dir erzählt. Und wir haben beschlossen eine Pause zu machen.“

Pause. Pause heißt doch nur, dass sie die Beziehung unterbrechen, nicht gänzlich beenden. So wie auch Noora von sich und William sprach. Aber das ist dennoch zumindest ein Anfang oder? Er sagte nichts weiter und ich wusste auch nicht was er dazu hören wollte. Zum einen ist es schön zu wissen, dass er seine Beziehung für mich auf Eis legt, aber dass das gleichsam nichts endgültiges bedeutet, blieb mir dennoch im Hinterkopf.

Nachdem keiner von uns noch etwas sagte, wollte er von mir wissen: „Was denkst du darüber?“ Die Äußerung allein ließ mich einen Moment grübeln, eh ich mich dazu entschloss mich auf den für mich positiven Aspekt zu fokussieren. „Fett“, antwortete ich also und Even zog fragend die Augenbrauen hoch: „Ja?“ Ich wusste nun allerdings nicht mehr, ob das so gut war mich zu freuen, vielleicht war die Pause ja auch nicht seine Absicht und er war deswegen nicht in der Schule, weil ihm das zu sehr zusetzte.

„Ähm, wenn... Oder wenn... ehh... wenn es dich traurig macht, dann... Ich hoffe es ist nicht meine Schuld..?“, eierte ich tierisch nervös rum, aus Angst irgendwas falsches zu sagen, doch das Lächeln, welches sich langsam auf Evens Gesicht ausbreitete erlöste mich dann: „Ich bin nicht traurig.“ Auch ich ließ mich langsam von seinem Lächeln anstecken.

„Nein?“, hakte ich sicherheitshalber nach und Even schüttelte mit dem Kopf: „Nein.“ Er überwand das letzte Stück Abstand zwischen und und drückte mir einen Kuss auf den Mund, lehnte seine Stirn anschließend an meine und ließ mein Herz mal wieder Saltos machen. Ich sah ihn an und wünschte mir, dass wir in diesem Moment nicht hier in dieser Umkleide, sondern irgendwo anders alleine wären. Meine Nase vernahm seinen Duft nun umso deutlicher und seine Nähe machte mich buchstäblich schwach. Diesem Gefühl dieser Schwäche ausgeliefert zu sein, war trotz allem schwer zu ertragen, doch seiner Anziehungskraft konnte ich mich einfach nicht erwehren.

Even leckte sich etwas nervös wirkend über die Lippen. Er hatte offenbar noch was, worüber er reden wollte und das tat er dann auch, als er sich endlich dazu durchringen konnte: „Was... glaubst du, würden deine Eltern sagen... wenn du mit mir zusammen wärst?“

Das ist eine verdammt gute Frage. Und um ehrlich zu sein, würde ich das auch gern wissen. Bevor ich es ihnen überhaupt sagen würde. Aber so konnte ich es nach einiger Überlegung nur vermuten: „Ich denke.. es wäre.. Okay.“ Meine Unsicherheit musste Even gemerkt haben, denn er schaute mich an, als wolle er mich förmlich durchleuchten: „Ja?“ Er wartete sichtlich auf eine Bestätigung oder Erklärung, weshalb ich sprach: „Ehh, Papa würde sicherlich damit klar kommen.“ „Aber... deine Mama nicht?“, fragte er die Frage aller Fragen, auf die ich wohl keine wirkliche Antwort hätte, weshalb ich dem auswich und sagte: „Meine Mutter ist verrückt.“ „Inwiefern?“, hakte Even nach und ich wusste selbst nicht so recht, wie ich ihm das mit ihr erklären sollte.

„Sie... Nein, ich meine.. sie komplett verrückt. Sie glaubt, dass die ganze Welt unter geht. Dass mein Onkel Donald Trump ist“, brachte ich ein paar Beispiele an und mein Gegenüber schien ebenfalls ein wenig unschlüssig, weshalb ich gleich lachend klarstellte: „Mein Onkel ist nicht Donald Trump!“ „Pwww... Okay“, kam es erleichtert grinsend von Even, eh ich fortsetzte: „Aber egal... ja, es ist nicht ihre Angelegenheit. Ich hab nicht mit ihr gesprochen, seit ich ausgezogen bin.“ „Also habt ihr keinen Kontakt?“, wollte er es genauer wissen und ich entgegnete ihm: „Nein. Ich habe beschlossen, dass mein Leben besser ist, ohne psychisch kranke Leute um mich zu haben.“

Er sagte danach nichts mehr und betrachtete mich nur, weshalb ich den Kopf senkte und ihm die gleiche Frage stellte: „Was denkst du, würden deine Eltern sagen, über.... mich?“ Evens Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, er ließ sich mit seiner Antwort auch echt Zeit. Außerdem klingelte es gerade zur Pause, weshalb ich schon ganz gern endlich etwas von ihm hören wollte.

Er schaute zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her, als würde er überlegen müssen, wie er es sagen könnte, was er sagen wollte. Seine Hand legte sich an meinen Hals streichelte mich bedächtig, bevor er endlich lächelte: „Ich denke, sie hätten dich geliebt.“ Er küsste mich. Viel zu kurz, wenn man mich fragen würde. Aber war sicherlich besser, denn meine Sportklasse würde hier gleich in der Umkleide stehen. Even löste sich von mir und verließ den Raum.

Seine Antwort war komisch. Sie hätten mich geliebt, sagte er. Ist irgendwas mit seinen Eltern passiert? Vielleicht ist er auch deswegen nicht aufgetaucht. Aber dann hätte er es doch gesagt, oder nicht? Vielleicht mach ich mir aber auch schon wieder zu viele Gedanken und ich sollte mich einfach freuen, dass er zu mir gekommen ist und seine Beziehung mit Sonja für mich auf Eis gelegt hat.
 

Leider hab ich ihn den ganzen restlichen Schultag nicht mehr gesehen. Was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass ich zu beschäftigt war, denn mir fiel es wie Schuppen von den Augen, dass wir morgen OD* haben und ich noch keinen Job dafür. Fuck! Was vergesse ich eigentlich noch alles, bis mein Leben wieder normal wird?

Also wo krieg ich auf die Schnelle einen Job her? Am schwarzen Brett in der Schule fand ich leider nichts mehr, da hängen sonst jedes Jahr entsprechende Angebote, doch natürlich war dort nichts zu finden, als ich davor stand. „Shit...“

Ich meine, es ist jetzt nicht so, dass man bestraft wird, wenn man nichts macht, aber der gute Zweck dessen steht nun mal im Vordergrund und außerdem möchte ich deswegen nicht noch mehr mein schlechtes Gewissen belasten. Weshalb ich doch geneigt wäre, wenigstens für den einen Tag was zu finden.

Woraufhin ich mich am Abend an meine WG-Mitglieder wandte: Jo. Wir haben OD am Donnerstag. Ich brauche einen Job. - Kann mir jemand helfen? Nachdem Noora dort nach einem Mixer fragte, ohne auf mein Problem einzugehen, war es ausgerechnet Eskild, der Noora zurückstellte und für mich Partei ergriff: Noora, jetzt ist erst mal Isak dran Hilfe zu kriegen. - Eins nach dem anderen, Mädel. Linn fragte mich, wie viel ich verdienen müsste und schlug vor, ich könnte ihren Putzdienst diese Woche übernehmen. Doch Noora hatte mittlerweile offenbar schon überall geputzt, und das nicht nur die Wand...

Eskild brachte jedoch einen weiteren Vorschlag an: Du kannst für PK arbeiten! Nachdem auch Linn was mit PK anfangen zu können schien und ich noch immer keinen Plan hatte wer das ist, hakte ich nach: Wer zur Hölle ist PK? Noora klärte mich auf, dass er der Hausmeister ist und Eskild und Linn eine 'merkwürdige Beziehung' mit ihm haben. Ich glaube... ich will gar nicht wissen, was für eine Art Beziehung die beiden mit dem Typen haben...

Er war am Samstag hier. Du hättest ihn treffen können, wenn du nicht das ganze Wochenende in deinem Zimmer geblieben wärst, ließ mich Eskild wissen und da ich keine Lust hatte wieder darüber zu diskutieren, warum ich in meinem Zimmer geblieben bin, klemmte ich mir eine Antwort darauf und machte mich auf die Suche nach Kontaktmöglichkeiten zu diesem PK.

Eine Telefonnummer am Infobrett am Hauseingang ließ sich dann doch auftreiben. Ich rief an und er hatte tatsächlich etwas für mich. Einige Flächen mussten gereinigt werden, die zu Gebäuden gehörten, die er noch neben unserem und anderen Wohnhäusern betreut, welche aber sehr viele Stufen hatten und deshalb keine Profi-Reinigungsmaschine eingesetzt werden kann, sondern Handarbeit gefragt ist. Gut. Dann wäre das erledigt.

Am selben Abend gegen neun Uhr meldete sich Magnus in unserem Chat zu Wort: Motherfucking OD. - Ich habe keinen Job. - Was passiert, wenn ich nicht arbeite? Da schien wohl noch jemand verpennt zu haben, sich rechtzeitig darum zu kümmern. Ich hab gerade einen Job bei meinem Hausmeister bekommen, ließ ich ihn wissen. Vielleicht als Anregung, wo auch er was finden könnte, doch er wollte sich mehr darüber amüsieren, weshalb ihn Jonas zu animieren versuchte: OD ist aber wichtig. Komm schon. Find einen Job, Magnus. Mags schien das aber nicht ganz so zu sehen und machte sich über Jonas' Idealismus und seine generell ökonomisch orientierte Haltung lustig. Dass dieser nur alte Klamotten trägt, weil neue schlecht für die Umwelt sind, oder er nur recyceltes Wasser trinkt.

Auch Mahdi mischte sich in die Sache ein, dass das ein mieser Diss von ihm war. Und da muss ich Mahdi recht geben. Dass Jonas kein egoistisches Arschloch ist, das auch mehr als einmal nicht an sich, sondern an Andere denkt, ist einer der Gründe weshalb ich ihn als meinen besten Freund bezeichne. Magnus schien aber nicht wirklich Bock drauf zu haben, den Anreiz hinzunehmen und legte noch einen nach: Okay wie ist es damit: Oooh ich heiße Jonas und ich rauche Weed, finanziert von Krieg und Terror. BAM. Fertig. Das ging mir nun aber echt zu weit. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie Magnus da sitzt und einen auf Gangsta-Rapper mit dem Text macht, weshalb ich mich nun ebenfalls angesäuert äußerte: Drop the mic. Aber Jonas wäre nicht er selbst, wenn er die Sache nicht friedfertig und diplomatisch mit gut platzierten Argumenten versuchen würde zu lösen, wohingegen ich wahrscheinlich ziemlich schnell an die Decke gegangen wäre.

Ja ja ja. Absolut richtig. Darum haben wir OD. Krieg und Terror ist beschissen. Denk nur ein einziges Mal an jemand anderen, schrieb nun auch mein bester Kumpel und offenbar schien es bei Mags langsam angekommen zu sein. Seine Mutter würde schon eine Arbeit für ihn finden, meinte er. Jedoch fragte er auch gleich nach etwas, worauf er sich im Gegenzeug auf dieses Wochenende freuen könnte. Wohl wieder nur Party im Sinn...

Da am nächsten Tag also keine Schule war und halb zehn Uhr Arbeitsbeginn eine durchaus humanere Zeit darstellte als der übliche Schulbeginn, zog ich mir den restlichen Abend meine Serien rein und hoffte Even würde sich vielleicht noch melden. Tat er leider nicht, aber ich wollte ihm auch nicht pausenlos auf den Sack gehen und ihn womöglich damit noch vergraulen. Sicher hatte er genug Mist am Hals, auch ohne mich.

Der folgende Tag war relativ gechillt. Weniger der körperlichen Arbeit wegen, denn die war echt nicht ohne, als mehr das Draußen-sein, kein Schulstress zu haben und relative Ruhe zu genießen. Mit dem Gedanken, auch mal was Nützliches zu tun, statt nur Scheiße zu verbocken.

Am Nachmittag, war ich schon ziemlich geschafft, doch ich zog die veranschlagten sechs Stunden eisern durch. Ich hatte natürlich mein Handy dabei und brachte mich mit meinem Hauptutensil, einem Straßenkehrbesen, in Posi und machte ein Selfie und kurze Filme als Beweismaterial der guten Tat für mein Instagram.

Dieser PK ist seltesam. Erzählt mir, er musste sich Pornos kaufen in meinem Alter, heute hätte man dazu ja Internet. Er sagte auch, er hätte mich gesehen bei der Neon Preparty und musste sich das ganze Wochenende einen runter holen. Ich meine What the fuck? Ich hoffe nur, dass das nicht wegen mir war... Mehr als ein 'Okay' hatte ich dem nicht entgegen zu bringen. Anschließend waren nur noch die letzten zwei Stunden zu überstehen, eh ich von PK bezahlt und zufrieden mit meinen Diensten in den Feierabend entlassen wurde. Und nein, ich habe noch nicht raus gefunden, welcher konkrete Name sich hinter PK verbirgt, aber das war mir eigentlich auch egal und ich bin verdammt noch mal froh den Vogel los zu seinen. Ein Tag mit dem reichte mir völlig.
 

Donnerstag, 03.11.2016 – 17:15 Uhr

Frisch geduscht und gestärkt, ließ ich mich nach getaner Arbeit in mein Bett fallen und starrte an die Decke. Jetzt 'ne Runde entspannen mit Even. Das wär's. Wobei... sobald ich ihn in die Finger bekäme, könnte ich nicht dafür garantieren, dass wir beide viel Ruhe bekämen. Mein Blick glitt hinüber auf die Seite meines Bettes, auf der er gelegen hatte und so rollte ich mich herum, stellte mir vor, er wäre jetzt hier und schnupperte an meinem Kopfkissen. Ganz ganz wenig roch es nur noch nach seinem Duft, oder ich bilde es mir nur ein. Wenn das kein Grund ist eine kleine Auffrischung vorzunehmen?

Da ich mein Telefon sowieso in der Hand hatte, beschloss ich kurzerhand Even zu schreiben: Hi, ich habe sechs Stunden Treppen gefegt und ich sterbe an einer OD-Überdosis. Was hast du heute gemacht? War schön dich gestern zu sehen, willst du abhängen? Ich ließ das Handy auf mir fallen und hoffte auf eine schnelle erlösende Antwort, die hoffentlich ein Ja auf meine letzte Frage beinhaltete. Würde sogar in Betracht ziehen, die Sache zwischen uns nicht mehr so zu verstecken – ohne dabei gleich mit der Glocke durchs Haus zu rennen...

„Hallo, kleiner Freund!“, vernahm ich plötzlich Eskilds Stimme an meiner Tür und schaute zu ihm. „Hi!“, begrüßte er mich erneut, wie er es gern mal macht und ich erwiderte: „Hi.“ Was könnte der jetzt von mir wollen? Vor allem wenn er schon so grinsend um die Ecke schleicht.

„Du... ich hab eine kleine Prrrämie für dich, weil du so gut bist und deine Miete rechtzeitig bezahlt hast“, klärte er mich über seine Beweggründe auf und trat ein. Überrascht hakte ich nach: „Du hast eine Prämie für mich?“ „Ja. Willst du es haben?“, fragte er förmlich strahlend und so richtete ich mich sogar von meiner gemütlich liegenden Position auf: „Eh, ja!“

Mein Mitbewohner setzte sich zu mir an den Rand des Bettes und sprach: „Okay, welche Hand?“ „Ehh.. rechts“, entschied ich mich, doch er sagte: „Nee, nimm links.“ „Dann nehm ich eben links“, lachte ich irritiert. Aber das ist eben Eskild.

Er hielt mir sein Mitbringsel vor die Nase: „Voilà! For you!“ Ich musste lachen, als ich erkannte, was er da hatte: „Lufterfrischer? Witzig.“ „Das ist Lavendel-Duft. Ich dachte, du könntest es hier in deinem Zimmer benutzen“, erklärte er und ich musste grinsen. Er hat sich ja sowieso ständig darüber aufgeregt wies hier aussieht oder wies hier riecht. Tut mir leid, ich bin nun mal nicht Noora, bei der ja scheinbar von Natur aus alles nach Rosen duftet. Ich nahm es ihm aber nicht krumm. Warum auch? Wenn er es bei sich hat krachen lassen, riecht's auch manchmal nach Sex und abgestandenem Wein, nur ist er da wahrscheinlich motivierter Chaos und getragene Klamotten zu beseitigen.

„Vielen Dank“, kam es daher von mir, doch Eskild schien noch einen kleinen Nachtrag zu haben: „Für den Fall, dass du...“ Er brach seinen begonnen Satz ab und setzte sich nun leicht nervös wirkend weiter aufs Bett drauf, bevor er noch mal begann: „Für den Fall, dass du noch öfter Besuch bekommst, von diesem... ähm... Even... Oder wie er hieß.“ Okay. Mein geschätzter Mitbewohner konnte es sich scheinbar sowieso denken. Vor allem, wenn man seinen 'ich will's wissen'-Blick sieht, mit welchem er mich in diesem Moment fixierte.

Ich schaute nach unten und überlegte, ob ich es wagen sollte. Ich meine, wenn das mit Even und mir was werden sollte, dann wäre Eskild wahrscheinlich eh einer der ersten, der es so oder so erfahren würde, also... warum nicht gleich?

Nachdem von mir während meiner Grübelei nichts kam, war mein Gegenüber schon wieder im Begriff aufzustehen, als ich mich dazu entschloss, es ihm zu sagen. Gerade er wäre jemand, der mich gewiss nicht dafür verurteilen würde. „Ähm... Eskild?“ Der Angesprochene blieb somit sitzen und lauschte aufmerksam: „Ja?“ Ich wich seinem Blick aus und murmelte: „Ich schätze, ich kann es dir sagen, dass... Da ist... ähm... Da ist irgendwie so... 'ne Sache... zwischen Even und mir.“ Als ich fertig war mit stammeln, schaute ich auf und in das wissend grinsende Gesicht meines Mitbewohners, als ich ergänzte: „Wir... machen so rum...“ Ich wollte nun nicht zu sehr ins Detail gehen, aber musste vielleicht auch nicht sein. Eskild jedenfalls äußerte sich lächelnd: „Echt? Das ist... Das ist echt cool, Isak. Du, das ist wirklich fantastisch!“

Puh... Es war raus und wirklich neu schien es für ihn nicht zu sein, weshalb ich unsicher nachhakte: „Du bist nicht überrascht?“ Der vor mir Sitzende seufzte: „Isak, das erste mal, als ich dich getroffen habe, hast du alleine in einer Gay-Bar gesessen, morgens um zwei Uhr.“ „Ich hab dir gesagt, dass ich nicht wusste, dass es so ein Club war“, wollte ich gleich klarstellen und schaute noch immer betreten nach unten, bevor ich dem hinzufügte: „Aber ich denke, das heißt nicht, dass ich schwul bin.“ „Nein, ich meine... Das ist auch nicht das was zählt. Das wichtigste ist, dass du jemanden gefunden hast, den du magst“, vernahm ich Eskild und ich glaube da hatte er mich missverstanden, denn ich meinte eigentlich: „Es ist nichts falsch daran schwul zu sein. Ich bin nur nicht so... schwul-schwul.“ Ich bin halt einfach nicht... tuntig. Das ist alles. Kann's mir auch echt nicht vorstellen.

„Okay, was genau meinst du?“, wollte er wissen und ich wusste auch nicht wie man das erklären sollte, also probierte ich es mit: „Na, du weißt schon... wie du.“ Eskild schien irritiert, als er fragte: „Okay, ja... Und wie bin ich?“ Als ob er das nicht wüsste...

„Du weißt schon was ich meine, oder? Du redest ständig vom Schwänze lutschen, Kim Kardashian, und Lavendel-Duft...“, erklärte ich und die Miene meines Mitbewohners verfinsterte sich allmählich, weshalb ich die Sache, die offenbar nicht ganz so ankam wie ich sie meinte, zu retten versuchte: „Ich meine, ich respektiere total, dass du das komplette Homo-Paket mitnimmst... aber... ich bin nicht so.“ „Ich versuche nicht alles aus irgendeinem 'Homo-Paket' mitzunehmen. Ich versuche nur ich selbst zu sein, Isak“, sprach Eskild und ich hatte erneut, das Gefühl, das etwas falsch ankam.

Irgendwie hab ich ein Talent dafür die Sachen so zu formulieren, dass alles im falschen Hals landet, weshalb ich unterstreichend meine Hand hob, als ich weiter sprach: „Ja, mein Gott, ich versteh das. Ich meinte nur nicht... Natürlich bist du nur du selbst. Was ich meine ist, dass es so aussieht als... würden alle schwul-sein damit assoziieren, eben so zu sein. Und das ist echt beschissen... für die, die nicht so sind. Weil ich nicht damit anfangen werde Mascara zu tragen oder... Tights oder zu jedem Gay-Pride renne, nur weil ich Even mag.“

Eskilds Gesichtsausdruck, sein Schweigen und das offensichtliche suchen nach den richtigen Worten, ließen schon erahnen, dass ich mich eigentlich nur noch tiefer in die Scheiße geritten hatte, statt irgendwas zu retten...

Sein anschließender Vortrag bestätigte schnell meine Vermutung: „Okay, lass mich... lass mich dir eine Sache über diese Leute erzählen, mit denen du nicht assoziiert werden willst, Isak. Über jene, die Tights oder Mascara tragen und rausgegangen sind, um für das Recht zu kämpfen sie selbst zu sein. Das sind Leute, die entschieden haben über Jahre Belästigung zu ertragen. Und Hass. Die zusammengeschlagen und getötet wurden. Und das war nicht, weil sie so sehr... [style type="italic"]anders[/style] sein wollten. Aber sie würden lieber sterben, als vorzugeben jemand zu sein, der sie nicht sind. Und das, Isak, braucht Mut auf einem ganz anderen Level... als die meisten Menschen in der Lage sind zu verstehen. Und ich... ich denke, dass... Ich denke, dass du... bevor du selbst dafür gekämpft hast... Bevor du es gewagt hast, dafür einzustehen wer du bist... Solltest du echt verdammt vorsichtig sein, so zu reden und dich über den Gay-Pride zu heben.“

Verdammt... das hatte gesessen...

Das hatte echt gesessen, auch wenn es weder meine Absicht war, noch das, was ich wirklich darüber denke. Einerseits, sehe ich es nach wie vor so, dass auch ich nicht für jemanden gehalten werden will, der ich nicht bin. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, habe ich so lange so vielen Menschen weiß machen wollen, wer ich sein wollte, nur um nicht so sein zu müssen wie ich bin. Insofern liegt da schon ein Zwist in mir drin. Und das alles einfach deswegen, weil ich mir zu viele Gedanken darüber mache, was Andere von mir denken...

Er hat schon recht. Und die Wahrheit tut manchmal echt weh. Weshalb ich murmelte: „Ich wollte mich nicht drüber stellen...“ „Jo... Jo, Isak, das hast du. Und jetzt... jetzt hab ich eigentlich keine Lust mehr mit dir zu reden“, ließ er mich wissen und stand auf, bevor er noch einen Rat da ließ: „So, jetzt.... Jetzt kannst du da sitzen und drüber nachdenken was ich gesagt hab.“ Und das tat ich. Schon während seiner Ausführung.

Im Grunde bin ich an meiner vergurkten Situation selbst schuld und die Leute von denen Eskild sprach, die hatten und haben wohl einfach die Eier in der Hose, während ich meinen Scheiß nicht auf die Reihe kriege.

Ich wollte das auch erst mal alles sacken lassen, nachdem mein Mitbewohner mein Zimmer verlassen hatte, doch in einen Augenblick später vernahm ich einen Benachrichtigungston von meinem Telefon. Ich nahm es zur Hand und las den Text von Even: Hi. Es war auch auch schön dich zu sehen. Ich weiß nicht, aber vielleicht sind die Dinge etwas zu schnell gegangen... Ich weiß es ist meine Schuld, aber ich brauche etwas Zeit. Entschuldige.

Ich las was da stand, aber nach dem was ich mir gerade von Eskild anhören durfte, kam diese Nachricht einfach nicht in meinem Schädel an. Es ratterte, ja, aber ich war mir nicht sicher, ob ich gerade spinne, oder ob das wirklich da stand, was ich las. Weshalb ich mir die Nachricht noch einmal reinzog und... noch immer das gleiche wie vor fünf Sekunden da stand.

Zu schnell? Ich meine, ich... Wer hat denn mit Sonja Schluss gemacht? Oder 'ne Pause oder what ever... Wer fing denn an davon zu reden, was würden unsere Eltern davon halten? Wer hat wen im Pool zuerst geküsst? Oder hat es schon bei dieser bekloppten Neon-Pre-Party versucht? Das ging alles von ihm aus und ich hab mich echt zurück gehalten, um ihm nicht auf die Ketten zu gehen. Was zum Henker...

Ich habe mich noch nie so von allen Seiten gefickt gefühlt... Vom Schicksal, vom Karma...

Verflucht! Ich stand vom Bett auf und lief planlos im Zimmer umher. Das Handy hielt ich bis eben noch fest, aber ich warf es lieber aufs Bett zurück, eh ich es an die Wand gepfeffert hätte. Ich schaute mich im Zimmer um und suchte nach irgendwas, was mich runter bringt, eh alles aus mir heraus brechen würde. Das einzige was mir einfiel war, mich schnellstens auf den Boden zu legen und mit Liegestützen den Frust raus zu powern, auch wenn ich Muskelkater vom vielen Fegen hatte, der Schmerz war auszuhalten im Gegensatz zu dem Druck, der sich in mir staute. Neun... zehn... elf... zwölf... dreizehn.... Fuck! Wieso, verdammt..?

Fünfundzwanzig, sechsundzwanzig, siebenundzwanzig... Komm runter Isak... Atmen.

Erst als ich absolut nicht mehr konnte, ließ ich mich fallen und schnaufte völlig fertig, rollte mich schwerfällig auf den Rücken und starrte an die Decke, doch alles was ich sah, war ein Wirrwarr aus Worten. Gesprochene wie geschriebene.

… Mut auf einem ganz anderen Level... … aber vielleicht sind die Dinge etwas zu schnell gegangen... ... bevor du es gewagt hast dafür einzustehen wer du bist... … aber ich brauche etwas Zeit... … drüber nachdenken was ich gesagt habe...

Ich rutschte hinüber zum Regal, schob meine Zehen darunter, um Gegenhalt zu finden und machte so viele Crunches, dass ich weder mitzählen konnte, noch aufhören wollte, bis mir alles weh tat. Dann lag ich regungslos auf dem Boden und starte wieder an die Decke.

Keine Ahnung wie lange ich da gelegen hatte und die Flut an Worten und Emotionen auf mich einprasseln ließ. Da war kein Zeitgefühl mehr.

Erst als mein Kopf und mein aufgewühltes Herz sich beruhigt hatten, hievte ich mich mühsam aufs Bett, spürte jeden Knochen und fragte mich, trotz meiner Begabung für Biologie, wie viele Knochen ein Mensch nur haben kann, die nun so übel schmerzten. Auch wenn es wohl eher die Muskeln sind, die weh taten. Besonders einer... Mein Herz schien sich regelrecht zu quälen.

Genauso wie ich mich durch die Nacht und am nächsten Tag zur Schule quälte. Zum Glück der letzte Tag vorm Wochenende und mir war verdammt danach mich zu betrinken, damit diese Gefühle aufhören. Für den Unterrichtsstoff hatte ich jedenfalls keinen Nerv und starrte deshalb auch nur die ganze Zeit vor mich hin. Überall nur Worte... Auf dem Arbeitsblatt, auf dem Laptop, an der Tafel vorne... um mich herum nur Worte.

Dass ich mich beschissen fühlte, hab ich ja auch irgendwo verdient, zumindest was Eskilds Vortrag anging, was Even betraf... wusste ich gar nichts mehr...

Ich mied es in den Pausen auf die Jungs zu treffen. So wie ich drauf war, hätte ich vielleicht dutzende Fragen beantworten sollen. Warum, wieso, weshalb, und dafür fühlte ich mich einfach nicht im Stande. Noch nicht...

Am späten Nachmittag dann endlich mal seit langem eine spitzen Idee von Magnus im Gruppenchat: Vorglühen bei mir mir mir mir mir mir mir. Einmal 'mir' hätte auch gereicht, Mags...

Bist du alleine?, wollte Jonas nun wissen und auch Mahdi fragte: Schmeißt du 'ne Party? Doch Magnus war es zu stressig gleich eine Partys zu geben, aber was man dann im angetrunken Zustand noch machen könnte, würde sich dann ergeben. So war der Stand der Dinge und als Jonas nach mir fragte, war mein Beitrag: [style type="italic"]Ich bring den Alk[/style]. Damit war das geklärt und ich hatte sogar noch einen anderen Grund mich zu betrinken, als nur aus Frust.
 

Freitag, 04.11.2016 – 21:32 Uhr

Mittlerweile saßen wir, wie üblich zu viert, bei Magnus im Wohnzimmer. Seine Eltern waren übers Wochenende weg. Meine Laune war nicht bedeutend besser, aber ich hatte ja mit drei Gläsern auch erst damit angefangen, mir Bier zu Gemüte zu führen. Hab auch gleich nachdem ich das Haus betrat klar gestellt, dass ich keinen Bock auf irgendeine scheiß Party habe, sondern nur gechillt was trinken will.

Das Gespräch war voll im Gange und ich starrte auf den Tisch vor mir, dessen Maserung mich im Moment mehr begeistern konnte, als die 'wirklich Heiße aus dem dritten Jahr', um die es gerade ging. Irgendeine, mit der Mags irgendwann mal was hatte, mehr oder weniger...

Das Thema nervte mich. Worte nervten mich...

Während ich immer wieder am Bier schlürfte und zwangsweise mit halbem Ohr zuhörte, was mit Magnus und diesem Mädel abging. „Dann kommt sie zu mir und ich so: Fuck, das ist die! Dann packt sie mich und schleift mich ins Bad. In.. das.. Bad! Ich musste mich selbst kneifen, als ich mit ihr rummachte, um sicher zu sein, dass es real ist.“ Die Anderen waren voll bei der Story, während ich voll bei meinem Bier war. Das war wirklich ansprechender, als die Vorstellung, wie Mags mit ihr 'voll crazy rumgemacht' hat...

Als er zu der Stelle kam, wo er ausgeflippt ist, weil er scheinbar spontan vergessen hatte, was man(n) zu tun hat, wenn man ficken will und er deshalb aus dem Fenster türmte, fiel mein Blick genervt auf ihn. Sollte die Story stimmen, dann... warum verdammte Axt, hat er sie nicht einfach gevögelt? Dann hätten wir uns seine Verzweiflung nicht mehr geben müssen und er würde uns mit seinen 'fast wär's passiert'- Geschichten verschonen.

„Aber mal im ernst, wo gehen wir heute Abend hin?“, fragte Mahdi, Gott sei Dank das Thema wechselnd und auch Jonas war sichtlich für Party zu haben: „Ich hab ein geiles Shirt an! Wir müssen was finden.“ Ich wollte mir nach wie vor nicht so viele Leute geben.

„Jungs... Mathias hat versucht mich anzurufen“, teilte uns Magnus mit und Jonas forderte daraufhin: „Dann ruf ihn zurück!“ Was dann auch passierte. Reichlich angepisst, dass die jetzt irgendwo hin wollen, statt mit mir hier zu bleiben und mich mein Leben, den Tag, den Abend und am besten die ganze verdammte scheiß Woche verfluchen zu lassen. Aber woher sollen sie's wissen, wenn ich es nicht sage... Und zwingen kann ich die Jungs nicht.

„Ihr geht aus aus, richtig? Wisst ihr wo was geht?“, fragte Magnus den Typen am Telefon. Ich bekam noch mit, dass jemand aus dem ersten Jahr scheinbar was veranstalten würde und als dann noch der Name Emma fiel, wäre mir am liebsten das Gesicht runter gefallen. Großartig...

Ich trank mein Bier weiter, als Mags nach ihrer Adresse fragte und anschließend auflegte. „Das ist bei Emma, die aus dem ersten Jahr“, sprach Magnus in die Runde und dann wandte er sich an mich: „Du kannst uns reinbringen, du kennst sie!“ Wenig begeistert richtete ich mein Augenmerk wieder auf ihn und schüttelte mit dem Kopf: „Nein, sie hasst mich gerade“, erklärte ich und das tat sie mit Sicherheit. Nachdem Even und ich letztes Wochenende abgehauen sind und sie mir die schrieb wie angepisst sie sei...

Jonas schien überrascht: „Huh? Wieso?“ Das willst du nicht wissen, Bro... „Ich hab dich gesehen, du hast die Skills dafür. Rede einfach mit ihr!“, kam es nun auch von Mahdi und Mags brachte auch noch einen Grund für sein unbedingtes Erscheinen dort vor: „Vilde wird da sein. Bring uns einfach nur rein, Isak!“ „Ich kann's nicht machen, es spielt auch keine Rolle, dass ich sie kenne, verdammt. Sie hasst mich“, erklärte ich noch einmal ruhig, wieso ich das nicht tun werde.

Bei den drei fassungslosen Gesichtern vor mir, ergriff Mahdi als erster wieder das Wort: „Offensichtlich, will dieser Typ hier zu einem 'Familienessen', also lasst uns nur zu dritt gehen.“ „Was zur Hölle?“, vernahm ich es von Jonas und Magnus schien ebenfalls schon etwas verzweifelt: „Okay, vergessen wir... Ich vergebe dir, dass du meinen Geburtstag vergessen hast, Okay?“ Wie oft noch: „Nee, es wird nicht funktionieren.“ Sie würden es mir vielleicht glauben, wenn ich sagen würde, wieso sie wegen mir so angepisst ist. Aber dazu müsste ich viel weiter ausholen und das war im Moment echt nicht drin.

„'00* Emma! Emma! Emma! Emma!“, vernahm ich unwillig anfeuernde Rufe von der Seite, doch würde ich mich davon garantiert nicht umstimmen lassen. Die nerven mit dem Mist...

Während ich wieder an meinem Bier nippte, probierten die Jungs es mit einem improvisierten Rap. Bitte nicht auch das noch... Magnus aka Beatbox feat. Mahdi: „Emma... super heiß... real nice, kurzes Haar. Chillt bei der '00-Party. Emma G. Isak. Bring uns rein. I-sak. Bringt uns rein, bei Emma...*“

„Ja, doch! Gott verdammt, ey...“, unterbrach ich den Blödsinn endlich. Sollen sie doch selber sehen, dass ich bei Emma nicht weiter komme und der ganze Fuck, der Weg und die Auftritt eben umsonst ist.

„Yeah, diesmal krieg ich Vilde endlich rum!“, träumte Magnus und Jonas klopfte mir auf den Rücken: „Das wird schon, mit Emma.“ „Hm..“, brummte ich, wohl wissend, dass nichts werden wird.

Eilig räumten die Jungs ihren Kram zusammen und packten die noch vollen Getränke zum Mitnehmen ein. Die leeren Dosen verstauten wir bei Mags im Zimmer, damit seine Eltern beim Blick ins Wohnzimmer keinen Anfall kriegen, wenn sie wieder kommen.

Wenig später waren wir unterwegs, die Drei vorne weg und ich in ziemlich abgefuckter Stimmung hinter her. Ich holte zwar dann irgendwann auf, aber gewiss nicht weil sich meine Meinung darüber geändert hätte. Mehr weil die Jungs schon voll in Feierstimmung waren und auf dem Weg dorthin herum eierten.

Der Weg war beschissen lang zu Fuß, was noch ein Grund war, weshalb ich Null Bock hierzu hatte.

Hab auch nicht viel gesagt. Einsilbige Antworten waren gerade hoch im Kurs bei mir...

Als wir dann gefühlte Stunden später ankamen und durch den Garten zur Hintertür eintreten wollten, zischte schon ein Mädchen an uns vorbei. Ohne Schuhe und sichtlich genauso gut gelaunt wie ich.

Kein Wunder wenn man von dem Schnösel vollgesülzt wird, der sich hier offenbar für eine Art Türsteher hielt, denn er stoppte uns: „Hallo, Jungs. Wer seid ihr?“ „Wer bist du?“, entgegnete Jonas ihm, nachdem er von dem Typen zurück geschoben wurde. „Wo wollt ihr hin?“, fragte dieser eingebildete Spinner und Mahdi antwortete ihm: „Zur Party.“ „Emma wohnt hier, richtig?“, hakte Jonas nach und der Kerl wollte doch glatt wissen: „Ja, seid ihr eingeladen?“ Meine drei Kumpels bestätigtem ihm, sie wären eingeladen, aber ob man diesen ominösen Anruf von diesem Mathias als Einladung bezeichnen kann... ich weiß nicht. Soll mir auch scheißegal sein. Hab gleich gesagt, das ist Zeitverschwendung.

Während Mags schon mit Vilde liebäugelte, fragte Mahdi, ob der Typ hier den Türsteher macht, doch er erklärte ihm: „Ich bin nur ein Freund von Emma.“ „Gut, wir auch“, probierte Mahdi es weiter und irgendwie nahm diese Scheiße hier kein Ende. Auch nicht, als Vilde von drinnen versuchte uns reinzubringen. Sind wir hier bei einer bekloppten VIP-Party in West-Hollywood oder was soll der Schwachsinn?

Wenigstens rief dieser Penner mal nach Emma, vielleicht würde sie ja auftauchen und wenigstens meine Freunde reinlassen, dann kann ich mich endlich verziehen.

„Jungs, ich weiß nicht, es wird langsam echt voll hier“, sagte der Schnösel, doch meine Augen erblickten etwas verdammt interessantes in der Masse der Leute im Haus. Even. Betrübt wirkte er jedenfalls nicht. Nein, ganz und gar nicht.

Okay, ihm geht’s offenbar mehr als gut, also wenn wir beide schon hier sind, dann muss ich da rein! Egal wie! Ich drängelte mich also zu diesem Möchtegern-Türsteher vor und fragte ihn, ob er mich reinlassen würde. „Warum sollte ich dich reinlassen?“, entgegnete mir dieser Emma-Freund und ich erklärte ihm, nach allen Regeln der hiesigen Highschool-Society: „Ich heiße Isak, bin im zweiten Jahr, und ich kenne Emma. Sie ist im ersten Jahr. Lass mich einfach mit ihr reden.“ „Und ihr Nachname ist?“, fragte er mich und nun machte es sich endlich mal bezahlt, dass ich das wusste: „Emma Larzen, ich kenne sie gut. Lass mich einfach rein! Solange können die Jungs hier draußen warten, und ich komme gleich zurück.“

Ich war mit Eifer dabei. Zwar nicht um mit Emma zu reden, aber mit Even. „Es ist echt voll hier, verstanden? Also gebe ich dir eine Minute, und die bleiben hier. Okay?“, schlug er vor und ich willigte sofort ein: „Yes!“ Schnell ging ich hinter ihm vorbei und schlängelte mich durch die ganzen Leute.

Eva machte wieder mit diesem Chris rum, aber für so was hatte ich keine Zeit und keinen Nerv. Weshalb ich mich an den beiden vorbei kämpfte, weiter durch die Masse. Lauter so schräge Typen hier, aber wo zur Hölle steckt Even jetzt? Zur Not schleife ich ihn mit vor die Tür, wenn meine Minute rum ist.

Als ich um eine Ecke bog und noch ein paar Schritte geradeaus machen konnte, sah ich ihn endlich. Even redete mit irgendeinem Kerl und genoss scheinbar die Club-Musik hier. Doch ich kam nicht weiter, denn plötzlich rannte Emma in mich und betrachtete meine erstarrte Gestalt, nicht gerade freudig. Ich hatte nicht damit gerechnet sobald auf sie zu treffen, wenigstens solange nicht, bis ich Even hier rausbekommen hätte.

„Hallo“, brachte ich ihr entgegen und sie fragte nach kurzem Zögern: „Was machst du hier?“ Das war sicherlich keine Frage aus Interesse, sondern eher eine verdeckte Aufforderung, dass ich mich auch gleich wieder verpissen kann. Nun gut, Even musste kurz warten. Und so versuchte ich erst mal das hier mit Emma zu retten, was noch zu retten ist. Wenn da überhaupt noch Hoffnung besteht: „Du, das war echt beschissen von uns, dass wir euch Halloween sitzengelassen haben. Ich verstehe, wenn du denkst, dass ich ein Arschloch bin.“

Ich war ein wenig nervös, immerhin war die Entschuldigung nicht so geplant und schon lange überfällig, und eigentlich auch eines meiner gegenwärtig geringsten Probleme. Doch Emma schüttelte ungläubig den Kopf: „Das ist nicht der Grund, warum ich denke, dass du ein Arschloch bist. Ich denke, du bist ein Arschloch, weil du mich hingehalten hast, obwohl du schwul bist.“

Das war der Schlag in die Fresse, der mich geistig rückwärts auf die Matte beförderte, doch Emma hatte noch einen Tritt oben drauf für mich: „Es ist 2016, Isak. Oute dich endlich.“ Sie schritt an mir vorbei und ließ mich komplett überfahren stehen.

Woher... zur Hölle... weiß sie das...?

Panisch und mit rasenden Gedanken sah ich mich zwischen all den Menschen hier um. Niemand schien sich für meine Anwesenheit zu interessieren. Aber, fuck... Was mach ich jetzt? Emma weiß es. Keine Ahnung woher, aber sie weiß es und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es alle wissen und... und...

Mein Blick hob sich, als hätte Even eine magische Anziehungskraft für meine Augen. Er stand noch immer dort an dieser Stelle, nur tauchte nun Sonja bei ihm auf. Beide lächelten offensichtlich glücklich und sie küsste ihn. Als wäre nie was gewesen. Nichts zwischen ihm und mir. Oder dieser fucking Pause, die Even angeblich mit ihr eingelegt hatte.

Es fühlte sich an, als hätte mir Jeder in diesem Raum einen Satz Messer in den Rücken gejagt. Ich musste hier weg. Ich brauchte Luft. Ich konnte kaum atmen.

Ohne so rücksichtsvoll zu sein, wie ich eben noch durch die Leute schlich, wollte ich einfach nur noch raus. Raus aus dem Haus und weg von der Scheiße da drinnen. Als ich draußen ankam, zog ich mir die Kapuze über den Kopf und wurde von Jonas nach dem Stand der Dinge gefragt: „Was geht, man?“ „Wir hauen ab“, knurrte ich und lief los. Mein bester Kumpel war offenbar sprachlos, jedoch Mahdi nicht: „Er will zu einem 'Familien-Dinner', lasst ihn einfach gehen.

Es wäre besser gewesen, Mahdi hätte dieses eine verdammte mal seine Klappe gehalten. Ich war so wütend, dass ich stoppte, mich herum drehte und mit Anlauf auf ihn los ging. Er flog in die nächste Ecke. „Musst du so scheiße sein? Huh?!“, schrie ich ihn an und wollte gleich wieder auf ihn los, eh er noch irgendeinen Dreck ablässt. Die anderen Zwei schubsten mich von ihm weg und Jonas sprach recht laut mit mir, als er mich mit schockiertem Gesichtsausdruck fragte: „Was zu Hölle ist los mit dir? Was passiert hier gerade?“

Fuck!!! Er kann mich mal. Und Mahdi erst recht! Even sowieso.. und Emma... Die ganze verkackte scheiß Welt kann mich mal!!

Ich lief einfach los, ohne wirklich nachzudenken, ohne zu wissen wohin.

Weg! Verdammt noch mal weg!

Rasend vor Wut trat und schlug ich auf alles ein, was mir in den Weg kam. Steine, Gestrüpp, eine zerquetschte Coladose... Geschrien hab ich und lauthals geflucht. Ich hatte teilweise sogar kurze Blackouts, weil bei mir die Sicherungen komplett durch grillten.

Ich war fertig. Fertig mit der Welt und die Welt wohl auch mit mir.

Als ich an eine Kurve kam und irgendein Busch, der auf den Fußweg ragte und meinen Weg kreuzte, trat ich ein letztes mal mit voller Wucht dagegen, um gegen die Tränen anzukämpfen, die sich einen Weg bahnten. Ein paar Schritte weiter sank ich auf die Knie und ließ alles raus, was gerade raus wollte.

Wenn Even mich noch einmal fragen würde, ob ich drüber nach gedacht hätte, wie es ist mit seinen Gedanken alleine zu sein und durchzudrehen... Ich glaube, jetzt wusste ich was er meinte.

Wieder hatte ich kein Zeitgefühl. Keine Ahnung, wie weit ich gelaufen war, oder in welche Richtung oder wie lange ich hier schon kniete.

Ich wusste nicht mal mehr vorhin ich gehen sollte...

Es war einfach alles weg.
 


 


 

*Jay oder kurz J ist ein Begriff (in der Szene) für Weed, also Marihuana.
 

*Gutten som ikke klarte å holde pusten under vann (Der Junge der seinen Atem unter Wasser nicht anhalten konnte)– ist eigentlich eine Art Eigenname, da Even einen Youtube Account hat (Art Vandeley) und man sich dort seinen Film ansehen kann, aber an dieser Stelle der Story ist das noch nicht aktuell. Man spoilert sich zwar nicht allzu doll, aber das ganze ergibt erst später mehr Sinn, daher verlinke ich es noch nicht hier. Wer es sucht ist dann selbst schuld. :P
 

*OD = Operasjon Dagsverk: die norwegischen Hochschüler haben einmal im Jahr, einen Tag wo sie einen Job finden und Geld verdienen sollen, welches dann für einen guten Zweck gespendet wird.
 

* '00 im Zusammenhang mit Emma heißt einfach, dass sie und ihre Stufe, also der (hier noch) erste Jahrgang im Jahr 2000 geboren sind.
 

*Bei dem Rap hab ich nur den norw. Teil übersetzt, englische so gelassen, deshalb sieht's ein bisschen merkwürdig aus.
 

Funfact für die Royal-Fans: Prinz William und Kate besuchen Anfang Feb. den Skam-Drehort, die Hartvig Nissen Skole in Oslo und treffen einige Darsteller der Serie, unter anderem wohl 'Isak'-Darsteller Tarjei S. Moe, der ja dort auch privat zur Schule geht
 

Funfact für D. Trump-Hater: Er schien nicht damit einverstanden, dass er in Skam so schlecht weg kommt und hat sich wohl öffentlich per Twitter darüber beschwert. Macht er ja gerne...

Man merkt: Skam zieht Kreise :P
 

***EDIT: Einige wenige Clips funktionieren (derzeit und auf unbestimmte Zeit) auf der Skam Hauptseite daher verlinke ich sie hier:

http://skam.p3.no/2016/10/30/samme-tid-et-helt-annet-sted/

http://skam.p3.no/2016/10/31/familieselskap/

http://skam.p3.no/2016/11/02/pause/



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