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Spherium

Puzzleshipping - Bromance
von

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Kapitel 1: Tag 1 (1)


 

Kapitel 1 – Tag 1 (1)

 
 

*

 
 

Tokyo, Japan, Tag 1

 

Atem hatte Kopfschmerzen. Er presste sich eine Hand gegen die Stirn, doch es half nicht. Zu viele Reize schlugen gleichzeitig auf ihn ein. Das Heulen des umgekehrten Schubs der Turbinen. Die schweren Regentropfen, die wie Hagelkörner auf den Rumpf des Flugzeugs knallten. An den Fenstern rauschten grelle Lichter vorbei und blendeten ihn.

Atem überlegte, die Augen zu schließen, aber das war zu auffällig. Also schirmte er sie bloß mit einer Hand ab.

 

Das Flugzeug wurde nur unmerklich langsamer. In der Reihe hinter ihm betete Karim, es möge alsbald zum Stillstand kommen, während Shada ihm versicherte, dass die Landebahn sogar unter diesen Witterungsbedingungen über ausreichend Länge verfüge.

 

Atem biss die Zähne fester zusammen. Der Schmerz wurde schlimmer.

 

»Alles in Ordnung?«

 

Atem ließ die Hand sinken und spähte argwöhnend nach links. Dort an seiner Seite saß Mahaad, dessen Gesicht eine undurchsichtige Maske war. Mahaad hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, keine Gefühle offen zu Schau zu stellen. Doch sein Blick war intensiv und durchdringend. Jeden anderen hätte es beunruhigt. Atem nicht.

 

»Ja, alles gut«, winkte er ab, »Ich bin nur müde.« Er rieb sich demonstrativ über die Augen.
 

Mahaad hob zweifelnd eine Augenbraue. Er war an Atems Seite, seit sich dieser erinnern konnte. Er durchschaute dessen Lügen. Allerdings beschied Mahaad sich darauf, sie dieses Mal nicht zu kommentieren.

 

Das Flugzeug kam endgültig zum Stillstand. Still dankte Atem allen Göttern, als das Dröhnen der Turbinen verstummte.

Mahaad sprang sofort auf die Beine. Er eilte den engen Gang nach vorn zum Cockpit. Karim, dem es deutlich besserging, folgte ihm auf dem Fuße. Dagegen blieb Shada wie Atem sitzen. Der weitere Ablauf war bereits vorher in einem Protokoll festgehalten worden. Mahaad und Karim würden sechzig Sekunden wegbleiben. Solange benötigten sie, um das Vorfeld zu überprüfen, wo ein Wagen mit Diplomatenkennzeichen wartete. Keine Sicherheitschecks, keine Ausweiskontrollen.

Atem blickte aus dem Fenster. Das Flugzeug parkte auf einem abgeschiedenen Teil des Internationalen Flughafens Naritas. Man sah nicht einmal die Flughafengebäude, was – wie Atem grimmig dachte – zweifelsohne beabsichtigt war.
 

Mahaad und Karim kehrten zurück und Atem erhob sich. Sie verließen das Flugzeug in einer eigenartigen Prozession. Karim bildete die Vorhut; Shada folgerichtig die Nachhut. Mahaad wich Atem nicht von der Seite.

Draußen war es dunkel, kühl und nass. Frische Nachtluft schlug ihnen entgegen. Die anderen fröstelten, Atem entspannte sich. Er atmete tief durch. Obwohl er sich den Ursprung nicht erklären konnte, fühlte er sich auf einmal befreit. Sogar seine Kopfschmerzen waren verschwunden. Er blieb auf der obersten Stufe Flugzeugtreppe stehen und genoss das Gefühl. Regen tropfte in seinen Nacken und rollte seinen Rücken hinab. Es war, als wusch er etwas von ihm fort. Atem wusste nicht, was dieses Etwas war. Aber er war dankbar dafür.
 

Mahaad schlug vor, einen Schirm aufzuspannen, woraufhin Atem ein schiefes Grinsen erübrigte.
 

»Sag bloß, du fürchtest dich vor ein paar Tropfen Wasser, Mahaad?!«

 

Mahaad ließ sich nicht anmerken, die Bemerkung in irgendeiner Form vernommen zu haben. Er machte Anstalten, einen Schirm zu entrollen, den er offensichtlich aus dem Nichts heraufbeschworen hatte. Atem hielt ihn zurück.
 

»Bitte nicht.« Er deutete unbestimmt hinauf zum Himmel. »Es ist angenehm.«
 

Mahaad musterte Atem abschätzig, als müsste er entscheiden, ob ein Trick hinter der Bemerkung steckte, lenkte schließlich jedoch ein und ließ den Schirm wieder verschwinden. »Wir haben heute Nachmittag einen Termin mit der Schulleitung. Du bist dir im Klaren, dass ein Schnupfen keine hinreichende Ausrede ist, um diesen zu verschieben?«

 

Atem lachte und blieb Mahaad eine Antwort schuldig.  

 

Sie erreichten den Wagen, wobei es Mahaad sich nicht nehmen, die Wagentür aufzuhalten, als sie einstiegen. Der Regen machte dumpfe Geräusche auf dem Fahrzeugdach. Ein Motor wurde gestartet und der Wagen fuhr an. Sie rollten geräuschlos über das Flugfeld. An einem geschlossenen Tor mussten sie warten, bis Flughafenangestellte es aufgerollt hatten und man sie hindurchlotste. Die Wachmänner glitten als Schatten an den getönten Scheiben vorbei. Atem erhaschte einen Blick auf das hell erleuchtete Terminalgebäude, über dem in japanischen Schriftzeichen der Namenszug des Flughafens stand, bevor der Wagen auf eine große Expressstraße bog. Scheinwerfer anderer Autos begleiteten sie. Am Horizont blinkten rote Leuchtfeuer, wo die Skyline Tokyos zu hoch in den Himmel ragte.  
 

»Wie lange werden wir brauchen?«, fragte Atem.
 

Mahaad blickte von seinem Notizbuch auf. Er hatte eine Lesebrille aufgesetzt, was ihn deutlich älter wirken ließ.  
 

»Noch eine knappe Stunde, sofern der Verkehrt mitspielt.«
 

»Wird mein Vater da sein?« Die Frage war Atem herausgerutscht und er bereute sie sofort. In Mahaads Augen verschob sich etwas. Die Neutralität seines Blickes weichte auf. Atem wandte sich ruckartig ab, bevor die Wandlung vollständig vollzogen war. Er wollte das Mitleid nicht sehen.
 

»Das bezweifle ich. Aufgrund der Zeitverschiebung dürfte seine Anwesenheit in der Botschaft zu dieser Uhrzeit unabdingbar sein.«
 

»Richtig.« Atem hatte jede Gefühlsregung aus seiner Stimme verbannt. Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend.

 
 

*

 
 

Domino, Japan, Tag 1

 

»Bist du bereit, mein Freund?«

 

Jounouchi legte kumpelhaft einen Arm um Yugis Schultern, was aufgrund des Größenunterschiedes zwischen ihnen ziemlich absurd wirkte.
 

»Äh, ich denke schon, ja«, antwortete Yugi verlegen und stolperte zusammen mit Jounouchi aus dem Spieleladen. Die Wetterlage hatte sich inzwischen deutlich gebessert. Die Pfützen auf den Gehwegen und der Straße waren die letzten Beweise für das nächtliche Unwetter.    
 

»Super.« Jounouchis Arm schloss sich fester um Yugis Kehle, dem daraufhin die Luft wegblieb. Verzweifelt klopfte er gegen den Unterarm seines Freundes. Doch Jounouchi bemerkte sein Leiden erst, als sie den Spieleladen längst hinter sich gelassen und die nächstgelegene Kreuzung erreicht hatten, wo sie auf ein grünes Ampelzeichen warten mussten. Jounouchi ließ ihn umgehend los. »Sorry, Yugi. War keine Absicht.«
 

Yugi japste erleichtert nach Luft. »Schon gut.« Er rieb sich die Kehle und grinste. »Du bist ja richtig begeistert.«
 

»Ja, klar, Mann. Immerhin haben wir uns seit Wochen nicht mehr alle getroffen. Ryou bringt sogar seinen Laptop mit, damit wir mit Anzu reden können.« Jounouchi schenkte Yugi an breites, verschmitztes Grinsen. »Damit du mit Anzu reden kannst.«
 

Yugi errötete, doch seine Proteste waren halbherzig und entsprachen nicht ganz der Wahrheit. Die Ampel schaltete auf Grün und sie gingen weiter. Sie waren für halb elf mit Honda, Otogi und Ryou in „Burger World“ verabredet. Sie in Japan würden ein frühes Mittagessen haben und Anzu in New York ein spätes Abendessen. Yugi war froh über ihr Treffen und dass er es nicht abgelehnt hatte. Er freute sich wirklich darauf, denn im Vergleich zum Vortag ging es ihm heute wesentlich besser.  
 

Neben ihm streckte sich Jounouchi ausgiebig. »Burger, Coké und Freunde, das klingt nach einem perfekten Tag. Und hey, vielleicht können wir uns ja auch mal duellieren … Also wenn du willst …« Er sah Yugi hoffnungsvoll an.
 

»Klar«, sagte dieser, schob eine Hand in seine Hosentasche und holte sein Deck heraus. Auffordernd hielt er es Jounouchi hin. »Ich habe sogar ein paar neue Karten.«
 

Jounouchi nahm es leicht überrascht entgegen, fächerte es auf und ging die Karten durch. Er pfiff beeindruckt. »Das sind abgefahrene Zauber, die du da hast. Und die Monster sind auch nicht schlecht und … hey, warte mal …« Jounouchi stutzte. Abschätzend beäugte er jene Karte, welche aktuell ganz zuoberst des Stapels lag. Sein Gesicht hatte sich in einem Ausdruck tiefer Konzentration verzerrt. Yugi machte ein Geräusch, das wie eine Mischung und aus Wimmern und Winseln klang. Er ahnte, was Jounouchi aufgefallen war. Vorsorglich zog er den Kopf ein. »Das ist aber nicht dein üblicher ‚Schwarzer Magier‘, oder?« Er zeigte Yugi die entsprechende Karte, obwohl es nicht nötig war. Der schwarze Magier, der sich zurzeit in seinem Deck befand, unterschied sich in seinem Design ein wenig von seiner früheren Karte. Seine Rüstung war wesentlich dunkler und seine Pose wilder.

 

»Nein, das ist eine Neuauflage. Für das schwarze Magiermädchen und Kuriboh habe ich auch neue Karten.«
 

»Ach echt?« Jounouchi blätterte weitere Karten durch, bis er die entsprechenden Monster fand. Die Unterschiede stachen weniger offensichtlich ins Auge als beim schwarzen Magier, waren aber doch deutlich erkennbar. Jounouchi raffte die Karten wieder zusammen und gab Yugi dessen Deck zurück. »Warum? Ich dachte, du hängst an diesen Karten.«
 

»Das tue ich auch, wirklich. Es ist nur …«, sagte Yugi und bemerkte, wie seine Stimme plötzlich rau wurde, als sich seine Kehle zuschnürte. Er atmete durch. »… ich konnte nicht länger mit ihnen spielen, weil …« Er wollte den Satz nicht beenden.

 

Jounouchi verstand ihn. »Schon klar.«
 

Yugi lächelte dankbar.

 

»Wo sind die Karten jetzt?«

 

»Ich habe sie Marik geschickt und ihn gebeten, sie in Atems Grabkammer zu bringen. Er hat es gestern erledigt.«
 

Aus den Augenwinkeln sah Yugi Jounouchi unwillkürlich schaudern. Es war kein Geheimnis, dass Gedanken an Gräber und Geister ihm nicht behagten.

 

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher, bis am Ende der Straße Burger World in Sicht kam. Ein gigantischer Hamburger drehte sich aufgespießt an einem Fahnenmast über dem Dach.
 

»Glaubst du eigentlich daran …«, fragte Jounouchi und steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke, die immer noch feucht war, »… an das Jenseits, meine ich?«
 

»Ja«, antwortete Yugi schlicht. Erneut hielten sie an einer Kreuzung. »Nach allem, was wir durchgemacht haben, ist es schwer, nicht daran zu glauben. Und außerdem ist dieser Glaube daran meine einzige Hoffnung, Atem jemals wiederzusehen.«
 

Jounouchi hob eine Augenbraue. »Das klingt ziemlich düster, Mann.«
 

Die Ampel schaltete um und sie folgten einem Strom anderer Passanten über die Straßenkreuzung. Yugi schüttelte den Kopf. »So ist es aber nicht gemeint. Sterben gehört zum Leben dazu und wenn es soweit ist, dann hoffe ich einfach, dass ich Atem auf der anderen Seite wiedersehen kann. Aber bis dahin habe ich mir vorgenommen, möglichst viel zu erleben. Ich will mein Spiel fertigstellen und hoffe, dass es die Menschen glücklich macht, wenn sie es spielen. Und natürlich will ich so viel Zeit wie möglich mit dir und unseren Freunden verbringen.«
 

»Klingt nach einem guten Plan«, bemerkte Jounouchi, der sich verdächtig die Nase rieb, »Meinst du, Atem hält für uns da drüben Plätze frei?«
 

Yugi lachte verdruckst. »Das hoffe ich doch.«
 

Zusammen betraten sie Burger World.

 
 

*

 
 

Luxor, Ägypten, Tag 1

 

Marik erwachte, weil ihm jemand einen nassen Lappen aufs Gesicht drückte. Er schrak hoch und verfluchte den Verantwortlichen auf eine abscheuliche Weise und in allen Sprachen, die er beherrschte. Einige davon waren noch vor der Geburt Christus ausgestorben. Dann erblickte er Rishid.
 

Marik grollte kehlig wie ein angriffslustiges Raubtier, bereute allerdings einige seiner unüberlegten Worte. »Gab es keine bessere Möglichkeit, mich zu wecken?«
 

»Nein«, antwortete Rishid knapp. Einer seiner Mundwinkel zuckte merkwürdig, als kämpfte er mit einem Lachen.
 

Marik gab ein weiteres Geräusch von sich, das weniger menschlich klang als beabsichtigt. Doch seine Verärgerung hatte sich wieder gelegt. Es tat gut, Rishid bei guter Laune zu wissen. Im Grunde waren die Leiden seines Bruders wesentlich schlimmer gewesen, als Mariks eigene.

Müde rieb er sich mit einem Handballen über die Augen. »Habe ich verschlafen?«
 

»Nein.« Rishid machte eine ruckende Kopfbewegung zu einem großen Fenster hin. Draußen hatte sich der Himmel noch nicht einmal mit den morgendlichen Pastellfarben geschmückt. Es war Nacht und Sterne funkelte am dunklen Himmel. Die Schlechtwetterfront hatte sich aufgelöst.
 

Marik schlug eine dünne Decke zurück. Ein wenig Leben kehrte in ihn, als seine nackten Füße den kalten Fliesenboden seines Zimmers berührten. »Weshalb hast du mich geweckt?«
 

»Ishizu hat mich darum gebeten. Sie meinte, sie müsse sich mit dir unterhalten. Und dass es sehr dringend sei.«
 

Marik rollte mit den Augen und stellte innerlich fest, dass ältere Schwestern eine Qual waren. Er nahm nicht an, dass die Angelegenheit tatsächlich dringend war. Trotzdem folgte er seinem Bruder in die Küche, weigerte sich allerdings aus Protest mehr am Leib zu tragen als seine Shorts.

 

»Wie spät ist es?«
 

»Halb fünf.«
 

Marik stöhnte gepeinigt auf und verfluchte seine Schwester erneut.

 

Die Küche war hell erleuchtet, als sie sie betraten. Der Strom war noch am gestrigen Tag zurückgekehrt, was für ägyptische Verhältnisse eine außerordentliche rasche Reparatur darstellte.

Ishizu sah nicht so aus, als wäre sie in dieser Nacht zu Bett gegangen. Sie trug die selben Kleider wie am Vortag und schritt in eiligen Kreisen durch die Küche. An ihrem Ohr hielt sie ein Telefon. Sie sprach auf schnellen Arabisch mit ihrem Gesprächspartner. Marik hatte Mühe, ihr zu folgen. Sein Arabisch war längst nicht so fließend wie das seiner Schwester, weil sich niemand die Mühe gemacht hatte, den Clanerben darin zu unterrichten.

Aber auch ohne die entsprechenden Sprachkenntnisse wurde Marik die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit bewusst. Die Tonlage seiner Schwester ließ in Marik Unbehagen keimen.

Er und Rishid tauschten Blicke aus, die nichts Gutes erahnen ließen, und setzten sich an den Küchentisch. Ishizu beendete ihr Telefonat und trat zu ihnen. Auf ihrem Gesicht hatte sich eine Grabesmiene ausgebreitet.
 

»Du musst Yugi anrufen«, sagte sie angespannt.
 

»Weswegen?«
 

»Ich habe eben einen Anruf meiner Kontaktperson erhalten …«
 

»Aus deinem Untergrundnetzwerk, das die Regierung infiltriert?«, hakte Marik provokant nach. Er wusste, dass Ishizus gelegentliche Absprachen mit der ägyptischen Regierung, die es ihr erlaubten, historische Artefakte an ausländische Museen – zum Beispiel in Japan – anzubieten oder ein gesamtes Kreuzfahrtschiff zu chartern, um eine Gruppe unautorisierte Touristen in einen heiligen Tempel einzuladen, den zu betreten nicht einmal Archäologen erlaubt war, ihr wunder Punkt waren.
 

Ishizu ließ sich ihre Verärgerung äußerlich nicht anmerken, doch sie klang gereizt, als sie weitersprach. »Ja. Gestern ließ die ägyptische Regierung das Tal der Könige weitestgehend räumen, um mögliche Personenschäden aufgrund des Unwetters zu vermeiden. Es ist dir vielleicht aufgefallen, als du rausgefahren bist. Es dürften weder Archäologen noch Touristen anwesend gewesen sein.«
 

»Schon möglich«, meinte Marik achselzuckend, »Und jetzt komm bitte zum Punkt, Schwesterchen. Es ist zu früh für eine Politikstunde.«
 

Ishizu verkniff die Lippen, biss einen Kommentar jedoch zurück. »Um Mitternacht hat die Regierung das Verbot aufgehoben. Einige Forscher kehrten sogleich zurück, um mögliche Schäden an den Gräbern festzustellen. Vor einer halben Stunde haben sie ihre Untersuchungen abgeschlossen. Die meisten Grabkammern sind unversehrt; einige trugen leichte Beschädigung davon, sind aber weitestgehend restaurierbar. Nur …«
 

Marik hielt den Atem an. Er spürte eine ungute Vorahnung über sich hinwegrollen. Er ballte die Hände zu Fäusten, so dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. »Raus mit der Sprache, Ishizu.«
 

Seine Schwester sah ihm fest in die Augen. »Es tut mir leid«, sagte sie, »Aber eine Grabkammer wurde vom Unwetter vollständig zerstört. Sie ist zwar niemanden zuordenbar, weil sämtliche Namen aus den Inschriften geschlagen wurden, aber-«
 

Marik ließ seine Schwester nicht aussprechen.

»Scheiße!«, fluchte er und sprang auf. Er wusste, wessen Grab zerstört worden war. Er rannte zurück, um sein Handy zu holen. Ishizu hatte Recht: Yugi musste davon erfahren.

 
 

*

 
 

Domino, Japan, Tag 1

 

»Cheers!«
 

Anzu strahlte und hob auffordernd ihren Pappbecher, in dem ein dünner Plastikstrohhalm steckte. Ihr Bild war auf dem Bildschirm ein wenig verpixelt. Die Internetverbindung, die Burger World seinen Besucher kostenfrei anbot, war bescheiden, aber für ihre Zwecke ausreichend.

Die Anderen folgten ihrem Beispiel und stießen ihre Becher zusammen, bevor sie zurück auf die gepolsterten Bänke sanken. Sie lachten, Anzu kicherte.
 

Sie hatten bereits gegessen. Auf ihren Plastiktabletts türmten sich ansehnliche Berge aus leeren Pommes-Schachteln und zusammengeknüllten Einwickelpapier.
 

Anzu wandte sich an Yugi. »Also, wie läuft es mit deinem Spiel?«
 

»Ganz gut, denke ich.« Videotelefonate fühlten sich eigenartig an, weil es schwer war, den Blickkontakt aufrechtzuerhalten. Man konnte nicht gleichzeitig auf den Bildschirm und in die Kamera blicken. »Übermorgen habe ich einen Termin mit Kaiba, um über das endgültige Konzept zu sprechen. Wenn er damit einverstanden ist, soll mit der Umsetzung eines Prototyps begonnen werden.«
 

Jounouchi machte ein abfälliges Geräusch. »Dem reichen Mistkerl soll bloß nicht einfallen, etwas an deinen Ideen auszusetzen. Die sind nämlich erste Sahne.«
 

»Sag bloß, du hast sie schon gesehen!«, meinte Honda ungläubig und sah erst Jounouchi und dann, nachdem sich dieser selbstgefällig in die Brust geworfen hatte, Yugi an. »Alter, das ist nicht fair!«
 

»Ich weiß, es tut mir leid.« Verlegen kratzte sich Yugi an der Wange.
 

»Vergiss es«, sagte Otogi lässig und hob leicht das Kinn, was seine würfelförmigen Ohrringe kreiseln ließ. »Ich wette, er hat dich nicht mal um Erlaubnis gefragt, stimmt’s?« Er schenkte Jounouchi ein überhebliches Grinsen, welches sich ausdehnte, als Jounouchi bloß unbekümmert abwinkte.
 

»Und wie ist es, mit Kaiba zusammenzuarbeiten?«, fragte Ryou. Er zog eine einzelne Pommes aus seiner Schachtel, die noch halb voll war, »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er besonders freundlich mit seinen Mitarbeitern umgeht … « Er steckte sich die Pommes in den Mund und kaute gedankenverloren darauf herum.  
 

»Es ist wirklich nicht so schlimm«, sagte Yugi, »Er kann zwar manchmal ziemlich hart sein, aber unfair ist er eigentlich nicht. Und ich glaube, ihm gefällt meine Idee wirklich, ansonsten hätte er mir wohl nicht seine Unterstützung angeboten.«
 

»Ja, und das ist ein gewaltiger Vorteil für dich«, bemerkte Otogi und deutete mit seinem Becher bedeutungsschwer auf Yugi, »Als ich damals ‚Dragon, Dice & Dungeons‘ auf den Markt gebracht habe, wäre ich ohne die Hilfe meines Vaters vollkommen aufgeschmissen gewesen. Es ist unglaublich, an was man alles denken muss. Sicherlich, die Idee ist das Herz eines Spiels. Aber wenn man es erfolgreich auf den Markt bringen will, braucht man viel mehr als nur eine gute Idee. Ohne die entsprechenden Ressourcen für Design, Umsetzung, Tests und Marketing ist selbst das beste Konzept vollkommen wertlos.«
 

»Genau«, pflichtete Yugi ihm bei, »Ohne Kaibas Hilfe hätte ich vermutlich gar keine Chance.«
 

»Ja, ja, mag sein«, beharrte Jounouchi abwinkend, »Trotzdem bleibt er ein Arsch.«
 

Niemand widersprach ihm.
 

Weil Burger World zur Mittagszeit ziemlich voll wurde und Yugi ohnehin versprochen hatte, seinem Großvater am Nachmittag im Spieleladen auszuhelfen, beschlossen sie, ihr Treffen zu beenden. Sie verabschiedeten sich von Anzu und Ryou packte seinen Laptop ein, während die anderen die Tabletts aufräumten.
 

Yugi stellte sein Tablett eben auf einem automatischen Geschirrabräumband ab, als Honda plötzlich leise pfiff.

»Seht mal.« Er deutete mit dem Kopf auf ein Fenster, durch welches man die Straße vor dem Lokal einsehen konnte. Eben war ein Wagen vorgefahren und hielt vorm Eingang am Straßenrand. Obwohl sich Yugi nichts aus Autos machte, entging ihm nicht, warum Honda so beeindruckt war. Das Auto sah modern und teuer aus. Es war dunkel, seine Fensterscheiben abgetönt und bemessen am japanischen Straßenbild wirkte es riesig. Es war die Art von Fahrzeug, die Seto Kaiba bevorzugte, wenn er sich durch die Stadt chauffieren ließ.
 

»Meint ihr, das ist Kaiba?«, fragte Jounouchi und verzog das Gesicht.
 

»Nein, kann nicht sein«, antwortete Otogi.
 

»Ach, und wie kommst du darauf?«
 

»Sieh dir doch mal das Kennzeichen an. Es ist blau mit weißen Schriftzeichen.« Otogi schüttelte den Kopf. »Nicht einmal Kaiba käme an so ein Kennzeichen heran.«
 

»Und wieso nicht?«
 

»Weil das ein Diplomatenkennzeichen ist«, erklärte Yugi, dem das Kennzeichen ebenfalls aufgefallen war, »Nur Fahrzeuge, die zu Botschaften gehören, dürfen diese Kennzeichen-« Yugi unterbrach sich, weil sein Telefon klingelte. Verdutzt kramte er es hervor. Als er die Anruferkennung las, wurde er ganz blass.

 

Jounouchi musterte ihn abschätzend. »Alles in Ordnung?«
 

»Ja. Ja, alles klar«, sagte Yugi zerstreut, »Ich muss nur eben … Ich bin gleich wieder da.« Er drehte sich um und entfernte sich eilig von ihnen.
 

»Hey, was ist los?«, rief Jounouchi ihm noch nach, doch Yugi machte bloß eine Handbewegung, welche wohl bedeutete, man solle sich keine Sorgen um ihn machen. Er bog um die Ecke, die zu den Toilettenräumen fühlte, und geriet außer Sichtweite.

Jounouchi kämpfte mit dem Impuls, ihm nachzulaufen. Yugi war ein erbärmlicher Lügner. Er hatte sich schon unweigerlich in Bewegung gesetzt, als Otogi plötzlich scharf Luft einsog und Honda sich an Jounouchi wandte. Er sah aus, als hätte er eben einen Geist gesehen.
 

»Scheiße, Mann!« Mit zitternden Finger deutete Honda über seine Schulter auf die Straße. »Bitte sag mir, dass du ihn auch siehst.«
 

Jounouchi folgte dem Zeig. »Wen soll ich bitte-« Das letzte Wort blieb ihm im Hals stecken. Er sah, wen Honda meinte.
 

Eben war Atem aus dem Wagen gestiegen.
 

»Scheiße, Mann!«
 

*
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eine Sache habe ich definitiv unterschätzt: Es ist eine ganz schön knifflige Angelegenheit, die Beziehung zwischen Atem und Mahaad in der modernen Zeit angemessen wiederzugeben.
Übrigens habe ich Atem nicht „Wunder-altern“ lassen. Er war 16 als er starb, also ist er auch 16 wenn er zurückkehrt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  YuuShindo22
2017-08-08T08:46:02+00:00 08.08.2017 10:46
wahhhh ich glaube mein Herz bleibt stehen TOT hallo gehts noch ? So kann das doch nicht enden nicht so nein das geht nicht >o< das ist grausam Q_Q aber echt colle 2 Kapitel *Gleich mal in die Favos packt* Atem in der neuzeit nur ohne Erinnerungen <3 das wird ein spaß, aber für unserern kleinen Yugi erstmal der Horror Q_Q oh bitte mach ganz schnell weiter qwq

LG Yuu
Antwort von:  Maclilly
17.09.2017 19:53
Huhu!

Ich danke dir für deinen Kommi! Es freut mich, dass dir die Geschichte bis hierhin schon mal gefällt. Hoffe, sie wird dir weiterhin gefallen.

LG Maclilly
Von: ShioChan
2017-08-06T07:06:05+00:00 06.08.2017 09:06
Ich hasse Cliffhanger. TAT Wieso tust du uns das an? OAO Abgesehen davon... tolles Kapitel. *____* Ich bin gespannt, wie Yugi reagiert, wenn er vor dem zerstörten Grab erfährt und erst recht, wenn ihm dann Atemu über den Weg läuft. XD

Freue mich schon aufs nächste Kapitel.

LG
Shio~
Antwort von:  Maclilly
17.09.2017 19:52
Hi!
Danke für deinen Kommi! Nun, weil es sonst ziemlich langweilig wäre und ich so sicherstellen kann, dass ihr weiterlest? :D

LG Maclilly
Von:  Glamorous91
2017-08-05T18:06:54+00:00 05.08.2017 20:06
Du kannst doch jetzt nicht an der spannendsten Stelle aufhören :(
Antwort von:  Maclilly
05.08.2017 20:43
Hallo!

Danke für den Kommi. Wo soll ich denn sonst aufhören?:P

LG Maclilly
Antwort von:  Glamorous91
05.08.2017 21:43
Zumindest nicht da Wo Ati auftaucht ^^


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