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SKAM Season 3 "ISAK" (Special Extended)

(S 1 und 2 sind NICHT notwendig für die Story)
von

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03x01 - VIEL GLÜCK, ISAK! - (Lykke til, Isak!)

Sonntag, 02.10.2016 – 01:05 Uhr.

Inbrünstig sog ich den Rauch des guten Stoffs durch unsere Bong; aus einer Plastikflasche und diversen anderen Kleinigkeiten selbstgebastelt. Handmade Art, sozusagen. Wir hatten uns kurz zuvor ein Päckchen Marihuana besorgt, bzw. Jonas hat das Zeug von jemandem organisiert. Bei dem Typen hat er schon früher den Shit herbekommen.

Wir waren hier gerade auf einer Party bei Eva zu Hause, sonst lebt nur noch ihre Mutter hier und die ist immer wochenlang beruflich unterwegs. Was irgendwie zu beneiden ist. Also Eva, nicht ihre Mutter. Jonas und Eva waren mal zusammen. Ich bin da wohl nicht ganz unschuldig dran, dass das jetzt nicht mehr so ist. Irgendwie hab ich das damals ziemlich versaut. Hab Eva gesagt ich hätte Gefühle für sie, aber das stimmte nicht so ganz. Eine ziemlich abgefuckte Story, aber scheinbar für alle Beteiligten abgehakt.

Wir saßen hier gerade zu viert in der Badewanne, reichten die Bong von Einem zum Anderen und kifften, während unten die Party tobte. Ich wollte eigentlich nur Spaß haben, trinken und high werden, denn das ständige Gelaber der Jungs darüber, welche Mädels sie gerade im Auge haben oder wen sie generell ficken wollen, ging mir mehr als nur auf den Sack. Als gäbe es echt nichts anderes! Gerade, als das Gespräch mal wieder in diesem Thema gipfelte, schnappte ich mir die Bong zurück und versuchte mich so gut wie möglich vollzudröhnen. Hält doch kein Schwein aus!

„Das ist echt guter Shit... Fuck!“, versuchte ich das Thema wieder in irgendeine andere, weniger nervende Richtung zu lenken. Doch weit gefehlt. Jonas und der, seit diesem Jahr, Neue an der Schule, Mahdi, saßen links und rechts neben mir und führten eine angeregte Diskussion darüber, welches Mädchen die heißeste ist. Ich wusste ungefähr welche Jonas meinte, er hatte mich ja letzte Woche schon darauf hingewiesen, wie scharf sie ist und so ließ ich mich zu einem Statement hinreißen: „Nee, ich finde die nicht fickbar.“ Magnus, dem Vierten in dieser Runde, entgleisten die Gesichtszüge: „Huh?“ Sogleich wollte Jonas sich seine 'Wahl' von Mahdi bestätigen lassen und was dieser über sie denkt. Natürlich war er der selben Meinung wie Jonas. Nur, um dann noch einmal hervorzuheben, dass das auch für seine auserkorene, Emilie, gilt und sie ja doch die bessere ist.

Ich versteh's nicht. Okay, die sind ganz hübsch, aber sonst finde ich die echt nicht reizvoll. „Was ist los mit euch Jungs, habt ihr eure Ansprüche gesenkt?“, fragte ich also und Jonas konterte voller Unverständnis: „Was ist mit dir los, man?“ Während er anschließend an der Bong zog, faselte Mahdi mich von der Seite voll, was ich mit Standards will und dass ich lieber nicht so wählerisch sein sollte, bei meinem Aussehen. Eigentlich war mir nicht bewusst, dass ich irgendwie beschissen aussehe. Hatte zumindest nie den Eindruck, dass es jemand so empfinden würde. Wahrscheinlich meinte er das auch nur als Scherz und so warf ich lediglich einen gespielt bösen Blick in seine Richtung, bevor er wissen wollte: „Ist da echt keine, die du heiß findest?“ „Da muss doch eine dabei sein“, brummte Jonas von der einen Seite, während der Neue zu meiner linken klarstellte, dass er alle Mädels aus der ersten Stufe vögeln würde. Jetzt geht das wieder los...

Okay, okay! Wenn sie dann endlich Ruhe geben! „Da ist eine“, begann ich, doch irgendwie musste ich mir bei der Diskussion erst Gehör verschaffen: „Hört mal! Eine. Kurze, dunkle Haare. Ich weiß nicht wie sie heißt, aber die ist toll.“ Mahdi wusste scheinbar welche ich meine und bestätigte: „Die hab ich gesehen, die ist heiß.“ Jonas hatte sie offenbar auch aufm Schirm: „Die, die aussieht wie Natalie Portman.“ „Richtig, richtig, richtig. Die meine ich“, bestätigte ich und hoffte das Thema wäre damit mal vom Tisch, doch Jonas baute es lieber noch ein wenig aus: „Ich denke nicht, dass du bei der eine Chance hast, man.“

Fängt mein bester Kumpel jetzt etwa auch noch an über mein Aussehen zu nörgeln oder ist es was anderes zur Abwechslung? „Nicht in diesem Leben und auch nicht im nächsten“, legte Mahdi nach und weckte ein wenig meinen Ehrgeiz: „Ich habe sehr wohl eine Chance!“ Wäre ja nun echt nicht das erste Mädchen, was ich rumkriegen würde. So ist es ja nun nicht!

Während Magnus in seiner Ecke mehr als genug inhaliert haben musste, um die merkwürdigsten Geräusche von sich zu geben, zählte Jonas mir die Gründe auf, weshalb ich keine Chance hätte: „Der letzte Kerl, mit dem sie was hatte, war ein Model. Der war fast 20 Jahre alt. Und er war groß und dunkel. Du bist weder das eine noch das andere.“ „Okay, und wieso sollte mich das interessieren?“, fiel ich seiner 'ich bin nicht gut genug für sie'-Ausführung ins Wort und er erklärte: „Weil du dann weißt welche Standards sie hat.“ Mahdi pflichtete ihm bei. Aber irgendwas muss der Typ ja nicht gehabt haben oder nicht richtig gemacht haben, dass sie nicht mehr zusammen sind. Außerdem: „Wenn ein Mädchen schon was mit einem 20-Jährigen Model hatte, muss sie ja nicht noch so einen Typen haben wollen. Ich habe also eine Chance.“ Fertig! Selbst wenn sie noch so einen wollte, heißt das nicht, dass sie einen findet und der sie dann auch will.

Der letzte Zug den Magnus aus der Bong nahm, ging ihm offenbar richtig tief rein. Er hustete, doch ihm ging's gut. Daraufhin warf Mahdi Jonas die Tüte mit dem restlichen Marihuana zu: „Nimm du den Stoff!“ „Nee, ich hab genauso viel Stress damit wie du. Behalt es.“ Jonas warf es also wieder zurück und so ging es eine Weile weiter, dass das Päckchen über meinen Kopf hin und her geworfen wurde. Daher riss ich das Zeug schließlich an mich und sprach: „Dann nehm ich es. Jesus Christ!“ Gerade als ich es wegstecken wollte, nahm Mahdi es mir aus den Händen: „Es ist nicht deines.“

Okay, er hat sicher das meiste davon gezahlt, aber ein paar Kronen hab ich auch dazu gegeben! Außerdem wollte er es ja selbst nicht mit nach Hause nehmen, weil sonst seine Mutter rumstresst.

Hab sie nur einmal aus der Ferne erlebt, aber die Frau ist echt finster drauf. Okay, seit über einem Jahr oder so, ist auch meiner Mutter nicht mehr zu helfen. Erst recht seitdem mein Vater sie vor einigen Monaten verlassen hat. Ich hab damals noch eine Weile zu Hause gewohnt, aber es irgendwann nicht mehr ertragen, zuzusehen wie meine Mutter immer mehr am Rad drehte. Deshalb wohne ich nun in der WG, in der Noora zuvor lebte, eh sie mit diesem Wilhelm oder William, what ever, nach London zog und ihr Zimmer frei wurde. Noora ist ein Mädchen in meinem Alter und eine Freundin von Eva. Die wiederum ist ja die Ex-Freundin von Jonas, meinem besten Freund.

Dass das Zimmer damit zur Verfügung stand, kam damals wie gerufen für mich. Papa hatte den Kontakt zu mir nicht abgebrochen, als er sich von Mama trennte. Er schreibt immer mal und fragt wie es mir geht und so. Ich antworte aber immer seltener. Keine Ahnung warum. Das Leben stresst mich im Moment einfach zu sehr. Schule stresst, und die Jungs mit ihren Weibergeschichten stressen mich auch. Da fühlt man sich kein bisschen unter Druck. Nein...

Mahdi hatte jedenfalls kein großes Vertrauen in mich. Er würde mich ja gar nicht kennen, sagte er. „Mich nicht kennen? Was laberst du da?“ „Das sind tausend Kronen!“, war seine dürftige Erklärung und Jonas machte Mahdi eine umfassende Ansage, weshalb das Marihuana bei mir gut aufgehoben sei, woraufhin ich es schließlich doch wieder überreicht bekam. Dankend krallte ich mir die Tüte und steckte es in die Jackentasche. „Was würdet ihr nur ohne mich tun?“

In dem Moment riss jemand die Tür zum Bad auf, welches wir so schön eingeräuchert hatten. Irgend so eine kleine Blonde trat herein und Jonas beugte sich vor um sie anzusprechen: „Was geht'n jetzt? Mach die Tür zu!“ Sie stand noch immer an der offenen Tür und teilte uns mit aufs Klo zu müssen. Ich vermute mal, sie wollte, dass wir rausgehen. Doch keiner von uns rührte sich auch nur einen Zentimeter. „Ja, dann mach endlich die scheiß Tür zu!“, forderte Jonas sie noch einmal auf. Sie kam dem nach und verrichtete einfach auf dem WC direkt neben unserer Badewanne ihr Geschäft. Was Jonas sichtlich nicht uninteressant fand. Als noch ein weiteres Mal jemand die Tür aufriss, diese jedoch auch gleich wieder schloss, wurde es langsam echt voll hier drinnen. „Hallo? Du kannst doch nicht einfach abhauen! Ich saß da allein bei diesem Nerd fest!“, sprach die andere, die eben dazu kam und nun erkannte ich auch wer sie war. 'Meine' Natalie Portman. Shit! Ist das jetzt gut oder schlecht?

Magnus tippte mich an und flüsterte: „Deine Freundin!“ Okay, eindeutig schlecht. Irgendwie würden jetzt alle, inklusive mir selbst, erwarten, dass ich was unternehme. Ein Plan musste her!

Mein Hirn ratterte, während sich die beiden Mädels kein Stück für unsere Anwesenheit zu interessieren schienen, sich aber darüber beschwerten wie beschissen lahm die Party sei und nebenher noch die Schränke nach irgendwelchen Pillen durchwühlten.

Magnus ergriff die Initiative und sprach sie an: „Hallo“, doch keine Reaktion kam von den beiden, sie kramten einfach weiter in den Schubladen herum. „Viel Glück, Isak!“, giggelte er belustigt. Sich bekifft und auf die Schnelle was einfallen zu lassen, ist nicht so einfach wie man annehmen könnte. Als die Mädels darüber rätselten, welche Pillen sie kürzlich geraucht haben könnten und ob die, die sie gerade in der Hand hatten, auch so reinhauen, kam mir da so ein Gedanke. „Weißt du, wem du ähnlich siehst?“, sprach ich 'meine Freundin' daher an und mir schenkte sie nun doch Beachtung. Von wegen keine Chance... „Ja“, war ihre Antwort und sie lächelte sogar fast ein wenig. Da kam mir ganz spontan noch ein anderer Gedanke dazwischen und ich sagte: „Wie der kleine Junge aus 'Stranger Things'.“ Mags prustete ungehalten los und auch ich konnte mir selbst kaum das Lachen verkneifen, bevor ich fortfuhr: „Du weißt schon, der kleine Junge, der eigentlich ein Mädchen ist, Eleven.“

Okay, das war nicht der Plan, den ich anfänglich ausarbeiten wollte, aber er war wesentlich lustiger in der Umsetzung. Was die blonde Freundin von ihr wohl nicht so empfand „Das ist echt frech!“ Ich konnte nicht widerstehen, auch noch einen drauf zu setzen: „Nein, sie ist doch ganz süß. Wenn dich 13-jährige Jungs anturnen.“ Meine Kumpels, allen voran Magnus, feierten. „Äh... w-was?“, kam es ungläubig von ihr und sie verschränkte abwehrend die Arme.

Nun musste ich aber langsam das Spiel beenden: „Ich mach nur Spaß!“, bevor sie richtig angepisst ist. Was mir im Grunde eigentlich egal ist. Aber wie sollte ich bitte den Anderen erklären, wieso ich sie derart sauer mache, wenn ich doch was von ihr will? Das ergäbe keinen Sinn. Und Späße auf Kosten anderer zu machen, ist auch nicht die feinste Art.

„Wirklich. Das war nur ein Witz. Entschuldige“, war mein Versuch zur Beschwichtigung und so setzte ich zudem mein charmantestes Lächeln auf, dass ich hervorkramen konnte. „Ich heiße Isak. Wie heißt du?“ „Emma“, antwortete sie zögerlich, weshalb ich ihr auch gleich noch ein Kompliment machte: „Emma? Du bist verdammt hübsch.“ Komplimente ziehen eigentlich immer. Egal, was ich bisher verbockt habe.

„Wir hauen ab!“, schlug Emmas blonde Freundin vor, blieb dann aber doch noch, da Emma selbst keine Anstalten machte gehen zu wollen. Stattdessen reichte sie mir die Pillenschachtel, die sie eben raus gekramt hatte und fragte: „Weißt du, ob die wirken?“ Bingo! Ich bin wieder im Spiel. „Lass mal sehen“, bat ich also und hievte mich aus der Badewanne, nahm die Schachtel entgegen und las: „Zyrtec? Sind Allergie-Pillen. Die machen nur müde.“ Meine Mutter hat nimmt die gelegentlich im Sommer, nebst einiger anderer Tabletten, vielleicht ist sie deshalb verrückt...

„Willst du was, das wirkt?“, fragte ich sie deshalb und sie schien interessiert: „Hast du was?“ Jackpot. „Kann sein“, beantwortete ich ihre Frage und fummelte eine Pille aus meiner Hosentasche. Nichts Wildes. Nur Ibuprofen. Die nehme ich manchmal, präventiv gegen 'nen Kater, wenn ichs beim Saufen übertreibe.

Ich legte die Tablette auf meine Zungenspitzen und wartete ab, ob sie anbeißt. Wortwörtlich. Sie drehte sich kurz zu ihrer Freundin um und begann mich dann ohne Umschweife zu küssen. Ziel erreicht. Emma bekommt, was sie will: 'ne Pille, und die Jungs bekamen was sie wollten: dass ich mit dieser Emma rummache. Was wir nun taten. Ihrer Freundin wurde es dann doch zu blöd, sie verließ das Bad und wenig später setzten sich auch noch meine Kumpels in Bewegung, um sich was zu Essen zu suchen und mich mit diesem Mädchen alleine zu lassen. Das passte mir allerdings gar nicht. Für wen mach ich denn die Show? Nicht für mich... Wobei, gewissermaßen schon.

Sie, Emma, ist ja wirklich hübsch und so. Aber, ich weiß auch nicht. Sie ist einfach nicht interessant, oder anziehend. Da ist einfach nix. „Verdammt gut, Isak“, war das was ich zum Abschied von Magnus hörte, als er der letzte war, der zur Tür raus ging und diese hinter sich verschloss. Na toll, jetzt bin ich mit ihr alleine und sie macht nicht den Anschein, als wäre es für sie mit der Ibux-Tablette erledigt gewesen.

Sie begann an mir herum zu fummeln, was mich in meiner Konzentration störte, aber als sie langsam an mir abwärts wanderte, wurde mir das ganze echt zu heiß. Aber nicht im angenehmen sinne 'heiß'. „Eeey..!“, versuchte ich also ihr Tun zu unterbinden und dabei möglichst noch freundlich zu bleiben. „Hey, was ist?“, wollte sie lächelnd wissen, weshalb ich sie eben gestoppt hatte. Doch eine Antwort wartete sie nicht wirklich ab. Nicht, dass ich eine gehabt hätte.

Anyway, sie knutschte mich einfach weiter, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die ganze Farce einfach ein Ende nehmen musste. Umso mehr, da Emma noch einmal gen Süden unterwegs war und ich notgedrungen einen Schritt zurück wich: „Ja...“, als sich ihre Finger gerade über meine Gürtelschnalle hermachen wollten. Verständnislos sah sie mich an, kam aber nicht dazu blöde Fragen zu stellen, denn in dem Moment platzte ihre Freundin hinein und verkündete: „Emma, Yousef ist hier.“

Ich kann nicht leugnen, dass die Situation mehr als unangenehm war, wahrscheinlich für uns beide. Und im Grunde bin ich auch selbst schuld...

Die Mädels ließen mich kommentarlos im Bad zurück. Ich hatte daher einen Moment um meine Gedanken zu sammeln und den Scheiß zu verfluchen, den ich wieder mal fabriziert hatte. Ich Trottel hätte sie einfach machen lassen sollen. Ich hätte es einfach zulassen sollen. Ich hätte ja selbst nicht mal viel tun müssen, wenn sie es doch wollte. Keine Ahnung. Die ganze Sache war echt abgefuckt.

Aber vielleicht hätte ich keinen hoch gekriegt. Na, das wäre erst ein Desaster gewesen! Dann hätte ich mich einfach zusammenreißen und an irgendwas oder irgendwen anderes denken sollen, was mich scharf macht.

Shit, verfluchter! Aber ich kann das jetzt auch nicht einfach stehen lassen. Ich muss mir nur was plausibles einfallen lassen, weshalb ich 'nicht konnte'. Dass Mama kürzlich wieder einen Nervenzusammenbruch hatte, oder meine Hund gestorben ist, oder meine Oma. Wobei, nee, die kann ich nicht schon wieder sterben lassen. Dabei ist sie noch nicht mal tot, nur nach Spanien ausgewandert, wo die Wärme ihrer Gesundheit besser bekommt, als die Kälte hier. Fuck, ey! Irgendwie muss ich das wieder hinbiegen! Ich machte mich auf den Weg nach unten, wo die Party noch voll im Gange war, um Emma zu suchen. Mir würde schon was einfallen, wie ich das erkläre.

„Hast du Eva gesehen?“, wollte Vilde, plötzlich neben mir auftauchend, wissen und ich schüttelte den Kopf: „Nein.“ Ich hatte andere Sorgen als in dem Gedrängel auch noch nach Eva zu suchen. Als mein Blick durch das Wohnzimmer schweifte, bemerkte ich vor mir ein paar Typen, die offenbar vor hatten den Fernseher zu entwenden. Ich war mir nicht sicher, ob ich die kannte und ob das überhaupt genehmigt wurde. Was aber auch im nächsten Moment schon wieder völlig egal war, denn ein noch größeres Problem tat sich auf. Irgendwer hatte die Bullen gerufen und diese schienen sich gerade von der Haustür aus durch die ganzen Gestalten hier zu arbeiten. Wahrscheinlich hat Vilde deswegen Eva gesucht...

Ich bin noch keine 18 und sollte daher weder betrunken noch bekifft sein. Außerdem hatte ich das verdammte Marihuana in der Jackentasche und konnte deshalb ganz schlecht einfach vorbei spazieren. Die werden mich wahrscheinlich filzen. Meine Klamotten riechen mit Sicherheit auch danach. Ich musste das Zeug hier irgendwie verstecken.

Unauffällig begab ich mich durch die Masse an Leuten weiter nach hinten, an den Rand des Raums und sah mich nebenher nach guten Versteckmöglichkeiten um. Eine davon war schnell gefunden. Ein unscheinbares Gefäß auf einem kleinen Schrank. Perfekt! Da passt es rein und da wird sicher niemand suchen! Die scheiß Polizisten rückte immer näher vor, weshalb ich mich tunlichst beeilte den Stoff unauffällig in dieses Ding zu stecken. Und jetzt nichts wie weg!

An den uniformierten Typen drinnen vorbei schleichend, verließ ich Eva's Haus und wollte mich ungesehen aus dem Staub machen, um Stress zu vermeiden. Vor der Tür angekommen, sah ich wie die Bullen auch hier draußen zu Gange waren und wie sie gerade irgendeinen Typen aufrichteten, der komplett im Arsch war. Doch damit wollte ich mich jetzt nicht auch noch beschäftigten. Über eine Lücke im Zaun verdrückte ich mich und wähnte mich schon in Sicherheit, als mich eine Polizistin am Arm festhielt: „Hi, wo willst du hin?“ „Eh, nach Hause“, beantwortete ich ihre Frage und versuchte dabei möglichst brav und unverdächtig zu wirken. „Du gehst nach Hause?“, wiederholte sie und ich bestätigte knapp: „Ja.“ „Aber über den Zaun?“, hakte sie nach und ich schaute mich kurz um, eh ich abermals bestätigte: „Ja.“ „Alle anderen gehen durch das Tor da drüben“, verwies sie mit einem Handzeig auf eben jenes. Shit, Fuck! So viel zu unauffällig...

Ich geriet ins Stottern und natürlich ließ sie nicht locker: „Hast du einen Ausweis dabei? Irgendwas, wo deine Name und dein Geburtsdatum draufsteht. Bankkarte, Führerschein.“ Ich hörte in dem Augenblick ein Pfeifen und folgte dem Ursprung des Geräuschs. Es war Jonas und er wartete unweit von hier auf der Straße mit seinem Fahrrad. Die perfekte Fluchtmöglichkeit! Jetzt muss ich nur noch hier wegkommen! „Nein“, beantwortete ich also ihre Frage und das war noch nicht mal gelogen. Wenn ich nicht zwingend Ausweise oder andere Karten brauche, lass ich den Kram zu Hause, eh ich den Mist irgendwo im Suff liegen lasse.

„Gar nichts?“, fragte sie unnachgiebig und zum drölfzigsten mal bestätigte ich: „Nein.“ „Wie heißt du?“, ging die Fragerei in die nächste Runde und ich log: „Adrian Eksett.“ „Adrian. Und wie alt bist du?“, kam es von ihr und ich wollte gerade '18' sagen, als sie mich unterbrach: „Warte kurz.“ Sie ging an ihr Funkgerät, welches sie an ihrer Schulter griffbereit trug und ich nutzte den Moment ihrer Unaufmerksamkeit, um endlich das Weite zu suchen. Ich sprintete so schnell ich konnte zu Jonas hinüber und sah zu, dass ich irgendwie halt auf dem Gepäckträger fand, als er mit mir hinten drauf los fuhr. Scheißegal wie das ausgesehen haben musste und wie beschissen weh das zwischen den Beinen tat. Hauptsache weg!

„Ich hab die Bullen schon anrücken sehen, als ich mein Fahrrad geholt hab!“, rief mir Jonas während der sehr eirigen Fahrt zu. „Möchte wissen wer die gerufen hat. So laut war's doch gar nicht. Außerdem ist Wochenende“, tat ich meinen Unmut darüber kund, wie abrupt das ganze ein Ende nahm. „Bestimmt der alte Sack da am Ende der Straße. Den hat schon immer alles und jeder gestört... Weißte, der kriegt dahinten eigentlich am wenigsten ab, aber er ist der erste der Stress macht“, moserte er drauf los.

Er kannte den Mann, mehr oder weniger. Hat mal erzählt, dass der schon gedroht hat die Bullen zu rufen, als er mit Eva zu dicht an seinem Zaun stand und sie geknutscht haben. „Fuck the Police!“ rief ich ihm also zu und Jonas wandte sich in dem Moment, als wir am Haus des vermutlichen Party-Sprengers vorbei fuhren, in dessen Richtung: „Und dich gleich mit!“ „Yeah!“, feuerte ich meinen besten Kumpel an. Er zückte sein Handy und nahm uns auf, während wir gröhlend am besagten Haus vorbei fuhren. Ich gab ihm jedoch wenige Meter weiter zu verstehen, dass wir dringend anhalten müssen. Ich konnte echt nicht mehr auf dem Ding sitzen!

„Und was ging noch, mit dieser eh... Emma?“, fragte er mich nach einigen Schritten zu Fuß, die wir nun recht wortarm nebeneinander her liefen. „Sie wollte zur Sache kommen... und sie war auch gerade so richtig dabei.. und so“, begann ich die Story etwas mehr auszubauen, als wirklich passiert ist und hatte daher vollste Aufmerksamkeit: „Und weiter?“ „Ach... sie musste weg.“ War nicht ganz gelogen, entsprach aber auch nicht ganz der Wahrheit. „Hm, Scheiße...“, war seine Anteilnahme und ich nickte nur: „Mhm...“ Wieder trat eine Stille ein, die irgendwie bedrückend war, eh Jonas sie durchbrach: „Willst du sie wieder sehen?“ Ich sah ein Stück in seine Richtung und merkte, dass er mich vermutlich direkt anschaute, weshalb ich es vermied ihm ebenfalls in die Augen zu sehen. Er kannte mich inzwischen lange genug, um zu merken wenn mit mir was nicht stimmte. Da ich aber alles dran setze, dass nicht mal er merkt, dass mir dieser ganze 'Mädels hier, Freundin da'-Kram so tierisch auf die Ketten geht, musste ich mir auch immer wieder was neues einfallen lassen. Was kann ich denn dafür, wenn ich bisher keine getroffen hab, die auch nur ansatzweise interessant ist?

„Ja, ich denke schon...“, murmelte ich und kickte den Stein weg, der so schön einladend auf dem Fußweg lag. Jonas nickte und tat mir einen großen Gefallen, in dem er das Thema wechselte: „Nächstes Wochenende macht dieser Julian Dahl 'ne Party!“ Ich musste schmunzeln: „Dieser reiche Typ aus der dritten Stufe? Der, der mich auf Instagram stalkt?“ „Joa. Bei dem gibt’s immer so krass viel zu Essen. Und das schmeckt immer so krass genial!“, kam es begeistert von Jonas und ich musste lachen: „Voll krass!“ Nun brachen wir beide in Gelächter aus, über die gehäufte Verwendung dieses Wortes. Muss am Marihuana gelegen haben... „Free food, you'll find me there!“, giggelte er, als wir um die Ecke und in die Straße einbogen, in der ich wohne.

Die Stimmung war gerade so gut, dass ich lieber nicht erwähnen wollte, dass ich das Marihuana bei Eva versteckt habe. Wir waren eh fast bei mir und vielleicht fällt mir ja noch was ein, wie ich den Stoff zurück bekomme, eh Eva überhaupt merkt, dass da was bei ihr war und eh die Jungs merken, dass es weg war.

Wir verabschiedeten uns vor der Tür und Jonas fuhr davon. Ich schlich die Stufen hinauf in unsere Wohnung und hörte, dass Eskild, mein Mitbewohner, offenbar wieder den 'König der Löwen' zu Besuch hatte. Nicht das erste Mal. Aber immer wenn der Kerl, ich kenne seinen Namen nicht, aber ich nenne ihn einfach 'Elton', da ist und es mit Eskild krachen lässt, dröhnt 'Circle Of Life' in Endlosschleife durch die Bude. Augen verdrehend schlürfte ich in mein Zimmer und hoffte, dass das Treiben nebenan ein baldiges Ende finden würde.

Ohne, dass es irgendwer so genau wissen wollte, hatte Eskild vor einiger Zeit am Frühstückstisch mal droppen lassen, dass 'Elton' erst bei dem Song so richtig in Fahrt kommt. Linn, meine andere Mitbewohnerin, hatte das Thema angestoßen, weil sie sich damals über die Lautstärke beschwerte und eigentlich braucht es viel, damit jemand wie Linn sich überhaupt über irgendwas aufregt. Als Mitmensch ist sie sehr pflegeleicht. Man sieht und hört sie kaum. Im Gegensatz zu Eskild.

In der Tat, musste ich gerade den letzten Akt erwischt haben, denn kaum war ich in meinem Zimmer und schälte mich aus den verqualmten Klamotten, war endlich Ruhe. Es war ja mittlerweile sicher halb 3 Uhr Nachts oder noch später. Ich ließ mich nur noch in T-Shirt und Unterhose ziemlich müde ins Bett fallen und schlief.

Relativ lange und gut. Ich schlafe eigentlich gerne. Und vor allem schlafe ich gerne lange aus. Mich nervt Aufstehen extrem und ich brauche morgens einfach immer meine Zeit, um mit der Welt klar zu kommen. Weiß nicht wie andere Menschen das machen, die in aller Frühe freudestrahlend aus dem Bett springen. Meine Laune ist morgens generell scheiße. Oder sagen wir: zu dem Zeitpunkt, zu dem ich aufwache. Was nicht immer morgens ist. Vor allem nicht am Wochenende. Linn nennt mich daher gern 'Grumpy'. Dabei ist sie selbst nicht gerade der Sonnenschein.
 

Sonntag, 02.10.2016 – 11:20 Uhr

Auch heute war so ein Tag, an dem ich erst gegen Mittag wach war und mich erst mal wieder zurechtfinden musste. Eines der ersten Dinge, die ich aber trotz aller fehlenden Motivation tue, ist ein Blick aufs Handy zu werfen. Nur, wo war dieses blöde Teil? Planlos sah ich mich vom Bett aus um, schaute links und rechts und fand dann meine Hose. Ich durchwühlte die Taschen und fand dabei die Ibux-Tabletten. Shit. Da war ja was mit dieser Emma... Genervt warf den Rest zur Seite und nahm das Smartphone zur Hand.

In einer halbwegs gemütlichen Position saß ich nun im Bett und checkte meine Nachrichten. Eine Freundschaftsanfrage von Emma in Facebook. Hab offenbar nicht ganz bei ihr verkackt. Jonas hat mich angerufen und mir was geschrieben. Mama ebenfalls und wie so oft, irgend einen Scheiß aus der Bibel, den ich mir nur halbherzig reinzog. Für den Mist hab ich echt keinen Nerv, schon gar nicht jetzt. Ich klickte die Nachricht weg und las was Jonas schrieb: Hast du unseren Stoff noch? Ruf mich an, wenn du wach bist. Die Polizei hat irgendwas bei Eva gefunden. Sie ist richtig angepisst und denkt, dass es meins ist.

Großartig. Ich hatte nicht wirklich Bock dazu, solche Gespräche direkt nach dem Aufwachen zu führen, aber was soll's. Ich rief Jonas an, doch bei ihm ging nur die Mailbox ran. Hat das Handy vielleicht aus gemacht, um Evas Zorn aus dem Weg zu gehen. Jedenfalls schrieb ich ihm gleich zurück: Dann geh doch an dein Telefon. Sorry, ich musste es bei Eva verstecken. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die das gefunden haben, weil ich es gut versteckt habe. Ich bring das in Ordnung. Ruf mich an.

Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, rumpelte es an meiner Tür und sowohl Eskild als auch Linn platzten hinein. „Isaaak! Hey, er ist wach! Mit einer heftigen Morgenlatte.“ Mein Mitbewohner wie er leibt und lebt. Ich meine... What the fuck, man?!

Er hatte sein Smartphone in der Hand und schwenkte es durch mein Zimmer: „Guck! Die Höhle des Teufels, nenne ich das!“ In Momenten wie diesen, könnte ich Eskild erwürgen. Ich war echt noch nicht bereit für die Öffentlichkeit, denn er hatte augenscheinlich mit jemandem eine Videotelefonie am laufen.

Die Beiden kamen auf mich zu. Die wollen doch jetzt nicht...? Doch. Meine Mitbewohner krochen zu mir ins Bett und legten sich links und rechts neben mir ab. „Willst du Hallo sagen?“ fragte er und ich wusste ja noch nicht mal zu wem, weshalb ich auch keinen Ton sagte. „Hi, guten Morgen! Hast du gut geschlafen?“, sprach Eskild einfach weiter mit mir, ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, während es sich die Beiden neben mir zusehends gemütlich machten und mein Mitbewohner mich noch einmal aufforderte: „Sag: Hi, jetzt mach schon.“

Ich hasste ihn in diesem Augenblick so sehr. Fürs Reinplatzen, für seine gute Laune, für die manchmal aufdringliche Art... einfach alles. Aber ich tat mein bestes, mir meinen Unmut nicht anmerken zu lassen, als ich zumindest mal erkennen konnte mit wem er da Video-chattete. „Hi!“, wandte ich mich an Noora auf dem kleinen Handybildschirm und winkte dabei sogar. Linn fand es lustig und Eskild erwähnte noch einmal meinen nicht verwunderlichen Allgemeinzustand: „Er ist noch ein bisschen mürrisch und müde.“ Immerhin erkennt er das. Und kuscheln mit Küsschen wollte er auch gleich.

„Hi, Isak!“, hörte ich nun Nooras Stimme im Handy und bevor mich erneut jemand auffordern konnte, begrüßte ich sie noch einmal: „Hi, Noora!“ Doch Eskild wurde mir gerade echt zu anhänglich. „Lass den Scheiß, Eskild!“, moserte ich und versuchte ihn irgendwie auf Abstand zu kriegen. „Entspann dich!“, hörte ich es von ihm direkt neben mir, eh sich Noora wieder zu Wort meldete: „Und was macht ihr heute so?“ „Entspannen, denke ich“, antwortete Linn ihr und unser gemeinsamer Mitbewohner stimmte ihr zu: „Ja, schön entspannen.“ Ich wünschte, man hätte mich mal entspannen lassen, eh ich zu so was hier genötigt werde...

„Ich verkaufe auf dem Vestkanttorget meine Warhammer-Sammlung“, warf Eskild plötzlich in den Raum, stellte aber gleich klar, dass es ein Scherz sein würde. Wenn es etwas gibt, das diesen schrägen Vogel irgendwie 'normal' wirken lässt, dann dass er ein Faible für die Bücher und Figuren von Warhammer hat. Die würde er nie und nimmer auf dem Flohmarkt versetzen. „Ich geh zum Joker und kaufe Fischkuchen. Spaß!“, scherzte er ohne die Miene zu verziehen weiter. Auch wenn der Joker-Supermarkt Sonntags offen hat, so hat sich Noora, laut Eskild, immer dagegen ausgesprochen, an Sonntagen einkaufen zu gehen. Um die Mitarbeiter dort zu entlasten. Außerdem gab's da wohl mal eine Geschichte, wo er ihre Fischküchlein weg gefuttert hatte und Noora deswegen richtig angepisst war. Eigentlich sind das mehr Klöße als Kuchen, wenn man mich fragen würde. Aber ich bin eh kein großer Fisch-Fan.

„Ich mache 'ne große Kanne Fun-Light* und zieh mir einen Film rein. Mit Linn. Wir machen es uns gemütlich“, war dann wohl die erste ernstgemeinte Aussage von dem neben mir Liegenden und Noora schien schon ein klein wenig wehmütig, dass sie nicht dabei sein konnte. Weshalb Eskild sie auch fragte, was sie denn vorhaben würde. Ich versuchte dem Gespräch so gut es ging zu folgen, auch wenn ich lieber meine Ruhe hätte. Noora, die ja nun mit William in London wohnt, wollte ins Museum und das wahrscheinlich allein, da ihr Freund viel arbeiten musste und sie dort noch kaum jemanden kennt. Wenn man Eskilds besorgte Ratschläge zusammen fasst, sagte er ihr im Grunde nur, dass sie rausgehen und Spaß haben soll; in Clubs mit Drinks, und nicht in langweiligen Museen versauern dürfe. Sie versicherte ihm genug Spaß zu haben, doch ich persönlich meine, dass ich es erkenne, wenn jemand vorgibt, etwas zu sein, was er nicht ist. Irgendwie sehe ich das jeden Tag im Spiegel. Daher hielt ich mich auch zurück und befreite erstmal meinen Arm, auf dem Eskild schon die ganze Zeit drauf lag.

Noora machte es im Grunde wie ich. Versuchen das Thema zu wechseln, wenn man nicht mehr auf irgendwelche bescheuerten Fragen antworten will: „Aber, eh... Aber wie ist's mit Isak zu Hause? Ist es okay?“ Blöderweise ging's damit wieder mal um mich, was Eskild neues Futter gab: „Er bezahlt seine Miete nicht, weißt du?“ „Ich werde zahlen“, versicherte ich schnell. Es ist nur so, dass ich das Geld von meinem Vater bekomme und da hab ich mich in letzter Zeit auch nicht oft gemeldet.

„Und er riecht nach Furz. Jungsfurz“, konnte er es einfach nicht lassen mich zu necken, was mich eigentlich schon wieder tierisch nervte und die Augen verdrehen ließ, als er Noora sagte wie gut sie riechen würde. Im selben Moment teilte sie uns mit, dass gerade noch ein weiterer Anruf von Eva eingehen würde und sie auflegen müsse.

Gott sei dank hatte der Mist nun endlich ein Ende und die Beiden verließen mein Zimmer wieder. Dann endlich hatte ich meine Ruhe. Ruhe, die ich dringend benötige, wenn ich morgen wieder als vollwertiger Mensch in der Schule auftreten will. Ich hab 'nen Arsch voll bald anstehender Tests und müsste dafür lernen, um nicht ganz mit den Noten abzusacken und ich muss mir zudem 'nen Kopf machen, wie ich an unseren Shit bei Eva komme. Gesetz des Falls, dass die Bullen es nicht gefunden haben. Das Geld für die Miete musste auch noch her und die Sache mit Emma stand ebenfalls noch irgendwie im Raum. Verdammte Scheiße, wie soll ich das alles auf die Reihe kriegen?
 

Ich beschloss Eva noch am frühen Nachmittag zu schreiben: Yo. Sie meldete sich auch gleich und ich fragte zunächst wie es ihr geht, was sie macht und natürlich über den Stress, den es bei ihr wohl gab. Der übliche Smaltalk. Vilde war offenbar bei ihr und mischte sich nun in unseren Chat ein. Unverhohlen fragte sie mich: Hast du mit dieser Emma aus dem ersten Jahr rumgemacht?, weil sie davon gehört hatte und ob ich die ganzen Leute aus der ersten Stufe angeschleppt hätte. Das war krank, wie viele aus dem ersten Jahrgang da waren. Nur Leute aus dem zweiten und dritten Jahr waren eingeladen, ließ sie mich wissen. Da ich mir das aber ausnahmsweise nicht habe zu schulden kommen lassen, kam ich auch gleich zum Punkt und schrieb: Sick. Aber Eva, ich hab einen Pullover bei dir zu Hause vergessen. - Kann ich zu dir kommen und danach suchen? Doch sie antwortete plötzlich einfach nicht mehr, auch nicht nach meinen: ???. Da war zwar auch kein Pullover, aber noch immer das Marihuana, was ich eigentlich abholen wollte.

Zwar hatte ich es ansatzweise geschafft mich im Laufe dieses Tages mental darauf einzustellen, mal was für die Schule tun zu können, doch wie das halt so ist, warf ich mal wieder einen Blick aufs Handy und ließ mich dadurch ablenken, was bei den Jungs in der Chatgruppe stand. Es ging um Emma und mich. Wer hätte es vermutet...

Während Magnus offenbar nach noch mehr Party zumute war und er außerdem mich als seinen Gott bezeichnete, wies Jonas auf etwas anderes hin: Du bist gefährlich Isak, gibst Ibux an Mädchen aus dem ersten Jahr. Niemand hat sie gezwungen, sag ich mal... Auch Mahdi meldete sich damit, dass Emma es ja geglaubt hätte, dass mein Ibuprofen guter Stoff ist, weshalb ich belustigt schrieb: Ja, sie war verdammt high. – Ich versicher dir, die Bitch ist verrückt, meinte Jonas und das Gefühl hatte ich irgendwie auch.

Ich meine... wer nimmt Pillen von völlig fremden Leuten an oder versucht es ein zweites mal mir an die Wäsche zu gehen, nachdem sie abgeblitzt ist? Aber vielleicht war sie ja auch vorher schon auf irgendwas drauf und hat nicht mehr viel mitgekriegt.

Mahdi wollte wissen was noch lief, also antwortete ich: zwei Buchstaben, und hielt mich relativ kryptisch damit. Magnus war natürlich am ausrasten, als er: B-J?, also einen Blow-Job vermutete und es genau wissen wollte: Echt? - Machst du Witze? - Hallo?

Ich zog es aber vor, das ganze unkommentiert und unbestätigt zu lassen. Sollen sie glauben was sie glauben wollen. Ähnlich wie bei der Sache damals, als ich Eva gewissermaßen habe selbst darauf kommen lassen, dass ich Gefühle für sie hätte, um meinen Bullshit, den ich zwischen ihr und Jonas verzapft hatte irgendwie zu rechtfertigen. Das war damals schon so abgefuckt. Aber es funktionierte, irgendwie.

Warum zur Hölle macht da jeder so einen Wind drum? Hat sich denn keiner um seinen eigenen Scheiß zu kümmern? Und wenn er keinen hat, dann vielleicht mal dafür zu sorgen, damit ich meine Ruhe hab? Okay okay, ich bin teilweise auch selbst schuld. Warum auch immer ich dann doch irgendwas tue, um anderen zu gefallen. Vielleicht bin ich einfach nur dämlich... Das wird’s sein.

Ich beschäftige mich 'gern' mal nachts damit, darüber zu grübeln wie dämlich ich mich manchmal anstelle. Nicht, weil ich mir gern die Nächte auf diese Weise um die Ohren schlage. Mein Hirn lässt mir nur einfach keine Wahl. Ins Bett fallen und schlafen können, das ist einer meiner Träume. Aber wenn man ständig irgendwelchen Mist am Hals hat und immer wieder beweist wie bescheuert sich ein Mensch anstellen kann, um das alles irgendwie wieder hinkriegen zu wollen und nur noch mehr Mist dabei rumkommt, dann endet man nur mit Schlaf-armen Nächten. So wie ich. Ich sag ja: dämlich...

So dämlich wie auch an diesem Morgen. Montage sind sowieso eine der ätzendsten Erfindung. Wobei, wenn es den nicht gäbe, wäre es der Dienstag, der ätzend ist. Aber ich denke, dass ich damit nicht alleine dastehe. Niemand mag Montage. Außer vielleicht die, die auch gern morgens gutgelaunt aus dem Bett springen. Leider geht mein Stundenplan montags auch noch immer sehr früh los. Weshalb ich absolut lustlos an diesem Morgen allein in der Küche stand. Eskild hat diese Woche Spätschicht und pennt um diese Zeit noch, daher war nicht mal Kaffee gekocht, was ich nun auch noch tun musste. Linn trinkt keinen und schlief ebenfalls noch.

Während also die Kaffeemaschine durch ratterte und ich noch im Halbschlaf an der Küchenzeile lehnte, dachte ich darüber nach, dass alles dennoch besser ist als meine durchgedrehte Mutter zu ertragen. Wer nachts um 4 Uhr 'A Girl From Ipanema' auf Anschlag hoch dreht, der kann echt nicht mehr ganz dicht sein.

Gähnend begab ich mich zum Kühlschrank und holte schon mal die Kaffeesahne raus. Kurz darauf war der Kaffee durchgelaufen und anschließend in eine Tasse gekippt. Beinahe hätte ich Eskilds Lieblingstasse gegriffen. Beide meiner Mitbewohner haben so ein Ding. Damit ist nicht zu spaßen. Mir ist das völlig wurscht, ich hab keine Lieblingstasse. Ich würde auch aus einem Bierglas mein Koffein konsumieren.

Schlaftrunken nahm ich die Kaffeesahne zur Hand und schwappte versehentlich zu viel aus der Packung. Das weiße Zeug floss in Rinnsalen über meine Hand, direkt auf die Arbeitsplatte. „Fuck, ey...“, stöhnte ich genervt. Doch bei dem Anblick musste ich an einen Traum denken, der mir seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf geht und sich in Momenten wie diesen nur allzu sehr in meine Erinnerung drängt.

Ich glaube, der Traum spielte zu der Zeit, als ich noch im ersten Jahr der Oberstufe war. Ich befand mich in einer der Umkleidekabinen der Turnhalle. Frisch geduscht, saß ich etwas Abseits von den anderen Jungs dort auf einer Bank. Die Anderen, das waren viele aus der damaligen dritten Stufe. Welche, die ich als gutaussehend beschreiben würde. Und Jonas. Der war auch da. Und warum auch immer, aber die Jungs begannen sich gegenseitig mit Wasser aus Flaschen zu bespritzen, bis sie nur so trieften. Sie hatten alle weiße Unterhosen an. Und auch nur diese. Sonst hatte man gute Sicht auf ihre freien Oberkörper und die zumeist leicht muskulösen Arme. Ich sag nur: Viel Wasser und weiße Wäsche...

Jedenfalls konnte ich da kaum wegsehen und bemerkte nebenher wie Jonas nach einem Päckchen Milch aus seiner Tasche griff. Warum auch immer man Milch mit zum Sport nimmt. Er warf das Ding auf einen der anderen Jungs zu und dieser wich dem Wurfgeschoss aus. Das Päckchen platzte beim Aufprall unweit neben mir an den Spinden auf. Die Milch spritze heraus und klatschte mir ins Gesicht. Joa... Als ich aufwachte, wusste ich, dass ich gekommen war.

Aber dafür ist jetzt weder die Zeit, noch die Stimmung, um die Bilder mal wieder auf mich einwirken zu lassen. Ich beseitigte die Sauerei und nahm den Kaffee mit auf mein Zimmer, schlürfte ihn nach und nach, während ich meinen Schulkram zusammenpackte und mir Klamotten anzog, mit denen man sich auch auf der Straße blicken lassen konnte.

Da die Straßenbahn sich verspätete, musste ich auch noch schneller laufen, als sonst. Was ein Stress!

Aber der Tag wollte auch im Verlauf des Vormittags nicht besser werden. Natürlich. Wieso erwarte ich so was nur immer?
 

Montag, 03.10.2016 – 11:40 Uhr

Mittagspause in der Kantine. Sollte eigentlich der Lichtblick eines jeden Schultages werden, aber nicht so heute. Denn, es ist immer wieder erbaulich mit den Lieblingsthemen der Jungs überflutet zu werden und ein ganz besonderes Highlight bildet sich dann heraus, wenn mir beim Essen erzählt wird, wie Magnus mit einer rumgemacht hat, die laut seiner Aussage eine 'Katzenzunge' hatte. Fake-Zunge, what ever. Gelangweilt zupfte ich kleine Stücken von meinem Bun.

Diese Zungen-Sache, über die sich Magnus scheinbar den Schädel zerbrach, war meines Erachtens nach keine Diskussion wert. Die anderen beiden waren auch sichtlich irritiert von dieser Ausführung und so fragte Jonas, ob Magnus schon mal mit Katzen geknutscht hat. Das war das letzte, was ich in diesem Moment noch mitbekam vom Gespräch. Denn etwas anderes erlangte meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Gegenüber vernahm ich Vildes Stimme, wie sie gerade jemanden vollsülzte. Und der Typ war... echt... attraktiv. Und dieses Lächeln... Faszinierend. Ich konnte nicht weg sehen. Bis er plötzlich straight up zu mir sah und ich tunlichst meinen Blick senkte. Fuck, ich hoffe, der hat nicht gemerkt wie ich ihn angestarrt hab. Okay, cool bleiben. Den Themen an meinem Tisch zuhören und interessiert tun, statt dem Geschehen da drüben bei Vilde und dem Typen zu folgen.

Okay gut, es ging mittlerweile um irgendeine Blondine, die Jonas irgendwann auf gegabelt hatte. „Sie hatte keine Klitoris“, erzählte er und gerade als ich mehr oder weniger eine Antwort darauf von den anderen beiden erwartete, wurde mir bewusst, was er da sagte.

Moment, das ist selbst mir neu! Mahdi und Magnus offenbar auch. Jonas schwor, sie hatte keine und die Irritation am Tisch war groß. Joa, was soll man dazu sagen? Während das Rätselraten weiter ging, ob Jonas sich einfach nur anatomisch vertan hatte, flog eine Nachricht auf meinem Handy ein. Mein Vater schrieb mir und fragte: Hi Isak, willst du mit mir Essen gehen am Mitwoch? Umarmung von Papa. Wenn ich schon mit ihm schreibe, dann kann ich auch gleich nach dem Geld für die Miete fragen: Ich brauche für die Miete, 4000 Kronen.

Die Konversation, fand inzwischen nur noch zwischen Jonas und Magnus statt, ob und warum man bei Mädchen 'unten' ran gehen sollte oder nicht. Papa schrieb derweil zurück: Ich habe schon Geld geschickt am 25. Im selben Moment, als ich die Antwort las, rüttelte Magnus an meinem Arm, nur um mich nach meiner Meinung zu fragen, ob ich bei Mädchen unten ran gehe.

Ich war noch nie so glücklich darüber just in diesem Augenblick von Vilde heimgesucht zu werden, damit ich auf diese Frage nicht antworten musste. Vilde stand mit ihrer Freundin Sana an unserem Tisch und fragte in ihrer für sie typischen süßlichen Art, ob wir nicht Lust hätten ihrer Revue-Gruppe* beizutreten. Yay...

Die Jungs waren von dem Angebot ähnlich begeistert wie ich. „Ich weiß nicht...“, brummte Jonas unbeeindruckt und so sprach Vilde weiter: „Wir sind die Gruppenleiter für die 'Kose-Gruppe' und wir wollen euch dabei haben.“ Noch immer sehr zuversichtlich. Mich kann man mit dem Scheiß jagen. Aber immerhin Mahdi gab sich einen Ruck, wenigstens mal interessiert zu tun: „Kosegruppe? Was macht 'ne Kosegruppe?“ Startschuss für Vilde uns das ganze ausführlich schmackhaft zu machen. Ehrlich, es interessierte mich herzlich wenig, was die da machen, ich hab eh nicht vor dabei zu sein.

So wirklich viel Begeisterung konnte sie damit bei keinem von uns wecken. Und freitags ist sowieso der denkbar ungünstigste Tag für derartige Veranstaltungen. Doch Vilde lässt sich bekanntermaßen so schnell nicht abwimmeln und versuchte uns mit Phrasen wie 'sozial sichtbar werden' zu locken und ob wir vor hätten absolute Nobodys zu bleiben.

Betretenes Schweigen herrschte, bis ich in dem Moment Eva erspähte und sie bei der Gelegenheit gleich wegen der Sache mit dem Marihuana ansprach: „Eva? Hast du meine Nachrichten gelesen? Ich hab einen Pullover bei dir vergessen.“ „Äh, ja, hab ich. Ich werde mal nachsehen“, entgegnete sie mir, doch so einfach ging das nicht: „Nein, ich würde bei dir vorbeikommen und selbst nach sehen, weil ich weiß wie er aussieht.“ „Ähm, kannst du ihn mir nicht einfach beschreiben?“, fragte sie und ich gab mich vorerst geschlagen: „Jo... kann ich.“ Verdammt... So wird das nichts.

Sie wartete auf eine umfassende und vermutlich detailreiche Aufzählung. Doch ich hatte nichts weiter zu bieten, als: „Er ist... schwar...z.“ Da nichts mehr von mir kam und ich zudem auch keine Ahnung hatte, ob das ganze überhaupt was bringen würde, nickte sie: „Okay... schwarzer Jungs-Pullover. Got it.“ Peinlich, Isak... So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Während Eva von dannen zog, brachte Vilde ihre Kosegruppe wieder ins Spiel: „Sagt Bescheid, wenn ihr mitmachen wollt!“, und wir versprachen ihr zumindest mal drüber nachdenken, eh sie und Sana dann ebenfalls verschwanden. Kaum waren die Mädels außer Sicht, wandte sich Jonas an mich: „Ein Pullover?“ Irgendwann musste das ja so kommen... „Was ist los?“, fragte nun auch Mahdi. Ich schaute in die fragenden Gesichter am Tisch und gestand: „Ich musste den Shit bei Eva verstecken.“ „Machst du Witze?“, hakte er weiter nach und ich schüttelte den Kopf: „Ich bring das in Ordnung.“ „Das sind 1000 Kronen, Kumpel!“, verdeutlichte er noch einmal seinen Unmut und ich versicherte ihm: „Mahdi, ich bring das in Ordnung!“

Einmal Probleme lösen, statt neue zu erschaffen, das wär's.. Oder besser noch: erst gar keine Probleme haben. Es wäre zu schön. Gefrustet schnappte ich mir eines dieser weichen Brötchen und biss genervt ab. „Schmecken die Buns?“, wollte Jonas wissen und hatte endlich ein Thema angebracht, mit welchem auch ich mal was anfangen konnte und das einen nicht gleich schon wieder stresst. Diese Dinger sind eine der genialsten Erfindungen und man muss die nicht mal als Hamburger oder Hotdog belegen. Kann die Welt nicht einfach ein riesiges Bun sein?

Der crazy Cat-Boy Magnus schnappte sich dreist mein Brötchen und biss ab. Nein, offenbar war mir nicht mal das vergönnt. „Wie wär's mit fragen? Katzenknutscher“, moserte ich und schob ihm das Brötchen zu, dass er angebissen hatte: „Jetzt ist Katze auf meinem Bun. Behalte den Rest.“

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich hier selbst komplett durchdrehe, wenn man nur mit solchen Leuten zu tun hat.
 

Der frühe Nachmittag an diesem Schultag zog sich ewig in die Länge. Wir hatten nur noch eine Stunde und sollten uns laut einer Vertretung mit ätzenden Aufgaben selbst beschäftigen. Der eigentlich zuständige Lehrer war nicht aufgekreuzt und während man zum Anfang der Stunde noch mit einem gewissen Enthusiasmus rätselte, welche schrecklichen Dinge ihm widerfahren sein könnte, nahm es nun ewig kein Ende. Und ich hing hier auch noch mit dem Katzenknutscher fest, was die Sache in sofern nicht einfacher machte, als dass er ständig davon redete.

„Du weißt schon, dass Katzen so Widerhaken auf der Zunge haben? Meine Tante hat drei oder vier davon. Das tut echt weh, wenn die dir über die Hand lecken.“ Magnus kippelte lustlos mit dem Stuhl, während er mutmaßte: „Du lässt dich von Katzen lecken? Ich knutsche wenigstens nur... Ganz harmlos.“ „Mit dem Unterschied, dass du auf so was stehst! Ich nicht“, stellte ich daher klar und Magnus murmelte: „Ich bin halt schüchtern, wenn's um Muschis geht.“ Da ich eh gerade derbe gelangweilt auf meinem Intsagram-Account zu Gange war und dachte: Eigentlich könnte ich hier ja mal wieder was machen, und beschloss daher spontan: „Komm, Katzenknutscher, wir suchen dir jetzt eine Muschi.“ Gemeinter lachte lauthals und verlor dabei fast das Gleichgewicht mit seinem Stuhl. „Und wie?“, fragte er und ich richtete die Kamera meines Handys auf ihn: „Dating-Aufruf! Zeig, wie du die Katze deines Lebens dazu bringen willst mit dir rumzumachen!“ Magnus nahm die Sache so ernst wie man sie nur ernst nehmen konnte und streckte seine Zunge raus. „Wenn die Miezen darauf nicht abfahren, weiß ich's auch nicht“, entgegnete ich dem relativ unbeeindruckt und beendete die Aufnahme.

Schnell war das Video bearbeitet und bereit: „Fehlt nur noch der Text.“ „Was willst du schreiben?“, wollte er wissen und ich musste beim bloßen Gedanken daran grinsen: „Mhmm... Junge (16) sucht Katze. Die Katze muss eine stachelige Zunge und scharfe Krallen haben. Grüße Katzenknutscher @reggismeggis.“ Wieder lachte er, nicht ahnend, dass ich das absolut ernst meinte und schaute mich dann irritiert an, als ich sagte: „So, veröffentlicht.“ Nach dem ersten Schockmoment konnte er schon wieder feiern und ließ sich meinen Post zeigen. „Die werden mir die Bude einrennen!“, kommentierte er mein Werk und ich nickte zuversichtlich: „Ganz bestimmt! Solange du einen Kratzbaum hast.“

Klingeln. Endlich! Nichts wie nach Hause. Irgendwas zur Entspannung zocken. Fifa von Jonas. Oder mir ein paar Folgen meiner Lieblingsserien reinziehen. Hauptsache, es kommen keine Katzen vor.

Den Rest des Tages konnte ich damit, halbwegs gechillt abschließen. Und diese Nacht möglicherweise ein wenig Schlaf nachholen.

Dienstags geht’s eine Stunde später los, allerdings hab ich wieder einige Fächer mit Magnus zusammen, außer Biologie. Im ersten Jahr der Oberstufe, also quasi im vergangenen Jahr, war Jonas eigentlich mein einziger wirklicher Freund. Elias hing zwar auch mit uns rum, aber weniger wegen mir und der hat jetzt offenbar was besseres zu tun. Nachdem wir jetzt im zweiten Jahr mehr Kurse so belegen konnten wie wir wollten, bzw. wie wir sie für die spätere berufliche Laufbahn oder Studium benötigen, lernte ich Magnus besser kennen. Im Gegensatz zu Mahdi war der aber schon in der ersten Stufe hier, er hatte nur noch nicht soviel mit uns zu tun.

Die Jungs mögen manchmal stressig sein, mit dem andauernden Geblubber über Mädchen, aber sie sind irgendwo die einzigen, die mich nicht ganz 'unnormal' fühlen lassen. Ich glaube manchmal bin ich der einzige, der irgendwie... strange ist. Aber warum ist das so? Weil ich noch nie jemanden getroffen habe, der mir absolut unter die Haut geht? Ich kann es nicht ändern, dass ich mich noch nie verlieben konnte, wie andere. Oder wenigstens ehrlich sagen würde: Oh ja, gefällt mir, da muss ich ran! Wie es scheinbar alle tun. Was stimmt mit mir nicht?

Mit dem Katzenknutscher stimmt aber scheinbar auch irgendwas nicht...

„Versteh ich nicht. Bei dir hat sich auch keine gemeldet?“, fragte er mich kurz vorm Unterricht und ich schüttelte den Kopf. Die Kontaktanzeige auf meinem Insta hat offenbar weder bei ihm, noch bei mir für eingetretene Türen gesorgt. Aber es ist ja auch erst ein Tag her. Er schien etwas deprimiert, weshalb ich Augen verdrehend versprach: „Wir probieren es nach der Schule noch mal. Vielleicht solltest du deine Anforderungen auch etwas senken. Nicht jede hat 'ne Katzenzunge.“ „Jo, ich bin so was von dabei, Bro!“, gab er sich mehr als einverstanden.

Das riecht schon nach Verzweiflung, wenn man selbst solchen Schwachsinn ernsthaft in Betracht zieht.

„Okay, ich denke wir sollten den Text etwas umformulieren!“, sprach Magnus mich an, als wir das Gebäude nach Schulschluss am Nachmittag verließen. „What?“, entwich es mir geistig nicht wirklich anwesend und er Cat-Boy sprach: „Kontaktanzeige!“ Ach, ja... „Wie willst du es haben?“, fragte ich ihn also und er wippte mit den Augenbrauen: „Dreckig!“ Skeptisch schaute ich ihn an, bis er abwinkte: „Schon gut, schon gut. Schreib irgendwas, was weniger 'stachelig' ist... oder so.“ Ich zuckte mit den Schultern und schrieb einen Text. Während Magnus bekloppte Posen mit seinem eigenen Schatten machte, ich ihn dabei fotografierte und das Bild natürlich gleich für den Upload speicherte, fragte er mich was ich tippen würde. „Junge (16) sucht Katze. Noch immer. Muss stachelige Zunge haben, aber wenn das zu viel verlangt ist, reicht auch eine borstige Zunge. Smiley. Grüße Katzenknutscher“, las ich vor und postete sein Gesuch auch gleich. „Ey!“, rief er und riss mir das Handy aus den Fingern: „Das wird doch nichts, man! Borsten auf der Zunge, eh...“ „Ach, merkst du das auch langsam?“, entgegnete ich dem und holte mir mein Handy von ihm wieder.

Langsam trudelten auch Jonas und Mahdi ein, weshalb wir endlich nach Hause gehen konnten. Auf dem Weg erzählte Magnus auch gleich von dem Blödsinn mit der Anzeige. Irgendwie waren die anderen Zwei total begeistert von dieser Aktion. Na, wenn das nicht eh alles für die Katz' ist. He he... Flachwitz. Ich benannte unsere Chatgruppe daher kurzerhand in 'Katzenknutscher und seine Freunde' um. Wenn, dann richtig.

Jonas war an dem Abend noch bei mir und wir zockten wie so oft Fifa. Er sah zwischendurch auf sein Handy, da dieses mehrmals vibrierte und wies mich darauf hin, dass Madhi mal wieder wegen dem Shit bei Eva fragte. Genervt stoppte ich das Spiel und nahm mir mein Telefon zur Hand: Ich arbeite dran, schrieb ich also und Mahdi antwortete: Bald gibt es Zinsen! Da mischte sich nun auch mein bester Freund ein: Entspann dich, Escobar. - Isak wird das schon richten. „Danke“, wandte ich mich an den neben mir Sitzenden und legte das Handy angesäuert wieder weg, eh ich das Spiel fortsetzte und kein Wort mehr darüber verlor.

Später, als Jonas sich auf dem Heimweg machen wollte, beschloss ich kurzer Hand mitzugehen, denn auf dem Weg dahin wohnte Eva. Da könnte ich also gleich mal vorbeischauen, eh mir Mahdi noch ewig wegen dem Stoff auf den Sack geht. Doch bei ihr im Kellerzimmer war alles dunkel. Ich rief sie an, doch es ging niemand ran. Als ich frustriert wieder nach Hause gehen wollte, schrieb sie mir und fragte mich: Wieso rufst du dauernd an? Ich antwortete ihr: Stehe draußen vor deinem Haus. - Muss diesen Pullover haben. Natürlich war sie nicht hier, weshalb ich auch gleich fragte: Wann kommst du nach Hause? Könnte ja sein, dass sie gerade auf dem Weg ist. Morgen ist schließlich normaler Schultag. Sie schrieb zurück, dass sie es nicht wüsste, aber auch kein Pullover bei ihr liegen würde. Dafür jede Menge anderer Mist wie BH und Höschen, diverse Schuhe und 'ne angebrannte Limoflasche. Okay, letzteres könnte unsere selbstgebastelte Bong sein...

Ich kündigte mich jedenfalls für morgen noch einmal an, um das Haus nach dem Zeug auf den Kopf zu stellen. Koste es was es wolle, ich muss das wieder haben!

Statt nachts sinnlos, oder viel mehr erfolglos durch die Gegend zu rennen, hätte ich mich auch mit deutlich schöneren Dingen beschäftigen können. Weiter Zocken, Serien gucken, oder Pornos. Selbst was Nützliches hätte ich tun können. Da findet sich schon was. Aber nein...

Ich hasse es, wenn ich irgendwas umsonst tue. Und dabei meine ich nicht mal 'kostenlos', sondern... völlig umsonst eben. Wenigstens war ich durch die spätabendlichen Aktion relativ zeitig im Bett, da irgendwas anfangen sich nicht mehr lohnte. Abgesehen von den Dingen, die sicher immer lohnen. Wie: Sich einen runter holen. Aber wozu man eben auch mal irgendwann keinen Bock hat. Mein Blick fiel auf die Rolle Klopapier auf meinem Nachtschrank. Na ja, vielleicht doch...

'Danach' hatte ich zumindest nicht lange gebraucht um einzuschlafen, allerdings war meine Mutter der Meinung mir kurz nach Mitternacht noch etwas aus der Bibel zukommen zu lassen. Und ich war wieder wach. Ich sollte in ihrem Falle einfach auch die verdammte Vibration auslassen, die so schön auf dem Holz rattert und bloß nicht darauf vertrauen, dass ich zu dieser Uhrzeit mit derartigem verschont bleibe.
 

Mittwoch, 05.10.2016 – 12:25 Uhr

Biologie-Unterricht. Ein Fach, in dem ich Durchblick habe. Darum habe ich es auch gewählt. Wenigstens irgendwas, was mich mal nicht in Stress versetzt. Wenn das nicht geil ist! Was ich allerdings ganz und gar nicht nachvollziehen kann ist, wie andere das da geil finden. Völlig unbeeindruckt ruhte mein Augenmerk in diesem Moment auf Titten. Genau genommen, die der Lehrerin. Offensichtlich keine Freundin von BHs; man sah deutlich Nippel durch den Stoff. Was zum Henker ist bitte so faszinierend daran? Ich Checks nicht. Echt nicht. Ich sollte auf so was stehen, aber ich tu's nicht.

Plötzlich tauchte diese Sana in meinem Bild auf und setzte sich neben mich. „Hi“, lächelte sie mich an. What the fuck..? Die redet doch sonst nicht wirklich mit mir. „Hi“, entgegnete ich ihr also neutral und zog meine Kapuze höher. Meine Caps waren so ziemlich alle in der Wäsche, weshalb ich mich heute auf dem Kopf irgendwie nackt fühlte. Erst recht, wenn so was wie jetzt passiert, dass sich jemand neben mich setzt, ohne jemals zuvor mit mir geredet zu haben. Doch Sana war offenbar jemand, der schnell zum Punkt kommt: „Ich habe deine Drogen.“ Wie jetzt? „Was?“, entwich es mir gleichermaßen irritiert, wie auch etwas erschrocken. Sie hatte definitiv meine ganze Aufmerksamkeit. „Das Zeug, dass du bei Eva liegen lassen hast“, begann sie und gab mir einen kurzen Moment, um zu realisieren was sie da sagte, eh sie fortsetzte: „Ich hab es.“ Ich war mir dennoch unschlüssig, ob wir vom selben Zeug reden. Vermutlich schon aber. Wie kam sie dazu? „Du.. du hast es?“, kam es konfus von mir und sie fauchte mir mit angriffslustiger Mine zu: „Wenn es eine Sache gibt, die ich nicht leiden kann, dann ist es, wenn jemand seine Freunde in die Scheiße reitet!“

Was, wieso das denn jetzt? „Was meinst du?“, hakte ich daher nach, denn mir war nicht bewusst, was ich schon wieder verbrochen haben sollte. Sanas Gesicht war noch immer förmlich zur Faust geballt, als sie los legte: „Eva hätte einen Haufen Stress bekommen können, wenn sie es gefunden hätten.“ „Könnte sie, aber die haben es ja nicht gefunden“, krächzte ich, was offenbar nicht die Antwort war, die Sana sich erhofft hatte, denn sie zischte: „Sie haben es nicht gefunden, weil ich es genommen habe!“ Gut, dann probiere ich es eben mal so: „Okay, entschuldige, dass ich es dort liegen gelassen habe. Danke, dass du es genommen hast, aber es ist nicht mal meins.“ Nur zum Teil... Einem relativ kleinen Teil, aber darum geht’s ja nicht.

„Ich sollte eine Belohnung dafür bekommen, dass es vor der Polizei gerettet habe“, sprach sie und setzte nun eine Art Pokerface auf, sichtlich abwartend, was ich dazu sagen würde. Was zur Hölle? „Denkst du, wir sind hier in einer verdammten Narcos-Episode, oder so? Kannst du es mir nicht einfach geben?“, fragte ich sie und sie sprach nun relativ gelassen: „Ich will 10% von den Drogen.“

Langsam glaube ich echt, dass ich im falschen Film bin. Was will eine Muslima mit Drogen? „Kiffst du?“, hakte ich ungläubig nach und sie setzte ein Lächeln auf: „Nein, aber es ist gut das zu haben!“ Definitiv der falsche Film, Isak. Irgendwas läuft hier verkehrt. Mein Hirn ratterte, um den Gesprächsinhalt zu verdauen, als Sana abermals das Wort ergriff: „Außerdem will ich, dass du und deine Freunde der Kosegruppe beitretet.“ Das ist Erpressung! „Kosegruppe! Ist die beste Revue-Gruppe von allen!“, gab sie breit lächelnd von sich und ich war einfach nur komplett überfahren, von dem was sich hier gerade abspielte.

Aber was bleibt mir? Die Jungs, allen voran Mahdi, wollen den Stoff wieder haben. „Okay, whatever. Wir können der Kosegruppe beitreten“, teilte ich ihr meine spontane Entscheidung mit und wollte wissen: „Aber dann gibst du es mir?“ Sie bestätigte nickend: „Ja“, und daher verlangte ich: „Dann gib es mir jetzt!“ Sofort wechselte ihr Gesichtsausdruck wieder und sie fragte mich: „Hältst du mich für dumm? Du kriegst es, wenn ich dich und deine Freunde beim Gruppentreffen sehe.“ Ich komm gerade echt nicht klar! Drogenhandel mit Erpressung...

Also, irgendwie um die Sache drumrum kommen fällt scheinbar flach.

„Sana und Isak, ihr könnt zusammenarbeiten“, vernahm ich nun die Stimme der Biologie-Lehrerin, die nun direkt vor uns stand und Sana war damit scheinbar ganz und gar nicht einverstanden: „Huh? Nein, ich sitze nicht hier!“ „Du kannst doch wohl mit Isak zusammenarbeiten? Das wird schon gehen. Jungs und Mädchen können sehr wohl zusammenarbeiten. In Norwegen machen wir das so“, führte unsere Lehrerin aus und legte uns einige Blätter auf den Tisch.

Und wenn du denkst, schlimmer kann es nicht werden... Oder war der Spruch: Wenn du denkst, tiefer kannst du nicht sinken, dann kommt von irgendwo her ein Idiot und wirft die 'ne Schaufel zu. Mir wäre im Prinzip jeder hier recht gewesen, um diese Teamarbeiten für die kommenden Monate zu bestehen. Aber Sana? Wie soll ich mit der arbeiten? Bossy Bitch!

Genervt schaute ich zu meiner neuen Biologie-Partnerin und sie zu mir, nicht minder 'begeistert'. Augen verdrehend wollte ich mir eines der Blätter nehmen, die uns eben auf den Tisch gelegt wurden, doch Sana, welche die Zettel nun in der Hand hielt, riss diese gleich außerhalb meiner Reichweite. Knurrend lehnte ich mich zurück und verfluchte die Welt und mein Dasein auf eben jener ein weiteres mal. Kotzen könnt ich. Selbst Biologie, der einzige funktionierende Lichtblick ist nun auch finsterer als ein Winter in Game of Thrones...
 

Kaum hatte ich diese erste Doppelstunde mit Sana als Teampartner überlebt und wollte erleichtert darüber den Tag endlich abhaken, flog auf meinem Handy eine Nachricht von Vilde ein. Ich wusste nicht mal mehr, dass ich ihre Nummer hatte. Sie schrieb mir, unter Anderem, dass Sana ihr sagte, ich wäre regelrecht verrückt danach dieser bekloppten Kosegruppe beizutreten. What?

Wenn sie das sagt, schrieb ich Vilde also zurück und kaum, dass ich den Text abgeschickt hatte, fragte sie auch gleich noch ob Jonas und die anderen dabei wären. Was ich bejahte. Zumindest hoffe ich, dass ich den Mist nicht alleine ertragen muss. Weshalb ich auch gleich die Jungs darüber in Kenntnis setzte und auch davon erzählte, dass Sana den Stoff nun hat. Als Anreiz.

Abgesehen davon wollte Vilde, dass ich neben Facebook auch noch Kundgebungen auf Instagram mache. Ich stimmte zwar irgendwie zu, aber ich werde nichts dergleichen tun. Ich glaub es hakt... Wenn man mich für dem Schwachsinn auch noch Werbung machen sieht, dann hält man mich erst recht für einen Aussätzigen; und schwul. Ein schwuler Aussätziger. Schlimmer kann es nicht kommen. Sorry Vilde, I can't do this for you. Ich hab echt genug andere Scheiße am Hals. Und es wird nicht weniger...

Auch am nächsten Tag sollten mich meine Sorgen plagen, denn gegen Mittag meldete sich Eskild im WG-Chat zu Wort: Pretty boy. - Money money money... Er wies mich in seiner ganz eigenen Art darauf hin, dass wir schon sieben Tage Oktober haben und ich ihm die Miete bezahlen muss. Fuck! Bei all dem Scheiß, der zur Zeit passiert, hab ich völlig vergessen das Geld zu transferieren. Ich antwortete ihm: Sorry, ich überweise wenn ich nach Hause komme. Ein Kuss-Smiley kam zurück... Typisch Eskild.

Auch Linn gesellte sich hinzu und teilte mir mit, dass ich das Treppenhaus fegen soll. Wieso dass denn jetzt? Das ist deine Woche, schrieb ich ihr also und sie rechtfertigte ihre Aufforderung damit, dass ich zu spät Miete zahle und sie außerdem krank sei. Natürlich waren sich meine Mitbewohner einig, denn Eskild schrieb: Ich stimme Linn zu, Issy. Really? Issy...? Ich hasse es, wenn er sich solche Namen für mich ausdenkt! Nachdem nun auch noch Noora zustimmte, obwohl die nicht mal mehr bei uns wohnte, machte ich das Handy aus, ohne auch nur irgendwas dazu zu sagen.

Ich werde nie wieder verpennen meine Miete rechtzeitig zu zahlen, wenn man mit Treppenhaus fegen bestraft wird!

Nur wenige Stunden später war mein Telefon allerdings wieder an. Was soll ich sagen, ich kann halt auch nicht ohne das Ding. Ich fand eine Mitteilung von Magnus im 'Katzenknutscher und seine Freunde'-Chat. Er erzählte, dass er zwei Tickets fürs Kino bei einer Umfrage gewonnen hatte, wir somit nur noch zwei weitere bezahlen müssten und die Kosten dann durch vier teilen. Das sollte am Freitag stattfinden. Morgen quasi. Der Tag, an dem Vilde ihr erstes und ultra-wichtiges Kosegruppe-Treffen abhalten will. Weshalb ich gleich mal darauf hinwies, dass wir am Freitag bereits was vor haben. Dieses dämliche Treffen nämlich. Offenbar hielt man meine Mitteilung gestern für einen Witz und ich erklärte den Jungs, dass das alles andere als ein Joke war, dass Sana Narcos-mäßig auf mich losgegangen ist und wir den Stoff erst wieder kriegen, wenn sie uns alle vor Ort antrifft. Jonas schien von ihrem 'Badass'-Move fast schon ein wenig beeindruckt. Nun, damit sollte doch wohl die Dringlichkeit dieser Angelegenheit klar sein oder? Man ey, wenn nur einmal was klappen würde! Und man nicht jedem Scheiß nachrennen müsste!

Okay, Eskild ist auch mir nachgerannt, wegen der Kohle. So hat wohl jeder vor seiner Tür zu kehren. Apropos... Kehren und wischen war dann für diesen Abend meine Beschäftigung. Was könnte man mehr wollen? Ach ja, das Geld. Bloß nicht vergessen, eh ich auch noch eine Woche lang den Abwasch machen muss.

Am Ende eines relativ gediegenem stressfreien Unterrichts an diesem Freitag, warf ich gelangweilt einen Blick auf mein Instagram. Eigentlich nur aus Gewohnheit und Stumpfsinnigkeit, doch mir fiel dabei die Kontaktanzeige wieder ein. Keine Resonanz. Was zu erwarten war. Ich kramte schnell ein passendes Katzenbild aus dem Netz hervor und fügte ein älteres Foto vom Katzenknutscher ein. Ein paar Herzchen überall drauf. Kurzer Kommentar, und posten. Passt. Eigentlich mehr eine Spielerei zum Zeitvertreib und um nicht den ganzen Nachmittag darüber zu fluchen, was ich mir heute Abend antun muss. Mit den Jungs! Noch einmal öffnete ich unseren Chat und schrieb deutlich: Gruppentreffen, heute, 19 Uhr. - Fertig! Keine Reaktion, aber Begeisterung erwarte ich auch gar nicht.

Was ich aber schon erwartet hätte, wäre, das den Jungs der Shit wichtig genug ist, um am Abend wie festgelegt aufzukreuzen. Doch noch tat sich hinsichtlich dessen nicht viel. Was man von der Besucherzahl in Vildes Gruppe hier im Theatersaal nicht gerade sagen kann, es kamen doch einige mehr als ich vermutet hätte. Aber sie kann auch sehr überzeugend sein, glaube ich. Sicher fast so schlimm wie Sana, die unweit neben Vilde stand und alles beäugte. Eva gesellte sich dazu und brachte Brötchen mit. Selbstgebacken, wie es hieß. Da ich doch, wie befohlen, recht pünktlich war, mit meinem Erscheinen hier und noch immer Leute eintrudelten, ließ ich es mir nicht nehmen, eines der Brötchen zu schnappen. Was sicher das einzige Highlight heute Abend sein wird. Nachdem Eva das erste Tablett herum gereicht hatte, nahm sich Vilde das zweite und drückte so ziemlich jedem Neuankömmling so ein zugegebenermaßen wirklich leckeres Teil in die Hand.
 

Freitag, 07.10.2016, 19:15 Uhr

Noch immer keine Spur von den Jungs, weshalb ich mein Handy zückte und in unsere Chat-Gruppe schrieb: Wo zur Hölle seid ihr? Ich ertrag den Mist hier nicht alleine! Es ist euer Shit! Ohne Scheiß, die sollen ihre Ärsche herbewegen! Die werden doch wohl nicht einfach ins Kino gegangen sein? Und das auch noch ohne mich!

„Chris!“, hörte ich Vilde jemanden begrüßen und abgesehen vom selbsternannten Penetrator-Chris fiel mir zu dem Namen nur die eine Freundin von ihr ein, die mich im vergangenen Jahr bei jeder Gelegenheit geblickfickt hat. Das war irgendwie krank. Ich fühlte mich fast... wie bei einer seichteren Art von... Vergewaltigung? Sie hatte mich angestarrt damals, als müsste ich Angst haben, dass sie jeden Moment über mich herfällt und mir die Klamotten vom Leib reißt. Doch zu meiner Erleichterung hatte sie heute einen Typen im Schlepptau. Kasper, hieß der, wie ich dem Gespräch da vorne entnahm und die beiden schienen zusammen zu sein. Puh! Schwein gehabt. Ich hatte schon für einen Augenblick befürchtet, dass sie ihre komischen Annäherungsversuche hier fortsetzen würde. Hey, ein Lichtblick, dass mir wenigstens das erspart bleibt.

Vilde selbst schien wenig davon begeistert zu sein, dass diese Chris ihren Kerl mitgebracht hat. Dabei wollte doch gerade sie volle Hütte. „Kasper geht ja nun nicht auf unsere Schule“, begründete sie ihr Zögern, doch Eva machte ihr da wohl einen Strich durch die Rechnung und winkte die Beiden durch. Zu Vildes sichtlichem Unmut. Doch nun sollte sich unser beider Stimmung erhellen, als wir eine wohlklingende Stimme vernahmen: „Hallo.“ Mein Augenmerk richtete sich sofort auf den Ursprung. Auf einen ziemlich großen und wirklich gut aussehenden Typen. Das ist doch der aus der Kantine letztens, oder? Shit, der ist heiß... Oh Fuck, er schaut zu mir! Ich hab nicht gestarrt. Nein, ich hab lediglich beobachtet, wer hier alles so antanzt. Abgesehen von meinen Bro's, natürlich...

Auch ihm wurde ein Brötchen angeboten, welches er annahm und sprach: „Cool. Bin gespannt.“ Ich auch, irgendwie. Nur weniger auf die Veranstaltung hier, als mehr wer dieser Kerl ist. Das einzig interessante im Moment hier. Blöderweise setzte er sich hinter mich, so dass ich ihn nicht im Auge behalten konnte, ohne offensichtlich nach hinten zu glotzen.

Eine Nachricht flog in diesem Moment ein. Von Jonas: Sorry man, muss meiner Mutter bei was helfen. Ich komme sobald ich fertig bin. Großartig. Er lässt mich hängen. Auch Magnus hatte geschrieben: Fuck, war das heute? Das pisst mich gerade wieder an. Jonas nehme ich vielleicht noch ab, wenn er mit so was kommt. Aber die anderen Zwei, die wussten sehr genau, dass das heute ist. Die leiden ja nun auch nicht unter fortgeschrittenem Alzheimer. Vor allem dann nicht, wenn's darum geht, sich den Körperbau von Mädels einzuprägen.

„Hallo!“, sprach mich auf einmal eine mir bekannte weibliche Stimme an. Ich schaute auf und sah Emma. „Hallo“, entgegnete ich also neutral und steckte das Telefon weg. Sie sprach weiter mit mir: „Kosegruppe, yay!“ What the fuck? „Yay...“, brachte ich dem Ausruf, mir unverständlicher, Begeisterung für den Saftladen hier entgegen und versuchte mir dabei irgendwie ein Lächeln abzuringen. Emma stand noch immer vor mir und so hörte ich mir an was sie noch zu sagen hatte: „Wir haben uns die Gruppen-Listen in einer Pause angesehen und dachten: Wo sind die coolen Leute dieser Schule? Kosegruppe, natürlich.“ Was faselt die da? Was zur Hölle stimmt mit der nicht? Okay, ich bin hier, aber das war's dann auch schon mit coolen Leuten. Also was bringt man am besten an solch einer Stelle, wenn man die Sache nicht ins Lächerliche ziehen will und obendrein auch niemandem unnötig vor den Kopf stoßen möchte? Möglichst freundlich lächeln und irgendwas 'cooles' sagen: „Fett.“

Oh man, diese Chris mag ich ja jetzt vielleicht los sein, aber Emma... Ich weiß nicht wie ich das handhaben soll. Sie ist scheinbar nach wie vor interessiert an mir, trotz der Sache im Bad. Sie interessiert mich aber wiederum noch immer nicht, aber sie ein für alle mal in den Wind schießen geht irgendwie auch nicht. Jetzt, wo ich den Jungs gesagt hatte, dass ich was von ihr will.

Vielleicht sollte ich mich erst dann damit beschäftigen, wenn es erforderlich ist. Emma ist mir ja nicht gleich auf den Schoß gesprungen, also vielleicht legt sich das ja von selbst.

Vilde begann indes mit ihrem unfassbar wichtigem Monolog darüber, wie das hier in der Gruppe ablaufen soll. Was mich echt so sehr interessierte wie der Sack Reis in China. Da ich, sobald ich den Stoff von Sana habe, mich hier eh nie wieder blicken lassen werde. Vilde, Sana und Eva standen nun da vorne, stellten sich vor und damit erstere die Hände frei hatte, um ihre Vorstellungen des ganzen wild gestikulierend unterstreichen zu können, hat sie sogar ihre Brötchen weitergereicht.

Im Grunde hatten sie kaum angefangen und mir ging alles wieder so derbe auf die Ketten. Ich wäre am liebsten aufgestanden und gegangen. Werde ich auch tun, sobald sich ein passender Augenblick ergibt. Wenn Vilde die ganze Zeit spricht, ist es echt eine Herausforderung ihr zu folgen. Genervt holte ich mein Handy hervor und tippte darauf herum. Vielleicht könnte ich ja irgendwie ein Spiel drauf zocken, damit ich hier nicht eingehe.

Mit halbem Ohr vernahm ich, dass sie davon sprach, dass sie hier nicht als ganze Gruppe, sondern immer in Duos agieren und diese sich dazu selbstständig einteilen sollen. Als sie ins straucheln geriet bei ihrem Vortrag, ließ ich ihr etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen. Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil es sie, als Mensch, etwas natürlicher auf mich wirken lässt? Sie strebt nach einer Art Perfektion, glaube ich. Und sie hat gern die Kontrolle. Mehr kann ich zu ihr echt nicht sagen, wir haben eigentlich nicht soviel miteinander zu tun.

Kein Plan, aber Essen kochen, kuschelige Stimmung verbreiten und Liebesspielchen. Das sind offenbar ihre Hauptziele, die sie hier verfolgt. Bei der Bitte für letzteres aufzustehen und eine erste Übung zum Kennenlernen zu machen, war ich aber schon wieder raus aus der Nummer. Ich muss hier weg! Jetzt, sofort.

Während sich die anderen zu Vilde nach vorne begaben und sich erklären ließen, was nun folgen sollte, verdrückte ich mich still und leise aus einem Nebeneingang.

Moooaaaaah... Ich war ja drauf eingestellt, dass es öde sein würde, aber dass es so einschläfernd ist, hätte ich nicht erwartet. Absolut phlegmatisch schlürfte ich durch den Flur und hatte das Gefühl mich an jeder Ecke und Kante irgendwie festhalten zu müssen, um nicht vor lauter Langeweile im Gehen einzupennen. Als ich mit der Vorderseite an einer Wand lehnte, überlegte ich was ich tun könnte und vor allem wo, damit mir keiner nach rennt und mit noch mehr bescheuerter Liebes-Übungen kommt. Können sich diesen Mist sonst wo hin stecken...

Mein Blick glitt in Richtung WC. Ja, dahin wird mir Vilde doch wohl nicht nachlaufen und gucken was ich da mache. Ich stemmte mich lustlos von der Wand ab und begab mich zur Toilette. Um die Zeit ist sowieso niemand sonst hier, da beschwert sich auch keiner, wenn man auf dem geschlossenen Klodeckel hockt und Spiele auf dem Handy zockt. In der Tat, war das nicht gerade ein Adrenalinschub, aber zumindest nicht so lahmarschig wie dieses Gruppentreffen.

Ich hörte nun wie jemand zur Einganstür hinein kam und in die Kabine links von mir trat. Ich kümmerte mich aber nicht weiter drum und beendete langsam mein begonnenes Spiel, als ich die Spülung nebenan hörte.

Als ich meine Tür öffnete und heraus kam, hat es mich unerwartet kalt erwischt. Da stand er. Der hochgewachsene, attraktive Typ von vorhin. Er wusch sich gerade die Hände und sah mich dabei kurz im Spiegel an. Meine Hände hielt ich nun auch unter den Wasserhahn. Was ich scheinbar aus Gewohnheit tat, obwohl ich nicht mal tatsächlich auf dem Klo war. Und weil mich dieser Typ da aus dem Konzept brachte.

Verstohlen wagte ich noch einen Blick über den Spiegel zu ihm, während das Wasser über meine Handflächen floss. Als er fertig war, stellte er sich vor den Papierspender und zupfte Tücher heraus. Kurz darauf beobachtete ich direkt sein Tun, statt nur aus dem Augenwinkel oder über den Spiegel und wartete ab, dass ich ebenfalls an den Spender konnte. Aber der Kerl hörte einfach nicht mehr auf Tücher aus dem Ding zu holen. What the fuck? Er brauchte gefühlt 30.. 40... Was geht mit dem? Selbst das allerletzte Tuch holte er noch raus, knüllte es und tupfte sich die Mundwinkel damit ab. Als er auch dieses letzte zerknorkelte Blatt in den Korb geworfen hatte, schaute er mich direkt an. Und das Papier war passé...

Alles was ich jetzt noch sah waren diese fesselnden blauen Augen, die mich fixierten. Seine Brauen wippten kurz nach oben, bevor er mich fragte: „Wolltest du auch noch Papier?“ Bei jedem anderen, hätte ich jetzt vermutlich gesagt: Ja, vielleicht, du Penner. Doch hier, bei ihm, kam nichts. Mein Hirn war nicht mehr fähig Worte zu bilden. Während er gesprochen hatte, konnten meine Augen auch kaum von seinen Lippen lassen. Die waren nicht minder anziehender, als sein Blick. Und die Frisur. Oldschool, but damncool.

Gottverdammte... Sch... ist der heiß! Nachdem von mir kein Ton kam, fischte er ein weniger zerknittertes Stück Papiertuch in seinem Berg aus dem Korb und glättete es noch mal notdürftig. Er reichte es mir und ich sah auf seine Hände. Was soll ich sagen auch die mochte ich sofort. Ich war gerade so noch im Stande das Teil zu nehmen und knüllte es nun meinerseits.

Mein Augenmerk wanderte wieder hinauf in sein Gesicht. Wieder zuckte er gewitzt mit den Augenbrauen und lächelte dabei. Kurz darauf nahm er die vermutlich selbstgedrehte Zigarette in die Hand, welche die ganze Zeit schon hinter seinem Ohr klemmte. Ich zwang mich förmlich von ihm abzulassen. Das letzte was ich wollte, war zu Blickfick-Chris mutieren. Doch als er sagte: „Komm mit raus“, und sich dabei auch selbst gleich in Bewegung setzte, musste ich einfach noch mal hinsehen. Könnte ja das letzte mal sein. Der Typ zog an mir vorbei und ich roch irgendein Deo oder Parfüm. Was immer es war, es ließ nun auch meinen Geruchssinn am Spektakel in meinem Kopf teil haben.

Was zum Henker geht hier gerade vor sich? Ich hätte eigentlich total angepisst sein müssen, wegen der Nummer mit den Papiertüchern, bin's aber nicht. Warum, verdammt?

Okay, erst mal sammeln.

Er wollte, dass ich mit rauskomme. Warum will er das? Soll ich gehen? Was, wenn ich nicht gehe? Will ich überhaupt, dass ich nicht gehe? Ich will definitiv! Oh Gott, und wie ich will... Fuck. Was passiert hier gerade?

Mit diesen Gedanken wagte ich mich skeptisch, aber mutig nach draußen. Es war schon fast dunkel und so musste ich genauer hinsehen, wo er hingegangen sein könnte. Ich sah ihn hinter einer Hecke auf einer Bank im Schulhof sitzen und blieb erst mal stehen, überlegte hin oder her, was ich tue. Hinüber gehen und schauen was passiert? Oder einfach abhauen und mich bis ans Lebensende fragen was passiert wäre. Nein, letzteres machte mir sehr viel mehr Angst, als dass ich es wirklich in Erwägung ziehen würde.

Zögerlich näherte ich mich in einem großen Bogen und trat an die Bank. Der Typ zündete gerade seine Zigarette an und schaute dann zu mir. Ich nickte nur kurz; wüsste nicht was ich anderes hätte tun sollen. Wieder dieses Lächeln, und er bot mir seine selbstgedrehte Kippe an. Ich konnte jetzt auch riechen, dass da ebenfalls Marihuana drin war und musste grinsen. Dennoch war ich von seiner Präsenz so konfus, dass ich erst mal nicht wusste wie ich den Spliff anfassen soll, ohne mich zu verbrennen oder seine Hand zu berühren. Manche flippen da ja direkt aus... Aber das klappte sogar unfallfrei.

Während ich daran zog, setzte ich mich mutig neben ihm auf die Rücklehne der Bank und bekam noch nebenher mit, wie er das Feuerzeug wegsteckte. Bloß nichts dämliches machen, Isak. Am besten gleich noch mal ziehen, damit du entspannter wirst.

Ich merkte sehr wohl, dass er immer wieder zu mir sah, doch wagte ich es nicht zu ihm zu sehen. Auch nicht, als er die Stille durchbrach: „Kennst du die Gruppenleiterin?“ Ich mag seine Stimme. „Vilde?“, hakte ich nach und musste wegen ihrer 'Übungen' vorhin lachen, als ich fortsetzte: „Mit den Liebes-Spielchen?“ „Was war das?“, fragte der neben mir Sitzende nun und ich musste wieder lachen. Wenn man Vilde nicht kennt, kann man sich schon mal fragen, was dieses Mädel dazu treibt, solche Maßnahmen gleich beim ersten Treffen zu ergreifen, obwohl sich die meisten dort sicher kaum kennen. Offenbar war das nicht nur mir zu viel des 'Guten'.

„Ach.. ich musste da weg. Ich kann mit so 'nem Kram nichts anfangen. Was ist denn passiert?“, wollte ich von ihm wissen, denn wer weiß schon was Vilde sich für solche Gelegenheiten ausdenkt. „Sie wollte, dass wir uns in einem dunklen Raum ertasten. Und wenn du jemandem am Schwanz berührst, musstest du ihn lutschen.“ Error.

Wie jetzt? Was zur... Hölle? Das muss ein Joke sein! „Nein?“, kam es schockiert fragend von mir und ich behielt dabei sein Gesicht im Auge. Er lachte und bestätigte: „Nein!“ Ich hätt's fast geglaubt. Er hatte ganz kurz dieses serious Face. Erleichtert darüber, dass das ein Scherz war, wenn auch unerwartet vulgär, lachte ich und verschluckte mich dabei, sodass ich kurz husten musste. Gut, das ist gut. Wenn mein Kopf rot sein sollte, kann ich immer noch sagen, dass es am Husten lag und nicht am Schwanzlutschen-Thema. Meine Fassung war aber relativ schnell wieder da. Inzwischen hat man Übung darin, auch wenn ich so was wie eben hier ganz und gar nicht erwartet hätte.

Es herrschte Stille. Er schaute zu mir, doch ich wagte nur einen kurzen Blick in seine Richtung und gab ihm den Joint wieder, ohne ihn direkt anzusehen. Er nahm das Ding an sich und berührte meine Hand dabei. Wenn auch nur ganz kurz und sicherlich unbedeutend.

Okay, Isak. Atmen. Alles ist gut. Lass dir irgendeine unspektakuläre Frage einfallen, um nicht wie eine schüchterne 12-Jährige zu wirken. Da ich diesen Typen neben mir noch nie wirklich vorher gesehen habe, außer das eine Mal in der Kantine letztens, entschied ich mich spontan für: „Welche Klasse gehst du?“ „3 STB“, antwortete er schnell, fast, als hätte er mit solchen Fragen gerechnet. Doch ich wollte Gewissheit, dass ich vergangenes Jahr nicht völlig blind hier rum gelaufen bin: „Und du warst letztes Jahr noch nicht hier?“ „Nein, Bakka*“, ließ er mich wissen. Er war vorher also in Elvebakken. „Du hast im letzten Jahr gewechselt?“, wollte ich wirklich wissen und nahm abermals den Spliff an mich, welchen er mir reichte.

Wer wechselt denn schon für sein allerletztes Jahr noch die Schule? Da hat man doch meistens einen triftigen Grund für. Aber meine Antwort sollte ich nicht erhalten, denn Emma tauchte unverhofft neben uns auf und sprach mich an: „Hey!“ Schnell gab ich ihm den Spliff zurück und hatte das Gefühl, ab jetzt wieder so tun zu müssen, als sei ich interessiert an ihr und dem was sie jetzt von mir wollen könnte. „Hi!“, kam es also aufmerksam von mir und so legte sie los: „Äh, wir teilen gerade die Teams fürs Kochen ein und wir sollen dabei immer zu zweit arbeiten.“ Ich nickte zwar und konnte folgen, doch hatte ich nach wie vor keine Ambition hier öfter aufkreuzen zu wollen, weshalb ich fast schon befürchtet hatte, was sie nun mit einer langen Rede vor hatte: „Ich kenne hier noch nicht so viele Leute. Gut, ich kenne Maria, aber die will das mit Lea zusammen machen. Also habe ich mich gefragt, ob du mit mir in einem Duo sein willst.“ Shit...

Lass dir irgendeine Ausrede einfallen, ohne, dass du gleich raus posaunst, an dem ganzen Firlefanz hier überhaupt nicht interessiert zu sein. Gerade, als ich dabei war etwas zusammen stammeln zu wollen, mischte sich der neben mir Sitzende ein: „Ich dachte, wir sind zusammen in einer Gruppe?“ Das ist die Lösung! Damit hätte ja dann auch Emma nicht das Problem, sich jemand neues suchen zu müssen, sobald ich den Stoff von Sana hab und mich hier nie wieder blicken lasse. Wobei... wenn der Typ hier öfter da ist, ist das vielleicht sogar erträglich.

„Äh.. ja. Wir haben das schon irgendwie so abgemacht, dass ich zusammen mit...“, geriet ich ins Stocken. Ich kenne seinen Namen gar nicht. Ich musste abermals husten und fuchtelte mit der Hand, als ich noch einen Anlauf nahm: „Zusammen mit...“ Komm schon, hilf mir! „Even“, stellte er sich selbst vor und reichte ihr die Hand. „Emma“, sprach sie und schüttelte die ihr gereichte Rechte.

Even. Ich mag ihn. Den Namen. Den Kerl. „Ja, also...“, begann ich und Emma fiel mir ins Wort: „Aber ich bin sicher, wir können auch zu dritt arbeiten.“ Ich wusste mal wieder nicht wie ich das ganze beenden soll und noch einmal half mir Even... aus der Patsche: „Ich denke, sie sagte, wir sollen zu zweit sein. Aber mir soll's egal sein.“ Er stupste mich mit der Schulter an und so wusste ich, dass ich nun an der Reihe war, etwas dazu zu sagen: „Ich denke, Vilde war ziemlich deutlich, dass sie nur Paare will.“ Und Paare bestehen nun mal nur aus zwei Leuten. Zwei! Doch als ich ihr Gesicht sah, fügte ich beschwichtigend hinzu: „Kannst du sie nicht einfach fragen?“ „Ja. Okay, dann mach ich das“, teilte sie uns mit und ich stimmte mehr oder weniger zu: „Dann machen wir das. Bin sicher, das wird... bestimmt toll.“

Ich gebe zu, dass mich das nicht gerade begeistert, aber was soll ich tun? Nicht mal Even brachte noch Einwände vor. Emma wollte sich derweil ungefragt neben mich auf die Bank setzen und geriet dabei ins Straucheln, sie hielt sich kurz an mir fest, was mich zwar nicht direkt störte, aber es machte mir umso mehr bewusst, dass der Moment, den ich mit Even hatte, vorbei war.

Sie leistete uns nun also Gesellschaft, was ich als irgendwie unangenehm empfand. Ich wollte eigentlich noch viel mehr über Even erfahren, traute mich aber nicht mehr das Gespräch in ihrem Beisein fortzusetzen.

Mist. Ich hoffe Vilde sagt nein, oder Emma fragt doch noch jemand anderen.

Mir wurde abermals der Rest vom Spliff angeboten. Er sah mich dabei an, als wolle er sagen: Nimm Junge, du siehst aus als kannst du es gebrauchen. Doch nachdem wir eben unterbrochen wurden, hatte ich nicht wirklich mehr Bock hier zu sitzen und lehnte daher ab: „Nee, ich hab genug.“ Genug von der Situation. Was sicher nicht am Rauchen lag, und schon gar nicht an Even.

„Kann ich mal ziehen?“ sprach sie ihn an und hielt schon erwartungsvoll ihre Hand hin. Even reichte ihr den Rest und schwieg ebenfalls. Ich bekam nur im Augenwinkel mit, wie sie an dem Ding herum zupfte und pfriemelte, statt einfach dran zu ziehen. Sie probierte es noch einmal, verbrannte sich aber fast und begann zu husten. Kollegial, wie ich manchmal bin, klopfte ich ihr sachte auf den Rücken.

Nachdem eine gefühlte Ewigkeit niemand mehr etwas sagte, räusperte sich Even und stand auf: „Ja, ich... muss dann mal los. Hat mich gefreut.“ Er reichte erst mir die Hand, zwinkerte und hatte dabei dieses Lächeln im Gesicht. Ein Lächeln, was einen jegliche Sorgen vergessen lassen kann. Eigentlich wollte ich seine Hand gar nicht los lassen, aber nun ja...

Auch Emma reichte er sie anschließend und verließ uns. Ich sah ihm einen Augenblick lang nach und stand dann ebenfalls auf: „Ja, muss auch weg, fällt mir gerade ein. Ich hab noch voll viel zu tun, und so. Wir sehen uns ja spätestens in der Gruppe!“, sprach ich lauter werdend, da ich schon im Eilschritt das Weite suchte. „Ich schreib dir, wenn ich gefragt habe!“, rief sie mir nach und ich winkte provisorisch: „Jo, mach das...“ Bloß nicht...
 

Was für ein Abend. Auch wenn ich anfangs noch glaubte, dass es der schlimmste Abend seit langem werden könnte, so tat sich doch unverhofft etwas mehr als nur interessantes auf. Mit einem leichten Grinsen beim Gedanken daran, trat ich in die Straßenbahn und fuhr nach Hause.
 


 

*Fun Light ist eine Limmonaden Marke
 

*In norw. Schulen gibt es Theatergruppen, (dort genannt Revue). Diese werden von anderen Gruppen unterstützt, wie z.B. eine Gruppe, die die Kostüme machen ect. oder eine PR-Gruppe, die sich um die lokale Vermarktung kümmern (Ticketverkauf, Werbung ect.) Die Kosegruppe stellt sowas wie das Catering dar. (kose = kuscheln) Was sich in diesem Falle auf die 'Gemütlichkeit' bezieht und einfach für gute Stimmung untereinander sorgen soll.
 

*Bakka ist die örtliche Kurzform von Elvebakken, eine der großen obere Sek.-Schulen in Oslo
 

***EDIT: Einige wenige Clips funktionieren (derzeit und auf unbestimmte Zeit) auf der Skam Hauptseite daher verlinke ich sie hier:

http://skam.p3.no/2016/10/02/morrabrod/

http://skam.p3.no/2016/10/03/gar-ned-pa-chicks/

http://skam.p3.no/2016/10/05/biologi-2/



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