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Märchenstunde

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
A/N: Danke für die lieben Rückmeldungen! Nach monatelanger Wartezeit komme ich endlich dazu, etwaige Verwirrungen, die das erste Kapitel gestiftet hat, zu beseitigen. Dieses Kapitel ist ein Ticken dramatischer als das letzte. ;) Komplett anzeigen

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Akt II

Akt II

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Nun, du wirst später einmal heiraten und ein Kind haben.

 

Unentwegt hallten die Worte der Miko durch ihren Kopf. Sakura hatte es längst aufgegeben einzuschlafen. Stattdessen fühlte sie sich völlig aufgekratzt und ihr Herz hämmerte wie wild gegen ihren Brustkorb. Sie lag in einem riesigen Himmelbett mit rosafarbenen Laken und unter ihren Händen konnte sie die vielen kostbaren Seidenkissen spüren. Statt den Stuck an der Decke zu bewundern – denn das hätte sie zu einem anderen Zeitpunkt getan, schließlich war das Zimmer der Traum eines jeden Mädchens –, hatte sie vor ihren Augen das Bild eines fremden Mannes.

 

Wie würde er wohl aussehen, mit dem sie später einmal eine Familie haben würde?

 

Vor Aufregung biss sie sich auf die Lippe, als sein Gesicht langsam Gestalt annahm. Er war groß, oh ja, sehr groß. Schlank, dennoch muskulös, dass er sie ohne Mühe auf den Armen tragen konnte. Die Haare waren schwarz und schwer zu bändigen, dass sie ihm wild vom Kopf abstanden. Dunkle Augen, die Haut blass und um seine Lippen lag so ein unwiderstehliches Grinsen, dass die Schmetterlinge in ihrem Bauch nicht lange auf sich warten ließen. Er hatte erschreckend große Ähnlichkeit mit… mit…

 

Sasuke.

 

Sofort riss sie die Augen auf und hielt sich schockiert eine Hand vor dem Mund. Hatte sie sich gerade ernsthaft Sasuke als ihren späteren Ehemann vorgestellt? An Heiraten hatte selbst sie nicht einmal gedacht. Wie kam sie bloß auf so eine absurde Idee?

 

Eine absurde Idee, die doch nicht von der Hand zu weisen ist.

 

Sie schluckte schwer. Natürlich hatte sie nicht vergessen, was die Miko zu Sasuke gesagt hatte. Er würde ebenfalls später einmal heiraten und ein Kind haben. Viele Shinobi-Pärchen bekamen selten mehr als zwei Kinder, da sie üblicherweise ständig auf Reisen waren und keinen ungefährlichen Beruf ausübten. Dass sie und Sasuke gleich viele Kinder einmal haben würden, war also nicht weiter ungewöhnlich.

 

„Reiß dich zusammen, Haruno“, murmelte sie. Entschieden zog sie sich die Decke über den Kopf und kniff die Augen zusammen. Sie sollte sich wirklich diese Flausen aus dem Kopf schlagen und sich lieber darauf konzentrieren, härter zu trainieren, um nicht noch weiter zurückzufallen. Schlimm genug, dass sie ihre Jungs im Wald des Todes nicht ausreichend vor Orochimaru hatte beschützen können. Stattdessen lag sie hier und schwelgte in unsinnigen Mädchenträumen. Hätte die Miko ihr doch einfach bloß verraten, wie ihr Ehemann einmal aussehen würde. Dann würde sie sich sicherlich nicht den Kopf darüber zerbrechen und schon längst im Land der Träume sein. Hätte sie ihr doch einfach sein Gesicht gezeigt, dann würde sie sicherlich nicht…

 

Urplötzlich riss sie sich die Decke vom Körper und schwang die Beine entschlossen aus dem Bett.

 

Zur Hölle mit den guten Vorsätzen.

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Regungslos betrachtete Sasuke den Nachthimmel von seinem Platz aus auf der Fensterbank. Obwohl die Müdigkeit schwer in seinen Knochen lag, war sein Verstand hellwach. Abwesend betrachtete er sein Spiegelbild, das ihm im Fensterglas entgegenblickte. Ähnlich wie seiner Teamkollegin ließen auch ihm die Worte der Miko keine Ruhe.
 

Irgendwann in absehbarer Zukunft würde er abgesehen von seinem Bruder nicht mehr der einzige Uchiha sein.

 

Tatsächlich würde er selbst einmal eine Familie haben.

 

„Eine eigene Familie“, murmelte er.

 

Auch das Aussprechen dieses Wortes machte die Situation und die Offenbarung der Miko nicht glaubwürdiger. Seit jener Nacht, als sein Klan buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht wurde, galten seine Gedanken nur noch seinem verräterischen Bruder. Wie er ihn mit seinen eigenen Händen umbringen und den Namen seines Klans endlich reinwaschen würde. Was aus ihm selbst einmal nach seiner erfolgreichen Rache werden würde, hatte er sich selten drum geschert. Das pochende Mal des Todes an seinem Nacken, das er nur knapp überlebt hatte und einer tickenden Zeitbombe glich, unterstrich nur seine eigene Sterblichkeit. Natürlich erinnerte er sich an sein eigenes Versprechen, seinen Klan wiederaufzubauen. Aber es war der naive Wunsch eines Kindes, das die Tragweite seiner Worte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht realisiert hatte.

 

Und nun würden diese einmal wahr werden.

 

Der Gedanke war erschreckend und angenehm zugleich.

 

Ohne es zu verhindern, spielten sich plötzlich vor seinem inneren Auge verbotene Szenen ab, die sein Verstand und Herz bis dahin mehr oder weniger erfolgreich unterdrückt hatten. Die Bilder ließen sein Herz vor Sehnsucht schmerzvoll zusammenziehen. Er sah sich selbst, wie er abends nach einer erfolgreichen Mission sein Haus betrat, das bei seiner Rückkehr nicht in Dunkelheit liegen würde. Alle Zimmer würden hell erleuchtet sein wie zu jenen Zeiten, als seine Mutter und sein Vater noch am Leben gewesen waren, und Lachen und Gesprächsfetzen würden die bedrückende Stille verdrängen. Er würde nicht mehr der Einzige sein, dessen Rücken stolz das Uchiha-Symbol schmücken würde. Und trotz harter Mission würde er es sich nicht nehmen lassen, draußen auf dem Wassersteg seinem Sohn Katon Jutsu beizubringen – genauso, wie es einst sein eigener Vater ihm gezeigt hatte.

 

Plötzlich stutzte er.

 

Was machte ihn so sicher, dass es ein Junge sein würde?

 

Verwirrt runzelte er die Stirn und versuchte sich auszumalen, wie später einmal sein Kind (allein das Wort war so absurd) aussehen würde. Die Uchiha-Gene waren schon immer sehr dominant gewesen – seine schwarzen Haare und Augen würden auf jeden Fall vererbt werden. Aber was war mit dem Sharingan? Würde er es an sein Kind weitergeben können? Es gab keine Garantie, dass sein Nachkomme das Sharingan einmal besitzen würde. Nur auserwählte Uchiha-Mitglieder, die die entsprechenden physischen Voraussetzungen mitbrachten, konnten das Sharingan erwecken. Würde sein Blut ausreichen, damit das Erbe der Uchihas weitere Generationen fortbestehen konnte? Der Gedanke, dass mit seinem und Itachis Tod das jahrhundertalte Kekkei Genkai seines Klans aussterben würde, ließ es ihm eiskalt über den Rücken herunterlaufen. Nein. Sein Kind würde hoffentlich einmal nach ihm kommen und seine Stärke, Schnelligkeit und Intelligenz besitzen – vorausgesetzt natürlich, dass seine Mutter die entsprechenden Gene mit sich brachte…

 

Für einen Sekundenbruchteil flackerte etwas Rosafarbenes auf.

 

Mit aufgerissenen Augen erwiderte er den Blick seines Spiegelbildes. Obwohl er im Zimmer ganz allein war, konnte er nicht umhin, seine warmen Wangen in dem hohen Kragen seines Shirts zu verstecken.

 

Mit klopfendem Herzen versuchte er das Bild seiner rosahaarigen Teamkollegin abzuschütteln. Sein idiotischer Verstand gaukelte ihm Sakura – seine zu emotionsgeladene, zu fürsorgliche, zu aufbrausende Teamkollegin – als seine zukünftige Ehefrau vor.

 

Allein der Gedanke ließ ihn irritiert die Augenbrauen zusammenziehen. Aber er konnte nicht verhindern, dass irgendwo in den Ecken seines Herzens ein klitzekleines bisschen Freude aufflackerte. 

 

Was prompt die Röte in seinen Wangen verstärkte.

 

Der rationale Teil in ihm erklärte ihm, dass Sakura zurecht vor seinen Augen aufgetaucht war. Sie war von Natur aus ein herzensguter, unschuldiger und zutiefst liebenswerter Mensch, der anders als er und Naruto, nie das Leid dieser Welt kennengelernt hatte. Nicht ohne Grund versuchten beide Jungs sie vor alles und jeden zu beschützen. Abgesehen davon war sie das einzige weibliche Wesen, das er bis zu einem bestimmten Grad in seiner Nähe ertragen konnte.

 

Aber dann gab es noch diesen anderen Teil in ihm, fast schon kaum wahrnehmbar, dem er zum jetzigen Zeitpunkt lieber nicht weitere Aufmerksamkeit schenkte.  

 

Genervt fuhr er sich mit einer Hand durch das Haar und warf einen Blick auf sein unbenutztes Bett. Heute Nacht würde er dank der irrwitzigen Andeutungen der Miko kein Auge mehr zukriegen. Dabei konnte er in seinem Leben nicht noch mehr Ablenkungen gebrauchen. Die jüngsten Ereignisse im Wald des Todes waren eine Belastung genug.
 

Spielte die alte Hexe ihm etwa einen Streich? Was auch immer sie sich erhofft hatte, hatte sie wohl erreicht, denn er wurde von seltsamen Tagträumen heimgesucht, die ihm ein Leben vorspielten, in dem er endlich seine Rache bekommen und Sakura seine Ehefrau sein würde. Er sah es schon kommen, wie er die nächsten Tage versuchen würde, peinlichst genau jeden Augenkontakt mit seiner Teamkollegin zu vermeiden, damit sie ja nicht auf falsche Gedanken kam.

 

Abwesend starrte er aus dem Fenster, bevor er plötzlich entschieden vom Fenstersims heruntersprang und auf die Tür zumarschierte.

 

Er würde diesem Gedankenkarussell ein für alle Mal Einhalt gebieten.

 

Nur um sicherzugehen, dass mein Sharingan auch an die nächste Generation vererbt wird, versicherte er sich, sollten sich die Worte der Miko doch noch als wahr herausstellen.

 

Aus sonst keinem anderen Grund.

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Schwungvoll riss er die Haustür auf. Noch bevor er „Ich bin wieder da!“ rufen konnte, flitzten durch die Diele zwei gelbe Wirbelwinde und rasten direkt auf ihn zu.

 

„PAPA!“

 

Er breitete die Arme aus und riss gekonnt seine beiden Söhne in die Höhe. Sie waren ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und strahlten ihn an, während sich pummelige Ärmchen um seinen Hals schlangen.

 

„Wir haben dich vermisst!“

 

„Hast du die Mission geschafft?“

 

„Natürlich!“ Mit einem breiten Grinsen schaute er in ihre neugierigen Gesichter und wies mit dem Daumen auf seinen weißen Umhang. „Zweifelt ihr etwa an dem Hokage?“

 

Sofort jauchzten sie auf. Gerade wollte er fragen, ob sie mal wieder Sasukes Sohn vermöbelt hätten, als er plötzlich innehielt und in der Luft schnüffelte.

 

Dieser Geruch konnte doch nur eines bedeuten…

 

„RAMEN!“, riefen alle drei im Chor. Mit seinen Söhnen im Schlepptau folgte er dem Duft und riss die Küchentür sperrangelweit auf.

 

„SAKURA-CHAN, ICH BIN WIEDER-“

 

Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er die fremde Frau in der Küche entdeckte, die mit dem Rücken zu ihm stand und ganz und gar nicht das typisch rosafarbene Haar seiner Ehefrau besaß.

 

Wie angegossen blieb er stehen. „Warte, du bist nicht Sakura-chan. Wer bist du?“

 

Langsam drehte sie sich zu ihm um und das Letzte, was er bemerkte, war, wie sich alles um ihn herum begann, in Luft aufzulösen…

 

Mit einem erstickten Schrei schnellte Naruto vom Bett hoch. Mit klopfendem Herzen schaute er panisch nach rechts und links. Die Kinder, die Frau, der Ramengeruch – alles war weg. Frustriert schloss er die Augen. Natürlich war es zu schön gewesen, um wahr zu sein. Abgesehen davon war er so nah dran gewesen, die Identität der fremden Frau zu lüften.

 

Eigentlich war er sich ja zu hundert Prozent sicher, dass nur Sakura als seine Ehefrau infrage kam. Wenn nicht sie, wer sonst? Lächelnd kuschelte er sich unter die Decke, während er sich vorstellte, wie Sasuke mit einer Schreckschraube wie Ino bestraft wurde. Zu gerne würde er es diesem Idioten unter die Nase reiben…

 

Plötzlich stahl sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht. Vielleicht würde er nichts mehr aus der alten Hexe herausbekommen, aber sollte ein Ninja nicht zu jeder Zeit in der Lage sein, sich selbst seine Informationen zu beschaffen? Zumindest hatte Ibiki so etwas Ähnliches erzählt.

 

Er würde sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen.

 

Naruto zog sich seine Schlafmütze tief über die Ohren und stahl sich lautlos aus dem Zimmer. In den Gängen herrschte Stockfinsternis und nur mit Mühe konnte er die Schemen der Statuen erkennen. Von den Bediensteten war weit und breit keine Spur. Für einen Moment blieb er unsicher stehen. Die Stille war beängstigend. Immerhin befanden sie sich im Haus einer mächtigen Miko und wer weiß, was für Gefahren in den dunklen Ecken lauerten? Aber dann schüttelte er den Kopf. Er hatte eine Mission zu erledigen. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schlich er auf Zehenspitzen über den Flur und lugte an einer Säule vorbei. Endlich hatte er sein Ziel erreicht.

 

Plötzlich stockte Naruto, als er das dumpfe Gefühl bekam, beobachtet zu werden.

 

Er wirbelte herum, und bevor er auf zwei rot glühende Punkte einen Kunai werfen konnte, wurde das Geschoss aus seiner Hand gekickt. Sofort jaulte er laut auf.

 

„Idiot“, zischte eine wohlbekannte Stimme. „Ich bin’s.“

 

Plötzlich flackerte ein Licht auf und nun erkannte er auch Sasuke, dessen Gesicht von einer kleinen Flamme über seinem Finger beleuchtet wurde. Sofort ging er in den Angriff über.

 

„Bastard, wieso schleichst du dich auch so an?“

 

„Tz. Das Gleiche könnte ich dich auch fragen.“

 

Narutos Augen weiteten sich, als es ihm langsam dämmerte. „Aha! Gib es zu, du kannst es auch nicht abwarten, das Gesicht deiner Zukünftigen zu sehen?“, feixte er.

 

Im Schein des Feuers waren die pinken Flecken auf Sasukes Wangen nicht zu übersehen. Gerade wollte er den Mund öffnen, als eine andere Stimme hinter ihnen ertönte.

 

„Naruto? Sasuke-kun?“

 

Beide Jungs rissen den Kopf herum und entdeckten Sakura, die im Nachthemd bekleidet vor ihnen stand.

 

„Sakura-chan, du bist auch hier!“

 

Sie warf Sasuke ein unsicheres Lächeln zu, der tunlichst den Blickkontakt vermied.

 

„Ich denke, wir verfolgen alle drei das gleiche Ziel.“

 

Naruto nickte begeistert. „Wir sollten uns diese Chance nicht entgehen lassen. Sasuke will einfach nicht zugeben, dass er mindestens genauso neugierig ist.“

 

Sasuke überging geflissentlich den Seitenhieb. „Wir haben schon genug Zeit verloren.“ Er wies mit dem Kopf auf die Flügeltüren hinter Naruto. „Du glaubst doch nicht, dass wir hier fündig werden?“

 

Naruto warf ihm einen bösen Blick zu. „Hast du etwa eine bessere Idee?“

 

Nachdem Naruto einen Doppelgänger heraufbeschworen hatte, der an der Säule die Stellung bewahren sollte, traten alle drei vor die großen verschlossenen Flügeltüren, die zum Speisezimmer führten. Mit einem leisen Quietschen schwang eine Tür auf. Angeführt von Sasuke betraten sie den dunklen Raum. Ihr Blick fiel direkt auf das Kopfende des Esstisches, auf dem der wohlbekannte Spiegel auf dem Tablett lag. Wie scheinbar vergessen.

 

Misstrauisch warf Sakura einen Blick zurück in den finsteren Gang. So viel Glück konnten sie doch nicht wirklich haben? Eben war sie noch Feuer und Flamme für ihr Vorhaben gewesen, aber jetzt war sie sich plötzlich nicht mehr so sicher. Die Dunkelheit erschien unheilverkündend. 

 

Sasuke schaute Sakura, die stehen geblieben war, abwartend an.

 

„Was ist los?“
 

„Es könnte sich auch genauso gut um eine Falle handeln.“

 

„Du kneifst doch jetzt nicht, Sakura-chan?“, fragte Naruto. „Komm schon, was kann uns schon passieren?“

 

Oh, so einiges. Aber Sakura gab sich mit einem Seufzer geschlagen und schloss mit einem leisen Klicken hinter ihnen die Tür. Sie betete, dass ihre Neugier ihnen nicht zum Verhängnis wurde.

 

Katon Jutsu!

 

Die Fackeln an den Wänden leuchteten dank Sasukes Feuerjutsu auf und erhellten den gesamten Raum. Naruto wollte gerade nach dem Spiegel greifen, als Sasuke ihm zuvor kam und ihn an sich riss.

 

„Ich bin zuerst dran.“ Er entfernte sich von beiden, und bevor Naruto empört den Mund aufmachen konnte, schnitt er ihm das Wort ab. „Jeder schaut für sich selbst hinein.“ Er war nicht bereit zu teilen, was auch immer der Spiegel ihm zeigen würde, wenn er es selbst noch nicht einmal wusste.

 

„Dann mach aber schnell.“ Naruto machte er sich auf den Sitzkissen bequem und verschränkte die Arme. Mist. Er hätte zu gerne gesehen, was der Spiegel Sasuke zeigen würde, aber ihn beschlich das ungute Gefühl, dass er das gleiche Recht einfordern würde.

 

Sakura beobachtete mit schwerem Herzen, wie Sasuke sich eine Haarlocke abschnitt und auf den Spiegel legte. Sie wusste nicht, wieso Sasuke hierher geschlichen war. Sie glaubte kaum, dass ihn die Identität seiner späteren Frau interessierte – wahrscheinlich hatte es eher mit seiner Rache zu tun. Aber dass er in nur wenigen Sekunden das Gesicht der Frau erblicken würde, mit der er sein gesamtes Leben verbringen und die womöglich nicht sie selbst sein würde, versetzte ihr einen Stich.

 

Sorgfältig studierte sie sein Gesicht, als der Spiegel aufleuchtete. Zunächst starrte er reglos die Oberfläche an, bis sich plötzlich ein Ausdruck auf Sasukes Gesicht ausbreitete, den sie zuletzt im Wald des Todes gesehen hatte: schiere Fassungslosigkeit.

 

Dann hob er den Blick-

 

und starrte sie mit horrorgeweiteten Augen geradewegs über den Tisch hinweg an.
 

„Ey, Sasuke, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!“

 

Narutos Stimme riss Sasuke aus seiner Starre. Eilig löste sich sein Blick von ihr, bevor er über den Spiegel wischte, wie er es bei der Miko beobachtet hatte. Ohne ein Wort überließ er Naruto den Spiegel und wandte sich mit geballten Fäusten ab.

 

Sakura schluckte schwer und betrachtete seinen angespannten Rücken. Sie hatte sich seinen Blick nicht eingebildet. Hieß das etwa, dass…

 

Währenddessen legte Naruto aufgeregt eine Haarlocke auf die Spiegeloberfläche und rieb sich erwartungsvoll die Hände. Sasukes Reaktion hatte Bände gesprochen – zu einem anderen Zeitpunkt hätte Naruto sich über die Schockstarre seines Teamkollegen zu gerne lustig gemacht, denn es war offensichtlich, dass ihn die Verkündung des Spiegels wie ein Eimer kaltes Wasser getroffen hatte. Vielleicht war es gar nicht Ino, sondern jemand weitaus Schlimmeres.

 

Die Gedanken waren augenblicklich in seinem Kopf still, als sich langsam ein Bild auf der Oberfläche abzeichnete. Zunächst sah er einen hochgewachsenen blonden Mann, der mit einem kleinen dunkelhaarigen Mädchen vor einer Geburtstagstorte stand. Als er das Gesicht des Mannes sah, blieben Naruto die Worte im Munde stecken. An der linken Seite des Mannes tauchte ein blonder Junge auf, der wild gestikulierte, woraufhin der Mann in einer Schimpftirade ausbrach Der Junge verschränkte nur die Arme und wandte den Kopf beleidigt ab – eine Körperhaltung, die Naruto schrecklich bekannt vorkam. Der Mann kratzte sich hilflos am Kopf, als sich plötzlich das kleine Mädchen lachend an seinen Rücken warf. Alle drei drehten sich um und schienen einer vierten Person zuzuhören, die noch nicht ins Bild getreten war. Sofort hoben sie abwehrend die Hände und brachen in herzliches Gelächter aus. Von dem Familienstreit war keine Spur mehr zu sehen. Eine Frau mit schulterlangen schwarzen Haaren kam dem Mann entgegen und stellte sich auf Zehenspitzen, bevor sie ihm sanft auf die Wange küsste. Dann drehte sie sich wie aufs Stichwort um und schaute Naruto direkt in die Augen.

 

Ihm fiel die Kinnlade auf. Das dunkle Haar, die blasse Augenfarbe, die auf ein Kekkei Genkai hindeutete, das nur einem Klan gehörte. Das war doch…

 

„Naruto?“

 

Er riss den Kopf hoch und starrte Sakura an, die ihn besorgt musterte. Ihr war nicht entgangen, wie ungewöhnlich still ihr sonst so lebhafter Teamkollege geworden war.

 

„Ist alles in Ordnung?“

 

Sein Blick raste zwischen Sakura und der lächelnden Frau, die sich an den Mann – an ihn! – schmiegte, hin und her. Sein Hirn fühlte sich wie leergefegt an.

 

„Eh…“, stammelte er, und wischte noch eilig über die Spiegeloberfläche, bevor Sakura ihm den Gegenstand mit gerunzelter Stirn aus der Hand nahm. Naruto, der sonst um kein Wort verlegen war, hatte es die Sprache verschlagen.

 

Nervös nagte Sakura an ihrer Lippe, als sie nach der Schere griff. Dieses Unterfangen stellte sich immer mehr als eine furchtbar schlechte Idee heraus. War sie bereit für das, was der Spiegel ihr zeigen würde? Vielleicht spielten sie wirklich mit dem Feuer.

 

Aber dann dachte sie an Sasukes Blick. Es gab kein Zurück mehr.

 

Ihr Herz raste in einem Tempo, dass ihr speiübel wurde. Leise zitterte ihre Hand, während sie eine rosafarbene Locke auf den Spiegel legte und diese augenblicklich eintauchte. Und dann wartete sie.

 

Die Spiegeloberfläche verschwamm, bevor sich das Bild allmählich klärte. Zunächst sah sie ein dunkelhaariges Mädchen, die eine Diele herunterrannte. Schwungvoll riss sie die Haustür auf und die dunklen Augen hinter den Brillengläsern weiteten sich überrascht, als sie den hochgewachsenen Mann erblickte, der über die Türschwelle trat. Pechschwarze Strähnen verdeckten die linke Gesichtshälfte, und obwohl diese Gesichtszüge so viel markanter waren, hätte Sakura sie in jedem Leben wiedererkannt. Zeitgleich trat eine junge Frau mit einer Haarfarbe, die ihr zu gut bekannt war, aus der Küche und erstarrte wie zur Salzsäule. Ihre Augen wurden tellergroß, und bevor sie bewusstlos zu Boden sinken konnte, war der Mann augenblicklich an ihrer Seite und fing sie auf. Die Szene löste sich auf und sie sah abermals das Mädchen, dieses Mal weitaus jünger, vor ihrer Mutter stehen und das Gesicht verziehen, während die Frau verlegen lachte. Dann tippte sie ihr mit den Fingern sanft an die Stirn, dass es keine Worte brauchte, um die tiefe Zuneigung hinter dieser Geste zu verstehen. Wie hypnotisiert blieb Sakuras Blick auf der Spiegeloberfläche geheftet. Nur am Rande nahm sie schwach wahr, dass sie schon viel zu lange in den Spiegel blickte. Aber sie war außerstande, ihn aus der Hand zu legen. Alles um sie herum existierte nicht mehr. Außer diese Szenen, die so surreal waren, dass sie sich zwingen musste, sich nicht in die Haut zu kneifen. Wieder einmal verschwamm die Szene und dieses Mal zeigte es die Tore vor Konoha. Gerade trat die Frau dem dunkelhaarigen Mann lächelnd gegenüber und neigte ihm das Gesicht vertraut zu, dass für jeden Außenstehenden die Intention dahinter unmissverständlich war. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte die Lippen des Mannes, der nur einen Sekundenbruchteil zögerte, bevor er den Kopf senkte und…

 

EWWW!

 

Verschreckt ließ Sakura den Spiegel fallen, der krachend auf dem Boden aufschlug und in tausend Teile zersprang.

 

„Naruto!“ Aufgebracht wirbelte sie herum und entdeckte die beiden Jungs, die direkt hinter ihr standen und keinen Hehl daraus machten, ihr über die Schultern geschaut zu haben. „Was hast du getan?!“

 

Aber Naruto schien sie gar nicht zu hören. Anklagend zeigte er mit dem Finger auf sie. „Sakura-chan, das kann doch nicht dein ernst sein?! Du kannst doch nicht etwa den da heiraten!“

 

„Ich…“ Das Blut rauschte ihr in den Ohren, als sie Sasuke anschaute, der sie eben gerade noch mit seinen Sharingan fixiert hatte. Nun schaute er mit malmenden Zähnen und hochroten Wangen zur Seite.

 

„Dabei reibt dieser arrogante Kerl uns ständig unter die Nase, dass er uns nicht braucht und dass wir ihm ein Klotz am Bein sind und dass er in allem doch so viel besser ist!“ Naruto wich verletzt zurück.

 

„Bist du jetzt fertig?“, presste Sasuke wütend hervor.

 

„Naruto-“

 

Aber er schien sie gar nicht zu hören und redete sich in Rage. „Und trotz allem heiratest du einfach diesen Bastard und gründest auch noch eine Familie mit ihm. Wie kannst du so etwas nur tun?“ Plötzlich weiteten sich seine Augen und ungläubig wechselte er seinen Blick zwischen Sakura und Sasuke hin und her. „Ihr habt eine Tochter, das bedeutet, dass ihr beide-beide-“

 

Sämtliche Farbe wich aus Sakuras Gesicht.

 

„Naruto, untersteh dich!“, schrie sie.

 

Mit wild hämmerndem Herzen sprang sie auf und stieß ihre beiden Teamkollegen zur Seite, als sie aus dem Speisezimmer stolperte. Naruto riss zornesbebend den Kopf zu Sasuke herum, der sich noch nicht zu Wort gemeldet hatte.

 

„Wie lange?“

 

Sasuke neigte den Kopf zur Seite. „Was?“

 

„Wie lange stehst du schon auf sie?!“, brüllte Naruto. „Tust immer so ultracool und verletzt sie bei jeder Gelegenheit, dabei spielst du uns allen nur etwas vor. Auch jetzt tust du wieder so, als ob dich das Ganze nicht jucken würde. Als ob sie dich nicht jucken würde!“

 

„Naruto, halt deinen-“

 

„Verdammtes Arschloch!“

 

Bevor Sasuke reagieren konnte, verpasste Naruto ihm einen gewaltigen Kinnhaken, dass sein Kopf nach hinten flog. Wutentbrannt tastete er nach seiner geplatzten Lippe und wollte gerade mit der Faust ausholen, aber Naruto war bereits aus dem Raum gestürmt.

 

Mit bebenden Schultern wischte sich Sasuke das Blut aus dem Mundwinkel und rang mühsam nach Fassung. Zähneknirschend trat er aus dem Speisezimmer und dachte an die Bilder, die seine Sharingan unweigerlich abgespeichert hatten und ihn noch lange verfolgen würden.

 

Der zerbrochene Spiegel blieb vergessen zurück.

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tbc…



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