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Cruel Fairytale

- Hänsel & Gretel -
von

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Ein Augenblick voller Glück

Nach der Schule wartete ich am Tor des Mädchendistrikts auf Ayumi. Während ich da stand, fuhr ich mir mit der Hand über meine schmerzende Kehle. Der Kerl hatte extrem fest zugepackt. Dieser verdammte Arsch. Das würde ich ihm noch heimzahlen.

„Hyde!“

Mein Blick wanderte zu dem Mädchen, das nach mir rief. Ayumi kam die Treppe hinunter, wie immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie hatte stets ein fröhliches Gemüt und war der liebste Mensch, den ich kannte. Des Öfteren fragte ich mich, wie sie dieses Lächeln nach alldem, was geschehen ist, bewahren konnte. Dennoch durfte man sich von ihrer reizenden, engelhaften Art nicht täuschen lassen. Sie konnte ausgesprochen direkt sein und schimpfte mit mir, wenn ich mich mal wieder wie ein Idiot verhielt.

Ich bemerkte nicht sofort, dass sie nicht alleine war. Ein anderes Mädchen trat hinter ihr hervor, als sie mich erreichten.

„Hyde, das ist Kumi Utada. Sie geht in meine Klasse.“

Kumi verbeugte sich höflich, während ich die beiden verständnislos anstarrte. Mich interessierte es nicht im geringsten, wer dieses Mädel war, aber ich kam nicht umhin, sie kurz in Augenschein zu nehmen. Sie hatte dieselbe Größe wie Ayumi, schulterlanges, glattes Haar, weiche Gesichtszüge und volle Lippen. Mir kam sogar kurz der Ausdruck „hübsch“ in den Sinn. Aber verglichen mit Ayumi war sie eher unscheinbar.

Ich wandte meinen Blick von Ayumis Freundin ab und sah fragend zu meiner Schwester, die mich über beide Ohren angrinste und komische Gesten in Richtung ihrer Freundin machte. Ich stand mal wieder auf dem Schlauch und verstand nicht, was dieses merkwürdige Zucken von meiner Schwester zu bedeuten hatte. Wahrscheinlich irgendein Zeichen in der Mädchensprache, das niemand von meinem Geschlecht verstand. Leider wurde ich das dumme Gefühl nicht los, dass hier etwas faul war.

Als keiner was sagte, ergriff wieder Ayumi das Wort. „Kumi wollte dich etwas fragen“, meinte sie und stieß ihre schüchterne Freundin leicht an, damit diese endlich das Wort ergriff. Diese warf Ayumi einen hilflosen Blick zu, räusperte sich und fing an zu stottern.

„Eh, also, hättest du vielleicht Lust...“

Ach, daher wehte also der Wind! Bevor sie ihren Satz beenden konnte, würgte ich sie ab.

„Nö.“ Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Und so unsensibel wie ich manchmal war, fügte ich hinzu: „Kein Interesse.“ Ich wandte mich ab, schwang mir die Schultasche über die Schulter und ging Richtung Schultor. „Komm Ayumi!“

Ich hörte, wie sich Ayumi bei ihrer Freundin entschuldigte und mir dann hinterher lief, während ich unbeirrt weiter stampfte.

„Warum warst du so unhöflich?“, Ayumis aufgeregte Stimme ließ mich fragend die Augenbrauen heben.

„Unhöflich? Ich war nur ehrlich. Ich habe nun mal kein Interesse.“

„Aber du hast sie doch nicht mal ausreden lassen. Du weißt doch gar nicht, was sie von dir wollte!“

Ich blieb stehen und sah zu meiner Schwester, dessen Wangen vor Aufregung gerötet und ihre Lippen zusammen gepresst waren.

„Sag mal, willst du mich etwa verkuppeln?“

Ayumi wurde rot, weil ich sie sofort durchschaut hatte.

„Nein!“, antwortete sie viel zu schnell für meinen Geschmack. Ich sah sie prüfend an und merkte, wie sich ihre Wut langsam in Rauch auflöste. „Na gut...“, meinte sie resigniert, „aber was ist so schlimm daran? Kumi findet dich total süß und sie hat mich gebeten, euch vorzustellen!“

Ich sah sie skeptisch an und seufzte.

„Lass es einfach das nächste Mal.“

Ich legte meinen Arm um ihre Schulter und wir setzten unseren Weg fort. Mir stieg ihr unverkennbarer Duft in die Nase.

„Aber wieso das denn?“, meinte sie verständnislos und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ayumi ließ nicht so schnell locker. „Kumi ist hübsch, schlau und sie mag dich, was sehr schwer zu verstehen ist bei deinem miesen Charakter...“

„Bitte was? Wer soll einen miesen Charakter haben?“ Ich sah sie gespielt empört an, während sie frech vor sich hin grinste.

Meine Hand fand einen Weg unter ihren Arm und fing an, sie mitten auf der Straße zu kitzeln. Ayumi schrie vor Schreck auf und ergriff die Flucht. Ich ließ ihr einen kleinen Vorsprung und lief dann hinter ihr her. Sie war schnell, aber nicht schnell genug, denn das Kleid, was sie anhatte, hinderte sie daran. Ich jagte sie über eine Wiese im Park. Meistens nahmen wir diesen Weg nach Hause.

Als ich Ayumi erreichte, schlang ich meinen Arm um ihre Taille und wirbelte sie herum, sodass wir lachend auf die grüne Fläche fielen. Das saftige Gras dämpfte unseren Aufprall etwas ab.

Sie landete auf dem Rücken, ich über ihr, und wir lachten wie kleine Kinder, unbeschwert und aus tiefstem Herzen. Für einen Augenblick vergaßen wir alles um uns herum. Es gab nur diesen Augenblick, einen Augenblick voller Glück.

Ich betrachtete sie und entdeckte Gesichtszüge, die den meinen glichen. Nur ihre See grünen Augen unterschieden sich von meinen. Doch manchmal, wenn die Sonnenstrahlen sich in meinen Augen brachen, konnte man einen grünen Schimmer darin entdecken. Das hatte mir zumindest Ayumi irgendwann erzählt.

Ich lehnte meine Stirn kurz gegen ihre und schloss für einen Moment die Augen. Irgendwann würde ich uns von hier fortbringen. Ich wusste zwar nicht wie, aber ich gab innerlich ein Versprechen ab. Das konnte nicht unser Schicksal sein, so jämmerlich zu enden. War das etwa gerecht? Wenn es einen Gott gab, dann war er ganz schön grausam, wenn er so etwas zuließ. Vielleicht hatten wir etwas Schreckliches in unserem früheren Leben getan und mussten jetzt dafür büßen? Nein, diese Gedanken waren einfach lächerlich. Es gab keinen Gott, keine höhere Macht, die dafür verantwortlich war. Es gab keine Gerechtigkeit auf dieser Welt.

Ich löste mich von Ayumi und setzte mich aufrecht hin. Mein Blick wanderte gen Himmel. Wenn ich nach meinem Tod doch auf den Schöpfer treffen sollte, würde ich ihm in den Arsch treten.



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