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Hundstage

Kein Hund wie jeder andere
von

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Der Herr der Hunde

I see the pale moon rising,

I see trouble on the way,

 

Creedance Clearwater Revival: Bad moon rising

 

 
 

Sesshoumaru bog den Kopf zurück. Eine der Erfindungen der Menschen, die er in den letzten Jahren tatsächlich schätzen gelernt hatte, war dieses Duschen mit warmem Wasser. Nur jetzt noch kurz hier entspannen, dann umziehen und in die Konzernzentrale fahren. Vater würde ihn sicher pünktlich erwarten. Um neun begann dort sein Arbeitstag. Nun ja, als so starker Youkai brauchte er keinen Schlaf, oder wenn, dann äußerst selten.

Er stellte die Dusche ab und drückte das Wasser etwas aus seinem Haar und der Boa, die sich um seine Schulter schlang. So durchnässt sah er nicht sonderlich elegant aus, befand er, aber ein wenig Youki, dämonische Energie, würde ihn rasch trocknen lassen.

Moment. Er spannte sich unmerklich an. Unter der Dusche war es ihm entgangen, aber nun war er sicher, dass sich dort drüben, im Wohnzimmer der Stadtwohnung, die seinem Vater gehörte, ein Youkai aufhielt. Ein mächtiger noch dazu. Vater? Kaum ein anderer käme hier herein. Wie lange wartete dieser schon da? Schlimmer, auf ihn? Das konnte der als unhöflich auslegen – und er kannte lebenslang die ausgeprägte Meinung des Inu no Taishou zu diesem Thema, die kaum von seiner eigenen abwich.

Hastig eilte er hinüber, ohne sich noch die Zeit zu nehmen ein Handtuch um zu wickeln oder seine Haare zu trocknen.

Bei seinem Anblick flirrte das Youki im Raum förmlich empor, ließ die Temperatur im Zimmer ebenso deutlich fallen, und der Junior hielt es für erklärlich besser sich vor seinem Vater, der fast nachlässig in einem Sessel lehnte, niederzuknien und höfisch gedrillt zu Boden zu blicken. Was war denn nur los? Ein wenig fasziniert betrachtete er, wie sich auf dem Teppichboden, der sich unter ihm anfeuchtete, unter der stark abgesunkenen Gradzahl im Raum etwas wie Raureif bildete. Vater war überaus aufgebracht, so sehr, dass sogar dessen beiden Schulterfelle unter seiner Energie wehten. Wegen dieses törichten Menschen, der ihn selbst beleidigt hatte, vor wenigen Stunden? Er hatte den doch nur ein wenig zur Ordnung gerufen. Vor einem Jahrhundert noch wäre der so etwas von tot gewesen …

„Ich bin mir nicht sicher, Sesshoumaru, ob du impulsiver bist, als es einem Youkai deines Standes gebührt, oder törichter, als ich es von meinem Sohn erwarte,“ sagte der Herr der Hunde ebenso kalt wie die Zimmerluft.

Was sollte er dazu sagen? Sesshoumaru schwieg lieber, musterte aber aus den Augenwinkeln, wie er hoffte, verstohlen, wie sich auf seiner feuchten Boa langsam Eiskristalle bildeten. Er war sicher, dass das auch mit seinem Haar geschah. So etwas war ihm vor Jahrhunderten passiert, als er zur Strafe stundenlang in einem Gletscherbach baden musste. Aber das eigene Youki ansteigen zu lassen, um sich zu trocknen und aufzuwärmen, würde sein verehrter Vater als unverschämte Herausforderung auffassen. Man verglich die eigene Energie nur mit der eines Daiyoukai, wenn man ebenfalls in dieser Liga spielte – und es auf ein Duell anlegte. Wer nur war unverzüglich losgelaufen und hatte den Zwischenfall in dem Club Vater berichtet? Und, ja, erkannte er, wenngleich etwas spät, Menschen zu verletzen war seit siebzig Jahren, seit den Verträgen, jedem Youkai verboten. Dann musste man vor ein menschliches Gericht und es ging um Geldstrafen und Schadensersatz. Schlimmer wurde es, wenn man einen Menschen tötete, denn dann musste man vor Vaters Gericht. Und unter Youkai gab es zwei Regeln: schuldig bedeutete den Tod, nicht schuldig, das Leben. Au weia. Dem Jugendlichen dämmerte, dass unter Umständen dieser Narr von Tere ... irgendwas gestorben sein könnte. Das wäre ein guter Grund für Vaters Zorn. Er selbst hatte einen schweren Fehler begangen.

„In den Verträgen sagte ich den Menschen meinen Schutz vor allen Youkai und Drachen zu. Du hast somit mein Wort gebrochen. Und das schätze ich keineswegs, wie du wissen solltest.“

„Er lebt also noch?“ entfuhr es dem jungen Youkai, durchaus erleichtert. Allerdings, wenn er vor einem menschlichen Gericht erscheinen musste, wäre das auch ein Gesichtsverlust, für ihn und seinen verehrten Vater. Kein Wunder, dass dieser so erbost war und an seiner, Sesshoumarus, Selbstbeherrschung zweifelte. Dabei hatte er doch nur geglaubt, ein wenig … hm … Nachhilfe könne bei den Gedanken eines Menschen nicht schaden. Fehler, dachte er zerknirscht. Fataler Fehler, der wohl auch Vater mit hinein ziehen würde.

Der Taishou atmete tief durch. „Ja. - Unser Privatflugzeug wird demnächst nach Sibirien starten. Wie du dich gewiss erinnerst, warten dort Verhandlungen mit den Schneefüchsen und vor allem Väterchen Frost, dem Herrn der dortigen Dämonen. Du wirst diese Aufgabe übernehmen. Jaken fährt dich unverzüglich zum Flugplatz. Ein Kopie der Akte liegt im Wagen. Du kannst sie auf dem Flug nach Irkutsk sicher genau studieren. In zwei Wochen endet dieser offizielle Besuch. - Ich hoffe, bis dahin hat man deine … hm … Kneipenschlägerei vergessen.“

Das Wort traf den Jugendlichen in seinem Stolz und er sah ruckartig auf. „Er hatte mich beleidigt, verehrter Vater!“

Der Taishou hob eine Augenbraue.

Sesshoumaru neigte eilig den Kopf. Nur ein König der Narren würde selbst seine Strafe erhöhen. Vater wäre in der Lage ihn wochenlang in Sibirien sitzen zu lassen – von anderem ganz zu schweigen. Und immerhin bedeutete das, dass sich der Herr der Hunde um die Folgen des unbedachten Verhaltens seines Sohnes hierzulande kümmern würde. „Ja, verehrter Vater.“ Zu seiner gewissen Erleichterung sank der Spiegel des Youki und damit stieg die Temperatur.

Der Taishou erhob sich. „Du hast eineinhalb Stunden, ehe das Flugzeug starten soll. Das Auto wartet unten. - Du solltest Selbstbeherrschung zeigen. Väterchen Frost ist nicht so langmütig wie ich.“

„Ja, verehrter Vater.“

 

Vor dem eleganten Hochhaus in der Innenstadt warf der Inu no Taishou nur einen kurzen Blick auf das Auto mit dem wartenden Chauffeur. Hinten saß ein Kappa, Jaken, der Sekretär Sesshoumarus, der ihm einen unbehaglichen Blick zuwarf, allerdings die Akte zu den russischen Dämonen fest in den kleinen Klauen hielt. Sein Sprössling würde diese also erhalten. Der Herr der Hunde zog unbewusst ein wenig sein Haarband zurecht, dass seine weißen, langen, Haare zu einem Zopf zusammenhielt, ehe er etwas auf seinem rechten Schulterfell spürte. „Nun, Myouga?“

Der alte, kleine, Flohgeist war bereits seit langen Jahrhunderten mit dem mächtigen Daiyoukai zusammen und kannte dessen Launen nur zu gut. Allerdings war er auch der treueste Diener, den sich ein Fürst nur wünschen konnte, diskret und loyal. Nur seine Feigheit hatte in früheren Zeiten manchmal zu Missstimmungen zwischen dem Heerführer und seinem Berater geführt. In diesen modernen Zeiten war das keine Ursache mehr. Myouga verschränkte seine vier Arme, denn auch ihn hatte die niedrige Temperatur mitgenommen. Allerdings war das im Fell eines Daiyoukai deutlich angenehmer als frisch aus der Dusche. „Sie waren sehr streng zu Sesshoumaru, oyakata-sama.“

„Das muss ich sein.“ Der Taishou wartete, bis sein eigener Chauffeur den Wagenschlag vor ihm öffnete. Erst, als er saß, fuhr er dort: „Er wird eines Tages mein Nachfolger sein und muss lernen sich zu zähmen. Er ist momentan in einem sehr rebellischen Alter. Er hat ungestüm, impulsiv, gehandelt, und die Folgen nicht bedacht.“

„Von seiner Mutter hat er das nicht,“ behauptete der kleine Flohgeist mehr ehrlich als durchdacht und fand sich prompt zwischen zwei spitzen Klauen wieder. „Sehen Sie, oyakata-sama!“

Der Daiyoukai gab ihn auch unverzüglich frei. „Dennoch – er mag noch jung sein, aber er ist alt genug um zwischen Leichtsinn und Risiko unterscheiden zu können. Und, du weißt es sehr wohl, er wird eines Tages stark genug sein um mich herauszufordern. Ich mag dabei verlieren, aber ich möchte weder, dass mein Sohn noch mein Lebenswerk dabei zerstört werden, auch, wenn ich sterbe. Ach, Myouga, sieh mich nicht so an. Du kennst die Regeln unter Daiyoukai. Sesshoumaru kann erst die Nummer eins werden, wenn er seinen eigenen Vater besiegt. Allerdings sollte es dir auch verständlich sein, dass ich diesen Zeitpunkt hinaus schieben will. Und ihn bis dahin beschützen. - Was gibt es Neues im Büro?“

„Äh, einen Moment.“ Myouga wischte sich eine Schweißperle von der Stirn und zog ein winziges, seiner Größe angepasstes, Handy heraus. „Eine Meldung, dass das Flugzeug startklar ist, es kann wie geplant in eineinhalb Stunden starten. - Onigumo no Gumo bittet um ein privates Gespräch mit Ihnen, so rasch wie möglich. - Das ist der Bankier, oyakata-sama. - Es gehe um Ihre beiden Söhne.“

„Gumo? Ja, aber das war doch nicht sein Sohn, der verletzt wurde. Ich dachte, das ist ein Hanyou.“

„Ja, der heißt Naraku, Mutter war eine Spinnenyoukai. - Keine weiteren Neuigkeiten.“

„Gut. Gib ihm einen Termin heute Nachmittag oder Abend. Und besorge mir bis eine halbe Stunde zuvor eine Akte über ihn. - Ich bin neugierig, ob das mit dem Fehler meines Sohnes zu tun hat. Oder es nur ein Vorwand ist. Immerhin ist sein Sohn ein Hanyou. Womöglich hofft er auf Protektion.“ Der Taishou sprach die letzten Sätze mit sich selbst, ehe er aufsah und die Sprechanlage vor sich drückte. „Wie lange brauchen wir in die Zentrale?“ fragte er den Chauffeur.

„Bei dem jetzigen Verkehr zwanzig Minuten, oyakata-sama,“ erwiderte dieser, ein Katzenverwandter, der zugleich die Aufgabe eines Leibwächters versah. Der Postion des Herrn der Youkai geschuldet, denn niemand bezweifelte, dass der Daiyoukai in der Lage wäre sich allein zu verteidigen.

Der Konzernchef nickte nur. Hoffentlich wäre er rechtzeitig dort, bevor die Polizei Sesshoumaru aufsuchen wollte. Sein Plan würde nur dann funktionieren.

 

Die Zentrale der Taishou-Holding lag, nur für Fremde eigenartig, inmitten eines Parks in Tokio. Die Quadratmeterpreise hier waren allgemein in den letzten Jahren utopisch geworden, so dass enge Bebauung und Hochhäuser notwendig gewesen waren. Mit dem Anwachsen der riesigen Stadt vor allem in den letzten Jahrzehnten hatte es der Taishou allerdings bevorzugt sein ehemaliges Schloss hier zu räumen und einen modernen Wolkenkratzer errichten zu lassen. Sein neues Schloss lag weit draußen, fast hundert Kilometer entfernt, am Rande eines Naturschutzparks, den er vor Jahrhunderten gekauft hatte. Damals natürlich unter einem menschlichen Namen, irgendein Titel, den er schon längst wieder vergessen hatte. Da die Steuern kamen und keine Aufstände zu erwarten waren, hatten sich Kaiser und Shogune mit dieser Regelung abgefunden und irgendwann war es Tradition geworden. Nach den Verträgen, als er als Youkai offen agieren konnte, hatte er das geschützte Gebiet für sich reklamiert, aber es als Wildnis belassen, schon, um selbst ab und an in dunkler Nacht den Sternenhimmel sehen zu können oder in seiner wahren Form rennen zu können. Überdies lebten dort auch Youkai, denen ein Wechsel in eine andere Region schwer gefallen wäre, aus welchen Gründen auch immer. Einer davon war sein wahrlich ältester Freund, ein Magnolienbaum namens Bokuseno. Und, das gab er gern zu, er liebte die Natur, war er doch ein Mononoke, ein Tiergeist, ein Wesen, dessen Kraft aus der Umwelt stammte.

 

Der Inu no Taishou saß in seinem Büro im obersten Stock der Zentrale, hinter seinem Schreibtisch im westlichen Stil, den er hier schon wegen seiner internationalen Kontakte bevorzugte. Er lehnte in seinem Stuhl etwas zurückgelehnt und beobachtete die beiden Türen ihm gegenüber mit der nachlässigen Gespanntheit eines Jägers. Früher oder später würde die Nachricht kommen. Entweder von rechts, der Tür, die in sein menschliches Vorzimmer führte, das er für seine Kontakte mit dieser Art hielt, oder von Myouga und den anderen Youkai, die dort arbeiteten.

Er blickte etwas irritiert auf, als sein Telefon schnurrte. An der Kurzwahl erkannte er den Anrufer. So nahm er ab. „Kouga?“

„Das Flugzeug mit Sesshoumaru-sama hat russisches Gebiet erreicht, oyakata-sama,“ meldete der junge Wolf.

Der Taishou nickte. Kouga stammte aus einer adeligen Wolfsfamilie und diente ihm in diesen modernen Zeiten als eine Art Verbindungsoffizier zu der Informationsabteilung und der EDV. Zum Glück gab es tatsächlich Youkai, die sich, neben Menschen, mit diesen Neuerungen gern befassten. „Gut.- Kouga, schicke doch jemanden in das Amida-Hospital und bekomme heraus, wie es Herrn Takazen geht, der heute morgen eingeliefert wurde. Überaus unauffällig. Niemand soll erfahren, dass sich Youkai für ihn interessieren.“

„Ja. Wünschen Sie unverzüglich Nachricht?“ Kouga dachte bereits an einen Menschen, den die Informationsabteilung schicken würde. Aber, das war die Sache von deren Leitung. Er vermittelte zwischen dem Konzernherrn und diesen, da der Taishou es zeitsparender fand, nur einen Ansprechpartner zu haben.

„Ja.“ Der Daiyoukai legte auf. Seine feinen Ohren hatten das leise Klopfen an der Tür vernommen. „Suzuki-san?“

Eine ältere, menschliche, Frau im dunkelblauen Kostüm kam herein und verneigte sich. „Der Empfang meldet, dass zwei Herren von der Polizei dort sind, die mit Sesshoumaru-sama sprechen wollen. Er ist allerdings nicht in seinem Büro.“

„Bitten Sie die Herren zu mir. - Und kochen Sie bitte einen Tee für sie.“

Frau Suzuki verneigte sich erneut und ging. Sie arbeitete seit vielen Jahren für den Taishou und wusste seine stetige Ruhe und Höflichkeit zu schätzen. Überdies hatte er nie auch nur eine Andeutung gemacht sie als Leiterin seines „menschlichen“ Vorzimmers durch eine Jüngere ablösen zu lassen oder ihr zu verstehen gegeben, dass sie doch endlich heiraten sollte. Nun, sie war geschieden und ihr Gehalt hier ermöglichte ihr ein gutes Leben ohne Ehemann, ihr und ihrer jetzt achtzehnjährigen Tochter. So blickte sie draußen nur zu ihren Assistentinnen. „Miu, bitte holen Sie am Empfang die beiden Herren, die nach Sesshoumaru-sama fragen, Natsumi, kochen Sie Tee.“

 

Nur kurz darauf brachte die Assistentin den Tee in das Büro des Konzernherrn, der sich erhob. „Stellen Sie ihn links auf den Besuchertisch.“ Er würde seine unwillkommenen Besucher mit Absicht dort in der westliche eingerichteten Ecke empfangen, nicht auf den Matten. Youkai galten oft als altmodisch und er wollte Moderne und damit Aufgeschlossenheit subtil zeigen. Schließlich wollte er die beiden Polizisten von etwas überzeugen.

Als Frau Suzuki seine Besucher hereinführte, verneigten sich diese höflich, wie es sich gegenüber einem Ranghöheren ziemte.

„Bitte, meine Herren, setzen wir uns.“ Der Taishou nahm bereits Platz. „Ich habe das Vergnügen mit...“

„Kommissar Watanabe und das ist Inspektor Kasai,“ erwiderte der Ältere unverzüglich. „Wir danken Ihnen, werter Taishou. Allerdings hofften wir Ihren Sohn anzutreffen.“

„Sesshoumaru befindet sich im Moment in Russland.“ Er erkannte das prompte, unwillkürliche, Misstrauen. „Nun, ich hörte von einem Zwischenfall heute morgen, den mein Sohn aber offenkundig als weniger bedeutsam einstufte als unseren von langer Hand geplanten Staatsbesuch. Er flog mit unserem Privatjet, aber das können Sie gern nachprüfen lassen, um halb zehn ab.“ Er legte die Hände auf den Tisch und verschränkte sie etwas. Er wusste aus jahrzehnte- , ja, jahrhundertelanger Erfahrung mit Menschen, dass diese beim Anblick seiner Klauen instinktiv unruhig wurden. „Es handelt sich doch nur um einen kleinen Zwischenfall, nicht wahr?“

„Nun ja.“ Kommissar Watanabe warf einen flüchtigen Blick auf die Hände. Trotz des schwarzen Designeranzugs, der sicher mehr kostete als er in einem Monat Gehalt bekam, verrieten die seltsamen Fellteile an den Schultern und das viel zu lange Haar, wie auch diese Klauen, dass sein Gegenüber eben der anderen Art angehörte. Und auch, wenn die Menschen und die Youkai seit siebzig Jahren friedlich zusammenlebten, so gab es doch immer noch Unterschiede. Das war nicht zuletzt der Grund ihres Hierseins. „Für einen Youkai, möglicherweise. Es wurde jedoch ein Mensch verletzt, das wäre ein Bruch der Verträge. Sie sind Regierungsmitglied, Sie wissen das natürlich.“

„Wie schwer ist denn diese Verletzung?“

„Heute morgen hieß es, der Arm sei gebrochen, aber schwerer wiegt wohl die Säure. - Wir müssen Ihren Sohn unverzüglich sprechen.“

„Ich verstehe. Und sein Abflug erscheint Ihnen nun wie eine Flucht, nicht wahr? - Moment.“ Der Taishou nahm ein kleines Gerät, dass seine Besucher fast an eine Mundharmonika erinnerte, ehe sie erkannten, dass es sich um ein Sprechgerät handelte, sicher neu und sicher High-Tech: „Suzuki-san, bringen Sie doch bitte die russische Akte herein. Danke. - Nun, meine Herren, ich kann Ihnen versichern, dass es reiner Zufall ist, dass dieser Zwischenfall heute geschah. Seit fast fünf Jahren stand ich stets in brieflicher Verbindung mit Väterchen Frost, dem Herrn der russischen Youkai. Zuerst auf der unteren Ebene, dann wir persönlich. Es dauerte bis vergangenes Jahr, bis wir uns überhaupt auf die Modalitäten eines Treffens einigen konnten, an dem dann weitere Dinge, wie Heiraten, Handel und so weiter besprochen werden sollten. - Ah, danke.“ Er nahm die Akte. „Natürlich muss ich Sie bitten keine Staatsgeheimnisse zu enthüllen, aber werfen Sie ruhig einen Blick auf die Daten am Anfang. Vor einem halben Jahr erhielten wir dann für heute die Fluggenehmigung. Es ist nicht ganz einfach für einen Privatjet so etwas zu erhalten. Hier. Blättern Sie nur und Sie werden verstehen, dass man einen solchen, so lange vorbereiteten, Plan nicht einfach fallen lässt.“

Kommissar Watanabe schob die Akte prompt zu seinem Mitarbeiter, der zu blättern begann. Währenddessen meinte der dienstältere Polizist: „Nun ja, das mag sein, werter Taishou. Ich darf Ihnen jedoch eine Frage stellen: wenn dieses Treffen mit Väterchen Frost so wichtig ist, warum sind Sie nicht geflogen, sondern Sesshoumaru?“

Eben aufgrund des Zwischenfalls, aber das konnte und wollte er den Menschen nicht sagen. Lügen widersprach jedoch eindeutig seiner Ehre. So hob der Daiyoukai etwas die Hand, während er sich scheinbar lässig zurücklehnte. „Gut, ich erkläre Ihnen etwas über Strategie. Väterchen Frost ist vom Charakter her ein wenig aufbrausend, sehr schnell beleidigt. Er weiß aber auch, dass diese Verträge für unser beiden Seiten wichtig sind. Würde ich einen subalternen Mitarbeiter schicken, wäre er zurecht beleidigt. Würde ich selbst gehen, würden wir beide an höchster Stelle verhandeln. Eine Korrektur eines Ergebnisses wäre dann nicht mehr möglich, selbst, wenn einer oder wir beide einen Fehler erkennen würden. Reist mein Sohn, mein einziger Sohn, wie ich in diesem Fall hinzufügen möchte, deutet das meinerseits auf Respekt hin. Und ich kann einen Fehler korrigieren, den mein Sohn in … jugendlichem Leichtsinn angenommen hat.“ Er selbst hätte nie einen Abschluss bei den ersten Verhandlungen akzeptiert oder vorgeschlagen.

Der Kommissar warf einen Blick neben sich. Inspektor Kasai zeigte ihm die Fluggenehmigung – ein halbes Jahr alt. „Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, werter Taishou. Ich bin mir bewusst, dass Sie ein vielbeschäftigter Mann sind. - Wäre es möglich, diese Papiere zu kopieren, es würde die Fluggenehmigung und das erste Anschreiben genügen. Damit kann ich gewiss meine Vorgesetzten überzeugen, dass es nur sinnvoll ist, mit der Befragung Sesshoumaru zu warten, bis er wieder kommt. Flucht wäre so auszuschließen. Wann ist dies vorgesehen?“

Der Taishou hatte eigentlich gehofft, dass die Polizei so schon zufrieden wäre. Hoffentlich bekam er bald mitgeteilt, wie schwer sein Sohn diesen Takazen verletzt hatte, damit er entsprechend reagieren konnte. „In knapp zwei Wochen. Es sind auch einige Ausflüge vorgesehen, Empfänge, die dem Kennenlernen dienen, Politik unter Youkai, eben. - Wenn Sie Frau Suzuki Ihre Karte geben, wird sie sie meinem Sohn weiterleiten, damit er sich bei Ihnen melden kann, sollte es dann noch erforderlich sein.“ Was er wahrlich nicht hoffte. Sesshoumaru vor einem menschlichen Gericht wäre nicht nur für diesen unangenehm, sondern würde auch zu einem Gesichtsverlust seinerseits führen, unter Umständen sogar zur Missachtung seiner Autorität. Youkai waren nur durch Stärke zu führen – und Respekt.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Im nächsten Kapitel reden zwei Väter. Und der Taishou erkennt: "Die Falle" Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Teilchenzoo
2018-01-29T00:26:48+00:00 29.01.2018 01:26
Hui, spannend. Sesshoumaru zurecht im Visier der Polizei und alles muss sehr vorsichtig angegangen werden - und vor allem sind Onigumo und Naraku nicht dieselbe Person! Ich bin gespannt, wie das weiter ablaufen wird.
Für's Erste hat der Taishou seinen Sohn ja gut aus dem Verkehr gezogen, aber wird ihm das weiterhin gelingen? Und, auch nicht ganz unwichtig, wie kann die Aussage, Takazen hätte Sesshoumaru beleidigt, denn großartig vor Gericht helfen?

Und ne kleine Frage aus Neugier: wie schafft man es, ein Handy herzustellen, das winzig genug für Myouga ist :D? Das ist ja wirklich ein technisches Wunderding.
Antwort von:  Hotepneith
29.01.2018 08:12
Danke für den Kommentar. Zum Letzten zuerst - es dürfte mehrere geister, Flohgeistern udn andere geben, die so etwas nützlich finden und auch herstellen können. Im Zweifel waren es Spinnen, die ja feine Fäden weben können.
Vor Gericht würde das jugendliche Alter und der Affekt, dass er schwer beleidigt worden ist, schon mal helfen, dass er nicht hinter Gitter muss. Vielleicht eine außergerichtliche Einigung... Mit Geld lässt sich vieles arrangieren.

Onigumo und Naraku kommen immer wieder vor, mit mal mehr (ihre Meinung) und mal weniger( die Meinung des Taishou) guten Plänen.

hotep


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