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Black Magic: Night Stallion

[NaLu, Stingue]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe es endlich geschafft und alles genug zusammengekratzt, um diese FF zu beginnen. War schon viel früher geplant, aber dieses Jahr ist schreibtechnisch ziemlich ... blöd, irgendwie kriege ich höchstens die Hälfte von dem hin, was ich eigentlich erledigen will. Ich kann darum noch nicht vorhersagen, wie es mit den Updates verlaufen wird, aber ich will mich natürlich um eine gewisse Regelmäßigkeit und Schnelligkeit bemühen. Anyway, ich dachte jedoch, dass es besser ist als gar nichts, darum hab ich mich endlich hingesetzt und das erste Kapitel unter Dach und Fach gebracht.

Das hier ist das Sequel von Black Magic: The Gaze of the Abyss und es wäre angebracht, zuerst das zu lesen, v.a. wenn man wissen will, was mit den Ereignisse an Halloween gemeint ist, das werde ich hier nicht weiter ausführen, aber es wird natürlich Referenzen geben. Beide Storys sind allerdings auch in sich abgeschlossen, darum ist es theoretisch möglich, erst hier einzusteigen.
Diesmal mach ich mir keine Obergrenze, was die Kapitel angeht, sonder eher eine Wortanzahl, wie lang diese sein sollen, soll heißen - kürzere Kapitel, aber es werden halt mehr.
Ich hoffe, ihr habt auch dieses Mal Spaß an der Sache. :)

Warnings: horror (ich versuche es zumindest...), violence, blood, gore, language, minor character death und mal sehen... Ich hab das Rating jetzt mal so hoch gesetzt, nur um sicher zu gehen. Kann sein, dass das übertrieben ist, aber was soll's. (Meiner Erfahrung nach schert sich hier eh kein Mensch darum. ^^")

Enjoy.
XD" Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, endlich das zweite Kapitel! :D Eigentlich hätte es schon gestern kommen sollen, aber der Gajevy-OS hat mir zu viel Zeit gestohlen. Dafür kommt es jetzt doch früher als gedacht, weil ich heute krank bin und daher nicht arbeiten konnte. u.u" Könnte sein, dass ich mich darum so schlecht konzentrieren konnte, ich hab irgendwie den ganzen Tag dafür gebraucht. X__X Von daher entschuldige ich mich auch, falls der Lesefluss zwischendurch irgendwie stockt. :/ Aber ich denke nicht! :)

Enjoy. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi Leute, bin auch mal wieder mit einem Update da. Und das, nachdem die Hälfte des Kapitels eigentlich schon seit letztem Mal auf meinem PC rumfährt... ^^" Dafür werden die Kapitel immer länger, dabei wollte ich sie hier recht übersichtlich halten. Und ich hab eine ganze Szene ins nächste Kapitel verfrachtet. ^^" Naja, kann man nichts machen.
Anyway, diese FF scheint mir eh nicht so übermäßig gut anzukommen, darum werd ich sie wohl ein wenig hinten anstellen. Keine Sorge, abgebrochen wird auf keinen Fall, aber Updates werden wohl höchstens einmal im Monat kommen (ich versuche, mich spätestens alle 2 Monate um ein Update zu kümmern!)

Oh und noch ein klitzekleiner Hinweis: erinnert ihr euch an die Gore-Warnung im 1. Kapitel? Ja? Naja, das fängt jetzt an. (Betrifft im Moment 'nur' ein Tier, aber...)

Enjoy. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier ist es endlich. Das Kapitel hat mich den letzten Nerv gekostet und einiges an Zeit. Im Grunde ist es das einzige, das ich im August hingekriegt habe. (Ist einfach viel zu heiß. X___X) Ich hoffe nur, die Mühen haben sich gelohnt, denn ich habe damit gekämpft ... und gekämpft ... und gekämpft ... und vermutlich völlig den Durchblick verloren. Auf jeden Fall hab ich mein bestes gegeben. ^^"

Enjoy anyway. Komplett anzeigen

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Dark Clouds

Welches, denkst du, ist besser?“, fragte Lucy über ihre Schulter zurück, während sie abwechselnd die ausgewählten Kleidungsstücke auf den Bügeln vor ihren Körper hielt. Sie trug nur ein Handtuch, die Haare in ein weiteres gewickelt, und betrachtete sich und vor allem die Outfits kritisch im Spiegel.
 

Eines bestand aus einem gestrickten, weißen Rollkragenpullover aus feiner, weicher Wolle und einer einfachen Jeans, das andere aus einem blaukarierten Trägerkleid mit dünnem schwarzem Pullover. Beides ging eher in Richtung ‚süß und niedlich‘ anstatt ‚sexy und aufregend‘, aber genau das wollte sie auch.
 

Klar, es ging darum, dass sie ihren neuen Freund nach einer ganzen, ewig langen Woche endlich wiedersah, bei dem das spannende ‚gerade frisch verliebt und noch ist alles neu‘-Gefühl noch da war. Aber immerhin war sie auch Zuhause bei ihren Eltern, da durfte man nun wirklich nicht alles auffahren, sondern musste auch ein wenig Rücksicht nehmen.
 

Wenn sie es sich so recht bedachte, würde Natsu sich eh nicht dafür interessieren, was sie trug, dafür war er einfach nicht der Typ. Natürlich wusste er es stets zu würdigen, wenn sie sich so richtig in Schale warf, weil sowas selbst ihm auffiel. Aber eben nicht nur dann.
 

Einmal hatte er sie morgens beim Frühstück angesehen wie eine wundersame Erscheinung und ihr aus heiterem Himmel erklärt, sie wäre wunderschön, obwohl sie ohne Make-up und im völligen Schlabberlook herumgerannt war. Und das war schon etwas ganz Besonderes, etwas das ihr dieses spezielle, warme Gefühl im Bauch beschert hatte, mit dem man sich einfach gut und glücklich fühlte. Dan wäre so etwas nie eingefallen und auch keinem anderen, mit dem sie je zusammen gewesen war.
 

Aber warum dachte sie eigentlich noch an ihren Ex, wenn sie hier wichtige Dinge zu entscheiden hatte? Sie konzentrierte sich wieder auf ihr Spiegelbild, das ihr von einem antiken Standspiegel aus entgegensah. Rollkragenpulli oder Kleid?
 

Ganz egal, ob Natsu einen Unterschied bemerken würde oder nicht, das war eine wichtige Frage. Sie war es, die sich besser und vor allem sicherer fühlen würde, wenn sie das perfekte Outfit trug. Denn wenn sie es ehrlich zugab, war sie doch sehr nervös, denn immerhin würde ihr neuer Freund zum ersten Mal ihre Eltern treffen. Und das auch noch so kurz vor Weihnachten, das sie alle miteinander verbringen wollten…
 

Das barg schon ein gewisses Risiko, sie erinnerte sich noch gut an das Desaster, als sie letztes Mal diesen Versuch gestartet hatte. Das war damals völlig nach hinten losgegangen und ihre Mutter hatte sich nie mit Dan anfreunden können. Aber Natsu war ganz anders als ihr Ex, da konnte doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?
 

Erneut wechselte sie die Bügel und hielt sich das Kleid vor die Brust, grüblerisch das Gesicht verziehend. „Hm.“ Sie drehte sich zu ihrem Zuschauer um, der lang ausgestreckt gemütlich auf der rosa gepunkteten Tagesdecke lag, die ihr Himmelbett bedeckte. „Was denkst du, Tamino?“
 

Der rotgetigerte Kater, den sie damals am alten Bahnhof aufgegriffen hatte, starrte sie aus goldenen Augen an und miaute. Er war ein großes Tier mit seidenweichem Fell und dem natürlichen Selbstbewusstsein einer Kreatur, die wusste, dass sie an der Spitze der Nahrungskette stand und alles erreichen konnte.
 

„Du hast Recht.“, stimmte sie ihm zu, weil sie wusste, dass sie sich sowieso nie von allein entscheiden könnte. Eine Wahl war so gut wie die andere und warum nicht den Zufall entscheiden lassen? „Ich nehme das hier.“
 

Entschlossen hängte sie den Bügel mit Pullover und Jeans an die Tür, die in ihren begehbaren Kleiderschrank führte, und warf den anderen auf den großen, runden Korbsessel, um sich um ihre Unterwäsche zu kümmern. Da konnte sie alle Register ziehen und sie freute sich schon darauf, sie Natsu heute Abend vorzuführen. Sie grinste bei dem Gedanken, wie hervorragend sie darin aussehen würde. Ihm würden die Augen aus dem Kopf fallen!
 

„Das wird ihn aus den Socken hauen.“, erklärte sie ihrem Kater, doch der gähnte nur. Dann stand er auf und streckte sich ausgiebig, ehe er vom Bett sprang und mit erhobenem Schwanz zur offenen Tür stolzierte, die in das Vorzimmer führte. Von diesem konnte man fast alle Räume erreichen, aus denen die Zimmerflucht bestand, die sie bewohnte, wann immer sie in Heartphilia Manor weilte.
 

Lucy kümmerte sich nicht weiter um ihn, sondern schlüpfte in ihre Kleider und huschte dann kurz ins Bad, um einen Touch Make-up aufzulegen. Als sie auf dem Weg nach draußen erneut an dem Standspiegel vorbeikam, warf sie sich noch einmal ein strahlendes Lächeln zu. Sie musste ganz unbescheiden zugeben, dass sie phantastisch aussah.
 

Als sie ins Vorzimmer trat, traf sie auf Virgo, die gedankenverloren neben dem runden Beistelltisch stand und Tamino streichelte, der lang ausgestreckt darauf lag und einfach nur genoss. Sie war eine hübsche, junge Frau mit schulterlangem, pinkem Haar und einem herzförmigen Gesicht, das meistens einen ernsten Ausdruck trug. Eigentlich war sie eine selbstbewusste, aufgeräumte Person, aber im Moment sah sie niedergedrückt aus.
 

„Virgo?“, fragte Lucy vorsichtig und die Angesprochene zuckte zusammen, ehe sie sich umwandte. „Mi-Miss Lucy.“
 

Tamino richtete sich auf und starrte zu Virgo hoch, empört darüber, nicht mehr gestreichelt zu werden. Dann begann er, seine Pfote zu lecken, als sei das von Anfang an der Plan gewesen.
 

Lucy runzelte die Stirn. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Ist etwas passiert? Du siehst so mitgenommen aus?“
 

„Ach, es ist so…“, begann die Bedienstete und rang die Hände. „Erinnern Sie sich an Katie?“
 

Lucy musste einen Moment nachdenken, ehe ihr vage einfiel, von wem die Rede war. Katie war eine junge Frau aus dem nahegelegenen Dorf, die als Haushaltshilfe angestellt war. Lucy hatte ihr ein paar Mal dabei geholfen, die Wäsche zu hängen oder die Blumen zu gießen oder was sonst so angefallen war. Sie war eine stets fröhliche Person mit einfachem Gemüt, die davon gesprochen hatte, zu heiraten und Kinder zu kriegen, als wäre es ihr größtes Ziel im Leben. Sie hatte sich sogar bereits einen der Bauern aus der Gegend angelacht, von dem sie so lang erzählen konnte, wie man sie ließ. Lucy hatte sie noch nicht gesehen, seit sie vor drei Tagen in Heartphilia Manor angekommen war.
 

Langsam nickte sie. „Hat sie sich nicht vor kurzem verlobt?“
 

„Ja.“ Virgo lächelte bitter. „Sie ist heute Nacht gestorben.“
 

Lucy starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an und begriff für einen Moment nicht, was sie da gehört hatte. Sollte das ein Witz sein? Oder hatte sie sich verhört? Das kam so völlig aus heiterem Himmel! Und… und… Das konnte doch nicht sein! Einfach so!
 

„Wie… Was…?“, brachte sie dann heraus. „Hatte sie einen Unfall?“ Virgo würde niemals Scherze über solche Dinge machen, aber… Lucy konnte es einfach nicht glauben.
 

Doch das Dienstmädchen schüttelte nur den Kopf. „Nein, sie war… Es ist diese seltsame Krankheit, die seit einiger Zeit hier umgeht.“
 

„Oh.“, murmelte Lucy und suchte nach den richtigen Worten. Man hatte ihr nur ungefähr von diesen Vorfällen berichtet – nach dem, was an Halloween geschehen war, behandelten die meisten Leute sie immer noch mit Samthandschuhen. Dabei fühlte sie sich gut und es war schon über einen Monat her!
 

Ja, zugegeben, manchmal träumte sie schlecht und manchmal hielt sie einen zusätzlichen Schritt Abstand von allen Personen um sie herum und manchmal schweiften ihre Gedanken ungebeten ab. Außerdem hatte sie jemanden engagiert, der ihr Selbstverteidigung beibringen sollte. Bis jetzt klappte das eher schlecht als recht und bis Neujahr hatte sie sich da auch eine Auszeit genommen, aber das würde schon noch werden.
 

Und trotz allem war sie keine Porzellanpuppe. Ihr ging es gut! Man musste sie nicht vor allem Schlechten und Unangenehmen beschützen, das in der Welt geschah! Und eine Krankheit, so seltsam sie auch war, hatte ja wohl nichts mit Halloween gemein.
 

„Das tut mir leid.“, brachte sie schließlich heraus, obwohl Virgo nicht sehr viel mit der Verstorbenen zu tun gehabt hatte und das sowieso nur leere, bedeutungslose Worte waren. Sie würde ihrer Mutter oder noch besser, ihrem Vater davon berichten, der der Familie die Beileidsbekundungen zukommen lassen und vielleicht erfahren konnte, wann sie beigesetzt wurde.
 

Doch Virgo nickte nur, ihr Gesicht immer noch tief betrübt. Dann holte sie tief Luft und riss sich sichtbar zusammen. „Kann ich Ihnen mit etwas helfen?“
 

„Nein, ich…“ Lucy unterbrach sich. „Weißt du, wo meine Mutter ist?“
 

„Sie hat sich im Wintergarten hingelegt.“, war die prompte Antwort und Lucy nickte.
 

Das war einer der Orte, an denen sie als erstes nachgesehen hätte, einer von Laylas Lieblingsplätzen. Diese Stellen suchte sie stets auf, wenn es ihr schlecht ging, was in dieser Jahreszeit oft der Fall war, vor allem bei einem solchen Wetter. Trist und düster, der Himmel so verhangen von dunklen Wolken, dass man Licht anschalten musste, die Landschaft grau und braun.
 

Wenigstens hatte der Wetterbericht für die kommenden Tage und Wochen Schnee angesagt, der Layla immer aufheitern konnte. Zum Glück hatte Natsu sich für heute angekündigt, denn Heartphilia Manor und das nahegelegene Snowdrop Village wurden im Winter sehr schnell eingeschneit und waren dann nur noch schwer zu erreichen. Aber wenn man nirgendwo hinmusste, war der Schnee einfach nur wundervoll und Lucy freute sich schon auf Schlittenpartien und Spaziergänge.
 

„Danke. Ich geh sie mal suchen.“ Damit stieg sie in ihre Hausschuhe und verließ das Zimmer, noch immer etwas mitgenommen von der überraschenden Nachricht. Tamino folgte ihr hinaus und strich ihr beruhigend um die Füße, bis er eine Sprossentür entdeckte, die auf einen der Erkerbalkone hinausführte.
 

„Dich hält hier drin auch nicht vieles, oder?“, wollte sie von dem Kater wissen und öffnete ihm die Tür. Ein Schwall eiskalter Luft kam ihr entgegen, aber Tamino schien das nicht zu stören. Er schlüpfte durch den Spalt und sprang mit einem Satz auf die geschwungene Steinbalustrade, die eine hüfthohe Abgrenzung bildete.
 

Sie befanden sich im ersten Stock und von hier hatte man einen hervorragenden Blick über den kleinen Park hinter dem Herrenhaus. Zwei Freitreppen führten von einer Terrasse hinunter zu einem Labyrinth aus niedrigem Buchs, in dessen Mitte sich ein Brunnen mit Meerjungfrauenstatue erhob.
 

Dahinter erstreckte sich eine Wiese, die erneut in einer Abstufung nach unten endete. Dort konnte man noch die Gemüsegärten erkennen, zwei lange Gewächshäuser und die Pferdeställe. Immer wieder erhoben sich einzelne Bäume oder kleine Haine aus der gepflegten Fläche und Büsche und Beete säumten die gekiesten Wege.
 

Im Moment sah freilich alles ziemlich trist aus – die Blumenbeete waren größtenteils leer oder mit Reisig für den Winter abgedeckt, die Bäume hatten ihre Blätter verloren, das Gras wirkte schwächlich und matt, selbst die Erde schien eher grau zu sein als braun. Die Zeit zwischen den goldenen Tagen des Herbstes und dem ersten Schnee war Heartphilia Manor ein trostloser, ja geradezu bedrückender Ort.
 

Aber zu jeder anderen Jahreszeit konnte Lucy sich keinen schöneren Platz vorstellen. Sie verband so viele schöne Erinnerungen mit dem alten Anwesen, in dem sie groß geworden war, zu dem sie jedes Jahr aus dem Internat zurückgekehrt war und das auch jetzt noch ein Ankerpunkt in ihrer Welt war.
 

Sie war so glücklich darüber, dass sie ihn Natsu zeigen durfte! Das hier war ihr Zuhause und sie wollte es mit ihm teilen und ihm all seine Geheimnisse und kleinen Wunder zeigen. Die Gelegenheit war natürlich auch günstig, denn nachdem Lucy einmal nebenbei erwähnt hatte, dass Natsu die Feiertage wohl im Büro verbringen würde, hatte Layla kurzerhand vorgeschlagen, ihn über Weihnachten einzuladen. Er hatte freudestrahlend zugesagt.
 

Auch ein Stück entfernt von dem Balkon erhob sich ein alter Nussbaum, dessen Äste bis zu ihr herüberreichten, so dass Tamino sie benutzen, um hinunter auf den Boden zu steigen. Einen Moment später schoss er wie ein orangeroter Blitz durch das dürre Gras und verschwand unter einem immergrünen Schneeballbusch.
 

Sorgfältig schloss sie die Tür wieder, da das Gebäude durch ohne offene Fenster schnell genug auskühlte, und setzte ihren Weg fort. Der Kater würde schon irgendwie wieder seinen Weg herein finden – es gab genug Bedienstete, die ihn kannten, und mindestens die Hälfte der Hausmädchen war ihm längst verfallen. Einmal hatte sie sogar Spetto dabei beobachtet, wie sie ihm ein Stück Fisch zugesteckt hatte.
 

Außerdem hatte sie den Verdacht, dass er längst das eine oder andere Loch gefunden hatte, durch das er hereinkommen konnte, wie es ihm beliebte. Es war doch erstaunlich, wie schnell er sich hier zurechtgefunden hatte. Man könnte meinen, er wäre hier aufgewachsen, und sie würde schwören, dass er sich längst als König des Anwesens sah.
 

Mit einem kleinen Lächeln lief sie die Treppe hinunter, die von der Galerie in die große Eingangshalle führte, das aber schnell wieder verschwand. Die Nachricht von dem Todesfall hatte ihrer guten Laune einen gehörigen Dämpfer verpasst, wenn auch nicht ganz unterdrückt. Sie verdrängte das schlechte Gewissen, dass sie darum beschlich, und eilte den Flur zum Wintergarten hinunter, der durch ein kleines Teezimmer zu betreten war, in dem Layla gerne ihre Gäste empfing.
 

Er war auch einer von Lucys Lieblingsräumen im gesamten Haus und sie hatte kostbare Kindheitserinnerungen daran, auf dem alten Dielenboden, der unter jedem Schritt knarrte, ihre Autos und Holzpferdchen herumzuschieben, oder an die kleine Puppenstube in einer Ecke, während ihre Mutter auf einem der gemütlichen Diwane lag und las.
 

Hier grünte und blühte es stets, überall standen Pflanzen in bunten Töpfen herum, von denen manche so groß waren, dass zwei Männer sie nicht umfassen konnten. Ein Teil des Raumes war für die Blumen vorbehalten, die eigentlich auf der Terrasse standen, die man durch eine Sprossentür erreichen konnte, und im Moment war dort kaum ein Durchkommen.
 

Der Rest war eingerichtet wie das gemütlichste Wohnzimmer, das Lucy sich vorstellen konnte, mit idyllischen Fotographien an den Wänden, die Jude in diversen Urlauben gemacht hatte, Nippes an allen möglichen und unmöglichen Stellen, an denen Layla in eben diesen Urlauben nicht hatte vorbeigehen können, von Lucy in früheren Jahren selbstgemachtem Schmuck und diversen anderem Kram, der so nutzlos wie charmant war. Es gab sogar einen Kamin, in dem im Moment ein kleines Feuer brannte. Davor befand sich eine kleine Sitzgruppe aus geweißeltem Holz, mit bequemen Kissen in verschiedenen Pastelltönen.
 

Layla saß, ein zartrosa Poncho um die schmalen Schultern geschlungen, auf dem Diwan, eine dampfende Teetasse in den Fingern, die aus den langen Spitzenstulpen herausschauten. Ihr goldblondes Haar fiel ihr offen den Rücken herunter und ihre Haut war etwas zu blass und wirkte beinahe durchscheinend.
 

Vor ihr auf dem Tisch lagen ein Buch, dem Titelbild nach einer der Bodice Ripper-Romane, die sie so mochte, und ein Notizblock, die eng mit ihrer geschwungenen Handschrift beschrieben war. Daneben standen die Teekanne auf einem kleinen Stövchen und eine Schüssel voller Plätzchen, die direkt aus der Küche stammten.
 

Als Lucy sich näherte, blickte sie auf und warf ihrer Tochter ein Lächeln zu, das nicht ganz die Schatten in ihren rehbraunen Augen vertreiben konnte. „Wie ich sehe, hast du dich schon fertig gemacht.“, bemerkte sie neckend und Lucy fühlte, wie die Röte in ihr Gesicht schoss. War sie so leicht zu durchschauen?
 

Layla lachte leise. „Was glaubst du, wie lange ich zu meiner Zeit vor dem Kleiderschrank gestanden habe, als dein Vater mir den Hof gemacht hat? Ich kann das also gut nachvollziehen. Genieß dieses Gefühl so lange es anhält.“
 

Lucy lachte verlegen und ließ sich auf einen der Sessel sinken. „Ich will nur, dass alles perfekt ist.“, gab sie zu und strich sich eine lose Strähne hinter das Ohr. „Das ist mir wichtiger als bei allen vorher. Natsu ist…“ Sie suchte nach den richtigen Worten, brachte aber nur verträumt heraus: „… etwas Besonderes.“
 

Laylas sanftes Lächeln beruhigte ihre Nerven. „Das habe ich schon bemerkt und ich freue mich so für dich, dass du anscheinend endlich den Richtigen für dich gefunden hast. Aber du siehst trotzdem bedrückt aus. Machst du dir Sorgen, dein Natsu würde hier auf wenig Gegenliebe stoßen? Oder dass es ihm nicht gefällt?“
 

Hastig blickte Lucy auf. „Nein, ich…“ Natürlich machte sie sich ein wenig Sorgen um das alles, aber tatsächlich war dieses Thema etwas in den Hintergrund gerückt. Sie sagte sich immer wieder, dass Natsu eine Gabe hatte, alle Herzen im Sturm zu erobern. „Ich habe gerade mit Virgo gesprochen und sie hat mir von Katie erzählt. Ich… ich wusste gar nicht, dass das so schlimm ist.“
 

Laylas Blick wanderte zu ihrem Notizblock und sie nickte langsam. „Sie ist die dritte Tote in vier Wochen, aber als ich mich vorhin erkundigt habe, hat man mir gesagt, dass anscheinend noch fünf weitere Leute in diesem Koma liegen, das allem vorangeht.“ Sie seufzte. „Sheriff Sands hat berichtet, dass er vermutlich die Gesundheitsbehörde einschalten wird. Hoffentlich schicken die einen Experten, der mehr weiß.“
 

„Die Gesundheitsbehörde?“ Lucy zog beide Augenbrauen hoch. Anscheinend wusste man an den offiziellen Stellen weder ein noch aus.
 

Layla nickte und nippte an ihrer Tasse. „Gestern haben sie eine Fünfjährige eingeliefert.“
 

„… Oh.“, machte Lucy schwach und fühlte sich noch schlechter als bisher. Sie war hier und machte sich Sorgen darum, ob ihre Eltern und ihr Freund sich verstanden, während dort draußen Leute waren, die sich um ihre kleine Tochter Sorgen machen mussten, die in ein unerklärliches Koma gefallen war, das im Tod endete?
 

Sie seufzte schwer und Layla tätschelte ihre Schulter. „Ich bin sicher, sie werden eine Lösung finden. Mach dir keine Sorgen, sondern konzentriere dich auf dein Leben.“
 

„Aber…“
 

Lucy verstummte, als ihre Mutter ihr einen strengen Blick zuwarf. „Es hilft nichts, dir über Probleme den Kopf zu zerbrechen, die du nicht lösen kannst und die dich nur am Rande betreffen. Glaub mir.“ Das klang herzloser, als es war, und ganz sicher etwas, das ihre Therapeutin ihr erzählt hatte, wieder und wieder und wieder, bis sie es geglaubt hatte.
 

Lucy wusste ganz genau, dass es auch stimmte. Wenn die Ereignisse an Halloween ihr eines gezeigt hatten, dann das, dass das Leben weiterging. Dass selbst ein Todesfall, der nicht in ihrem direkten Bekanntenkreis oder ihrer Familie stattfand, sie nur geringfügig berührte und es danach… einfach weiterging, als sei nichts geschehen.
 

Erneut verdrängte sie ein schlechtes Gewissen und konzentrierte sich auf ein anderes Thema: „Wann kommt Papa heim?“
 

„Hoffentlich noch rechtzeitig. In der Firma gab es ein paar Probleme, die er sich unbedingt ansehen müsste. Man sollte meinen, der Konzern bricht zusammen, wenn er mal drei Tage weg ist.“ Layla schüttelte nachsichtig den Kopf und griff nach einer der umgedrehten Tassen, die auf einem Beistelltisch bereitstanden. „Willst du auch einen Tee? Und wann hast du gesagt, dass dein Natsu kommt?“
 

Erneut blubberte Lucy ein warmes Gefühl hoch und sie ließ zu, dass es alle niederdrückenden Gedanken vertrieb. Dein Natsu. Sie mochte den Klang davon und die Bedeutung dahinter und einfach… Vor lauter Begeisterung knuddelte sie eines der flauschigen Kissen und konnte gerade noch das alberne Kichern unterdrücken, das in ihr hochstieg. Selbst vor ihrer Mutter wollte sie sich nicht so gehen lassen.
 

„Er wollte zu Mittag losfahren. Also…“ Sie warf ein Blick auf die große Standuhr in der Nähe, die leise vor sich hin tickte. „In etwa einer Stunde.“
 

„Sehr schön. Aed hat einiges aufgefahren.“
 

„Das ist gut, denn Natsu kann eine Menge verdrücken!“ Das war eines der ersten Dinge, die Lucy über Natsu gelernt hatte, und sie wusste, sie sollte es nicht so niedlich finden, wie sie es tat. Aber was sollte sie tun? Er war einfach so… so toll und sie war hundertprozentig und absolut verliebt.
 

Da durfte sie ruhig ein wenig albern sein.
 


 

~~*~~★~~*~~
 


 

Aufgeregt reckte Lucy den Hals und spähte aus dem Fenster, von dem aus sie den besten Blick den langen, gekiesten Weg hinunter hatte, der direkt zum Haupttor des Anwesens führte. Umgeben von einer hohen Mauer war Heartphilia Manor abgeschottet von dem Wald, der es umgab. Nur die Schneise, die die nahegelegene Landstraße durch die Bäume zog, bildete eine Lücke in dem dichten Grün.
 

Der Haupteingang zum Gelände wurde abgeriegelt von einem schweren, schmiedeeisernen Tor, das meistens geschlossen war und kunstvoller aussah, als praktikabel schien. Das kleine Wächterhäuschen, das sich daneben befand, war in der Regel unbemannt – Lucy wusste nur von einem Zwischenfall, an dem Jude Bodyguards angeheuert hatte, als es ziemlich ernste Drohungen gegen seine Familie gegeben hatte. Sie selbst, damals erst zehn, hatte es nur am Rande mitgekriegt und für sie war das alles furchtbar aufregend gewesen.
 

Jetzt war sie froh darum, dass es nicht öfter notwendig gewesen war. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in Zukunft änderte, war gering und das war ihr ganz recht so. Sie wollte ihre Ruhe haben, einmal entführt zu werden reichte ihr vollkommen, danke schön! Sie wollte ihre Weihnachten genießen und sich nur Sorgen darum machen, ob Natsu und ihre Eltern sich verstanden und die Geschenke, die sie mitgebracht hatte, auch allen gefielen.
 

Und sie wollte, wissen, wann genau Natsu endlich da sein würde! Er ließ sich ja ganz schön viel Zeit. Grummelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust, auch wenn sie wusste, dass es kaum seine Schuld war. Vermutlich hatte der Verkehr ihn aufgehalten oder er war spät losgekommen oder vielleicht hatte er sich auch verfahren, immerhin war es nicht ganz leicht, den Weg nach Snowdrop Village zu finden, und noch schwerer, die kleine Abzweigung nach Heartphilia Manor nicht zu übersehen.
 

Jude hatte bereits abgesagt, mit ihm war heute nicht mehr zu rechnen. Er hatte allerdings versprochen, dass er das doch schwerwiegendere Problem bis morgen beseitigen würde und dann für seine Familie Zeit bis ins nächste Jahr haben würde.
 

„Miss Lucy.“ Die tiefe, gelassene Stimme des Butlers ließ sie heftig zusammenzucken und herumwirbeln, eine Hand auf ihr wild schlagendes Herz gepresst.
 

„Erschreck mich doch nicht so, Capricorn!“, schimpfte sie und blickte dem hochgewachsenen, schlanken Mann entgegen, der gerade aus dem langen Flur trat, der den Haushaltstrakt hinunterführte. Sein silbergraues Haar und der schlohweiße Ziegenbart waren kurz und akkurat geschnitten und passten perfekt zu dem strengen, verschlossenen Gesicht mit den kantigen Zügen.
 

„Ich entschuldige mich.“, war die Antwort, ebenso kühl und stoisch. Manchmal glaubte Lucy, er wäre zu keiner anderen Tonlage fähig, obwohl sie ganz genau wusste, dass dies nicht stimmte. Aber der Butler, der schon, seit sie denken konnte, in Laylas Diensten stand, war stets beherrscht und gleichmütig und vermittelte seine Emotionen eher mit subtilen Gesten. Auf die meisten Leute wirkte er darum distanziert und kaltschnäuzig, aber Lucy, die mit ihm und in seiner Obhut aufgewachsen war, wusste, was für eine warmherzige Person er tatsächlich war. „Aber gerade hat dein Freund das Tor passiert. Er dürfe jeden Moment ankommen.“
 

„Was!“ Wie gestochen richtete sie sich gerader auf und rannte zur Haustür, die auf eine überdachte Veranda hinausführte, um sie aufzureißen und hinauszustürmen. Schlanke Säulen, an denen Efeu emporrankte, stützten das Dach und drei Stufen führten auf den gepflasterten Hof hinunter. In dessen Mitte lag eine kleine Grasfläche, aus der hoch eine uralte Weide wuchs. Die kahlen Äste hoben sich nur undeutlich von dem düsteren Himmel ab, der mit schweren Wolken verhangen war, die immer dunkler zu werden schienen.
 

Hastig schlüpfte Lucy in ihre quietschgelben Gummistiefel, die bei der Bank auf dem Boden lagen, und einen Moment später fuhr auch schon der rote Mustang auf den Hof, dessen Anblick Lucys Herz schneller schlagen ließ. Durch die Windschutzscheibe konnte sie Natsus vertrautes Profil erkennen und ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer.
 

Er fuhr einen schwungvollen Bogen und reihte sein Auto neben der Limousine, mit der Layla sich herumfahren ließ, und dem Mercedes, den die Haushaltshilfen zum Einkaufen benutzten, ein. Er hatte kaum Zeit, auszusteigen, als sie ihm schon um den Hals fiel und sie hatte das Gefühl, dass ihr glückseliges Lächeln ihr das Gesicht sprengen würde, wenn es nur ein wenig weiter wäre. „Natsu! Ich hab dich vermisst! Ich freu mich so, dass du endlich da bist!“
 

Reflexartig fing er sie auf und erwiderte den heftigen Kuss, den sie ihm auf die Lippen drückte. Ihre Füße baumelten in der Luft, als sie sich endlich wieder voneinander lösten. „Wo soll ich denn sonst sein?“, fragte er zurück und grinste zu ihr hoch, ehe er sie wieder abstellte. Er redete schon weiter, ehe sie wieder zu Atem kommen konnte: „Ich hab aber gar nicht gewusst, dass du in einem Schloss aufgewachsen bist.“
 

„Das ist nur Heartphilia Manor.“, winkte sie seine Übertreibung ab. „Das ist schon ewig im Besitz der Familie meiner Mutter.“ Sie warf einen Blick zu dem alten Gebäude hinüber, das selbst gegen den dunklen Himmel einen beeindruckenden Anblick bot, wie selbst sie zugeben musste.
 

Vier Stockwerke, das Dachgeschoss nicht mitgezählt, lange Reihen von Fenstern, die größtenteils im Dunkeln lagen, die Aufbauten links und rechts, die ein wenig wie kleine Türme wirkten, die Dachgauben der obersten Etage, der Stuck und die Wasserspeier… Über der Veranda befand sich ein Balkon, hinter dem sich der große Tanzsaal des Hauses befand, und die Tiefe des Gebäudes ließ sich nur erahnen.
 

Natsu lachte und tätschelte ihren Kopf, ehe er ihr den Arm um die Taille schlang, nicht gewillt, sie wieder loszulassen. „Manchmal bist du echt lustig.“, stellte er glucksend fest und führte sie um sein Auto herum, um den Kofferraum zu öffnen.
 

„Was soll denn das bedeuten?“, wollte sie wissen, während sie zwischen Freude, Belustigung und Verdruss schwankte. Was meinte er denn damit?
 

„Dass du sowas“ er deutete auf das Haus „mit einem ‚ach, das ist doch nur‘ wegwischst, während die meisten Leute nur davon träumen können, ein solches Privathaus auch nur zu betreten.“ Er verdrehte die Augen, aber sein Lächeln zeigte, dass er es nicht böse meinte. „Ich meine, ich habe da hinten noch andere Gebäude gesehen. Und da auch!“
 

Er deutete in zwei verschiedene Richtungen und Lucy winkte erneut ab, diesmal bewusst übertrieben. „Ach, da unten sind nur die Ställe und das da hinten ist das Sommerhaus für die nervigen Familienmitglieder.“
 

Natsu schnaubte. „Siehst du? Ich hab nur eine Couch für Gäste und keine Familienmitglieder, die Gebrauch davon machen könnten. Kann ich mein Auto hier eigentlich stehen lassen?“
 

„Ja, klar. Oder du gibst Capricorn den Schlüssel, dann kann er es in eine Garage fahren. Es wird heute Nacht vermutlich schneien.“
 

Natsu folgte mit gerunzelter Stirn ihrer Handbewegung in die Richtung der Veranda, auf der der Butler mit hinter dem Rücken verschränkten Händen stand und zu ihnen herüberblickte. „Hm.“, machte er zweifelnd und blickte dann auf sie hinunter. „Wie gut kann er fahren? Ich kann mein Baby nicht irgendeinem dahergelaufenen Typen anvertrauen.“
 

Sie boxte ihm gegen die Schulter, aber sie senkte die Stimme, so dass nur er sie hören konnte: „Tu nicht so, als ob ich nicht vor ein paar Wochen hässliche kleine Goblins damit umgefahren hätte.“
 

„Und es hat immer noch Dellen!“, beschwerte er sich und sein Blick wanderte wieder zu Capricorn hinüber. Nein, stellte Lucy dann fest, nicht zu dem Butler, sondern zum Haus, um es scharf zu mustern. Und die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen gefiel ihr gar nicht. Doch dann glättete sein Gesicht sich schon wieder, fast, als hätte sie sich das nur eingebildet.
 

„Er fährt besser als ich.“, stellte sie klar und Natsu grinste gönnerhaft. „Das hat ja nicht sehr viel zu bedeuten, Miss ‚ich lass mich überall hinfahren‘.“
 

„Hey! Ich kann durchaus Auto fahren!“, beschwerte sie sich erneut. „Du kannst deine Tasche hierlassen, Capricorn kümmert sich darum.“
 

„Der kann wohl alles, was?“ Natsu wackelte mit den Augenbrauen, schwang seine Tasche aber trotzdem über die Schulter und schlug den Kofferraum wieder zu. Sie beschränkte sich darauf, dazu die Augen zu verdrehen, und nahm seine Hand, um ihn zum Haus zu führen.
 

„Hey.“, begann sie, als sie den halben Weg zurückgelegt hatten.
 

„Hm?“, machte er abgelenkt und riss den Blick von dem Haus los. Ehrlich mal! Sie hätte nicht gedacht, dass Natsu so interessiert an dem Gebäude sein würde! Vor allem nicht, wenn sie direkt neben ihm stand! Aber einen Moment später schon konzentrierte er sich wieder auf sie und seine Lippen zogen sich zu einem unwillkürlichen Lächeln nach oben.
 

„Du weißt schon, dass du nicht allein bist, oder?“, begann sie, nach den richtigen Worten suchend. Eigentlich war es doch noch viel zu früh für solche Liebesschwüre… Aber es kam von Herzen und sie wollte es unbedingt loswerden. Es fühlte sich richtig an. „Ich meine…“
 

„Das war ein Witz.“, winkte er ab. „Ich hatte noch nie eine große Familie, da gibt es nicht viel, das ich vermissen könnte. Und es ist ja nicht so, als ob ich Gray je wieder loswerden würde. Oder Cana.“
 

Sie schmollte zu ihm hoch, wohl wissend, dass bei ihm angekommen war, was sie ihm eigentlich damit hatte sagen wollen – dass er sich auf sie verlassen konnte – und er grinste herausfordernd zurück. Erneut boxte sie ihm gegen die Schulter und zog ihn dann die Stufen zur Veranda hoch.
 

„Capricorn, das ist Natsu.“, stellte sie ihn vor und wandte sich dann gleich zu ihm. „Natsu, Capricorn. Er ist der Butler hier; wenn du etwas brauchst, musst du nur ihn fragen, er kann alles.“
 

„Zu viel der Ehre.“, erklärte Capricorn trocken und deutete eine leichte Verbeugung in Natsus Richtung an. „Willkommen in Heartphilia Manor. Soll ich mich um Ihr Auto kümmern?“
 

Natsu starrte ihn verdutzt für einige Sekunden an. „Hey, man, nicht siezen bitte, da fühle ich mich immer so alt.“
 

„Wie du wünschst.“ Capricorns Tonfall war nicht anzuhören, was er von der Aufforderung hielt.
 

Doch Natsu nickte nur zufrieden und kramte seine Autoschlüssel aus der Hosentasche. Er zögerte, ehe er sie überreichte, und Lucy hatte den Verdacht, dass er es nur tat, weil der Butler von sich aus versicherte: „Ich werde gut auf es aufpassen.“
 

„Komm schon!“, begeistert packte Lucy wieder Natsus Hand und zerrte ihn hinter sich her. „Mein Vater ist im Moment wieder in Magnolia, aber meine Mama freut sich schon darauf, dich kennenzulernen!“
 

„Bis dann, Mann!“, winkte Natsu Capricorn zu und folgte seiner Freundin mit einem letzten Blick die Fassade hinauf – oder eher das, was er unter dem Dach der Veranda davon noch erkennen konnte – ins Haus. Jetzt mussten sie nur noch Layla finden; vielleicht war sie bereits in ihrem Teezimmer, in dem Spetto den Kaffeetisch angerichtet hatte, oder vielleicht war sie noch im Wintergarten oder vielleicht… kam sie gerade die Treppe aus der Galerie im ersten Stock herunter.
 

Um die Schultern trug sie noch immer ihren rosafarbenen Poncho, doch sie hatte sich inzwischen die Haare zu einem Knoten hochgebunden. Sie schenkte ihnen ein herzliches Lächeln und kam mit raschen Schritten auf sie zu. „Ich freue mich, dich endlich zu treffen, Natsu.“, begrüßte sie den Neuankömmling, kaum dass sie seine Hand ergriffen hatte. Dessen Tasche fiel mit einem leisen Plumps auf den Boden, als er die Geste erwiderte. „Meine Tochter hat mir schon viel von dir erzählt.“
 

„Hi!“, grinste der zurück und musterte sie kurz. „Lucy ist eben sehr redselig, das könnte ich nämlich auch sagen.“
 

„Ich denke nun mal oft an die Personen, die mir wichtig sind!“, verteidigte Lucy sich pikiert, doch niemand beachtete sie.
 

„Wie schön, dass wir uns jetzt persönlich kennenlernen können.“, sprach Layla einfach weiter. „Auch wenn die Einladung so kurzfristig war.“
 

„Kein Problem.“, wehrte Natsu mit einer leichtfertigen Handbewegung ab. „Ich habe gerade eh nichts zu tun. Über die Feiertage ist bei uns seltsamerweise immer ruhig und Gray hält im Büro die Stellung. Und Cana ist auch noch da.“
 

„Sie feiern auch nicht mit ihren Familien?“, entschlüpfte es Lucy überrascht. Inzwischen war sie natürlich auch mit Natsus Freunden vertrauter geworden, aber nicht so sehr, dass sie sie als ‚Freunde‘ bezeichnen würde. Noch nicht zumindest, aber es waren ja erst ein paar Wochen.
 

Natsu zuckte mit den Schultern. „Gray hat genauso viel Familie wie ich.“, gab Natsu zu und Lucy erinnerte sich daran, wie er erzählt hatte, dass ihrer beider Väter gleichzeitig verschwunden waren. „Und Canas Vater hat sich zwar angekündigt, aber er ist notorisch unzuverlässig.“ Er zuckte mit den Schultern. „Im Grunde hat bei uns nur Romeo eine richtige Familie.“
 

„Oh.“, machte Layla betroffen und Natsu zog einen Moment schuldbewusst die Schultern hoch.
 

„Aber das sind wir längst gewohnt und ich bin echt froh, hier sein zu können!“, versicherte er sofort. „Das ist übrigens ein schönes Haus, das ihr hier habt!“
 

„Unser Familiensitz.“, erklärte Layla stolz. „Ich bin auch schon hier großgeworden.“
 

Natsu sah sich in der großen Eingangshalle um, die sich über zwei Stockwerker erstreckte. Große Zimmerpflanzen brachten etwas Farbe in den hell vertäfelten Raum und ein großer Kronleuchter verbreitete sanft-goldenes Licht. Eine geschwungene Treppe, die mit einem einfachen Läufer bedeckt war, führte in die Galerie hinauf, deren Wände mit großen Bildern verziert waren. Die Tür in den Haushaltstrakt stand wie immer offen, doch die anderen beiden im Erdgeschoss waren geschlossen, da man die Räume dahinter nicht brauchte. Der Großteil des Lebens im Gebäude spielte sich im ersten Stock und im hinteren Teil des Anwesens ab.
 

„Ach ja?“, fragte Natsu und seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton, den Lucy nicht zuordnen konnte. „Gibt’s hier viele Geister?“
 

„Geister!“, entfuhr es Lucy halb verdutzt, halb entsetzt und fragte sich, aus welcher Ecke das jetzt kam. Sie hatte ihren Eltern nicht erzählt, was an Halloween wirklich geschehen war, sondern nur das, was auch die Polizei, die Presse und der Rest der Welt erfahren hatten.
 

Ganz sicher würde sie ihren Eltern nicht die Bürde des Übernatürlichen auferlegen! Zum einen wollte sie sie natürlich nicht beunruhigen und zum anderen würden sie ihr, bei aller Liebe, nicht glauben. Und jetzt kam Natsu mit einer solchen Frage! Konnte er nicht ein kleines bisschen subtiler sein?
 

Auch Layla zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Nicht, dass ich wüsste.“, gab sie zu. „Wobei es natürlich ein paar Geschichten gibt. Eine Großtante von mir hat sie einmal gesammelt, ich bin sicher, ich habe ihre Notizbücher noch irgendwo. Capricorn wird es wissen.“
 

Natsu lachte. „Der weiß wirklich alles, was?“, wollte er wissen.
 

„Aber natürlich!“, stimmte Layla sofort zu und machte eine Handbewegung, dass sie ihr folgen sollten. Anscheinend hatte sie beschlossen, die seltsame Frage ihres Gastes höflich zu ignorieren. Oder sie dachte einfach, Natsu hätte ein eher ungewöhnliches Hobby. „Kommt, hier im Eingang ist es ungemütlich.“ Damit machte sie sich wieder an den Treppenaufstieg.
 

Natsu schob die Hände in die Hosentaschen und folgte ihr bummelnd, während er sich weiter umsah. Allzu sehr schien ihn die großartige Eingangshalle allerdings nicht zu beeindrucken, was eigentlich typisch er war.
 

Lucy riss sich einen Moment später aus ihrer Starre und warf ihre Gummistiefel von sich, um wieder in die Hausschuhe zu schlüpfen. Dann holte sie ihn rasch ein, um ihm einen Ellbogen in die Seite zu stoßen. „Geister!“, zischte sie ihm zu, als er ihr einen verdutzt-fragenden Blick zuwarf. „Was soll das!“
 

„Es ist nur eine Frage, komm runter.“
 

„Nein, ist es nicht.“, widersprach sie heftig, aber leise genug, dass ihre Mutter sie nicht verstehen konnte. „Ich kenne dich inzwischen gut genug! Mach meinen Eltern ja keine Angst! Und zieh sie gefälligst nicht damit rein!“
 

Natsu blickte sie für einen Moment schweigend an, doch sein Gesicht war ungewöhnlich ernst. „Du hast es nicht bemerkt.“
 

„Bemerkt? Was?“ Scharf fasste sie ihn ins Auge, als könnte sie ihn dadurch dazu bringen, alle seine Geheimnisse zu offenbaren.
 

Aber er zuckte nur mit den Schultern und fuhr sich durch die Haare. „Hier ist etwas seltsam. Ich meine, irgendetwas … Dunkles hängt über dem Anwesen wie eine Wolke.“
 

„Was?!“ Lucy starrte ihn mit offenem Mund an, doch er winkte ab. „Entspann dich. Vielleicht ist es gar nichts, nur ein paar Überreste vergangener Flüche oder sowas. Rate mal, warum ich nach Geistern gefragt habe.“
 

Lucy war nicht überzeugt und mit einem Mal fröstelte es sie. Ob es hier wirklich Gespenster gab? Ein kalter Schauer fuhr über ihren Rücken. Aber hätte in all den Jahren, in denen sie hier wohnten, nicht längst jemand etwas bemerken sollen?
 

„Kommt ihr?“, wollte Layla wissen, die bereits oben angekommen war, und ihre dunkle Stimme durchschnitt die angespannte Stimmung. „Aed, unser Koch, hat sich angestrengt und einiges an Kuchen aufgefahren. Wir wollen den Kaffee nicht kalt werden lassen.“
 

Natsus Gesicht hellte sich bei der Ankündigung sofort auf. „Kuchen!“ Er klang wie ein kleiner Junge, dem man das tollste Geschenk der Welt versprochen hatte.
 

Lucy schmunzelte, wie typisch für ihn. Na, wenn er sich so verhielt, konnte seine Ahnung nicht allzu schlimm sein und er machte sich sicher keine zu großen Sorgen über eventuelle Geister im Haus.
 

Oder?

Nightly Apparition

Papa, du bist zuhause!“, freute sich Lucy unwillkürlich, als sie sah, wer da in der Eingangshalle stand und mit Capricorn sprach. Sie sprang die Stufen von der Galerie hinunter, um zu ihm zu eilen und zu umarmen.
 

„Hallo, Prinzessin.“, lachte Jude und erwiderte die Geste. „Ich bin gerade angekommen.“
 

„Aber wehe, du musst bald wieder weg.“, drohte sie und löste sich wieder von ihm, um ihm ein Lächeln zu schenken.
 

Ihr Vater war ein hochgewachsener Mann mit ergrauendem, blondem Haar und einem akkurat geschnittenen Schnauzer. Im Grunde war alles an ihm korrekt, geradezu pedantisch – seine Frisur, sein schicker Anzug, die blankpolierten Schuhe, sein Auftreten… Jude glaubte fest daran, mit gutem Beispiel voranzugehen und dass Souveränität beim Aussehen anfing. Dass er dadurch auf den ersten Blick distanziert, übermäßig ernst und streng wirkte, hatte ihn nie gestört.
 

„Ich tue mein Bestes.“, versprach er ernsthaft, obwohl er wusste, dass sie nur scherzte. Oder zumindest halb. Es wäre eine herbe Enttäuschung für sie, wenn er den Großteil der Zeit, die sie eigentlich gemeinsam als Familie verbringen wollten, doch in der Firma oder an der Strippe verbrachte. Außerdem sollte er Natsu kennenlernen und das war schlecht möglich, wenn sie sich vielleicht höchstens mal beim Mittagessen sahen!
 

„Das will ich ja wohl hoffen.“, erklärte Lucy und stemmte die Hände in die Hüften. „Ansonsten kannst du was erleben!“
 

„Das will ich natürlich unter allen Umständen vermeiden.“, neckte Jude zurück und lächelte ihr noch einmal zu, ehe er sich wieder an Capricorn wandte, der bereits Judes Mantel über dem Arm hielt. „Und kannst du bitte Miss Hartman die Nachricht zukommen lassen, dass ich mir ihren Vorschlag angesehen habe und im neuen Jahr noch einmal mit ihr darüber sprechen muss? So weit gefällt er mir allerdings, ich habe nur noch ein paar Anmerkungen.“
 

Der Butler neigte höflich den Kopf. „Natürlich, Mr. Heartphilia. Wünschen Sie sonst noch etwas?“
 

„Nein, danke, im Moment nicht.“, winkte Jude ab. „Jetzt muss ich erst einmal anständig meine Tochter und vor allem meine Frau begrüßen.“
 

Capricorns Mundwinkel zogen sich zu einem kaum bemerkbaren Lächeln nach oben. „Wie Sie wünschen. Rufen Sie mich, wenn sie noch etwas benötigen.“ Damit nahm er die Aktentasche und den Koffer auf, die nebeneinander auf den Fliesen der Halle gestanden hatten, und verschwand in Richtung von Judes Arbeitszimmer.
 

Dieser nahm einen langen, schwarzen Kasten von einem der Beistelltische hoch, auf dessen Deckel in fein geschwungener, silbriger Schrift der Name eines teuren Blumenhauses stand, und schlang einen Arm um Lucys Schultern. Er führte sie in die Richtung der Treppe. „Wo ist denn deine Mutter, Prinzessin?“ Unter seinem beherrschten Tonfall konnte sie die Freude und Aufregung heraushören.
 

„Vorhin wollte sie in den Wintergarten.“, antwortete sie amüsiert. Früher war es ihr peinlich gewesen, wie verliebt ihre Eltern auch nach Jahren Ehe noch waren. Inzwischen fand sie es wundervoll und einfach nur niedlich.
 

Irgendwann einmal wollte sie genau so eine Ehe führen, in der man sich auch noch nach Jahren darüber freute, den anderen einfach nur zu sehen, in der man ihm Geschenke mitbrachte, weil man halt wollte, in der man nach zehn, zwanzig, fünfzig Jahren noch immer so verliebt war wie zu Beginn und in der man mit aller Sicherheit wusste, dass man miteinander alt werden würde, weil es einfach undenkbar war, es nicht zu tun. Und wenn ihr nun dabei Natsus Gesicht vor dem inneren Auge erschien, so musste das niemand wissen. Oder noch niemand.
 

„Das hätte ich mir denken können.“, gab Jude zu und warf einen Blick aus dem Fenster. Inzwischen hatten sie den ersten Stock erreicht und somit eine schöne Aussicht über das Anwesen bis hin zu den Hecken, die den Rosengarten begrenzten.
 

In der Nacht hatte es, wie vorausgesagt, geschneit und so weit das Auge reichte erstreckte sich strahlend helles, in der blassen Wintersonne glitzerndes Weiß. Die Bäume und Büsche trugen weiße Mäntel, die Dächer waren unter weißen Hauben verschwunden und der Gärtner, dick eingemummt, war gerade dabei, einen der Hauptwege freizulegen.
 

Draußen war es klirrend kalt und anscheinend würde das auch noch eine Weile so bleiben. Beste Bedingungen also dafür, dass dieser Anblick sich in den nächsten Tagen nur geringfügig änderte. Es sollte klar und wolkenlos bleiben, auch nachts, was sie besonders erfreute.
 

Vielleicht konnte sie Natsu dazu überreden, eine Nacht mit ihr hoch auf einen der Türme zu steigen, auf dem fest ein hervorragendes Teleskop installiert war. Sie wusste, dass ihr Freund sich, anders als sie, nicht sonderlich für die Sterne interessierte, aber zu ein paar Kuschelstunden da oben würde er sicher nicht ‚Nein‘ sagen, oder?
 

Aber noch etwas Gutes hatte der Schnee und sie erklärte auch sofort: „Ist es nicht toll? So viel Schnee! Mama war heute Morgen guter Dinge, ich bin sicher, sie wird uns nachher zu einem Spaziergang drängen.“
 

„Das ist schön.“, stimmte Jude zu und wandte sich nach einem nachdenklichen Moment wieder seiner Tochter zu. „Capricorn hat mir vorhin berichtet, dass dein Freund den Weg hierher rechtzeitig gefunden hat, um diesem Schneetreiben zu entkommen.“
 

Lucys Gesicht hellte sich bei dem Gedanken an Natsu auf. „Oh ja! Da hat er echt noch Glück gehabt. Ich hoffe, die Straßen waren nicht glatt?“
 

„Naja, Glanville musste heute ein wenig langsamer fahren als gewöhnlich.“, gab Jude zu. „Aber dafür muss er dieses Jahr überhaupt nicht mehr fahren außer nach Hause. Für den Rest des Jahres hat er Urlaub.“
 

Lucy konnte ein erfreutes Lächeln nicht unterdrücken, immerhin bedeutete das, dass ihr Vater nicht so einfach wieder verschwinden konnte, wenn er seinen Fahrer für die kommende Zeit entlassen hatte. Natürlich, theoretisch konnte er sich auch selbst hinter das Steuer setzen und das Telefon würde auch nicht abgestellt werden, aber es war einfach nochmal ein zusätzliches Hindernis.
 

Inzwischen waren sie an Laylas Teezimmer angekommen und Lucy schob die Tür auf, um vor ihrem Vater hineinzugehen, der noch einmal seinen Kasten untersuchte. Der sah zwar noch immer aus, als würde er direkt aus der Fabrik kommen, aber aus Judes Sicht war für Layla nichts gut genug.
 

Überrascht blickte er auf, als ihnen glockenhelles, herzliches Gelächter entgegenscholl. Auch Lucy blinzelte verdutzt – die Gelegenheiten, zu denen sie ihre Mutter so hatte lachen hören, konnte sie an zwei Händen abzählen. Okay, das war natürlich etwas übertrieben, aber dennoch, Layla war nie eine sehr fröhliche Person gewesen, beschränkte sich meistens auf Lächeln und leises Lachen.
 

Rasch durchquerte sie den Raum, ihrem Vater auf den Fersen, der die Tür zum Wintergarten aufstieß. Sofort wurden die Geräusche lauter und Natsus Glucksen mischte sich unter Laylas Heiterkeit. Lucy konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Was hatte sie eigentlich erwartet? Ihr Freund war immerhin wandelnde gute Laune, dagegen konnte sich keiner wehren.
 

Natsu hockte auf einem der Stühle gegenüber dem Diwan, auf dem es sich ihre Mutter bequem gemacht hatte, und gestikulierte großartig mit den Armen. Tamino lag eingerollt auf dem Ohrensessel, der etwas abseits stand, und schien zu schlafen. Seine Schwanzspitze zuckte dabei leicht.
 

„… und dann hat er diesen Blumentopf genommen und-“ Er unterbrach seine Erzählung, als Laylas Blick an ihm vorbeiwanderte zu den beiden Neuankömmlingen.
 

Sofort hellte sich ihr Gesicht zu dem besonderen Lächeln auf, das sie nur für ihren Mann reserviert zu haben schien. „Jude! Du hast es noch geschafft!“, freute sie sich und sprang auf, um ihm in die Arme zu fallen.
 

Natsu schien es ihr nicht übelzunehmen, dass sie ihn komplett vergessen zu haben schien. Stattdessen huschte sein Blick zu Lucy hinüber und er grinste sie breit an, während er aufstand. Lucy trat zu ihm um sich an ihn zu kuscheln, als er sie in die Arme nahm und küsste.
 

„Deine Mutter findet Gray superwitzig.“, erklärte er so belustigt, dass er kicherte.
 

Lucy schnaubte und boxte ihm gegen die Schulter. „Ich bin ziemlich sicher, dass das an dir liegt und nicht an Gray.“ Von dem hatte sie bisher einen eher gelassenen und zurückhaltenden Eindruck bekommen. Der Clown in dieser Partnerschaft war eher Natsu.
 

„Och, zu viel der Ehre.“, wehrte der ab. „Gray kann sich ganz von allein zum Affen machen.“
 

„Das ist die eine Sache, in der du ihm auf alle Fälle überlegen bist.“, versicherte Lucy ihm, was ihm ein erfreutes Grinsen entlockte.
 

Die beiden hatten eine seltsame Rivalität am Laufen, die noch kurioser wurde dadurch, dass sie enge Freunde und Geschäftspartner waren und eigentlich zusammenarbeiten sollten. Aber gegen sowas war wohl kein Kraut gewachsen. Romeo und vor allem Cana schienen zum Glück etwas Ausgeglichenheit in die Angelegenheit zu bringen. Wer wusste schon, welchen Weg Slayer Investigations sonst genommen hätte.
 

„Das ist mehr, als er von sich behaupten kann.“, erklärte Natsu, als wäre die Fähigkeit ‚sich zum Affen machen‘ etwas, auf das man stolz sein konnte.
 

„Er hat dafür seine eigenen Vorzüge.“, zog Lucy ihn auf und hätte vermutlich noch eins draufgesetzt, wäre ihr nicht jemand lautlos um die Beine gestrichen. Mit einem Lächeln bückte sie sich, um Tamino aufzuheben und ihn zu kuscheln. Sein Fell war so seidenweich, wie es aussah, und er rieb schnurrend den Kopf an ihrer Wange.
 

Natsu schob die Hände in die Hosentaschen, er hatte schon ganz am Anfang gelernt, dass er Tamino besser nicht berührte. Der Kater hatte anscheinend etwas dagegen, wenn Männer ihn anfassten, während er sich von Frauen und Kindern gerne streicheln ließ. Gleich am ersten Tag hatte er Natsu ein paar hässliche Kratzer verpasst. Jude war nur minimal besser weggekommen. Capricorn hatte es gar nicht erst versucht.
 

Lucy warf ihrem Freund ein entschuldigendes Lächeln zu und wechselte dann das Thema: „Komm, ich stelle dich meinem Vater vor.“
 

Alle Sorgen, die Lucy sich wegen des Treffens zwischen Jude und dem neuen Mann in ihrem Leben gemacht hatte, waren soeben zum Fenster hinausgeflogen. Natürlich war Natsu jetzt, trotz eigenem Business, nicht gerade der respektabelste Mann der Welt und durch seine eher lockere Einstellung das komplette Gegenteil zu ihrem Vater. Dan auf jeden Fall würde bei einer Gegenüberstellung auf den ersten Blick einen besseren Eindruck hinterlassen.
 

Aber der erste Blick zeigte nun mal nicht immer die Wahrheit oder kam auch nur nahe dran. Allerdings war sie sich nun hundertprozentig sicher, dass Jude sich schon irgendwie mit Natsu anfreunden würde. Denn jemand, der seine Frau so zum Lachen brachte, hatte von Anfang an einen Stein im Brett bei ihm.
 

Also stellte sie Tamino wieder auf den Stuhl und ergriff Natsus Hand, dessen Finger sich sofort mit ihren verschränkten, um ihn zu ihren Eltern hinüberzuführen. Layla war inzwischen mit den zartrosa und weißen Rosen beschäftigt, die Jude ihr mitgebracht hatte, der sie mit einem sanften Lächeln beobachtete, das selbst sein Gesicht weich wirken ließ.
 

Er wandte sich dem jüngeren Paar sofort zu, als sie herantraten, und streckte grüßend eine Hand aus. Natsu erwiderte die Geste. „Hi, freut mich, dich endlich kennenzulernen.“, erklärte er, ehe Jude etwas sagen konnte. „Schicke Hütte, das hier. Lucy hat mich nicht mal vorgewarnt.“
 

Jude schenkte seiner Tochter einen liebevoll-nachsichtigen Blick. „Manchmal vergisst sie, dass normale Leute in anderen Verhältnissen leben.“, erklärte er. Da er selbst in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen war, konnte er sehr viel leichter nachvollziehen wie es war, nicht gerade in Geld zu schwimmen. „Aber sie gibt sich redlich Mühe.“ Er blinzelte ihr zu und Lucy verzog schmollend das Gesicht.
 

Layla kicherte und verteidigte ihre Tochter: „Das ist wohl kaum ihre Schuld.“
 

„Natürlich nicht, das haben wir uns zuzuschreiben.“, stimmte Jude zu und wandte sich wieder an Natsu: „Aber ich habe eben dein Auto bewundert. 67er Coupe? Und bestens erhalten trotz des täglichen Gebrauchs.“
 

Sofort hellte Natsus Gesicht auf. Über sein Auto konnte er ewig reden. „Sie hat mal meinem Vater gehört und jetzt kümmere ich mich um sie. Aber Capricorn hat mir anvertraut, dass du ein echter Fan von alten Bentleys bist. Die würde ich gern mal anschauen, das sieht man auch nicht alle Tage.“
 

Jude, der immer überraschend aufgeregt war, wenn sich jemand für seine Hobbys interessierte, stimmte sofort zu: „Wir können nachher gern mal in die Garage hinübergehen.“
 

Lucy fragte sich beiläufig, seit wann Natsu so eng mit dem Butler war, wechselte einen Blick mit ihrer Mutter, die ihr verschwörerisch zublinzelte. Wenigstens musste sie sich wirklich keine Sorgen mehr darum machen, ob ihr Vater und ihr neuer Freund sich verstanden. Irgendwie hatten sie trotz aller Unterschiede ein Thema gefunden, das sie beide interessierte – neben Lucy natürlich.
 

Dann unterbrach Layla das echte Männergespräch, indem sie ihren Ehemann sachte auf die Wange küsste und erklärte: „Wie wäre es, wenn ihr das ein andermal besprecht, wenn ihr unter euch seid? Ich wäre jetzt dafür, Aed Bescheid zu sagen, dass er den Kaffee richten kann.“
 

„Eine hervorragende Idee.“, stellte Natsu sofort fest und Jude schlang einen Arm um seine Frau. „Du hast natürlich recht, wie immer.“
 

~~*~~★~~*~~
 

Als Lucy erwachte war es dämmrig in ihrem Zimmer. Der silberhelle Schein des Mondes, verstärkt durch den reflektierenden Schnee, fiel durch die großen Fenster und tauchte den Raum in ein geheimnisvolles Licht. Alles wirkte farblos, die Schatten waren tief und dunkel und es schien ihr beinahe, als würde ihr ein Blick in eine andere, magischere Welt gewährt werden. Es war still im Raum und auch von draußen drangen keine Geräusche herein, die diese Ruhe stören konnten.
 

Verwirrt setzte Lucy sich auf und zog dann sofort fröstelnd die Decke über ihren nackten Körper. Warum war sie überhaupt aufgewacht? Nach dem langen Abend und den darauffolgenden… körperlichen Aktivitäten sollte sie eigentlich schlafen wie ein Baby.
 

Doch jetzt fühlte sie sich erstaunlich wach, wenn auch nicht unbedingt begeistert darüber, mitten in der Nacht zu erwachen. Morgen würde sie das ganz sicher spüren! Sie griff nach ihrem Handy, das neben ihr auf dem Nachttisch lag. 03:17 zeigte es an und sie verzog missmutig das Gesicht.
 

Es war eiskalt, warum auch immer, eigentlich war die Heizung an, und spät – oder früh, je nachdem, wie man es sah – und sie fühlte sich um ihren Schönheitsschlaf betrogen. Nicht, dass sie den unbedingt brauchte, aber sie wollten morgen Schlittenfahren gehen. Und wenn sie dabei auch nur ansatzweise mit Natsu mithalten wollte, brauchte sie alle Energie, die sie kriegen konnte.
 

Das kleine Gerät wieder weglegend, rollte sie sich herum um sich an Natsu zu kuscheln, der stets warm wie ein kleiner Ofen und im Moment… gar nicht da war. Schmollend stemmte sie sich auf ihren Ellbogen hoch und blickte sich im Zimmer um. Was sollte das denn jetzt? War Natsu auf der Toilette? War sie von seinem Fehlen im Bett geweckt worden?
 

Mit einem genervten Aufstöhnen ließ sie sich wieder nach hinten fallen und starrte einige Augenblicke an die Decke. Wann kam er denn endlich zurück? Sie brauchte doch ihren persönlichen Ofen…!
 

Doch Natsu war anscheinend ins Klo gefallen, denn er tauchte nicht so schnell wieder auf. Und wenn sie es sich recht überlegte, müsste sie ihn nicht eigentlich hören? Er gab sich zwar stets redlich Mühe, aber er war meistens ein ziemlicher Trampel. Sie streckte die Hand aus und tastete nach den Laken, wo er eigentlich liegen sollte. Sie waren schon kalt, ganz so, als wäre er schon eine Weile weg.
 

Verwirrt runzelte Lucy die Stirn. Wo zum Teufel trieb er sich denn um diese Uhrzeit herum? Schlagartig fiel ihr etwas ein, dass sie dazu brachte, sich ruckartig aufzusetzen. Er war doch nicht etwa auf Gespensterjagd gegangen?! Wenn doch, dann konnte er etwas erleben! Erst machte er mit seinen eklatanten Fragen alle Pferde scheu und dann nahm er sie noch nicht einmal mit, wenn er auf nächtliche Erkundungstour ging! Aber nicht mit ihr!
 

Entschlossen schwang sie die Beine aus dem Bett, obwohl die Kälte sie sofort attackierte, und suchte nach ihrem Pyjama, der ein wenig sehr im Zimmer verteilt war, um ungeduldig hineinzuschlüpfen. Beim Hinausgehen stieg sie in ihre Pantoffeln und schnappte sich ihren Morgenmantel. Während sie sich einhändig in die Ärmel kämpfte, kramte sie mit der anderen Hand in der Kommode herum, die im Vorraum stand. Hier musste doch irgendwo noch-
 

A-ha! Triumphierend hielt sie die soeben wiedergefundene Taschenlampe in die Höhe. Zwar war es durch den Mond und den Schnee hell genug, um relativ gut zu sehen, aber die Taschenlampe war in dieser Situation einfach besser.
 

So ausgestattet und mit einem Gefühl nach Abenteuern im Bauch verließ sie ihre Zimmerflucht und tapste in den Flur. Sie kam sich ein wenig albern vor – mitten in der Nacht auf Geisterjagd zu gehen war doch ein wenig kindisch, auch wenn man wusste, dass man tatsächlich fündig werden konnte – aber irgendwie hatte Natsu den Effekt, dass einem das egal war. Weil der Spaß des Augenblicks einfach mehr wert war als alle verurteilenden Blicke.
 

Aber wohin jetzt? Heartphilia Manor war groß und geräumig, ein echtes Herrenhaus eben, mit Räumen, die seit Jahren nicht mehr benutzt wurden, Dutzenden Zimmern, Fluren und Treppen und sogar ein paar Geheimgängen, die Lucy in ihrer Kindheit gern erforscht hatte. Dazu kam noch, dass sie nicht einmal wusste, ob Natsu überhaupt noch im Haus war und sich nicht irgendwo außerhalb herumtrieb. Außerdem konnte sie nicht davon ausgehen, dass er an Ort und Stelle blieb, und man konnte sich in dem Gewirr von Gängen und Räumen leicht verpassen.
 

Sein Handy lag, wie sie vorhin bemerkt hatte, ebenfalls noch auf dem Nachttisch und war ihr in diesem Sinne auch keine Hilfe. Ein wenig missmutig verzog sie das Gesicht – das alles hätte sie sparen können, wenn er sie nur von Anfang an mitgenommen hätte! – und beschloss dann, systematisch vorzugehen.
 

Natsu hatte noch nicht übermäßig viel von dem Gebäude gesehen, trotz der Tour am ersten Tag, und auch wenn er neugierig und wenig schüchtern war, hoffte sie, dass er erstmal in bekannten Gefilden blieb. Außerdem würde sie zuallererst nachsehen, ob seine Schuhe noch da waren.
 

Also bog sie nach rechts ab und nahm den schnellsten Weg in die Eingangshalle, in der auf einem extra dafür ausgebreiteten Teppich die Schuhe standen, mit denen sie am Vortag über eine Stunde durch den Schnee gestapft waren. Natsu hatte das Anwesen beinahe interessanter gefunden als das Haus selbst, aber zum Glück keine weiteren Geister mehr ins Gespräch gebracht. Auch Lucy hatte das Thema ruhen lassen, obwohl sie den Großteil der Zeit zu zweit verbracht hatten.
 

Aber es gab auch so viel zu entdecken und sie hatte mal wieder Plätze aufgesucht, die sie beinahe vergessen hatte. Nachher waren ihre Schuhe natürlich völlig durchweicht gewesen und Natsu hatte, wie das nun mal zu erwarten gewesen war, nur dieses eine Paar Winterstiefel dabei.
 

Zum Glück hatten ihre Eltern die jährliche Tradition eines Weihnachtsballs für Familie, Freunde, Geschäftspartner und vage Bekannte, die sie lange vor Lucys Geburt begonnen hatten, schon vor einiger Zeit ersatzlos aufgegeben. Natsu hätte sich auf einer solchen Veranstaltung nicht sehr wohl gefühlt…
 

Sie fand Natsus Stiefel glücklicherweise dort, wo er sie abgestellt hatte. „Okay, also was jetzt?“, fragte sie in die leere Halle und ließ den Lichtkegel ihrer Taschenlampe über die Täfelungen an den Wänden gleiten und die Zimmerpflanzen, die sich als unförmige, dunkle Silhouetten von dem Holz abhoben und so im Halbdunkel ziemlich unheimlich wirkten.
 

Tiefe Dunkelheit lauerte in den Ecken und der Schein der Lampe fing sich funkelnd in den facettenreichen Kristallen am Kronleuchter. Draußen schienen Schatten über den Schnee zu huschen und die Bäume waren monströse Gebilde im Hintergrund, die kahlen Äste wie vielgliedrige, greifende Hände…
 

Sie schrie erschrocken auf, als eine Gestalt am Fenster vorbeiflog, und erkannte erst einen Moment später eine Krähe, die sich wohl von dem Licht gestört gefühlt hatte. Eine Hand auf ihr wild klopfendes Herz gepresst, wandte sie sich entschlossen von den Fenstern ab. Das tat ihr nicht gut und wer hätte gedacht, dass das vertraute Heim so gruselig sein konnte? Vor allem, wenn man nachts allein auf Geisterjagd war…
 

Hoffentlich fand sie Natsu bald, sonst würde sie wieder in ihr warmes Bett kriechen, sich in die Decken einwickeln wie in einen Kokon und weiterschlafen. Er würde ja eh nichts finden, in Heartphilia Manor gab es keine Geister. Gespenstergeschichten ja, davon rankten sich ein paar um das alte Anwesen, aber echte Geister…?
 

Sie war hier aufgewachsen, sie würde das ja wohl wissen, wenn sie über all die Jahre einen unheimlichen Untermieter gehabt hätten, oder? Warum nur hatte Natsu überhaupt mit diesem Thema angefangen? Sich in Gedanken darüber aufregend, um sich vor dem Schauer abzulenken, der ihr über den Rücken rann, wandte sie sich wieder der Treppe zu, um zurück nach oben zu gehen. Das war der Teil des Hauses, der Natsu am vertrautesten war, und-
 

„Miss Lucy, was treibst du dich mitten in der Nacht hier herum?“
 

Mit einem lauten Aufkreischen ließ sie ihre Taschenlampe fallen, die klirrend auf dem Boden landete und einmal um sich selbst rollte, um dann gegen ein Paar große Füße zu rollen. Sie flackerte kurz.
 

„Ich entschuldige mich.“, sagte Capricorn ruhig und bückte sich, um die Lampe aufzuheben.
 

Lucy starrte ihn entgeistert an, kurz davor, sich in die Hosen zu machen, und ihr Herz schlug so schnell, dass das Blut in ihren Ohren rauschte. Erst nach einigen Augenblicken fing sie sich genug, um eine Antwort zu stottern: „Da-dasselbe kö-könnte ich di-dich auch fragen!“
 

„Ich habe etwas gehört und wollte überprüfen, ob alles in Ordnung ist.“, erklärte der Butler aufgeräumt. Manchmal glaube sie, Capricorn hätte die Ohren einer Fledermaus, denn er schien alles mitzukriegen, was sich im Haus abspielte. Schon seit Jahren fragte sie sich, wie er das machte. Sie selbst bekam meistens nicht einmal mit, wenn jemand klingelte.
 

„Vielleicht war das Natsu.“, vermutete sie und nahm dankend die Taschenlampe wieder entgegen, als er sie ihr reichte. Etwas in ihrem Inneren klapperte leise und das Licht flackerte erneut. Jetzt war das dumme Ding auch noch kaputtgegangen.
 

Auch Capricorn trug einen Morgenmantel über dem karierten Pyjama und an den Füßen ein paar Hausschuhe, die so aussahen wie Steinböcke. Layla hatte sie ihm einmal als Witz geschenkt und seitdem bestand er darauf, exakt die gleichen zu kaufen, wann immer die alten kaputtgingen.
 

„Er ist irgendwann verschwunden und ich befürchte, er ist auf Geisterjagd gegangen.“, erklärte Lucy auf seinen fragenden Blick. „Ich wollte ihn finden, bevor er Mama und Papa aufschreckt.“
 

„Ich bin sicher, deine Eltern werden davon nichts mitkriegen.“, beruhigte Capricorn sie, ohne darauf einzugehen, wie verrückt ihr Freund sich gerade verhielt. Sowas hatte auch er noch nicht erlebt, da war sie sich sicher.
 

„Das will ich ja wohl hoffen…!“, knurrte sie und leuchtete die Treppe nach oben. „Ich such ihn dann mal weiter. Du kannst ruhig wieder ins Bett gehen.“
 

„Was denkst du denn von mir?“, wollte er wissen und schüttelte den Kopf. „Dass ich dich allein suchen lasse? Auf keinen Fall. Außerdem kam das Geräusch aus dieser Richtung.“ Er deutete den Flur hinunter, der nach hinten ins Haus führte.
 

Sie hielt abrupt inne, schon sechs Stufen auf der Treppe. „… Oh.“, machte sie verlegen und kehrte wieder zurück. „Ich bin-“ Erneut wurde sie mitten im Satz rüde unterbrochen. „Oi, Lucy!“
 

Sie stieß einen weiteren erschrockenen Schrei aus und fiel beinahe von der Treppe, als sie in die Richtung umdrehte, aus der Natsus Stimme drang. Er stand in der nun halb geöffneten Tür zum Haushaltstrakt und ignorierte ihren Schreck in wahrer Natsu-Manier. Winkend kam er auf sie zu, wobei der Lichtstrahl seiner Taschenlampe wild über die Wand tanzte.
 

„Und Capricorn! Was macht ihr denn hier?“ Er sah sich um. „Ist das nicht ein etwas seltsamer Ort, um sich für einen Mitternachtsplausch zu treffen?“
 

„Mitternacht ist schon lange vorbei!“, belehrte Lucy ihn. Der hatte gut reden! Er war es doch, der mit all dem angefangen hatte!
 

„Egal, es ist mitten in der Nacht, das ist alles das gleiche.“, winkte Natsu ab und kam zu ihnen herüber. Im Gegensatz zu ihnen anderen hatte er sich nicht die Mühe gemacht, einen Morgenmantel überzuziehen. Nicht einmal Socken trug er an den Füßen; ihm musste bestimmt eiskalt sein.
 

„Das ist eine sehr lose Interpretation.“, warf Capricorn ein. „Wir sind es hier nicht gewohnt, dass sich jemand nachts herumtreibt.“
 

„Genau.“, stimmte Lucy streng zu, aber dadurch, dass sie Natsus Hand nahm und ihn auf die Wange küsste, nahm sie sich selbst den Wind aus den Segeln. „Hast du wenigstens gefunden, nach was du gesucht hast?“
 

Er zuckte mit den Schultern. „Schicke Schuhe.“, bemerkte er mit einem Blick auf Capricorns Füße, der kurz mit den Zehen wackelte und gemessen antwortete: „Vielen Dank.“ Das brachte ihm einen verdutzten Blick selbst von Natsu ein, der sonst jede Verrücktheit annahm, ohne mit der Wimper zu zucken.
 

Dann grinste Natsu und antwortete ihr endlich: „Nein, nicht wirklich. Aber ich hab ja auch nur auf gut Glück gesucht. Ich würde wirklich gern einen Blick in diese Notizbücher werfen, die deine Mutter erwähnt hat.“
 

„Also warst du tatsächlich auf Gespensterjagd?“, wollte sie wissen. „Du hättest mir ruhig Bescheid sagen können! Ich bin-“
 

Erneut wurde sie unterbrochen, diesmal von ihrem Vater, der von der Galerie herunterdonnerte: „Was zum Teufel ist denn hier los? Versammlung um Mitternacht?“
 

„Mitternacht ist längst vorbei, mein Schatz.“, belehrte Layla ihn.
 

Natsu grinste und Jude antwortete: „Darum geht es doch jetzt nicht! Aber könnt ihr das nicht am Tag machen?“
 

„Natsu musste seine Geister suchen.“, erklärte Lucy und trat ein paar Schritte zurück, damit sie zu ihren Eltern emporschauen konnte. Ihre Taschenlampe flackerte schon wieder. Sie würde Spetto am nächsten Tag bitten, ihr eine neue zu besorgen.
 

„Geister?“, wollte Jude verdutzt wissen, während Layla ein Lächeln hinter ihrer Hand versteckte.
 

„Er hat gleich bei seiner Ankunft gefragt, ob wir hier ein paar davon haben.“, berichtete sie und beugte sich vor, um einen Blick nach unten zu werfen und Natsu zuzuzwinkern. „Capricorn, hattest du schon Gelegenheit, nach den Notizbüchern zu suchen?“
 

„Leider nicht.“, erklärte der Butler. „Aber wenn es so eilig ist, werde ich mich gleich morgen darum kümmern.“
 

„So ein Blödsinn.“, schüttelte Jude den Kopf und Lucys Taschenlampe flatterte erneut. „Was ist denn jetzt los?“ Ärgerlich schüttelte sie das Ding. Ging es jetzt endgültig kaputt? Wenigstens hatten sie noch Natsus. Oder sie machten einfach das Licht an.
 

„Ach, ich weiß nicht, ob das so dringend ist.“, wehrte Natsu ab und sein Blick huschte zu ihr herüber. „In Wahrheit konnte ich einfach nicht schlafen und ich wollte Lucy nicht wecken, also bin ich aufgestanden.“
 

Lucy sah ihn verdutzt an und runzelte die Stirn. Hatte er nicht gerade selbst gesagt, dass er diese Bücher haben wollte? Und jetzt plötzlich doch nicht? Normalerweise war er doch nicht so zurückhaltend!
 

Das Licht flammte auf.
 

Nicht nur ihre Taschenlampen, nicht nur der Kronleuchter, sondern jede einzelne Lampe in der Halle, oben auf der Galerie, selbst die in den Fluren, die Lucy von ihrem Standpunkt aus sehen konnte. Über ihr summte der Lüster vor Elektrizität und sie trat einen vorsichtigen Schritt zur Seite. Sie erinnerte sich noch gut an den letzten Kronleuchter, unter dem sie gestanden hatte…
 

„Was ist denn je…?“, begann jemand laut, dann verloschen schlagartig alle Lichter wieder und sie standen in völliger Dunkelheit. Nur der Mond schien von draußen herein, viel zu schwach für ihre an helleres Licht gewöhnten Augen, als dass sie noch viel sehen konnten. Es war eisigkalt und Lucy konnte sehen, wie ihr Atem gefror.
 

„Wa-was das?“, stotterte Layla und ihrer Stimme war anzuhören, was für einen Schrecken ihr das Ereignis eingejagt hatte.
 

Jude war sofort bei ihr. „Bestimmt nur eine Störung im Stromkreislauf. Ich werde-“
 

Ein elektrisches Surren ertönte und dann spielten die Lichter am Kronleuchter verrückt, blitzten auf und verloschen in rasantem Rhythmus. „Das ist mir unheimlich.“, klagte Layla, gerade in dem Moment, als der Lüster zu schwingen und zu klirren begann, als die Glaskristalle gegeneinanderstießen.
 

Lucy starrte nach oben, wie festgenagelt am Boden und sie dachte irrwitziger Weise wo kommt jetzt schon wieder ein Todesfluch her?, während ein Funkenregen auf sie niederging. „Lucy!“ Natsus Ruf riss sie aus der Starre und sie sprang zur Seite, einen Moment ehe er packte sie und an sich zog. Er drehte sich weg, gerade in dem Moment, als über ihnen knallte.
 

Der Kronleuchter schlug mit einem kreischenden Klirren auf den Fliesen auf und das Glas zersprang in tausende kleiner Splitter, die wie Schrapnell durch die Luft schossen. Gleichzeitig barsten alle anderen Lampen im Raum unter Scheppern und Krachen und einer der Blumentöpfe explodierte regelrecht.
 

Jemand schrie laut auf und Lucy presste ihr Gesicht gegen Natsus Brust. Wie schaffte sie es nur immer, in solche Situationen zu geraten?!
 

„Was zum Teufel!“, brüllte Jude außer sich, die Fassung verlierend. Aus den Augenwinkeln konnte Lucy erkennen, wie Capricorn sich Blut aus dem Gesicht wischte. Es glänzte hell und rot in dem hellen Licht, das die Halle erfüllte… obwohl der Lüster auf dem Boden lag und jede andere Lampe zerstört war. Selbst die Taschenlampen waren zersprungen.
 

„Ich hab ehrlich nicht gedacht, dass das wirklich funktioniert.“, murmelte Natsu neben ihr und sie konnte erkennen, wie er nach oben starrte. Sie folgte seinem Blick und erstarrte. Dort, wo eben noch der Kronleuchter gehangen hatte, befand sich eine Gestalt aus reinem Licht, die Lucy einen Schauer über den Rücken jagte.
 

Sie hatte nur entfernt eine menschliche Form, eher ein Schemen, an dem vage eine Silhouette zu erahnen war, ein unförmiger Kopf, zwei Arme, die Beine waren nicht zu erkennen… Sie erstrahlte in einem überirdischen Schein, dem man sofort ansehen konnte, dass es nicht aus dieser Welt stammte, unheimlich und schaurig, so dass sie die fremde Andersartigkeit bis tief in die Knochen spüren konnte.
 

Plötzlich war Lucy kalt, auf eine nicht physische Art, als würde sie in ihrer Seele frieren. Gänsehaut überzog ihre Arme und kroch ihren Nacken hinauf, wo sich alle Härchen aufstellten. Ein Gefühl von Unfriede setzte sich in ihr fest, das von außen kam, Unruhe und Unstimmigkeit, als etwas das Gefüge des Diesseits störte.
 

War das… war das etwa ein… ein Geist?
 

Aber es gab keinen Zweifel, was auch immer das war, es war nicht normal. Es war übernatürlich, unirdisch. Magisch auf eine Art, die man tief im Inneren spüren konnte. Kein Trick, kein Kniff, kein Betrug konnte das vorgaukeln und es verstörte Lucy zutiefst. Dies war eine Berührung mit dem Tod auf eine Art, die selbst ein Dämon nicht hervorrufen konnte.
 

Irgendwie hatte sie sich einen Geist allerdings anders vorgestellt, schoss es ihr durch den Kopf, mehr wie in einem Horrorfilm oder… Aber warum beschwerte sie sich?! Sie wollte keine halbverrotteten, durchscheinenden Leichen sehen! Das hier erinnerte eher an Casper den freundlichen Geist, auch wenn diesem nie diese Aura von überirdischer Beklommenheit angehaftet hatte.
 

Ein Wesen aus dem Jenseits und es brachte mit sich eine Ahnung von Tod und Vergänglichkeit, die Lucy ihre eigenen Tränen schmecken ließ, während sie gleichzeitig das Gefühl hatte, zu ersticken. Irgendwo konnte sie ihre Mutter weinen hören und jemand – war das Capricorn? Sie hatte ihn noch nie die Fassung verlieren sehen und dieser Anblick verstörte sie beinahe ebenso wie der Geist selbst – murmelte ein Gebet vor sich hin. Ihr Vater dagegen gab keinen Laut von sich, nur Natsu war nichts anzuseh-
 

Ein schrilles Kreischen, das ihr durch Mark und Bein ging, so hoch, dass es die Fenster zum Klirren brachte, schnitt jeglichen Gedanken ab. Sie versuchte, das schreckliche Geräusch mit den Händen auszusperrend, doch das half nicht viel, verringerte die Lautstärke nur minimal.
 

Jemand brüllte laut, direkt neben ihr – Natsu. Auch er presste die Hände über die Ohren und krümmte sich wie unter Schmerzen. Reflexartig warf sie die Arme um ihn, um ihn an sich zu ziehen. Das Kreischen zerriss ihr beinahe das Trommelfell. „Aufhören, aufhören!“, schrie sie gegen den Lärm an, ohne Hoffnung, dass es tatsächlich etwas brachte.
 

Was konnte sie tun?! Fieberhaft versuchte sie, sich daran zu erinnern, was Natsu ihr über Geister erzählt hatte. Nicht sehr viel – sie hatten früher keinen Grund gehabt, tiefer auf das Thema einzugehen, und die letzten zwei Tage hatte sie es gewissenhaft vermieden, auch nur daran zu denken. Silber? Oder verwechselte sie das mit Werwölfen oder Vampiren? Eisen, Salz…? Oder kam ihr das jetzt nur in den Sinn, weil es in den Sinn, weil das in Filmen immer verwendet wurde, um Geister zu vertreiben, zumindest temporär? Aber auch das würde ihr jetzt auch schon helfen…!
 

„Bitte!“, rief sie flehend gegen das grelle Kreischen an. „Aufhören!“
 

Wider Erwarten stoppte das Geräusch tatsächlich. Ihre Ohren klirrten im Nachhall oder waren das die Scheiben in den Fenstern, die noch vibrierten? Die geisterhafte Erscheinung hing noch immer über ihnen und sie bewegte sich vage. Wellen von Kälte gingen von ihr aus, wie der Frost des Todes selbst.
 

Lucy tränten die Augen, als sie versuchte, mehr zu erkennen, eine menschliche Silhouette, ein Gesicht, irgendetwas. Aber es wurde nicht klarer, blieb weiterhin verschwommen und unförmig. War das überhaupt ein Geist? Nach ihrem Wissensstand war konnte die Antwort auf diese Frage genauso gut ‚Nein‘ sein.
 

„Scheiße, verdammte!“, fluchte Natsu laut und Lucy wandte sich ihm sofort zu.
 

„Geht es dir gut?“, wollte sie besorgt wissen, merkte selbst, wie nahe ihre Stimme der Panik war. Seine Augen wirkten in dem Licht noch dunkler, als sie sowieso schon waren. Er nickte hastig und rieb sich mit dem Handballen die Ohren. Dann sagte er nachdrücklich: „Fuck!“ Er warf der Erscheinung einen Seitenblick zu und machte sich daran, sich wieder aufzurappeln. „Was soll das!“
 

„…Blut…“, hallte es durch das Foyer und Lucy zuckte zusammen. Die Stimme war nur ein Wispern, aber trotzdem laut genug, dass sie Lucy durch Mark und Bein drang und den Raum gänzlich ausfüllte. Es war, als drang sie von weiter Ferner herüber, wie direkt aus dem Reich der Toten, hohl und widerhallend.
 

„…geweckt!“
 

„Oh nein, was soll das bedeuten?“, flüsterte Lucy verwirrt und schlug die Hände vor den Mund. Sie zitterte am ganzen Körper und von irgendwo drang noch immer das geflüsterte Gebet an ihre Ohren, das einen Moment später schon wieder übertönt wurde von der grauenhaften Stimme.
 

„…zu fressen…“
 

Warm und sicher schlossen sich Natsus Finger um ihre Hand und Lucy drückte sich dankbar an ihn. Sie war so froh, dass er hier war! Aber nicht einmal seine Sicherheit und Wärme reichte aus, um die Kälte aus ihrer Seele zu vertreiben und die Angst aus ihren Knochen.
 

„…Dunkelheit…“, hauchte es, leiser diesmal und noch schwerer zu verstehen als vorher schon. Die Erscheinung flackerte, als würde sie schwächer werden, und auch das Licht wurde langsam matter. Verschwand sie jetzt wieder…? Gott sei Dank…!
 

Nichtsdestotrotz hörte Lucy gespannt zu, als läge eine versteckte Botschaft hinter den Worten, die sie eigentlich gar nicht wissen wollte. Es war, als zwang sie jemand zum Lauschen und alles in ihr sträubte sich dagegen, sich einfach abzuwenden und die Hände über die Ohren zu schlagen. Wenn sie wenigstens mehr verstehen könnte, als nur diese gebrochenen Sätze, von denen nur einzelne Worte erkennbar waren, die ominös und unheilvoll genug waren.
 

„…Gewölbe … eingesperrt…“
 

Was versuchte dieses Wesen ihnen damit mitzuteilen? Versuchte es das überhaupt? Oder war es schlichtweg eine Drohung? Es klang zumindest so… Warum sonst sollte von Blut die Rede sein und davon etwas – oder jemanden, lieferte ihr Hirn wenig hilfreich – zu fressen.
 

„…Zeit!“
 

Das letzte Wort war ein Hauch, wie der letzte Atemzug eines Sterbenden, und gleichzeitig wie ein abschließender Glockenschlag, der durch ihre Glieder drang. Dann verlosch das Licht jäh und die Erscheinung verschwand so schnell, wie sie gekommen war.
 

Die Lebenden blieben zurück im Dunkel zwischen zerschlagenen Lampen und dem gefallenen Kronleuchter. Mit dem Geist löste sich die Spannung auf, die sich im Raum befunden hatte, entwich schlagartig wie Luft, nachdem man einen Luftballon angestochen hatte.
 

Stattdessen senkte sich durchdringende Stille über die Eingangshalle, die beinahe so unnatürlich wirkte wie die Erscheinung selbst.
 

Lucy rieb sich fröstelnd die Arme und fühlte sich, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Warum immer sie? Was hatte sie getan, das plötzlich um sie herum so übernatürliche Ereignisse geschahen? Sie hatte doch nur Weihnachten mit ihrer Familie feiern wollen…! Doch all das innerliche Jammern lenkte sie nicht von der Todeskälte und dem beklemmenden Grauen ab, die sie noch immer zu spüren vermeinte.
 

„Lucy?“, wollte Natsu wissen und legte ihr ohne Vorwarnung eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen, aber sie drehte sich nicht zu ihm um. Aber seine warme Präsenz hinter ihr half ihr, genug Mut zu fassen um sich nach den anderen umzusehen.
 

Capricorn starrte noch immer mit weit aufgerissenen Augen auf die Stelle, an der die Erscheinung eben noch gewesen war. Seine Hand war um den Anhänger seiner Kette geschlossen, die er stets unter der Kleidung bei sich trug, und sein Gesicht war bleich wie der Tod. Stumm bewegte er noch die Lippen, doch kein Laut drang mehr darüber.
 

Dann blickte sie nach oben auf die Galerie, wo ihre Eltern Arm in Arm standen. Auch sie schienen nicht glauben zu können, was sie eben noch gesehen hatten, kalkweiß und verstört. Layla sah aus wie zu ihren schlimmsten Zeiten, das Haar aus dem geflochtenen Zopf gelöst, den sie zum Schlafen trug, ihr Vater völlig aus der Fassung gebracht.
 

„Was… Es… Das war…“, stotterte Jude vor sich hin, den Unglauben offen in der Stimme, die viel zu hoch für ihn war und nahe daran einfach zu kippen.
 

Layla sah nicht viel besser aus, eine Hand vor den Mund geschlagen irrte ihr Blick haltlos durch den Raum. „Was war das?“, wollte sie schließlich wissen, ihre Stimme schwankend, aber gleichzeitig seltsam ruhig.
 

„Das war offensichtlich ein Geist.“, antwortete Natsu, als wäre das selbstverständlich, und kratzte sich am Kopf. Er war der einzige, der nicht mitgenommen aussah. Oder zumindest nur wenig, doch sie konnte das Weiße in seinen Augen sehen. Anscheinend gewöhnte man sich nie gänzlich an eine Berührung aus dem Jenseits.
 

Doch selbst Lucy fühlte sich völlig durch den Wind, während er vor allem so aussah, als hätte er jede Menge Fragen. „Ich hab wirklich nicht gedacht, dass ich auf diese Art fündig werden würde!“, versicherte er.
 

Oben auf der Galerie verdrehte Jude die Augen und fiel ohnmächtig zu Boden, während Layla erschrocken aufschrie und an seine Seite eilte. „Jude!“
 

„Oh je.“, sagte Natsu, einen Moment, ehe Lucy erschrocken ausrief: „Papa!“

Bloody Walls

Draußen wurde es langsam hell.
 

Es war ein grauer Tag, der Himmel bedeckt von tiefhängenden Wolken, so dass die Sonne keine Chance hatte durchzudringen. Vermutlich würde es im Laufe des Tages wieder schneien, doch auch diese Aussicht hob die gedrückte Stimmung, die über dem kleinen Esszimmer lag, nicht an.
 

Oder nein, nicht gedrückt, eher nachdenklich, gedankenvoll. Doch niemand dachte mehr an Schlittenfahrten oder Spaziergänge durch den Schnee oder Touren mit dem Pferdeschlitten. All das, auf das Lucy sich schon seit Wochen freute und von dem sie gedacht hatte, sie könnten es heute ausgiebig genießen. Aber daraus wurde wohl sobald nichts.
 

Lucy zog die Schultern hoch und riss den Blick von der verschneiten Landschaft los, um zu den anderen zu schauen. Sie saßen am Tisch, auf dem noch die Reste des Frühstücks und das benutzte Geschirr standen, und sahen mitgenommen und übermüdet aus. Alle außer Natsu natürlich, der trotz allem nicht seinen Optimismus verloren zu haben schien und vergnügt drei Brötchen verputzt hatte. Alle anderen, Lucy eingeschlossen, hatten eher keinen Appetit gehabt.
 

Nach den Enthüllungen der letzten Nacht war das auch kein Wunder. Immerhin hatte sich ihren Eltern und Capricorn eine völlig neue Welt erschlossen, allerdings keine sehr freundliche, etwas, das sehr offensichtlich gewesen war – spürbar bis tief in die Knochen. Lucy fuhr es noch immer kalt den Rücken hinunter, wenn sie auch nur daran dachte.
 

Ihr Vater wirkte auch noch blass, doch bereits wieder gefasst. Den Ohnmachtsanfall schien er zum Glück gut überstanden zu haben und sie hatte eigentlich ein wenig mehr … Panik oder zumindest Aufregung erwartet. Er war immer ein sehr weltlicher Mensch gewesen, ein Atheist durch und durch, der keine Geduld für Aberglauben und Mystizismus hatte. Oder sie unterschätzte einfach, wie gut er darin war, eine unerschütterliche Fassade zu wahren.
 

Im Moment stellten er und Capricorn ihrem Freund nun eifrig Fragen, die dieser beantwortete, während er sich sein inzwischen viertes Marmeladenbrötchen einverleibte. Natsu hatte eindeutig zu viel Spaß an der Sache.
 

Layla dagegen sagte schon eine ganze Weile nichts mehr, völlig versunken in ihren Gedanken. Sie war blasser als sie alle und in ihren Augen saß ein ferner Blick, der Lucy Angst machte. Wenn die Berührung des Todes sie selbst derartig mitgenommen hatte, wie sehr musste er ihrer Mutter zugesetzt haben…?
 

Lucy hatte das Gespräch längst ausgebblendet und versuchte es zu ignorieren. Sie hatte ihre Eltern und deren Haushalt nie damit hineinziehen wollen. Halloween hatte ihr eine Lektion darin erteilt, wie gefährlich das Wissen war und welche Gefahren in der Magie lauerten. Oder nicht Halloween, sondern eher Erza und ihr Schicksal… Das Buch, so tückisch.
 

Ihre Eltern hatten außen vor bleiben sollen, ahnungslos und sicher. Aber diese Illusion war augenscheinlich brüchiger, als sie gedacht hatte, fadenscheinig und dünn. Logisch gesehen wusste sie, dass die Magie und ihre Gefahren nicht verschwanden, nur weil man nichts von ihnen wusste, im Gegenteil.
 

Doch sie hatte es sich leichter vorstellen können, dass das alles nicht existierte – die wahren Ereignisse von Halloween, Hexen, Vampire, der Dämon – wenn sie die Einzige im Raum war, die darüber Bescheid wusste. Das war vielleicht ein trügerisches Gefühl, doch was schadete es, sich das vorzustellen? Zumal es sowieso nichts gab, was sie tun konnte und nicht sowieso schon tat.
 

Doch dies war jetzt nicht mehr möglich und ein weiterer Beweis, wie nah es alles war und in welcher Gefahr die ganze Welt schwebte. Vielleicht war doch etwas dran daran, das Unwissenheit schützte…? Denn eigentlich war es ein Wunder, dass hier noch menschliches Leben herrschte, mit Kreaturen wie dem Hohen Dämon da draußen.
 

Bei diesem Gedanken rann Lucy ein kalter Schauer über den Rücken und sie zog fröstelnd die Schultern hoch.
 

„Lucy?“ Laylas Stimme riss sie aus den Gedanken und sie blickte auf. „Was ist, Mama?“
 

Ihre Mutter sah sie aus nachdenklich verengten Augen an, die Stirn gerunzelt, und fuhr schon fort, ehe sie fortfahren konnte. „Heißt das, dass diese Frau gar nicht verrückt war?“
 

Welche Frau? wollte Lucy fragen, doch dann fiel ihr ein, dass nur eine gemeint sein konnte. Die, die Lucy in all das hineingezogen hatte
 

Layla bestätigte diesen Verdacht sofort, als sie fortfuhr: „Hat sie tatsächlich einen Dämon beschwören wollen?“
 

Lucy schloss einen Moment ergeben die Augen, aber eigentlich hätte sie damit rechnen sollen, dass ihre Mutter diese Verbindung sofort knüpfte. „Ja.“, gestand sie nach einem Augenblick, nur um gleich darauf hastig hinzuzufügen: „Aber ihr müsst euch keine Sorgen machen! Ich lebe offensichtlich noch, ihr Vorhaben schlug fehl, mir geht es gut und der Dämon wurde gebannt, ehe er ganz herübertreten konnte! Wir hatten da echt gute Hilfe!“
 

Jude, seine Aufmerksamkeit nun ebenfalls voll und ganz auf seiner Tochter ruhend, zog skeptisch die Augenbrauen hoch und auch den anderen beiden war anzusehen, dass sie ihr nicht unbedingt glaubten. Zumindest erkannten sie, dass sie nicht die volle Wahrheit sagte.
 

Natsu, obwohl verwirrt darüber, dass sie derartig rigoros abblockte, kam ihr zur Hilfe. „Scarlet hat das Buch nicht mehr, das sie dafür benutzt hat. Und ich meine, sie war schon verrückt, nur etwas anders als alle Welt glaubt.“
 

„Es gibt sicher noch mehr Bücher zum Dämonenbeschwören als dieses eine.“, wandte Jude logisch ein.
 

„Ja, schon, irgendwie.“, gab Natsu zu und machte eine wegwerfende Handbewegung, bei der ihm beinahe der Rest seines Brötchens aus den Fingern rutschte. „Aber das war ein ganz besonderes und ohne das… Sagen wir, von Scarlet geht jetzt keine Gefahr mehr aus. Wir sollten uns lieber auf unser aktuelles Problem konzentrieren.“
 

Weder Jude noch Layla noch Capricorn sahen wirklich überzeugt aus, aber sie ließen das Thema fallen. Vorerst zumindest – da war der Geist wohl doch zu etwas gut. Auch wenn sie es ihm überhaupt zu verdanken hatte, dass sie mit der Sprache herausrücken musste.
 

Lucy warf ihrem Freund einen dankbaren Blick zu und kam an den Tisch zurück, während Jude fragte: „Was genau ist das für ein Problem?“
 

Jetzt horchte auch Lucy auf und sie ließ sich neben Natsu wieder auf ihren Stuhl fallen. Das war eine gute Frage, denn hatte er nicht schon früher selbst Geister ausgetrieben? „Kannst du ihn nicht vertreiben?“, sprach sie ihre Gedanken aus. „Ich meine, du hast mir erzählt, dass das Teil deines Jobs ist.“
 

Doch Natsu rieb sich das Gesicht und dachte sogar erstmal nach, ehe er antwortete: „Das stimmt schon, aber wir haben hier mehr als ein Problem… Erstmal ist dieser Geist nicht gerade ein Nullachtfünfzehn-Gespenst, die man überall trifft. Ich habe noch niemals einen gesehen, der solche Auswirkungen auf das Diesseits hat. Und wohlgemerkt, er ist noch schwach.“
 

Er machte eine Pause, so dass sie sich alle an das Bild erinnern konnten, das die Erscheinung zurückgelassen hatte. Die Eingangshalle war im Moment nicht nutzbar, da überall noch Scherben herumlagen. Die zerschmetterten Lampen, die freiliegende Elektrik und nicht zuletzt der völlig zerstörte Kronleuchter hatten dafür gesorgt, dass Capricorn das Foyer abgesperrt hatte und den Fußverkehr – im Moment vor allem das Personal – über eine Seitentür umgelenkt hatte. Sie konnten wohl von Glück reden, dass alle Fenster heil geblieben waren.
 

„Was meinst du mit ‚schwach‘?“, verlangte Jude sofort zu wissen. Er verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte er irgendwie mit Natsu handeln, dass der seine Einschätzung änderte, von ‚schwach‘ zu ‚recht stark‘ vielleicht.
 

Doch Natsu schien das nicht einmal zu bemerken; er lehnte sich nur zurück und starrte nachdenklich an die Decke, sein Brot unsicher in der Hand balancierend. „Ein Geist hat ein wenig zwei verschiedene Stärken. Da ist einmal, nennen wir es seine Macht, also die Auswirkungen, die er auf das Diesseits haben kann und sowas halt. Und dann ist das seine Körperlichkeit – also wie sehr er bereits im Diesseits ist. Je höher die Körperlichkeit, desto mehr kann er tun, so Dinge bewegen und so. Je mehr Macht, desto stärker kann er Einfluss nehmen. Habt ihr das verstanden?“
 

Lucy nickte und die anderen taten es ihr gleich. Bis jetzt hatte sie der Erklärung gut folgen können. Wer hätte gedacht, dass in Natsu ein kleiner Lehrer steckte?
 

„Okay, dieser Geist war nicht sehr körperlich. Er hat kaum seine Stimme übertragen können und seine Erscheinung war nur vage. Kaum hier. Aber seine Macht…“ Natsu verzog ärgerlich das Gesicht und gestikulierte wild mit seinem Marmeladenbrot. Capricorn sah aus, als wollte er ihn rechtmäßigen, ehe es auf den teuren Teppich fiel, unterließ es dann aber. Vielleicht, um die Erklärung nicht zu unterbrechen, mit der Natsu fortfuhr: „Er hat die ganze Eingangshalle in Schutt und Asche gelegt. Ich will gar nicht wissen, zu was er fähig ist, wenn er komplett übergetreten ist. Das könnte ganz schön ins Auge gehen.“
 

„Und darum wäre es besser, ihn gar nicht so weit kommen zu lassen.“, wies Jude logisch auf und Natsu nickte. „Aber je mehr Macht, desto schwerer ist es, ihn zu vertreiben. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich es überhaupt hinkriegen kann, ihn rauszuwerfen. Und ich hab keinerlei Ausrüstung da.“
 

Er zuckte mit den Schultern und Layla und Jude wechselten Blicke. Capricorn wirkte, als wollte er etwas sagen, doch dann schüttelte er nur den Kopf. Lucy fragte sich, wie sie vor diesem Hintergrund das friedliche Weihnachten haben sollten, das sie sich vorgestellt hatte. Das war jetzt vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber aufzuregen, aber sie war einfach so enttäuscht!
 

„Vielleicht ist es ein Poltergeist.“, sinnierte Natsu, klang aber eher, als sprach er mit sich selbst. Lucy fragte nicht nach, was der Unterschied zwischen einem Gespenst und einem Poltergeist war. „Ich werde sehen, ob ich hier auftreiben kann, was ich für eine Austreibung brauche oder nochmal nach Mangolia muss.“
 

Lucy seufzte ergeben. „Wollen wir mal hoffen, dass der Geist uns in der Zwischenzeit allein lässt und vor allem nicht so blutrünstig ist, wie er klang.“
 

„Er klang sehr danach.“, bemerket Layla und erschauderte sichtbar. In ihre Wangen war noch immer keine Farbe zurückgekehrt. Nicht nur Lucy warf ihr einen besorgten Blick zu, auch Jude wirkte, als wollte er aufstehen, seine Frau in eine Decke wickeln und sie vor allen Gefahren der Welt beschützen.
 

Dann rieb er sich durch das Gesicht. „Ich werde dem Personal freigeben, bis wir die Sache geklärt haben. Damit es zumindest da keine Probleme gibt.“
 

„Gute Idee.“, stimmte Natsu zu und stopfte sich nun endlich den Rest seines Brötchens in den Mund.
 

Capricorn entspannte sich geringfügig als sein Teppich endlich außer Gefahr war, doch so leicht ließ er Natsu nicht davonkommen: „Sagtest du nicht etwas von mehreren Problemen?“ Erneut richteten sich alle Blicke auf den Angesprochenen.
 

„Hm, ja…“, gab dieser nach einem Moment zu. „Es ist so, dass… etwas Dunkles liegt über Heartphilia Manor und sind nicht die Energien des Geistes. Zumindest nicht nur. Da ist noch etwas anderes…“ Natsu runzelte die Stirn und spielte jetzt mit seinem Messer, noch beschmiert mit Marmelade. „Dieser Geist ist noch nie zuvor aufgetaucht, oder?“
 

„Nein.“, antwortete Lucy sofort und Layla hob die Schultern. „Zumindest nicht, solange ich denken kann. Vielleicht wusste meine Großtante etwas über ihn.“
 

„Ich werde die Bücher heraussuchen, sobald ich die Zeit dafür habe.“, erklärte Capricorn sich bereit und beugte sich vor, um Natsu das Messer wegzunehmen. Der schenkte ihm nur einen verwirrten Blick.
 

„Gute Idee!“, stimmte er dann zu und griff nach seinem Laptop, der am unteren Tischende stand. „Und solange werd ich mal sehen, was Cana für uns so auftreiben kann. Wenn es hier auf dem Anwesen mal echte Geistererscheinungen gab, wird sie es herausfinden. Oder irgendetwas anderes.“ Er tippte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch herum, während der kleine Computer hochfuhr, aufgeregt über den neuen, interessanten Fall, der ihm so unverhofft in den Schoß gefallen war. Seine Lippen wurden sogar von einem kleinen Lächeln umspielt.
 

Denn eins war Lucy schon eine Weile klar: Natsu hatte keine Angst, da war nicht einmal das kleinste Fünkchen Furcht zu sehen. Im Gegenteil, er freute sich geradezu auf dieses Rätsel um den Geist, das ihnen das besinnliche Weihnachten verdarb, auf das Lucy sich so gefreut hatte.
 

Verdrossen sank sie tiefer in den Stuhl und fragte sich, wo das noch hinführen würde. Überrascht war sie über seine Reaktion nicht. Warum hatte sie sich ausgerechnet so in diesen Typen verliebt, der so ganz anders war als sie und für den anscheinend schon ein Tag Ruhe zu viel war?
 

Sie zuckte zusammen, als Capricorn abrupt aufstand. Doch er sah weder sie an noch jemand anderen, als er begann, den Tisch abzuräumen und seinen üblichen Pflichten nachzugehen. Verdutzt schaute sie zu, wie er mit sichtbar beherrschten, akkuraten Bewegungen die Teller zusammenräumte und die Reste des Frühstücks auf ein Tablett stellte.
 

Obwohl sein Gesicht unbewegt war, konnte sie an seinem starren Blick und daran, dass er sich standhaft weigerte, mit jemandem Augenkontakt zu halten, sehen, wie sehr ihn die Ereignisse aufgewühlt hatten. Doch die Routine schien ihm zu helfen, sich wieder zu sammeln. Jetzt, da keine Ablenkung mehr da war, schien alle Haltung zusammenzufallen.
 

Das Gleiche galt auch für Jude, der sich neben seiner Frau auf der kleinen Bank niedergelassen hatte. Sie beiden redeten leise miteinander, eng zusammengedrängt und die Hände miteinander verschlungen.
 

Jude wirkte blass und mit jeder Sekunde schien er fahriger und nervöser zu werden. Er wrang die Hände, raufte die Haare, spielte mit einer Serviette und zupfte an seinen Ärmeln und dem Kragen herum, obwohl alles bereits saß. Seine Frisur wirkte durcheinander, was einen seltsamen und vor allem ungewohnten Anblick darstellte. So kannte man ihn gar nicht, selbst Lucy hatte Probleme, dieses Verhalten mit ihrem Vater in Verbindung zu bringen.
 

Erstaunlicherweise war es Layla, die mit den Ereignissen am besten fertig wurde. Ihre Umgebung, zumindest jene, die von ihrer Depression wussten, tendierte dazu, sie wie eine zarte, zerbrechliche Puppe zu behandeln. Lucy wusste, dass sie sich dieses Verhaltens selbst auch schon schuldig gemacht hatte, obwohl sie Mal um Mal zugesehen hatte, wie ihre Mutter sich wieder zurück ans Leben gekämpft hatte.
 

Wir Heartphilia-Frauen sind hart im Nehmen, hatte ihre Großmutter gepflegt zu sagen, eine Frau, die Lucy als winzig und zittrig im Gedächtnis geblieben war, kaum dazu in der Lage, ein Glas zu heben. Wir sind aus ziemlich zähem Stoff gemacht.
 

Damals hatte sie nicht gewusst, was ihre Großmama ihr damit hatte sagen wollen. Denn Lucy hätte keine von ihnen, weder sich noch Layla noch deren Mutter, als ‚hart im Nehmen‘ beschrieben. Layla war Layla, die für immer die Narben selbst zugefügter Wunden an ihren Handgelenken tragen würde, und Lucy selbst hatte sich damals vor Insekten, Mäusen, Schmerzen und abgebrochenen Fingernägeln gefürchtet.
 

Doch jetzt sah sie das alles in einem anderen Licht und vielleicht war ihre Großmutter auf dem richtigen Weg gewesen. Sie blickte auf, als Tamino auf den Tisch sprang und an der Butter schnupperte. „Nein, lass das sein.“, rügte sie ihn und stand auf, um sie ihm wegzunehmen. Wo kam er eigentlich so plötzlich her? „Das ist nichts für dich.“
 

Beleidigt sah er sie an und maunzte. Sein Blick richtete sich begehrlich wieder auf die Butter, dann auf den Rest Milch im Krug und den Schinken, den Capricorn gerade wegnahm. Der Butler schmunzelte fast unmerklich und machte sich dann ein zweites Mal auf den Weg nach draußen.
 

„Du hast schon gegessen.“, klärte Lucy Tamino auf und ihr Kater konnte sich wohl kaum beschweren. Er musste nicht mal Katzenfutter essen, sondern bekam nur echtes Rohfleisch und -fisch in den Napf. „Außerdem hast du dich heute Nacht sicher an diversen Mäusen oder Vögeln gütlich getan, darauf möchte ich wetten.“
 

Tamino starrte sie pikiert an, ließ aber ohne Proteste zu, dass sie ihn auf den Schoß nahm und streichelte. Schnurrend rieb er das Köpfchen an ihrer Hand. Sein Körper war warm und tröstlich und endlich fühlte sie, wie auch der letzte Rest der Todeskälte aus ihren Knochen verschwand. Es gab doch nichts Besseres gegen niederdrückende Gefühle als eine Katze zum Schmusen.
 

„Na endlich!“, verkündete Natsu in diesem Moment und Lucy richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Laptop, dessen Bildschirm sie von ihrem Platz gut sehen konnte. Dort hatte ihr Freund inzwischen Skype geöffnet und loggte sich ein. Er warf einen kurzen Blick in die Runde, während das Programm lud. „Cana wartet sicher schon.“
 

Tatsächlich blickte die Sekretärin von Slayer Investigations ihnen bereits ziemlich unbeeindruckt entgegen, als sie die Verbindung endlich hergestellt hatten. „Ihr habt mich ganz schön lange wa- Hey, ist das Tamino?“, unterbrach Cana sich selbst, ehe sie überhaupt ‚Hallo‘ sagte. Ihr neugieriger Blick war auf den Kater gerichtet, der noch immer auf Lucys Schoß saß und die Fremde auf dem Bildschirm mit gespitzten Ohren anstarrte. „Der ist ja noch niedlicher, als ich mir ihn vorgestellt habe! Ich möchte ihn knuddeln!“
 

„Das geht jetzt nicht.“, grummelte Natsu. „Außer, du hast eine Möglichkeit gefunden, durch einen Bildschirm zu greifen.“
 

„Du kannst mich mal besuchen kommen, wenn wir wieder in Magnolia sind.“, bot Lucy an und Cana grinste. „Das musst du mir nicht zweimal sagen! Wir können-“
 

Sie wurde unterbrochen, als Natsu beleidigt die Arme verschränkte und erklärte: „Jaja, ignorier deinen Boss einfach.“
 

„-zusammen brunchen gehen.“, redete Cana ungerührt weiter. Sie grinste über das ganze Gesicht, heute nur leicht geschminkt, dafür mit einem tiefroten Lippenstift, der alle Blicke auf sich zog. Dazu trug sie einen enganliegenden Rollkragenpullover in Türkisblau, über den sich ihre dunkelbraunen Locken ringelten.
 

Jude zog eine Augenbraue hoch – keiner seiner Angestellten hätte je gewagt, so mit ihm zu umzugehen und er hätte es auch niemals zugelassen. Disziplin und Respekt waren für ihn das A und O im Geschäftsleben. Doch glücklicherweise sagte er nichts dazu. Vielleicht hatte er längst erkannt, dass Natsu nicht nur der unkonventionelle Typ war, sondern mit ähnlich freien Geistern arbeiten musste, um sein volles Potential ausschöpfen zu können.
 

„Können wir“, stimmte Lucy schmunzelnd zu „aber erst haben wir hier ein kleines Problem zu lösen.“
 

Cana stützte das Kinn auf die Hand. „Ach ja, das gibt es ja auch noch. Wo brennt’s?“ Sie klang äußerst unzufrieden damit, von so etwas Unwichtigem wie Arbeit dabei unterbrochen zu werden, einen Katzen-Knuddel-Termin auszumachen.
 

„Gestern Nacht ist hier eine ziemlich merkwürde Erscheinung aufgetaucht.“, erklärte Natsu, jetzt professionell. Er schilderte kurz die Ereignisse und schloss mit: „Ich tippe auf einen Poltergeist, aber das war irgendwie sein Debüt – hier weiß niemand etwas von überirdischen Erscheinungen.“
 

„Und ich soll herausfinden, ob es doch welche gibt?“, brachte Cana die Sache auf den Punkt und nickte. Sie hatte sich nebenher eifrig Notizen auf einem Block gemacht. Oder vielleicht hatte sie auch nur darauf herumgekritzelt, das Papier war über das Video nicht zu erkennen. Da sie aber so oder so Ergebnisse lieferte, war Lucy das herzlich egal. „Kann aber etwas dauern, ich sitz hier gerade noch an einem anderen Job.“
 

Natsu kratzte sich an der Stirn. „Anderer Job. Du willst mir doch nicht erzählen, dass Romeo und Gray so viel bei dieser kleinen Überwachung ausgraben.“
 

Cana rollte die Augen. „Blödsinn. Romeo macht das jetzt allein, der freut sich wie ein Schneekönig darüber und das ist so ein langweiliger Scheiß.“ Sie griente bei der Erinnerung. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf den Bildschirm und ihr Grinsen wurde breiter. „Aber kaum warst du vorgestern weg, ist hier eine verirrte Gothicprinzessin durch die Tür gewandert und nimmt jetzt Gray in Beschlag.“ Sie kicherte.
 

„Gothicprinzessin.“, wiederholte Natsu ungläubig und auch Lucy zog eine Augenbraue hoch. „Klingt … aufregend.“
 

Cana zuckte mit den Schultern, aber schaffte es, sich nicht das Grinsen vom Gesicht zu halten. „Superblass und zart, ganz in Schwarz und mit Korsett und allem. Ich dachte erst, ein Vampir hätte sich verlaufen, aber es war helllichter Tag und die Sonne war draußen.“ Dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung. „Egal. Geister in Heartphilia Manor also.“
 

„Wir haben noch die Notizbücher.“, warf Capricorn von der Seite ein. Lucy zuckte zusammen; sie hatte gar nicht mitgekriegt, dass er zurückgekommen war. „Vielleicht bieten sie ein paar Anhaltspunkte.“
 

„Warum hat mir niemand gesagt, dass ich noch mehr Publikum habe als euch zwei Banausen?“, beschwerte sich Cana sofort, die jetzt aufrecht in ihrem Stuhl saß und sich umsah, als könnte sie dadurch den Sprecher erkennen. „Und wer ist das überhaupt?“
 

Lucy lächelte entschuldigend und erklärte: „Nur meine Eltern und unser Butler.“
 

„Butler?“, wiederholte Cana verdutzt und zog beide Augenbrauen hoch. Dann beugte sie sich mit einem breiten Grinsen vor. „Sag mal, Lucy, bist du in einem Schloss aufgewachsen oder was?“
 

„Nein.“, antwortete sie, während Natsu im gleichen Moment erklärte: „Ja, absolut!“
 

Cana griente, Layla schmunzelte und Jude stützte den Kopf in die Hände, als fragte er sich Wohin soll das denn führen? Lucy schmollte, doch sie wurde rasch wieder ernst. „Können wir uns um die wichtigen Dinge kümmern?“
 

„Wie etwa dein Schloss von einem Geist befreien?“, zog Cana sie auf und grinste breit.
 

Lucy rollte mit den Augen. „Es ist kein Schloss.“ Es war nur ziemlich groß. Und hatte nur kleine Türmchen. Und einen gigantischen Garten, den manch einer als ‚Park‘ bezeichnen würde. Aber ein Schloss war es nicht, verdammt noch mal! Aber alles, was sie zu ihrer Verteidigung vorbringen konnte, war recht schwach…
 

„Wie auch immer.“, schob Jude das Thema vom Tisch und erhob sich, um sich hinter Lucy zu platzieren. Sie konnte ihn von ihrem Platz nicht sehen, aber sie konnte sich denken, wie er dort stand; der Rücken gerade, die Hände dahinter verschränkt, sein strenger Blick auf den Bildschirm gerichtet. Von seiner Beunruhigung war ganz sicher nichts mehr zu sehen.
 

Canas Augen weiteten sich, als sie zu ihm aufblickte und ihr Gesichtsausdruck änderte sich innerhalb der drei Sekunden etwa zehn Mal, was es unmöglich machte, ihn zu bestimmen. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Lucy. „Hey, Süße.“, begann sie langsam. „Irgendwie habe ich es zwar gewusst, aber es nie so richtig verknüpft, dass dein Vater eine Fortune 5oo Firma leitet, die immer ganz oben dabei ist. Was geht, Sir?“
 

Lucy schmunzelte und ihr Vater zog skeptisch eine Augenbraue hoch ob der lapidaren Ansprache. Aber heute schien er tatsächlich sehr lax eingestellt zu sein, denn er hielt auch Cana keinen Vortrag über Höflichkeit.
 

„Warum nennst du mich nie ‚Sir‘?“, beschwerte Natsu sich sofort und schmollte. Cana schenkte ihm einen Blick und zuckte mit den Schultern, als wüsste sie nicht, von was er sprach.
 

„Sie können uns also helfen herauszufinden, was hier vor sich geht?“, brachte Jude das Gespräch wieder auf das wichtige Thema zurück. Anscheinend hatte er beschlossen, Canas respektlose Art zu ignorieren und geschäftlich zu bleiben. Lucy war ihm dankbar dafür – er konnte ziemlich verbohrt sein, aber Cana war niemand, der einfach so klein beigab. Und irgendwie konnte sie sich die kesse Sekretärin auch nicht anders vorstellen. Sie war einfach eine Persönlichkeit.
 

Doch riss sie sich sichtbar zusammen und nickte. „Ich werde tun, was ich kann, aber ich kann nichts versprechen. Wir werden sehen, was die Suche ergibt. Wobei ich ziemlich gut bin in dem, was ich tue.“ Sie grinste selbstbewusst. „Neben meiner Bescheidenheit eines meiner herausragendsten Talente.“
 

Natsu nickte und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Wir werden in der Zwischenzeit sehen, was diese Notizbücher ergeben.“
 

Er blickte zu Capricorn hinüber, der zustimmend nickte. „Ich werde mich sofort darum kümmern.“, versprach er. „Es sollte nicht allzu lange dauern, die Notizbücher zu finden.“
 

„Gut, ich-“ Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach Cana, die sich erstaunt umblickte. Doch das Geräusch kam nicht von ihrer Seite und Capricorn durchmaß den Raum bereits mit langen Schritten, um die Tür zu öffnen. „Ja, bitte?“
 

Draußen stand der Stallmeister, ein kleiner, drahtiger Mann mit schlohweißem Haar und wettergegerbtem Gesicht, das selbst im Winter eine kräftige Farbe hatte. Er wirkte stets ein wenig ruppig, aber tatsächlich hatte er immer ein Lächeln oder ein freundliches Wort übrig und er war phantastisch mit Pferden.
 

Doch jetzt war er kalkweiß im Gesicht, seine Augen so weit, dass man das Weiße um die Iris sehen konnte, und seine Hände kneteten nervös den Beanie, den Lucy ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sein straßenköterblondes Haar war noch wirrer als sonst und die Furchen in seinem Gesicht wirkten tiefer, als sie es gewohnt war.
 

„Hannigan?“, entfuhr es Jude verdutzt, selbst er wirkte völlig überrascht über das Auftauchen des Mannes – oder besser sein Auftreten.
 

Dessen Augen richteten sich sofort auf ihn. „Sir!“, rief er und seiner ansonsten so ruhigen Stimme war anzuhören, wie aufgewühlt er war. „Es ist etwas Fürchterliches passiert!“
 

Jude blinzelte verwirrt, doch er fasste sich rasch und trat zu dem Stallmeister. „Etwas Fürchterliches? Worum geht es?“
 

„Ich bin heute Morgen ganz normal in die Ställe, um nach den Pferden zu sehen, sie waren in der Nacht so unruhig und sind es jetzt immer noch und-“ Hannigan unterbrach sich und erschauderte sichtlich. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte…“ Seine Stimme verklang verwirrt und er starrte verloren auf den Boden.
 

Dann blickte er abrupt wieder auf. „Aber es ist fürchterlich und ich kann nicht-!“
 

„Beruhige dich erst einmal, Hannigan.“, mische Layla sich ein und trat zu ihm, um ihn beruhigend die Hand auf den Arm zu legen und ihn zu dem nächsten Stuhl zu führen. „Bitte setz dich. Capricorn, kannst du…?“
 

„Natürlich.“, bestätigte der Butler sofort und machte Anstalten, zum Alkoholkabinett hinüberzugehen.
 

Doch der Stallmeister schüttelte ihre Hand ab. „Nein, dazu ist jetzt keine Zeit. Sie sollten sich das selbst ansehen, Sir, ich kann es nicht beschreiben.“
 

„Aber…“, versuchte Layla es erneut, doch Jude nickte, die Sache resolut in die Hand nehmend. „Also gut, geh voraus.“
 

Lucy wechselte einen Blick mit Natsu. Zwei außergewöhnliche Ereignisse in einer Nacht? Das war ein sehr seltsamer Zufall… Und sie hatte gelernt, Zufällen nicht zu vertrauen.
 

Also sprang sie auf und machte Anstalten, ebenfalls zur Tür zuzustreben. Anscheinend war sie nicht die einzige, die auf diese Idee gekommen war, denn alle anderen bis auf Capricorn folgten ihrem Beispiel.
 

Hannigan, der den Raum schon halb verlassen hatte, hielt inne. „I-ich weiß nicht, das ist kein Anblick für Sie, Ma’am, Miss Lucy.“
 

„Glaub mir, mich kann so leicht nichts mehr schocken.“, wischte Lucy den Einwand beiseite. Sie hatte nackte Trolle gesehen, war über eine Müllhalde voller Knochen geklettert und hatte miterlebt, wie ein Höherer Dämon versucht hatte, in ihre Welt einzudringen. Was auch immer Hannigan im Stall gefunden hatte, konnte nicht so schlimm sein.
 

Doch Jude wirkte nicht überzeugt. „Du solltest trotzdem hierbleiben.“, meinte er. „Und du auch, Layla, du musst dir das nicht antun. Es reicht vollkommen, wenn ich mich darum kümmere.“
 

Seine Frau runzelte die Stirn und kniff starrköpfig die Lippen zusammen. Für einen Moment wirkte sie, als wollte sie heftig widersprechen. Doch dann lockerte sich ihre Miene wieder und sie nickte. „Also gut, wenn du dich dadurch besser fühlst.“
 

Jude nickte und sein Blick wanderte zu Lucy, abwartend.
 

Doch sie verschränkte widerborstig die Arme vor der Brust. „Ich bleibe nicht hier.“, erklärte sie fest. Sie konnte sehen, wie ihr Vater nach den richtigen Worten suchte, um sie doch umzustimmen. Es war ja süß, wie er versuchte, sie zu beschützen, aber dazu war es längst zu spät.
 

„Lucy kann das ab.“, kam Natsu ihr zur Hilfe und sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Dann blickte sie zu ihrem Vater auf. „Ich glaube, ich kann das ganz gut selbst einschätzen. Vielleicht besser als du.“, fügte sie vielsagend hinzu und er sank in sich zusammen, wohl wissend, worauf sie anspielte.
 

„Also gut…“, gab er zögerlich nach und wandte sich dann wieder zu dem Stallmeister um, der den Wortwechsel mit großen Augen mitverfolgt hatte. „Geh voraus, Hannigan.“ Dieser warf ihm einen zweifelnden Blick zu, sagte aber nichts mehr, sondern folgte der Anweisung.
 

„Was ist los?“, wollte Cana wissen; sie klang aufgeregt, aber gleichzeitig auch verärgert, dass sie nichts tun konnte. „Ist was passiert?“
 

Natsu bückte sich hastig, damit sie sein Gesicht sehen konnte. „Das wissen wir noch nicht. Bleib dran, vielleicht hängt das alles zusammen. Hier, rede mit Lucys Mutter.“ Damit schob er diese auf den Stuhl, von dem sie den besten Blick auf den Bildschirm hatte. „Cana, das ist Layla. Layla, Cana. Sie weiß ziemlich viel über ziemlich alles, du kannst ihr also jede Frage stellen. Viel Spaß zusammen!“
 

Damit schloss er sich Lucy an, die ungeduldig im Türrahmen auf ihn gewartet hatte, und sie stürzten den Gang entlang, den Jude und Hannigan bereits zur Hälfte hinter sich gebracht hatten. Er brachte sie auf dem schnellsten Wege zum Hinterausgang, wo sie in bereitstehende Gummistiefel schlüpften.
 

Sie hielten sich nicht mit Jacken auf, sondern folgten Hannigan hastig durch den verschneiten Park zu den Ställen hinüber, die mit einem großen Schuppen und der Garage für Kutschen ein eigenes Geviert bildeten. Von außen wirkten sie so alt wie das Gebäude, doch innen hatte Jude sie auf den modernsten Stand bringen lassen.
 

Anders als Lucy angenommen hatte, führte Hannigan sie nicht zu den eigentlichen Ställen, sondern auf direktem Wege zu dem langgezogenen Haus hinüber, das eher als Verwaltungsgebäude diente. Tatsächlich wurde nicht einmal die Hälfte davon von Pferdeboxen eingenommen, dazu die Sattelkammer. Im anderen Teil des Gebäudes befanden sich die kleine Wohnung, die der Stallmeister bewohnte, sowie ein paar Büroräume und dergleichen.
 

In der Regel war der Stall dort allerdings leer und diente dafür, um Tiere aus der Herde zu entfernen, sollte das nötig sein. Als Lucy noch leidenschaftlich gern geritten war, hatte sie immer gewusst, wo welches Pferd gestanden hatte, und ob es irgendwelche Neuzugänge gegeben hatte. Inzwischen hatte sie dieses Hobby stark zurückschrauben müssen und konnte ihm nur noch nachgehen, wenn sie in Heartphilia Manor weilte.
 

„Ist etwas mit Sultan?“, wollte Jude wissen und Hannigans Schultern versteiften sich.
 

„Sie müssen sich das selbst ansehen.“, lenkte er ab, während Natsu Lucy einen fragenden Blick zuwarf. „Sultan?“
 

„Der neue Zuchthengst.“, antwortete diese, wobei sie das edle Tier, ein echtes Dragnofer Purebred, noch nicht gesehen hatte.
 

„Aha.“, antwortete ihr Freund, wobei sie seiner Stimme anhören konnte, dass das für ihn keine Bedeutung hatte. Vermutlich hätte sie hinzufügen müssen, dass ein solches Pferd mit einer guten Abstammung zwischen zwanzig- und fünfzigtausend Jewel gehandelt wurde und damit mehr wert war als sein geliebtes Auto.
 

Doch dazu fehlte jetzt die Zeit, denn sie hatten bereits die offene Stalltür erreicht, vor der Hannigans zwei Helfer warteten, ein junger Mann, der mit Pferden aufgewachsen war, und eine Frau Anfang Dreißig, der so leicht niemand etwas vormachte. Auch sie waren blass, einer von ihnen zitterte sogar wie Espenlaub, der andere weinte.
 

Lucy wurde es nun doch unwohl zumute. Was war geschehen, dass ausgerechnet diese drei resoluten, standhaften Leute so emotional reagierten?
 

Jude hielt sich jedoch nicht mit den beiden auf, sondern folgte Hannigan in den offenen, freundlichen Raum. Die Wände waren geweißelt, die Boxentüren und die Streben und Säulen aus hellem Holz gearbeitet. Durch die langen Scheiben in der Decke fiel helles Licht, ebenso durch die Fenster, die die Hälfte der Türen einnahmen, die in jeder Box in der Stallrückwand eingelassen waren. Dort konnte man die Tiere im Sommer hinaus in einen kleinen, abgesperrten Bereich lassen, wenn es möglich war.
 

Es gab nur acht Boxen hier, je vier auf jeder Seite, und nur eine davon war belegt. Doch statt des vertrauten Geruchs nach Pferd und Heu schlug ihnen der süßlich-metallische Gestank von Blut entgegen. Lucy würgte und schlug sich die Hand vor den Mund. Was war geschehen?!
 

Die Antwort bekam sie schneller, als ihr lieb war, und sie fragte sich, ob sie doch bei Cana und Layla hätte bleiben sollen. Doch jetzt war es zu spät dafür, schoss es ihr durch den Kopf, während sie mit weit aufgerissenen Augen versuchte, die grausame Szene zu erfassen, die sich ihr bot.
 

Ein einzelnes Pferdebein lag in der Stallgasse, aus dem noch der Knochen ragte. Eine Blutlache hatte sich darum ausgebreitet, teilweise schon zu rostigem Rot getrocknet. Weiteres Blut bedeckte die Wände und den Boden und selbst Teile der Decke; es war meterweit gespritzt.
 

Die Tür von Sultans Box stand sperrangelweit offen und gab den Blick frei auf … etwas, das kaum mehr als Pferd zu identifizieren war. Es war nur noch eine Masse rohen Fleisches, die teilweise bedeckt war von Flecken dunklen Fells und aus der blanke Knochen ragten, gesplittert und scharfkantig. Gedärm, abgerissene Körperteile und herausgerissene Brocken Fleisch waren in der ganze Box verteilt und teilweise auch darüber hinaus.
 

Blut tränkte die Einstreu und das Heu, das quer über die Stallgasse verteilt war. Die Hufeisen waren fein säuberlich über die Boxentür gehängt worden, alle exakt im gleichen Abstand. Lucy starrte sie für einen Moment verwirrt an und fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte.
 

Eine Heugabel steckte tief in den Resten des Kadavers und auf dem Stiel steckte wie eine makabre Verzierung der Kopf des Pferdes. Die lange Zunge hing aus dem geöffneten Maul heraus, die gebrochenen Augen waren weit aufgerissen vor Angst und Blut verklebte das dunkle Fell.
 

„Oh mein Gott.“, entfuhr es Lucy und am liebsten hätte sie sich übergeben. Stattdessen schrie sie erschrocken auf, als etwas zwischen ihren Beinen hindurchglitt. Doch es war nur Tamino. Hastig bückte sie sich und fing den Kater ein. Das hätte gerade noch gefehlt, wenn er durch das Blut gelaufen oder noch schlimmer, sich über den Kadaver hergemacht hätte.
 

„Manchmal wünschte ich, du würdest auf mich hören, Lucy.“, belehrte Jude sie und spähte besorgt auf sie hinunter.
 

Doch sie schüttelte eigensinnig den Kopf und drückte ihren Kater enger an sich. Seltsamerweise wehrte er sich nicht, sondern schnurrte nur und rieb seine Stirn an der weichen Haut unter ihrem Kinn. Es half ihr, sich zu sammeln.
 

Natürlich war diese … diese Schlachtung kein angenehmer Anblick, doch sie musste es mit eigenen Augen sehen. Obwohl eine Schlachtung vermutlich sehr viel humaner gewesen wäre und ganz sicher keine solche Schweinerei hinterlassen hätte…
 

Aber wenn Jude wirklich glaubte, dass es hier mit rechten Dingen zuging, dann hatte er sich geschnitten. War es einem Geist möglich, so etwas anzurichten? Nach dem, was Natsu vorhin erzählt hatte, zumindest nicht dem, den sie in der letzten Nacht gesehen hatten. Kam es vor, dass mehrere Gespenster an der gleichen Stelle spukten?
 

Sie blickte sich nach ihrem Freund um, eine entsprechende Frage auf den Lippen, doch Natsu war näher an die Szene herangetreten und betrachtete alles mit schiefgelegtem Kopf. Als wäre es ein besonders interessantes Ergebnis eines wissenschaftlichen Experiments und nicht so widerlich, dass sie sich am liebsten übergeben hätte. Ganz zu schweigen davon, dass es sich um sinnlose Grausamkeit gegenüber einem unschuldigen Tier handelte.
 

„Hey, gehen Sie nicht so nah ran.“, verlangte Hannigan aufgebracht, die Augenbrauen zornig zusammengezogen und der Mund verkniffen. „Was glauben Sie eigentlich, was Sie da tun!“
 

Überrascht blickte Natsu auf. Über sein Gesicht huschte für einen Moment ein verwirrter Ausdruck. „Ich schaue mir die Sachlage an. Ich meine… Das Pferd ist nicht von allein explodiert.“
 

Der Stallmeister sah aus, als würde er gleich einen Wutanfall kriegen – oder in Tränen ausbrechen. Doch Jude trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Lass ihn, er hat mit solchen Sachen mehr Erfahrung als wir.“ Damit führte er ihn auf die Seite, während Natsu sich schulterzuckend wieder dem Tatort zuwandte und sein Handy aus der Tasche zog.
 

„Hast du schon dem Sheriff Bescheid geben?“, lenkte Jude Hannigans Aufmerksamkeit noch weiter ab.
 

Der brauchte einen Moment, um sich zu fangen, dann schüttelte er abgehakt den Kopf. „Ich bin direkt zu Ihnen gekommen.“
 

„Gut, ich werde mich selbst darum kümmern. Bis dahin sollten wir es unberührt lassen.“ Jude warf einen kurzen Blick auf den Kadaver, ehe er sich rasch wieder abwandte. „Ich kann mir nicht vorstellen, was für ein Tier dies angerichtet haben könnte. Und das auch noch, ohne dass jemand es bemerkt hat. Aber gleichzeitig wüsste ich auch nicht, wie ein Mensch das bewerkstelligt haben sollte.“
 

Er rieb sich das Gesicht und wechselte einen Blick mit Lucy, die hilflos mit den Schultern zuckte. Natürlich war ihrem Vater nicht entgangen, dass es keine einfache Erklärung für diesen Vorfall gab. Vielleicht nicht einmal eine, die ohne das Übernatürliche auskam.
 

Hannigan jedoch bekam davon nichts mit; er nickte. „Ich werde die Heizung ausstellen, damit es nicht noch mehr anfängt zu stinken.“
 

„Was ist mit den anderen Pferden?“, schaltete Natsu sich aus Sultans Nachbarbox ein, von wo aus er auf das Blutbad hinunterblickte.
 

„Mit ihnen ist alles okay. Was soll schon sein?“, grantelte Hannigan; anscheinend hatte er Natsu gefressen. Vermutlich betrachtete er es als Affront, wie sorglos dieser mit der Ermordung Sultans umging und dann auch noch sensationslüstern Fotos machte.
 

Doch der schien das nicht einmal zu bemerken, denn er nickte nachdenklich und kam endlich zurück. „Wollen wir hoffen, dass es auch so bleibt.“
 

„Was soll das heißen?!“, entfuhr es dem Stallmeister heftig, der jetzt auch noch seine anderen Schützlinge in Gefahr sah.
 

„Dass wir nicht wissen, was hier vor sich geht, und wir uns darum kümmern werden, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“, beruhigte Lucy ihn und drehte ihn um, so dass er mit dem Rücken zum Kadaver stand. Das war gar nicht so einfach, da sie noch immer Tamino im Arm hielt, doch irgendwie schaffte sie es.
 

Sie schenkte Hannigan das beste Lächeln, das sie in dieser Situation zustande brachte, und versuchte, so beruhigend wie möglich zu klingen, als sie weitersprach: „Natsu ist da echt der Beste für diese Situation. Er war mal Polizist.“
 

Das zumindest schien Hannigan ein wenig zu beruhigen und er ließ sich von ihr nach draußen bugsieren, wo er sich seinen noch immer wartenden Untergebenen anschloss. „Könnt ihr euch um die anderen Pferde kümmern?“, schlug Lucy vor und Jude nickte bestätigend. „Ich werde sofort Sheriff Sands benachrichtigen. Überlasst den Rest uns.“
 

Für einen Moment wechselten die drei nur unentschlossene Blicke. „Also gut, Sir.“, antwortete Hannigan schließlich und seine Mitarbeiter nickten zögerlich. Dann eilten sie über den Hof zu dem nächsten Stalltor hinüber, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Vermutlich waren sie froh, sich wieder den vertrauten Arbeiten widmen zu können um zu versuchen, den grausigen Anblick des abgeschlachteten Pferdes aus dem Gedächtnis zu löschen.
 

„Und?“, wollte Lucy sofort von Natsu wissen, als sie sicher sein konnte, dass die drei außer Hörweite waren. „Denkst du, das hat etwas mit dem Geist zu tun?“ Auch Jude wirkte äußerst interessiert an der Antwort.
 

Doch Natsu zuckte nur mit den Schultern; er wirkte noch immer abgelenkt. „Wenn, dann nicht direkt. Er konnte sich ja noch nicht mal richtig manifestieren. Unmöglich, dass er einen echten körperlichen Einfluss hatte und schon gar keinen, der ein Pferd derartig in seine Einzelteile zerlegt. Und…“ Er unterbrach sich und warf einen besorgten Blick zum Haus zurück.
 

Es sah aus wie immer, doch Lucy konnte nicht den Schauer unterdrücken, der ihr über den Rücken rann und sie erinnerte sich an seine Worte bei seiner Ankunft. Irgendetwas Dunkles hängt über dem Anwesen. Heute morgen hatte sie noch angenommen, dass es sich dabei um die plötzliche Präsenz des Geistes gehandelt hatte. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
 

Natsu hatte anscheinend den gleichen Gedanken gehabt, denn er schüttelte den Kopf und erklärte: „Hier geht sehr viel mehr vor, als wir jetzt sehen können, und ich bin mir nicht sicher, ob wir alleine damit fertig werden können.“

Reluctant Help

Layla hob den Blick von dem Computerbildschirm, als sie das Frühstückszimmer betraten. Etwas musste sich auf ihren Gesichtern abzeichnen, denn das milde Lächeln, das bis dahin ihre Lippen geziert hatte, verschwand mit einem Schlag und machte einem besorgten Ausdruck Platz.
 

Doch statt sie mit Fragen zu überfallen, hob sie nur die Brauen, einen wachsamen Ausdruck in den Augen, während sie sich von dem Stuhl erhob. Cana kannte solch vornehme Zurückhaltung jedoch nicht, sondern verlangte sofort zu wissen: „Was zum Teufel ist passiert?“ Dabei konnte sie sie noch nicht einmal sehen, der Bildschirm und die dazugehörige Kamera waren noch immer zur Fensterfront ausgerichtet.
 

„Irgendwas hat ein Pferd auseinandergenommen“, erklärte Natsu ohne Umschweife. Und auch ohne irgendwelche diplomatischen Umschreibungen, die ein weniger klares Bild davon ließen, was geschehen war. „Sieht aus wie ein Schlachthaus, in dem ein Irrer losgelassen worden ist.“ Mit langen Schritten trat er um den Tisch herum, um seine Sekretärin sehen zu können.
 

Lucy folgte ihm langsamer und wünschte sich, sie hätte einen weniger deutlichen Freund mit etwas mehr Feingefühl. Ihr war schlecht und ihre Gedanken zuckten immer wieder zu dem grauenerregenden Anblick zurück, den der tote Sultan geboten hatte, egal, wie sehr sie versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Man konnte wohl nicht alles haben.
 

„Wie, auseinandergenommen?“, wiederholte Cana verwirrt und anstatt etwas zu beschreiben, zückte Natsu sein Handy und fummelte zwei Sekunden damit herum, ehe er es vor die Kamera hielt. Lucy konnte sich denken, was genau er da zeigte. Sehr rücksichtsvoll, Herr Meisterdetektiv!
 

Cana würgte laut und selbst über das Mikrophon deutlich hörbar. „Danke, ich habe gerade gegessen, du Arsch“, maulte sie dann los und Lucy bekam gerade noch mit, wie sie ein süßes Stückchen auf einem Teller zur Seite schob. „Eine einfache Beschreibung hätte auch gereicht!“
 

Natsu zuckte nur mit den Schultern. „Du hast gefragt.“ Als Antwort zeigte sie ihm den Mittelfinger, ihr Blick verdrossen.
 

„Lucy?“, wollte nun auch Layla wissen, ihre Stimme war ruhig, doch in ihrem Unterton schwangen Sorge und Beunruhigung mit. Sie sah von ihrer Tochter hinüber zu ihrem Mann, der nur hilflos und bleich um die Nase mit den Schultern zuckte, und dann wieder zurück.
 

Die Angesprochene blickte sie einen Moment an, dann seufzte sie schwer und stellte Tamino auf den Tisch, ehe sie sich auf einen Stuhl fallen ließ. Der Kater blickte auf sie hinunter und maunzte fragend, ehe er sich setzte und den Schwanz über die Vorderpfoten drapierte, so dass er aussah wie eine dieser eleganten Statuen.
 

„Es war grausig“, erklärte sie, während sie ihren Kater anstarrte in der Hoffnung, er würde ihr irgendwie helfen, die Gedanken von den Erinnerungen zu lösen. Stattdessen erwiderte er ihren Blick aus stechenden, bernsteinfarbenen Augen, in deren Tiefen ein sonderbares Licht zu glimmen schien.
 

Lucy schüttelte sich und konzentrierte sich wieder auf die Frage – oder eher die Wirklichkeit dahinter, der sie sowieso nicht auswichen konnte. Sie hatte es sich selbst ausgesucht, mit Jude und Natsu zu gehen um zu sehen, was vorgefallen war. Jetzt musste sie damit leben, dass sie es auch gesehen hatte. Aber was waren schon ein paar Albträume mehr?
 

„Jemand – oder besser: etwas hat Sultan völlig zerfleischt. Und dann seinen Kopf aufgespießt. Überall war Blut. Und Gedärme und…“ Sie verstummte hastig, als Laylas Augen groß und ihr Gesicht blass wurden. Vielleicht hätte sie nicht so deutlich sein sollen, aber die Worte waren einfach aus ihr herausgeplatzt. Der Blick ihrer Mutter wanderte hilfesuchend zu Jude hinüber.
 

„Mach dir keine Sorgen, Liebes“, versicherte dieser ihr automatisch, bereits sein Handy in der Hand. Doch seine Stimme war angespannt und rau und man konnte ihm ansehen, wie sehr ihn alles mitnahm. Der Ekel und das Entsetzen machten auch vor ihm nicht Halt.
 

Doch trotzdem wirkte er ruhiger als zuvor. Vielleicht, weil er sich mit jeder Minute wieder besser unter Kontrolle hatte und Selbstbeherrschung war eine seiner Stärken. Vielleicht, weil ein zerfetzter Kadaver zwar widerlich war, aber trotzdem etwas Reales, etwas Echtes, Greifbares. Oder vielleicht auch nur, weil er jetzt etwas zu tun hatte, dass nur indirekt etwas mit Magie und dem Übernatürlichen zu tun hatte – nämlich die Polizei rufen.
 

Für einen Moment nahm er sanft die Hand seiner Frau in seine viel größere und drückte sie. „Wir werden der Sache auf den Grund gehen“, versprach er. „Ich werde Sheriff Sands anrufen, damit er sich das anschauen kann. Und bis dahin…“ Er zuckte mit den Schultern, eine Geste, bei der seine Unsicherheit wieder durchblitzte. Sie wirkte seltsam an ihm; ihm, der sonst immer einen Plan hatte. „Wir werden schon-“
 

„War es der Geist?“, fiel Cana ihm ungeniert ins Wort. „Wobei es vorhin nicht so klang, als wäre er stark genug dafür.“ Sie rieb sich nachdenklich das Kinn, die Brauen zusammengezogen. „Aber zwei übernatürliche Vorfälle an einem Ort? Das wäre doch arg … seltsam.“
 

„Du hast recht, aber im Moment denke ich, dass es genau das ist“, erklärte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Er wirkte angespannt, etwas, das Lucy selten an ihm zu sehen kam. Normalerweise ließ er sich seine gute Laune nicht so einfach verderben. „Zwei Kreaturen… Oder noch mehr.“
 

Das brachte ihm die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ein. Selbst Tamino starrte aus durchdringenden Augen zu ihm hoch und wirkte überrascht dabei. Lucy schüttelte den Kopf und versuchte, ihr Unbehagen unter Kontrolle zu bringen.
 

„Noch mehr?“, wiederholte Jude zweifelnd, die Augenbrauen hochgezogen. Layla sagte gar nichts.
 

„Ja, Natsu, das ist doch … eher unwahrscheinlich“, fügte auch Cana skeptisch hinzu.
 

„Hast du eine bessere Erklärung?“, fragte Natsu patzig zurück. „Vielleicht werden sie irgendwie gerufen oder so, was weiß ich? Auf jeden Fall kann der Geist nichts mit dem toten Pferd zu tun haben, das ist nun einmal so!“
 

Für einen Moment herrschte Stille im Raum und Lucy fühlte, wie ein Schauer langsam ihren Rücken hinunterkroch. Wie eine bedrohliche Gegenwart, die hinter ihr aufgetaucht war. Sie konnte sich gerade noch halten, bevor sie sich nach Nichts umsah. Das konnte ja wohl nichts Gutes bedeuten!
 

„Oh! Spannend!“, rief Cana aus und klang dabei fast gutgelaunt. Aber nur fast, da waren besorgte Linien um ihre Augen und ein angespannter Zug um ihren Mund, der zeigte, dass sie die Angelegenheit ganz und gar nicht auf die leichte Schulter nahm. „Zwei Bösewichte auf einmal und ein Rätsel!“
 

„Mir wäre es wohler, wenn da überhaupt keiner wäre“, bemerkte Layla spitz und Jude straffte die Schultern. „Das ist jetzt genug.“ Er nahm das Telefon aus der Halterung und tippte energisch die Nummer ein. Einen Moment später verlangte er bestimmt nach dem Sheriff.
 

„Oh…“, machte Cana und lächelte entschuldigend, den Kopf schuldbewusst zwischen die Schultern gezogen. „So habe ich das nicht gemeint! Ich wollte dich nicht erschrecken, Mrs. Layla.“
 

„Keine Sorge, Mama!“, versicherte Lucy ihrer Mutter rasch. Mrs. Layla? Wo kam das denn her? „Wir haben Natsu hier und finden im Nullkommanichts heraus, was es mit all dem auf sich hat!“
 

„So einfach wird das auch wieder nicht“, fiel Natsu ihr in den Rücken, so dass sie ihm über Laylas Kopf hinweg einen bösen Blick zuwarf. Hätte er nicht einfach mitspielen können? Es ging hier darum, ihre Mutter zu beruhigen! Oder vielleicht auch, dass sie sich selbst nicht zu sehr aufregte und in Panik verfiel…
 

Doch er bemerkte das nicht einmal, sondern spielte schon wieder mit seinem Handy herum. Anscheinend dachte er schon über den nächsten oder vielleicht den übernächsten Schritt nach. „Ich ruf mal Gray an, vielleicht kann er uns unter die Arme greifen. Und-“
 

„Gray ist beschäftigt“, warf Cana von der Seite ein und wackelte grinsend mit den Augenbrauen auf eine Art, die keinen Zweifel daran ließ, was das für eine Anspielung war. „Wenn ihr versteht, was ich meine.“ Aber hatte so eine Leben-und-Tod-Situation nicht Vorrang zu einer … einer … einer Liebelei?!
 

Natsu starrte Cana einen Moment sprachlos an. Dann blinzelte er ein paar Mal heftig, ehe er fragte: „Meinst du das ernst…?“ Er unterbrach sich selbst mit einem Lachen und wische die Bemerkung mit einem: „Das bezweifle ich stark.“ leichthin beiseite. „Der ist so kalt, der würde nicht mal-“
 

„Wie bitte?“, übertönte Judes entsetzte Stimme seine Worte und sie blickten alle zu dem Hausherrn hinüber, der er mitten in der Bewegung erstarrt war. Seine Hand hatte sich so fest um das Telefon geschlossen, dass man denken könnte, er wollte das Gerät zerquetschen. Sein Gesicht war noch blasser als vorher, seine Augen geschockt geweitet.
 

Einen Moment später erfuhren sie auch, was ihn so aufwühlte: „Eine Massenkarambolage?!“
 

Lucy öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch nichts drang über ihre Lippen. Das war zu irrwitzig. Nach allem, was geschehen war, nun auch noch so etwas? Das war doch… Das war… zu viel. Einfach zu viel. Da ging es nicht mit rechten Dingen zu!
 

Erschrocken quietschte sie auf, als Tamino auf ihren Schoß sprang, um es sich darauf gemütlich zu machen, doch dankbar nahm sie die Möglichkeit an, ihre Hände irgendwie zu beschäftigen, sich an irgendetwas festhalten zu können, bis ihr Hirn wieder seine Funktion aufnahm. Sein Fell war seidenweich unter ihren Händen und die vertraute Berührung allein verhinderte, dass sie irgendwie in Panik verfiel oder sonst eine peinliche Szene machte.
 

„Oh mein Gott“, entfuhr es Layla neben ihr, eine Hand vor den Mund gepresst.
 

Natsu runzelte die Stirn und sein Blick huschte von Jude zum Fenster, als könnte er dort draußen etwas von dem Unglück erkennen, und dann wieder zurück. Doch selbst ihm schienen die Worte zu fehlen, denn er schwieg.
 

„Oh man, scheiße?“, bot stattdessen Cana an und wandte sich von der Kamera ab zu ihrer Tastatur und dem zweiten Bildschirm auf ihrem Schreibtisch. Vage konnte Lucy hören, wie die Sekretärin auf dem Keyboard herumtippte, während sie selbst sich wieder auf ihren Vater konzentrierte.
 

Doch Jude nickte nur dumpf und sagte Dinge wie „Ja, natürlich.“ und „Ich verstehe.“, was nicht sehr viel weiterhalf. Glücklicherweise mussten sie nicht lange warten, bis Jude das Gespräch beendete und sich ihnen zuwandte. Seine Bewegungen wirkten stockend und wie automatisch. Bedächtig legte er das Telefon auf den Tisch und griff nach einer Stuhllehne wie nach einem Rettungsanker.
 

Erst dann blickte er zu ihnen hinüber und erklärte mit emotionsloser Stimme: „Wie es aussieht, wird es noch eine Weile dauern, ehe Sheriff Sands vorbeikommen kann. Auf der Polizeistation haben sie gesagt, sie versuchen, jemand anderen vorbeizuschicken, um den Tatort zu sichern.“
 

Er blinzelte kurz, ehe er fortfuhr: „Auf der Überlandstraße gab es eine Massenkarambolage, in die mindestens dreißig Fahrzeuge verwickelt waren. Anscheinend war die Fahrbahn vereist.“ Was an sich seltsam war – in Snowdrop Village wusste man von den Gefahren, die diese Strecke bot und achtete peinlichst genau darauf, sie frei von Schnee und vor allem Eis zu halten.
 

Dreißig Fahrzeuge. Lucy wurde schlecht allein bei dem Gedanken daran.
 

Vermutlich waren viele der Autos und ihrer Passagiere auf dem Weg zu ihrem Skiurlaub oder zu ihren Verwandten, um Weihnachten mit ihren Liebsten zu verbringen.

Vermutlich waren es viele Familien, mit aufgeregten Kindern, die voller Vorfreude gewesen waren, dazwischen ein paar Lkw-Fahrer, ein paar Geschäftsleute, ein paar Pendler und natürlich noch die Einheimischen, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren.
 

Vermutlich gab es viele Verletzte.
 

Leute, die sich nie wieder völlig erholen würden. Schwerverletzte, die in Lebensgefahr schwebten. Tote, für die bereits jetzt jede Hilfe zu spät war.
 

„Dass so etwas ausgerechnet jetzt passieren musste“, murmelte Layla entsetzt. „Mit all dem, was sowieso gerade passiert. Dieses Weihnachten kommt es wohl alles auf einmal.“
 

Lucy wusste, worauf sie anspielte – nicht nur, dass Heartphilia Manor unter einem schlechten Stern zu stehen schien, dazu kamen noch das Wetter, das immer schlimmer zu werden schien, diese seltsame Krankheit, die Todesopfer forderte, und jetzt so etwas.
 

„Ich glaube nicht an Zufälle“, murmelte Natsu neben ihr, aber zu leise, als dass jemand anderes seine Worte hören konnte.
 

„Okay, ich habe hier einen Livebericht“, meldete Cana plötzlich, den Blick konzentriert auf ihren Bildschirm gerichtet. „Mit Bildern aus einem Hubschrauber. Sieht ziemlich schlecht aus. Sie sind schon alle aufmarschiert, Feuerwehr, Krankenwagen, Polizei. Dazu die Presse und einige Gaffer.“
 

Sie schluckte. „Die Rettungshubschrauber fliegen hin und her, als wären sie Linienverkehr, und sie fahren die weniger schwer Verletzten ins übernächste Krankenhaus, damit die anderen eine größere Chance haben. Sie haben bereits sieben Tote geborgen. Allerdings haben sie erst mit den Rettungsarbeiten begonnen und sie kommen nur langsam voran.“
 

Einen Moment später fügte sie noch ein leises „Scheiße“ hinzu, das nicht für andere Ohren bestimmt war. „Auch das noch.“ Sie rieb sich durch das Gesicht in einer Geste, die so frustriert und hilflos wirkte, wie Lucy sich fühlte.
 

Natsu schlug mit der Faust so hart auf den Tisch, dass alle im Raum und selbst Cana zusammenzuckten. „Und gerade jetzt kann Gray nicht helfen. Kann er nicht einfach-“
 

„Nein“, unterbrach die Sekretärin ihn abrupt. Jede Spur von Heiterkeit war aus ihrem Gesicht gewichen und ihre Stimme klang ernst. „Nach allem, was ich verstanden habe, geht es um bei dem Fall Leben und Tod. Hier ist übrigens auch die Hölle los. Im Moment scheint die Welt verrückt zu spielen, ich frage mich, was da los ist.“
 

„Vielleicht stehen die Sterne komisch“, winkte Natsu ab und kratzte sich am Kopf. Dann winkte er ab. „Darüber können wir uns hinterher Gedanken machen. Also gut, Gray kann nicht herkommen. Und Romeo hat einfach nicht genug Erfahrung. Ich hab so das Gefühl, dass wir hier noch ganz am Anfang stehen.“
 

„Oh, und ich wird euch auch nur sporadisch mit Infos beistehen können“, schob Cana noch hinterher. „Tatsächlich muss ich in ein paar Minuten los, ich hab Gray versprochen, ihnen was vorbeizubringen. Ich kann mich nicht zerreißen. Ihr müsst anderswo Hilfe herbekommen, am besten Hilfe, die näher am Geschehen ist.“
 

Betretenes Schweigen legte sich über den Raum.
 

„Wenn Romeo nicht genug Erfahrung hat, dann wir erst recht nicht“, wies Lucy auf. „Wäre er nicht besser als gar niemand?“
 

„Vielleicht können wir jemand anderen fragen?“, schlug Jude praktisch vor. „Du bist sicher nicht der einzige Experte, der sich mit … solcherlei Vorfällen beschäftigt.“
 

Natsu verzog das Gesicht. „Nein, aber Jahresende ist eine ganz schlechte Zeit.“ Er drehte sich zu Cana. „Weißt du jemanden?“
 

„Ich kann unsere Kontakte durchgehen“, bot sie an und griff bereits nach der Rollkartei für Visitenkarten, die sie auf dem Schreitisch stehen hatte. „Aber du weißt ja…“ Trotzdem begann sie, durch das Register zu flippen.
 

„Ich meine, ich hab noch irgendwo die Nummer von Mr. Lore“, warf Lucy hilfsbereit ein. „Vielleicht hat er gerade Zeit?“
 

Natsu blinzelte auf sie hinunter. „Wer?“
 

Ungläubig starrte Lucy zu ihm hoch. Kannte sie tatsächlich jemanden in der magischen Welt, von dem ihr Freund noch nie gehört hatte? „Der Kollege von Sting, der unser Stadthaus modifiziert hat.“
 

„Oh, der.“ Natsu nickte nachdenklich. „Besser als Sting ist er allemal.“
 

„Wie, unser Stadthaus modifiziert?“, wollte Jude aus dem Hintergrund plötzlich streng wissen und Lucy zog den Kopf zwischen die Schultern. Sie hatte ganz vergessen, dass ihre Eltern noch da waren und nichts von der ganzen Aktion wussten. Und vor allem nicht, warum sie stattgefunden hatte.
 

„Uh…“, machte sie, da sie auf keinen Fall auf den Grund eingehen wollte. Vielleicht fand sie rechtzeitig eine geeignete Ausrede! Aber wenn, dann musste die schnell kommen…
 

Denn ihr Vater blickte ermahnend auf sie hinunter, um eine Antwort würde sie nicht herumkommen. Aber es war schon schlimm genug, dass sie überhaupt von dem Dämon wussten. Es wäre etwa tausend Mal schlimmer, wenn sie ihnen erzählen musste, dass er noch immer hinter ihr her und auch noch einer der ganz schlimmen Sorte war!
 

Hastig suchte sie nach Worten. „Wegen… Weil… Naja, halt so magischer Schutz halt und so. Nach dem, was an Halloween passiert ist, da wollte ich kein Risiko eingehen…“ Sie ließ ihre Stimme verklingen und fühlte sich schäbig, die Sorge ihrer Eltern derartig auszunutzen.
 

Judes Gesicht verlor den strengen Ausdruck und Laylas Augen wurden sanft. Zärtlich legte sie einen Arm um die Schulter ihrer Tochter. „Hat es geholfen?“
 

„Ja“, stimmte Lucy zu und das war nicht gelogen. Nachdem Hexenmeister Lore fertig gewesen war, hatte sie sich tatsächlich wieder sicherer gefühlt. Tatsächlich hatte sie einiges Vertrauen in diese Sicherheitsmaßnahmen. Sie seufzte und griff nach ihrem Handy. „Ich versuche es mal.“ Doch der Anruf ging nicht einmal durch, sondern sprang sofort zur Voicemail, die sie informierte, dass ihr gewünschter Gesprächspartner zurzeit nicht erreichbar war. „Das war wohl nichts“, gab sie zu und legte das Handy wieder weg.
 

„Fragt doch gleich Sting. Er ist im Moment auch der einzige, der mir einfällt“, grummelte Cana aus Magnolia, doch Natsu ignorierte sie gekonnt.
 

Layla hatte sie jedoch auch gehört. „Warum tun wir das nicht?“, wollte sie wissen. „War das der, der euch an Halloween geholfen hat? Sollte er nicht…?“ Sie verstummte verwirrt und zog fragend die Brauen hoch.
 

Die Ablehnung war Natsu offen ins Gesicht geschrieben und er posaunte überzeugt: „Weil Sting ein Ar-“ Er unterbrach sich abrupt und warf der Dame des Hauses einen schuldbewussten Blick zu. Anscheinend wagte selbst er nicht, unter Laylas Augen zu grobe Schimpfwörter zu verwenden.
 

„Sie verstehen sich nicht sonderlich gut“, warf Lucy hastig ein, ehe ihm ein anderes Fettnäpfchen auffiel, in das er treten konnte. „Aber so schlimm ist Sting gar nicht.“ Okay, wenn man davon absah, dass er ein arroganter Kotzbrocken war, der viel zu sehr von sich überzeugt war.
 

Natsu stieß ein Schnauben aus, widersprach allerdings nicht. Und Lucy musste zugeben, dass er nicht ganz unrecht hatte. Sting war vielleicht nicht ‚so schlimm‘, aber er war auch nicht der netteste Typ, den sie je getroffen hatte. Im Gegenteil – letztes Mal hatte er sie die ganze Zeit mit Tittenwunder angesprochen. Hoffentlich würde er das nicht tun, wenn ihre Mutter und vor allem ihr Vater dabei waren!
 

Außerdem … war da noch dieses andere kleine Handicap…
 

Aber was blieb ihnen anderes übrig? Entschlossen stand sie auf, setzte den überraschten Tamino auf den Stuhl und holte das Telefon von dem Platz, wo Jude es auf die Tischplatte gelegt hatte. „Ist das dein Ernst?“, wollte Natsu wissen und starrte sie ungläubig an.
 

Cana griente. „Wen willst du denn sonst fragen? Du weißt genau wie ich, dass du auf die Schnelle niemand anderen herkriegst. Wenn die beiden überhaupt Zeit für euch haben und nicht auch schon anderswie eingespannt sind. Spring über deinen Schatten und ruf an. Ich für meinen Teil muss mich jetzt auf den Weg machen. Bye, Kinderchen. Bleibt anständig!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schaltete sie die Kamera aus.
 

Natsu schaute ziemlich sparsam drein, während er den Bildschirm noch einige Zeit anstarrte. Lucy hatte keine solche Probleme. Energisch klappte sie den Laptop zu und drückte ihm bestimmt das Telefon in die Hand. „Jetzt mach schon. So schlimm kann es doch nicht sein!“
 

Für einen Moment sah es so aus, als würde er trotzdem widersprechen und sich weigern, doch dann gab er mit einem Seufzen nach. „Er wird aus Prinzip nicht kommen. Sagt nachher nicht, ich hätte es nicht vorhergesagt.“
 

„Es tut gut, auch einmal etwas zu tun, was uns widerspricht“, belehrte Jude ihn von der Seite aus. „Das bildet den Charakter.“
 

Der Blick, den Natsu ihm zuwarf, sagte deutlich, was er davon hielt. „Das hat mir gerade noch gefehlt“, maulte er jedoch nur und holte aber brav sein Handy hervor, um nach der Nummer zu suchen. Mit einer ungeduldigen Bewegung warf er schließlich das Smartphone auf den Tisch zurück und schob dann das Telefon ans Ohr.
 

„Mach den Lautsprecher an, damit wir auch mithören können“, bat Layla von der Seite, wo sie im Sessel saß und Tamino kraulte, der sich, lang ausgestreckt auf ihrem Schoß, die Streicheleinheiten gerne gefallen ließ.
 

„Wenn ihr wollt.“ Natsu zuckte mit den Schultern, als wäre ihm das gleich. Er glaubte offensichtlich nicht daran, dass sie von dieser Seite aus Hilfe erwarten konnten. Aber würden ein paar Infos allein sie schon weiterbringen?
 

Eilig fügte Lucy hinzu: „Aber haltet euch trotzdem raus. Sting ist nicht gerade die einfachste Person und wir sollten ihn nicht alle zusammen überfallen.“ Sie hatte keine Lust, dass der Hexenmeister ihren Vater oder noch schlimmer, ihre Mutter beleidigte und damit alles den Bach runterging.
 

Einen Moment später erfüllte das Tuten des Freitons den Raum, ehe es leise klickte, als jemand abnahm. „Mrrr?“, meldete sich jemand auf der anderen Seite und Lucy konnte nicht sagen, warum sie dachte, dass es fragend klang. Etwa wie ein Hallo? nach dem Abnehmen des Hörers. Denn es war ganz sicher keine menschliche Stimme. Taminos Ohren zuckten nach vorne und er richtete sich plötzlich interessiert auf.
 

„Hi, Yukino“, sagte Natsu lebhaft und legte kurz die Hand über das Gerät. „Es ist Yukino“, erklärte er den anderen Anwesenden unnötigerweise, ehe er sich wieder dem Telefon zuwandte. „Hier ist Natsu, wir haben einen kleinen Notfall.“
 

„Wer ist Yukino?“, wollte Jude verwirrt wissen, während Lucy nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte. Passierte das gerade wirklich? Man sollte meinen, sie hätte sich an so etwas Irrsinniges bereits gewöhnt, aber eine Katze am Telefon war zu viel für sie.
 

Jude bekam seine Antwort, als ein Miauen aus dem Hörer drang, und starrte ungläubig. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch anscheinend fand er keine Worte für die absurde Situation, denn er bewegte ihn einige Male stumm und schloss ihn dann wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Lucy konnte da nur zustimmen, auch wenn sie schon besser an solch bizarre Dinge gewöhnt war.
 

Layla dagegen legte eine Hand über den Mund, um ein Lächeln zu verstecken, und Natsu redete einfach weiter, als würde nichts Seltsames geschehen. „Ich habe gehofft, dass ihr frei seid um den Job zu übernehmen. Es sieht von hier ziemlich schlimm aus und war schon im vollen Gange, als ich hergekommen bin.“
 

Yukino antwortete erneut unverständlich für alle außer Natsu, der nebenbei nickte, als würde sie in klar verständlichen Worten reden. Jude fuhr sich über das Gesicht und wandte sich kopfschüttelnd ab. Laylas Schultern zuckten.
 

„Es fällt einiges zusammen, wir haben einen Geist gesehen und dann gibt es da noch ein paar Kreaturen mit scharfen Klauen und Zähnen. Oder halt, mindestens eine, die dann aber recht groß sein müsste. Und halt… noch ein paar andere Sachen. Ich hab da so ein Gefühl. Kannst du mal Rogue ans Telefon holen?“
 

„Mrrrp“, machte es erneut und Natsu antwortete: „Okay, danke.“ Woher wusste er, was Yukino sagte?
 

„Hat er… hat er gerade mit einer Katze gesprochen“, sagte Jude und seine Stimme war so flach, dass es noch nicht einmal wie die Frage klang, die der Satz eigentlich hätte sein sollen. Das schien ihn fast genauso zu überfordern wie der Geist.
 

„Sie ist ein Familiar“, erklärte Lucy nach einem Moment. „Keine echte Katze.“ Sie tätschelte Taminos Kopf, der noch immer interessiert das Telefon anstarrte. „Und damit ist sie nichts für dich, du Casanova.“ Die Information war allerdings nur marginal besser und sie hatte nie herausgefunden, was Familiare eigentlich so taten und waren. Aber irgendetwas musste es bedeuten.
 

Kurz darauf wurde der Hörer wieder aufgenommen, doch es war nicht Rogue, der sich meldete. „Willst du mir tatsächlich erzählen, dass du nicht mit einem einfachen Geist fertig wirst?“ Stings spöttische Stimme schnitt durch die erwartungsvolle Stille wie ein scharfes Messer.
 

Lucy verdrehte die Augen. Natürlich konnte er ein Gespräch mit Natsu nicht einmal zivilisiert beginnen. Der war allerdings nicht besser, denn er stöhnte genervt und gut verständlich auf, so dass der Hexer auf der anderen Seite der Leitung ihn ebenfalls hören musste. „Ich wollte eigentlich mit Rogue sprechen“, antwortete er dann betont lässig. „Der ist vernünftiger als du.“
 

„Weil ausgerechnet du natürlich die Vernunft mit Löffeln gefressen hast, nicht wahr?“, höhnte Sting und Lucy musste zugeben, dass er mit der Aussage nicht unbedingt unrecht hatte. Doch er ließ Natsu nicht einmal Zeit zu antworten, sondern sprach sofort weiter: „Muss dir jemand Händchen halten beim Verbannen eines Geistes? Ist es schon so weit gekommen? Nicht, dass mich das wundert.“
 

„Mach dich nicht lächerlich“, knurrte Natsu ungehalten zurück. „Wenn, würde ich sicher nicht jemanden wie dich fragen.“ Die Implikation, dass Sting in dem Fall noch mehr Schwierigkeiten hätte, schwang in seiner Stimme mit.
 

Jude und Layla wechselten einen halb verwirrten, halb besorgten Blick. „Ist das wirklich eine gute Idee…?“, flüsterte sie leise und er hob die Schultern in einer Woher soll ich das wissen?-Geste.
 

Lucy konnte es ihnen nicht verdenken – sie hatten hier einige Schwierigkeiten, denn selbst wenn diese Massenkarambolage nicht irgendwie mit den seltsamen Ereignissen auf Heartphilia Manor zusammenhing, dieser Geist und das tote Pferd waren Grund genug zur Sorge. Und mit diesen Problemen sollten sie sich vertrauenswürdig an diese zerstrittenen Idioten wenden? Das klang nicht sehr überzeugend!
 

Lucy verdrehte die Augen und stand auf. „Hallo, Sting“, sagte sie in einem möglichst freundlichen, ebenmäßigen Tonfall. „Wir hoffen, dir geht es gut.“
 

Für einen Moment herrschte Stille. „Was denkst du denn?“, war die wenig freundliche Antwort, wobei seine Stimme einen neutraleren Klang annahm. War er tatsächlich bereit, halbwegs zivilisiert mit ihr umzugehen? Wenigstens hatte er sie noch nicht ‚Tittenwunder‘ genannt, wofür sie dankbar war.
 

Erneut trat für einen Augenblick Stille ein. Jude und Layla wechselten einen weiteren besorgten Blick. Natsu sah angepisst aus. Lucy rang die Hände und suchte nach den richtigen Worten.
 

„Wer ist ‚wir‘?“, wollte Sting dann misstrauisch wissen. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass seine Stimme belegt klang, rauer als sonst.
 

„Nur meine Eltern und ich“, antwortete sie etwas zu rasch. Natsu mit einzuschließen fühlte sich falsch an und er hätte vermutlich auch lautstark widersprochen, ganz egal, ob sie Stings Hilfe wollten oder nicht. Es war vermutlich eine fürchterlich schlechte Idee, den Hexenmeister mit ihm in einem Raum zu lassen. Wie sollte sie erwarten, dass die beiden auch noch miteinander arbeiteten?!
 

Aber was hatten sie für eine Wahl? Entweder das oder sie setzten Menschenleben aufs Spiel und das war kein Preis, den sie bereit war zu zahlen. Entschlossen machte sie einen Schritt vor und presste die Hand vor Natsus Mund, so dass dessen nächste Bemerkung nur völlig unverständliches Genuschel wurde. „Wir wollten Weihnachten gemeinsam verbringen.“
 

Sting schwieg für einen weiteren Moment. „Und das sollte mich interessieren, weil…?“ Ein abgehacktes Husten folgte.
 

Geduld, rief sie sich selbst zur Ordnung. Das ist eine berechtigte Frage, auch wenn er sie hätte höflicher stellen können! „Wir sind hier auf ihrem Landsitz“, erklärte sie darum. „Und der Geist ist letzte Nacht aufgetaucht.“
 

Natsu machte einen Schritt zurück und schob ihre Hand von sich. „Wäre das ein normaler Geist, hätte ich kein Problem mit ihm“, raunzte er, aber wenigstens bezog er sich auf das Thema. „Aber das ist kein kleiner Fisch. Und heute Morgen-“ Er unterbrach sich abrupt und ein Grinsen schlich sich auf seine Züge, das Lucy Sorgen machte.
 

Darum beeilte sie sich, hinterherzuschieben: „Er hat unsere Eingangshalle in Schutt und Asche gelegt. Und Natsu sagt, dass ihn das sehr stark macht. Und…“ Sie warf ihrem Freund einen hilfesuchenden Blick zu, aber der spielte mit seinem Handy herum.
 

„Und?“, fragte Sting und klang beinahe gelangweilt, trotz der Heiserkeit, die in seiner Stimme mitschwang. Er war doch nicht tatsächlich krank? Würde eine einfache Erklärung einen Knüppel zwischen die Beine ihrer Pläne werfen? Was auch immer das für Pläne waren… „Hin und wieder gibt es das schon mal.“
 

„Er wollte auch etwas sagen, aber wir haben ihn nicht richtig hören können.“, erklärte Lucy und Natsu neben ihr kicherte gemein.
 

„Das war, was wir heute Morgen gefunden haben“, erklärte er laut und erneut schwieg Sting.
 

„Weißt du“, sagte er dann im Konversationston. „Wenn ich dich das nächste Mal sehe, mache ich das auch mit dir. Dieser Kopf am Spieß ist sehr kreativ.“
 

„Jedenfalls hat er nichts mit dem Geist zu tun“, knurrte Natsu ungehalten. „Das solltest du auch erkannt haben.“
 

Statt einer Antwort hustete Sting, laut und rau. Ein Poltern ertönte, als der Telefonhörer auf dem Boden landete. Layla sprang erschrocken auf, als könnte sie etwas tun, und Lucy wechselte einen Blick mit ihrem Freund. Das klang nicht gut.
 

„Bist du krank?“, wollte sie wissen, als Sting den Hörer wieder aufnahm, und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme besorgt klang. Doch ihre Worte gingen unter, da Natsu gleichzeitig sagte: „Sag bloß, du bist krank. Dabei kommst du nie vor die Tür.“
 

„Fick dich“, antwortete Sting grob, doch der feindselige Effekt wurde von einem weiteren Hustenanfall zunichte gemacht.
 

„Du klingst gar nicht gut“, sagte Lucy beschwichtigend und warf Natsu einen bösen Blick zu. Er musste nicht noch mehr Salz in die Wunde reiben!
 

„Das denkst du nur“, wehrte Sting ungehalten ab, doch er schien sich tatsächlich wieder unter Kontrolle zu haben, denn seine Stimme klang beinahe wieder normal, wenn man von der Heiserkeit absah. „Aber was wollt ihr jetzt von mir? Dass ich meine sieben Sachen packe und zu euch marschiere?“
 

„Naja“, begann Lucy zögerlich. „Ja, eigentlich war das die Idee.“ Hastig presste sie Natsu wieder die Hand auf den Mund, seine Proteste schon erahnend. Layla schmunzelte und Jude wandte sich ab, vermutlich um ein eigenes amüsiertes Lächeln zu verstecken. Natsu starrte sie über ihre Finger hinweg säuerlich an.
 

„Okay“, sagte Sting langsam. „Hast du mein anderes Problem vergessen oder was schlägst du vor?“
 

„Uh…“, machte Lucy und schlug dann hastig vor: „Wir haben noch einen Rollstuhl.“
 

Eisiges Schweigen.
 

Was hatte sie eigentlich erwartet? Ganz sicher nicht, dass ihre Idee mit Jubelrufen aufgenommen wurde. Aber er war überraschend wenig garstig. Vielleicht hatte sie doch eine Chance? Sie würde es auf jeden Fall versuchen. So einfach würde sie nicht klein beigeben, der würde sie schon noch kennenlernen!
 

„Hör zu“, begann sie energisch und nahm Natsu das Telefon ab. Er verschränkte nur die Arme vor der Brust, sein Gesichtsausdruck halb erwartungsvoll-abwartend, halb ich hab’s dir doch gesagt. Doch davon ließ sie sich nicht beirren. „das wird hier alles noch schlimmer werden. Weder der Geist noch diese Kreatur, die Sultan getötet hat, noch das, was hier sonst noch so herumschwirrt, wird einfach wieder verschwinden. Sie werden sich nicht höflich zurückziehen und einen Obstkorb als Entschuldigung hinterlassen, sorry, wir haben uns im Haus geirrt, nichts für ungut. Aber allein werden wir damit nicht fertig, das gibt selbst Natsu zu, und wir wissen sonst niemanden, der helfen könnte.“
 

Diesmal kam Stings Antwort schon nach zwei, drei Sekunden: „Okay, aber ich weiß nicht, was ich damit zu tun habe. Hast du mein kleines Handicap vergessen?“
 

Ehe Lucy versichern konnte, dass das nicht der Fall war, warf Natsu ein: „Hast du jemand anderen anzubieten?“
 

Sting schwieg für einen weiteren Moment und Lucy wünschte sich, sie könnte erraten, was er dachte oder auch nur tat. Doch so gut kannte sie ihn einfach nicht und wollte sie das überhaupt? Sting war nie die angenehmste Person gewesen, selbst nicht zu besten Zeiten.
 

Allerdings ahnte sie, was hinter dieser strikten Ablehnung von allem und jedem stand und dem verzweifelten Versuch, eine abweisende Fassade zu wahren. Und was sprach gegen einen Versuch, ihn besser verstehen zu wollen? In dieser Welt, die plötzlich so feindselig wirkte, konnten sie alle mehr Freunde vertragen.
 

„Hm…“
 

Yukino miaute.
 

„Was ist mit Mr. Lore?“, half Lucy weiter, doch Sting blockte sofort ab.
 

„Rufus ist … auf einer Art Fortbildung“, erklärte er. „Er wird auf jeden Fall erst wieder nächstes Jahr erreichbar sein. Ich kann euch die Telefonnummer von Fernandez geben, er ist ein ziemlich guter Nekromant. Aber der ist erst nach Weihnachten frei. Du weißt ja, wie Nekromanten zu Mittwinter sind.“
 

„Das ist zu spät“, widersprach Lucy sofort. „Bis dahin könnte schon wer-weiß-was passiert sein!“ Sie warf einen hilflosen Blick zu Natsu, der darunter regelrecht zusammenschmolz.
 

Oder zumindest soweit nachgab, dass er sich vorbeugte und sagte: „Hör zu, du weißt vermutlich einiges über so ’n Viehzeug und all den Kram und im Moment geht es darum, die Gegner erstmal zu identifizieren. Allein kann ich das schlecht machen, vor allem nicht, wenn ich auf vier Zivilisten achtgeben muss. Rogue und ich können die Drecksarbeit machen. Und die Laufarbeit.“ Den Seitenhieb konnte er sich wohl nicht verkneifen. „Du kannst das hier als einen kleinen Urlaub sehen, es gibt sogar einen Butler.“
 

„Butler, huh?“, machte Sting, klang aber wenig interessiert an dem Thema. „Hey, Yukino, was ist…? Oh, hi, Minerva. Wo ist Rogue? Hier ist…“ Stings Stimme ging in unverständliches Gemurmel über, als er sich von dem Telefon entfernte.
 

Lucy drückte die Taste, die das Mikrophon ausschaltete. „Ist das jetzt gut oder schlecht?“, wollte sie von Natsu wissen, der mit den Schultern zuckte. „Rogue war immer der Verständiger der beiden. Vielleicht kann er diesen verstockten A-“
 

Layla räusperte sich und er verstummte abrupt, um ihr ein unschuldiges Grinsen zuzuwerfen. „Dieser junge Mann wirkt ziemlich unhöflich auf mich“, fügte sie an, ohne auf Natsus eigene Taktlosigkeiten einzugehen.
 

„Das ist sehr höflich umschrieben, meine Liebe“, antwortete Jude trocken, ehe er seinen Blick kurz auf Lucy richtete und dann zu Natsu sah. „Und du glaubst wirklich, dass er uns helfen kann?“
 

Natsu verzog schmerzlich das Gesicht, doch er war ein ehrlicher Mensch und nickte. „Er ist ein mächtiger Hexenmeister, trotz allem, der Mächtigste, den ich kenne. Und ich weiß schlichtweg niemand anderen, der so schnell einspringen kann. Er offensichtlich auch nicht, ansonsten hätte er uns jemanden vorgeschlagen.“ Natsu rieb sich durch die Haare. „Unsere unerwünschten Besucher haben sich wirklich die beste Jahreszeit ausgesucht.“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.
 

„Das ist nicht das erste Mal, dass du das sagst. Was meinst du damit?“, hakte Jude sofort nach. Lucy horchte interessiert auf, während Natsu das Gesicht verzog. „Warum muss ich hier eigentlich der Lehrer spielen?“, maulte er vor sich hin.
 

Trotzdem setzte er an: „Es ist nur so, dass am Ende des Jahres einige wichtige Ereignisse sind. Also, die Sonnenwende, die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr… Das ist eine heikle Zeit. Magisch gesehen. Gefährlich. Ähnlich wie Halloween, allerdings auf eine andere Weise. Die meisten magisch begabten Leute, aber auch viele Monster ziehen sich zurück und halten die Füße still. Eine Art Winterschlaf, der erst nach Neujahr wieder gebrochen wird.“
 

Natsu zuckte mit den Schultern. „An Mittwinter beginnt der Kreislauf der Sonne wieder, das neue Jahr steht an, das Leben gewinnt wieder an Kraft und mit ihm auch alle Lebewesen, so was halt. Aber einen Neuanfang gibt es nicht ohne ein Ende, so ist das halt. Das hat alles symbolische Bedeutung und Symbolik ist wichtig für Magie, aber allzu viel verstehe ich von all dem Kram auch nicht.“
 

Er runzelte die Stirn und Lucy hatte diesen letzten Halbsatz in der letzten Zeit so oft zu hören bekommen, dass sie langsam zweifelte, ob er tatsächlich der Wahrheit entsprach. Ihr Freund tat zwar immer so, als würde er nur oberflächliches Wissen haben, aber inzwischen war sie sich da nicht mehr so sicher. Er wusste immer genau so viel, wie er musste, und tat alles andere als zu viel oder zu kompliziert ab. Dabei war er keinesfalls dumm.
 

Jetzt grinste er ihre Eltern arglos an. „Ich kann euch ein paar Bücher empfehlen, wenn ihr wollt.“ Doch Jude winkte ab – er war wohl bereit, an das Übernatürliche zu glauben, aber sich direkt damit zu beschäftigen, das war etwas ganz anderes. Außerdem hatten sie echt größere Probleme.
 

„Was für ein Handicap, das er erwähnte?“, fragte Layla dazwischen und sah von einem zum anderen. Ehrliche Neugierde und Sorge schwangen in ihrer Stimme mit.
 

Erschrocken wechselte Lucy mit Natsu einen Blick. Sie hatten versprochen, nichts darüber zu sagen, und auch wenn das unter einer Todesdrohung geschehen war, so hatte sie keine Intention, dieses Versprechen zu brechen. Im Gegenteil, sie verstand absolut, warum es ihr abgerungen worden war. Die Sicherheit eines geliebten Menschen ging einfach über alles andere.
 

Natsu schien glücklicherweise ebenso unwillig, mit der Sprache herauszurücken. Das war bei der angespannten Stimmung zwischen ihm und dem Hexer nicht unbedingt selbstverständlich. Doch er war niemand, der jemanden einfach so ans Messer lieferte, dazu kannte Lucy ihn bereits zu gut.
 

Aber wenn Sting und Rogue wirklich herkamen, würde es selbst dem Dümmsten auffallen. Also mussten sie zumindest etwas erklären. „Er ist ein wenig … körperlich eingeschränkt“, versuchte Lucy sich herauszureden, ohne direkt die Wahrheit zu sagen. Das mit dem Fluch mussten sie ja nicht unbedingt fallen lassen. „Darum der Rollstuhl.“
 

„Ist er ernsthaft krank?“, wollte Layla sofort wissen, ihre Stimme besorgt. „Er klang vorhin auch nicht sehr gut.“
 

Jude sah das Ganze praktischer. „Wie kann er uns helfen, wenn er so eingeschränkt ist?“
 

Es war kaum zu glauben, aber erneut sprang Natsu und die Bresche, wenn auch sichtlich unwillig: „Wie ich sagte, Rogue und ich werden die Drecksarbeit erledigen. Gemeinsam können wir ganz schön hinlangen, will ich behaupten. Ist wirklich eine ungünstige Situation, aber entweder, Sting kommt, oder wir müssen mindestens warten, bis Weihnachten vorbei ist. Und ich hab das Gefühl, dass wir diese Zeit nicht haben.“
 

„Hm“, machte Jude, die Stirn gerunzelt, aber es war ihm nicht anzusehen, was er von allem dachte. Aber er widersprach nicht geradeheraus, also fiel ihm auch nichts besseres ein und war bereit, Natsus Führung zu folgen.
 

„Rogue ist Stings Partner“, fügte Lucy erklärend hinzu, doch ehe sie weitersprechen konnte, knackte es im Hörer und Rogues Stimme drang hindurch. „Natsu?“
 

Hastig schnappte Lucy sich wieder das Telefon und aktivierte das Mikrophon erneut, ehe sie sagte: „Hier ist Lucy, aber Natsu und meine Eltern hören zu.“
 

„Wie auch immer, wir können euch nicht helfen.“ Rogues Tonfall war kühl und seine Worte knapp, wie immer, und seine Ablehnung so ruhig, dass es ihr für einen Moment die Sprache verschlug. Nicht einmal Sting hatte so rundheraus abgelehnt! Dabei hatte sie gedacht, wenn es darauf ankam, dass sie Rogue leichter von allem zu überzeugen konnten!
 

„Das ging schnell“, hörten sie Sting von der Seite einwerfen, etwas gedämpft und … widerwillig?
 

„Wa-warum?“, stotterte Lucy verdutzt. „Es ist wirklich ernst!“
 

„Sting hat mir alles erzählt“, blockte Rogue ab und sein Tonfall machte klar, dass er nicht mit sich verhandeln lassen wollte. Aber wenn er dachte, sie würde einfach so klein beigeben, hatte er sich verschätzt! „Ihr werdet damit sicher selbst fertig, es ist nur ein verdammter Geist.“
 

„Und ein explodiertes Pferd, schon vergessen?“, fügte Natsu trocken hinzu, sein Tonfall leicht verwirrt. „Ganz zu schweigen davon, dass es hier in der Nähe eine Massenkarambolage gab, und ich nicht ganz von der Hand weisen will, dass das nicht vielleicht miteinander zu tun haben könnte. Zu viele Vorfälle, verstehst du?“
 

„… Das sind nur Spekulationen.“
 

„Und die dunklen Energien, die über Heartphilia Manor hängen und sich vermutlich über die ganze Gegend, inklusive Snowdrop Village, ausbreiten, die haben gar nichts mit allem zu tun, oder?“, raunzte Natsu, plötzlich aufgebracht. „Hältst du mich für blöd? Du solltest genau wissen, wenn ich sowas sage, hat das Hand und Fuß!“
 

„Snowdrop Village?“, hörten sie Sting erneut im Hintergrund, während Rogue einen Herzschlag später hinzufügte: „Dunkle Energien? Bist du sicher?“ Nun klang er nachdenklich. Ha! Erwischt!
 

Natsu verdrehte die Augen. „Nein, ich lüge dir etwas vor, weil ich euch so vermisse.“
 

Stille.
 

„Natsu, das war nicht nötig“, flüsterte Lucy ihrem Freund zu. Wenn Natsu ihre potentiellen Helfer vertrieb, weil er so patzig war, dann konnte er etwas erleben.
 

„Menschen sterben“, warf Layla ein, ihre Stimme sanft, aber bestimmt. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und sah aus wie eine echte Lady. Doch da war etwas an ihrer Haltung, in ihren Augen, das Lucy an Stahl erinnerte. „Was braucht es noch, um helfen zu wollen?“
 

„Leute sterben jeden Tag“, knurrte Sting unwillig. „Niemand kann die ganze Welt retten.“
 

Layla ließ sich nicht anmerken, ob die Worte sie schockten und ihre Stimme klang noch immer gleich. „Snowdrop Village ist nicht die ganze Welt. Und hier können wir – und ihr – etwas tun. Bitte.“
 

„Wir werden euch anständig entlohnen“, fügte Jude hinzu.
 

Ob es das war oder Laylas Bitte oder etwas ganz anderes, am anderen Ende der Leitung herrschte ein weiterer Moment Stille. Dann miaute Yukino laut und nachdrücklich, gefolgt von einer geflüsterten Diskussion. „Wir sollten das auschecken“, hörten sie Sting schließlich gedämpft über den Hörer.
 

„Aber du…!“, begann Rogue heftig, doch seine Stimme wurde abrupt abgewürgt und Sting sagte erneut etwas. Diesmal waren die Worte zu undeutlich, als dass sie etwas anderes ausmachen konnten als den Tonfall, ein nachdrückliches Flüstern.
 

Einen Moment meldete Rogue sich erneut, obwohl er noch immer nicht begeistert klang: „Fein. Schickt uns die Adresse. Snowdrop Village, sagtet ihr?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sappy Lucy is sappy. Und hin und weg von Natsu.
Ich weiß übrigens auch nicht, was ich in diesem 'Verse mit Outfits/Lucys Aussehen habe, ist immerhin nicht das erste mal, dass da so ein Augenmerk drauf liegt. ^^" Vielleicht, weil es Lucy so wichtig ist?

Ich hoffe, die erste Szene war nicht zu ungelenk, irgendwie hab ich dieses Gefühl, dass ich die Ereignisse nicht richtig rübergebracht habe, wie ich das wollte. :/ Vielleicht bzw hoffentlich sind es nur Anlaufschwierigkeiten, so dass sich das mit der Zeit legt.

Ich freue mich natürlich wie immer über Feedback und hoffe, dass ihr dran bleibt!
Bis dann ^^~
Arian Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Höhö, jetzt wird's langsam ernst. :D

Ich weiß, Jude wirkt ziemlich OoC. ^^" Aber ich habe mich an den wenigen Szenen von ihm orientiert, als er nicht der böse Vater war. Ich bin überzeugt, dass er nur so distanziert und missbräuchlich wurde, weil er mit Laylas Tod nicht zurecht kam, und mit ihr die Story ganz anders verlaufen wäre. Da sie hier ja noch lebt, hatte ich mit Jude einige Möglichkeiten und ich find es spannend, das zu erkunden. Außerdem finde ich den Kontrast zwischen Black Magic!Jude und Big Girls!Jude und der jeweiligen Beziehung zu Natsu sehr interessant. :)

Das nächste Kapitel ist auch schon zum Teil geschrieben, ich hoffe, ich komme nächste Woche dazu, es fertigzustellen. Zuerst einmal muss bzw. will ich mich Dragon Blade widmen, damit das pünktlich am Sonntag ein Update bekommt.

Ich würde mich über Feedback freuen und ansonsten bis nächstes Kapitel! :D
Gruß
Arian Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Yay für klischeehafte Pferdenamen. :D
Mal sehen, womit unsere Helden sich noch so herumschlagen müssen... >:D
(Jude, Layla und Capricorn werden übrigens nicht die ganze Story über so prominente Rollen einnehmen, obwohl sie natürlich wichtig bleiben.)

Anyway, Sting und Rogue sollten nächstes Kapitel endlich, endlich ihren Auftritt haben. Ich freu mich schon. :3

Ich freu mich wie immer über Feedback und dann bis nächstes Mal!
Gruß
Arian Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Kapitel war wohl nicht sonderlich gut und es gibt einige Stellen, die ich etwas zweifelhaft finde. Aber ich hab ewig daran gesessen und ich hatte einfach keine Lust mehr. >.< Ich hoffe, das wird besser, wenn die Story etwas an Fahrt aufnimmt.
Kam der Umschwung zu schnell? Ist es logisch, dass sie sofort auf 'wir brauchen Hilfe und das ist die richtige' kommen? Und auch von Stings Seite aus? Ach, ich weiß auch nicht. Die Logik dreht sich hoffentlich nicht im Grab um. *seufz* Help?
Es ist außerdem fürchterlich und unnötig lang. >.>

Nächstes Mal Sting PoV, versprochen!
Kapitel ist schon geplant, fragt sich nur, wann es kommt. Ich will erst meine anderen WiPs updaten.

Feedback natürlich wie immer erwünscht (sprich: ich freue mich wie blöd über jede einzelne Reaktion) und dann bis nächstes Mal ^^~
Gruß
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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Yosephia
2018-08-07T19:51:17+00:00 07.08.2018 21:51
Und du komm' noch mal an und behaupte, das Kapitel wäre schlecht! Ò.Ó
Wusste ich doch gleich, dass das nicht stimmt!
Pah!

So, das ist der Kommentar. Bitte sehr :P

Okay, nein, ich habe natürlich noch mehr dazu zu sagen XD"
Mir hat das Kapitel wirklich sehr gut gefallen. Klar, es war eher nur so ein Brückenkapitel und sehr viele Autoren hätten so etwas wahrscheinlich einfach übersprungen und wären einfach gleich bei Stings und Rogues Ankunft auf Heartfilia Manor wieder eingestiegen. Aber ich fand dieses Kapitel weder langweilig noch unnötig.
Es erklärt einfach noch ein paar Sachen - z.B. warum Sting und Rogue letztendlich tatsächlich die einzige Option für Natsu & Co. sind oder auch warum Sheriff Sands nicht kommen kann, der ja im letzten Kapitel schon erwähnt wurde - und trägt noch ein paar "kleinere" Informationen zusammen, besonders das mit dem "Winterschlaf" der Magier. Das mit der Massenkarambolage ist so auch an passender Stelle eingesetzt worden - ansonsten wäre das womöglich schwierig noch mit zu erwähnen gewesen, kann ich mir vorstellen.

Kurz und gut, das Kapitel hatte schon seinen Sinn und Zweck!

Und ich fand es tatsächlich unterhaltsam. Zum einem in dem Sinne, dass es tatsächlich noch etwas mehr Spannung rein gebracht hat und dass es klar gemacht hat, dass es bald so richtig losgeht. Und zum anderen in dem Sinn, dass es tatsächlich einige Schmunzelmomente gab.

Letzteres führt mich auch zum nächsten Punkt: Auch wenn Natsu hier viel ernster und souveräner auftritt als im Manga, er ist und bleibt Natsu! Seine Mundart hat einfach perfekt gepasst! Super direkt, mitunter fast schon gnadenlos direkt (Cana einfach so die Bilder zu zeigen z.B. ID"). Fingerspitzengefühl ist auch hier nicht wirklich seins und auch wenn er sich hier etwas besser zurückhalten kann (wobei das hier zu geschätzten 90% Lucys Eingreifen zu verdanken ist), ist er immer noch absolut streitlustig. Auch Lucys Beobachtung, dass Natsu immer genau zu wissen scheint, was er eben wissen musst, hat irgendwie sehr gut in das Gesamtbild gepasst!

Auch die anderen Charaktere fand ich allesamt IC. Jude, der versucht, weiterhin gefasst zu bleiben, obwohl ihm die Sache schon längst über den Kopf gewachsen ist. Layla mit dieser absolut passenden Mischung aus Sanftmut und Stahl. Lucy, die sich so viele Gedanken macht. Cana, die so abgebrüht und vorlaut ist. Sting mit seiner super arroganten und groben Art. Und Rogue, der echt nur so viel sagt wie unbedingt nötig, dann aber keinen Zweifel an seiner Meinung lässt.

Das war alles wirklich sehr stimmig! *nick nick*

Weitere Punkte:
-Das "Gespräch" zwischen Natsu und Yukino war der Oberknüller! XDDDD
-Taminos Reaktion auf Yukino übrigens auch XD
-Ich denke, ich weiß, warum es Sting so schlecht geht und warum Rogue zuerst so rundheraus ablehnt, sich in die Sache verwickeln zu lassen. Armer Sting T__T
-Die Andeutungen auf Grays Mission machen so irre Lust auf die dazugehörige Story XD
-Weiß Natsu eigentlich schon von der kursierenden Krankheit in Snowdrop Village?

Hm... sorry, mehr fällt mir spontan nicht ein >_<
Außer: Ich freue mich wie blöde auf das nächste Kapitel! *~*

LG
Yosephia
Von:  Yosephia
2018-06-26T18:54:09+00:00 26.06.2018 20:54
Ich mag das Kapitel! So! Und den Kommentar kopiere ich jetzt und füge ihn noch sechs mal ein, ist das eine Idee? XD"
Nein?
Okay, dann eben nicht. Musst du halt mehr lesen :P

XD"
Sorry, dass es so lange gedauert hat. Und sorry, dass ich heute nicht alles schaffen werde >_<

Jedenfalls hat mir das Kapitel trotz des... nicht unbedingt appetitfördernden Endes sehr gut gefallen! Es war von der Atmosphäre her sehr stimmig und es hatte allen Unbehagens einige sehr witzige Momente. Etwa Capricorns Sorge um seinen Teppich oder Taminos Schmacht nach dem Menschenfrühstück und der Oberknüller war ja wohl Cana XD" Aber speziell zu Cana gleich noch mal mehr...

Die Art und Weise, wie Jude, Layla und Capricorn versuchen, mit der Tatsache fertig zu werden, dass es Übernatürliches gibt, finde ich ausgesprochen passend für alle Drei. Sie tun mir schon ein wenig Leid und Lucy erst recht. Das hatte ja einen guten Grund, warum Lucy das ihrer Familie ersparen wollte und jetzt muss sie fürchten, dass sie in Gefahr geraten :(
Dass Layla bei all dem noch am besten damit klar kommt, finde ich auch sehr passend. Die Worte von Lucys Großmutter ergeben da sehr viel Sinn und ich finde auch, dass das Bild eines "Kampfes" gegen die Depression da sehr treffend ist. Das passt alles sehr gut zu Layla!

Dass Natsu seinen Spaß an der Sache hat und das alles noch relativ locker nimmt (zumindest im Vergleich zu allen anderen, obwohl seine Ausführungen beweisen, dass er sich eben doch einige Gedanken zu all dem gemacht hat und die Sache doch sehr ernst nimmt), passt auch sehr gut zu ihm. Auch dass es ihm nicht auf den Magen schlägt und er seinen Spaß daran hat, den Anderen etwas über die magische Gesellschaft zu erzählen. Das ist einfach... Natsu XD"

Das Skypetelefonat mit Cana war einfach der Brüller! Du hast Cana mal wieder perfekt getroffen, sie war zu hundert Prozent IC und ich hatte so wahnsinnigen Spaß mit dem Teil der Szene! Wie sie mit Natsu und dann später mit Jude umgegangen ist, hat absolut zu ihr gepasst. Das war sicher eine sehr ungewöhnliche "Bekanntschaft" für unseren leicht versnobten Jude, aber zum Glück hat er nichts weiter dazu gesagt. Ich glaube nämlich auch nicht, dass Cana klein beigegeben hätte XD"
Die Andeutung auf die parallel laufende Story fand ich übrigens auch sehr witzig. "Gothicprinzessin" passt astrein! XDDD
Und die Art und Weise, wie Natsu Cana und Layla miteinander bekannt gemacht hat, fand ich auch super! Das klang wieder so hundertpro nach Natsu XD"

Aber dann geht es in den sehr unangenehmen Teil des Kapitels über *schauder*
Die Beschreibung des Stalls war schon echt heftig. So taktlos es irgendwie auch war, Natsus Formulierung mit der Explosion ist echt treffend gewesen. Ein schöner Anblick war das garantiert nicht! Das arme Pferde T___T
Und mir tut auch Hanigan Leid. Das ist so ein Pferdemensch, wie er im Buche steht. Klar, dass der Natsus Geschäftsmäßigkeit gleich persönlich nimmt, er ist ja auch total aufgewühlt und alles u.u
Lucy hat sich wohl nur deshalb nicht übergeben, weil sie schon ein kleines bisschen abgehärtet ist? Das mit dem Hohen Dämon war ja eindeutig noch mal ein anderes Kaliber - obwohl auch das hier schon echt heftig ist! >_<

Über Natsus Schlusssatz habe ich mich, ehrlich gesagt, sehr gefreut! Ich will das nächste Kapitel so unbedingt bald lesen! >///////////<
LG
Yosephia

PS: Ich will etwas zu Tamino sagen, aber damit würde ich wahrscheinlich die anderen Leser spoilern^^'
PPS: Ich habe das Gefühl, der Kommentar ist voll kurz und doof. Habe ich das Kommentarschreiben verlernt? >_<
Von:  Yosephia
2017-12-11T10:32:11+00:00 11.12.2017 11:32
Ich muss ja mal sagen, dass dieses Kapitel eine lustige Spannungskurve hat XD"
Von super süßen Fluff zu leichtem Gruselfaktor mit Humormomenten und dann auf einmal zum ausgewachsenen Spuk!
Aber versteh' das ja nicht als Kritik, das war in sehr gelungener Einstieg in das tatsächliche Genre der Story, das du im ersten Kapitel ja nur mal dezent andeuten konntest. Und der Fluff hat beim Lesen ja auch sehr viel Spaß gemacht :D

Die erste Szene war wirklich megafluffig, aber mir hat es sehr gefallen!
Klar, diese Version von Jude ist schon sehr ungewöhnlich, aber ich sehe es genauso wie du: Es gibt ein paar Szenen, die andeuten, dass Jude auch diese Art von Vater und Ehemann hätte sein können, bzw. sogar mal gewesen ist. Von daher fand ich persönlich es einfach niedlich, wie süß verliebt Jude noch immer in Layla ist. Und es ist doch wieder sehr typisch für ihn, dass er Layla immer Geschenke mitbringt.
Im Zusammenhang mit seiner Charakterisierung fand ich auch sehr passend die Erklärungen für sein diszipliniertes Verhalten, das auf viele so steif wirkt!

Dass Natsu Layla so zum Lachen bringen kann, wundert mich gar nicht. Layla war ja offensichtlich schon in GotA sehr angetan von Natsu, als der noch nicht einmal als tatsächlicher Partnerkandidat im Gespräch war, und jetzt hat sie ihn garantiert schon so richtig ins Herz geschlossen. Finde ich sehr putzig, dabei würde man auf dem ersten Blick wirklich annehmen, dass Natsu sich als Schwiegersohn nicht so gut macht XD"

Die kleinen Frotzeleien auf Grays Kosten fand ich super lustig und niedlich. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich würde mich megamäßig freuen, wenn du in diesem 'verse auch mal etwas zum Gratsu-Broship schreiben könntest! :D

Und dann die Begegnung Jude-Natsu! Ich fand das so witzig, dass die Beiden so schnell miteinander warm geworden sind und das auch noch über solch einem Thema - obwohl es gerade gepasst hat, dass es so ein Thema ist, auch wenn ich als Zuhörerin dabei zu Tode gelangweilt wäre, weil... Autos >_>

Die zweite Szene schlägt da ja schon sehr früh eine völlig andere Richtung ein, aber wie schon gesagt: Ich finde das sehr gut so. Dass Natsu einfach mal mitten in der Nacht aufsteht, um die Geister zu suchen, sieht ihm ähnlich! Wahrscheinlich ist das keineswegs nur seiner Vorliebe für Abenteuer geschuldet, so eine gewisse Ahnung hat er vielleicht schon, immerhin hat er ja schon einige Erfahrungen in der Hinsicht gemacht!

Ich fand es ja so mega lustig, wie sich alle nach und nach in der Eingangshalle eingefunden haben. Capricorns Pantoffeln (und der kurze Dialog zwischen ihm und Natsu dazu) waren zum Schreien XDDDD
Und wie Jude sich aufregt, während Layla fast schon Spaß an der Sache hat... XDDDD

Und dann schlägt die Stimmung wirklich sehr radikal um und das hast du wirklich so verdammt gut hingekriegt! Ich habe ja wirklich nur sehr, sehr wenig Gruselsachen gelesen, aber hier ging es so richtig unter die Haut! Die Sache mit den Lichtern, diese Erscheinung, der Schrei, zuletzt das mit dem Kronleuchter... Das hat sich alles immer mehr gesteigert und Lucys Gefühle dazu waren absolut nachvollziehbar! Jeder hätte sich an ihrer Stelle wahrscheinlich dieselben Fragen gestellt!

(Kann es sein, dass du Spaß daran hast, in längeren Serien Running Gags einzubauen, die eigentlich gar keine sein sollten? Wie in DB mit Lucys Entführungen oder hier mit den Kronleuchtern XD")

Dass der arme Jude nach all dem zusammen klappt, wundert mich, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. So etwas passt ja so überhaupt gar nicht in sein sonst so wohlgeordnetes Weltbild und auch wenn er auf seine Art und Weise schon irgendwie taff ist, ist er in der Hinsicht wahrscheinlich wirklich nicht belastbar^^'

Also du merkst: Ich hatte viel Spaß an dem Kapitel :D
Ich freue mich schon auf das nächste!

Bis dann!
Yo
Von:  Yosephia
2017-11-03T20:09:44+00:00 03.11.2017 21:09
Ich habe mich so sehr auf NS gefreut und jetzt ist es endlich da und das Warten hat sich mehr als nur gelohnt! *_______*

Im Großen und Ganzen ist in diesem Kapitel ja nicht wirklich etwas passiert, es setzt einfach erst einmal eine Grundstimmung für die Story (ganz ähnlich wie beim ersten Teil) - und die ist sehr zwiespältig. Auf der einen Seite glitzert der Text geradezu mit Lucys Verliebtheit (was ich megasüß finde!), aber auf der anderen Seite kündigen sich da auch schon düstere Probleme an. Dieser Balanceakt aus diesen beiden vollkommen gegensätzlichen Stimmungen ist dir wirklich gut gelungen!

Weil zur Handlung an und für sich kaum etwas zu sagen ist - außer dass es halt ein sehr passender Einstieg ist, Natsus Ankunft so explizit zu beschreiben -, versuche ich es mal in Stichpunkten:

- Der Vorfall mit Katie und allgemein mit der merkwürdigen Koma-Krankheit. Da wird einem ja schon ganz schön mulmig bei der ganzen Angelegenheit und es ist kein Wunder, dass Lucy sich darüber viele Gedanken macht. Gleichwohl ist es auch sehr passend, dass Layla versucht, Lucy zu beruhigen. Ihre pragmatische Sicht der Dinge, die gewiss auch sehr viel mit Selbstschutz zu tun hat, ist schon irgendwie logisch - denn Lucy ist ja keine Ärztin oder dergleichen, kann also tatsächlich nichts für die Betroffenen tun.

- Die Beschreibungen von Heartphilia Manor an den unterschiedlichen Stellen sind wirklich sehr schön eingesetzt. Sehr anschaulich und beeindruckend. Kein Wunder, dass Natsu es als Schloss bezeichnet. (Btw fand ich die darauf folgenden Frotzeleien sehr lustig XD)

- Capricorn rockt! Ich weiß auch nicht, irgendwie mag ich ihn einfach XD

- Katerchen! *~* Ich bin so gespannt darauf, noch mehr von Tamino zu lesen! *~*

- Layla hast du wirklich sehr, sehr gut getroffen. Ich kann's noch nicht einmal ganz konkret festmachen, aber es war einfach alles sehr stimmig bei ihr. Und meiner Meinung nach ist sie auch IC.

- Natsus Ankunft, die Neckereien zwischen Natsu und Lucy - purer Zucker! Ich liiiiiiiiiiiiiiiebe es! *~* Sowieso ist es so süß und erfrischend, wie viele Gedanken Lucy sich um Natsu macht und wie sehr sie immer wieder ins Schwärmen gerät. Wer könnte es ihr verdenken? Ich sicher nicht XD"

- Natsu und sein Auto - einfach *lol* XDDDD

- Natsu und Capricorn war irgendwie auch eine sehr witzige Begegnung. Ich kann mir vorstellen, dass Capricorn zunächst ganz schön skeptisch war, als er erfahren hat, dass Lucys Freund über Weihnachten da sein wird. Von Dan dürfte er auch keinen so guten Eindruck bekommen haben. Und dann kommt da Natsu daher, der gleich geduzt werden will und so locker drauf ist... bei Dan kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er sich von vorn bis hinten hat bedienen lassen, kaum dass er Heartphilia Manor betreten hat.

Okay, mehr fällt mir spontan nicht ein. Aber es war auf alle Fälle ein echt tolles Kapitel - und fast 6000 Wörter sind für mich nicht kurz XP
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel! *~*
LG
Yosephia

PS: Natsu hat seine Tasche in der Eingangshalle liegen lassen? XD"


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